Schulung für die Juristische Praxis: Ein induktives Lehrbuch [4., vollst. neubearb. Auflage. Reprint 2020] 9783112311974, 9783112300701

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Schulung für die Juristische Praxis: Ein induktives Lehrbuch [4., vollst. neubearb. Auflage. Reprint 2020]
 9783112311974, 9783112300701

Table of contents :
Aus dem Vorwort zur I. Auflage
Vorwort zur 4. Auflage
Inhaltsverzeichnis
Erste Abteilung: Zivilprozeß
1. Kapitel: Beim Prozeßrichter des Amtsgerichts
2. Kapitel: In der Zivilkammer
3. Kapitel: In der Kammer für Handelssachen
4. Kapitel: In der Ehekammer
5. Kapitel: In der Berafungs- und Beschwerdekammer
Zweite Abteilung: Zwangsvollstreckung und Konkurs
6. Kapitel: Beim Gerichtsvollzieher
7. Kapitel: Beim Zwangsvollstreckungsrichter
8. Kapitel: Beim Zwangs Versteigerungsrichter
9. Kapitel: Beim Konkursrichter
10. Kapitel: Beim Konkursverwalter
Dritte Abteilung: Freiwillige Gerichtsbarkeit einschließlich Notariat und Aufgebotsverfahren
11. Kapitel: Beim Notar
12. Kapitel: Beim Vormundschaftsgericht
13. Kapitel: Beim Nachlaßgericht
14. Kapitel: Beim Grundbuchamt
15. Kapitel: Beim Registergericht
16. Kapitel: Beim Aufgebotsrichter
Vierte Abteilung: Strafsachen
17. Kapitel: Beim Staatsanwalt
18. Kapitel: Beim Untersuchungsrichter
19. Kapitel: Beim Einzelrichter für Strafsachen
20. Kapitel: Beim Schöffenrichter
21. Kapitel: Beim Jugendrichter
22. Kapitel: In der Strafkammer
Fünfte Abteilung: Arbeits- und Verwaltungssachen, Rechtsanwaltschaft, Oberlandesgericht
23. Kapitel: Beim Arbeitsgericht
24. Kapitel: Bei den Verwaltungsgerichten
25. Kapitel: Beim Rechtsanwalt
26. Kapitel: Beim Oberlandesgericht
Sachregister zur 1.—5. Abteilung

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SCHULUNG für die

JURISTISCHE PRAXIS Ein induktives Lehrbuch begründet von

DR. WALTER LUX f 4. v o l l s t ä n d i g n e u b e a r b e i t e t e A u f l a g e bearbeitet von

DR. HANS BERG

PAUL JANSEN

Oberlaadesgerichtsrat in Köln

Kammergerichtsrat in Berlin

DR. ERWIN KRAUS

DR. DIRK NEUMANN

Oberverwaltungsgerichtsrat in München

Arbeitsgerichtsrat in Köln

DR. KARL SCHÄFER Senatspräsident in Frankfurt a. M.

1959

J. S C H W E I T Z E R V E R L A G , B E R L I N W 35

Gesamtherstellung: Dr. F. P. Datterer & Cie. - Inhaber Sellier - Freising Alle Rechte, einschließlich des Rechtes der Herstellung yon Photokopien und Mikrofilmen, Torbebalten

Aus dem Vorwort zur I. Auflage Die in vieljähriger Lehrtätigkeit an Studenten und Referendaren, in gerichtlichen und privaten Kursen gesammelten Erfahrungen haben mich überzeugt, daß unsere juristischen Lehrmittel, so vorzüglich sie in ihrer Art sind, einer Ergänzung bedürfen. Das vorliegende Buch ist ein Versuch, die in der Literatur vorhandene Lücke auszufüllen und zugleich für die Reform des Rechtsunterrichts und des Vorbereitungsdienstes praktische Anregungen zu geben. Seine Eigenart liegt nicht im Stoff, sondern in der angewandten Methode: 1. Es ist i n d u k t i v . Im Gegensatz zu den deduktiv-systematischen Werken, die bestimmte Rechtsmaterien behandeln und, vom Allgemeinen zum Besonderen führend, durch Beispiele erläutern, schildert es unmittelbar die juristische Praxis und entwickelt am konkreten Falle die Rechtssätze und -institute. 2. Es verzichtet auf Vollständigkeit und begnügt sich mit der Darstellung typischer Ausschnitte aus den verschiedenen Zweigen der juristischen Tätigkeit. 3. Es ist ein L e h r b u c h . Die Erläuterung der Fälle hält zwischen den kurzen Anmerkungen, mit denen die Studien-Aktenstücke die Beziehung auf das Gesetz herstellen, und der Breite einer Monographie die Mitte, und die Fälle sind so gewählt, daß aus allen Rechtsgebieten eine Anzahl wichtiger Materien abgehandelt werden kann. 4. Während die vorhandenen Lehrmittel induktiver Art sich meist auf formelles Recht beschränken, wird hier auch m a t e r i e l l e s R e c h t gelehrt. Das Buch will nicht bloß zeigen, wie es in der Praxis gemacht wird, sondern auch warum man es so macht. Deshalb erklärt es weiterhin, was für Bestrebungen und Ziele hinter den formal-juristischen Vorgängen stecken: Rechtstatsachen, Zusammenhänge mit Erscheinungen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Die äußere Einteilung lehnt sich an die Stationen des Vorbereitungsdienstes an. Daß ich dabei eine Station „Gerichtsvollzieher" und eine Station „Konkursverwalter" eingefügt habe, wird gewiß keinen Widerspruch hervorrufen. Die oberlandesgerichtliche Station (5. Abteilung) entwickelt an dem Rohmaterial eines in der 1. Abteilung (im 3. Kapitel) behandelten Falles die Technik des Referats, Votums und Urteils, wie sie ja auch in der Praxis vorzugsweise zur Vervollkommnung in diesen Künsten benutzt wird. Was die Form der Darstellung anlangt, so ist das ganze Buch, auch wo das nicht besonders hervorgehoben wird, als Unterhaltung zwischen dem ausbildenden Richter und seinem Referendar gedacht. Der Zweck des Buches brachte es mit sich, daß darin von scharfsinnigen Konstruktionen, von prozessualen Kniffen, von allerlei Schiebungen und Regreßfällen die Rede ist. Der Anfänger möge sich hüten, solche Dinge als den Höhepunkt juristischer Kunst zu betrachten. Die eigentliche Aufgabe des praktischen Juristen liegt auf anderen Gebieten: in der gewissenhaften Feststellung des Tatsächlichen, der Kunst der Vernehmung, im Ermitteln der rechtlichen Besonderheiten des konkreten Falles, dem Aufsuchen der Billigkeitsgründe usw. Alles formale Wissen und Können ist nichts als technisches Handwerkszeug, dessen sichere Beherrschung uns die Erreichung jenes wahren, höheren Zieles erleichtern soll. B r e s l a u , i m Juni 1920

Dr. L u x

Vorwort zur 4. Auflage Lux, Schulung für die juristische Praxis, war für die Juristengenerationen der letzten Jahrzehnte ein Begriff. Wer dieses anschauliche Lehrbuch durchgearbeitet hatte, konnte sich beruhigt zur großen Staatsprüfung melden. Dem Verlag gebührt Dank, daß er das Buch nunmehr neu auflegt. Da die letzte Auflage in den Jahren 1932—36 erschien, waren bei der Neuauflage Änderungen der Gesetze, der Rechtsprechung und Rechtslehre seit über 20 Jahren zu berücksichtigen. Auch mußten die als Beispiele wiedergegebenen Urteilsentwürfe und Relationen ihrer äußeren Darstellungsform wegen vielfach neugefaßt werden, da der Aufbau mit den modernen Regeln nicht mehr übereinstimmte. Hiervon abgesehen ist das Buch aber in seiner Anlage unverändert. Es zerfällt entsprechend der Ausbildung der Referendare im Vorbereitungsdienst in 5 Abteilungen. I. Abteilung: Zivilprozeß. II. Abteilung: Zwangsvollstreckung, Konkurs, Zwangsversteigerung. III. Abteilung: Freiwillige Gerichtsbarkeit einschl. Notariat und Aufgebotsverfahren. IV. Abteilung: Strafsachen einschl. Schutzaufsicht und Fürsorgeerziehung. V. Abteilung: Arbeits- und Verwaltungssachen, Rechtsanwaltschaft, Oberlandesgericht. Das Buch soll dem jungen, in der Ausbildung stehenden Juristen, insbesondere dem Referendar, in allen Stationen seines Ausbildungsganges ein steter Begleiter sein. Es führt ihm anschaulich vor, was sich täglich beim Prozeßrichter, dem Vollstreckungsrichter, dem Vormundschafts-, Nachlaß-, Grundbuch- und Registerrichter oder in den übrigen Zweigen der Gerichtsbarkeit, auch beim Rechtsanwalt und Notar, ereignen kann. Indem diese Personen bei der Verwirklichung des Rechts praktisch handelnd vorgestellt werden, vermittelt das Buch einen jederzeit greifbaren Anschauungsunterricht, soweit er durch Bücher überhaupt gegeben werden kann, und möchte auf diese Weise dazu beitragen, dem jungen Juristen die Kunst der Rechtsanwendung nahe zu bringen. Auch dem jungen Rechtspfleger, der seine Kenntnisse vertiefen möchte, wird das Werk von Nutzen sein. Es ist zu hoffen, daß das Buch in seiner neuen Gestalt sich wieder den Platz erobern wird, den der alte „ L u x " in den Jahren 1920—1936 eingenommen hat. Im August 1959

Die Bearbeiter

Inhaltsverzeichnis Erste Abteilung: Zivilprozeß 1. Kapitel: Beim Prozeßrichter des Amtsgerichts Schiedsurteil. Haftung für Auskunft, Rat, Empfehlung S. i. — Mahnverfahren. Duldungstitel bei Ehegatten S. 7. — Abzahlungssache. Versäumnisverfahren S. 14. — Streitige Mietsache. Schriftliche Entscheidung. Beweisbeschluß S. 21. — Parteivernehmung. Beweislast für Stundung S. 31. — Urteil in einer Unterhaltssache S. 36. — Scheckprozeß S. 44. — Arrestverfahren. Verarbeitung gestohlener Sachen S. 51. — In der Geschäftsstelle S. 61. 2. Kapitel: In der Zivilkammer Hypothekenurteil. Betrug beim Grundstückskauf S. 66. — Verlöbnissache. Feststellungsklage. Armenrecht S. 72. — Notwendige Streitgenossenschaft S. 78. —• Gutachten in einer Interventionssache S. 84. — Mäklerprozeß. Zedent als Zeuge. Aussetzung nach § 148 Z P O S. 91. — Vortrag in einer Unfallsache. Eisenbahn-, Kraftfahrzeug- und Kraftposthaftung. Vorabentscheidung über den Grund des Anspruchs S. 95. — Prozeßvergleich S. 110. — Freigabe von Sicherheiten S. 1 1 3 . 3. Kapitel: In der Kammer für Handelssachen Wechsel-Vorbehaltsurteil S. 116. — Kaufmännische Warenklage. Urkunden im geschäftlichen Verkehr. Unzuständigkeitseinrede S. 122. — Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Sukzessivlieferungsvertrags S. 1 3 1 . — Unterbrechung und Aussetzung. Erbenhaftung im Prozeß S. 152. 4. Kapitel: In der Ehekammer Scheidungsklage und -Widerklage. Mitschuldigerklärung S. 159. — Klageabweisendes Eheurteil. Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft S. 170. — Kostenentscheidung nach Tod einer Partei S. 176. 5. Kapitel: In der Berafungs- und Beschwerdekammer Berufungsurteil in einem Pferdeprozeß S. 180. — Spiel-Darlehn. Berufung. Anschlußberufung S. 187. — Deliktsanspruch zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Gesetzlicher Forderungsübergang auf Versicherungsträger S. 193. — Gastwirtshaftung. Schaden eines Dritten. Klageänderung. Versäumnisverfahren in der Berufungsinstanz S. 197. — Beschwerdebeschluß. Zwangsvollstreckung aus einem Immissionsurteil S. 201.

Zweite Abteilung: Zwangsvollstreckung und Konkurs 6. Kapitel: Beim Gerichtsvollzieher Pfändung für mehrere Gläubiger. Vollstreckung eines Herausgabeanspruchs. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung S. 205. — Sachen im Gewahrsam eines Dritten. Mindestangebot. Ergänzungspfändung S. 223. — Vollstreckung gegen einen Landwirt. Beschränkte Erbenhaftung in der Zwangsvollstreckung S. 225. — Vollstreckung eines Zug-um-Zug-Urteils. Wechselpfändung S. 228. 7. Kapitel: Beim Zwangsvollstreckungsrichter Offenbarungseid S. 231. — Hypothekenpfändung S. 238. — Vollstreckung in Anteilsund Nacherbenrechte S. 244. — Hinterlegungsbeschluß S. 247. — Erinnerung gegen Vollziehung einer einstweiligen Verfügung S. 252. — Verteilungsverfahren S. 257.

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Inhaltsverzeichnis

8. Kapitel: Beim Zwangs Versteigerungsrichter Zwangsversteigerung eines Mühlengrundstücks S. 261. — Zwangsversteigerung gegen den nicht eingetragenen Erben S. 301. — Einstellung des Verfahrens nach Schluß der Versteigerung S. 303. — Versteigerung mehrerer Grundstücke. Gesamthypothek S. 305. — Tilgungs- und Zinsrückstandshypothek. Pfändung von Eigentümergrundschulden. Aufrechnung des Erstehers S. 309. — Zwangsverwaltung eines städtischen Mietgrundstücks bei gleichzeitiger Zwangsversteigerung S. 318.

Seite

261

9. Kapitel: Beim Konkursrichter Vergleichsverfahren S. 330. — Konkurseröffnung S. 346. — Erste Gläubigerversammlung S. 355. — Prüfungstermin S. 359. — Zwangsvergleich S. 369. — Schlußverfahren nach Zwangsvergleich S. 380. — Schlußrechnung und Schlußverzeichnis in einem Nachlaßkonkurs S. 383.

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10. Kapitel: Beim Konkursverwalter Bestellung und erste Maßnahmen S. 389. — Erfüllung der Verträge S. 391. — Feststellung der Teilungsmasse S. 397. — Konkursprozesse S. 408. — Verkauf des Geschäfts an die Ehefrau S. 412. — Ausschüttung der Masse S. 414.

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Dritte Abteilung: Freiwillige Gerichtsbarkeit einschließlich Notariat und Aufgebotsverfahren 11. Kapitel: Beim Notar Beglaubigung einer Hypothekenabtretung. Akten- und Kostenwesen S. 422. — Sicherungsvertrag S. 427. — Grundstückskaufvertrag S. 434. — Gesellschaftsvertrag einer offenen Handelsgesellschaft S. 446. — Vollstreckbare Urkunde und Hypothekenbestellung S. 454. — Ehevertrag S. 458. — Testament S. 463. — Wechselprotest. Haftung des Notars S. 472. — Anhang: Sonstige Organe des Beurkundungswesens S. 478.

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12. Kapitel: Beim Vormundschaftsgericht Amtsvormundschaft. Elterliche Gewalt S. 481. — Vaterschaftsanerkenntnis. Vormundschaftsgerichtliche Genehmigung. Entlassung des Vormundes S. 493. — Inventar. Auseinandersetzungspflegschaft S. 500. — Vormundschaft mit Vermögensverwaltung S. 506. — Annahme an Kindes Statt S. 513. — Regelung des Sorgerechts nach der Ehescheidung. Religiöse Kindererziehung S. 519. — Wohnungs- und Hausratsauseinandersetzung nach geschiedener Ehe S. 528. — Vorläufige Vormundschaft. Gebrechlichkeitspflegschaft S. 534. — Pflichtteilspflegschaft S. 541. — Deszendenzpflegschaft S. 543.

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13. Kapitel: Beim Nachlaßgericht 546 Sicherung des Nachlasses. Erbschaftsausschlagung. Nachlaßpflegschaft S. 546. — Nachlaßverwaltung S. 554. — Inventarfrist S. 559. •— Testamentseröffnung S. 561. — Testamentsanfechtung S. 567. —• Erbschein bei gesetzlicher Erbfolge. Einziehung und öffentlicher Glaube des Erbscheins S. 568. — Erbschein bei testamentarischer Erbfolge. Beschwerde S. 576. — Testamentsvollstreckerzeugnis S. 582. — Gemeinschaftliches Testament S. 585. — Vermittlung der Erbauseinandersetzung S. 591. 14. Kapitel: Beim Grundbuchamt Grundbuchblatt eines Vorortgrundstücks S. 601. — Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit S. 620. — Löschung auf Lebenszeit beschränkter Berechtigungen S. 623. — Hypothekenlöschungen. Umstellung. Legitimationsfragen S. 624. — Parzellierung S. 636. — Eintragung einer Hypothek auf Grund Rangvorbehalts. Zwischenverfügung. Zwangshypothek S. 645. — Umwandlung einer Höchstbetragshypothek in eine Grundschuld S. 651. — Umwandlung einer Eigentümergrundschuld in eine Hypothek. Tod des Vollmachtgebers S. 655. — Teilabtretung. Ordnungswidrig bewirkte Eintragungen S. 659. — Gleitender Zinssatz. Beschwerde. Antragsrücknahme. Rangvertauschung S. 664. — Auflassungsvormerkung S. 670.

599

Inhaltsverzeichnis 15. Kapitel: Beim Registergericht Einzelfirma. Registerzwang. Prokura S. 675. — Zweigniederlassung. Umschreibung auf den Erben S. 683. — Kommanditgesellschaft S. 686. — Gläubiger-GmbH. S. 690. — Sanierung einer Aktiengesellschaft durch Herabsetzung des Grundkapitals, verbunden mit der Ausgabe neuer Aktien S. 700. — Liste der Genossen S. 706. — Eintragung eines Vereins in das Vereinsregister S. 712. — Ermächtigung zur Einberufung einer Mitgliederversammlung S. 717. — Entziehung der Schlüsselgewalt S. 719. — Geschmacksmustereintragung S. 721. 16. Kapitel: Beim Aufgebotsrichter Todeserklärung S. 726. — Krafdoserklärung von Vollmachten S. 730. — Kraftloserklärung verzinslicher Inhaberschuldverschreibungen S. 731. — Aufgebot eines Sparkassenbuchs S. 737. — Aufgebot der Nachlaßgläubiger S. 739.

IX Seite

675

726

Vierte Abteilung: Strafsachen 17. Kapitel: Beim Staatsanwalt Urheber- und Verlagsrechtsverletzung. Strafantrag. Verweisung auf den Weg der Privatklage. Aufbau der Staatsanwaltschaft. Beschränkung des Legalitätsprinzips S. 743. — Ermittlungsverfahren wegen Wechselfälschung. Einstellungsverfügung. Gerichtliche Entscheidung S. 749. — Untreue- und Unterschlagungsfall (Schöffengerichtssache), Durchsuchung, Beschlagnahme, Postbeschlagnahme, Sachliche Zuständigkeit der Strafgerichte, Mitteilungen in Strafsachen S. 763. — Schwurgerichtsanklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Kausalzusammenhang. Durch den Erfolg qualifizierte Delikte S. 778. — Strafvollstreckung. Begnadigung S. 781. — Strafregister S. 792.

743

18. Kapitel: Beim Untersuchungsrichter Brandstiftungssache. Haftverfahren. Beobachtung des Geisteszustandes S. 798. — Unzulässige Voruntersuchung S. 814.

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19. Kapitel: Beim Einzelrichter für Strafsachen Vorbereitung der Hauptverhandlung. Hausfriedensbruch, Bedrohung, Widerstand und ruhestörender Lärm S. 817. — Straf befehlverfahren und Urteil wegen Wilderei S. 821. — Richterliche Strafverfügung S. 829. — Privatklagesache wegen Beleidigung S. 837. — Gerichtliche Nachprüfung eines Bußgeldbescheids S. 850.

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20. Kapitel: Beim Schöffenrichter 859 Eröffnungsverfahren. Versuchte Erpressung. Sachverhalts- und Verbotsirrtum S. 859. — Beschleunigtes Verfahren („Schnellverfahren"). Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Hehlerei, Vortäuschung einer Straftat. Gerichtliche Aussetzung der Strafvollstreckung S. 867. — Urteil in einer Beamtenbestechungssache S. 874. 21. Kapitel: Beim Jugendrichter Schutzaufsicht S. 878. — Fürsorgeerziehung S. 881. — Jugendstrafsache S. 888.

878

22. Kapitel: In der Strafkammer Erstinstanzliche Hauptverhandlung wegen Rückfallbetrugs S. 903. — Berufungsverfahren. Siegel- und Arrestbruch, VollstreckungsVereitelung und Pfandkehr S. 918. — Berufungsurteil in einer Pressebeleidigungssache. Verjährung. Urteilsveröffentlichung. Wahrnehmung berechtigter Interessen durch die Presse S. 927. — Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Abtreibungssache. Entschädigung wegen unschuldig erlittener Strafhaft S. 937. — Hauptverhandlung wegen Meineids. Mehrtägige unterbrochene Hauptverhandlung. Vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts. Verwertbarkeit früherer Zeugenaussagen bei Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung. Beratung und Abstimmung. Entschädigung wegen unschuldig erlittener Untersuchungshaft S. 946.

903

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Inhaltsverzeichnis Seite

Fünfte Abteilung: Arbeits- und Verwaltungssachen, Rechtsanwaltschaft, Oberlandesgericht 23. Kapitel: Beim Arbeitsgericht Urteil über Tarifansprüche S. 963. — Kündigungsprozeß S. 973. — Betriebsrisiko, Streik S. 985. — Beschlußverfahren S. 989.

963

24. Kapitel: Bei den Verwaltungsgerichten Vorbemerkung S. 997. — Erstinstanzielles Urteil in einer Wohnungssache; Verfahren in Anfechtungssachen, insbesondere allgemeine Grundsätze S. 998. — Urteil der Berufungsinstanz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in einer Anfechtungssache nach dem Gaststättengesetz S. 1008. — Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Verhältnis der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu anderen Zweigen der Gerichtsbarkeit S. 1018.

997

25. Kapitel: Beim Rechtsanwalt 1023 Maschinenlieferungsvertrag mit Nachbesserungsklausel. Mündliche Nebenabreden S. 1023. — Verschlechterung der Vermögenslage des Käufers S. 1030. — Rechte des Käufers bei Ankunft schwimmenden Gutes mit Mängeln. Beweissicherung. Streitverkündung S. 1033. — Tierhalterhaftung. Verjährung S. 1043. — Außergerichtlicher Vergleich. Besserungsschein S. 1049. — In der Sprechstunde S. 1051. — Bauhandwerkervormerkung S. 1063. — Schwarzkauf S. 1068. — Umschreibung der Vollstreckungsklausel S. 1073 26. Kapitel: Beim Oberlandesgericht 1077 Bericht S. 1077. — Gutachten S. 1088. — Urteil S. 1109. — Anhang: Zur Technik der juristischen Arbeiten S. 1120.

Sachregister zur 1.—5. Abteilung

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Es h a b e n b e a r b e i t e t : Die Kapitel: „Beim Prozeßrichter des Amtsgerichts", „In der Zivilkammer", „In der Kammer für Handelssachen", „In der Ehekammer", „In der Berufungs- und Beschwerdekammer", „Beim Gerichtsvollzieher", „Beim Zwangsvollstreckungsrichter", „Beim Konkursrichter", „Beim Konkursverwalter", „Beim Rechtsanwalt" und „Beim Oberlandesgericht" O b e r l a n d e s g e r i c h t s r a t Dr. H a n s B e r g , K ö l n Die Kapitel: „Beim Zwangsversteigerungsrichter", „Beim Notar", „Beim Vormundschaftsgericht", „Beim Nachlaßgericht", „Beim Grundbuchamt", „Beim Registergericht" und „Beim Aufgebotsrichter" K a m m e r g e r i c h t s r a t Paul Jansen, Berlin Das Kapitel: „Bei den Verwaltungsgerichten" O b e r v e r w a l t u n g s g e r i c h t s r a t Dr. E r w i n K r a u s , M ü n c h e n Das Kapitel: „Beim Arbeitsgericht" A r b e i t s g e r i c h t s r a t Dr. D i r k N e u m a n n , K ö l n Die Kapitel: „Beim Staatsanwalt", „Beim Untersuchungsrichter", „Beim Einzelrichter für Strafsachen", „Beim Schöffenrichter", „Beim Jugendrichter" und „In der Strafkammer" S e n a t s p r ä s i d e n t Dr. K a r l S c h ä f e r , F r a n k f u r t a.M. Das Sachregister: Gerichtsassessor KlausKusch,

Berlin

i. Kapitel

Beim Prozeßrichter des Amtsgerichts Schiedsurteil. Haftung für Auskunft, Rat, Empfehlung Klage. „Klage des Pferdehändlers Robert Taschner in Brühl, Marktstr. 5,

Brühl, den 31. Januar 1956. Klägers,

gegen den Fleischermeister und Pferdehändler Karl Aigner in Weiß, Kreis Köln, Beklagter. Am 4. Januar d. J . verkaufte ich auf dem hiesigen Pferdemarkt dem Beklagten Aigner einen hellbraunen Wallach mit Blässe, den Aigner an demselben Tag an den Gastwirt Steiner in Rondorf bei Köln weiterverkaufte. Wenige Tage nachher erhielt ich von Aigner einen Brief, daß der Wallach ein Kehlkopfpfeifer sei, daß Steiner deshalb den Kauf mit Aigner rückgängig machen wolle und daß ich die Sache mit Steiner in Ordnung bringen solle. Ich fuhr darauf am 15. Januar nach Köln, nahm den dortigen Kreistierarzt Dr. Lämchen mit nach Rondorf und ließ den Wallach untersuchen, wobei sich herausstellte, daß das Pferd mit keinem Gewährsmangel behaftet war. An Dr. Lämchen habe ich für die Untersuchung und das Attest . . . . 31,—-DM gezahlt, das Auto von Köln nach Rondorf und zurück hat gekostet 12,50DM zusammen: 45,50 D M Aigner weigert sich, diese Kosten zu ersetzen, obgleich ich sie in seinem Auftrage aufgewandt habe und meine Reise durch die von Aigner an mich weitergegebene unrichtige Mitteilung des Steiner veranlaßt war. Ich bitte deshalb um Anberaumung eines Verhandlungstermins wegen meines Anspruchs, Als Beweismittel gebe ich den Brief Aigners, die Postkarte des Steiner, meine Quittungen1 und Belege sowie das Gutachten und Zeugnis des Dr. Lämchen an. Letzteren bitte ich zurrt Termin alsbald vorzuladen, damit ich sofort ein Urteil erhalten kann, (entwertete Gerichtskostenmarke über 2,— DM) Abschrift anbei. An das Amtsgericht Köln.

Robert Taschner."

T e r m i n s a n b e r a u m u n g u n d L a d u n g . Der Antrag entspricht nicht .dem § 25311 Z . 2 Z P O . Gleichwohl wird der Amtsrichter Termin bestimmen, weil der Mangel heilbar ist und der Richter im Termin auf Stellung eines ordnungsmäßigen Antrags hinwirken wird. Nach § 74 G K G soll, der Fall der Bedürftigkeit ausgenommen, Termin nicht vor Zahlung der Gerichtsgebühr anberaumt werden. Taschner hat die Gebühr in Höhe des Minimalsat2es von 2 D M ( § § 8 , 3 1 a G K G ) deshalb bereits in Kostenmarken entrichtet. Die Partei soll den Schriftsätzen, die sie bei Gericht einreicht, die für die Z u stellung erforderliche Zahl von Abschriften beifügen (§ 49611 S. 2). Unterläßt sie dies, so läßt die Geschäftsstelle auf ihre Kosten die Abschriften fertigen ( § 7 1 1 , 1 * GKG). Die Sache wird als neue Akte unter dem Aktenzeichen 49 C 23/56 geführt. Dieses Aktenzeichen setzt sich wie folgt zusammen: 1. Nummer der Abteilung des AmtsL u z , Schulung. 4. Aufl. (Berg)

1

2

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Verhandlungstermin

gerichts (49. Abteilung), 2. Buchstabe C, der besagt, daß es sich um eine allgemeine Zivilsache handelt (B = Mahnsachen, D = Urkunden- und Wechselprozeß, G = Arrest oder einstweilige Verfügung), 3. laufende Nummer 23 des Jahrgangs 1956

(23/56).

Bei der Terminsbestimmung ist die Einlassungsfrist zu beachten. Da der Beklagte im Bezirk des Prozeßgerichts wohnt, müssen zwischen der Zustellung der Ladung und dem Termin mindestens 3 Tage liegen (§ 4 9 9 1 ) . Nach Bestimmung des Termins werden die Parteien gemäß §§ 496, 497, 498 von Amts wegen durch die Geschäftsstelle in folgender Form geladen. „Geschäftsnummer 49 C 23/56. Ladung in Sachen Taschner gegen Aigner Auf die in beglaubigter Abschrift beigefügte, bei Gericht am 2. Februar 1956 eingegangene Klageschrift vom 31. Januar 1956 werden Sie zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits auf den 15. F e b r u a r 1956, 10 U h r vor das Amtsgericht hier, Köln, Reichenspergerplatz, 3. Stockwerk, Zimmer 334 geladen. Etwaige Einwendungen und Beweismittel wollen Sie unter genauer Bezeichnung der zu beweisenden Tatsachen dem Gericht zwecks Vorbereitung der Verhandlung unverzüglich in 2 Stücken mitteilen oder beim Amtsgericht zu Protokoll der Geschäftsstelle erklären. Ihr Erscheinen im Termin wird jedoch durch eine solche Mitteilung nicht entbehrlich. Wenn Sie nicht erscheinen und sich auch nicht durch eine mit schriftlicher Vollmacht versehene volljährige Person vertreten lassen, kann auf Antrag entweder Versäumnisurteil oder Entscheidung nach Lage der Akten ergehen. Köln, den 2. Februar 1956 Urkuttd als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle."

Die vom Antragsteller gewünschte, an sich nach § 272 bn Z. 4, 5 zulässige Ladung des Dr. Lämchen hat der Richter nicht angeordnet. Die Ladung von Zeugen oder Sachverständigen zum ersten Termin ist immer bedenklich. Tatsachen, die nach der Klage als streitig und beweisbedürftig erscheinen, werden in der Verhandlung oft unstreitig, andrerseits als unstreitig vorgetragene bestritten, so daß vorgeladene Personen unvernommen nach Hause geschickt werden müssen und wegen fehlender Zeugen die Sache ohnehin nicht zum Abschluß gelangt. Die Ladung wird mit der Klageschrift zugestellt. Die Ladung des Klägers braucht nicht zugestellt zu werden. §§ 4 9 6 1 V S. 1, 4 9 7 1 S. 3 , 4 9 8 . Verhandlung. „Gegenwärtig:

Köln, den 15. Februar 1956.

Amtsgerichtsrat Richter als Richter, Justizsekretär Urkund als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle. in Sachen Taschner gegen Aigner erschienen bei Aufruf: 1. der Kläger Taschner in Person, 2. der Beklagte Aigner in Person."

Der Richter erörtert gemäß §§4951, 139 den Sachverhalt mit den Parteien und sucht gemäß § 4 9 5 1 1 einen gütlichen Ausgleich herbeizuführen. Doch gelingt das trotz allen Zuredens nicht, weil Aigner es ablehnt, selbst aus Billigkeitsgründen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vergleichsweise etwas an Taschner zu zahlen. Nunmehr setzt der Richter dem Kläger auseinander, daß der Anspruch aller Wahrscheinlichkeit nach aus Rechtsgründen abgewiesen werden müßte und empfiehlt ihm die Zurücknahme der Klage, um Kosten zu sparen.

3

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Schiedsurteil

Doch Taschner bleibt halsstarrig und verlangt ein Urteil. Der Richter veranlaßt, daß der Kläger einen richtigen Antrag formuliert (§ 1391) „Der Kläger beantragt: den Beklagten zu verurteilen, 43,50 D M nebst 6 % Zinsen seit dem 24. Januar 1956 an den Kläger zu zahlen. Der Beklagte beantragt: die Klage abzuweisen. Die Parteien verhandelten sodann zur Sache. Der Kläger überreichte einen Brief, eine Postkarte und ein kreisärztliches Attest. E r beantragt, den Beklagten darüber als Partei zu vernehmen, daß er ihn am 14. Januar 1956 telephonisch angerufen und erinnert habe, die Sache mit Steiner in Ordnung zu bringen und daß der Kläger erwidert habe: ,Gut, dann werde ich morgen fahren.' Der Beklagte erklärte sich mit seiner Vernehmung einverstanden. Vorgelesen, genehmigt."

Festlegung von Anträgen auf Parteivernehmung und der Erklärung der Gegenseite hierzu im amtsgerichtlichen Verhandlungsprotokoll und sonstige Erfordernisse des Protokolls: 510a. „ E s wurde folgendes Schiedsurteil verkündet: Der Kläger wird mit der Klage abgewiesen und hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Richter.

Urkund."

S c h i e d s u r t e i l . Das auf § 5 i o c beruhende Schiedsurteilsverfahren findet bei Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche statt, wenn der Wert des Streitgegenstandes zur Zeit der Einreichung der Klage 50 D M nicht übersteigt. Das in diesem Verfahren ergehende Urteil ist als Schiedsurteil zu bezeichnen und steht einem rechtskräftigen Urteil gleich. Die Besonderheit der Schiedsurteilssachen liegt darin, daß das Gericht sein Verfahren nach freiem Ermessen bestimmen kann. Jedoch muß den Parteien das rechtliche Gehör gewährt werden (vgl. § 579111). Der Begriff des rechtlichen Gehörs ist der gleiche wie im schiedsrichterlichen Verfahren (§ 1041 4 ZPO), das heißt, daß die Parteien Gelegenheit haben müssen alles das vorzubringen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich erachten. Sie haben aber keinen Anspruch darauf, daß das Gehör gerade in der Form der mündlichen Verhandlung gewährt wird; auch können sie die Mitteilung von Beweisergebnissen nur verlangen, falls in der Beweisaufnahme neues Tatsachenmaterial oder neue rechtliche Gesichtspunkte hervorgetreten sind. R G 112,313,1-IRR 35, 304. Will das Gericht im Schiedsurteilsverfahren bei Ausbleiben einer Partei statt des dem Einspruch unterliegenden Versäumnisurteils alsbald unanfechtbares Schiedsurteil erlassen, so muß es die Parteien auf die beabsichtigte Abweichung vom normalen Verfahren vorher hinweisen.

Auf schriftliche Begründung des Schiedsurteils können die Parteien in der Verhandlung verzichten, jedoch nicht auf schriftliche Abfassung der Urteilsformel. Der Verzicht ist in das Protokoll aufzunehmen (§ 510cm). In unserem Fall ist kein Begründungsverzicht erklärt worden. Das Urteil lautet: „Schiedsurteil. Verkündet am 15. Februar 1956. Urkund als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle. Im Namen des Volkes! In Sachen des Pferdehändlers Robert Taschner in Brühl, Marktstr. 5, Klägers,. I*

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Tatbestand gegen den Fleischermeister und Pferdehändler Karl Aigner in Weiß, Kreis Köln, Beklagten, wegen Forderung hat das Amtsgericht in Köln auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 1956 durch den Amtsgerichtsrat Richter durch Schiedsurteil für Recht erkannt: Der Kläger wird mit der Klage abgewiesen und hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen." „Tatbestand. A m 4. Januar 1956 verkaufte und übergab der Kläger dem Beklagten auf dem Pferdemarkt in Brühl einen hellbraunen Wallach mit Blässe. Der Beklagte verkaufte das Pferd am selben Tag weiter an den Gastwirt Steiner in Rondorf bei Köln und übergab es dem Steiner, A m 7. Januar 1956 schrieb Steiner dem Beklagten folgende Postkarte: Teile Ihnen mit, daß der Wallach ein arger Kehlkopfpfeifer ist. Selbstverständlich trete ich vom Kauf zurück und werde Sie verklagen, wenn Sie das Pferd nicht innerhalb 3 Tagen zurücknehmen. A m 8. Januar 1956 schickte der Beklagte diese Postkarte dem Kläger mit folgendem Begleitschreiben: Beifolgend eine heute eingegangene Postkarte von Steiner, dem ich den hellbraunen Wallach weiterverkauft habe. Ich ersuche Sie, die Sache mit Steiner in Ordnung zu bringen. A m 14. Januar 1956 fand zwischen den Parteien ein Telephongespräch statt, bei dem, wie der Kläger mit Antrag auf Parteivernehmung behauptet, der Beklagte ihn erinnert und der Kläger darauf erwidert haben soll: ,Gut, dann werde ich morgen fahren'. A m 15. Januar 1956 fuhr der Kläger nach Köln, nahm den dortigen Kreistierarzt Dr. Latschen mit nach Rondorf hinaus und ließ das Pferd bei Steiner untersuchen. Der Kreistierarzt hat darüber nachstehendes Attest ausgestellt: Der heute im Stalle des Gastwirts Steiner in Rondorf von mir untersuchte hellbraune Wallach mit Blässe, den Steiner nach seiner Angabe am 4. d. M. auf dem Pferdemarkt in Brühl vom Fleischermeister und Viehhändler Aigner-Weiß gekauft hat, leidet nicht an einer durch einen chronischen und unheilbaren Krankheitszustand des Kehlkopfs oder der Luftröhre verursachten und durch ein hörbares Geräusch gekennzeichneten Atcmstörung (Kehlkopfpfeifen), sondern an einem akuten Rachenkatarrh. Köln, den 15. Januar 1956. Dr. Lämchen. Kreistierarzt. Der Kläger hat für die Untersuchung und das Attest des Kreistierarztes 51 D M und für das Fuhrwerk von Köln nach Rondorf 12,50 D M gezahlt. Der Beklagte ist zur Zahlung dieser 43,50 D M am 24. Januar 1956 erfolglos gemahnt worden. Der Kläger hält den Beklagten zur Erstattung für verpflichtet, weil die Aufwendungen im Auftrage des Beklagten gemacht und die Reise durch die vom Beklagten an ihn weitergegebene unrichtige Mitteilung des Steiner veranlaßt worden sei. E r beantragt: den Beklagten zu verurteilen 43,50 D M (i. W.) nebst 6 % Zinsen seit dem 24. Januar 1956 an den Kläger zu zahlen. Der Beklagte beantragt: die Klage abzuweisen, E r behauptet, er habe bei dem Telephongespräch am 14. Januar 1956 lediglich gefragt: ,was macht die Sache mit Steiner?', worauf der Kläger erwidert habe: .morgen fahre ich hin'. Mit seiner Vernehmung als Partei erklärt er sich einverstanden."

Der erste Teil des Tatbestandes bringt die unstreitigen Tatsachen in historischer Reihenfolge. Dabei ist das Telephongespräch vom 14. Januar, obgleich bestritten, in den unstreitigen Sachverhalt (die „Geschichtserzählung") an der Stelle eingefügt, w o es dem Zusammenhang nach hingehört. Eine Notwendigkeit, den bestrittenen Sachverhalt immer erst nach der Geschichtserzählung mitzuteilen, besteht nicht; nur muß deutlich hervortreten, was bestritten und was unbestritten ist.

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Entscheidungsgründe

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Über die Höhe der Aufwendungen hatten die Parteien anfänglich gestritten. Nachdem sie sich geeinigt haben, sind die Aufwendungen als unstreitig mitzuteilen. Denn der Tatbestand soll den Sach- und Streitstand so wiedergeben, wie er bei Erlaß des Urteils lag und die Grundlage der gerichtlichen Entscheidung bildet. Daß ein jetzt unstreitiger Punkt früher einmal bestritten war, interessiert nur insofern, als sich möglicherweise daran Kostenfolgen aus § 96 Z P O knüpfen können oder eine stattgehabte Beweisaufnahme dadurch verständlich wird. Die überreichten Schriftstücke hat der Richter, statt auf sie Bezug zu nehmen, wörtlich eingerückt. Das ist (nicht bloß in Prüfungsarbeiten, sondern auch in Urteilen der Praxis) bei nicht zu langen Urkunden empfehlenswert, weil das Urteil dadurch den Parteien, für die es berechnet ist, besser verständlich wird. Rechtsausführungen der Parteien brauchen an sich nicht in den Tatbestand aufgenommen zu werden. Hier sind die rechtlichen Gesichtspunkte, auf die Taschner seine Klage stützt, kurz angedeutet, weil sie sich nicht von selbst ergeben und die Klage, die nicht schlüssig ist, sonst unverständlich sein könnte. Bei der rechtlichen Würdigung hat das Gericht (von den prozessualen Vorfragen abgesehen) stets erst zu prüfen, ob der Rechtsstreit nicht schon auf Grund des eigenen Vorbringens der Parteien zur Entscheidung reif ist. Z u diesem Zweck wird das tatsächliche Vorbringen der Parteien grundsätzlich ohne Rücksicht auf die von ihnen geäußerten Rechtsansichten nach allen in Betracht kommenden juristischen Möglichkeiten untersucht („iura novit curia", „da mihi facta, dabo tibi ius"). Zuerst wird der klägerische Vortrag daraufhin geprüft, w e l c h e A n s p r u c h s g r u n d l a g e in Betracht kommt („qualis sit actio?") und ob der V o r t r a g a u s r e i c h t , d i e e r f o r d e r l i c h e n g e s e t z l i c h e n T a t b e s t a n d s m e r k m a l e a u s z u f ü l l e n („actio an sit fundata?", sog. S c h l ü s s i g k e i t s p r ü f u n g der Klage). Ist der Vortrag des Klägers schlüssig, so ist nunmehr der Vortrag des Beklagten daraufhin zu untersuchen, ob er geeignet ist, den Klageanspruch zu Fall zu bringen („actio an sit exceptionibus elisa?", „qualis sit exceptio?", „exceptio an sit fundata?", sog. E r h e b l i c h k e i t s p r ü f u n g der Einlassung des Beklagten). Erst wenn feststeht, daß die Parteivorträge schlüssig bzw. erheblich sind, ist über die bestrittenen Behauptungen durch Beweisbeschluß Beweis zu erheben ( T a t s a c h e n f e s t s t e l l u n g ) . Näheres siehe bei Berg, „Gutachten und Urteil", Schäffers Rechtsfälle Band 12. In unserem Falle ist der Richter schon bei Prüfung der Schüssigkeit des Klagevortrags zur Endentscheidung gelangt. Eine nicht schlüssige Klage ist unbegründet, ohne daß es auf die Einlassung des Beklagten und auf Beweise ankommt. „Entscheidungsgründe." Der Klageanspruch ist nicht begründet. Der Kläger kann den Beklagten nicht auf Grund des Briefes vom 8. Januar 1956, in dem dieser ihn „ersuchte, die Sache mit Stetner in Ordnung zu bringen", für die ihm entstandenen Aufwendungen bzw. Schäden in Anspruch nehmen. Das Ersuchen war keine Offerte zu einem Auftrag, den der Kläger durch die Reise nach Rondorf oder durch das Telephongespräch vom 14. Januar angenommen hätte. Denn der Beklagte hatte kein Interesse daran, sich durch Erteilung eines Auftrags dem Kläger gegenüber zum Ersatz der diesem entstehenden Aufwendungen gemäß § 670 B G B zu verpflichten. Es kann sich lediglich um einen nach § 676 B G B unverbindlichen Ratschlag gehandelt haben, den der Beklagte dem Kläger in dessen eigenem Interesse gab und den dieser in seinem eigenen Interesse befolgte. Denn der Kläger hatte damit zu rechnen, daß Steiner an den Beklagten und der Beklagte an ihn Gewährleistungsansprüche erheben würde und daß er schließlich genötigt wäre, das Pferd zurückzunehmen und womöglich die Kosten zweier Prozesse zu tragen. Denn Kehlkopfpfeifen gehört zu den gesetzlichen Hauptmängeln, für die der Verkäufer dem Käufer mit einer Gewährfrist von 14 Tagen seit Ubergabe haftet (§§ 482, 483, 446 B G B , § i 1 Ziff. 4 kais. V O vom 27. HI. 1899,

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Prozeßrichter des Amtsgerichts —• Haftung für Auskunft, Rat, Empfehlung RGBl. 219). Die Anzeigefrist des § 485 B G B war durch die Postkarte des Steiner und den Brief des Beklagten gewahrt. Die Beurteilung würde sich auch dann nicht ändern, wenn die Parteien am 14. Januar das vom Kläger behauptete Telephongespräch miteinander geführt haben sollten. Die behauptete „Erinnerung" des Beklagten würde lediglich als Erkundigung, die Erklärung des Klägers, daß er morgen zu Steiner fahre, als eine rein tatsächliche Mitteilung aufzufassen sein. Auf die vom Kläger über den Inhalt des Gesprächs beantragte Parteivernehmung kommt es daher nicht an. Eine sonstige Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann den ganzen Umständen nach nicht angenommen werden, daß der Beklagte dem Kläger gegenüber schlechthin die Gewähr für die Richtigkeit der mit dem Schreiben vom 8. Januar weitergegebenen Mitteilungen Steiners übernehmen wollte. Daß die Unrichtigkeit der Angaben dem Beklagten bekannt gewesen sei, hat der Kläger selbst nicht behauptet.

Haben sich die Parteien am 14. Januar darüber geeinigt, daß Taschner am folgenden T a g zu Steiner nach Rondorf fahre, so war damit ein Vertrag im Rechtssinn nur geschlossen, wenn beide den Willen hatten, rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben. Erklärungen, bei denen der „animus sese iuridice obligandi" fehlt, sind rein tatsächliche Vorgänge und begründen Ansprüche lediglich unter den Voraussetzungen der unerlaubten Handlung (§§ 823 f.) oder ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 8izf.). Solche tatsächlichen Erklärungen sind z . B . das Versprechen des ersten Tanzes, die Verabredung eines Besuchs, einer gemeinsamen Reise und ähnliche gesellschaftliche Abmachungen, das Mitfahrenlassen eines müden Handwerksburschen auf der Landstraße, der Hilferuf eines Überfallenen. Dagegen ist Vertrag anzunehmen bei der Einladung eines Automobilhändlers zur Probefahrt an eine Person, die er zum Ankauf eines Wagen bestimmen möchte. Auch bei der Aufforderung eines Polizeibeamten an junge Leute, ihm bei der Verfolgung eines flüchtigen Verbrechers behilflich zu sein hat R G J W 14, 676 einen privatrechtlichen (richtiger wohl öffentlich-rechtlichen) Auftrag angenommen, der den Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß § 670 gibt (vgl. im einzelnen hierzu den Fall 15 bei Berg, Die Klausurarbeit im Referendarexamen, Schäffers-Rechtsfälle Bd. 1 1 ) . Auskünfte, Ratschläge, Empfehlungen werden überwiegend aus Gefälligkeit und ohne Verpflichtungswillen erteilt, können aber — besonders wenn eine Honorierung erfolgt — auch Gegenstand eines Vertrages sein. Darum sagt § 676, daß Rat und Empfehlung „unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis oder aus einer unerlaubten Handlung ergebenden Verantwortlichkeit" nicht schadensersatzpflichtig machen. H a f t u n g f ü r A u s k u n f t , R a t , E m p f e h l u n g : 1. Vertragshaftung. Auskunft, Rat und Empfehlung können a) Gegenstand eines selbständigen Vertrages (Anwalt, Arzt, Auskunftsbüro) oder b) Nebenverpflichtungen im Rahmen eines anderen Vertragsverhältnisses sein (z. B. Beratung des Kunden durch den Bankier). In beiden Fällen besteht, Verschulden vorausgesetzt, die gewöhnliche Vertragshaftung. Doch ist gerade bei den Auskunfteien der formularmäßige Ausschluß der Ersatzpflicht in den Geschäftsbedingungen, welche der Kunde durch Unterschrift als maßgebend anerkennen muß, üblich; dann können Ansprüche nur erhoben werden, wenn der Inhaber der Auskunftei (nicht ein bloßer Angestellter!) bei der unrichtigen Auskunft vorsätzlich unrichtig handelte. §§ 276H, 278 S. 2. 2. Deliktshaftung besteht in der Regel nur unter den Voraussetzungen des § 826, da kein bestimmtes absolutes Recht (§ 8231), sondern lediglich das Vermögen als Ganzes durch die unrichtige Auskunft verletzt wird. Dabei wird wichtig, daß Vorsatz schon gegeben ist, wenn der Auskunfterteilende über die in der Auskunft behandelten Verhältnisse gar nichts Bestimmtes weiß, während er sich den Anschein gibt gut informiert zu sein. Er braucht also nicht das positive Bewußtsein der Unrichtigkeit der von ihm gemachten Angaben zu haben. R G JW 33, 2513. Deliktsansprüche aus unrichtiger Auskunft werden meist von demjenigen erhoben, der im Vertrauen auf eine günstige Auskunft Kredit gewährt hat; doch kommt auch der umgekehrte Fall vor, daß der Beauskunftete sich durch ungünstige Auskunft benachteiligt fühlt. Haftung für Dritte

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Anfechtung des Schiedsurteils

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nach § 831, also mit Exkulpationsmöglichkeit, außer wenn der Fall des § 31 (Filialleiter) oder der SS 3 1 » 8 9 (verfassungsmäßig bestellter Leiter einer öffentlichen Bankanstalt oder Sparkasse) gegeben ist. G e f ä l l i g k e i t s f a h r t : Gegenüber dem durch das Fahrzeug Beförderten besteht keine Gefährdungshaftung aus dem StVG, es sei denn daß es sich um eine e n t g e l t l i c h e Beförderung durch ein dem ö f f e n t l i c h e n Verkehr dienendes Fahrzeug handelt (S 8HStK). Auch eine Vertragshaftung ist bei u n e n t g e l t l i c h e r Gefälligkeitsfahrt im Regelfall zu verneinen. Darüber hinaus kann sogar die aus SS 823 f. B G B folgende Deliktshaftung durch stillschweigende Vereinbarung oder aus dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr ausgeschlossen sein. Hierzu genügt freilich die Unentgeltlichkeit für sich allein noch nicht; der Verletzte muß sich vielmehr der Möglichkeit einer Gefährdung durch den Umstand, der für den Unfall ursächlich geworden ist, bewußt gewesen sein (BGH VRS 5 5/94),z. B. Kraftwagenfahrt zur Weinprobe (RG 128/229) °der auf einem überfüllten L K W ohne feste Sitze (OGH Köln, NJW 1950, 143). Ob ein Haftungsausschluß sich nur auf das normale oder sogar auf das durch g r o b e Fahrlässigkeit des Fahrers entstehende erhöhte Risiko bezieht, kann zweifelhaft sein. Vgl. B G H VRS 55/324 und wegen der Anbringung eines auf eine Haftungsbeschränkung hinweisenden Schildes R G 145, 395. Ist die Haftpflichtversicherung des Kraftfahrzeughalters dem Mitfahrer bekannt, so kann ein Verzichtswille des Gefälligkeitsfahrers zu verneinen sein. Vgl. über Haftungsausschluß und Handeln auf eigene Gefahr bei einer e n t g e l t l i c h e n Beförderung auch B G H 2/159. T r e i b j a g d : Lädt der Jagdinhaber zu einer Treibjagd ein, deren Leitung er übernimmt, so vergewissert er sich zwar der Zustimmung seiner Gäste, aber es liegen beiderseits Gefälligkeiten ohne rechtlichen Charakter vor, insbesondere „beauftragt" er nicht etwa die Gäste mit dem Abschuß des Wildes. Also auch keine Haftung des Einladenden für andere Gäste aus $ 2 7 8 oder S 831, sondern lediglich aus eigenem Verschulden (§ 823). R G 128, 39. Unterschied von vertraglich bindender Zusicherung beim Kaufvertrag und bloß tatsächlicher Mitteilung: unten S. 69. V o n den Nebenpunkten braucht nur die Kostenentscheidung behandelt zu werden, denn die Stellungsnahme zum Zinsanspruch hat sich durch die Klageabweisung erledigt, und ein Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit erübrigt sich, weil die Geschäftsstelle auf Grund der Bezeichnung als „Schiedsurteil" ohne weiteres Rechtskraftattest erteilt. „Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger als unterlegener Teil nach § 9 1 ! S. 1 ZPO zu tragen.

Richter."

A n f e c h t u n g d e s S c h i e d s u r t e i l s . Das das Schiedsurteil einem im ordentlichen Verfahren ergangenen rechtskräftigen Endurteil gleich steht, sind ordentliche Rechtsmittel ausgeschlossen. Z u m Ausgleich erweitert § 5 7 9 m Z P O den außerordentlichen Behelf der Nichtigkeitsklage analog den gegenüber einem Schiedsspruch nach § 1041 Z P O bestehenden Aufhebungsgründen. Außerdem kann die Nichtigkeitsklage gegen das Schiedsurteil darauf gestützt werden, daß der Partei in dem Verfahren kein „rechtliches G e h ö r " (S. 3) gewährt worden oder daß das Schiedsurteil „nicht mit Gründen versehen" sei. Dieser Nichtigkeitsgrund liegt nicht schon dann vor, wenn die Gründe unrichtig, oberflächlich, unklar oder widerspruchsvoll sind; wohl aber, wenn in ihnen ein ganzer Rechtsbehelf (z. B. eine Klagebegründung oder Einrede) mit Stillschweigen übergangen wird. R G 1 1 9 , 29; H R R 36, 9 1 1 .

Mahnverfahren. Duldungstitel bei Ehegatten M a h n g e s u c h . P r ü f u n g . Mahnsachen müssen den in § 690 vorgeschriebenen Inhalt haben, sie können schriftlich oder mündlich bei Gericht gestellt werden. Bei mündlicher Anbringung ist die Aufnahme eines Protokolls nicht erforderlich (§ 702). E s genügt, daß der aufnehmende Beamte den Zahlungsbefehl nach den A n -

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Duldungstitel

gaben des Gläubigers durch Ausfüllung eines Formulars entwirft und nachher dem zur Entscheidung zuständigen Rechtspfleger vorlegt. Gesuche, die eine zusammenhängende Sachdarstellung nach Art der Klage enthalten, sind selten; in der Geschäftsstelle wird das Gesuch nur dann zu Protokoll genommen, wenn der Urkundsbeamte es für unbegründet hält und die Partei gleichwohl darauf beharrt, § i2iv Aktenordnung vom 28. November 1934 (in der am 1. März 1939 gültigen Fassung). In der Mehrzahl der Fälle reicht der Gläubiger lediglich einen mehr oder weniger vollständig ausgefüllten Zahlungsbefehlsentwurf mit kurzem Anschreiben bzw. Begleitvermerk als Mahngesuch ein, gewöhnlich in 3, bei mehreren Schuldnern in entsprechend mehr Exemplaren (§ 12V). In dieser Form beantragt Gastwirt Finke aus Köln für seine Ehefrau, als deren Prozeßbevollmächtigten er sich bezeichnet, gegen die Eheleute Rädler in Weiß Zahlungsbefehl wegen 1050 D M nebst 6% Zinsen seit 1. Januar 1956: „aus dem Ihnen (Ehefrau) von der Gläubigerin gewährten, Ende Dezember 1955 fälligen Darlehn",

und zwar gegen Frau Rädler auf Zahlung, gegen den Mann auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut. Ein Duldungstitel gegen den Ehemann war bei dem vor Eintritt der Gleichberechtigung (1. 4. 1953) bestehenden gesetzlichen Güterstand der Verwaltung und Nutznießung zur Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut der Frau gemäß § 739 ZPO erforderlich. Mit Eintritt der Gleichberechtigung ist das Verwaltungsund Nutznießungsrecht des Ehemanns am eingebrachten Gut der Frau weggefallen. Es besteht jetzt im Zweifel Gütertrennung. Der Ehemann hat aber infolge der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Regel Mitbesitz an den der Frau gehörenden Sachen, insbesondere an dem von der Frau in die Ehe mitgebrachten Mobiliar. Vgl. Soergel, 8. Aufl., vor §1373 und Staudinger-Berg 9 zu § 93 5. Der vollstreckende Gläubiger läuft daher Gefahr, daß der Ehemann im Wege der Erinnerung nach § 766 ZPO oder der Interventionsklage nach § 771 ZPO der Pfändung von Mobiliar mit der Behauptung entgegentritt, die Sachen befänden sich in seinem Gewahrsam bzw. Mitgewahrsam und er sei als Dritter, gegen den kein Titel vorliege, zur Herausgabe nicht bereit (§ 809 ZPO). Dem Gläubiger bliebe dann nur der Umweg, den Anspruch seines Schuldners, der Ehefrau Rädler, gegen ihren Ehemann auf Herausgabe ihrer Sachen zu pfänden und sich zur Einziehung überweisen zu lassen (§886 ZPO). Notfalls muß er sodann gegen den Ehemann auf Herausgabe klagen. Der Ehemann kann sich dem Herausgabeverlangen gegenüber zwar nicht mehr auf das ehemännliche Besitzrecht aus § 1373 B G B berufen, wohl aber darauf, daß er aus einem sonstigen Grunde, etwa auf Grund eines mit der Frau abgeschlossenen Vertrags zum Besitz berechtigt sei (§ 986 BGB). Um diese Schwierigkeiten bei der Zwangsvollstreckung zu vermeiden, wird verschiedentlich die Ansicht vertreten, es g e n ü g e — in entsprechender Anwendung des § 741 ZPO (Zwangsvollstreckung in das Kindesvermögen) — ein Urteil gegen die Ehefrau zur Zwangsvollstreckung in die ihr gehörigen Sachen, gleichviel ob sie sich in ihrem oder im Besitz bzw. Mitbesitz ihres Mannes befinden; § 809 ZPO sei hier nicht anwendbar, ein Duldungstitel gegen den Ehemann erübrige sich daher. So Beitzke Z Z P 68, 241 ff.; vgl. auch Pohle daselbst sowie O L G Celle NdsRpfl. 55, 214. Demgegenüber hält die wohl überwiegende Ansicht einen T i t e l gegen den E h e m a n n für erforderlich, um in die in seinem Gewahrsam befindlichen Sachen der Frau vollstrecken zu können. Man ist der Auffassung, daß sich die bei einer Vollstreckung in die Sachen der Frau ergebenden Schwierigkeiten am besten dadurch vermeiden lassen, wenn man die Pflicht des Ehemanns zur Duldung der Zwangs-

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Mahnverfahren

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Vollstreckung schon im Prozeß mit der Frau klärt. Man bejaht daher ein Rechtsschutzinteresse für eine solche Klage, sofern der Kläger darlegt — und für diese Darlegung spricht eine t a t s ä c h l i c h e Vermutung — , daß der Ehemann bei einer Zwangsvollstreckung Einwendungen machen wird. Die Klage gegen den Ehemann lautet dann allerdings nicht auf Zwangsvollstreckung in das e i n g e b r a c h t e G u t , sondern auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das im G e w a h r s a m (oder Mitgewahrsam) des E h e m a n n s b e f i n d l i c h e V e r m ö g e n der Ehefrau. Vgl. Baumbach-Lauterbach, 23. Aufl., vor § 739 Z P O sowie 3 B zu § 808 Z P O , Soergel 2 zu § 1426 B G B , B G H 10, 284. Diese Ansicht führt zu dem seltsamen Ergebnis, daß nunmehr nicht nur eine Duldungsklage gegen den M a n n bei einer Schuld der Frau, sondern auch eine Duldungsklage gegen die F r a u bei einer Schuld des Mannes angebracht erscheint. Demgegenüber besticht die Ansicht Beitzkes durch ihre Einfachheit. Schließt man sich der herrschenden Ansicht gleichwohl an, so wird man allerdings aus den gleichen Gründen, aus denen man früher den Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das e i n g e b r a c h t e Gut im M a h n v e r f a h r e n zuließ (vgl. dazu unten 2), auch den Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die im G e w a h r s a m des E h e m a n n s b e f i n d l i c h e n S a c h e n der Frau im M a h n v e r f a h r e n z u l a s s e n müssen. Vgl. Baumbach-Lauterbach 1 zu § 688 Z P O mit 2 B zu § 592 Z P O . 1. Kostenzahlung Entsprechend dem bereits für das Streitverfahren festgestellten Prinzip, die Gerichtskasse gegen Ausfälle nach Möglichkeit zu sichern (S. oben S. 1), werden Zahlungsbefehle grundsätzlich erst nach Gebührenzahlung erlassen (§ 74m G K G ) . Die Gebühr beträgt B/I0 (§§ 8, 311). Die hiernach zu entrichtenden 20 D M sind in Kostenmarken beigefügt. 2. Zulässigkeit des Mahnverfahrens Mahnverfahren, Urkundenprozeß und exekutorische Urkunde sind nur für Ansprüche auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder Leistung einer bestimmten Quantität anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere gegeben. §§ 6881, 592, 794® Z P O . Daß der dingliche Hypothekenanspruch ( § § 1 1 1 3 , 1147 BGB), der üblicherweise auf Verurteilung: „die Zwangsvollstreckung in das Pfandgrundstück wegen einer Summe von . . . zu dulden" tenoriert wird, im Sinne der angeführten Bestimmungen Anspruch auf „Zahlung" einer bestimmten Geldsumme ist, sagt das Gesetz ausdrücklich. Der Duldungstitel gegen den Ehemann (§739 Z P O ) wird bloß in § 794® erwähnt. Aus der inneren Verwandtschaft der drei Verfahrensarten und ihrer besonderen Rechtsschutzvoraussetzungen ist aber zu folgern, daß auch im Mahnverfahren und im Urkundenprozeß die Duldung des Ehemannes ausgesprochen werden kann (selbstverständlich unter der Voraussetzung, daß die Verpflichtung der Frau auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme geht). 3. Vollmacht Mahngesuch und Widerspruch gegen den Zahlungsbefehl sind vom Vollmachtszwang befreit (§ 703). Erst beim Antrag auf Vollstreckungsbefehl bzw. beim Einspruch gegen den Vollstreckungsbefehl hat sich der Bevollmächtigte, der Regel des § 8811 gemäß, durch schriftliche Vollmacht zu legitimieren. 4. Schlüssigkeit des Anspruchs Nach § 691 wird das Mahngesuch zurückgewiesen, wenn sich „aus dem Inhalt des Gesuchs ergibt, daß der Anspruch überhaupt oder zur Zeit nicht begründet ist".

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Prozeßführungsrecht der Ehefrau

E s werden also, wie das auch im Versäumnisverfahren geschieht, die einseitigen Angaben des Gläubigers der Prüfung zugrunde gelegt und etwaige Gegenrechte des Schuldners (Verjährung und sonstige Einreden im Sinne des materiellen Rechts, Recht auf Herabsetzung einer Vertragsstrafe usw., §§ 202, 222, 343 B G B ) ignoriert. Darüber hinaus sieht man über Mängel und Lücken der Substanziierung hinweg. E s schadet also nichts, daß Finke unterlassen hat anzugeben, ob die Fälligkeit des Darlehns auf besonderer Parteivereinbarung beruht oder durch Kündigung gemäß § 609 eingetreten ist; ebensowenig daß Rechtsgrund und Höhe der geforderten Zinsen nicht motiviert werden. D a beiderseits Ehefrauen beteiligt sind, bedarf der Fall noch näherer Betrachtung v o m Standpunkt des ehelichen Güterrechts. Frau Finkes Dahrlehnsforderung war nach dem bis zum 3 1 . März 1953 geltenden Güterrecht im Zweifel eingebrachtes Vermögen (§ 1363). Ansprüche des Eingebrachten konnte der Mann ohne Zustimmung der Frau im eigenen Namen geltend machen. Dagegen bedurfte die Frau zur K l a g e des Einverständnisses des Mannes, außer wenn sie gegen die von seinen Gläubigern in ihr Eigentum ausgebrachte Pfändung intervenierte und in einigen anderen Fällen. §§ 1380, 1400 1 1 , 1407 4 . Da mit Eintritt der Gleichberechtigung am 1. April 1953 alle Verfügungsbeschränkungen der Ehefrau weggefallen sind (S. 8), bestehen keine Bedenken, daß Frau Finke im eigenen Namen klagt. Frau Finke kann im Amtsgerichtsprozeß den Rechtsstreit durch jede prozeßfähige Person als Bevollmächtigten führen lassen, also insbesondere durch ihren Ehemann, § 79 Z P O . Letzteres gilt uneingeschränkt im Mahnverfahren. Dagegen sind in der mündlichen V e r h a n d l u n g Personen, die die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vor Gericht g e s c h ä f t s mäßig betreiben, als Bevollmächtigte und Beistände ausgeschlossen, § 157 1 ZPO. Geschäftsmäßig bedeutet nicht notwendig gewerbsmäßig; es bedarf nur öfterer Wiederholung der selbständigen Tätigkeit, auch ohne Entgelt. Geschäftsmäßigkeit fehlt, wo Angestellte ihren Geschäftsherrn regelmäßig in Prozessen vertreten, Baumbach-Lauterbach zu § 157, 2 A. Nicht unter das Verbot des § 157 fallen Rechtsanwälte, von der Justizverwaltung gemäß § 1 5 7 1 1 1 zugelassene Prozeßagenten — diese dürfen die den nach dem RechtsberatungsG vom 13. Dezember 1935 Ermächtigten zustehende Bezeichnung „Rechtsbeistand" führen, § 4 der Verordnung vom 3. April 1936 (RGBl. I 359) —, ferner Beauftragte einer anerkannten Vereinigung der Hausbesitzer oder Mieter im Mietaufhebungsstreit ( § 1 2 MSchG) und Patentanwälte in Sachen des gewerblichen Rechtsschutzes (§ 9 1 1 1 PatentanwaltG, RGBl. 1933 I 669). V o n den erhobenen Ansprüchen ist der Zahlungsanspruch gegen Frau Rädler schlüssig, falls vorgetragen wird, sie habe das Darlehn erhalten und die Rückgabe sei fällig. Die Verpflichtungsfähigkeit einer Ehefrau wurde schon durch den bisherigen gesetzlichen Güterstand nicht berührt (§ I399 1 ). Anders verhielt es sich mit dem Duldungsanspruch gegen den Mann, durch welchen der Gläubigerin die Vollstreckung ins eingebrachte Gut erschlossen werden sollte (§ 739 ZPO). Der Duldungstitel setzte voraus, daß nach materiellem Recht der Gläubiger „ohne Rücksicht auf die Verwaltung und Nutznießung des Mannes Befriedigung aus dem eingebrachten Gute verlangen" konnte, also: I. eine voreheliche Schuld der Frau („qui épouse la femme, épouse ses dettes"), II. oder eine nacheheliche Schuld, die 1. entweder nicht auf Rechtsgeschäft beruhte, z. B. Ansprüche aus unerlaubter Handlung, ungerechtfertigter Bereicherung, Unterhaltspflicht, 2. oder auf einem Rechtsgeschäft, das a) die Zustimmung des Mannes erhalten hatte („konsentierte Vertragsschuld"), b) oder ohne seine Zustimmung ihm gegenüber wirksam war; Hauptfall: alle Vertragsabschlüsse, die der Betrieb eines von der Frau ohne Widerspruch des Mannes selbständig geführten Erwerbsgeschäfts mit sich brachte. §§ 1 4 1 1 , 1412, 1405 BGB.

Prozeßrichter des Amtsgerichts —• Widerspruch

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Der Referendar: Wie ist es mit den Kosten des Zahlungsbefehls? Der Rechtspfleger: Bei dem früher geltenden Güterstand der Verwaltung und Nutznießung waren die Kosten der von der Frau oder gegen sie geführten Zivilund Strafprozesse grundsätzlich „Lasten" des eingebrachten Guts und als solche vom Manne zu tragen, weil dieser auch die Nutzungen zog. Die Verpflichtung des Mannes zur Lastentragung hatte über das Innenverhältnis der Eheleute hinaus Bedeutung, indem sie eine unmittelbare Haftung des Mannes gegenüber den Gläubigern als G e s a m t s c h u l d n e r mit der Frau begründete. §§ 1387, 1388. Dabei war es gleichgültig, ob die Frau überhaupt eingebrachtes Gut in nennenswerter Höhe besaß; der abstrakte Güterstand als solcher war entscheidend. Mit dem Wegfall des Verwaltungs- und Nutzungsrechts des Ehemanns seit dem 1. 4. 1953 ist auch diese Kostentragungspflicht in Wegfall gekommen. Nunmehr hat j e d e r E h e g a t t e seine K o s t e n selbst zu tragen. Vgl. Palandt 15. Aufl., vor § 1387. Er haftet gemäß § 100 1 ZPO für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Duldungsanspruch neben dem Anspruch auf Verurteilung streitwertmäßig nicht besonders zu berechnen ist. Baumbach, 2 B zu § 5 ZPO. (Über die Pflicht des Ehemanns zur Zahlung eines P r o z e ß k o s t e n v o r s c h u s s e s an die Frau s. unten S. 164.) Z a h l u n g s b e f e h l . Da das Gesuch formell und materiell in Ordnung ist, wird der als Entwurf eingereichte Zahlungsbefehl vom Rechtspfleger vollzogen und die Widerspruchsfrist — entsprechend der Einlassungsfrist für Klagen, die im Bezirk des Amtsgerichts zuzustellen sind — auf 3 Tage bestimmt. § § 692 S. 2, 4991 ZPO. Die Geschäftsstelle stellt den Zahlungsbefehl im Amtsbetrieb an die Eheleute Rädler zu (§ 6931), indem sie aus je einem weiteren der eingereichten Entwürfe eine Ausfertigung herstellt. Die Zustellung erfolgt an beide Schuldner am 6. Februar 1956. Erst nach Eingang der Zustellungsurkunden wird der Ehemann Finke als Prozeßbevollmächtigter der Gläubigerin durch Postkarte von der bewirkten Zustellung benachrichtigt (§ 693111). A n t r a g auf V o l l s t r e c k u n g s b e f e h l und W i d e r s p r u c h . V e r w e i s u n g s beschluß. Der 1 1 . Februar bringt zwei Eingänge: „Vollmacht meiner Ehefrau überreichend, beantrage ich den in Sachen Finke gegen Rädler erlassenen Zahlungsbefehl — Aktenzeichen 21 B 60/56 — für vollstreckbar zu erklären und mir den Vollstreckungsbefehl zu übersenden. Rondorf, den 8. Februar 1956. Erich

Finke."

„In Sachen Finke gegen Rädler — Aktenzeichen 21 B 60/56 — erhebe ich, zugleich namens meiner Ehefrau, Widerspruch gegen den Zahlungsbefehl. Weiß, den 9. Februar 1956. Gottfried Rädler."

Wegen der Vollmachten s. S. 9. Die Widerspruchsfrist war bereits am 7. Februar abgelaufen. Über die eigentliche Frist hinaus kann aber nach § 6941 der Schuldner so lange Widerspruch erheben, als der Vollstreckungsbefehl noch nicht „verfügt", d. h. unterzeichnet ist. Der Gläubiger hat also das größte Interesse daran, den Antrag auf Vollstreckungsbefehl immer unmittelbar nach Ende der Widerspruchsfrist zu stellen, weil er sonst unfreiwillig dem Schuldner die Widerspruchsfrist verlängert. Wenn die Gläubiger die Zeit nicht richtig ausnutzen, so trägt die Schuld daran vielfach der Umstand, daß infolge der in den Geschäftsstellen und Gerichtskanzleien herrschenden Überlastung die Nachrichten von der Zustellung des Zahlungsbefehls (§ 693 1 1 1 ) mit mehrtägiger Verspätung her-

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Verweisungsbeschluß

ausgehen Ein praktisches Bedürfnis spricht daher dafür, daß der Gläubiger schon im Mahngesuch beantragen darf „für den Fall, daß innerhalb der Widerspruchsfrist kein Widerspruch erhoben wird, den Zahlungsbefehl für vollstreckbar zu erklären." Ein solcher Eventualantrag wird entsprechend den anderen im Mahnverfahren ausdrücklich aufgeführten Eventualanträgen (§§ 6961 S. 2, 697 11 S. 1) heute meist zugelassen. Baumbach zu § 699 Anm. 2 A. Im Mahngesuch hatte Finke für den Fall der Widerspruchserhebung um Verweisung an die Zivilkammer des Landgerichts gebeten (§ 69711 S. 1). Der Richter erläßt daher folgenden „Beschluß. In Sachen . . . erklärt sich das Amtsgericht nach erhobenem Widerspruch für unzuständig und verweist den Rechtsstreit gemäß dem von der Gläubigerin gestellten Antrag an das Landgericht, Zivilkammer, hier. Köln, den 13. Februar 1956. Amtsgericht Richter." 111

Der Beschluß wird gemäß § 3 2 9 beiden Parteien von A m t s wegen zugestellt, und die Akten der für Darlehnssachen zuständigen Kammer übersandt. Mit Z u stellung des Beschlusses gilt die Sache als im ordentlichen Rechtsstreit beim Landgericht anhängig (§ 69711 S. 2) und erhält dort ein O-Aktenzeichen. D e r Prozeßbevollmächtigte der Gläubigerin hat außerdem sofort Nachricht von dem erhobenen Widerspruch erhalten (§ 69411). Über die Fortsetzung des Verfahrens beim Landgericht vgl. unten S. 7 8 ff. A n d e r w e i t i g e r A b s c h l u ß des M a h n v e r f a h r e n s : 1. Fall: Bei einem amtsgerichtlichen Objekt wird rechtzeitig Widerspruch erhoben. Hier ist grundsätzlich zu warten, bis eine Partei Antrag auf Terminsanberaumung stellt. War der Termin schon im voraus für den Fall des Widerspruchs beantragt (s. das untenstehende Formular), so wird er sofort nach Eingang des Widerspruchs angesetzt. § 696. 2. Fall: Bei einem Landgerichtsobjekt ist rechtzeitig Widerspruch erhoben, der Gläubiger hat aber statt des Verweisungsantrags den Antrag auf Terminsanberaumung vor dem Amtsgericht gestellt, ohne zu behaupten, daß die amtsgerichtliche Zuständigkeit vereinbart sei. Diesem Antrag muß entsprochen werden. Bleibt aber im Termin der Beklagte aus, so kann ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten nicht erlassen werden, da ein unzuständiges Gericht erst durch vorbehaltloses Verhandeln des Beklagten zur Hauptsache zuständig wird (§ 39). Der Antrag auf Erlaß des Versäumnisur teils muß zurückgewiesen werden (§335 Ziff. 1 ZPO. Jedoch kann der Kläger Verweisung an das Landgericht beantragen (§ 276). 3. Fall: Nach Ablauf der Widerspruchsfrist beantragt der Gläubiger Vollstreckungsbefehl, ohne daß inzwischen vom Schuldner Widerspruch erhoben worden ist. Der Vollstreckungsbefehl wird vom Urkundsbeamten (§ 6991 S. 2) auf die Urschrift des Zahlungsbefehls gesetzt. Hätte beispielsweise im Fall Finke gegen Rädler die Schuldnerin keinen Widerspruch erhoben, so würde der vollstreckbare Zahlungsbefehl folgendermaßen ausgesehen haben: „ E s wird um Erlaß des nachstehenden Zahlungsbefehls und für den Fall des Widerspruchs um [Ansetzung eines Termins zur mündlichen Verhandlung] Verweisung des Rechtsstreits wegen Unzuständigkeit an das Landgericht, Zivilkammer [Kammer für Handelssachen] gebeten. [Erfüllungsort und Gerichtsstand . . . sind vereinbart], Rondorf, den 1. Februar 1956. Für Anna Finke geb. Guder; Erich Finke. (entwertete Gerichtskostenmarken über 20,— DM)

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Zahlungs- und Vollstreckungsbefehl

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Geschäftsnummer: 21 B 60/56. Zahlungsbefehl. Auf den am 2. Februar 1956 bei Gericht eingegangenen Antrag der Gastwirtsfrau Anna Finke geb. Guder in Rondorf, Hauptstr. 17 Gläubigerin, Prozeßbevollmächtigter: Gastwirt Erich Finke in Rondorf, ebenda wird Ihnen aufgegeben binnen einer vom Tag der Zustellung dieses Befehls laufenden Frist von drei Tagen bei Vermeidung sofortiger Zwangsvollstreckung: 1. der Ehefrau: die Gläubigerin wegen des Anspruchs auf Zahlung von 1050 DM (i. W.) nebst 6% Zinsen seit dem 1. Januar 1956 aus dem Ihnen von der Gläubigerin gewährten, Ende Dezember 1955 fälligen Darlehn sowie 20 DM Kosten dieses Zahlungsbefehls zu befriedigen, 2. dem Ehemann: wegen des zu 1 bezeichneten Anspruchs die Zwangsvollstreckung in das in Ihrem Gewahrsam oder Mitgewahrsam befindliche Vermögen Ihrer Ehefrau zu dulden, oder, wenn Sie Einwendungen gegen den Anspruch haben, bei dem unterzeichneten Gericht Widerspruch zu erheben. Köln, den 3. Februar 1956. Amtsgericht Pfleger. Justizinspektor als Rechtspfleger. An 1. die verehelichte Frau Stellenbesitzer Hedwig Rädler geb. Guder in Rondorf, Hauptstr. 17 2. deren Ehemann, Stellenbesitzer Gottfried Rädler daselbst. (Rückseite) Vollst reckungsbefehl. Der umstehende, am 4. Februar 1956 zugestellte Zahlungsbefehl wird in Höhe der darin angegebenen Beträge [sowie wegen . . . Anwaltskosten für das Gesuch um Erlaß des Vollstreckungsbefehls1)] für vollstreckbar erklärt. Köln, den 9. Februar 1956. Amtsgericht. Urkund als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle." Nach § I 2 v m der Aktenordnung wird der Original-Zahlungsbefehl nicht mehr dem Gläubiger ausgehändigt, sondern verbleibt in den Gerichtsakten. Der Gläubiger erhält eine Ausfertigung, deren Erteilung auf der Urschrift zu vermerken ist. Zur Herstellung der Ausfertigung verwendet die Geschäftsstelle das letzte der vom Gläubiger eingereichten Exemplare des Zahlungsbefehls (S. 8). Der Vollstreckungsbefehl steht einem für vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich (§ 700 S. 1). Deshalb hat die Geschäftsstelle seine Zustellung im Auftrage des Gläubigers Zu vermitteln, wenn nicht der Gläubiger eine gegenteilige Erklärung abgegeben hat (§ 6991 S. 5, vgl. § 508I). Finke hatte z. B. um Aushändigung des Völlstreckungsbefehls an ihn, d. h. um Unterlassung der gerichtlichen Zustellungsvermittlung gebeten (S. 11), weil er offenbar die Zustellung mit der Mobiliarpfändung verbinden will. Vgl. II. Abteilung, 1. Kap. Dem Schuldner steht gegen den Vollstreckungsbefehl Einspruch innerhalb der amtsgerichtlichen Notfrist von einer Woche (§ 508II) zu. l ) Beim Gericht entstehen durch den Vollstreckungsbefehl keine weiteren Kosten (§31 GKG). Anwaltskosten: § 38® GebO f. RA ( 5 / 1 ( ) = Gebühr). Natürlich kann der Gläubiger an dieser Stelle auch andere Kosten (z. B. Porto) liquidieren.

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Abzahlungsklage

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4. Fall: Weder wird vom Schuldner Widerspruch erhoben, noch vom Gläubiger Vollstrekkungsbefehl beantragt. Alsdann verliert sechs Monate nach Ablauf der Widerspruchsfrist der Zahlungsbefehl seine Kraft, so daß er weder zur Grundlage eines Vollstreckungsbefehls werden noch (nach Erhebung eines Widerspruchs) die Überleitung in den Prozeß vermitteln kann (§ 701). Damit wird auch die durch Zustellung des Zahlungsbefehls bewirkte Unerbrechung der Verjährung (§ 2091 BGB) wieder hinfällig (§215 S. 2). Vom Verjährungsstandpunkt gesehen, ist es also für den Gläubiger vorteilhafter, wenn während der 6 Monate der Schuldner Widerspruch erhebt, als wenn gar nichts geschieht: denn im ersten Fall bleibt die Unterbrechungswirkung bestehen, und es beginnt lediglich eine neue Verjährungsfrist zu laufen, sobald das an den Widerspruch anschließende Streitverfahren in Stillstand gerät (§ 211 II). Gläubiger, die ihren Zahlungsbefehl erst an der Schwelle der Verjährung beantragt haben, können durch Versäumung der Sechsmonatsfrist leicht Schaden nehmen. Aktenwesen im Mahnverfahren. Über das Mahnverfahren wird in der Regel kein Aktenregister geführt, sondern die Sachen zu je 50 in loser Hülle aufbewahrt. Auf der Hülle sind Zeit des Eingangs (z. B. 10. März bis 31. März 1955) und der Aktenzeitabschnitt (z. B. 2 1 B 55—100/55) vermerkt. In vorgedruckter Einteilung sind Gläubiger und Schuldner unter lfd. Nr. aufgeführt. § 12II AktO.

Abzahlungssache. Versäumnisverfahren A b z a h l u n g s klage. „An das Amtsgericht hier.

Köln, den 2. Februar 1956. Klage

des Kaufmanns Adolf Scboppe in Köln, Neumarkt 16, gegen den Kaufmann Emil Weinhold in Köln, Klosterstr. 50,

Klägers, Beklagten.

Der Beklagte kaufte bei mir am 28. November 1954 2 Betten mit Matratzen und Nachttischen, Spiegel, Wäscheschrank, 1 Tisch, 4 Stühle, 1 Chaiselongue sowie 1 Exzelsior-Grammophon nebst 10 Platten für den vereinbarten Preis von zusammen 780 DM auf Abzahlung unter Eigentumsvorbehalt. Im Kaufvertrag, welchen ich im Termin vorlegen werde, ist vereinbart, daß der Kaufpreis in wöchentlichen Raten von 6 DM, beginnend am 5. Dezember 1954, zu bezahlen ist, daß bei unpünktlicher Bezahlung von zwei Raten der ganze Restkaufpreis auf einmal fällig wird und der Verkäufer außerdem das Recht hat vom Vertrage zurückzutreten. Der Beklagte hätte bisher zahlen müssen 61 Raten zu je 6 DM Er hat gezahlt ist also im Verzuge mit

=

366,— DM 300,— DM 66,— DM

d. i. mehr als zwei Raten. Die letzte Zahlung hat er am 2. Januar d. J. geleistet. Nach dem Vertrag ist also der ganze Restkaufpreis von 480 DM fällig geworden. Für den Fall fruchtloser Zwangsvollstreckung erkläre ich schon jetzt mein vorbehaltenes Rücktrittsrecht und verlange die Herausgabe der gelieferten Sachen. In diesem Fall sind dem Beklagten die geleisteten Anzahlungen mit 300 DM zurückzugewähren. Dagegen hat der Beklagte für die Überlassung des Gebrauchs und der Benutzung unter Berücksichtigung der eingetretenen Wertminderung eine angemessene Vergütung zu zahlen. Für die Gebrauchsüberlassung werden pro Woche 3 DM, im ganzen 183 DM, als Wertminderung (Abnutzung) 150 DM, zusammen 333 DM, gefordert. Die geforderten Beträge sind angemessen. Beweis: Sachverständige. Der Beklagte hat daher bei Ausübung des Rücktrittrechts noch 33 DM zuzuzahlen. Ich erhebe Klage beim Amtsgericht Köln, beantrage die Anberaumung eines Verhandlungstermins und werde in diesem beantragen: I. den Beklagten zu verurteilen a) in erster Reihe dem Kläger 480 DM (i. W.) nebst 4% Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen,

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Eigentumsvorbehalt und Abzahlungskauf

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b) für den Fall fruchtloser Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs zu a: dem Kläger folgende Sachen herauszugeben 2 Betten mit Matratzen und Nachttischen, und noch 53 D M (i. W . ) nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen. Der Anspruch zu a) kommt alsdann in Wegfall. II. die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen. III. das Urteil, nötigenfalls gegen Sicherheitsleistung, für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die nach einem Streitwert von 663 D M berechnete Prozeßgebühr von 25,20 D M wird in Kostenmarken beigefügt. Abschrift der Klage liegt bei.

Adolf Schöpfe."

Der Abzahlungskauf ist eine Abart des Kaufs mit E i g e n t u m s v o r b e h a l t . Die allgemeine Konstruktion dieses Kaufs gibt § 45 5 B G B : ein unbedingter obligatorischer Vertrag, bei dem das Erfüllungsgeschäft, die Übertragung des Eigentums auf den Käufer, unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des Kaufpreises steht und der Verkäufer zurücktreten kann, wenn der Käufer mit der Zahlung in Verzug gerät. Der Eigentumsvorbehalt hat, hauptsächlich durch die formularmäßigen Lieferungsbedingungen der Fabrikanten- und Großhandelsverbände, so große Verbreitung erlangt, daß für ganze Branchen (Kraftfahrzeuge, Krafträder, Möbel, Rundfunkgeräte) geradezu die Ansicht vertreten wird, er sei mangels ausdrücklicher Abrede bei jedem Kreditkauf über derartige Waren als stillschweigend zu betrachten und der Weitererwerber solcher Sachen handle grobfahrlässig i. S. des § 93 z, wenn er sich nicht das vorbehaltlose Eigentum seines Veräußerers nachweisen lasse. R G 147, 331. Auch bei Waren, die zum Weiterverkauf oder zur Verarbeitung bestimmt sind, ist die Klausel üblich, unbeschadet der Befugnis des Käufers zur Verarbeitung bzw. Veräußerung; daraus ergibt sich die eigenartige Rechtslage, daß der Käufer infolge Einwilligung des Verkäufers gemäß § 185 auf seinen Abkäufer volles Eigentum übertragen kann, selbst aber niemals Eigentümer der Kaufsache wird. Vielfach bauen die Formularbedingungen den Eigentumsvorbehalt nach dem Muster der fiduziarischen Bank-Sicherungsverträge mit Bestimmungen aus, nach denen die Forderungen aus dem Weiterverkauf der unter Eigentumsvorbehalt stehenden Sachen oder gar die Ersatzanschaffungen ohne weiteres dem Lieferanten gehören sollen. Die Zulässigkeit eines solchen „verlängerten Eigentumsvorbehalts" ergibt sich aus der rechtlich anerkannten Möglichkeit einer antizipierten Zession ( R G 1 3 6 , 100; 149, 96; 1 5 5 , 32), des antizipierten Besitzkonstituts ( R G 140, 2 3 1 ) und des „ G e schäfts wen es angeht". Im Einzelfall ist aber darauf zu achten, daß die Surrogate der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sache eindeutig bestimmbar sind, R G D R 40/582, B G H 7/365. V g l . auch Enneccerus-Lehmann § 1 1 8 A I V 4 und Flume in N J W 50/841 ff.

Das Sonderrecht des A b z a h l u n g s k a u f s setzt voraus, daß der Kaufpreis in regelmäßigen (wöchentlichen, monatlichen usw.) Teilzahlungen berichtigt werden soll. § 1 AbzahlG vom 16. Mai 1894 (RGBl. 450). Der Verkäufer sichert sich beim typischen Abzahlungsgeschäft dinglich durch Eigentumsvorbehalt (ohne Ausdehnung auf Ersatzanschaffungen) und obligatorisch durch Rücktrittsrecht. Um die Abzahlungskäufer, welche in der Regel wirtschaftliche schwache, rechtlich unerfahrene kleine Leute sind, vor Ausbeutung zu schützen, schafft das Gesetz ius cogens. Hat der Verkäufer die Kaufsache auf Grund des ihm vorbehaltenen Eigentums wieder an sich genommen, so gilt das unweigerlich als Ausübung des Rücktrittsrechts (§5), so daß er dann nicht mehr Erfüllung des Vertrages vom Käufer verlangen kann. Der Rücktritt wird — in Übereinstimmung mit der Dispositivvorschrift des § 346 B G B , aber hier zwingend — in der Weise durchgeführt, daß alle beiderseitigen Leistungen, namentlich die vom Käufer bereits bezahlten Abzahlungsraten, zurückzugewähren

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Bedingter Rücktritt

sind und der Verkäufer für die Überlassung des Gebrauchs und für die Abnutzung der Kaufsache durch den Käufer nur eine angemessene Vergütung erhält. §§ i, 2 AbzG. Es geht also nicht an, daß der Verkäufer sich im voraus einen höheren Betrag als Gebrauchs- und Abnutzungsgebühr versprechen läßt oder gar mit dem Käufer ausmacht, daß die bewirkten Abzahlungen im Falle des Rücktritts als Gebrauchsund Abnutzungsentschädigung verfallen sollen. Freilich versuchen die Abzahlungshändler in der Praxis, wie die Schoppesche Klage zeigt, die Rechnung für den Rücktrittsfall nach §§ 1, 2 so aufzumachen, daß sie nicht bloß die empfangenen Raten behalten, sondern noch Geld herauszubekommen haben. Nach § 2 hat der Käufer im Falle des Rücktritts a) dem Verkäufer für die infolge des Vertrags gemachten Aufwendungen und für s c h u l d h a f t e Beschädigungen der Sache Ersatz zu leisten (hierfür hat Schoppe nichts vorgetragen), b) für die Überlassung des Gebrauchs oder der Benutzung den Wert zu vergüten, „wobei auf die inzwischen eingetretene Wertminderung der Sache Rücksicht zu nehmen ist". Dementsprechend beantragt Schoppe sowohl eine Benutzungsvergütung von 3 D M wöchentlich als auch eine Wertminderung (Abnutzung) von 150 D M . Dabei wird aber nicht beachtet, daß bei Sachen, die üblicherweise vermietet werden, bei denen also ein verkehrsüblicher Mietzins besteht, regelmäßig in der Benutzungsvergütung bereits eine Entschädigung für die Wertminderung enthalten ist, die die Sache durch die Ingebrauchnahme (sei es durch Verlust der Neuheit, sei es durch Abnutzung) erleidet. Ein besonderer Entwertungszuschlag ist hier nur berechtigt, wenn eine stärkere Abnutzung vorliegt, als sie bei einer Vermietung üblicherweise erwartet wird, etwa wenn der Mietzins mit Rücksicht auf eine längere Mietdauer bemessen ist. R G 169, 144 (Großer Ziv. Senat). Vgl. auch Ewald M D R 55/653 über die sog. Richtsätze nach § 2 AbzG. Schoppe kann daher im Hinblick auf den verhältnismäßig hohen Mietsatz von 3 D M wöchentlich und die lange Mietdauer von 61 Wochen nicht noch eine zusätzliche Wertminderung von 150 D M geltend machen.

Wie verhält sich nun der Abzahlungsverkäufer bei Nichterfüllung des Käufers? Am liebsten wird er beim Vertrag stehenbleiben und die sofortige Fälligkeit des Restkaufpreises geltend machen, nicht dagegen das Rücktrittsrecht ausüben, weil ihm sonst (wenigstens bei korrekter Durchführung der Abrechnung) der Verdienst aus dem Geschäft entgeht. Die Realisierung des Kaufpreisanspruchs stößt jedoch in der Zwangsvollstreckung auf Schwierigkeiten. Zwar darf der Verkäufer die von ihm selbst gelieferten und noch in seinem Eigentum stehenden Sachen pfänden, die Sachen sind aber, soweit es sich um Möbel, Hausrat, Kleidungsstücke handelt, vielfach durch §§ 8 1 1 , 812 ZPO der Vollstreckung entzogen: denn die Umpfändbarkeit beruht auf ihrer Unentbehrlichkeit für den Schuldner und ist unabhängig davon, ob die Sachen im Eigentum des Schuldners oder eines Dritten stehen (DJ 39, 1090). Tritt dagegen der Verkäufer vom Kauf zurück und klagt er auf Grund des vorbehaltenen Eigentums und des Rücktritts auf Herausgabe, so findet keine „Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung" (§§ 803—863) und keine „Pfändung" (§ 8031 S. 1), sondern „Wegnahme" wegen eines „Herausgabeanspruchs" (§883) statt, für welche die Beschränkungen der §§ 811/12 nicht gelten (Baumbach zu § 883, 2); mithin kann er auf Grund des Herausgabetitels dem Käufer die gelieferten Sachen, selbst die unentbehrlichsten, wieder fortnehmen lassen. Hieraus erklärt sich das von Schoppe eingeschlagene Verfahren. In erster Reihe begehrt er Verurteilung zu dem geschuldeten Restkaufpreis, für den Fall fruchtloser Vollstreckung wegen des Kaufpreisanspruchs erklärt er den Rücktritt vom Vertrag und verlangt Verurteilung zur Herausgabe der Sachen. Gegen den Eventualantrag bestehen aber erhebliche materielle und verfahrensrechtliche Bedenken: Materiell ist die Ausübung eines Gestaltungsrechts (Rücktritt, Kündigung, Anfechtung u. dgl.) unter einer Bedingung grundsätzlich unzulässig. Das spricht § 388 S. 2 B G B ausdrücklich für die Aufrechnungserklärung aus. Es gilt aber allgemein, weil das Gestaltungsrecht einseitig in eine fremde Rechtslage eingreift und keine Ungewißheit aufkommen lassen darf. Eine Ausnahme läßt sich

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Eventualantrag

nur bei einer solchen Bedingung rechtfertigen, die lediglich vom Willen des Gegners abhängt, weil der Gegner die Wirkung des Gestaltungsrechts hier selbst in der Hand hat (z. B. Kündigung, falls der Gegner nicht mit der Änderung des Vertrags einverstanden ist, vgl. R A G D R 43, 545). Ein „vom Unvermögen" des Schuldners abhängiger Rücktritt ist keine solche Potestativbedingung, da das Unvermögen nicht rein vom Willen des Schuldners abhängt. Auch die Tendenz des AbzG, die dahingeht, klare Rechtsverhältnisse zu schaffen, spricht dagegen (vgl. Klauss, Abzahlungsgeschäfte, 1950, Anm. 291). Verfahrensrechtlich gesehen handelt es sich nicht um einen echten Eventualantrag, da der Hilfsantrag nicht für den Fall gestellt wird, daß der Hauptantrag abgewiesen wird. Es ist ein sog. unechter Eventualantrag: Der Kläger will beides, sowohl Verurteilung zur Zahlung als auch Verurteilung zur Rückgabe im Falle der Zahlungsunfähigkeit. Das Eventualverhältnis besteht also nicht hinsichtlich des Klageantrags, sondern erst für die Zwangsvollstreckung. Eine unechte Eventualklage ist — abgesehen von dem hier nicht gegebenen Falle des § 510b ZPO — nur unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO zulässig, also wenn „die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde". Hierzu genügt, daß der Schuldner den Anspruch ernstlich, wenn auch gutgläubig, bestreitet. Dagegen genügt nicht, daß der Schuldner voraussichtlich zahlungsunfähig ist (Baumbach zu § 259 Anm. 1 B). Der Hilfsantrag ist deshalb schon aus verfahrensrechtlichen Gründen zurückzuweisen. Klauss a. a. O. Anm. 288 und N J W 50/765 ff., Baumbach zu § 260 Anm. 2 D a. E. Zulässig soll dagegen eine Klage auf Herausgabe in Verbindung mit einer Abwendungsbefugnis durch Zahlung des Kaufpreises sein. Der Verkäufer tritt hjer unbedingt zurück, gestattet aber dem Käufer, die Zwangsvollstreckung durch die Erbringung einer anderen Leistung abzuwenden. Vgl. Klauss Anm. 303 ff. Bei Stellung von echten Eventualanträgen ist als Objekt der Wert des höheren Antrags maßgebend. Vgl. Baumbach zu § 5, 2 B. Bei unechten Eventualanträgen müßten strenggenommen beide Anträge zusammengerechnet werden, da der Kläger beide zugesprochen haben will. So Crisolli, Abzahlungsgesetz, 4. Aufl. zu § 3 Anm. 34. Es ist aber nicht zu verkennen, daß der Kläger nur einmal Befriedigung will, sei es durch Zahlung sei es durch Rückgabe der Sache. E s erscheint daher gerechtfertigt, auch hier nur das Objekt des höheren Antrags zugrunde zu legen. Bei der Scboppeschzn Klage ist der Hilfsantrag der höhere: zum Wert der herauszugebenden Sachen (780DM minus 150 D M Abnutzung) treten die herauszuzahlenden 33 D M . So ergibt sich das Objekt von 663 D M , nach dem Schoppe die Prozeßgebühr berechnet und bezahlt hat (§§ 8, zo 1 G K G ) .

Terminsanberaumung. Der Richter beraumt Termin zur Verhandlung auf den 17. Februar 1956 an und läßt die Parteien nach dem S. 2 wiedergegebenen Formular laden. V e r s ä u m n i s a n t r a g . Im Termin erschienen bei Aufruf: „ 1 . für den Kläger dessen gerichtsbekannter Prokurist Theodor Schwab aus Köln, 2. für den Beklagten niemand."

Der Prokurist ist ohne besondere Vollmacht befugt, den Geschäftsherrn im Prozeß zu vertreten (§ 491 HGB). „Der Kläger nahm Bezug auf den Antrag der Klageschrift."

Der Richter stellt aus den Akten fest, daß Klage und Terminsladung dem Beklagten am 7. Februar zugestellt sind. Die Einlassungsfrist von 3 Tagen (§ 499 ZPO) ist also reichlich gewahrt, und ein Versäumnisurteil an sich möglich. Der Richter erörtert sodann die Zulässigkeit der Eventualklage, da es sich hier um eine verfahrensrechtliche Voraussetzung handelt. Er legt dem Kläger dar, daß der Eventualantrag aus den oben S. i6f angeführten Gründen unzulässig ist; er müßte durch Prozeßurteil (vgl. S. 125) abgewiesen werden. (Baumbach zu § 331, L u x , Schulung. 4. Aufl. ( B e f g )

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Prozeßrichter des Amtsgerichts •— Versäumnisverfahren gegen Beklagten

3 C.) Es stände dem Kläger aber frei, bei späterem Zahlungsunvermögen den Rücktritt unbedingt zu erklären und sodann die Rückgabe der Sache unter Berücksichtigung der Abnutzungsgebühr im Klagewege herauszuverlangen. Der Kläger läßt sich belehren und stellt nunmehr nur noch den Antrag zu a). Die darin liegende teilweise Rücknahme der Klage ist ohne Zustimmung des Beklagten zulässig (§ 271 1 ZPO) und bedarf auch als ein „Weniger" nicht der sonst gemäß § 3 3 5 1 Ziff. 3 ZPO vorgeschriebenen rechtzeitigen Mitteilung an den Gegner (Baumbach zu § 335, 4A). Nachdem die Rücknahme des Antrags zu b) im Protokoll vermerkt ist (§ 510 a, oben S. 3), bespricht der Richter mit Schwab den Antrag zu a): Nach der Klage befindet sich Weinhold erst mit 66 DM, also weniger als 1 / 10 des Kaufpreises, im Verzug. Die sofortige Fälligkeit der Restschuld ist also nach § 4 1 1 AbzahlG noch nicht eingetreten. Schwab: Der Vertrag, den ich vorlegen kann, besagt ohne jede Einschränkung, daß die Schuld durch Verzug mit zwei aufeinanderfolgenden Raten fällig wird. Weinhold ist außerdem Kaufmann, kann sich also nach § 8 AbzahlG nicht auf die Schutzvorschriften dieses Gesetzes berufen. Richter: Behaupten Sie, daß Weinhold im Handelsregister als Kaufmann eingetragen sei? Schwab: Weinhold ist Expedient bei Ch. F. Müller & Co. Er selbst steht nicht im Handelsregister. Richter: Dann liegen die Voraussetzungen des § 8 also nicht vor, und die gesetzliche Mindest-Verzugssumme von ^io muß gewahrt sein. Wie viele Raten sind seit Einreichung der Klage weiterhin fällig geworden und wieviel hat der Beklagte seitdem bezahlt? Schwab: Es sind 2 weitere Raten zu je 6 D M tällig geworden. Bezahlt hat Weinhold nichts. Richter: Dann würde der Verzug heute 78 DM, also gerade den zehnten Teil des Kaufpreises, ausmachen. Sie können aber kein Versäumnisurteil bekommen, weil die Behauptung, daß der Beklagte mit weiteren 12 D M in Verzug geraten sei, nicht mittels Schriftsatzes zugestellt worden ist. Beantragen Sie Vertagung und lassen Sie dem Beklagten zum neuen Termin einen Schriftsatz zustellen. Schwab: Daß die beiden Raten seit dem 3. Februar fällig geworden sind und daß er sie nicht bezahlt hat, weiß Weinhold ganz gut. Ich verlange ein Versäumnisurteil. — Protokoll: „Der Kläger behauptete, daß der Beklagte seit Abfassung der Klage mit zwei weiteren Wochenraten im Gesamtbetrag von 12 D M in Verzug gekommen sei und beantragte gegen den Beklagten wegen des Antrages zu a) das Versäumnisurteil zu erlassen. Vorgelesen, genehmigt."

Während das Versäumnisurteil gegen den Kläger ohne jede rechtliche Prüfung, lediglich auf Grund der Säumnis, ergeht (§330 ZPO), begründet Versäumnis des Beklagten nur die Fiktion eines Geständnisses des tatsächlichen mündlichen Vorbringens des Klägers (§ 331 1 ), so daß Versäumnisurteil gegen ihn bloß dann erlassen wird, wenn nach der rechtlichen Prüfung des Gerichts die als zugestanden anzusehenden Tatsachen den Klageantrag rechtfertigen (§ 331 1 1 ). Die Fiktion des Geständnisses beschränkt sich auf die in der Klage oder durch besonderen Schriftsatz rechtzeitig zugestellten Behauptungen des Klägers: denn der Beklagte, dem eine rechtlich nicht schlüssige Klage zugestellt wird, soll sich darauf verlassen dürfen, daß er im Termin nicht auf Grund neuer Behauptungen oder Erklärungen

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Versäumnisverfahren gegen Beklagten

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des Klägers verurteilt werden wird. Hieraus ergeben sich für das Versäumnisverfahren gegen den Beklagten drei Möglichkeiten: i. War die Klage schon nach Maßgabe der zugestellten Klageschrift begründet, so kann Versäumnisurteil ergehen. 2. Fehlt der Klage, auch unter Berücksichtigung der etwa im Termin nachgeschobenen tatsächlichen Anführungen, die Schlüssigkeit und beantragt der Kläger gleichwohl Versäumnisurteil, so wird die Klage durch kontradiktorisches Urteil abgewiesen, gegen welches (bei Erreichung der Berufungssumme) Berufung stattfindet (§ 33 J 11 )- 3- Wird durch die dem Beklagten mitgeteilten Behauptungen der Klageantrag nicht gerechtfertigt, reicht aber der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung aus: so erfolgt keine Klageabweisung, sondern es wird lediglich der Erlaß des Versäumnisurteils durch Beschluß abgelehnt (§ 3353). So liegt hier der Fall. Die Bestimmung des § 4 1 1 AbzahlG, daß die Vereinbarung der vorzeitigen Fälligkeit „rechtsgültig nur für den Fall getroffen" werden könne, daß sich der Käufer mit zwei aufeinanderfolgenden Raten und mit mindestens Vio der Kaufsumme im Verzug befindet, wird ausgelegt, als ob sie lautete: „die Vereinbarung der sofortigen Fälligkeit ist nur für den Fall wirksam, daß usw.". Das Gesetz will ja bloß verhüten, daß die vorzeitige Fälligkeit gegen einen Käufer geltend gemacht wird, der mit einer kleineren Summe im Verzuge ist; man soll die Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen gesetzliche Bestimmungen nicht weiter ausdehnen, als es der Zweck des Verbots erfordert. R G 64, 92. Die im Termin nachgeschobene Behauptung des Klägers würde also, wenn sie dem Beklagten rechtzeitig zugestellt worden wäre, seine Verurteilung tragen: „ E s wurde der B e s c h l u ß verkündet: Der Antrag auf Erlaß des Versäumnisurteils wird zurückgewiesen, weil dem Beklagten ein für die Begründung der Klage wesentliches mündliches Vorbringen, nämlich die Behauptung, daß er seit Abfassung der Klage mit weiteren 1 2 D M in Verzug gekommen sei, nicht mittels Schriftsatzes mitgeteilt worden ist. Neuer Termin wurde auf den 7. März 1956 vormittags io'/ 2 Uhr bestimmt. Richter.

Vrkund."

Zum neuen Termin wird Weinhold wieder geladen. § 335 1 1 ZPO. (Ausnahme von § 218.) V e r s ä u m n i s u r t e i l in a b g e k ü r z t e r F o r m . Gegen den Beschluß hat Schoppe sofortige Beschwerde (§ 3361). Er fügt sich aber der Ansicht des Richters und läßt dem Beklagten die Behauptung durch Schriftsatz zustellen. Am 7. März ist Weinhold wiederum nicht vertreten: „ D e r Kläger nahm Bezug auf den Antrag der Klageschrift und beantragte gegen den Beklagten das Versäumnisurteil zu erlassen. Vorgelesen, genehmigt."

Diesmal bestehen keine Bedenken: „ E s wurde Versäumnisurteil nach Klageantrag zu a), Zinsen seit 7. Februar 1956, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, verkündet und in abgekürzter Form auf die Klageschrift gesetzt. Richter.

Urkund."

Das Versäumnisurteil wird gemäß § 3 1 3 m neben den Antrag der Klageschrift gesetzt. Entspricht es dem Klageantrag in vollem Umfange, so geschieht dies durch Stempel oder auf entsprechendem Vordruck nach dem Muster: „Verkündet am 7. März 1956. Urkund als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle 2*

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Abgekürztes Versäumtiisurteü Im Namen des Volkes! V e r s ä u m n i s urteil. Erkannt nach dem Antrag der Klageschritt. Zinsen seit 7. Februar 1956 Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Amtsgericht Richter."

Wird der Klageantrag abgeändert, so ist eine Neuformulierung des Tenors angebracht. In unserem Falle würde auf die Klageschrift oder eine Anlage hierzu zu setzen sein: „Versäumnisurteil. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 480 D M nebst 4 % Zinsen ab 7. Februar 1956 zu zahlen. Soweit Verurteilung erfolgt ist, werden dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar." Die Mehrkosten der Differenz bis zum Objekt von 663 D M trägt der Kläger. § 2 7 1 1 1 1 . Die Verpflichtung hierzu ist aber gemäß § 2 7 1 1 1 1 ZPO nur auf Antrag des Beklagten durch Beschluß auszusprechen. Für A u s f e r t i g u n g eines in abgekürzter Form erlassenen Versäumnis- oder Anerkenntnisurteils stehen nach § J i 7 I V zwei Wege zur Auswahl. Entweder kommt Ausfertigung des obigen Urteilsvermerks auf eine beglaubigte Abschrift der Klage, oder aber das Urteil wird ohne Klageschrift ausgefertigt, dafür durch Kopf und Formel (§ 3 1 3 2 . 5 ) vervollständigt: „Ausfertigung. Verkündet am 7. März 1956. (gez.) Urktmd als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle. Versäumnisurteil. Im Namen des Volkes! In Sachen des Kaufmanns Adolf Schoppe in Köln, Neumarkt 16, gegen den Kaufmann Emil Weinhold in Köln, Klosterstraße 50,

Klägers, Beklagten,

hat das Amtsgericht in Köln auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 1956 durch den Amtsgerichtsrat Richter für Recht erkannt: Der Beklagte wird verurteilt usw. (gez.) Richter. Ausgefertigt. Köln, den 8. März 1956. (Siegel)

Urkund als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle."

Von den Erfordernissen des normalen Urteils ( § 3 1 3 ' ) fehlen der vervollständigten Ausfertigung Tatbestand und Entscheidungsgründe; sie werden durch die Überschrift „Versäumnis- (bzw. Anerkenntnis-) Urteil" ersetzt. F i n a n z i e r u n g s g e s c h ä f t e : Häufig erfolgt die Bezahlung einer auf Abzahlung gekauften Sache durch ein Finanzierungsinstitut. Dieses zahlt den Kaufpreis ganz oder doch zum größten Teil an den Verkäufer oder gibt dem Käufer ein Darlehen zur Zahlung des Kaufpreises. Es läßt sich dafür vom Verkäufer dessen Ansprüche gegen den Käufer abtreten oder verpflichtet den Käufer zur ratenweisen Rückzahlung gegen Sicherungsübereignung des gekauften Gegenstandes. Solche Vereinbarungen fallen meist ebenfalls unter die Bestimmungen des Abzahlungsgesetzes, namentlich wenn zwischen Finanzierungsgeschäft und Verkäufer eine enge Bindung besteht. Vgl. § 6 AbzG und B G H in N J W 54/185 und Lind.-Möhr. Nr. 2 zu § 6 AbzG, so-A'ie Kiauss a. a. O. Anm. 492fr.

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Wohnungszwangswirtschaft

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Streitige Mietsache. Schriftliche Entscheidung. Beweisbeschluß Miet2ins- und

Räumungsklage.

„An das Amtsgericht hier.

Köln, den 15. Februar 1956.

Klage. des Kaufmanns Albin Noack in Köln, Annostr. 15, Klägers, Prozeßbevollmächtigter: RA. Schaar£ in Köln, gegen den Krankenkassenrendanten Alois Nickel in Köln, Annostr. 15, Beklagten, wegen Mietzins und Räumung. Auf Grund des nachstehenden Sachverhalts erhebe ich Klage beim Amtsgericht Köln und beantrage die Anberaumung eines Verhandlungstermins, in welchem ich beantragen werde: den Beklagten kostenpflichtig zu verurteilen a) unter sofortiger Aufhebung des zwischen den Parteien bestehenden Mietverhältnisses seine Wohnung im zweiten Stock des Hausgrundstücks Annostr. 15, bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Bad nebst zugehörigem Keller und Bodenkammer an den Kläger herauszugeben, b) dem Kläger 180 DM (i. W.) nebst 4% Zinsen von 90 DM seit dem 1. Januar 1956 und von weiteren 90 DM seit dem 1. Februar 1956 zu zahlen. Begründung. Mit Zustimmung des Wohnungsamts hat der Kläger dem Beklagten ab 1. Juli 1955 die im Klageantrag bezeichnete Wohnung gegen eine im voraus zahlbare Monatsmiete von 90 DM vermietet. Beweis: Auskunft des Wohnungsamts." Das Wohnungsrecht des B G B ist infolge der durch den 1. und 2. Weltkrieg entstandenen Wohnungsnot weitgehenden Schutzbestimmungen unterstellt. Diese betreffen namentlich den Abschluß des Mietvertrags (Wohnraumbewirtschaftung), die Mietbildung und die Beendigung des Mietverhältnisses. Für den Abschluß des Mietvertrages ist das Wohnraumbewirtschaftungsgesetz vom 31. März i953 (BGBI. I 97) maßgebend. Danach dürfen freie bzw. überschüssige Wohnräume grundsätzlich nur mit Genehmigung der Wohnungsbehörden zur Benutzung überlassen werden. Die Genehmigung ist entsprechend dem Antrag des Verfügungsberechtigten zu erteilen, sofern nicht gewichtige Gründe der Wohnraumbewirtschaftung dem entgegenstehen. Ein Zuweisungsverfahren, das mit einem Zwangsmietvertrag enden kann, greift nur Platz, wenn ein Antrag auf Benutzungsgenehmigung nicht rechtzeitig gestellt oder einem solchen Antrag nicht entsprochen wird. Ausgenommen von den Vorschriften des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes sind nach § 3 des Gesetzes: a) frei finanzierte und steuerbegünstigte Wohnungen im Sinne der §§ 42, 47 des Ersten Wohnungsbaugesetzes i. d. Fassung vom 25. August 1953 (BGBl. I 1047), b) ohne öffentliche Darlehen oder Zuschüsse geschaffener Wohnraum, der in der Zeit vom 21. Juni 1948 bis zum 31. Dezember 1949 bezugsfertig geworden ist, c) Wohnraum, der wegen seines räumlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhangs mit Geschäftsraum i. S. des Geschäftsraummietengesetzes vom 25. Juni 1952 (BGBl. I 338) zugleich mit diesem einem anderen überlassen ist, es sei denn, daß der Mietwert des Geschäftsraums geringer ist als der Mietwert des Wohnraums. Für die Mietbildung sind bei den unter das 1. WohnungsbauG fallenden Wohnungen die Bestimmungen dieses Gesetzes maßgebend. Für öffentlich geförderte Mietwohnungen setzt hier die für das Wohnungs- und Siedlungswesen zuständige oberste Landesbehörde Mietrichtsätze fest. Für preisgebundene Wohnräume, die bis zum 31. Dezember 1949 bezugsfertig geworden sind, gelten jetzt die Bestimmungen des 1. Bundesmietengesetzes vom 27. Juli 1955 (BGBl. I 458). Danach ist grundsätzlich die Miete zulässig, die sich aus der letzten vor dem 1. Januar 1955 zustande gekommenen Vereinbarung ergibt. Diese Miete darf erhöht werden

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Räumungsklage

a) bei Wohnräumen, die bis zum 20. Juni 1948 bezugsfertig geworden sind, um einen Zuschlag von 1 0 % , b) bei Wohnräumen, die zwischen dem 21. Juni 1948 und dem 31. Dezember 1949 bezugsfertig geworden und mit öffentlichen Mitteln im Sinne des § 3 des 1. WohnBauG geschaffen worden sind, bis zu dem Betrage, der für die Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist (sog. Kostenmiete). Für die B e e n d i g u n g des Mietverhältnisses ist das Mieterschutzgesetz maßgebend, das — abgesehen von einigen nachträglichen Änderungen — in der Fassung vom 15. Dezember 1942 gilt. Danach können Mietverhältnisse gegen den Willen des Mieters grundsätzlich nur aus besonderen Aufhebungsgründen durch Urteil des Amtsgerichts aufgehoben werden. Ausnahmen gelten namentlich für Gebäude im Eigentum der öffentlichen Hand, Klcinsiedlerstellen und Räume einer Wohnungsgenossenschaft sowie möblierte Zimmer, sofern hier nicht eine selbständige Haushaltung geführt wird (§§ 24, 32—34 MSchG), ferner für Mietverhältnisse über steuerbegünstigte und frei finanzierte Wohnungen gemäß § § 3 1 a, 3 1 b MSchG. Bei den dem Mieterschutz unterliegenden Wohnungen sind als Aufhebungsgründe nur anerkannt: erhebliche Belästigung oder Gefährdung (§ 2), Zahlungsverzug (§ 3) und Eigenbedarf (§ 4). Die Klage fährt fort: „Der Beklagte hat weder die am 1. Januar 1956 fällige Januarmiete noch die am 1. Februar 1956 fällige Februarmiete bezahlt. Beweis : Parteivernehmung. Daher rechtfertigt sich sowohl die Mietaufhebungsklage aus § 3 MSchG als auch die Mietzahlungsklage." Gemäß § 3 M S c h G kann der Vermieter auf Aufhebung des Mietverhältnisses klagen, wenn der Mieter mit mehr als einer Monatsmiete in Verzug ist. Bei einem den Betrag von 2 Monaten nicht erreichenden Rückstand ist die Erhebung der Klage aber erst zwei Wochen nach Fälligkeit zulässig. Daher wurde die Klage erst am 15. Februar eingereicht. Der Beweisantritt rechtfertigt sich daraus, daß der Vermieter die Voraussetzungen des § 3 M S c h G als anspruchbegründende Tatsachen des Räumungsanspruchs darlegen und beweisen muß. Hätte der Kläger allein auf Zahlung geklagt, so hätte er als anspruchsbegründende Tatsache nur das Mietverhältnis darlegen müssen ( § 5 3 5 S. 2 B G B ) . E s wäre Sache des Beklagten gewesen, die Zahlung der Miete als anspruchvernichtenden Einwand zu behaupten und zu beweisen (§ 362, vgl. auch § § 3 4 5 , 358 B G B ) . Die Zulässigkeit der Verbindung von Zahlungs- und Aufhebungsklage ergibt sich aus § 15 MSchG. Danach kann der Vermieter neben dem Aufhebungsanspruch auch andere Ansprüche geltend machen, sofern sie das gleiche Mietverhältnis betreffen und das Gericht für sie zuständig ist. Auf Antrag des Beklagten ist aber die Trennung anzuordnen. Das Gericht kann auch von Amts wegen abtrennen. Im einzelnen vgl. § 1 5 1 1 1 . I v MSchG. Die allgemeine Regelung des § 260 ZPO wird durch § 1 5 MSchG namentlich insofern eingeschränkt, als die mehreren Ansprüche „das gleiche Mietverhältnis" betreffen müssen. Für die Zahlungsklage gilt die allgemeine Kompetenzgrenze bis zu 1000 DM ( § 2 3 ! GVG). Für die Aufhebungsklage ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk sich der Mietgegenstand befindet, ausschließlich zuständig (§ 7 MSchG). In den vom Mieterschutz ausgeschlossenen Fällen ist für eine Räumungsklage zwar auch das Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert, aber nicht ausschließlich zuständig (§ 23 GVG.) Zwischen der Aufhebungsklage auf Grund des Mieterschutzgesetzes und der Räumungsklage auf Grund des B G B besteht übrigens ein grundlegender Unterschied. Die erste ist Gestaltungsklage; das Urteil wirkt konstitutiv. Das Gericht hat „das Mietverhältnis aufzuheben und den Mieter zur Räumung zu verurteilen". In dem Urteil ist der Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses anzugeben. In den Fällen der §§ 2, 3 kann das Mietverhältnis mit „sofortiger Wirkung" aufgehoben werden, § 5 MSchG. Aus diesen Bestimmungen erklärt sich der Klageantrag zu a). Die Räumungsklage auf Grund des B G B ist dagegen eine Leistungsklage. Das Gericht entscheidet nur deklaratorisch über die Berechtigung der außergerichtlich erfolgten Kündigung und verurteilt lediglich zur Räumung zu dem durch die Kündigung bewirkten Zeitpunkt.

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Hinterlegungsbefugnis

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Die Klage fährt fort: „Die Räumungsklage ist aber auch aus dem Gesichtspunkt der erheblichen Belästigung und Vernachlässigung der Mietsache gemäß § 2 MSchG begründet. Der Beklagte hat — entgegen den einen Bestandteil des Mietvertrags bildenden §§ 5 und 7 der Hausordnung — im Dezember 1955 trotz Verbots der Hausmeisterin wiederholt bis 13V1 Uhr nachmittags Teppiche klopfen lassen, wodurch die übrigen Hausbewohner in ihrer Ruhe gestört wurden, und hat im gleichen Monat seine Badeeinrichtung neunmal benutzt. Beweis: Hausmeisterin Gründe/ in Köln, Annostr. 15. Die § § 5 bzw. 7 der Hausordnung lauten: Ruhe und Ordnung dürfen im Hause, auf den Treppen, im Hofe, Garten usw. nicht gestört werden. Das Teppichklopfen ist nur am Freitag und Sonnabend vormittags zwischen 8 und 12 Uhr erlaubt." „Wasserleitungen, Ausgüsse und Badeeinrichtungen müssen in maßvoller Weise benutzt werden. Jede überflüssige Entnahme von Wasser ist dem Mieter untersagt." Die Klage schließt ab: Meine Vollmacht sowie eine zur Zustellung an den Beklagten bestimmte Abschrift der Klage liegen bei. Ferner werden 15 DM als Prozeßgebühr in Kostenmarken beigefügt. Für den Kläger: Schwärz, R A . " Vollmacht des Anwalts: bühr: §§ 7411 G K G .

§ 8 8 1 1 Z P O . Vorschußweise Zahlung der Prozeßge-

B e r e c h n u n g der P r o z e ß g e b ü h r : Die Bestimmungen der §§ }ff. ZPO haben in erster Linie Bedeutung für die Zuständigkeit des Gerichts und die Zulässigkeit eines Rechtsmittels (§ 2 ZPO). Darüber hinaus sind sie aber auch für die Berechnung der Gebühren maßgebend, soweit nicht Sonderbestimmungen des G K G oder sonstiger Gesetze eingreifen (§ 17 GKG). Für die Wertberechnung bei der Aufhebungsklage gibt § I 3 I V MSchG eine Sonderbestimmung. Danach ist — abweichend von § 8 ZPO — der Betrag des für die Dauer eines Jahres zu entrichtenden Mietzinses maßgebend. Eine ähnliche Bestimmung findet sich in § i o 1 S. 2 G K G für die Räumungsklage auf Grund des BGB. Die Prozeßgebühr für die Aufhebungsklage berechnet sich daher nach einem Objekt von 12 mal 90 DM zuzüglich des Zahlungsanspruchs von 180 D M (§ 5 ZPO) = 1260 DM. Der Richter setzt Termin an (S. 1 , 1 7 ) . Gleichzeitig hat die Geschäftsstelle eine weitere Abschrift der Klage der Fürsorgebehörde unter Hinweis auf ihre Fürsorgepflicht gemäß § 1011 M S c h G zuzustellen. Grund s. § 3111 S. 1 M S c h G . K l a g e b e a n t w o r t u n g . A b z u g s - und S c h a d e n s e r s a t z r e c h t e des M i e ters. W i d e r k l a g e . Für den Beklagten meldet sich R A Weiß, überreicht Vollmacht und beantragt: „die Klage abzuweisen, für den Fall der Verurteilung: dem Beklagten die Abwendung der Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung nachzulassen." Das Sicherheitserbieten des Beklagten hat nur praktische Bedeutung, wenn das Urteil ohne Sicherheitsleistung des Klägers für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist; und selbst in diesem Fall kann der Kläger durch sein Sicherheitserbieten die Hinterlegungsbefugnis des Beklagten aus dem Felde schlagen (unten S. 27). Der Beklagte hat mit einer ohne Sicherheit des Klägers vorläufig vollstreckbaren Verurteilung nur bezüglich der Zahlung zu rechnen, da dieser Anspruch die Summe von 500 D M (§ 709 4 ) nicht übersteigt. Das Aufhebungsurteil ist nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären, da nicht glaubhaft gemacht ist, daß die Aussetzung der Vollstreckung dem Vermieter einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde ( § 1 3 1 1 S. 2 M S c h G ) . D e m Mieter ist sogar von A m t s wegen eine angemessene Räumungsfrist zu bewilligen, bei Aufhebung wegen erheblicher Belästigung oder Gefährdung allerdings nur unter besonderen Umständen 5a, 6 M S c h G ) .

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Prozeßrichter des Amtsgerichts—• §§ 537, 538 B G B

Ein vorsichtiger Beklagter beantragt regelmäßig, auch wenn das Objekt über 500 D M hinausgeht, Vollstreckungsnachlaß gemäß § 7 1 3 1 1 . Denn vielleicht gibt das Gericht der Klage nur in Höhe von 500 DM oder weniger statt, oder es erläßt Teilurteil über eine im Rahmen des § 7094 liegende Summe, und dann würde es für den Beklagten eine empfindliche Schädigung bedeuten, wenn er nicht in der Lage ist, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden. Praktische Bedeutung der Hinterlegungsbefugnis: s. §§ 720, 739 ZPO und 6 Kap. „Mobiliarpfändung für mehrere Gläubiger". „Begründung. Dem Kläger steht weder ein Mietzinsanspruch für Januar und Februar 1956 noch ein Aufhebungsgrund zu: 1. Am Abend des 3. Januar 1956 hat die Hausmeisterin des Klägers es trotz der herrschenden Kälte von —9 0 unterlassen, den Hauptwasserhahn abzusperren, weil sie Radio hörte. Infolge dessen platzte während der Nacht das Wasserrohr in der Küche des Beklagten. Die ganze Küche wurde unter Wasser gesetzt und ist erst am 20. Januar 1956 wieder benutzbar geworden. Beweis: die Ehefrau des Beklagten. Gemäß § 537 B G B ermäßigt sich also die Januarmiete um den Betrag, der auf die Küche für 16 Tage zu rechnen ist, d. s. mindestens 12 DM. Beweis: Sachverständige." Die mangelhafte Erfüllung vertraglicher Schuldverpflichtungen begründet Schadensersatzansprüche nur im Fall des Verschuldens oder der Garantie, während die „ädilizischen" Rechtsbehelfe der Wandelung, Minderung usw. v o m Verschulden unabhängig sind. V g l . für den K a u f § 463 gegen § 462 B G B . Die nach § 537 eintretende gänzliche oder teilweise Befreiung des Mieters von der Mietzahlung zählt zur zweiten Gruppe. Für das Abzugsrecht würde es daher keiner Erörterung der Schuldfrage bedurft haben. „2. Bei der Überschwemmung der Küche ist ein dem Beklagten gehörender Sack mit Weizenmehl im Wert von 40 DM verdorben. Beweis: die Ehefrau des Beklagten. Diesen Betrag hat der Kläger dem Beklagten zu vergüten." Hier macht der Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß § 538 geltend. Dieser steht dem Mieter zu: 1. wenn der Mangel schon bei Vertragsschluß vorhanden war, 2. wenn er (was hier in Betracht kommt) infolge eines v o m Vermieter zu vertretenden Umstandes (Haftung für Erfüllungsgehilfen: § 278!) entstanden ist, 3. wenn der Vermieter mit Beseitigung des verschuldeten oder unverschuldeten Mangels in Verzug gerät. Der erste Fall beruht auf dem Gedanken, daß der Vermieter für Tauglichkeit der Mietsache im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine stillschweigende Garantie übernehme. Maßgebend ist dabei nicht das Hervortreten des Mangels, sondern sein objektives Vorhandensein. Bestand der Mangel schon beim Vertragsschluß, wurde er aber zunächst von niemandem bemerkt und führte erst erhebliche Zeit später zu einem Schaden, so muß der Vermieter den Schaden unbedingt ersetzen. R G 81, 200; 169, 87. V g l . Punkt 3 der Klagebeantwortung. „3. Am 10. Januar 1956 hat die Frau des Beklagten ein Bad zubereitet. Plötzlich fiel ohne jeden äußeren Anlaß der Warmwasserhahn heraus und das heiße Wasser strömte heraus, so daß der Frau beide Hände und Unterarme verbrüht wurden. Beweis: die Ehefrau des Beklagten. Die hierdurch notwendig gewordene ärztliche Behandlung hat einschließlich Medikamenten 160 D M gekostet. Beweis: die vom St.-Elisabethinerinnen-Krankenhaus ausgestellten quittierten Rechnungen, die ich im Termin vorlegen werde

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Unfall der Ehefrau des Mieters

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Ferner war der Beklagte genötigt vom 10. bis 24. Januar 1956, während dessen seine Frau arbeitsunfähig war, Beweis: Dr. med. Sebald, Stationsarzt im Elisabethinerinnen-Krankenhaus, die häuslichen Arbeiten durch die Aufwartefrau Schmudicke verrichten zu lassen, welche dafür 30 DM erhalten hat. Beweis: Frau Schmudicke in Köln, Herderstraße 31. Wenn der Kläger, wie es jeder sorgfältige Hauswirt tut, von Zeit zu Zeit die Badeeinrichtung durch eine sachverständige Person hätte nachsehen lassen, wäre der Unfall vermieden worden, da der Hahn schon längere Zeit, mindestens seit Abschluß des Mietvertrags der Parteien, morsch und defekt war. Beweis: Sachverständiges Zeugnis und Gutachten des Klempnermeisters Giese in Köln, Lewaldstr. 44. Der Kläger hat deshalb dem Beklagten auch die 160 DM sowie 30 D M zu vergüten." Sind wegen des Unfalls der Ehefrau, die nicht Vertragspartei ist, Schadensersatzansprüche gegeben? Die Pflicht, die Mietsache während der Vertragsdauer in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten (§ 536) und die aus einer mangelhaften Beschaffenheit sich ergebenden Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum abzuwenden, obliegt dem Vermieter nicht bloß gegenüber dem Mieter, sondern auch gegenüber den v o m Mieter in die Wohnung aufgenommenen Angehörigen und solchen Angestellten, denen der Mieter gemäß § 6 1 8 haftet. Daraus folgt einmal, daß Nickel den ihm durch den Unfall seiner Frau zugefügten Schaden nach Maßgabe des § 538 vom Vermieter fordern kann. R G 8 1 , 200, 2 1 4 ; 90, 6 5 ; 169, 87. Außerdem hat aber auch Frau Nickel wegen des ihr selbst an der Gesundheit entstandenen Schadens vertragliche Ansprüche an den Vermieter N o a c k : der Mietvertrag ist Vertrag zugunsten des geschädigten Dritten. R G 9 1 , 2 1 ; 102, 2 3 1 . V e r t r a g z u g u n s t e n D r i t t e r : Ob ein beteiligter Dritter lediglich solutionis causa adiectus ist (wie der Neffe, dem auf Bestellung des Onkels ein Anzug angemessen oder der photographiert wird) oder ob er ein eigenes Recht auf die Leistung erwirbt, hängt bei der elastischen Fassung des § 328 von der Lage des Einzelfalls, besonders vom Zweck des Geschäfts, ab. Die Vereinbarung eines begünstigten Dritten kann auch stillschweigend getroffen werden, ohne daß sich die Vertragschließenden dessen bewußt sind. Ähnliche Grundsätze wie für Angehörige und Angestellte des Mieters hat die Praxis bei Werkverträgen aufgestellt: zugunsten der Frau und Tochter, für die eine Taxe genommen wird; zugunsten des Kassenmitglieds, welches von der Kasse vertraglich in einem Krankenhaus untergebracht wurde; zugunsten der Hausangestellten, deren Gesundheit geschädigt wird, weil eine vom Dienstherrn bestellte Revision des Gasanschlusses nicht ordnungsmäßig ausgeführt worden ist. R G 127, 218 (mit Übersicht über die Entwicklung der Rechtsprechung). Vgl. ferner R G 152/276 (Arztvertrag des Vaters zugunsten des Kindes), R G 160, 155; 164, 397; B G H in N J W 51/437 (Girovertrag für Begünstigte), B G H 2/94 (kein vertraglicher Anspruch des Ehemannes, der beim Besuch seiner Frau im Krankenhaus infolge Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verletzt wird). Wie verhält sich Noacks vertragliche Ersatzpflicht zu seiner Haftung aus unerlaubter Handlung? Die Voraussetzungen des Vertrags- und des Deliktsanspruchs sind selbständig zu prüfen. Hinsichtlich des Verschuldens von Erfüllungsgehilfen, der Verjährung und wohl auch der Beweislast ist das Vertragsrecht dem Geschädigten günstiger als der Deliktsanspruch. V g l . § 2 7 8 gegen § 8 3 1 , § 1 9 5 gegen § 8 5 2 . Nach § 823 muß der Geschädigte das Verschulden des Schädigers beweisen. Dagegen legt das Gesetz in den Fällen der Unmöglichkeit (§ 282) und des Verzuges (§ 285) die Beweislast ausdrücklich dem Schuldner auf. Ob bezüglich der Beweislast für das Verschulden bei der positiven Vertragsverletzung eine analoge Anwendving der letzteren Vorschriften berechtigt ist oder ob es bei der allgemeinen Regel bleibt, daß der Geschädigte die Voraussetzungen seines Anspruchs, also auch das Verschulden des Gegners nachzuweisen hat, ist streitig. R G 148, 148 läßt die Frage bei Dienst- und Werkverträgen offen, R G 66, 291, DR 44, 184 und K G VersR 55, 141 verneinen die Anwendung des § 282 auf positive Vertragsverletzung. Dagegen Enneccerus-Lehmann § 55 II 3, Raape ArchZivPr.

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Vertrags- und Deliktsschaden

147, 217fr. undPalandt 1 zu § 282. Praktisch erledigt sich die Frage vielfach durch den prima-facieBeweis, der gegen den Schuldner spricht, wenn das Schaden verursachende Ereignis sich in seiner Sphäre abgespielt hat. Vgl. unten S. 33 f. Bei manchen Deliktsansprüchen muß zudem der Vermieter sich auf Grund des § 836 (Ablösung von Gebäudeteilen) exkulpieren. A u s dem Vertragsverhältnis läßt sich nur Ersatz des dem Vertragsgegner (bzw. dem begünstigten Dritten im Fall des § 328) selbst erwachsenen Vermögensschadens (§ 253) herleiten. Alle darüber hinausgehenden Ansprüche, nämlich die Ansprüche der Hinterbliebenen des Getöteten (§ 844), der Anspruch des Ehemanns oder der Eltern wegen Entziehung der ihnen nach § § 1 3 5 6 , 1 6 1 7 gesetzlich zustehenden Dienste des Verletzten (§ 845), der Anspruch des Verletzten auf Ersatz des immateriellen Schadens, sog. „Schmerzensgeldes" (§ 847), setzen voraus, daß der Tatbestand der unerlaubten Handlung nachgewiesen wird. Die für die Aufwartefrau geforderten 30 D M fallen an sich unter § 845. D a dieser Schaden aber gleichzeitig ein Vermögensschaden ist, der adäquat durch die Vertragsverletzung verursacht wurde, kann Nickel ihn auch unter dem Gesichtspunkt des Vertragsschadens geltend machen. „Bereits Anfang Januar hat der Beklagte dem Kläger erklärt, daß er wegen der Minderung nicht die volle Miete zahle. Sofort nach Zustellung der Klage hat er erklärt, daß er im übrigen mit seinen Schadenersatzforderungen aufrechne. Beweis: Parteivernehmung." Hat sich der Mietanspruch auf Grund des § 5 3 7 automatisch gemindert, so liegt kein Verzug gemäß § 3 M S c h G vor. Ebenso ist die A u f h e b u n g nicht mehr zulässig, wenn bis zum Ablauf eines Monats seit Klageerhebung der Mieter eine zulässige Aufrechnung erklärt, § 3 1 1 1 M S c h G . D e r Aufhebungsanspruch besteht sogar schon dann nicht, wenn der Verzug auf nicht fahrlässige Annahme eines Aufrechnungs- oder Minderungsrechts zurückzuführen ist § 3 1 1 M S c h G . Es gibt Mietvertragsformulare, in denen dem Mieter die Befugnis zur Minderung und Aufrechnung ganz entzogen wird. Eine solche Klausel kann sittenwidrig sein und wird in den Vorschlägen zu einem Deutschen Einheitsmietvertrag ausdrücklich mißbilligt. Vgl. Enneccerus-Lehmann § x 3 5 II. Es darf indes nicht verkannt werden, daß die Aufrechnung mit größeren Forderungen auf längere Zeiträume den Vermieter, der Hypothekenzinsen und Steuern laufend zahlen muß, in eine üble Lage bringen kann. Der Deutsche Einheitsmietvertrag (DJ 34, 304) läßt eine Aufrechnung oder Minderung nur zu, wenn der Mieter dies mindestens einen Monat vor der Fälligkeit des Mietzinses dem Vermieter angekündigt hat. § 28 MSchG bestimmt ähnlich bei einem vertraglichen Ausschluß der Aufrechnung, daß der Mieter gleichwohl aufrechnen kann, aber nur, wenn er dem Vermieter die Absicht der Aufrechnung mindestens einen Monat vor Fälligkeit des Mietzinses schriftlich angezeigt hat. Der Schriftsatz geht jetzt zu dem zweiten Kündigungsgrund über: „ 4. Aus der angeblichen Verletzung der Hausordnung kann der Kläger gleichfalls keinen Aufhebungsgrund herleiten. Es sind nur ein einziges Mal nach 12 Uhr mittags Teppiche geklopft worden, als die Aufwartefrau infolge häuslicher Verhinderung erst um 3 / 4 12 Uhr zur Arbeit kommen konnte. Die Badeeinrichtung hat der Beklagte im Dezember 1955 nicht öfter als 3- oder 4mal benutzt. Beweis: Die Ehefrau des Beklagten. Von erheblichen Belästigungen, wie sie § 2 MSchG voraussetzt, kann also nicht die Rede sein. Auch wird die dort vorgesehene Abmahnung des Vermieters bestritten." Nach § 2 M S c h G muß die Belästigung des Vermieters oder der Hausbewohner erheblich sein und der unangemessene Gebrauch den Mietraum erheblich gefährden. Angesichts der noch immer bestehenden Wohnungsnot muß ein strenger Maßstab angelegt werden. Die v o m Kläger gerügten Verletzungen der Hausordnung reichen nicht aus, 2umal sie nur im Dezember erfolgt sein sollen und neue spätere Verstöße v o m Kläger nicht behauptet werden. Der Aufhebungsanspruch aus § 2

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Sicherheitsarbeiten des Klägers

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MSchG ist daher schon auf Grund des eigenen Vorbringens des Klägers unbegründet, so daß sich eine Beweiserhebung über den Umfang der Verstöße erübrigt. „5. Wegen der durch die Aufrechnung nicht verbrauchten Gegenforderungen des Beklagten erhebe ich Widerklage mit dem Antrag: den Kläger und Widerbeklagten zur Zahlung von 62 D M (i. W.) nebst 4 % Zinsen seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu verurteilen. Weiß, R A . "

Vgl. § 1 5 " MSchG, der den § 33 ZPO einschränkt. R e p l i k des K l ä g e r s . „Antrag: I. zur Klage erbietet sich der Kläger gemäß § 7 1 } 1 1 ZPO, vor der Vollstreckung Sicherheit zu leisten. II. Zur Widerklage wird beantragt: die Widerklage abzuweisen, hilfsweise: dem Kläger und Widerbeklagten die Abwendung der Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung vorzubehalten."

Warum erbietet sich der Kläger zur Sicherheitsleistung hinsichtlich des Klageanspruchs, obwohl doch der Zahlungsanspruch ohne Sicherheit für vollstreckbar erklärt wird (oben S. 23)? Der Beklagte hatte Vollstreckungsnachlaß für sich beantragt. Gibt also das Gericht dem Zahlungsanspruch statt, so müßte zwar die vorläufige Vollstreckbarkeit ausgesprochen, dem Beklagten aber die Abwendung der Vollstreckung durch Sicherheit vorbehalten werden. Deshalb hat der Kläger durch sein Sicherheitsangebot dasjenige des Beklagten übertrumpft. Gemäß § 7 i j I r tenoriert man im Verurteilungsfalle: „Der Beklagte wird verurteilt Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von . . . . abzuwenden. Leistet der Kläger Sicherheit in Höhe von , so ist er trotz der vom Beklagten geleisteten Sicherheit zur Vollstreckung berechtigt."

Zur Sache trägt der Anwalt des Klägers vor: „Die Hausmeisterin Frau Gründel hat der Kläger alsbald nach der Herstellung des Hauses auf Grund der in der Anlage überreichten überaus lobenden Zeugnisse angestellt und sie hat sich während ihrer jahrelangen Tätigkeit beim Kläger niemals etwas zuschuldenkommen lassen. (wird näher dargelegt)."

Erheblich ist der hier von Kläger gemäß §831 B G B für seine diligentia in eligendo angetretene Entlastungsbeweis nur, soweit Nickel Ansprüche aus einer von der Hausmeisterin begangenen unerlaubten Handlung erhebt, nicht auch, soweit er eigenes Verschulden des Klägers behauptet (S. 25) oder seine Ansprüche aus Vertragshaftung herleitet (S. 24). „Die Kälte betrug am Abend des 3. Januar höchstens — 1 ° oder —2 0 , so daß mit einem Rohrbruch nicht zu rechnen war. Darum und nicht aus Nachlässigkeit hat Frau Gründe1 die Absperrung unterlassen. Beweis: ihr Zeugnis."

Liegt bei der Hausmeisterin keine Fahrlässigkeit vor, so kann der Kläger für ihr Verhalten auch nicht nach § 278 verantwortlich gemacht werden. Dagegen ist im Fall des § 831 das Verschulden des Angestellten unerheblich; es genügt, daß er den Schaden objektiv „widerrechtlich" zugefügt hat. Denn die Haftung nach

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Prozeßrichter des Amtsgerichts —- Geständnis und Nichtbestreiten

§ 831 findet ihren Rechtsgrund im Verschulden des Geschäftsherrn, welches den Gegenstand des v o n ihm zu führenden Entlastungsbeweises bildet (Abs. I S. 2). „Nach dem Rohrbruch hat der Kläger alles getan, um die Küche so schnell wie möglich wieder instandzusetzen. Beweis: Klempnermeister Giese." M i t diesem Vorbringen will der Kläger die Schadensersatzhaftung Verzuges mit der Mängelbeseitigung (S. 24 zu 3) abwenden.

wegen

„Dem Beklagten kann durch die zeitweise Unbenutzbarkeit der Küche kein Schaden entstanden sein, weil er bei seiner im Hause wohnenden Schwiegermutter mitgekocht und dadurch sogar noch Kohle bzw. Gas erspart hat. Beweis: verw. Frau Inspektor Maiss." Unerheblich, da Beklagter den Mietabzug nicht als Schadensersatz geltend macht, sondern auf den v o m Verschulden abstrahierenden § 537 gründet. „Schlimmstenfalls beträgt der Abzug für zeitweise Unbenutzbarkeit der Küche nicht mehr als 8 DM. Von der Gesamtmiete entfallen auf die Küche monatlich höchstens 15 DM. Beweis: Sachverständigen-Gutachten. Daß dem Beklagten durch die Überschwemmung der Küche Mehl verdorben sei, wird bestritten. Dagegen soll für diese Instanz nicht bestritten werden, daß die Frau des Beklagten sich eine Verbrühung an der Badeeinrichtung zugezogen hat und dem Beklagten dadurch die von ihm angegebenen Kosten entstanden sind." Zwischen bloßem Nichtbestreiten und einem Zugeständnis im technischen Sinne besteht ein wesentlicher Unterschied. D e r Widerruf eines Geständnisses ist nur wirksam, wenn die Partei beweist, daß es unrichtig (Umkehrung der Beweislast!) und daß es außerdem durch einen I r r t u m veranlaßt war (§ 290 Z P O ) , während bei nichtbestrittenen Behauptungen ( § 138 1 1 ) das Bestreiten jederzeit nachgeholt werden kann. I m Zweifel ist einfaches Nichtbestreiten anzunehmen. Zugestandene Tatsachen müssen — auch i m Urteilstatbestand — wegen der besonderen Rechtsfolgen des Geständnisses besonders gekennzeichnet werden. „Der Unfall ist aber ausschließlich auf die eigene Unvorsichtigkeit von Frau Nickel zurückzuführen, die an dem Hahn so lange gerissen und gerüttelt hat, bis er herausfiel. Hahn und Badeeinrichtung waren von ordnungsmäßiger Beschaffenheit. Im übrigen könnte der Beklagte, wenn selbst der behauptete Mangel beim Vertragsschluß vorhanden gewesen sein sollte, dieserhalb keine Ansprüche erheben, weil er die Wohnung vorher eingehend besichtigt hatte und die Schadhaftigkeit entweder erkannt oder infolge von grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat. Beweis: Gutachten des Giese" Kenntnis und g r o b fahrlässige Unkenntnis wirken auf die Mängelrechte des Mieters in gleicher Weise ein wie auf Gewährleistungsansprüche des Käufers. Hat also der Mieter oder Käufer den Mangel beim Vertragsschluß positiv gekannt, so verliert er alle Rechte. Das Gleiche gilt bei grob fahrlässiger Unkenntnis, hier jedoch mit der Ausnahme, daß der Vermieter (Verkäufer) eine Zusicherung abgegeben oder arglistig gehandelt hat. Erkennt der Mieter (Käufer) den Mangel erst bei Übernahme der Sache, so kann er sich seine Rechte noch durch Vorbehalt wahren; grobe Fahrlässigkeit bei der Übernahme hat keine nachteiligen Folgen. §§ 539» 460, 4 6 4 B G B . „Zum mindesten muß der Beklagte den Mangel bei früheren Benutzungen der Badeeinrichtung wahrgenommen haben. Beweis: Gutachten des Giese. Dann hat er aber die ihm gegenüber dem Kläger obliegende Anzeigepflicht verletzt. Eine Verpflichtung des Klägers zur regelmäßigen Kontrolle der Anlage bestand nicht, er durfte sich darauf verlassen, daß etwaige Mängel vom Mieter angezeigt werden würden."

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Verlust der Mängelrechte

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Schuldhafte Nichterfüllung der Anzeigepflicht (§ 545) macht den Mieter für den daraus entstehenden Schaden ersatzpflichtig. Außerdem entzieht sie ihm die sonst wegen dieses Mangels zustehenden Abzugs- und Schadensersatzansprüche insoweit, als der Vermieter wegen Unterlassung der Anzeige nicht früher Abhilfe schaffen konnte. Nur das Recht des Mieters, eine gesundheitsgefährliche Wohnung fristlos zu kündigen (§ 544), wird durch Verletzung der Anzeigepflicht nicht berührt. „ E s wird jedoch auf alles das nicht ankommen, weil der Beklagte unstreitig die Januar- und Februar-Miete nicht pünktlich bezahlt hat, womit nach § 5 M S c h G das Kündigungsrecht ohne weiteres gegeben ist, und weil erhebliche Verletzungen der Hausordnung im Sinne des § 2 MSchG vorliegen, der Beklagte auch wiederholt abgemahnt worden war. (folgen nähere Darlegungen)."

Vgl. dazu S. 22, 23, 26. „Überdies hat der Beklagte nach der Fälligkeit den Mietanspruch anerkannt und auf seine angeblichen Gegenforderungen bzw. die Aufrechnung mit ihnen verzichtet. A m 2. Februar 1956 fuhren nämlich die Parteien zusammen im Autobus. A l s der Kläger sich erkundigte, wie es dem Beklagten gehe, erwiderte dieser: ,Ach, Sie fragen wohl, weil ich die Miete noch nicht bezahlt habe ? Sie brauchen sich nicht zu ängstigen, bis morgen früh haben Sie Ihr Geld. Ich war bloß etwas knapp bei Kasse, weil ich durch den Unfall meiner Frau so viele Extraausgaben hatte.' Beweis: Musiklehrer Amadeus Gemoll in Köln, Rehdigerstraße 68. Für den Kläger: Schwarz, R A . "

Ein abstraktes Anerkenntnis der Mietschuld kann die Äußerung des Beklagten (auch abgesehen von dem nicht gewährten Erfordernis der Schriftform, § 781) nicht sein, weil Nickel sicherlich nicht die Absicht hatte, einen vom bisherigen Rechtsverhältnis losgelösten Verpflichtungsgrund zu schaffen. Dagegen würde sie sich als Aufrechnungsverzicht auffassen lassen, denn am 2. Februar war dem Beklagten der Sachverhalt, aus dem er sein Aufrechnungsrecht herleitet, sicherlich bekannt. Streitige Verhandlung. Schriftliche E n t s c h e i d u n g . Im Termin scheitert der Versuch einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits (§49 5 11 ZPO). Der Beklagte bestreitet die in der Replik aufgestellten Behauptungen des Klägers. „ D e r Kläger stellte den Antrag aus der Klageschrift und dem Schriftsatz vom 27. Februar 1956, der Beklagte den Antrag aus der Klagebeantwortung. Die Parteien verhandelten sodann zur Sache. Die Parteien erklärten sich mit schriftlicher Entscheidung einverstanden. Vorgelesen, genehmigt. Richter.

Urkrnd."

Mit Einverständnis beider Parteien kann das erstinstanzliche oder Berufungsgericht — in allen Verfahrensarten, auch im Eheprozeß, und unabhängig davon, ob schon einmal mündlich verhandelt worden war — ohne mündliche Verhandlung entscheiden. § 12811 Z P O . Von dieser Möglichkeit macht man teils in der Weise Gebrauch, daß überhaupt nicht mündlich verhandelt wird (z. B. in Punktensachen und sonstigen Prozessen mit unübersichtlichem Material, bei denen der nicht aus den Akten informierte Beisitzer dem Vortrag der Parteien nur schwer würde folgen können), teils wird, wie in unserem Fall, mündlich verhandelt und nur für die Entscheidung Schriftlichkeit vereinbart. Das zweite Verfahren ist deshalb nicht unbedenklich, weil es den §§ 300, 310 Z P O widerspricht, insbesondere den Richter von der Verpflichtung entbindet, ein Urteil binnen 1 Woche zu verkünden (Baumbach zu § 128, 4B).

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Schriftliche Entscheidung, Beweisbeschluß

Die Entscheidung, zu der das Gericht im schriftlichen Wege gelangt, kann ein Urteil, ein Beweisbeschluß, ein Auflage-Beschluß gemäß § 139 oder eine einfache Vertagung sein. Ist es ein Urteil, so bedarf es förmlicher Zustellung des Urteilstenors an beide Parteien (§ 510 11 ZPO). Diese Zustellung ersetzt aber bloß die Verkündung (§ 310 ZPO); um die Rechtsmittelfristen in Lauf zu setzen und die Grundlage für Vornahme von Vollstreckungshandlungen zu schaffen, ist außerdem noch Zustellung im Parteibetrieb erforderlich. Berufung kann vor der Parteizustellung (arg. § 516), jedoch nicht vor der die Verkündung ersetzenden Offizialzustellung eingelegt werden. RG DR 44/384. Bei Beweisbeschlüssen und sonstigen Entscheidungen genügt formlose Mitteilung an die Parteien, § 329 111 ZPO. B e w e i s b e s c h l u ß : Die Entscheidung über die aus § 3 MSchG schlüssige Aufhebungsklage, über den Zahlungsanspruch und die Widerklage hängt von der Berechtigung der Minderung und der Schadensersatzforderungen des Beklagten ab. Der auf § 2 MSchG gestützte Aufhebungsanspruch ist aus den oben S. 26 t. angegebenen Gründen nicht schlüssig. Hieraus ergibt sich der Umfang der erforderlichen Beweisaufnahme. Erfordert die Beweisaufnahme kein besonderes Verfahren — beispielsweise die Vorlegung von Urkunden oder Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen, die zur Stelle sind — , so bedarf es keines förmlichen Beweisbeschlusses (§ 358). In unserem Fall muß Beweisbeschluß ( § 3 5 9 ) erlassen werden. Die schriftliche Entscheidung, welche den Parteien übersandt wird, lautet demgemäß: „Beweisbeschluß in Sachen Noack gegen Nickel. I. Über nachstehende Fragen soll Beweis erhoben werden: 1. Hat der Beklagte am 2. Februar 1956 dem Kläger Zahlung der fälligen Miete zugesagt? 2. Herrschte am Abend des 3. Januar 1956 eine Kälte von —90 oder nur eine solche von —1° oder —2 0 ? Warum ist die Absperrung des Haupthahns der Wasserleitung an diesem Tag unterblieben? 3. Ist dem Beklagten durch Überschwemmung der Küche in der Nacht vom 3. zum 4. Januar 1956 ein Sack mit Weizenmehl im Wert von 40DM verdorben? 4. Wie hat sich der Unfall am 10. Januar 1956 zugetragen? Hat die Frau des Beklagten am Hahn der Wasserleitung gerüttelt und gerissen, bis er herausfiel ? Oder fiel der Hahn, als die Frau des Beklagten ein Bad zubereitete, ohne jeden äußeren Anlaß heraus? 5. Ist anzunehmen, daß der Hahn der Warmwasserleitung im Badezimmer des Beklagten schon am 1. Juli 1955 morsch und defekt w a r ? 6. Ist anzunehmen, daß der Beklagte die mangelhafte Beschaffenheit des Hahnes der Warmwasserleitung im Badezimmer seiner Wohnung am 1. Juli 1955 auf Grund der vorausgegangenen Besichtigung hätte erkennen müssen und daß er sie infolge von grober Fahrlässigkeit nicht erkannte ? Wäre der Beklagte in der Lage gewesen, sie bei der Benutzung der Badeeinrichtung vor dem 10. Januar 1956 zu erkennen? durch a) b) c)

Vernehmung des Musiklehrers Amadeas Gemoll in Köln, Rehdigerstr. 68, zu 1 der Hausmeisterin Frau Gründel in Köln, Annostr. 15 zu 2 der Ehefrau des Beklagten, bei diesem zu laden, zu 3 und 4 als Zeugen, zu a) und b) vom Kläger, zu c) vom Beklagten benannt, d) des Klempnermeisters Giese, Köln, Lewaldstr. 44, als sachverständigen Zeugen zu 5 vom Beklagten benannt und als Sachverständigen zu 6, vom Kläger benannt.

Der Beweisbeschluß soll nach § 359 das B e w e i s t h e m a , das B e w e i s m i t t e l und den B e w e i s f ü h r e r (d. i. die Partei, die sich auf das Beweismittel bezogen hat) angeben. Letzteres ist wichtig wegen des Vorschußpflicht (unten zu II) und der Möglichkeit eines Verzichts auf das Beweismittel (vgl. §§ 399, 436 ZPO). Dagegen erübrigt sich eine Angabe darüber, wer die Behauptung aufgestellt hat (in der Praxis

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Parteivernehmung

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üblich: „ E s soll Beweis erhoben werden über die Behauptung des Klägers . . . des Beklagten . . ."). Darin könnte eine Beeinflussung der Zeugen liegen. „ I I . D i e L a d u n g der Zeugen wird davon abhängig gemacht, daß der Kläger für die zu Ia) und b), der Beklagte für die zu I c ) und d) genannten Zeugen einen Auslagenvorschuß von 5 D M für jeden Zeugen bis zum 1 5 . März 1956 hinterlegt oder eine schriftliche Verzichtserklärung des Zeugen auf Entschädigung beibringt. Die Ladung des Sachverständigen wird davon abhängig gemacht, daß in der gleichen Frist der Kläger einen Vorschuß von 20 D M hinterlegt."

Vgl. §§ 379, 402. Bei auswärtigen Beweisaufnahmen ist der Abgang des Ersuchungsschreibens (§ 362 1 ZPO) vom Auslagenvorschuß bzw. der Verzichtserklärung abhängig zu machen. „ I I I . Termin zur Beweisaufnahme und weiteren mündlichen Verhandlung wird auf 26. M ä r z 1 9 5 6 v o r m i t t a g s 1 1 U h r bestimmt.

den

Köln, den 5. März 1956. Amtsgericht Richter."

Zu den beweisbedürftigen Punkten gehört an sich auch die unter den Parteien streitige Frage, ob der angemessene Mietsabzug wegen zeitweiliger Unbenutzbarkeit der Küche 12 oder bloß 8 D M beträgt. § 287 11 gestattet aber dem Gericht, unter Würdigung aller Umstände nach freier Uberzeugung und ohne Schätzungseid (Satz 3, 4 des I. Absatzes sind in Abs. II nicht mit zitiert 1) zu entscheiden, falls die vollständige Aufklärung aller maßgebenden Umstände „mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen". Die durch den angebotenen Sachverständigenbeweis entstehenden Kosten sind eine solche Schwierigkeit, deshalb hat der Richter von seiner Erhebung abgesehen. Minima non curat praetor! In Höhe der 8 DM, die der Kläger selbst als richtige Mietminderung bezeichnet, steht das Abzugsrecht des Beklagten schon jetzt fest, so daß insoweit Teilurteil hätte ergehen können (§ 301 1 ). Bei der Geringfügigkeit der Summe hat der Richter kein Teilurteil erlassen (§ 301 n ). Nur im Fall des Teil-Anerkenntnisses darf der Erlaß des Teilurteils (als Teil-Anerkenntnisurteil) nicht abgelehnt werden (§ 307). Übrigens ist das Gericht an die im Beweisbeschluß niedergelegte Rechtsansicht nicht gebunden. Gelangt der Richter bei nochmaliger Überlegung — oder sein Nachfolger im Dezernat — zu einer anderen Auffassung der tatsächlichen oder Rechtsfragen, so hat er, unbehindert durch den Beweisbeschluß, seiner letzten Überzeugung zu folgen (arg. §318). Parteivernehmung. Beweislast für Stundung A n t r a g auf P a r t e i v e r n e h m u n g . Schneidermeister Nadel klagt gegen den Zahnarzt Kiefer in Köln-Ehrenfeld auf Bezahlung eines Frackanzuges. Kiefer läßt durch R A Weiß Klageabweisung beantragen: „ 1 . Bei der Bestellung A n f a n g Januar d. J . erklärte der Beklagte dem Kläger sofort, daß er nicht bald bezahlen könne. E r heiratete im April und erhalte im Mai, spätestens Juni von seinem künftigen Schwiegervater zur Erweiterung seines Betriebes 3000 D M , aus denen er auch den A n z u g bezahlen wolle. D e r Kläger sagte: ,Das tut nichts, Herr Kiefer, Sie sind mir gut.' Hierüber beantrage ich, vorbehaltlich der Geltendmachung anderer Beweismittel und unter Protest gegen die Beweislast, die Parteivernehmung des Klägers. 2. D e r A n z u g ist vollkommen unbrauchbar. (folgen nähere Darlegungen unter Angabe v o n Beweismitteln). F ü r den Beklagten: Weiß, R A . "

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Beweislast

Die beiden vom Beklagten bei dem Antrag auf Parteivernehmung gemachten Vorbehalte sind überflüssige Formeln. Die Parteivernehmung ist letztes und schwächstes Beweismittel. Gemäß § 445 ZPO kann daher nur eine Partei sie beantragen, „die den ihr obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat". Eine Parteivernehmung von Amts wegen ohne Rücksicht auf die Beweislast ist gemäß § 448 nur zulässig, „wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um das Gericht von der Wahrheit der zu beweisenden Tatsache zu überzeugen", also nur wenn bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptung besteht. Selbst ein die Parteivernehmung anordnender Beschluß kann noch ausgesetzt werden, wenn später neue Beweismittel über die zu beweisende Tatsache vorgebracht werden, §45011. Mit der Parteivernehmung von A m t s wegen (§ 448) ist nicht die Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei zur Aufklärung des Sachverhalts gemäß § 1 4 1 zu verwechseln. Sie dient der Vervollständigung des Parteivortrags auf Grund des § 1 3 9 und ist keine Beweisaufnahme über strittige Tatsachen. R G 1 4 9 , 6 3 . Sie kann erzwungen werden (§ 1 4 1 1 1 1 ) , die Parteivernehmung nicht.

Der Referendar: Ich sehe nicht ein, warum der Beklagte die Vernehmung des Klägers beantragt hat. Den Beklagten trifft zwar die Beweislast, wenn er gegenüber einer Vertragsurkunde, in welcher über die Fälligkeit nichts gesagt wird, Stundung behauptet, oder wenn er eine erst nachträglich vereinbarte Stundung geltend macht. Im ersten Fall spricht gegen sein Vorbringen die Vermutung, daß jede Vertragsurkunde den Inhalt der Abmachungen vollständig und richtig wiedergibt; im zweiten handelt es sich um eine Abänderung des zunächst ohne Stundung abgeschlossenen Geschäfts und es ist feststehender Grundsatz, daß Abänderungen von der Partei zu beweisen sind, die sie behauptet. In unserer Sache soll aber die Stundung von Anfang an ausbedungen gewesen sein, und ein Schriftstück kann Nadel nicht vorlegen. Wenn der Beklagte den vom Kläger behaupteten Werklieferungsvertrag nur mit der Nebenabrede der Stundung gelten lassen will, so bedeutet das rechtlich kein Geständnis der Klagebehauptung unter Hinzufügung einer selbständigen Einrede, sondern der Beklagte gibt ein anderes Geschäft zu, als der Kläger behauptet. Er leugnet in substantiierter Weise den Klagegrund. Folglich muß der Kläger beweisen, daß der Vertrag so, wie er ihn behauptet, geschlossen worden ist und muß die Stundung widerlegen. Daß diese, von Stölzel aufgestellte Ansicht dem Gesetz entspricht, wird durch die Fassung des § 271 B G B bekräftigt. Denn indem das B G B dem Gläubiger ein Recht auf sofortige Fälligkeit gewährt, falls „eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen" ist, belastet es ihn mit der Verpflichtung, die Voraussetzung, daß keine Leistungszeit vereinbart war, zu beweisen. R G 68, 305. Der Richter: Im Prinzip erkenne ich die Stölzel sehe Theorie vom motivierten Bestreiten als richtig an. Der Satz: negativa non sunt probanda hat keine allgemeine Gültigkeit, z. B. muß bei Bereicherungsansprüchen der Kläger dartun, daß die Vermögensverschiebung „ohne rechtlichen Grund" erfolgt war, d. h. er muß alle vom Beklagten verteidigungsweise vorgebrachten Rechtsgründe widerlegen. Richtig ist auch, daß der Beklagte substantiiert zu bestreiten hat, dafür aber beim substantiierten Bestreiten hinsichtlich der Beweislast nicht schlechter behandelt werden darf, als wenn er generell bestritten hätte. Insbesondere macht es keinen Unterschied, ob die vom Beklagten vorgetragene weitere Abrede zu den essentialia oder accidentalia negotii zählt. Macht also z. B. der Beklagte geltend, die Ware vom Kläger nicht fest gekauft, sondern „in Kommission" genommen, d. h. unter der

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Beweislast

Bedingung des Weiterverkaufs gekauft zu haben, so sind das v o m Kläger behauptete und das v o m Beklagten zugestandene Geschäft nicht identisch und der Kläger muß die Kommissionsklausel widerlegen. Ebenso wenn der Kläger den angemessenen Preis fordert, der Beklagte Vereinbarung eines niedrigeren Preises behauptet. E s gibt aber eine Grenze. Verteidigt sich der Beklagte damit, daß der Kläger ihm eine Garantie geleistet habe, die nicht erfüllt sei, daß die Verjährungsfrist abgekürzt worden, daß ihm ein Wiederverkaufsrecht eingeräumt worden sei, so wäre es unbillig dem Kläger die Widerlegung solch ungewöhnlicher Modalitäten des V e r tragsschlusses aufzubürden. A u c h § 2 7 1 spricht nicht für, sondern gegen die Beweislast des Klägers. Sein Inhalt geht dahin, daß die sofortige Fälligkeit als Dispositivnorm die Regel bildet; unmöglich kann man der Partei, welche sich auf den Regelfall beruft, zumuten, zunächst alle Ausnahmemöglichkeiten zu entkräften. Bei dem sprachlich ganz ähnlich gefaßten § 269 fällt es niemand ein, in solcher Weise den Sinn des Gesetzes in sein Gegenteil zu verkehren. Überhaupt sollte man Beweislastprobleme weniger nach abstrakt-logischen oder grammatikalischen Gesichtspunkten entscheiden, als vielmehr nach Billigkeit. W e m nach Lage der Sache die Beweisführung am ehesten zuzumuten ist, der hat die Beweislast. K a u m eine andere E i n wendung wird so oft zu Unrecht und lediglich zur Prozeßverschleppung vorgebracht, wie gerade der Stundungseinwand. Wie hier Enneccerus-Lehmann § 24 1 A n m . 1. G e s e t z l i c h e R e g e l u n g d e r B e w e i s l a s t : Wie wir durch Planck (Einl. zum Allg. Teil) und aus den Protokollen der II. Kommission (Bd. 6 S. 384) wissen, wollten die Redaktoren des BGB durch die Fassung der negativen Bedingungssätze die Beweislastverteilung ausdrücken: a) „Wenn nicht" = „es sei denn daß": der Inhalt des Konditionalsatzes ist Ausnahme. Beispiel § 477 1 S. 1: die Arglist muß Gegner beweisen, b) „Wenn . . . nicht": die Negation gehört zum Prädikat, ist also keine Ausnahme. Beispiel: § 151 S. 1. c).„wenn er (sie.es) nicht" = „es sei denn daß": die Trennung von „wenn" und „nicht" durch das persönliche Fürwort ist nach den Regeln der deutschen Sprache unvermeidlich, daher ohne Einfluß auf die Beweislast. Beispiel § 485 S. 1: die Absendung der Anzeige ist Ausnahme. — Wie oben an §§ 269, 271 gezeigt, sind die Planckschen Regeln mit Vorsicht anzuwenden. Expressis verbis bestimmt das BGB die Beweislast z.B. in §§282, 345> 358> 363, 2336 1 1 1 . Ferner durch Aufstellung von „Vermutungen", die gemäß § 292 Z P O widerlegt werden können (z.B. §§484, 1591 1 1 S. 1, 1720 11 , 2255 1 1 BGB). Auch darin, daß die Rechtssätze nach dem Verhältnis von Regel und Ausnahme aufgebaut werden, kommt die Beweislast zum Ausdruck. Wer sich auf die Regel beruft, hat keinen besonderen Beweis nötig; wer die Ausnahme für sich in Anspruch nimmt, muß ihre Voraussetzungen dartun. So leitet z. B. § 104 die Lehre von der „Geschäftsfähigkeit" damit ein, daß die Fälle der Geschäftsunfähigkeit aufgezählt werden. Damit ist die volle Geschäftsfähigkeit als Normalfall anerkannt, was sich mit der allgemeinen Ansicht deckt, daß Mängel der Geschäftsfähigkeit besonders zu behaupten und zu beweisen sind. Die gleiche Bedeutung hat die Wendung „es sei denn daß". Vgl. z. B. § 93 2 1 S. 1: der böse Glaube bildet die Ausnahme und muß bewiesen werden. Für den Stölzelschen Fall Knod gegen Brede (Streit, ob angemessener oder vereinbarter Preis) erklärt R G 57, 46 den Kläger für beweispflichtig. Behauptet aber der Darlehnsschuldner eine von § 609 BGB abweichende Hinausschiebung der Fälligkeit, so muß er beweisen (RG 57, 46). Macht der auf Erfüllung des Kaufvertrags belangte Verkäufer ein angeblich vereinbartes Wiederkaufrecht geltend, so legt ihm R G 107, 405 die Beweislast auf. P r i m a f a c i e - B e w e i s (Beweis des ersten Anscheins): Bei sog. typischen Geschehensabläufen, d. h. in Fällen, in denen ein gewisser Tatbestand vorgetragen wird, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist, braucht der Beweispflichtige nur den normalen Tatbestand, der die Ursache wahrscheinlich macht, nachzuweisen. Es ist Sache des Gegners, die ernsthafte Möglichkeit eines anomalen Verlaufs darzutun. Erschüttert er allerdings durch seine Darlegung die Möglichkeit des Normalverlaufs, so trifft nunmehr den gesetzlich Beweispflichtigen die volle Beweislast. Es handelt sich daher beim Anscheins-Beweis nicht um eine Umkehr der Beweislast, sondern um eine Erleichterung in der Beweisführung. Der Anscheinsbeweis hat eine große Bedeutung beim Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs und des Verschuldens. Fährt z. B. ein Kraftwagen Lux, Schulung, 4. Aufl. (Berg)

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Beweislast

auf den Bürgersteig, so spricht der erste Anschein für Verschulden des Fahrers oder Versagen der Lenkvorrichtung. R G JW 33, 2393. Bei einem Blutalkoholgehalt von 1,5°/ 00 ist anzunehmen, daß ein Unfall auf der Bewußtseinsstörung beruht, B G H 18/311. Dagegen spricht keine allgemeine Vermutung für ein Verschulden des Arztes, wenn das Leiden des Patienten sich verschlimmert, R G J W 38, 2152. Vgl. auch R G 159, 289; 165, 339; B G H in N J W 52/217 mit weiteren Hinweisen. Eine echte Umkehr der Beweislast wird angenommen, wenn der Gegner schuldhafterweise dem Beweispflichtigen die Führung des Beweises unmöglich macht oder erheblich erschwert, z. B. durch Vernichtung von Beweisstücken. R G 105, 259; R G HRR 32, 1 8 1 ; OGHBrZ N J W 49, 146. Von einer Umkehr der Beweislast uz sprechen, erscheint jedoch nicht angebracht. „Denn niemand braucht für seinen Gegner einen Beweis zu führen", Baumbach, Anh. § 282, 3 D. Die „Umkehr der Beweislast" ergibt sich aus der Verletzung der durch das Prozeßrechtsverhältnis begründeten Förderungspflicht, vgl. JW 34, 3299. D e r Referendar: Kann die Beweislastfrage, nachdem eine der Parteien vernommen ist, noch aufgerollt werden? D e r Richter: Grundsätzlich interessiert die Beweislast nicht mehr, wenn durch eine Beweisaufnahme das Beweisthema für das Gericht geklärt ist. Dabei ist gleichgültig, ob die v o n einer nicht beweispflichtigen Partei benannten Zeugen das Beweisthema bestätigt haben. Zeugen sind dritte Personen, die über die durch sie unter Beweis gestellten Fragen objektiv auszusagen haben. Sie haben nicht etwa nur die Behauptungen d e r Partei, die sie benannt hat, zu bestätigen. Bei der Parteivernehmung aber ist es anders. Der Interessenkonflikt, in den die beweispflichtige Partei kommt, wenn sie über ihre eigene Behauptung aussagen soll, hat den Gesetzgeber veranlaßt, nur die Vernehmung des Gegners zuzulassen (§ 445), und die eigene Vernehmung nur dann, wenn der Gegner einverstanden ist (§ 447) oder wenn das Gericht sie v o n A m t s wegen anordnet unter der Voraussetzung, daß bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptung besteht (§ 448). Sind diese Bestimmungen außer acht gelassen, so ist die Vernehmung der beweispflichtigen Partei immer verdächtig, mag ihre Aussage auch im einzelnen Falle glaubhaft sein. Die Beweislastfrage spielt daher auch nach der Parteivernehmung noch eine Rolle. Ihre Nichtbeachtung ist ein Revisionsgrund. Baumbach, zu § 445, 2 C. D o c h wird diese Frage praktisch meist nicht bedeutsam, da ein vorsichtiger Richter in Zweifelsfällen entweder das Einverständnis des Gegners einholt (§ 447) oder die Vernehmung von A m t s wegen gemäß § 448 anordnet. Abgesehen von § 445 spielt die Beweispflicht in der Praxis nicht eine so große Rolle, wie man annehmen könnte. Das gilt selbst dann, wenn noch keine Beweisaufnahme durchgeführt ist. Sind, wie es fast immer geschieht, Zeugen von beiden Seiten benannt, so sind die Beweise beider zu erheben: der des Beweispflichtigen als „Hauptbeweis", der des Nicht-Beweispflichtigen als „Gegenbeweis". Welches der Haupt- und welches der Gegenbeweis ist, braucht der Richter vorläufig nicht zu entscheiden, da ja der Beweisbeschluß die Partei, die sich auf das Beweismittel berufen hat, lediglich als „Beweisführer" angibt (S. 30). Hinzukommt, daß das Gericht auch ohne Beweisantritt weitgehend den Sachverhalt von sich aufklären kann, z. B. durch Vernehmung von Sachverständigen, Augenscheinseinnahme, Anfordern von Urkunden und Akten, Anordnung der richterlichen Parteivernehmung (§§ 142, 143, 144, 272b 2 , 448 ZPO). Zur Frage der Beweislast wird in den meisten Fällen erst praktisch, wenn der Beweis nicht erbracht ist, da die Folgen der Beweislosigkeit den Beweispflichtigen treffen. Vgl. auch Baumbach, Anh. zu § 282, 1 A. B e w e i s b e s c h l u ß ü b e r P a r t e i v e r n e h m u n g : I m Termin beruft sich R A Weiß zum Beweis, daß dem Beklagten Stundung bewilligt worden sei, auf den Lehrling Appel beim Kläger. Appel ist alsbald zur Stelle und sagt bei seiner V e r nehmung aus: „Ich war anfangs zugegen, als die Parteien über die Bestellung des Anzugs verhandelten. Der Beklagte sagt, daß er nicht sofort bezahlen könne, er heirate im April und erhalte im Mai, spätestens Juni, von seinem künftigen Schwiegervater mehrere Tausend Mark, dann würde er den Anzug bezahlen. Der Kläger erwiderte, daß er bei der großen Kapitalknappheit keinen

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Prozeßrichter des Amtsgerichts •— Parteivernehmung

Kredit mehr gewähren könne. Der Beklagte blieb dabei, daß er Zeit haben müsse. Ich mußte dann einen Anzug abtragen gehen und habe das Weitere nicht mehr gehört. Als ich wegging, sprachen die Parteien immer noch über die Bezahlung. v. g."

Angesichts dieser Aussage besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Behauptung des Beklagten. Das Gericht ordnet daher durch Beweisbeschluß (§450) von Amts wegen die Vernehmung des Beklagten an. „Es wurde der Beweisbeschluß verkündet: 1. Es soll Beweis erhoben werden über folgende Fragen: 1. Hat der Kläger dem Beklagten bei Vertragsschluß Stundung bis spätestens Juni d. J. gewährt ? 2. Ist der vom Kläger dem Beklagten gelieferte Frackanzug vollkommen unbrauchbar, insbesondere sind . . . (folgt Aufführung der vom Beklagten im einzelnen gerügten Mängel) ? durch Vernehmung des Beklagten als Partei gemäß § 448 ZPO zu 1., durch Vernehmung eines Sachverständigen, um dessen Benennung die Handwerkskammer in Köln ersucht werden soll, zu 2. II. Die Ladung des Sachverständigen wird davon abhängig gemacht, daß der Beklagte bis zum 31. März 1956 einen Auslagenvorschuß von 20 DM bei der Gerichtskasse einzahlt. III. Termin zur Vernehmung des Beklagten und zur weiteren mündlichen Verhandlung wird auf den 27. März 1956, vormittags io 3 / 4 Uhr bestimmt. Zu diesem Termin ist der Beklagte unter Mitteilung des Beweisbeschlusses persönlich durch Zustellung von Amts wegen zu laden."

Vgl. § 45 o 1 ZPO. Im Interesse der Prozeßbeschleunigung hat das Gericht sofort Beweis über die behaupteten Mängel miterhoben, obwohl die Klage abgewiesen werden muß, wenn die deraeitige Nichtfälligkeit der Forderung bewiesen wird. Es hat jedoch den Termin zur Einzahlung des Auslagenvorschusses nach dem Vernehmungstermin gelegt. Wird am 27. März die Stundung bewiesen, so kann das Gericht ohne weiteres den überflüssig gewordenen Teil des Beweisbeschlusses aufheben. § 360 ZPO steht dem nicht entgegen, da er nicht die Aufhebung des Beweisbeschlusses betrifft, sondern nur seine Änderung, d. h. seine Erfüllung mit anderem Inhalt. Vgl. RG 150, 330, 336 und unten S. 83 und 121. A u s b l e i b e n der zu v e r n e h m e n d e n P a r t e i . Im Termin vom 27. März erscheinen nur: „1. der Kläger in Person, 2. für den Beklagten R A Weiß. Der Beklagte ist trotz zugestellter Ladung nicht erschienen. RA Weiß erklärte, über den Grund des Nichterscheinens nicht unterrichtet zu sein und beantragte neuen Vernehmungstermin. Der Kläger widersprach dem Antrag."

Der Referendar: Da eine Entschuldigung für das Ausbleiben nicht vorliegt, wird man wohl die Stundung als nicht bewiesen ansehen. Es kommt nunmehr auf den Eingang des Auslagenvorschusses und das Ergebnis des Sachverständigengutachtens an. Der Richter: Ich gebe zu, daß man hier die Aussage als verweigert ansehen kann (§ 45 41)- Das bedeutet, daß unter Berücksichtigung der gesamten Sachlage nach freier Überzeugung die Stundung als nicht bewiesen gelten kann (§§ 453 n , 446). Eine endgültige Entscheidung läßt sich aber noch nicht treffen, da der Beklagte bis zum Erlaß des Urteils die Möglichkeit hat, sich zu entschuldigen und zur Aussage bereitzuerklären. Eine Ungehorsamsfolge sieht § 454 nicht vor (Baumbach, zu § 454, 1 B). Immerhin halte ich die Anberaumung eines neuen Vernehmungstermins für nicht geboten. Es ist daher „zur Hauptsache zu verhandeln". § 45 411. Das bedeutet 3*

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Unterhaltsprozeß

im vorliegenden Falle, daß der Beweisbeschluß bezüglich der Mängelfrage durchzuführen ist. E s bleibt daher nichts anderes übrig, als den Eingang des Auslagenvorschusses abzuwarten, um dann entweder die Ladung des Sachverständigen zu verfügen oder den Beklagten mit diesem Beweismittel gemäß § 283 Z P O zurückzuweisen (Baumbach, zu § 379, 2). Ich will kurzfristig die Sache auf einen Termin nach dem 31. März vertagen. Inzwischen wird wohl auch der von der Handwerkskammer angeforderte Vorschlag eines Sachverständigen beantwortet sein. „Es wurde der Beschluß verkündet: Der Antrag auf Anberaumung eines neuen Vernehmungstermins wird abgelehnt. Die Parteien verhandelten darauf weiter zur Hauptsache und erklärten sich mit einer kurzfristigen Vertagung nach dem 31. März 1956 einverstanden. b. u. v. Die Sache wird auf den 5. April 1956 vertagt."

Urteil in einer Unterhaltssache „Geschäftsnummer: 21 C 1632/56. Verkündet am 1. Februar 1956. Urkund als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle. Im Namen des V o l k e s ! In Sachen 1) der Frau Zigarrenhändler Natalie Bredow geb. Marquardt in Köln, Elsaßstr. 54 2) der am 28. Oktober 1944 geborenen Liselotte Bredow, vertreten durch ihren Pfleger, Malermeister Anselm Kunst in Köln, Tulpenstr. 38, Kläger, Prozeßbevollmächtigter zu 1 und 2: RA Schwarz in Köln, gegen den Zigarrenhändler Hans Jochen Bredow in Köln, Riehlerstr. 17 Beklagten, Prozeßbevollmächtigter: RA. Weiß in Köln, wegen Unterhalts hat das Amtsgericht in Köln auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 1956 durch den Amtsgerichtsrat Richter für Recht erkannt: 1. Der Beklagte wird verurteilt: a) der Klägerin zu 1. vom 21. November 1955 an eine Unterhaltsrente von monatlich 180 DM (i. W.), b) der Klägerin zu 2. zu Händen ihres Pflegers vom 21. November 1955 an eine Unterhaltsrente von monatlich 40 DM (i. W.) zu zahlen, und zwar die rückständigen Beträge sofort, die laufenden Beträge jeweils am 1. eines Monats im voraus, c) der Klägerin zu 1 einen Kleiderschrank, einen Eßtisch, 2 Stühle und ein Sofa herauszugeben. 2. Mit dem Anspruch auf Unterhalt vom 1. Oktober bis 20. November 1955 werden die Klägerinnen abgewiesen. 3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. 4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2000 DM (i. W.) abzuwenden." Nach Eintritt der Gleichberechtigung wird das Kind nicht mehr allein durch den Vater gesetzlich vertreten (§ 1630 1 ), sondern durch beide Elternteile gemeinschaftlich (Palandt vor § 1627). E s wird daher die Meinung vertreten, daß nunmehr die Mutter allein zur Vertretung befugt sei, wenn das Kind einen Unterhaltsanspruch gegen den Vater geltend machen will und daß es der besonderen Stellung eines Pflegers nicht bedürfe (so L G Duisburg F a m R Z 56/20). Diese Auffassung läßt sich

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jedoch in der Regel nur rechtfertigen, wenn die Eltern g e s c h i e d e n sind. V g l . B G H N J W 55/217 und Schwoerer N J W 55/534. Während Bestehens der E h e ist die Mutter entsprechend § 1 7 9 5 1 Ziff. 3 an der Vertretung verhindert. V g l . Schwoerer a. a. O. und F a m R Z 56/20. Daher war die Vertretung des Kindes durch einen Pfleger geboten. „Tatbestand. Die Klägerin zu I. und der Beklagte sind Eheleute, die Klägerin zu 2. das einzige Kind aus dieser Ehe. Anfang 195} erfuhr die Klägerin zu 1, daß der Beklagte ein Liebesverhältnis mit der Kellnerin Engelmayer unterhielt. Sie verließ darauf unter Mitnahme der Klägerin zu 2 die Ehewohnung und wohnt seitdem möbliert. Am 3. November 1954 kamen die Klägerin zu 1 und der Beklagte zu einer Aussprache zusammen. Man war sich darüber einig, daß sie gegen ihren Mann Scheidungsgründe habe, nicht aber umgekehrt. Der Beklagte wünschte die Scheidung. Die Klägerin sträubte sich zunächst und verlangte Wiederherstellung der häuslichen Gemeinschaft, doch erklärte ihr der Beklagte, er wolle niemals wieder mit ihr zusammen leben, und wenn sie sich der Scheidung widersetze, würde sie im Bösen überhaupt keinen Unterhalt von ihm bekommen. Darauf gab die Klägerin nach und es wurde folgender vom Beklagten entworfener Vertrag geschlossen und von beiden Eheleuten unterschrieben: Die Eheleute Bredow vereinbaren hierdurch, daß die eheliche Gemeinschaft ab heute aufgelöst wird. Frau Bredow wird innerhalb 6 Monaten die Scheidungsklage erheben und auf ehewidrige Beziehungen zu Fräulein Amanda Engelmayer stützen. Herr Bredow wird gegen die Scheidung keinen Widerspruch erheben. Sowohl für die Dauer des Getrenntlebens wie nach vollzogener Scheidung zahlt Herr Bredow an Frau Bredow als Unterhalt monatlich 130 D M (i. W.), und zwar ohne Rücksicht darauf, wer bei der Scheidung für schuldig erklärt wird und ob Herr Bredow infolge Wiederverheiratung und mit Rücksicht auf die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Kindern gesetzlich seiner jetzigen Frau nur zu einem geringeren Betrage verpflichtet sein würde. Auf Mehrforderungen verzichtet Frau Bredow unwiderruflich. Den Unterhalt für das Kind zahlt Herr Bredow außerdem in angemessener Höhe. Sollte Frau Bredow Strafanzeige gegen ihren Mann erstatten, so verliert sie jeden Unterhaltsanspruch. Der letzte Satz bezog sich darauf, daß der Beklagte befürchtete, wegen Steuerhinterziehung denunziert zu werden. Die Klägerin zu 1. hat die Scheidungsklage nicht erhoben. Der Beklagte hat bis Ende September 1955 die vereinbarten 130 D M monatlich sowie 40 DM als monatlichen Unterhalt für die Klägerin zu 2 gezahlt. Seither hat er die Zahlungen eingestellt. Im September 1955 war nämlich auf die Anzeige eines gewissen Gran^pw gegen den Beklagten in den Akten 7 J s 1049/55 der hiesigen Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet worden, das mit der Einstellung geendet hat. Mit dem 21. November 1955 zugestellten Klage beantragen die Klägerinnen: den Beklagten zu verurteilen: a) der Klägerin zu 1. vom 1. Oktober 1955 an eine Unterhaltsrente von monatlich 180 DM, b) der Klägerin zu 2. vom 1. Oktober 1955 an eine Unterhaltsrente von monatlich 40 D M zu zahlen, und zwar die rückständigen Beträge sofort, die laufenden Beträge jeweils am 1. eines Montas im voraus. c) der Klägerin zu 1. einen Kleiderschrank, einen Eßtisch, 2 Stühle und 1 Sofa herauszugeben. Den Anspruch zu a stützt Frau Bredow auf die gesetzliche Unterhaltspflicht des Beklagten, in Höhe von 130 D M auch auf das Abkommen vom 3. November 1954. Sie trägt vor, zum Getrenntleben berechtigt zu sein, da der Beklagte bis in die neueste Zeit mit Amanda Engelmayer Ehebruch getrieben habe. Die letzte Behauptung hat der Beklagte, nachdem die Engelmayer als Zeugin vernommen worden ist, nicht mehr bestritten." Das Urteil gibt den Sach- und Streitstand zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung wieder. E i n Beweisbeschluß und eine Beweisaufnahme über eine

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Tatsache, die zu diesem Zeitpunkt unstreitig geworden ist, ist daher nur noch insoweit kurz zu erwähnen, als es für die Kosten des Rechtsstreits von Bedeutung ist (obenS. 5). Ebensowenig interessieren in der Regel Daten aus der Prozeßgeschichte. Sie belasten den Tatbestand unnötig und lenken die Aufmerksamkeit des Lesers nur ab. Wenn oben das Datum der Klagzustellung erwähnt wird, so deshalb, weil die Rechtshängigkeit hier für die Unterhaltsforderung infolge des § 1 6 1 3 1 1 von Bedeutung ist (S. 42). V g l . Berg, Gutachten und Urteil, 1 0 . — 1 3 . Auflage 1955, S. 1 1 5 fr., insbes. S. 1 1 7 . „Die Klägerin zu 1. nimmt als standesmäßigen Unterhalt monatlich 180 DM, die Klägerin zu 2 monatlich 40 DM in Anspruch, indem sie behaupten, der Beklagte habe ein Jahreseinkommen von mindestens 10000 DM (Beweis: Parteivernehmung). Die Sachen zu c) des Klageantrags verlangt die Klägerin, weil sie ihr Eigentum seien und sie ihrer zur Führung eines abgesonderten Hausstandes benötige. Auf den die Eigentumsfrage behandelnden Schriftsatz der Klägerin vom 9. Dezember 1955 wird Bezug genommen." V o n der durch § 3 1 3 1 1 S. 1 Z P O gestatteten Verweisung auf Schriftsätze und Protokolle soll das Gericht vorsichtigen Gebrauch machen, damit das Urteil ohne Nachlesen der Akten verständlich bleibt. A u f die Eigentumsverhältnisse am Mobiliar kommt es aber, wie wir alsbald sehen werden, überhaupt nicht an. Deshalb hat der Tatbestand zu diesem Punkte lediglich auf die umfangreichen Anführungen der Parteien Bezug genommen. „Der Beklagte beantragt: die Klage abzuweisen, für den Fall der Verurteilung: ihm die Abwendung der Zahlungsvollstreckung durch Sicherheitsleistung vorzubehalten. Er macht geltend, daß er nach dem Vertrag vom 3. November 1954 von der Unterhaltspflicht gegenüber seiner Frau frei sei, weil Gran^ow die Strafanzeige auf ihr Betreiben eingereicht habe. Außerdem habe sie im Jahre 1955 mit dem inzwischen verstorbenen Dekorateur Polster Ehebruch begangen. Auch mit anderen, nicht namentlich benannten Männern habe sie mehrfach Ehebruch begangen. Hierüber beantragt er Parteivernehmung der Beklagten." Nicht, wie manchmal gesagt wird: er „beantrage" Parteivernehmung. Der Antrag auf Parteivernehmung ist keine streitige Parteibehauptung, wenn er auch mit solchen zusammenhängt, sondern ein objektiv feststehender Vorgang des Prozesses. Entsprechend „ e r bestreitet", „er ficht an", „er rechnet a u f " usw. „Die Voraussetzungen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs in Geld seien für keine der beiden Klägerinnen gegeben. Er sei bereit, die Klägerin zu 2. in seinem Hause zu verpflegen. Sein Einkommen betrage nicht mehr als 6600 DM. Gegenüber dem Antrag auf Parteivernehmung bezieht sich der Beklagte auf seine Veranlagung zur Einkommensteuer und erklärt sich damit einverstanden, daß seine Geschäftsbücher durch einen vereidigten Büchersachverständigen geprüft werden. Die Klägerin zu 1. die vor der Eheschließung Privatsekretärin gewesen sei, könne sich mit Leichtigkeit ihren Unterhalt selbst verdienen und sei hierzu in Hinblick auf sein geringes Einkommen verpflichtet. Zum mindesten seien alle über 150 DM hinausgehenden Ansprüche durch den im Vertrag vom 3. November ausgesprochenen Verzicht ausgeschlossen. Die Möbel gehörten nicht der Klägerin zu 1., vielmehr habe er sie teils vor, teils während der Ehe in der zu IV seines Schriftsatzes vom 27. November 1955, auf den insoweit Bezug genommen wird, näher dargelegten Weise zu Eigentum erworben. Daß die Klägerin die Sachen zur Führung eines abgesonderten Hausstandes braucht, bestreitet der Beklagte nicht. Die Klägerin zu 1. hat sich mit ihrer Parteivernehmung bereit erklärt. Auf Befragen des Gerichts hat sie erklärt, daß sie auch jetzt noch bereit sei mit dem Beklagten zusammenzuleben. Dagegen hat der Beklagte das Zusammenleben auch für den Fall, daß die behaupteten Eheverfehlungen der Klägerin nicht bewiesen werden sollten, abgelehnt. Das Gericht hat die Klägerin zu 1 über die Behauptung des Beklagten, sie habe mit dem inzwischen verstorbenen Dekorateur Polster im Jahre 1955 Ehebruch begangen, als Partei vernommen. Die Klägerin hat die Frage verneint."

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Gehört an den A n f a n g der Urteilsgründe eine Erörterung der sachlichen Z u ständigkeit? Die Klageansprüche überschreiten bei weitem die allgemeine K o m p e tenzgrenze des § 2 3 1 G V G . A b e r der Beklagte hat zur Hauptsache verhandelt, ohne die Unzuständigkeit zu rügen. D a der Prozeß einen vermögensrechtlichen Gegenstand hat und ausschließliche Gerichtsstände nicht in Betracht kommen, ist das Amtsgericht damit in jedem Fall zuständig geworden. §§ 39, 40 Z P O . E s wäre daher falsch, noch auf die Zuständigkeitsfrage einzugehen (Berg, a. a. O. S. 19 f., 26). Auch abgesehen von der, in dem vorbehaltlosen Verhandeln des Beklagten liegenden, stillschweigenden Vereinbarung ist hier die amtsgerichtliche Zuständigkeit gegeben. Der 6. Fall des § 23a G V G : „Ansprüche auf Erfüllung einer durch Ehe oder Verwandtschaft begründeten gesetzlichen Unterhaltspflicht" wird, über den Wortlaut hinaus, allgemein auf den Unterhalt nach Scheidung der Ehe (§§ 58fr. EheG) und auf vertragliche Unterhaltsansprüche bezogen. R G 149, 30. Der Anspruch zu c des Klageantrags wird in § 1 3 6 1 1 S. 2 als Unterhaltsanspruch konstruiert. Palandt zu § 1361, 4. Anders wenn eine mit dem Mann zusammen lebende Frau klagt, weil er sie zwar unterhält, aber in einer Form, bei der ihr die Führung der Wirtschaft entzogen wird und sie kein Geld in die Hände bekommt. Die Frau hat, solange sie sich nicht als Verschwenderin erweist, einen im Rechtsweg verfolgbaren Anspruch darauf, das gemeinsame Hauswesen selbständig zu leiten und den Unterhalt in der ihr als Ehefrau gebührenden Weise zu empfangen. Erhebt sie demgemäß Klage auf Zahlung von Wirtschaftsgeld, so ist das kein Unterhaltsprozeß, sondern „Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens" (§ 1353 1 B G B , § 606 ZPO), daher Ehesache mit ausschließlicher Zuständigkeit des Landgerichts. R G 97, 286. Weitere Folgerung aus der personenrechtlichen Natur der Klage: die Verurteilung des Mannes kann nicht vollstreckt werden (§ 888 11 ZPO). K o s t e n b e r e c h n u n g im U n t e r h a l t s p r o z e ß : Wie bei der Aufhebungs- (Räumungsklage in Mietprozessen (S. 23), finden sich für die Gebührenberechnung in Unterhaltsprozessen Sonderbestimmungen. Abweichend von § 9 ZPO ist bei Ansprüchen auf Erfüllung einer auf „gesetzlicher Vorschrift" beruhenden Unterhaltspflicht der Wert des einjährigen Bezugs maßgebend, falls nicht — ausnahmsweise — der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist, § i o 1 1 G K G . Geht der aus einem Vertrag geforderte Unterhalt über den gesetzlichen hinaus, so gilt allerdings § 9 ZPO für den Mehrbetrag, R G D R 40, 2267. — Im vorliegenden Fall ist das Objekt: 180 mal 1 2 = 2160 D M - f - 40 mal 1 2 = 480 D M zusammen: 2640 DM. — In einstweiligen Anordnungen anläßlich eines Scheidungsprozesses berechnet sich der Wert für die Dauer des Prozesses (§ 627 ZPO) auf 3 Monate und für die vorläufige Regelung nach dem Urteil (§ 627 b ZPO) auf 6 Monate (§ 10IV G K G ) . — Die Herstellungsklage hat einen nichtvermögensrechtlichen Streitgegenstand, so daß das Objekt gemäß § 1 1 G K G geschätzt werden muß. Grundsätzlich gehört an den A n f a n g der sachlichen Ausführungen der E n t scheidungsgründe die Anspruchsgrundlage. A l s solche kommt hier zunächst der Vertrag v o m 3. November 1 9 5 4 in Betracht. Eine vertragliche Anspruchsgrundlage ist in der Regel v o r einer gesetzlichen zu erörtern, da eine gesetzliche Regelung oft durch eine vertragliche geändert oder beeinflußt wird. V g l . Berg, Die Klausurarbeit im Referendarexamen, Schäffers Rechtsfalle Bd. 1 1 , 4 . - 6 . Aufl. 1 9 5 5 , S. 2 1 . Zudem berufen sich hier beide Parteien auf den Vertrag: die Klägerin, um einen Teil ihrer Ansprüche unabhängig v o n der Schuldfrage und der Leistungsflicht des Beklagten zu begründen, der Beklagte, um die Leistungspflicht gegenüber seiner Frau in Abrede zu stellen. „Entscheidungsgründe. Die Klagen sind im wesentlichen begründet: I. Als Anspruchsgrundlage kommt allerdings nicht die Vereinbarung vom 3. November 1954 in Betracht. Diese Vereinbarung behandelt die Unterhaltsregelung sowohl für die Zeit vor als auch nach der Scheidung. Für die Zeit nach der Scheidung können die Ehegatten grundsätzlich abweichend von den Vorschriften der §§ 5 8 ff. EheG ihren Unterhalt regeln. (§ 72 EheG). Für die Zeit v o r der Scheidung ist aber, sofern ein Recht zum Getrenntleben gegeben ist, nur eine Regelung bezüglich der Art und des Maßes der Unterhaltsleistung zu-

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Unterhalt bei Getrenntleben lässig. Keinesfalls darf die Frau in ihren laufenden gesetzlichen Unterhaltsansprüchen schlechter gestellt werden. Das verbietet die zwingende Vorschrift des § 1 6 1 4 1 B G B , wonach auf Unterhalt für die Zukunft nicht verzichtet werden kann. Diese Bestimmung ist in § 1 3 6 0 1 1 1 für die Unterhaltsforderungen der Ehegatten ausdrücklich bezogen. Die Vereinbarung vom 3. November 1954 verstößt gegen diese Bestimmung, da sie der Klägerin auch für die Zeit vor der Scheidung nur einen Anspruch auf monatlich 130 DM gewährt, während ihr, wie aus den weiteren Ausführungen hervorgeht, der eingeklagte Betrag von 180 D M zusteht. Erst recht konnte nicht der gänzliche Wegfall der Unterhaltspflicht des Beklagten für den Fall einer Strafanzeige gegen ihn bedungen werden."

O b wegen der teilweisen Nichtigkeit des Vertrags nach § 1 3 9 B G B der ganze Vertrag nichtig ist, braucht nicht erörtert zu werden, da die Klägerin nicht geschieden ist und deshalb keine Ansprüche für die Zeit nach der Scheidung geltend macht. Der Vertrag wäre nicht schon wegen der Schweigeklausel nichtig. Da abgesehen von wenigen Ausnahmefällen (wie § 139 StGB) keine Privatperson verpflichtet ist, die Straftat eines anderen zur Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden zu bringen, kann man rechtswirksam die Nichterstattung einer Strafanzeige versprechen. Unsittlich ist bloß der sog. Schweigegeldvertrag, d. h. die Abhängigmachung dieses Versprechens von einer dafür zu gewährenden besonderen Vergütung. J W 16, 5732. Dagegen verstößt die in dem Vertrag bedungene Verpflichtung zur Erhebung der Scheidungsklage gegen die guten Sitten. Das Urteil wendet sich nunmehr der gesetzlichen Anspruchsgrundlage zu. „II. Der Anspruch der Klägerin zu 1. ist demnach lediglich unter den Voraussetzungen der §§1360, 1361 B G B begründet. Nach § 1360 1 B G B hat der Mann der Frau nach Maßgabe seiner Lebensstellung seines Vermögens und seiner Erwerbsfähigkeit Unterhalt zu gewähren. Nach § 1 3 6 1 1 B G B ist bei Getrenntleben der Ehegatten der Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren, solange einer von ihnen die Herstellung des ehelichen Lebens verweigern darf und verweigert. Die Klägerin zu 1 ist zum Getrenntleben berechtigt, da sie auf Grund des § 42 EheG gegen den Beklagten wegen Ehebruchs auf Scheidung klagen kann, § 1 3 5 3 1 1 S. 2 BGB. Sie selbst verweigert zwar nicht die Herstellung des ehelichen Lebens, vielmehr hat der B e k l a g t e ein weiteres Zusammenleben abgelehnt. Dem in § 1 3 6 1 1 S. 1 B G B geregelten Fall, daß der verweigerungsberechtigte Ehegatte die Herstellung verweigert, muß aber der Fall gleichgestellt werden, daß der andere Ehegatte dem Verweigerungsberechtigten die Herstellung der Gemeinschaft verweigert. Denn andernfalls stände sich die Klägerin schlechter als in dem in § 1 3 6 1 1 S. 1 B G B geregelten Fall, daß sie selbst schuldig wäre und deshalb von ihrem Manne mit Recht aus dem Hause gewiesen würde. Das würde dem Zweckgedanken des § 1 3 6 1 1 S. 1 B G B widersprechen. R G JW 25, 685. Z u § 1 3 6 1 B G B sind 4 Fälle denkbar: 1. D e r U n t e r h a l t s b e r e c h t i g t e verweigert die Herstellung m i t Grund: hier trifft § 1 3 6 1 schon dem Wortlaut nach zu. 2. E r verweigert o h n e Grund: hier erhält er nichts, er hat nur Anspruch auf Naturalleistung in der Wohnung. 3. Der U n t e r h a l t s v e r p f l i c h t e t e verweigert m i t Grund: A u c h hier ist § 1 3 6 1 dem Wortlaut nach gegeben; jedoch beschränkt sich der A n spruch gemäß § 1 6 1 i n auf den notdürftigen Unterhalt. 4. Der Verpflichtete weigert o h n e Grund: Dieser — hier gegebene — Fall ist im Gesetz nicht geregelt. E s handelt sich um eine „ L ü c k e " im Gesetz. Sie kann nur ausgefüllt werden durch eine zweckentsprechende Auslegung der „ r a t i o " des Gesetzes. E i n Gesetz muß einen „ m ö g lichst hohen tatsächlichen Lebenswert haben"; es müssen „alle Lebenstatbestände, die man wegen der daran geknüpften Rechtsfolgen dem Begriff zu unterstellen als ein Bedürfnis empfindet, auch möglichst dadurch gedeckt werden", Lehmann (Allgemeiner Teil, 9. Aufl. 1955 § 8 I I 3). Man muß sich den Z w e c k des Gesetzes möglichst an den Folgen klarmachen: Wenn (oben in Fall 3) sogar eine Frau, die mit Recht v o m Manne aus dem Haus gewiesen ist, den Unterhaltsanspruch aus § 1 3 6 1 1 S. 2'hat, so erst recht eine Frau, die sich nichts hat zu schulden kommen lassen. § 1 3 6 1 1 S. 1 ist daher so zu lesen, daß Unterhalt in Geld zu gewähren ist, wenn ent-

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weder der unterhaltsberechtigte Teil ein Recht zum Getrenntleben hat oder der unterhaltspflichtige Teil die Herstellung des ehelichen Lebens verweigert. Die hier angewandte Methode der Gesetzesauslegung aus dem Zweck des Gesetzes heraus nennt man teils soziologische Rechtsfindung teils Interessen- und teleologische Jurisprudenz bzw. Rechtstatsachenforschung. Sie geht von der Erkenntnis aus, daß nicht die Rechtsbegriffe das Primäre sind, sondern die Tatbestände des Lebens. Der Gesetzgeber kann nicht alle Fälle erfassen, weil das Leben zu mannigfaltig und neuschöpferisch ist. Die Rechtsbegriffe sind nur Abstraktionen, gewonnen aus der Anschauung vieler gleichgelagerter Fälle; sie passen aber nicht auf jeden Fall. Bei Lücken im Gesetz ist daher auf die dem Gesetz zugrunde liegende Interessenregelung zurückzugehen, wobei insbesondere die wirtschaftlichen Auswirkungen zu betrachten sind. Abzulehnen ist demnach die sog. Begriffsjurisprudenz, die lediglich aus einem — anscheinend für lückenlos gehaltenen — Netz von juristischen Begriffen Lücken im Gesetz regeln will. Folgendes Beispiel macht den Unterschied zwischen Begriffs- und Interessenjurisprudenz besonders klar: Die Begriffsjurisprudenz beantwortet die Frage, ob Gestaltungsrechte übertragen werden können, grundsätzlich mit ja, da Gestaltungsrechte „Rechte" seien und nach § 413 B G B die Vorschriften über die Übertragung von Forderungen auf die Übertragung anderer „Rechte" entsprechende Anwendung fänden. Die Interessenjurisprudenz dagegen geht auf das Wesen der Forderungsabtretung ein. Sie erkennt, daß eine Abtretung nur dort möglich und angebracht ist, wo ein Substrat mit übergehen kann: bei der Forderung der Anspruch gegen den Schuldner, bei Sachen-, Urheberu. dgl. Rechten die absolute Herrschaftsbefugnis. Gestaltungsrechte als solche sind dagegen bloße Auslösungsfunktionen. Ihre Übertragung hat nur dort Sinn, wo die ausgelöste Rechtslage (z. B. der Rückforderungsanspruch nach Anfechtung oder Rücktritt) mit übertragen wird oder wo sie als sog. selbständige Gestaltungsrechte gleichzeitig ein Forderungsrecht enthalten (Wiederkaufs-, Vorkaufsrecht) oder ein Herrschaftsrecht verkörpern (z. B. Aneignungsrecht). Die reine Begriffsjurisprudenz wird heute nicht mehr vertreten. Herrschend ist eine Verbindung von Begriffs- und Interessenjurisprudenz. Man konstruiert zuerst mit dem gesetzlichen Begriff, prüft aber eine unbillig erscheinende Lösung von der Interessenlage aus nach und hilft dann vielfach mit einer „exceptio doli", einer „stillschweigenden Bedingung", einem „stillschweigenden Rücktrittsrecht" u. dgl. Auf diese Weise versucht man, die Gefahr einer völligen Lösung vom Gesetz, die bei einer zu freien Handhabung der soziologischen Rechtsanwendung besteht, zu vermeiden. Zur Frage der Gesetzesauslegung vgl. namentlich Lehmann a. a. O. § 8, zur Interessenjurisprudenz Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz 1932, Stoll in der Festgabe für Heck u. a. 1931. Das Urteil behandelt nunmehr die Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs der Klägerin zu 1 : „Die Höhe des geforderten Betrags ist angemessen. Selbst wenn das Einkommen des Beklagten nur die von ihm angegebene Höhe von jährlich 6600 DM erreicht und davon jährlich die der Klägerin zu 1 zugesprochenen 2160 D M ( = monatlich 180 DM) und die der Klägerin zu 2 zugesprochenen 480 DM ( = monatlich 40 DM), insgesamt also 2640 D M abgehen, so verbleiben ihm für seine eigenen Bedürfnisse noch jährlich 3960 DM, also fast das Doppelte der der Frau zu zahlenden Summe. Mit 3960 DM kann der Beklagte als einzelner Mann seiner Lebensstellung entsprechend leben. Es entspricht auch nicht der Billigkeit, die Unterhaltspflicht des Beklagten deshalb zu beschränken, weil sie vor ihrer Ehe berufstätig war (§ 1361II BGB); es kann der Frau, die jetzt ein kleines Kind zu versorgen hat, vorerst nicht zugemutet werden, sich eine Arbeit zu suchen, zumal verheiratete Frauen bei der Bewerbung um freie Stellen vielfach aus sozialen Gründen zurückgesetzt werden. Der Beklagte hat jedenfalls nicht dargetan, daß die Klägerin eine passende Stelle finden könne." Wieweit eine Arbeitspflicht der verlassenen Ehefrau nach § 1 3 6 1 1 1 B G B und der geschiedenen Frau nach § 5 8 1 E h e G besteht, ist umstritten. Grundsätzlich ist sie zu bejahen (Palandt, zu § 58, 3 b E h e G ) . Zugunsten der verlassenen Ehefrau ist aber zu berücksichtigen, daß oft die Dauer der Trennung nicht feststeht und daß es unbillig sein kann, wenn ein im Ehebruch lebender Ehemann zu seiner finanziellen Entlastung die Frau auf ihre Arbeitsfähigkeit verweist. Zumindest wird er ihr die Möglichkeit zu einer angemessenen Arbeit nachweisen müssen. So Frantz, N J W 50, 375. V g l . auch Palandt z c zu § 1 3 6 1 .

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder „Die Klägerin zu i.ist auch nicht auf Grund der §§ i 6 n n , 2 3 3 5 BGB auf den notdürftigen Unterhalt beschränkt. Sie hat sich keiner Verfehlung schuldig gemacht, die den Beklagten zur Scheidungsklage berechtigt. Sie hat bei ihrer Vernehmung als Partei mit Bestimmtheit in Abrede gestellt, mit Polster ehebrecherische Beziehungen unterhalten zu haben. Das Gericht hält diese Aussage auf Grund seines persönlichen Eindrucks von der Klägerin für glaubwürdig, zumal der Beklagte nähere Umstände über die angeblichen Beziehungen der Klägerin zu Polster nicht angeben kann (§453* ZPO). Es hat deshalb auch von einer Beeidigung der Klägerin Abstand genommen (§452 ZPO). Die weitere Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe noch mit anderen Männern mehrfach Ehebruch getrieben, kann nicht Gegenstand einer Parteivernehmung sein, solange nicht die Namen der beteiligten Personen oder sonstige Merkmale — Zeit, Ort, Begleitumstände — angeführt werden. Bei diesem Beweisantritt handelt es sich um den unzulässigen Versuch, den Gegner auszuforschen, um erst auf diese Weise die Grundlage für einen Einwand zu bekommen. RG HRR 40, 619."

Unzulässige Ausforschungsbeweise werden in Alimentationsprozessen häufig angetreten. Namentlich bei der Unterhaltsklage des unehelichen Kindes (§ 1708 B G B ) wird immer wieder die Vernehmung der Kindesmutter über Mehrverkehr mit nicht benannten Männern beantragt. Vgl. Baumbach, zu § 282, 2 sowie Riedel und Dunz in N J W 5 6, 6 und 769. „Der Anspruch der Klägerin zu 2 ist aus §§ 1601, 160211, 1603,11 1606 BGB begründet. Zwar ist mit dem Eintritt der Gleichberechtigung die primäre Haftung des Vaters nach § 160611 S. 2 BGB weggefallen. Da die Eltern nach herrschender Ansicht aber nunmehr gesamtschuldnerisch auf den Unterhalt haften (vgl. Palandt vor § 1606 BGB), kann das Kind nach wie vor den Beklagten in Anspruch nehmen. Der Beklagte kann auch nicht geltend machen, er sei bereit, die Klägerin zu 2 in seinem Hause zu verpflegen. Uber die Art der Unterhaltsgewährung bestimmen gemäß § 161211 die Eltern gemeinsam. Das Vorrangsrecht des Vaters bei Meinungsverschiedenheiten gemäß § 1634 S. 2 BGB ist weggefallen. Da sich die Eltern über die Art der Unterhaltsgewährung nicht einigen können, bleibt demnach nur die Möglichkeit, eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts herbeizuführen. Vgl. Siebert NJW 55, iff. und Palandt vor § 1627. Bis zu einer solchen Entscheidung muß es bei der allgemeinen Regel des § 16121 BGB verbleiben. Danach ist der Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu entrichten." Will der Beklagte das Kind ernsthaft wieder zu sich nehmen, so muß er das Vormundschaftsgericht um eine Änderung des Sorgerechts bitten. Eine solche Änderung kann das Vormundschaftsgericht treffen, auch ohne daß die Voraussetzungen des § 1666 1 bei dem anderen Elternteil vorliegen, also insbesondere unabhängig davon, ob der andere Elternteil die Sorge für die Person des Kindes s c h u l d h a f t vernachlässigt hat. Ausschlaggebend ist allein das Interesse des Kindes. V g l . Siebert a. a. O. Das Vormundschaftsgericht kann gemäß § 3 3 1 1 FGG notfalls seine Anordnung mit Gewalt durchsetzen. Deshalb besteht für eine Herausgabeklage nach § 1632 BGB kein Rechtsschutzbedürfnis. RG DR 44/334, Palandt 3 zu § 1632. Nach BGH NJW 56/260 ist sogar für eine solche Klage der Rechtsweg unzulässig. Das Urteil fährt fort: „Die Höhe des eingeklagten Betrages von 40 DM erscheint angemessen und beläßt dem Beklagten den für ihn notwendigen Unterhalt, wie bereits oben ausgeführt wurde. Die Unterhaltsansprüche beider Klägerinnen sind aber erst vom Tage der Klagezustellung, dem 21. November 1955, begründet. Für die vorangegangene Zeit würde es einer Mahnung bedurft haben, die von den Klägerinnen nicht behauptet ist (§§ 1613, 1360HI S. 2 BGB). Für die der Klage vorhergehende Zeit waren die Ansprüche somit abzuweisen." „ I n Präteritum non vivitur." Nur der uneheliche Vater haftet ohne Rücksicht auf Rechtshängigkeit oder Verzug von der Geburt des Kindes an. „III. Voraussetzung des von der Klägerin weiterhin erhobenen Anspruchs auf Herausgabe eines Kleiderschranks, eines Eßtischs, zweier Stühle und eines Sofas ist nach § 13611 S. 2 BGB

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Getrennt lebende Ehefrauen

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nur, daß sie ein Recht auf Unterhalt in Geld hat und daß sie die Sachen zur Führung eines abgesonderten Hausstandes bedarf. Beide Voraussetzungen sind gegeben. Darauf, ob die Sachen ihr oder dem Beklagten gehören, kommt es somit nicht an.; Dem Antrag war daher gleichfalls stattzugeben."

Während Bestehens der Ehe rechtfertigt § 1 3 6 1 1 S. 2 den Herausgabeanspruch. Dieser Anspruch steht allerdings nach Eintritt der Gleichberechtigung auch dem Manne im Bedarfsfall zu, Palandt 4 zu 1361. Während des Scheidungsprozesses gibt § 627 ZPO die Möglichkeit, zum Zweck der Trennung der Ehegatten beiden Teilen ohne Rücksicht auf das Eigentum Möbel zuzuteilen, Baumbach zu § 627, 2. Nach der Scheidung ist die 6. D V O z. EheG vom 21. Oktober 1944 (RGBl. 256; Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats nach der Scheidung) für die Aufteilung der Möbel maßgebend. Hier kommt es in erster Linie wieder auf das Eigentum an (vgl. § § 8, 9 der VO). IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerinnen für die Zeit vom 1. Oktober bis 20. November 1955 bleibt wegen ihrer Geringfügigkeit und weil besondere Kosten dadurch nicht entstanden sind, außer Betracht, § 92 1 1 ZPO. Das Urteil war gemäß § 708, ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären, dem Beklagten gemäß § 7 1 3 1 1 ZPO Vollstreckungsnachlaß zu gewähren. Richter."

§ 7086 ZPO beschränkt die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung auf die hier begehrten Zahlungen seit Klagerhebung und das letzte Vierteljahr vor der Klage. Für weiter zurückliegende Forderungen kämen § 7094 oder § 710 S. 1 Z P O in Betracht. Dadurch daß das Gesetz die Hinterlegungsbefugnis gemäß §71311 ZPO schlechthin gibt, also auch dem Unterhaltsschuldner, wird die Wirkung des § 7086 praktisch illusorisch (vgl. §§ 720, 839 ZPO). Abhilfe gewährt die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung. Der Referendar: Jetzt wird Frau Bredow wohl Scheidungsklage einreichen, da der Ehebruch des Mannes feststeht, während durch ihre Vernehmung bewiesen ist, daß er keinen Scheidungsgrund gegen sie hat? Der Richter: Die Feststellungen des Unterhaltsprozesses beschränken ihre Wirkung auf den Unterhaltsanspruch, die Gründe nehmen an der Rechtskraft nicht teil (§ 322 1 ). Durch die Vernehmung der Frau wird der Mann nicht gehindert, im Scheidungsprozeß der Frau den Ehebruch mit Polster nachzuweisen. Umgekehrt würde, wenn Frau Bredow bei uns ihre Vernehmung verweigert hätte, für den Scheidungsprozeß höchstens ein gewisser Verdacht des Ehebruchs begründet werden. Im übrigen gibt es viele Frauen, die von ihrem Scheidungsrecht keinen Gebrauch machen und es vorziehen, als Ehefrau getrennt zu leben. Getrennt lebende Ehefrauen: Getrenntleben ist für die Frau finanziell vorteilhafter als Scheidung: 1. Mit der Scheidung verliert sie ihr gesetzliches Erbrecht (§1931 BGB) und Pflichtteilsrecht (§ 2303). Daß die Unterhaltspflicht des Mannes gegenüber der unschuldig geschiedenen Frau passiv vererblich ist (§ 70 1 EheG, Ausnahme von § 1615), bedeutet keinen vollen Ausgleich, denn der Erbe kann die Unterhaistrente bis auf einen Betrag herabsetzen, der bei Berücksichtigung seiner Verhältnisse und der Ertragsfähigkeit des Nachlasses der Billigkeit entspricht(§ 7 0 n S. 2 EheG). 2. Beamtenfrauen verlieren ferner durch Scheidung die Witwenpension, haben also nach dem Tode des Mannes keinen Ersatz für den ihnen bis dahin vom Manne gezahlten Unterhalt. Der schuldlos geschiedenen Ehefrau, die im Falle des Fortbestehens der Ehe Witwengeld erhalten hätte, ist allerdings ein Unterhaltsbetrag bis zur Höhe des Witwengeldes insoweit zu gewähren, als ihr der Verstorbene zur Zeit seines Todes Unterhalt zu leisten hatte. Eine später eintretende Veränderung der Verhältnisse kann berücksichtigt werden. §§ 123I Ziff. 3, 1 2 5 1 1 BBeamtG vom 14. Juli 1953; ebenso BeamtG für N R W vom 16. Juni 1954 §§ 130 Ziff. 3, 132 1 1 . 3. Läßt sich die Frau scheiden

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Klage im Scheckprozeß

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und heiratet der Mann zum zweiten Male, so leidet darunter auch der Unterhaltsanspruch der unschuldig geschiedenen ersten Frau, da nach § 59 1 S. 2 EheG auch die Bedürfnisse und wirtschaftlichen Verhältnisse des neuen Ehegatten und etwaiger Kinder zu berücksichtigen sind. Kann die erste Frau ihren Unterhalt aus der Substanz ihres Vermögens bestreiten, so soll der geschiedene Mann, dessen Mittel nicht ausreichen, um seinen sämtlichen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen, ihr gegenüber sogar ganz befreit sein (§ 59 1 1 ). Die Praxis schränkt das allerdings dahin ein, daß der geschiedenen Frau das Angreifen ihres Kapitals nur zugemutet wird, falls ihr noch ein Betrag verbleibt, der zusammen mit ihrem sonstigen Erwerb voraussichtlich ausreicht, um den Unterhalt für ihre ganze Lebenszeit zu decken. RG. 97, 276. Kann die Frau dauernd vom Manne getrennt leben und Unterhalt in Geld fordern? Solange die häusliche Gemeinschaft aufgehoben ist, läuft die Scheidungsfrist von 6 Monaten ab Kenntnis des Scheidungsgrundes nicht (§ 50 1 S. 3). Läßt der Mann die Aufforderung aus § 50 1 S. 4 an sie ergehen, so wird damit die Frist in Lauf gesetzt, und zwar unabhängig davon, ob dem Manne an der Rückkehr der Frau ernstlich etwas gelegen war (RG 61, 160). Zehn Jahre nach Eintritt des Scheidungsgrundes ist die Scheidung aber nicht mehr zulässig. Diese Frist läuft trotz Aufhebung der Gemeinschaft (RG 159, 118). Nach ihrem Ablauf kann die Frau sich auch nicht darauf berufen, daß das Herstellungsverlangen des Mannes einen Mißbrauch darstelle, § 1 3 5 3 1 1 S. 3 BGB.

Scheckprozeß K l a g e im Scheckprozeß. „Köln, den 12. Februar 1956. K l a g e im S c h e c k p r o z e ß des Kaufmanns Ottokar Ehlers in Köln, Nikolaistraße 36,

Klägers

gegen 1. die offene Handelsgesellschaft Gebr. Schellenberg, 2. deren Inhaber: a) Kaufmann Max Schellenberg, b) Kaufmann Moritz Schellenberg, sämtlich in Köln, Klosterstraße 88,

Beklagte,

wegen Anspruchs aus Scheckrecht. Auf Grund des nachstehenden Sachverhalts erhebe ich beim Amtsgericht Köln Klage im Scheckprozeß und bitte um Anberaumung eines Verhandlungstermins, in welchem ich beantragen werde: die Beklagten kostenpflichtig als Gesamtschuldner zu verurteilen, dem Kläger 357,80 D M (i. W.) nebst 6% Zinsen seit dem 5. Februar 1956 zu zahlen. Begründung Die Beklagte zu 1 haftet als Austellerin des dieser Klage in Abschrift beigefügten, laut Bescheinigung des Bezogenen vom 6. Februar 1956 auf Vorlegung nicht eingelösten Schecks Nr. 3266 dem Kläger als dem legitimierten Inhaber des Schecks auf den Scheckbetrag von 357,80 DM nebst 6% Zinsen seit dem Vorlegungstag. Die Beklagten zu 2 a und b sind ausweislich des in Abschrift beigefügten Registerauszugs Gesellschafter der Beklagten Zu 1 und haften als solche für die Verbindlichkeit der Gesellschaft als Gesamtschuldner. Die Urkunden werde ich im Termin vorlegen und bez. der Echtheit ihrer Unterschrift die Parteivernehmung der Beklagten zu 1. beantragen. 3 Abschriften zur Zustellung an die Beklagten sowie 12 D M in Kostenmarken 1 ) werden beigefügt. Ottokar Ehlers." 1

) SS 8>

74 1 1 G K G . Die Gebühren sind im Urkunden- und ordentlichen Prozeß gleich.

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Scheckprozeß

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„Abschrift. (Vorderseite) "¿¡j 3 § j3 3 u Z Ü >

Das Bankhaus Ferdinand Schilling in Köln wolle gegen diesen Scheck aus unserem Guthaben an Herrn Ottokar Ehlers, Köln oder Überbringer den Betrag von }J7,So DM., in Worten dreihundertsiebenundfünfzig Deutsche Mark achtzig Deutsche Pfennige zahlen. Nr. 3266.

Köln, den 4. Februar 19 ¡6. (ges.) Gebr. Schellenberg. (Rückseite)

Dieser Scheck ist heute zur Verrechnung vorgelegt und nicht eingelöst worden. Köln, den 6. Februar 19¡6. Ferdinand Schilling. (gez.) p. pa. Fürst." „(Abschrift des Registerauszugs betr. die Firma Gebr. Schellenberg)." N a c h A r t . 40 ff. ScheckG begründet die Nichteinlösung rechtzeitig vorgelegter Schecks eine abstrakte Haftung entsprechend dem Vorbild des Wechselrechts. A b weichungen: 1. Die Haftung besteht nicht bloß für den Aussteller und die Indossanten eines Orderschecks, sondern auch die quasi-Indossanten des Inhaberschecks, nämlich alle Personen, die ihren Namen auf die Rückseite des Schecks geset2t haben (Art. 20). D e r Inhaberscheck (Scheck mit „Überbringerklausel"), wie er hier vorliegt, ist in der Praxis die vorherrschende Scheckform. 2. Statt eines förmlichen Protestes (Art. 40 1 ) genügt zum Nachweis der Vorlegung und Nichteinlösung eine schriftliche Erklärung des Bezogenen auf dem Scheck (Art. 40 2 ' 3 ). 3. Eine scheckmäßige Haftung des „Bezogenen" (d. i. des Bankiers, auf den der Scheck gezogen ist, Art. 3) findet nicht statt, mag er selbst im Verhältnis zum Aussteller zur Honorierung des Schecks verpflichtet sein. Sogar ein Akzept, das der Bezogene etwa auf den Scheck gesetzt hat, gilt pro non scripto (Art. 4). Demgemäß endet der Scheckregreß beim Aussteller. B e s t ä t i g t e r S c h e c k : Da der Annahmevermerk als nicht geschrieben gilt, kann er auch nicht als selbständiges Schuldversprechen aufrechterhalten werden (RG 105, 362). Häufig fragt der Schecknehmer vor oder nach Empfang des Schecks das bezogene Bankhaus an, ob der Scheck gedeckt sei und eingelöst werden würde. Bestätigt hierbei die Bank den Scheck, so kann darin unter besonderen Umständen ein Garantievertrag liegen. Gewöhnlich aber gibt die Bestätigung dem Scheckinhaber keine Rechte. Die einzige Ausnahme besteht im Bundesgebiet für die Landeszentralbanken. Diese Banken dürfen auf sie gezogene Schecks mit einem Bestätigungsvermerk versehen, durch den sie sich zur Einlösung des Schecks bei Vorlegung innerhalb einer Frist von einem Monat (vom Tage der Ausstellung des Schecks an gerechnet) verpflichten. § 17 LZ-BankGes. (für die brit. Zone s. VOB1. BrZ. 1949, 140). Die Haftung ist keine Annehmerhaftung, sondern rückgriffsähnlich. Sie besteht gegenüber dem Inhaber, dessen Vormännern und dem Aussteller. Zweck der Bestätigung ist, Bargeld zu ersparen, wenn größere Zahlungen Zug um Zug gegen eine Leistung zu machen sind und ein gewöhnlicher Scheck keine genügende Sicherheit bietet. Vgl. Baumbach-Hefermehl, 2 zu Art 4 ScheckG. Daß es sich um einen Verrechnungs- (oder „gekreuzten") Scheck handelt, hat für den Regreß keine Bedeutung. Z w a r darf der Bezogene solche Schecks nur durch Gutschrift (Verrechnung), nicht durch Barzahlung honorieren (Art. 39 ScheckG),

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Klageformalien im Urkundenprozeß

aber der Regreß gegen Aussteller und Nachmänner geht, wie immer, auf Geldzahlung. R G 95, 241; 104, 37. Die Haftung der Firmeninhaber Max und Moritz Schellenberg aus dem von der Gesellschaft ausgestellten Papier folgt materiell aus § 128 HGB. Bei o.H.G. und K . G. werden Gesellschaftsvermögen und Privatvermögen der Gesellschafter für die Zwangsvollstreckung scharf auseinander gehalten: ein gegen die Firma lautender Titel kann nur ins Gesellschaftsvermögen, ein gegen die Gesellschafter lautender nur ins Privatvermögen vollstreckt werden (§§ 12411, 129IV). Will man also einen überall realisierbaren Titel erlangen, so klagt man gegen Gesellschaft und Gesellschafter als Gesamtschuldner, wie Ehlers es getan hat. Zinsen: Sie betragen nach Art. 4j 2 ScheckG und Art. 48a, 492 WG 6% und nach dem vorläufig aufrecht erhaltenen Ges. vom 3. Juli 1925 (RGBl. I 93) 2% über dem jeweiligen Reichsbankdiskont, mindestens aber 6%. K l a g e f o r m a l i e n : Der „Scheckprozeß" ist, wie der „Wechselprozeß", eine Abart des Urkundenprozesses, auf welchen alle Besonderheiten des Wechselprozesses Anwendung finden (§ 605 a ZPO). Damit ein Rechtsstreit im allgemeinen Urkundenprozeß, Wechsel- oder Scheckprozeß geführt werde, muß bereits der einleitende Akt, also die Klageschrift, eine entsprechende Erklärung enthalten. Ist sie versäumt worden, so besteht in diesem Verfahren keine Möglichkeit mehr, sie nachzuholen. Entsprechend setzt das Urkunden-Mahnverfahren voraus, daß das einleitende Gesuch auf einen Urkunden- (Wechsel-, Scheck-)Zahlungsbefehl gerichtet war (§ 703 a ZPO). Umgekehrt kann dagegen der Kläger von der speziellen Verfahrensart zur allgemeineren (z. B. vom Scheckzum Urkunden- oder ordentlichen Prozeß) stets einseitig übergehen (§ 596 ZPO), in der 2. Instanz jedoch nur — entsprechend den Grundsätzen der Klageänderung (§ 264) — bei Einwilligung des Beklagten oder nach Zulassung wegen Sachdienlichkeit, JW 38, 1426. Wird eine Scheck-Regreßklage als „Klage im Wechselprozeß" bezeichnet, so gilt sie als „Scheckprozeß". RG 96, 100. Die Geltendmachung der S o l i d a r h a f t u n g der o.H.G.-Gesellschafter aus der Scheckzeichnung der Firma ist Anspruch „aus" dem Scheck im Sinne des § 602, daher der Scheckprozeß auch gegen die beiden Gesellschafter gegeben. Es müssen jedoch nach dem allgemeinen Grundsatz des § 592 alle klagebegründenden Tatsachen durch Urkunden beweisbar sein. Deshalb beruft sich Kläger auf den Registerauszug. S t r e i t i g e V e r h a n d l u n g i m S c h e c k p r o z e ß . V e r t a g u n g . Im Termin erscheinen: „ i . der Kläger in Person, 2. der Beklagte Max Schellenberg, vertretungsberechtigter Gesellschafter der Beklagten zu 1, Vollmacht des Beklagten zu 2 b 1 ) und Schriftsatz überreichend. Abschrift des Schriftsatzes wurde dem Kläger ausgehändigt. Der Kläger stellte den Antrag aus der Klageschrift, die Beklagten beantragten Klageabweisung, für den Fall der Verurteilung die Befugnis zur Sicherheitsleistung. Die Parteien verhandelten zur Sache. Der Kläger legte den der Klage zugrunde liegenden Scheck Nr. 3266 mit Bescheinigung des Bankhauses Ferdinand Schilling sowie den Registerauszug betreffend die Firma Gebr. Schellenberg vor. Die Beklagten erkannten die Echtheit des Schecks und der Bescheinigung an." Im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozeß müssen alle klagebegründenden Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden, die der Beweisführer selbst vorlegt (§§ 59 2 S. 1, 59511)' D i e s e Voraussetzung wird sowohl bei streitiger Entscheidung wie im Versäumnisfalle vorweg von Amts wegen geprüft. § 59711. Baumbach zu § 597 Anm. 3 läßt ein Versäumnisurteil auch ohne Vorlegung der Originalurkunden zu, weil die mit der Klageschrift mitgeteilten Urkunden gemäß § 3311 als zugestanden anzusehen seien, somit keines Beweises bedürften (§ 288) und darnach das Erfordernis des § 592 S. 1 entfalle. Dem widerspricht, daß es sich nicht um gewöhnliche Tatsachen handelt, sondern daß die Beweiskraft durch Urkunden eine selbständige Rechtsschutzvoraussetzung ist. Der Zwang, die x)

Als Vertreter der o. H. G. bedarf Max Schellenberg keiner Vollmacht.

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Widerruf des Schecks

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Originalurkunden vorzulegen, hat auch seine innere Berechtigung: die der Klage beigefügten Abschriften sind häufig nicht ganz zuverlässig, besonders hinsichtlich durchstrichener Indossamente, und der Richter muß sich von der Ordnungsmäßigkeit der Urkunden, der Wechsel- bzw. scheckmäßigen Legitimation (Art. 16 WG, Art. 19 ScheckG) usw. selbst überzeugen können. Jonas-Schönke III 1 2 zu § 597; K G , JW 31, 5567. Der Kläger, der einzelne klagbegründende Tatsachen nicht urkundenmäßig belegen kann, gelangt auch dadurch nicht sofort zum Versäumnisurteil, daß er vom Urkundenprozeß Abstand nimmt; die Abstandnahme muß vielmehr dem Beklagten zugestellt sein, bevor auf ihrer Grundlage Versäumnisurteil im Ordinarium möglich ist (vgl. S. 19). Jetzt wird der überreichte Schriftsatz verlesen und erörtert: „Schriftsatz in Sachen Ehlers gegen Gebr. Scbellenberg und Genossen, 21 D 30/56. Wir haben den Scheck dem Kläger zur Bezahlung eines Postens Tabak am 3. Februar nachmittags gegeben. Als am 6. Februar früh die Ware angerollt wurde und wir sie durch unseren Werkmeister Unkel untersuchen ließen, stellte sich heraus, daß der Tabak nicht, wie uns der Kläger u. a. versichert hatte, aus lauter Deckblättern bestand und frei von Rippen war, sondern eine vollkommen minderwertige Ware. Wir haben daher sofort den Scheck bei unserem Bankhaus telefonisch sperren lassen. Am 6. Februar kam der Kläger, nachdem das Bankhaus die Einlösung des Schecks verweigert hatte, zu uns, ließ sich von unserem Lagerhalter Jeenel den Tabak zeigen und hat selbst erklärt, daß er die Ware zurücknehmen müsse. Beweis: Zeugnis der Herren Unkel und Jeenel, Vorlegung von Proben der gelieferten Ware und Gutachten Sachverständiger. Ferner beantragen wir die Parteivernehmung des Klägers über seine Zusicherungen und darüber, daß er arglistig gehandelt hat. Der Klageanspruch ist also unbegründet, denn 1. war Deckung für den Scheck vorhanden, wie wir durch Bescheinigung der Bank jederzeit nachweisen können, und wir haben den Scheck ordnungsmäßig gesperrt, 2. sind wir nicht verpflichtet, die gelieferte Ware abzunehmen und zu bezahlen." Der Richter (zu Schellenberg): Mit dem ersten Einwand haben Sie unrecht. Der Scheck wird im Verkehr wie bares Geld betrachtet, und wenn Sie jemand einen Scheck geben, so garantieren Sie ihm unbedingt für Einlösung. Ist also der Scheck innerhalb der 8tägigen Vorlegungsfrist (Art. 29 ScheckG) der Bank vorgelegt und von dieser nicht honoriert worden, so steht dem legitimierten Inhaber des Papiers der formale Scheck-Regreßanspruch an Sie zu, gleichviel ob die Nichteinlösung darauf beruht, daß das Konto überzogen war, oder daß Sie den Scheck gesperrt hatten, oder daß die Bank die Honorierung grundlos verweigert hat. Der Widerruf (so lautet die gesetzliche Bezeichnung für die „Sperrung") hat nur für das Verhältnis des Ausstellers zum Bezogenen, nicht für sein Verhältnis zum Scheck-Nehmer Bedeutung. Bei gewöhnlichen Anweisungen kann der Aussteller bis zur Annahme bzw. Erfüllung frei widerrufen (§790 BGB). Beim Scheck wird das Widerrufsrecht durch die Vorlegungsfrist beeinflußt: 1. Präsentiert der Scheckinhaber den nicht widerrufenen Scheck innerhalb der Vorlegungsfrist und löst die Bank ihn ein, so kann sie den Betrag dem Aussteller belasten; verweigert sie die Honorierung, so hat der legitimierte Inhaber Regreß an Aussteller und Nachmänner. 2. Wird ein widerrufener Scheck in der Vorlegungsfrist präsentiert, so kann die Bank für Rechnung des Ausstellers einlösen, denn man mutet ihr nicht zu, vor der Einlösung jedesmal Nachforschungen wegen eines etwaigen Widerrufs anzustellen (Art. 32 1 ScheckG). Löst der Bezogene nicht ein, so besteht der zu 1 angegebene Regreß. 3. Ein nicht widerrufener Scheck wird nach Fristablauf präsentiert: dann ist zwar der Bezogene immer noch zur Einlösung der Rechnung des Ausstellers befugt (Art. 32 11 ). Löst er aber nicht ein, so entfällt jeder Regreß, weil der Inhaber die Frist versäumt hatte (Art. 40). 4. Ein widerrufener Scheck wird nach Fristablauf zur Einlösung vorgelegt: hier darf der Bankier nicht mehr für Rechnung des Ausstellers einlösen und der Inhaber hat wegen der Nichteinlösung kein Regreßrecht. (zu Ehlers): Was sagen Sie zu den Anführungen der Beklagten, daß der Scheck zur Bezahlung gekaufter Waren gegeben, daß die Ware nicht in vertragsmäßiger Beschaffenheit geliefert worden sei und daß Sie sich selbst mit der Rücknahme einverstanden erklärt hätten?

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Einwendungen aus dem Kausalgeschäft

Ehlers: Im Scheckprozeß sind derartige Einwendungen nicht zulässig, auch nicht beweisbar. Richter: Gegenüber dem Scheckanspruch haben die Beklagten alle Einwendungen, die ihnen unmittelbar gegen Sie zustehen (vgl. Art. 22 ScheckG). Wenn die Beklagten zur Wandelung oder Anfechtung des Kaufs berechtigt sind, so würde der rechtliche Grund, aus dem der Scheck gegeben wurde, weggefallen sein, und die Beklagten könnten den Scheck von Ihnen nach den Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung zurückfordern, ebenso wie sie im Fall barer Zahlung das für die Ware gegebene Geld zurückfordern würden. Die Beweisfrage lassen wir vorläufig aus dem Spiel. Zunächst müssen Sie zu den Behauptungen der Beklagten Stellung nehmen. Daraus wird sich ergeben, ob die Entscheidung des Prozesses überhaupt von bestrittenen Behauptungen abhängt und dann ist erst auf die Zulässigkeit der angetretenen Beweise einzugehen. Art. 22 entspricht dem wechselrechtlichen Art. 17 WG. Unbeschadet der „abstrakten", d. h. vom Schuldgrund losgelösten, Haftung kann der Wechsel- oder Scheckschuldner — gegenüber seinem unmittelbaren Nachmann — mit der exceptio condictionis (§§ 812 11 , 821 BGB) die Erfüllung verweigern, wie auch gegenüber der abstrakten Grundschuld Mängel des Kausalgeschäfts mittels condictio geltend gemacht werden. Uber Abschneidung der Einwendungen aus der Person des Vormanns vgl. 3. Kap. „Wechsel-Vorbehaltsurteil". Im Verhältnis von Wechsel-(Scheck-)Geber und -Nehmer bedeutet die Abstraktheit der Haftung praktisch nur eine Umkehrung der Beweislast. Bestreitet Z.B.Ehlers, den Scheck zur Bezahlung des Tabaks empfangen zu haben und gibt er einen anderen Rechtsgrund an, so müssen die Beklagten seine Darstellung widerlegen. Die hier behandelte „Erheblichkeit" oder „Schlüssigkeit" der Einwendungen ist eine Frage des materiellen Rechts und hat mit der Frage der Beweismöglichkeit nichts zu tun. Wird z. B. eine Wechsel- oder Scheckklage von Anfang im ordentlichen Verfahren geltend gemacht, oder leitet der Kläger die Sache durch Abstandnahme ins ordentliche Verfahren über (S. 46), oder kommt es zum Nachverfahren, so besteht überhaupt keine Beschränkung der Beweismittel. Außerdem werden bisweilen gerade die Behauptungen des Beklagten, die im Urkundenprozeß nicht zu beweisen sind, vom Kläger nicht bestritten. Im Urkundenprozeß lassen sich freilich Einwendungen aus dem Kauf im allgemeinen nur schwer beweisen. Der Beklagte kann (anders als der Kläger bei den klagebegründenden Tatsachen, oben S. 46) seine Behauptungen, außer durch präsente Urkunden, auch durch Antrag auf Parteivernehmung beweisen (§ 595 1 1 ' 1 1 1 ZPO). Wird die Arglist des Verkäufers streitig (etwa im Hinblick auf § 377 v HGB oder auf eine Anfechtung des Kaufs), so ist die Parteivernehmung über die Arglist möglich, denn auch „innere Tatsachen" sind Gegenstand der Parteivernehmung. Auf die Arglist kommt es jedoch erst an, wenn der objektive Tatbestand feststeht. Deshalb macht sich bei Einwendungen wegen eines Sachmangels die Ausschließung des Zeugen- und Sachverständigenbeweises sehr fühlbar. Ehlers bestreitet die meisten Behauptungen der Beklagten. Die Beklagten machen ergänzende Anführungen und beantragen Parteivernehmung. Richter: Im heutigen Termin ist so viel Neues vorgebracht worden, daß ich es im Interesse beider Parteien für richtig halte, wenn vertagt und der neue Termin durch Schriftsätze vorbereitet wird. Auch würde ich Ihnen raten lieber Anwälte zuzuziehen, damit Sie nicht aus Unkenntnis der rechtlichen Folgen Erklärungen abgeben, die später nicht wieder gutzumachen sind. Über V e r t a g u n g e n entscheidet das freie Ermessen des Gerichts. Zwar sollen neue tatsächliche Behauptungen, Beweismittel und Anträge von den Parteien dem Gegner so zeitig vor dem Termin mitgeteilt werden, daß er die etwa erforderlichen Erkundigungen einzuziehen vermag (§ 272 ZPO), im Anwaltsprozeß sind außerdem die Schriftsatzfristen des § 132 zu wahren. Die Parteien haben aber kein absolutes Vertagungsrecht wegen neuen Vorbringens oder verspäteter Schriftsatzzustellung. Lehnt das Gericht der durch neues Vorbringen überraschten Partei die Vertagung ab, so bestimmt es ihr eine Erklärungsfrist und setzt geräumigen Verkündungstermin an; in diesem Fall werden die von der Partei innerhalb der Frist durch Schriftsatz gemachten Anführungen so berücksichtigt, als ob sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden wären. § 272 a.

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Zurücknahme des Antrags auf Parteivernehmung

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Die Parteien sind einverstanden: „ D i e Parteien beantragten übereinstimmend Vertagung. Vorgelesen, genehmigt. E s wurde der B e s c h l u ß verkündet: Die Sache wird auf den 28. Februar 1956, vormittags io 1 /« Uhr vertagt. Richter.

Urkund".

V o r b e h a l t s u r t e i l . Die Parteien folgen dem Rat des Richters und nehmen sich Anwälte, die bis zum neuen Termin Schriftsätze einreichen. Am 28. Februar erscheinen: „ 1 . der Kläger in Person und für ihn R A Schworz, z. der Beklagte Max Schellenberg und für die Beklagten R A Weiß. Die Parteien stellten die gleichen Anträge wie im Termin am 18. Februar d. J . und verhandelten streitig zur Sache. Die Beklagten beantragten die Vernehmung des Klägers über die Behauptung, er habe am 6. Februar d. J . bei Besichtigung des verkauften Tabaks im Speicher der Beklagten zu 1 erklärt, er sehe selbst ein, daß es eine minderwertige Ware sei und daß er sie zurücknehmen müsse, weil gar keine Deckblätter, dagegen eine Menge Rippen, Abfall und Bruch dabei wären."

Lehnt der Kläger ab, sich vernehmen zu lassen oder gibt er auf Verlangen des Gerichts keine Erklärung ab, so kann eine vereinbarte Wandelung (§465 B G B ) als bewiesen angenommen werden (§ 446 ZPO), und es kommt nicht mehr darauf an, ob den Beklagten das gesetzliche Wandelungsrecht zusteht, dessen Voraussetzungen im Urkundenprozeß nicht beweisbar sind. „ D e r Kläger erklärte sich zur Vernehmung bereit. Hierauf nahmen die Beklagten den Antrag auf Parteivernehmung zurück. Vorgelesen, genehmigt."

Wie ist dieses Verhalten der Beklagten zu erklären? Hätte Ehlers seine gegenteilige Behauptung bestätigt, so hätte das Gericht gemäß § § 4 5 3 , 286 Z P O wahrscheinlich angenommen, daß keine Wandelung vereinbart wurde. Diese Beweiskraft der Parteivernehmung würde auch im Nachverfahren gewirkt haben. Denn aus der bindenden Kraft des Vorbehalturteils ( § 3 1 8 ) folgt, daß im Nachverfahren nicht anders entschieden werden darf, außer soweit das Vorbehaltsurteil auf der dem Urkundenprozeß eigentümlichen Beschränkung der Beweismittel beruht (Baumbach, zu § 600 1 C). Die Beklagten hätten sich also der Möglichkeit beraubt, die Abrede im Nachverfahren durch die ihnen zur Verfügung stehenden Zeugen zu beweisen. Da der Antrag auf Parteivernehmung einfacher Beweisantritt ist, kann er beliebig zurückgenommen werden (Baumbach zu § 4 5 i , 2). Das Nachverfahren hat gerade den Zweck, dem Beklagten, der im Urkundenprozeß infolge der dort herrschenden Beschränkung der Beweismittel unterlegen ist, die Ausführung seiner Rechte zu ermöglichen. Deshalb wird der Vorbehalt schon gemacht, wenn der Beklagte „dem geltend gemachten Anspruch widersprochen", d. h. Klagabweisung beantragt hat (§ 5991). Um sich den Übergang ins Nachverfahren offenzuhalten, braucht er also im Urkundenprozeß seine Einwendungen nicht einmal zu substanziieren, und wenn er sieht, daß er im Urkundenprozeß doch nicht durchdringen wird, nimmt er — für den Urkundenprozeß — am besten von jeder näheren Darlegung Abstand. Hat das Vorbehaltsurteil eine Einwendung des Beklagten, die nicht mit im Urkundenprozeß zulässigen Beweismitteln belegt ist, aus Rechtsgründen für unschlüssig erklärt, und erlangt das V o r behaltsurteil Rechtskraft, so wird damit dem Beklagten die Einwendung auch für das Nachvcrfahren L u x , Schulung. 4. Aufl. (Berg)

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Vorbehaltsurteil

endgültig abgeschnitten. E r muß dann, um noch eine Chance für das Nachverfahren zu behalten, gegen das Vorbehaltsurteil Berufung einlegen und die Klageabweisung beantragen, bloß damit das Berufungsgericht seine Berufung mit der Begründung zurückweist, die Einwendungen seien wegen des Fehlens zulässiger Beweisantritte nicht zu beachten, aber immerhin materiell erheblich.

Die Verurteilung der Beklagten ist jetzt nicht mehr abzuwenden: „ E s wurde das Urteil verkündet: Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, dem Kläger 557,80 D M (i. W . ) nebst 6 % Zinsen seit dem 6. Februar 1956 zu zahlen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird die A b w e n d u n g der Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 400 D M (i. W . ) nachgelassen. Den Beklagten wird die Ausführung ihrer Rechte vorbehalten."

Vgl. §§ 5991, 7°8 4 , 713 n Gegen das Urteil haben die Beklagten zwei verschiedene Behelfe: sie können Berufung einlegen, oder sie können das Nachverfahren aufnehmen. Sind ihre Einwendungen nur mit Zeugen oder Sachverständigen zu belegen, so verspricht die Berufung keinen Erfolg. Trotzdem würde sie früher häufig durchgeführt, um die Vollstreckung des Vorbehaltsurteils hinauszuziehen, da der Vollstreckungsnachlaß aus § 7 1 3 1 1 mit der Rechtskraft des Vorbehaltsurteils seine Wirkung verliert.^Die Verurteilten liefen sonst bei einem vermögenslosen Kläger Gefahr, den ihnen nach erfolgreichem Nachverfahren gemäß §§ 600 11 , 302IV S. 3 zustehenden Ersatzanspruch nicht realisieren zu können. Die heute herrschende Ansicht gestattet aber in entsprechender Anwendung der §§7191, 707, 769 eine Einstellung der Zwangsvollstreckung im Nachverfahren mit der Einschränkung, daß bei der Entscheidung über die Einstellung die Aussicht des Nachverfahrens scharf zu prüfen ist, da andernfalls der Wechselprozeß seinen Sinn verliert. Vgl. Berg, DRiZ 51/59; O L G Stuttgart NJW 52/229 mit weit. Nachweisen. Läßt man die Einstellung zu, so erübrigt sich die Einlegung einer im Wechselverfahren aussichtslosen Berufung. N a c h v e r f a h r e n . Wenn auch das Vorbehaltsurteil in bezug auf Rechtsmittel und Vollstreckbarkeit einem Endurteil gleichsteht (§ 599111), ist es doch seiner Natur nach Zwischenurteil und der Rechtsstreit von selbst im ordentlichen Verfahren anhängig geblieben (§ 6001). Durch die mit dem Vorbehaltsurteil abschließende Verhandlung ist der Termin nicht „verbraucht". Deshalb lassen manche Richter nach Verkündung des Vorbehaltsurteils alsbald im Ordinarium weiter verhandeln oder beraumen hierzu von Amts wegen neuen Termin an; andere warten den Antrag der einen oder der anderen Partei ab, für welche eine Frist nicht besteht. In unserem Fall wird sofort weiter verhandelt: „Sodann beantragen die Beklagten: unter A u f h e b u n g des ergangenen Vorbehaltsurteils die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragte: das Urteil vorbehaltslos aufrecht zu erhalten. Die Parteien verhandelten im ordentlichen Verfahren. Vorgelesen, genehmigt."

Hat der Kläger bereits vollstreckt, so kann der Beklagte die von ihm beigetriebene Summe und etwaigen durch die Vollstreckung entstandenen Schaden im Nachverfahren geltend machen (§§ 302™ S. 4, 60011). Den Antrag des Klägers formuliert man auch: „das im Scheckprozeß ergangene Urteil zu bestätigen" oder: „den Vorbehalt für erledigt zu erklären".

Prozeßrichter des Amtsgerichts •— Nachverfahren

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„Es wurde der Beweisbeschluß verkündet: I. Es soll Beweis erhoben werden über folgende Fragen: 1. Hat der Kläger bei Verkauf des Tabaks an die Beklagten zu i ausdrücklich zugesichert, daß es sich um prima Ware, fast nur Deckblätter, frei von Rippen handle ? 2. Ist der gelieferte Posten Tabak nicht prima Ware, fast nur aus Deckblättern bestehend und frei von Rippen? Ist die Ware vielmehr minderwertig, zum großen Teil Rippen und fast gar keine Deckblätter ? Kann sie als Handlungsgut mittlerer Art und Güte bezeichnet werden? 3. Hat der Kläger bei Besichtigung des verkauften Tabaks am 6. Februar d. J. im Speicher der Beklagten zu 1 erklärt, er sehe selbst ein, daß es eine minderwertige Ware sei und daß er sie zurücknehmen müsse? 4

" durch Vernehmung a) des Werkmeisters Unkel, Köln, Klosterstr. 88, als Zeugen zu 1, b) des Tabak-Großhändlers Stefan Klahn, Köln, Weidenbach 3, als Sachverständigen zu 2, c) des Lagerhalters Jeenel, Köln, Klosterstr. 88 als Zeugen zu 3. zu a) vom Kläger, im übrigen von den Beklagten benannt

Nachdem die Beweisaufnahme die Behauptungen der Beklagten bestätigt hat, ergeht das Endurteil: „Das im Scheckprozeß ergangene Vorbehaltsurteil vom 28. Februar 1956 wird aufgehoben. Der Kläger wird mit der Klage abgewiesen und hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar."

Arrestverfahren. Verarbeitung gestohlener Sachen Arrestgesuch. „An das Amtsgericht Köln.

Aachen, den 12. Februar 1956. Arrestgesuch

des Altwarenhändlers Viktor Hunold in Aachen, Marktplatz 5, Gläubigers, Prozeßbevollmächtigter: RA Grün in Aachen, gegen den Kaufmann und Fabrikbesitzer Hubert Knoke in Köln, Bonner Str. 49, Schuldner. Im Januar d. J. hat der in der Stoiberger Filiale des Gläubigers angestellte Christian Pape etwa 600 Ztr. feinen Tuchabfall heimlich aus dem unter seinem Verschluß befindlichen Speicher des Gläubigers zu dem Handelsmann Nikolaus Pape in Köln, seinem Vetter, schaffen lassen. Nikolaus Pape hat die Ware an den Schuldner geliefert, der sie in seiner Lumpenreißerei und Spinnerei zu etwa 7500 Decken verarbeitet hat. Nach der ganzen Sachlage besteht kein Zweifel, daß die drei Personen auf Verabredung gehandelt haben und daß insbesondere der Schuldner durch Erwerb der Ware bösgläubig an der Schädigung des Eigentums mitgewirkt hat. Der Gläubiger ist deshalb berechtigt Herausgabe der aus dem gestohlenen Tuchabfall hergestellten Decken oder — falls angenommen werden sollte, daß das Eigentum an den Decken dem Schuldner zusteht — Zahlung des Werts der gestohlenen Abfälle vom Schuldner zu verlangen. Der Wert beträgt mindestens 7200 DM. Im Hinblick auf die Strafbarkeit der Handlungsweise des Schuldners muß damit gerechnet werden, daß er versuchen wird, die Decken und sein sonstiges Vermögen dem Zugri ff des Gläubigers zu entziehen. Ein Strafverfahren gegen den Schuldner und die beiden Pape wegen Unterschlagung und gewerbsmäßiger Hehlerei schwebt bereits. 4*

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Verarbeitung gestohlener Sachen Zur Glaubhaftmachung überreiche ich eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers Althoff und Brief des allgemein beeidigten Sachverständigen Nolle. Ich überreiche ferner meine Vollmacht und beantrage: a) wegen der dem Gläubiger zustehenden Ansprüche auf Herausgabe der Decken oder auf Wertersatz der Tuchabfälle in Höhe von 7200 D M (i. W.) nebst 6% Zinsen seit dem 1. Februar 1956 sowie wegen 1200 D M (i. W.) Kostenpauschquantum den dinglichen Arrest in das Vermögen des Schuldners anzuordnen, b) in Vollziehung des Arrestes die Forderung desjSchuldners an dieKölner Kreditbank A . G . in Köln aus seinem laufenden Konto von 3000 D M (i. W.) für den Gläubiger zu pfänden. Für den Gläubiger: Grün, RA."

Christian Pape hatte an den in seiner tatsächlichen Gewalt befindlichen Waren nur die Rechtsstellung eies Besitzdieners ( § 8 5 5 B G B ) . Sachen des Dienstherrn, die der Besitzdiener beiseite schafft, sind v o m Standpunkt des Besitzherrn „abhanden gekommen" C§ 9 3 5 1 S- 2 )- Daraus folgt, daß Knoke, selbst wenn er gutgläubig gewesen sein sollte, kein Eigentum an den entwendeten Tuchabfällen erworben hat. Dagegen würde K n o k e durch die in seinem Betrieb vorgenommene Verarbeitung der Abfälle gemäß § 950 Eigentümer der hergestellten Decken geworden sein, sofern nicht — was Hunold zu beweisen hat — der Wert der Verarbeitung „erheblich geringer" war als der Wert des Stoffes. Hat hiernach Knoke erst durch die Spezifikation Eigentum an den Decken erlangt, so ist er nach § 9 5 1 1 verpflichtet, Hunold den Wert der Abfälle nach den Grundssätzen der ungerechtfertigten Bereicherung zu vergüten, so daß Hunold die Voraussetzungen einer schuldhaften Schädigung seines Eigentums ( § § 9 8 9 ^ , 95111) nicht nachzuweisen braucht. Andrerseits wird Knokes Spezifikationserwerb, weil rein tatsächlicher Natur, durch seinen etwaigen bösen Glauben nicht ausgeschlossen. Der Arrestanspruch auf Herausgabe der Decken oder auf Wertersatz ist also v o m guten oder bösen Glauben des Schuldners durchaus unabhängig. Dagegen hat Knokes Bösgläubigkeit, wie wir noch sehen werden, erhebliche Bedeutung für den Arrestgrund (unten S. 53). O b Hunold ein Recht auf Herausgabe der Decken oder ein Recht auf Ersatz des Wertes der Tuchabfälle in Geld zusteht, ist noch unklar. Das hindert jedoch den Erlaß des beantragten Arrestes nicht: denn der Arrest findet sowohl zur Sicherung v o n Geldforderungen als von solchen Individualansprüchen statt, deren Übergang in eine Geldforderung möglich ist (§ 9161). Gemäß §§ 989f. B G B kann sich der Eigentumsanspruch an den Decken in eine Schadensersatzforderung verwandeln. F o r m a l i e n : Der Arrest zählt zu den Verfahren mit fakultativer Mündlichkeit, welche in der Terminologie der ZPO nicht durch „Antrag", sondern durch „Gesuch" eingeleitet werden. Vgl. § 9201 ZPO. Damit hängt weiter zusammen, daß das Gesuch auf der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden kann, daß es — was für Arrest- und einstweilige Verfügungssachen beim Land- und Oberlandesgericht wichtig wird — keinem Anwaltszwang unterliegt und daß die Vollmacht des Prozeßbevollmächtigten nachgewiesen werden muß. §§ 920III, 78 1 1 , 8811. Die gesetzlichen Parteibezeichnungen beim Arrest sind „Gläubiger" und „Schuldner" (§ 929I). Bei einstweiligen Verfügungen spricht man von „Antragsteller" und „Antragsgegner". Statt dieser schwerfälligen Formeln sind auch (für Arrest und einstweilige Verfügung) die Ausdrücke „Arrestkläger" und „Arrestbeklagter" oder — nachdem das Verfahren durch Widerspruch in die Mündlichkeit übergeleitet worden ist — einfach „Kläger" und „Beklagter" üblich. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts zum Erlaß des Arrestes über eine so hohe Summe folgt daraus, daß Knoke in Köln ansässig und deshalb mit dem Vorhandensein von Pfandobjekten im Gerichtsbezirk zu rechnen ist (§ 919). Das Amtsgericht konkurriert, auch wenn der Fall nicht besonders dringlich ist, mit dem Gericht der Hauptsache: Landgericht Köln als allgemeiner Gerichtsstand oder als forum delicti commissi (§§ 13, 32). Als Arrestgericht besitzt das Amtsgericht Köln

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Glaubhaftmachung

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auch die Zuständigkeit zur Pfändung von Forderungen in Vollziehung des Arrestbefehls; die Zuständigkeit des in § 828 11 bezeichneten Gerichts wird dadurch ausgeschlossen.! §§ 930I S. 2, 802.

P r ü f u n g . A r r e s t g e g e n S i c h e r h e i t s l e i s t u n g . In seiner eidesstattlichen Versicherung schildert Geschäftsführer Althoff ausführlich, wie er, nachdem das Verschwinden der Abfälle entdeckt worden war, mit dem Kölner Kriminalkommissar die Spur verfolgt habe, dabei nach Köln zu Knoke gekommen sei und an den noch herumliegenden Resten der größtenteils schon verarbeiteten Abfälle sowie durch die in Gegenwart des Kommissars von Knoke und seinen Leuten abgegebenen Erklärungen die Identität der zur Herstellung der Decken verwandten und der aus dem Hunoldschen Speicher fortgeschafften Ware einwandfrei festgestellt habe. — Der Referendar: Für den behaupteten Wert hat der Gläubiger nichts beigebracht als folgenden Brief: „Herrn Viktor Hunold, Aachen. D a ich mir die Tuchabfälle s. Z . bei Ihnen nur flüchtig angesehen habe, kann ich Ihrem Wunsch wegen eines Gutachtens über den Wert leider nicht entsprechen. Es kann aber sein, daß der Wert 10—12 D M je Zentner beträgt. Hochachtungs vol 1 Köln, den 9. Februar 1956.

Wilhelm Nolte vereidigter Sachverständiger für Altmaterialien."

Solche ganz unbestimmte Angaben, deren Richtigkeit Nolte nicht einmal eidesstattlich versichert, stellen keine Glaubhaftmachung dar. Hinsichtlich des Arrestgrundes (§ 917) fehlt es an jeder Substanziierung, geschweige denn Glaubhaftmachung. Der Richter: Im Wesen der Glaubhaftmachung liegt, daß bei ihr ein geringerer Grad von Uberzeugungswert ausreicht als beim eigentlichen Beweis. Deshalb wird in Glaubhaftmachungsfällen die eidliche Zeugen- und Sachverständigenaussage meist durch eidesstattliche Versicherung ersetzt (§ 294). Aber nirgends ist es vorgeschrieben, daß andere als eidesstattliche Erklärungen zur Glaubhaftmachung ungeeignet wären. Auch für die Glaubhaftmachung gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286) und das Gericht kann sich nach seinem Ermessen mit formloser Erklärung eines Dritten begnügen. Ebenso wie man z. B. ärztliche Atteste allgemein als Glaubhaftmachung anerkennt, halte ich durch den Brief Noltes, der als gerichtlicher Sachverständiger sich seine vorsichtige Schätzung jedenfalls wohl überlegt hat, den Wert von 10—12 D M für glaubhaft gemacht. — Was den Arrestgrund anlangt, so müssen wir bei einem Manne, der sich Vermögensvorteile durch eine strafbare Handlung verschafft, auch darauf gefaßt sein, daß er bestrebt sein wird, sich die Früchte seiner Straftat nötigenfalls durchVermögensverschiebung zu erhalten. Es ist das, abgesehen vom Ausländerarrest (§ 91711), geradezu der typische Arrestgrund. Vielleicht sind die Voraussetzungen der einfachen oder gar gewerbsmäßigen Hehlerei (§§ 259^ StGB) nicht glaubhaft gemacht, aber nach dem ganzen Sachverhalt besteht doch gegen Knoke ein starker Verdacht. Das Gericht soll Arrestgesuche, besonders bezüglich des Arrestgrundes, mit einem gewissen Wohlwollen behandeln; denn wenn der Antragsteller die causa arresti ganz einwandfrei glaubhaft zu machen vermag, kommt der Arrest erfahrungsgemäß zu spät. A u f der anderen Seite ist es mißlich, auf Grund einseitiger Angaben des Gläubigers so einschneidende Maßnahmen zu treffen. Zur Beseitigung dieses Dilemmas zunächst den Schuldner zu hören oder gemäß § 921 1 Z P O mündliche Verhandlung über das Arrestgesuch anzuordnen, wäre gefährlich. Der Schuldner könnte dadurch gewarnt und veranlaßt werden, noch in letzter Stunde den Erfolg des Arrestschlags durch

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Arrest gegen Sicherheitsleistung

Verschiebungen zu beseitigen; dagegen kann bei einstweiligen Verfügungen die Anordnung der mündlichen Verhandlung oftmals sachgemäß sein. Darum will ich den Arrest nur gegen Sicherheit erlassen (§ 921I 1 ). Daß Hunold nicht, wie das häufig geschieht, sich zur Sicherheitsleistung besonders erboten hat, stört nicht. Bestehen gegen den Erlaß eines Arrestes ohne Kaution Bedenken, so hat das Gericht von A m t s wegen zu prüfen, ob nicht dem Gesuch gegen Sicherheitsleistung stattzugeben wäre. Referendar: Wenn nun Hunold die Sicherheit nicht leisten kann oder will? Richter: Dann bleibt ihm die Beschwerde. A l s Rechtsmittel gegen die A b lehnung v o n Arrestgesuchen ist einfache unbefristete Beschwerde aus § 5 67 gegeben, nicht sofortige Beschwerde aus § 7 9 3 : denn das Arrestverfahren wird zwar im 8. Buch der Z P O geregelt, ist aber keine Zwangsvollstreckung, sondern eine summarische Prozeßart. Mache ich den Arrest von einer Sicherheit des Gläubigers abhängig, so bedeutet das eine Zurückweisung des auf bedingungslosen Erlaß des Arrestbefehls gerichteten Prinzipalantrags und Hunold kann sich demgemäß nach § 567 beschweren. Verfügung: „ 1 . An R A Grün: In Sachen . . . wird der Erlaß des Arrestbefehls davon abhängig gemacht, daß der Gläubiger binnen 10 Tagen gemäß §108* S. 2 ZPO Sicherheit in Höhe von 10000 D M leistet. Falls der Gläubiger aus besonderen Gründen eine andere Art der Sicherheitsleistung wünscht, wird ihm anheimgegeben entsprechende Anträge zu stellen (§ 108 1 S. 1). 2. Nach 10 Tagen." Die Sicherheit haftet dem Schuldner für seinen etwaigen Schadensersatzanspruch aus § 945, muß also reichlich bemessen werden. Ist die Glaubhaftmachung teilweise beigebracht, so kann das Gericht mit Rücksicht darauf, daß keine große Wahrscheinlichkeit für die künftige Aufhebung des Arrestes besteht, die Sicherheit auch unter dem Betrag der Arrestforderung bestimmen. Das Gericht gibt entweder zunächst dem Gläubiger die Sicherheitsleistung auf, um nach erfolgter Hinterlegung den Arrest in unbedingter Form zu erlassen, oder es ordnet sofort den Arrest an und macht lediglich seine Vollziehung von Leistung der Sicherheit abhängig. Baumbach zu § 921, 2 B. Die zweite Methode, bei welcher erst das Vollstreckungsorgan die Sicherheit nachprüft, hat den Vorzug, daß es dem Gläubiger Zeit erspart. Für unseren Fall kommt es nicht in Betracht, weil die erbetene Forderungspfändung keinesfalls vor Nachweis der Sicherheitsleistung erfolgen darf. A r r e s t - u n d P f ä n d u n g s b e s c h l u ß . Nachdem Hunold die Sicherheit geleistet hat, ergeht der „ A r r e s t b e f e h l und P f ä n d u n g s b e s c h l u ß . Geschäftsnummer: 2 1 G 1 3 / 5 6 In Sachen des Altwarenhändlers Viktor Hunold in Aachen, Marktplatz 5, Prozeßbevollmächtigter: R A Grün in Aachen,

Gläubigers,

gegen den Kaufmann und Fabrikbesitzer Hubert Knoke in Köln, Bonner Str. 49, Schuldner. Der Gläubiger hat geltend gemacht (folgt kurz die Sachdarstellung des Arrestgesuchs). Diese Behauptungen sind teilweise durch . . . glaubhaft gemacht. Der Gläubiger hat ferner durch Bürgschaftserklärung der Rhein-Ruhr-Bank Filiale Aachen vom 16. Februar 1956 Sicherheit in Höhe von 10000 DM geleistet. Auf Antrag des Gläubigers wird daher gemäß §§ 916, 917, 919, 921, 922, 923, 91, 930I S. 3 ZPO angeordnet: 1. Wegen der Forderung des Gläubigers auf Herausgabe von etwa 7500 aus feinem Tuchabfall hergestellten Decken beziehungsweise auf Vergütung des Wertes der zu den Decken

Prozeßrichtet des Amtsgerichts — Zustellung des Arrestbefehles

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verarbeiteten Tuchabfälle in Höhe von 7200 DM (i. W.) nebst 6 % Zinsen seit 1. Februar 1956 sowie gegen 1200 DM (i. W.) Kostenpauschquantum wird der dingliche Arrest in das Vermögen des Schuldners angeordnet." Obgleich die Zuständigkeit des Gerichts auf dem im Amtsgerichtsbezirk befindlichen Vermögen des Schuldners beruht, wird der Arrest doch ohne Beschränkung auf dieses Vermögen erlassen; er bildet in allen deutschen Ländern einen Vollstreckungstitel. Baumbach zu § 919, 3. „2. Die Kosten des Arrestverfahrens fallen dem Schuldner zu Last." O b der Arrestbeschluß über die Kosten mit entscheiden darf, ist nicht unbestritten. Baumbach zu § 9 1 , 2 B . Lehnt das Arrestgericht die Kostenentscheidung ab, so muß der Arrestkläger die Kosten zunächst selbst tragen, kann sie aber durch besondere Klage (oder als Nebenanspruch im Hauptprozeß) geltend machen, weil sie durch den Verzug oder die unerlaubte Handlung des Arrestbeklagten notwendig geworden sind. „3. In Vollziehung des Arrests wird die Forderung des Schuldners an die Kölner Kreditbank A. G. in Köln aus seinem laufenden Konto auf Zahlung von 3000 DM (i. W.) für den Gläubiger gepfändet. 4. Durch Hinterlegung eines Geldbetrags von 9000 D M (i. W.) wird die Vollziehung des Arrestes gehemmt und der Schuldner zu dem Antrag auf Aufhebung des vollzogenen Arrestes berechtigt. Köln, den 18. Februar 1956. Amtsgericht. Richter." Abweichend von § 329111, welcher Offizialzustellung nicht verkündeter Beschlüsse an beide Parteien vorschreibt, stellt das Gericht den Beschluß nur dem R A Grün zu, und zwar in einfacher, nicht in vollstreckbarer Ausfertigung (§ 9291). Der Gläubiger hat dann die Zustellung an Knoke sowie an den Drittschuldner im Parteibetrieb zu besorgen (§ 92211). Das hängt damit zusammen, daß Arreste und einstweilige Verfügungen vor der Zustellung an den Schuldner vollzogen werden dürfen (§ 929111): der Gläubiger soll es deshalb in der Hand haben den Zeitpunkt der Zustellung an den Schuldner selbst zu bestimmen. Formlose Aushändigung des Beschlusses an R A Grün würde nicht genügen, weil von der Zustellung an ihn die einmonatliche Vollziehungsfrist (§ 92911) läuft. Wahrscheinlich wird der Anwalt des Gläubigers zunächst die Zustellung an die Kreditbank als Drittschuldnerin der gepfändeten Forderung vornehmen, dann den Gerichtsvollzieher mit Mobiliarpfändung in Geschäftslokal und Wohnung des Schuldners beauftragen, und erst danach den Arrest dem Schuldner selbst zustellen lassen. Diese gesetzlich sanktionierte Überrumpelung ist für Knoke sehr unangenehm. E r hat nicht einmal ein Recht darauf, daß der Gerichtsvollzieher ihm bei der Pfändung das Aktenzeichen der Arrestsache mitteilt und ihm damit die sofortige Erhebung des Widerspruchs ermöglicht! Widerspruch. „ A n das Amtsgericht hier.

Köln, den 23. Februar 1956.

In der Arrestsache Htmold gegen Knoke überreiche ich Vollmacht des Schuldners auf mich und erhebe gegen den Beschluß vom 18. d. M. Widerspruch. Ich werde beantragen: den Arrestbefehl aufzuheben und die Kosten des Verfahrens dem Gläubiger aufzuerlegen." In Arrestsachen müssen 1. das rein schriftliche Beschlußverfahren ( § § 9 2 1 1 , 9221), 2. die Entscheidung über die Rechtsmäßigkeit des Arrestes durch Urteil auf

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — § 816 B G B

Grund mündlicher Verhandlung (§§ 924, 9251), 3. die „Hauptsache", d. h. die endgültige Entscheidung über den Arrestanspruch im gewöhnlichen Prozeß, unterschieden werden. Hatte das Amtsgericht mündliche Verhandlung über den Arrestanspruch angeordnet, so ergeht die Entscheidung alsbald durch Urteil (§ 9221) und schließt die Frage der Rechtmäßigkeit in sich; die Stadien x und 2 werden dann zusammengezogen. Sonst bildet der — an keine Frist gebundene — Widerspruch das Mittel, durch welches der Schuldner die Sache aus dem Beschluß- ins Rechtsmäßigkeitsstadium überleitet. Ein Rechtsmittel findet gegen Arrestbeschlüsse nicht statt. Der Termin wird von Amts wegen bestimmt (§ 92411). „Begründung. x. Der Schuldner war bei Erwerb der Tuchabfälle in gutem Glauben. (wird näher dargelegt). 2. Der Wert betrug nicht 2700, sondern höchstens 4500 DM. Der Wert der Verarbeitung übersteigt erheblich den des Materials. (wird näher dargelegt). 3. Der Schuldner hatte die Abfälle von Pape für 4500 D M gekauft und diesen Betrag an Pape bar bezahlt. Die 4500 D M müssen in jedem Fall von der Arrestforderung in Abzug gebracht werden.*'

Damit hat der Anwalt unrecht. Wären die Abfälle bei Knoke noch unverarbeitet vorgefunden worden, so hätte er sie auf Vindikation des Bestohlenen herausgeben müssen, ohne wegen der an Pape gezahlten Summe ein Lösungsrecht zu haben. Dem entspricht es, daß auch gegenüber dem Wertersatzanspruch aus §9511 B G B Aufwendungen, die der Spezifikant für den Erwerb des Eigentums von einem nicht berechtigten Dritten gemacht hat, nicht in Rechnung gestellt werden dürfen. R G 106, 4; B G H 9, 333. „4. Von den Decken, die der Schuldner aus den Abfällen hergestellt hat, waren bei Zustellung des Arrestbefehls 1250 Stück bereits an verkauft. Wegen dieser Decken bzw. des Wertes der zu ihrer Herstellung verwandten Abfälle — etwa 1 / 8 des Gesamtquantums — kann sich der Gläubiger daher nur an die Käufer halten."

Falls wegen der Geringwertigkeit der Verarbeitung Hunold nach §9501 S. 1 Eigentümer der Decken sein sollte, ist er es trotz der Weiterveräußerung durch Knoke gblieben, da die Käufer — trotz guten Glaubens — an res furtivae kein Eigentum erwerben konnten. Folglich hat Hunold, streng genommen, nur die Vindikation gegen die Käufer, nicht aber den Bereicherungsanspruch aus § 8161 S. 1 an Knoke: denn dieser Bereicherungsanspruch setzt voraus, daß die Verfügung Knokes wirksam war, und die Abkäufer sind wegen §9351 nicht Eigentümer der Decken geworden. Durch nachträgliche Genehmigung seitens des Berechtigten wird aber die an sich unwirksame Verfügung eines Nichtberechtigten wirksam (§ 18511), und indem Hunold den Erlös der verkauften Decken von Knoke fordert, genehmigt er die Veräußerung an die Käufer. Mithin muß Knoke seinen Erlös an Hunold herausgeben. R G 106, 44; 1 1 5 , 31. Hatte Knoke Spezifikationseigentum erlangt, so ist gegenüber seiner dann bestehenden Haftung aus §9511 S. 1 der Weiterverkauf unerheblich. Wenn jedoch seine Abkäufer zahlungsunfähig sind, würde dieser Umstand den Einwand des Wegfalls seiner eigenen Bereicherung (§ 818m) begründen. „5. Es fehlt an einem Arrestgrund. (wird näher dargelegt).

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Beweisaufnahme im Widerspruchsverfahren

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Die Glaubhaftmachung der Angaben zu i bis 5 werde ich im Termin erbringen und die von mir benannten Zeugen und Sachverständigen zum Termin stellen. Ich bitte: im Wege der Prozeßleitung die Strafakten der Staatsanwaltschaft in Köln gegen Pape und Gen. Aktenzeichen 4 J s 125/56, zum Termin beizuziehen. Für den Schuldner: Weiß, R A . " Der Richter gibt dem Wunsch des Schuldners statt und ersucht bei Anberaumung des Termins die Kölner Staatsanwaltschaft um schleunige Ubersendung der Strafakten. V e r h a n d l u n g u n d E n t s c h e i d u n g ü b e r d i e R e c h t m ä ß i g k e i t . Im Widerspruchstermin melden sich bei A u f r u f : „ 1 . für den Arrestkläger R A Schwang, Untervollmacht des R A Grün überreichend und der Arrestkläger in Person, 2. für den Arrestbeklagten R A Weiß und der Arrestbeklagte in Person. R A Schwarz beantragte: den Arrestbefehl vom 18. Februar 1956 zu bestätigen. R A Weiß stellte den Antrag aus der Widerspruchsschrift vom 23. Februar 1956. Die Parteien verhandelten hieravif zur Sache. Die Akten der Staatsanwaltschaft in Köln gegen Pape und Genossen, 4 J s 125/56, lagen vor. Der Arrestkläger überreichte: Der Arrestbeklagte überreichte: Es wurden folgende Zeugen und Sachverständigen vernommen: 1. Zeugin Klapper-. Z. P.: Ich heiße Frida Klapper, bin 26 Jahre alt, Stenotypistin in Köln im Geschäft des Arrestbeklagten, mit keiner der Parteien verwandt oder verschwägert. Z. S.: Der Arrestbeklagte hat für die etwa 600 Ztr. feine Tuchabfälle mit dem Verkäufer Nikolaus Pape aus Köln einen Gesamtpreis von 4500 DM vereinbart, nachdem Pape zuerst 8 DM für den Zentner verlangt, der Arrestbeklagte 7 D M geboten hatte. Ich hatte den Eindruck, daß es den Beteiligten bei dem Handeln um den Preis ernst war und daß sie nicht bloß zum Schein den Preis vereinbart haben. Bei der Bezahlung, die sofort erfolgen sollte, war nicht ich, sondern unser damaliger Korrespondent Lang zugegen. Ich wurde, als es so weit war, vom Chef mit einem Auftrage in die Reißerei geschickt. Als ich zurückkehrte, war Pape bereits fortgegangen. Lang ist einen Tag, nachdem der Gerichtsvollzieher bei uns im Geschäft aus dem Arrest gepfändet hatte, verschwunden. Den Grund kenne ich nicht. Unter dem Personal wurde behauptet, daß er in eine Falschspielersache verwickelt sei. Andere sprachen von einer Liebesgeschichte mit halbwüchsigen Mädchen. Vorgelesen, genehmigt. Die Zeugin blieb unbeeidigt. 2. Sachverständiger Grote: Z. P.: Ich heiße Mathias Grote, bin 39 Jahre alt, Altmaterialienhändler in Köln, mit den Parteien weder verwandt noch verschwägert. Z. S.: Nach den mir heute vom Arrestbeklagten vorgelegten, vom Arrestkläger als richtig anerkannten Proben halte ich unter der Voraussetzung, daß die Proben dem Durchschnitt der Ware entsprechen, einen Betrag von 12 D M für den Zentner für angemessen, da es sich um besonders gute Tuchabfälle handelt. Im Verkehr wird eine solche Ware allerdings manchmal auch mit 8—10 DM bezahlt, weil nach so guter Ware wenig Nachfrage besteht. Die aus dem Tuchabfall hergestellten Decken haben einen Handelswert von 2,10—2,30 DM das Stück. Da aus einem Zentner Abfall 12—13 Decken gewonnen werden, sind als Wert des verarbeiteten Tuchabfalls etwa 0,96 DM pro Decke einzusetzen. An weiteren Materialen rechne ich pro Decke 0,10 DM, an Arbeitslöhnen einschließlich Generalunkosten 0,50—0,60 DM. Vorgelesen, genehmigt. Der Sachverständige blieb unbeeidigt. 3

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Prozeßrichter des Amtsgerichts —• Beweisaufnahme im Widerspruchsverfahren

Das Rechtmäßigkeitsverfahren ist immer noch Arrestprozeß (mit dem alten G-Aktenzeichen) und unterliegt als solches dem Prinzip der „Glaubhaftmachung" (§ 92011 ZPO). Die Glaubhaftmachung wird nach mancher Richtung gegenüber dem Beweise erleichtert (S. 5 3), auf der anderen Seite bestimmt jedoch § 29411, daß eine Beweisaufnahme, welche nicht sofort erfolgen kann, unstatthaft ist. Diese Beschränkung auf präsente Beweismittel gilt für Zeugen, Sachverständige und Urkunden in gleicher Weise. Es gibt keine Zeugen- und Sachverständigenladungen durch das Gericht, sondern die glaubhaftmachungspflichtige Partei muß entweder die fertige eidesstattliche (oder sonstige) Erklärung dem Gericht überreichen, oder den Zeugen bzw. Sachverständigen zum Termin „stellen": daher der Schwärm von Beweispersonen, mit denen die Anwälte in Arrest- und einstweiligen Verfügungsterminen in foro aufzutreten pflegen. Vernimmt das Gericht die herbeigeschafften Personen, so haben sie die Richtigkeit ihrer Aussage bzw. ihres Gutachtens nicht bloß an Eides Statt zu versichern, sondern unter den Voraussetzungen des § 391 zu beschwören. Daß die Zeugen und Sachverständigen ohne Beweisbeschluß vernommen worden sind, ist übrigens keine Eigentümlichkeit des Arrestoder Glaubhaftmachungsverfahrens, sondern folgt daraus, daß die Beweisaufnahme durch sofortige Vernehmung präsenter Personen kein „besonderes Verfahren" erfordert (§ 358, oben S. 30). Auch Urkunden müssen zur Stelle sein, einen Beweisantritt durch den Antrag, dem Gegner die Vorlegung aufzugeben oder dem Beweisführer eine Frist zur Herbeischaffung zu bestimmen oder eine Behörde um Mitteilung zu ersuchen (§§421, 428, 432), gibt es in den Fällen der Glaubhaftmachung nicht. Soweit es sich jedoch um Akten handelt, wird das durch den in allen Verfahrensarten anwendbaren § 272 b2 gemildert, nach dem das Gericht Akten zur Vorbereitung des Termins im Wege der Prozeßleitung einfordern darf. Macht das Gericht — von Amts wegen oder auf Parteianregung •— von dieser Befugnis Gebrauch und sind die Akten zum Termin da (wie hier die Strafakten Pape), so kann ihr Inhalt als präsentes Beweismittel verwertet werden; liegen sie nicht vor, so hat die Partei kein Recht ihre Herbeischaffung zu verlangen oder die Verhandlung vertagen zu lassen. Der Arrestanspruch ist für das Gericht glaubhaft gemacht, und zwar nach dem Groteschen Gutachten als Bereicherungsanspruch aus §§9501, 9511 B G B , weil der Wert der Verarbeitung jedenfalls nicht „erheblich geringer" war als derjenige des Stoffes. Aber auch den Arrestgrund vermag Knoke nicht zu erschüttern, denn die Papeschen Strafakten enthalten Belastendes gegen ihn und das Verschwinden des wichtigen Zeugen Lang unmittelbar nach der Arrestpfändung ist verdächtig. Die Lücken und Schwächen der Glaubhaftmachung gleicht die Sicherheitsleistung des Klägers aus (§§ 92111 S. 1, 92511 ZPO). „Die Parteien verhandelten unter Wiederholung der früheren Anträge zur Sache und über das Ergebnis der Beweisaufnahme. Vorgelesen, genehmigt. Es wurde das Urteil verkündet: Der Arrestbefehl vom 18. Februar 1956 wird bestätigt. Die weiteren Kosten des Verfahrens werden dem Arrestbeklagten auferlegt.

Richter.

Urkmd."

A u f h e b u n g w e g e n v e r ä n d e r t e r U m s t ä n d e . Was soll ein Arrestbeklagter in Knokes Lage noch gegen den Arrest tun?

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Rechtsbehelfe des Arrestbeklagten

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1. Im Widerspruchsverfahren steht ihm Berufung ans Landgericht zu, welches über die Rechtmäßigkeit des Arrests endgültig entscheidet (auch bei landgerichtlichen Arresten gibt es nur zwei Instanzen, sogar in revisiblen Objekten, § 545n). Da das Berufungsgericht wiederum an die Regeln der Glaubhaftmachung gebunden ist, verspricht das Rechtsmittel keinen Erfolg. 2. Knoke muß also versuchen, die Sache ins Ordinarium überzuleiten. Dies geschieht, indem er gegen Hunold im gewöhnlichen Prozeß negative Feststellungsklage (§ 256) erhebt. Will er nicht selbst klagen, so läßt er dem Arrestkläger gemäß § 9261 eine Frist bestimmen, in der dieser Klage zur Hauptsache erheben muß. Das ist auch nach rechtskräftiger Bestätigung des Arrests möglich. Die Fristsetzung erfolgt im Beschlußverfahren durch den Rechtspfleger ( § 1 1 REntlVfg.); nach fruchtlosem Ablauf der Frist wird auf weiteren Antrag des Arrestbeklagten beim Arrestgericht ein Verhandlungstermin anberaumt und in diesem der Arrest durch Urteil aufgehoben. § 926 11 . 3. Ferner kann der Arrestbeklagte jederzeit, auch nach rechtskräftiger Bestätigung des Arrestes, seine Aufhebung wegen veränderter Umstände durch Urteil des Arrestgerichts herbeiführen (§ 927). Die „veränderten Umstände" können namentlich betreffen: den Wegfall des Arrestanspruchs (z. B. bei Abweisung im Ordinarium), des Arrestgrundes (z. B. bei hinreichender Sicherheitsleistung durch den Schuldner) oder der V o l l z i e h b a r k e i t des Arrestes (z. B. nach Ablauf der Vollziehungsfrist des § 92911). Das Verfahren ist Arrestsache mit dem Prinzip der Glaubhaftmachung und dem Aktenzeichen G ; für eine besondere Klage auf Aufhebung fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. R G 132, 180. 4. Liegt dem Arrestbeklagten weniger an der Aufhebung der Arrestanordnung als vielmehr an der Aufhebung der gegen ihn ergangenen Vollziehungsmaßregeln, so hinterlegt er den zu 4 des Arrestbefehls bezeichneten Betrag und läßt sodann den Arrestvollzug im Beschlußverfahren aufheben (§ 9341,111). Zuständig ist der Rechtspfleger (§ 1 1 h REntlVfg.), das Arrestgericht selbst nur, wo es nach § 9301 S. 3 gepfändet hat. Knoke läßt das Urteil rechtskräftig werden, stellt auch keinen Antrag aus § 926. Dagegen reicht nach Verlauf mehrerer Monate sein Anwalt einen Antrag aus § 9 2 7 ein: „In der Arrestsache Hunold gegen Knoke beantrage ich namens des Arrestbeklagten gemäß § 927 Z P O die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung über die Aufhebung des Arrestes wegen veränderter Umstände. Ich werde beantragen: den Arrestbefehl vom 18. Februar 1956 aufzuheben. Begründung. 1. Im Strafverfahren gegen Pape u. Gen. ist der Arrestbeklagte, nachdem der Zeuge Lang ermittelt und gemäß § 66 StPO eidlich vernommen worden war, durch den hiermit überreichten Beschluß der Strafkammer des Landgerichts Köln vom 12. Juni 1956 von der Anschuldigung der gewerbsmäßigen Hehlerei außer Verfolgung gesetzt worden (§ 1981 StPO). 2. In das Geschäft des Arrestbeklagten ist laut beiliegendem beglaubigtem Auszug aus dem Handelsregister am 18. Juni 1956 der Kaufmann Ferdinand Bttnsen als persönlich haftender Gesellschafter eingetreten. Bunsen besitzt nach der gleichfalls überreichten Bankauskunft ein Barvermögen von 50000 D M . V o n einer Gefährdung der Forderung des Arrestgläubigers kann mithin nicht mehr die Rede sein. Abschrift usw. Für den Arrestbeklagten: Weiß. R A . "

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Versäumnisurteil. § 945 Z P O

Der Ausschluß der Haftung für die Verbindlichkeiten des bisherigen Inhabers (§ 2811 HGB) ist im Register nicht eingetragen. Die Haftung aus der Firma gemäß §§ 25, 28, 130 sowie die Vertretungsmacht des offenen Handelsgesellschafters (§ 1261) und die Solidarhaftung der Gesellschafter (§ 128) beschränken sich nicht auf vertragliche Verpflichtungen. Man wendet diese Grundsätze auch auf gesetzliche Obligationen (zu denen der bereicherungsartige Anspruch aus §9511 B G B gehört) an, ja sogar auf Ansprüche aus Delikten und Quasi-Delikten, die auf dem Geschäftsbetrieb beruhen (z. B. Kraftfahrzeug- und Tierhalterhaftung, Boykott, unlauterer Wettbewerb, Patentverletzung, § 831 BGB). R G 46, 18; 76, 35. Der Arrestkläger gibt jetzt die Sache verloren. Im Termin erscheint: „ 1 . für den Arrestkläger niemand, 2. für den Arrestbeklagten R A Weiß. R A Weiß nahm Bezug auf den Antrag des Schriftsatzes vom Arrestkläger das Versäumnisurteil zu erlassen.

und beantragte, gegen den

Vorgelesen, genehmigt."

Für das Versäumnisverfahren gelten, je nachdem es sich gegen den Kläger oder gegen den Beklagten richtet, verschiedene Grundsätze (S. 18). Wird Hunold als Kläger oder als Beklagter behandelt? Der Unterschied der §§330 und 331 ZPO beruht auf dem Gedanken, daß die angreifende Partei ohne weitere Sachprüfung, die angegriffene Partei nur nach Prüfung der Schlüssigkeit verurteilt werden darf. Im Widerspruchsverfahren hat noch der Arrestkläger die Klägerrolle, weil der Arrestbeschluß ohne Anhörung des Gegners erlassen war und darum nicht als vollwertige Entscheidung zählen kann. Dagegen tritt im Aufhebungsverfahren des § 927 eine „Umkehrung der Parteirollen" ein: denn jetzt greift der Arrestbeklagte eine ordnungsmäßig zustande gekommene Entscheidung mit der Behauptung neuer selbständiger Aufhebungsgründe an. Baumbach zu § 927, 3 D. Folglich ist gemäß § 331 zu prüfen, ob die als zugestanden anzusehenden Behauptungen des Arrestbeklagten die Aufhebung des Arrestes rechtfertigen. „ E s wurde folgendes Versäumnisurteil verkündet: Der werden Der Das

Arrestbefehl vom 18. Februar 1956 und das ihn bestätigende Urteil vom 5. März 1956 aufgehoben. Arrestkläger hat die Kosten des Aufhebungsverfahrens zu tragen. Urteil ist vorläufig vollstreckbar."

Vgl. §§91, 7086. Über die Kosten des Arrestbeschluß- und des Widerspruchsverfahrens ergeht keine neue Entscheidung, da die Rechtmäßigkeit des bisherigen Arrestverfahrens durch die Aufhebung nicht berührt wird. Baumbach zu § 927, 3 D. S c h a d e n s e r s a t z w e g e n u n g e r e c h t f e r t i g t e n A r r e s t e s : §945 statuiert eine vom Verschulden unabhängige Ersatzpflicht des Arrestklägers, wenn ein Arrest oder eine einstweilige Verfügung sich als von Anfang an ungerechtfertigt erwiesen hat oder wegen Nichtbeachtung derFristen aus § 926 (oben S. 59) oder § 9 4 2 1 1 1 aufgehoben worden ist. Die Ersatzpflicht umfaßt sowohl den Schaden der Vollziehung selbst wie auch den Schaden, der dem Arrestbeklagten dadurch entsteht, daß er Sicherheit zur Abwendung der Vollziehung geleistet hatte. E r kann das Interesse des Arrestklägers an der Erwirkung des Arrestes um ein Vielfaches übersteigen: man denke etwa an einstweilige Verfügungen aus gewerblichem Rechtsschutz, durch welche die gewerbliche Produktion eines Fabrikanten lahmgelegt wird, oder an Zerstörung des geschäftlichen Kredits des Schuldners durch die Arrestvollziehung. Der Anwalt sollte, bevor er einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung beantragt, stets die Partei auf die ihr hieraus drohende Gefahr aufmerksam machen.

Prozeßrichter des Amtsgerichts — Gerichtskostenrechnung

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Die Fälle der §§ 926, 9 4 2 1 1 1 sind klar: wer als Arrestkläger die ihm gesetzte Frist zur Klage im Hauptprozeß bzw. zur Ladung über die Rechtmäßigkeit verstreichen läßt, zeigt damit, daß er zu seiner Sache kein rechtes Vertrauen besitzt und muß die Folgen tragen. Was aber bedeutet „von Anfang an ungerechtfertigt", besonders bei Aufhebung wegen veränderter Umstände, wie sie in Sachen Hunold gegen Knoke geschehen ist? Das im Widerspruchsverfahren ergangene Urteil hat für die Schadensersatzfrage bindende Wirkung, jedoch vorbehaltlich der Entscheidung, die später im Hauptprozeß über den Arrestanspruch erlassen wird. Wenn also der Arrest auf Widerspruch aufgehoben war und die Begründung ergibt, daß das Arrestgericht seine Voraussetzungen von Anfang an verneint, so steht damit die Ersatzpflicht des Arrestklägers endgültig fest. Wurde der Arrest rechtskräftig bestätigt, so ist es immer noch möglich, daß im Ordinarium die Abweisung der Klage erfolgt, woraus sich dann die Unrechtmäßigkeit des Arrestes und damit die Schadensersatzpflicht des Arrestklägers ergeben würde. Baumbach zu § 945, 3 B. War im Arrestverfahren über die Rechtmäßigkeit des Arrests kein Urteil ergangen, so ist der Regreßrichter in der Beurteilung der Rechtmäßigkeitsfrage frei. E r soll dabei auf den Zeitpunkt des Arrestes und auf den Standpunkt der Glaubhaftmachung stellen und hinsichtlich des Arrestgrundes prüfen, ob ein ruhiger und vernünftiger Mann damals bei gewissenhafter Überlegung objektiv berechtigt war, sich ernstlich beunruhigt zu fühlen und deshalb den Arrest zur Wahrung seiner Interessen als notwendig zu betrachten. R G 67/365. Die Aufhebung wegen veränderter Umstände besagt für die Rechtmäßigkeit und für die Schadensersatzpflicht natürlich nichts. Während die verwandten Ansprüche der §§ 302 I V , 600II, 7 1 7 1 1 im ursprünglichen Verfahren durch Inzidentantrag geltend gemacht werden können, erfordert der Anspruch aus § 945 stets einen Hauptprozeß (im ordentlichen Gerichtsstand), weil er des Beweises bedarf und die im Arrestverfahren herrschende Glaubhaftmachung nicht genügen würde. E r unterliegt der 3 jährigen Deliktsverjährung (§852 BGB). Die Verjährung beginnt, sobald der Arrestbeklagte Kenntnis von dem durch die Vollziehung entstandenen Schaden hat und die Erfolgsaussicht des Ersatzprozesses einigermaßen sicher ist. R G 157/21. Auf den Steuerarrest (§ 378 AbgO) findet § 945 Z P O weder direkte noch analoge Anwendung, der Staat haftet also nur für schuldhafte Amtspflichtverletzung seiner Beamten gemäß Art. 34 G G , § 839 B G B . Dagegen gelten die eigentlichen Verfahrensvorschriften der Z P O auch für Steuerarreste. R G 108, 253; R F H 10, 34.

In der Geschäftsstelle G e r i c h t s k o s t e n r e c h n u n g . Das Gericht erhebt in Prozeßsachen je eine volle Gebühr nach dem G K G für das Verfahren im allgemeinen („Prozeßgebühr"), für die Anordnung einer Beweisaufnahme („Beweisgebühr") und für ein kontradiktorisches Urteil („Urteilsgebühr"). §§ 8, 20 G K G . Der Abschluß eines gerichtlichen Vergleichs begründet eine besondere Gebühr (von 1 j i ) nur insoweit, als der Gegenstand des Vergleichs den des Prozesses überschreitet (§ 36): z. B. wenn nach Erhebung einer Teilklage das Gesamtobjekt verglichen wird. Dafür fällt durch den Vergleich eine in der Instanz etwa bereits entstandene Beweisgebühr — nicht hingegen sonstige Gebühren — weg (§ 23). Die Gebühren entstehen in jeder Instanz von neuem (§ 25), sie betragen in der Berufungsinstanz 15 / 10 , in der Revisionsinstanz 20 / 10 der gewöhnlichen Sätze (§ 28). Dazu treten dann noch „Auslagen" ( § § 7 1 f.), z . B . Zeugen- und Sachverständigengebühren und Schreibgebühren. Wer ist Kostenschuldner? Einmal die Partei, welche das Verfahren der Instanz beantragt hat, also der Kläger bzw. Berufungs- oder Revisionskläger (§ 77I). Liegt aber eine gerichtliche Entscheidung oder ein Vergleich über die Kosten vor, so haftet außerdem die Partei, welcher die Kosten auferlegt worden sind bzw. welche sie übernommen hat (§ 79). In erster Reihe soll die laut Urteil oder Vergleich kostenpflichtige Partei (s. g. „Erstschuldner") zur Zahlung herangezogen werden; ist die Beitreibung von ihr erfolglos geblieben oder von vornherein aussichtslos, so wird der Antragsteller der Instanz — als „Zweitschuldner" — haftbar gemacht. § 82 1 1 . Die Berechnung der Gerichtskosten zählt zu den Obliegenheiten der Geschäftsstelle. Das Verfahren ist nach der Justizkassenordnung vom 30. Januar 1937 folgendes: Der Kostenbeamte stellt, sobald Gebühren oder Auslagen fällig sind, eine Kostenrechnung mit Angabe des Zahlungspflichtigen auf, die er unterzeichnet und für deren Richtigkeit er die Verantwortung trägt. Von j eder Rechnung übermittelt er der Gerichtskasse die Urschrift und eine Reinschrift. Auf Grund der

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Anwaltskosten

Rechnung wird der Kostenbetrag in den Büchern der Kasse registriert und erhält ein „Kassenzeichen" („Sollbuch-Nr."). Mit dem Kassenzeichen versehen, gelangt die Rechnungsurschrift wieder zu den Prozeßakten, in denen sie weiterhin verbleibt. Die Reinschrift wird von der Kasse an den Kostenschuldner gesandt, sie enthält die Aufforderung: „die nachstehend berechnete Kostenschuld von binnen einer Woche nach Empfang an die Gerichtskasse unter Angabe des Kassenzeichens zu zahlen oder mit Angabe dieses Kassenzeichens portofrei einzusenden. Andernfalls kann ohne weitere Mahnung die zwangsweise Beitreibung erfolgen." Die Zahlungsaufforderung trägt die Namensunterschrift des Buchhalters. Für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gilt die Gerichtskasse als selbständige Vollstreckungsbehörde ( § 2 Justizbeitreibungsordnung vom u . März 1937). Als Titel gilt die Eintragung im Kostensollbuch auf Grund der Rechnung des Kostenbeamten. Die Gerichtskasse handelt auch hier wieder durch den Buchhalter, in gewissen Fällen durch den Kassenleiter oder sogar durch den Behördenvorstand (LGPräsident). Zulässig sind alle Vollstreckungsarten (in bewegliches und unbewegliches Vermögen, in Forderungen, Offenbarungseid und Konkurs, §§78 ff. JKassO). Der Kostenbeamte hat demnach nur dafür zu sorgen, daß die dem Fiskus zustehenden Gebühren und Auslagen von der Kasse registriert werden, während die Einziehung nachher Sache der Kasse ist. — Das Verfahren vereinfacht sich, soweit Gerichtskosten und Auslagen in Kostenmarken entrichtet werden. K o s t e n f e s t s e t z u n g . In Sachen Noack gegen Nickel (S. 21 ff.) ist der Beklagte auf die Klage nur zur Zahlung von 120 DM nebst Zinsen verurteilt, der Kläger mit dem weitergehenden Zahlungsund dem Aufhebungsanspruch, der Beklagte mit der Widerklage abgewiesen worden. Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung, der Beklagte Anschlußberufung eingelegt. Beide Berufungen sind, nachdem ein vom Kläger benannter Zeuge in Duisburg vernommen worden war, vom Landgericht zurückgewiesen worden. Von den Kosten beider Instanzen hat der Kläger 10/n, der Beklagte und Widerkläger 1 l l l zu tragen. RA. Weiß überreicht eine Berechnung der dem Beklagten entstandenen Kosten und beantragt: „die vom Kläger nach dem Urteil des Landgerichts vom 7. Juli 1956 an den Beklagten zu erstattenden Kosten nach Maßgabe der dort bestimmten Verteilung festzusetzen und mir vollstreckbare Ausfertigung des Festsetzungsbeschlusses mit Bescheinigung der Zustellung an den Kläger zu erteilen." Verfügung des Urkundsbeamten (§§ 104I S. 1, 106I S. 1 ZPO). „1. Aufforderung an RA Schwärz, binnen einer Woche seit Zustellung die Berechnung der dem Kläger entstandenen erstattungsfähigen Kosten bei der Geschäftsstelle einzureichen, widrigenfalls die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Kosten des Klägers erfolgen wird. Nachdem auf die ergangene Aufforderung auch der Kläger seine Kostenaufstellung eingereicht hat, werden die geltend gemachten Einzelpositionen, besonders die Anwaltskostenrechnung, vom Kostenbeamten auf ihre Erstattungsfähigkeit (§91) geprüft. Auf Grund der GebO f. RA steht dem Anwalt je eine volle Gebühr zu für den Geschäftsbetrieb einschließlich der Information („Prozeßgebühr") und für die mündliche Verhandlung („Verhandlungsgebühr"); für die Vertretung im Beweisverfahren erhält der Anwalt eine halbe Gebühr („Beweisgebühr") und für die weitere mündliche Verhandlung nach einer Beweisaufnahme ebenfalls eine halbe Gebühr 1 ). Für die Mitwirkung beim Vergleich erhält der Anwalt die volle Gebühr („Vergleichsgebühr"), § i} 3 . Der nicht zum Prozeßbevollmächtigten bestellte Anwalt, der lediglich den Schriftwechsel mit dem Prozeßbevollmächtigten führt („Verkehrs"- oder „Korrespondenzanwalt") hat die „Korrespondenzgebühr" in Höhe der Prozeßgebühr zu beanspruchen (§ 44I); der Anwalt, der lediglich einen Beweistermin wahrnimmt, außer der Beweisgebühr eine halbe Prozeßgebühr (§ 45). In der Berufungs- und Revisionsinstanz erhöhen sich die Anwaltsgebühren um drei Zehntel (§ 52). *) Das Gesetz konstruiert die in der Praxis s. g. „weitere Verhandlungsgebühr" als Erhöhung der dem Anwalt an sich zustehenden Verhandlungsgebühr um die Hälfte (§17 RA GebO). Übernimmt also ein Anwalt die Vertretung der Partei erst nach der Beweisaufnahme, so erhält er die volle Verhandlungsgebühr.

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Prozeßrichter des Amtsgerichts — Anwaltskosten

Neben den Gebührensätzen und Auslagen enthalten die Anwaltskostenrechnung auch Umsatzsteuerbeträge. Nach § i 1 U m s S t G vom 16. Oktober 1934 (RGBl. I 942) wird nämlich Umsatzsteuer nicht bloß von den Einnahmen der Geschäftsleute, sondern auch von den Entgelten für die Tätigkeit der meisten freien Berufe erhoben. Der Rechtsanwalt darf sie der Partei besonders in Rechnung stellen, weil er nach einer gesetzlich festgesetzten Gebühr zu liquidieren hat (§ 10). In einem kontradiktorischen Prozeß mit Beweiserhebung und Urteil entstehen also in jeder Instanz regelmäßig 3 Gerichts- und Anwaltsgebühren, im Fall des Vergleichs eine Gerichts- und 4 Anwaltsgebühren. Demgemäß lautet in Sachen Noack gegen Nickel die zusammenfassende Gerichtskostenrechnung: „Wert des Streitgegenstandes: 1300—1400 D M 1 ) 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Prozeßgebühr Beweisgebühr Urteilsgebühr Prozeßgebühr Beweisgebühr Urteilsgebühr

1. 1. 1. 2. 2. 2.

Instanz, Instanz, Instanz, Instanz, Instanz, Instanz,

§§8, §§8, §§8, §§ 8, §§ 8, §§8,

20 1 G K G . . 202 G K G . . 20 3 G K G . . 20 1 , 28 G K G 20 2 , 28 G K G 20 3 , 28 G K G

( " V 47,50 D M ( 10 /io) 4 7 , 5 o D M (io/IO) 47,50 D M ( 1 5 / 1 0 ) 71,30 D M ( 15 /io) 71,30 D M P / 1 0 ) 71,30 D M

7 (folgen die Zeugen- und Sachverständigengebühren und sonstigen Auslagen) Jeder der beiden Prozeßbevollmächtigten liquidiert: „Wert des Streitgegenstandes: 1300—1400 D M I. Prozeßgebühr 2. Verhandlungsgebühr . . . . 3- Beweisgebühr 4- weitere Verhandlungsgebühr 5- Prozeßgebühr 6. Verhandlungsgebühr . . . . 7- Beweisgebühr 8. weitere Verhandlungsgebühr 9- 4 % Umsatzsteuer

T Instanz, §9, T, Instanz, §9, T. Instanz, § 9, I. Instanz, § 9, ? Instanz, §9, 2. Instanz, § 9, Instanz, < § 9 , 2. Instanz, j § 9,

I 3 1 G e b O f. R A . . I3 2 G e b O f. R A . . i ? 4 G e b O f. R A . . 17 G e b O f. R A . . I 3 1 52 G e b O f. R A . i 3 2 52 G e b O f. R A i3 4 52 G e b O f. R A 17, 52 G e b O f. R A .

(10/10)

("V

( 5/10)

( 5/io) ( 13 /io)

(13/10)


> »» »» C 5b g) auf die verw. Frau Pauline Quandt geb. Dickhuth in Lankwitz auf den Anspruch C 6 a „ ,, „ C6b h) auf den Mehlhändler Gregor Kredinger in Hamburg: auf den Anspruch C 7a „ ,,

„ „

178,50 250,00 126,00 100,00 250,00

DM DM DM DM DM

3,85 D M 133,20 D M 11,40 D M 1700,00 D M 57>3° D M

C7b C7C Zusammen:

67,33 D M 1146,97 D M 4024,55 D M .

V o n dem Anspruch zu h C 7 c ist ein letztrangiger Teilbetrag von 24,55 D M unverzinslich. Die Übertragung geschieht mit der Maßgabe, daß den Beträgen zu a bis f der Vorrang vor dem gemäß § 91 1 1 Z V G bestehen gebliebenen Recht des Waldemar Ter^er von 2500 D M zusteht und die Beträge zu a) und b) untereinander gleichen Rang haben." Selbstverständlich darf sich an der auf §§ 109, 10 beruhenden Rangordnung nicht deshalb etwas ändern, weil Terzers Hypothek infolge der Vereinbarung aus § 9 1 1 1 ungelöscht bleibt. Das wird besonders wichtig, wenn die bestehenbleibende Post nicht dem rangersten betreibenden Gläubiger gehört. In dem Anspruch des Kredinger ist der in den Teilungsplan als Verzinsung des Bargebots gemäß § 49 1 1 Z V G aufge1 ) § 49 1 1 Z V G . Die Zinsen bis zum Verteilungstermin sind bereits in den Zahlen des Teilungsplanes berücksichtigt.

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Zwangsversteigerungsrichter — Behandlung der Schuldtitel und Hypothekenbriefe

nommene Betrag von 24,55 D M enthalten. In Höhe dieses Teilbetrages ist die übertragene Forderung nach § 289 B G B unverzinslich. Soweit dagegen die beigetriebene vollstreckbare Forderung des Gläubigers eine Zinsforderung war, stehen ihm Zinsen aus § 49 1 1 zu, denn übertragen wird nicht die Zinsforderung, sondern die Forderung auf Zahlung des verzinslichen Bargebots. Infolge der Nichtberichtigung des Bargebots ist der Ersteher seit dem Verteilungstermin im Verzuge. Die Geltendmachung eines weiteren Verzugsschadens (§ 288 1 1 BGB) außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens ist daher möglich. Nur haftet für diesen Anspruch nicht die Sicherungshypothek des § 128 ( K G JW 1932, 3204 mit Anm. Steiner). Die Forderungsübertragung ist nicht nur ein Mittel für die Befriedigungsberechtigten, zu ihrem Gelde zu gelangen. Das Gesetz knüpft an sie die weitergehende Folge, daß sie wie die „Befriedigung aus dem Grundstück" (§§ 1147, 1181 BGB) wirkt, es sei denn, daß der Gläubiger, dem die Forderung übertragen wurde, innerhalb drei Monaten auf sie verzichtet oder die Wiederversteigerung des Grundstücks beantragt. § 1 1 8 1 1 Z V G . Die Wirkung der Übertragung läßt sich also während der ersten drei Monate mit einer Überweisung zur Einziehung, nachher mit einer Überweisung an Zahlungsstatt vergleichen. Oft genug wird die Dreimonatsfrist von den Befriedigungsberechtigten aus Rechtsunkenntnis versäumt. Dann ist ihre Forderung gegen den Vollstreckungsschuldner mit allen Nebenrechten (aus Pfand, Bürgschaft, Mitschuld oder Gesamthypothek) erloschen. Dazu Fischer, N J W 1956, 1095. Im letzten Abschnitt des Termins befaßt sich das Gericht mit den Schuldtiteln und Hypothekenbriefen. Auf den eingereichten Schuldtiteln wird (entsprechend dem Vermerk des § 757 ZPO) vermerkt, in welchem Umfang der Betrag durch Zahlung, Hinterlegung oder Übertragung gedeckt worden ist (§ 1 2 7 1 1 ZVG). Hinsichtlich der Behandlung der Briefe sind drei Gruppen von Hypotheken auseinanderzuhalten : 1. die im geringsten Gebot liegenden. Bei ihnen bedarf es der Vorlegung des Briefes nicht. Allerdings hat das Vollstreckungsgericht im Verteilungsverfahren die Berechtigung des Hypothekars durch den Besitz des Briefes nachzuprüfen (§ 126), indem es gewissermaßen die dem Eigentümer durch § 1160 B G B verliehene Befugnis, die Briefvorlegung zu verlangen, wahrnimmt (und zwar von Amts wegen und auch bei vertragsmäßigem Ausschluß dieser Befugnis). Die Hypothelen des geringsten Gebots kommen aber nur mit Zinsen und Kosten zur Hebung, bei denen die Notwendigkeit der Briefvorlegung überhaupt nicht besteht (§ 1 1 6 0 1 1 1 ) . 2. Bei den außerhalb des geringsten Gebots stehenden, durch den Zuschlag erloschenen (§ 9 1 1 Z V G ) , aber durch das Meistgebot gedeckten Hypotheken gilt ein mittelbarer Zwang zur Vorlegung des Briefes, weil das Gericht die Auszahlung (oder Forderungsübertragung) auf die Kapitalansprüche von ihr abhängig macht. Wird der Brief vorgelegt, so macht ihn das Gericht gemäß § 69 G B O und § 5 3 GBVerfg unbrauchbar; andernfalls wird der Berechtigte als unbekannt behandelt und der auf die Post entfallende Betrag hinterlegt. §§ 126, 127 1 S. 1 Z V G . 3. Bei den nicht im geringsten Gebot stehenden, daher erloschenen, und nicht durch das Gebot gedeckten, also „ausgefallenen" Hypotheken soll der Brief ebenfalls dem Gericht eingereicht und von ihm unbrauchbar gemacht werden. Da aber der Gläubiger in diesem Fall gar kein Interesse daran hat, sich durch Vorlegung des Briefes in den Besitz eines Liquidats zu setzen, wird die Einreichung häufig unterbleiben. Das Gericht kann den Brief vom Berechtigten einfordern, doch stehen ihm keine Zwangsmittel zu Gebote. § 127 1 S. 3 Z V G , Jaeckel-Guethe 6 zu § 127. Auch das Grundbuchamt ist nicht befugt, die Vorlegung des Briefes zu erzwingen (OLG. München J F G 23, 87; Mönch, D J 1937, 1809).

Zwangsversteigerungsrichter — Anordnungen des Prozeßgerichts

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Protokoll: „ G . B e h a n d l u n g der e i n g e r e i c h t e n S c h u l d t i t e l und H y p o t h e k e n b r i e f e . Auf die eingereichten Schuldtitel wurden folgende Vermerke gesetzt: 1. Auf die vollstreckbare Ausfertigung der Verhandlung vom 25. Juni 1955, Nr. 672 der Urkundenrolle für 1955 des Notars Siegel in Berlin: Auf diesen Schuldtitel ist heute in Sachen 5 K 16/56 wegen 3,85 DM Kosten und 133,20 DM Zinsen die Forderung gegen den Ersteher, Müllermeister Friedrich Exner in Hamm, und den als Gesamtschuldner mit ihm haftenden Mehlhändler Gregor Kredinger in Hamburg auf Zahlung des Bargebots übertragen worden. Auf die Hauptforderung ist der Betrag von 2500 DM zugeteilt, aber infolge der Vereinbarung des Gläubigers mit dem Ersteher, daß die Hypothek bestehen bleiben soll, nicht gezahlt worden. 2. Auf die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 28. Juli 1956 in Sachen Kredinger gegen Suppes, 4 O 288. 56: Auf diesen Schuldtitel ist heute in Sachen 5 K 16/56 wegen 57,30 DM Kosten, 67,33 DM Zinsen und 1146,97 DM Hauptforderung die Forderung gegen den Ersteher, Müllermeister Friedrich Exner in Hamm, auf Zahlung des Bargebots übertragen worden." Soweit Kredinger aus § 8 i I V selbst mithaftet, ist als Folge der Übertragung Konfusion eingetreten (§ 4 2 5 1 1 B G B ) . „Herr Terzer überreichte den Brief über die in Abt. III unter Nr. 4 für ihn eingetragenen 2500 DM zwecks Weitergabe an das Grundbuchamt." Die Beifügung des Briefes geschieht nicht aus vollstreckungsrechtlichen Gründen, sondern im Hinblick auf §§ 4 1 , 62 G B O wegen der im Grundbuch einzutragenden Veränderungen. „Herr Illgen überreichte die mit Rechtskraftzeugnis versehene Ausfertigung des in Sachen 1Ilgen gegen Ter^er und Kredinger, 4 O 475. 56 des hiesigen Landgerichts, am 16. Dezember 1956 ergangenen Versäumnisurteils, durch welches die Zwangsvollstreckung in die auf dem versteigerten Grundstück befindliche Dampflokomobile für unzulässig erklärt ist. Beschlossen und verkündet: Das Verfahren wird hinsichtlich der Dampflokomobile gemäß den §§ 775 1 , 776 S. 1 ZPO aufgehoben. Richter.

Pfleger."

Wird ein Gegenstand, in den die Zwangsvollstreckung an sich zulässig ist, auf Grund einer einstweiligen Einstellung v o m Zuschlag ausgenommen, so richtet sich die Fortsetzung des Verfahrens in der Regel nach § 31 Z V G , erfordert also einen Antrag des betreibenden Gläubigers. Im Fall einer Einstellung nach § 7 6 9 1 1 Z P O wird jedoch das Verfahren nach Fristablauf v o n Amts wegen fortgesetzt (SteinerRiedel, § 31 Bern. 1 a). E s würde dann die Versteigerung der v o m Zuschlag ausgenommenen Gegenstände angeordnet und der Erlös nachträglich an die im heutigen Termin Ausgefallenen verteilt werden. Das erübrigt sich durch das überreichte Urteil. Anordnungen des Prozeßgerichts bringen jedoch nicht etwa über den K o p f des Gerichtsvollziehers oder Versteigerungsrichters hinweg das Zwangsvollstreckungsverfahren unmittelbar zum Stillstand. Vielmehr muß das Vollstreckungsorgan eine auf die Ausführung der Anordnung gerichtete Entschließung treffen. Beim Gerichtsvollzieher kann das formlos durch einfaches Liegenlassen der Sache geschehen. Beim Vollstreckungsgericht ist ein besonderer Beschluß erforderlich, in dem es seinen Willen erklärt, die Anordnung des Prozeßgerichts zu befolgen ( R G 70, 402). Deshalb erging der Aufhebungsbeschluß.

298

Zwangsvefsteigerungsrichter — Grundbuchberichtigung

G r u n d b u c h b e r i c h t i g u n g . N a c h Ausführung des Teilungsplans ergeht gemäß § 1 3 0 Z V G folgendes Ersuchen an das Grundbuchamt: „ Z u den Grundakten von Hochkirch Band 2, Blatt 47 werden überreicht: a) beglaubigte Abschrift des Zuschlagsbeschlusses vom 30. November 1956, b) auszugsweise beglaubigte Abschrift des Protokolls über die Verteilung des Versteigerungserlöses vom 4. Januar 1957 1 ) c) der Hypothekenbrief über die Post Abt. III Nr. 4, d) Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts mit dem Ersuchen: A. in Abt. I den Ersteher, Müllermeister Friedrich Exner in Hamm, als Eigentümer einzutragen, B. in Abt. II den Zwangsversteigerungsvermerk Nr. 2 sowie das Wohnungsrecht Nr. 5 zu löschen, C. in Abt. III die Hypothek Nr. 5 von 1700 DM Höchstbetrag Zu löschen, D. alle etwaigen weiteten nach dem Zwangsversteigerungsvermerk in Abt. II oder III eingetragenen Rechte zu löschen, E. in Abt. III einzutragen: Sicherungshypotheken für die Forderung aus einem Zwangsversteigerungsverfahren gegen den Ersteher, Müllermeister Friedrieb Exner in Hamm, zu a) bis g) auch gegen den als Gesamtschuldner mithaftenden Mehlhändler Georg Kreditiger in Hamburg, mit 4% seit dem 30. November 1956 jährlich verzinslich mit Ausnahme eines unverzinslichen letztrangigen Teilbetrages von 24,5 5 DM des nachstehend zu h) genannten Anspruchs, für folgende Gläubiger: a) 178,50 D M für die Gerichtskasse in Lichterfelde wegen Gerichtskosten, b) 250,00 DM für den Mühlenbauer Waldemar Tersyr in Berlin wegen gezahlten Gebührenund Auslagenvorschusses, c) 126,00 D M für die Gemeinde Hochkirch wegen Grundsteuer, d) j 00,00 D M Zinsforderung für den Rentmeister Bruno Primer in Canth aus der Post Abt. III Nr. 1, e) 250,00 D M Zinsforderung für den Kaufmann Dagobert Seckel in Köln aus der Post Abt. III Nr. 2, f ) 5,85 DM Kosten- und 133,20 D M Zinsforderung für den Mühlenbauer Waldemar Terzer in Berlin aus der Post Abt. III Nr. 4, g) 11,40 DM Kosten- und 1700,00 D M Hauptforderung für die verwitwete Frau Pauline Quandt geb. Dickhuth in Lankwitz, h) 57,30 D M Kosten-, 67,33 DM Zinsen- und 1146,97 D M Hauptforderung für den Mehlhändler Georg Kredinger in Hamburg, und zwar in vorstehender Rangfolge, jedoch 1. zu a) und b) zu gleichem Range untereinander, 2. zu a), b) und c) mit dem Range vor den bestehen gebliebenen Posten Abt. II Nr. 1 und Abt. III Nr 1 und 2 und der Post Abt. III Nr. 4, 3. zu d) mit dem Range vor den Posten Abt. III Nr. 1, 2 und 4, 4. zu e) mit dem Range vor den Posten Abt. III Nr. 2 und 4, 5. zu f) mit dem Range vor der Post Abt. III Nr. 4." Exner ist zwar bereits mit der Verkündung des Zuschlags am 30. November 1 9 5 6 Eigentümer geworden. A b e r es muß verhütet werden, daß er zum Schaden der Befriedigungsberechtigten grundbuchmäßig über das Grundstück verfügt, bevor er sein Bargebot bezahlt hat. Deshalb wird er nicht im Parteibetrieb auf seinen Antrag, sondern nur auf Ersuchen des Versteigerungsrichters eingetragen, und dieses Ersuchen darf erst nach Abhaltung des Verteilungstermins ergehen, weil man jetzt weiß, ob er seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Wenn dies nicht der Fall war, läßt das Vollstreckungsgericht gleichzeitig die Sicherungshypothek aus § 128 für die im V e r teilungsplan berücksichtigten Befriedigungsberechtigten eintragen. V o r Erledigung Wegen der bei der Vereinbarung des Bestehenbleibens der Post Abt. III Nr. 4 bewilligten Veränderungen.

Zwangsversteigerungsrichter — Grunderwerbsteuer

299

des Ersuchens darf auf dem Grundbuchblätt keine Eintragung auf Bewilligung des Erstehers oder auf Grund eines gegen ihn vollstreckbaren Titels stattfinden (§ 1 3 0 1 1 1 Z V G , vgl. §§ 867, 894, 895, 932 ZPO). Man denke etwa an den Fall, daß Exner alsbald nach dem Zuschlag für seinen Schwiegervater und Geldgeber eine Darlehnshypothek von 15 000 D M bewilligt hätte: der Antrag würde liegen bleiben, bis das Ersuchen ausgeführt ist, und die Sicherungshypothek erhält somit unbedingt den Vorrang vor der Darlehnshypothek. § § 1 7 GBO, 879 BGB. — Der Referendar: Hat es einen Sinn, die Hypotheken der außerhalb des geringsten Gebots stehenden Berechtigten zu löschen und für sie neue Sicherungshypotheken einzutragen ? Es wäre doch einfacher, die früheren Hypotheken, z. B. die der Frau Quandt, einfach stehen zu lassen. Der Richter: Das würde nicht auf das gleiche hinauskommen. Nach § 128 1 S. 1 ist die Sicherungshypothek „mit dem Range des Anspruchs", nämlich mit dem aus §§ 109, 10 sich ergebenden Range, einzutragen. Diese Rangordnung weicht von derjenigen der früheren Hypotheken unter Umständen nicht unerheblich ab. Vor die bestehen gebliebenen Rechte können sich Sicherungshypotheken für Gerichtskosten (§ 109 1 ), Zwangsverwaltungsvorschuß (§ io 1 ), Lidlohn (§ io 2 ) und öffentliche Lasten (§ io 3 ) schieben. Bei den durch das Gebot gedeckten erloschenen Rechten treten zum Kapitalbetrag, ihm und den nachstehenden bestehen gebliebenen Rechten im Range vorgehend, Zinsen und Kosten. Freilich hat diese Rangordnung nur bedingte Geltung. Nach § 129 müssen nämlich die Gläubiger der 1. bis 3. Klasse des § 10, ebenso die Gläubiger der 4. Klasse bezüglich ihrer Kosten- und Zinsansprüche, binnen sechs Monaten seit Eintragung der Sicherungshypothek die Wiederversteigerung des Grundstücks beantragen, wenn sie sich ihren Vorrang vor den Kapitalrechten der 4. Klasse erhalten wollen. Versäumen sie die Frist, so deckt sich (bis auf die Sicherungshypotheken für die Gerichtskosten und den Kostenvorschuß) nachher der Rang der für die Kapitalrechte eingetragenen Sicherungshypotheken mit dem der Hypotheken, an deren Stelle sie getreten sind. Aus diesem Grunde hat auch das Ersuchen Kosten, Zinsen und Hauptforderung bei den einzelnen Abschnitten der Sicherungshypothek überall auseinander gehalten, um den kraft Gesetzes eintretenden Rangverlust aus dem Grundbuch ersichtlich zu machen. Wenn (was in unserer Sache nicht zutrifft) Briefhypotheken durch den Zuschlag erloschen und auf Ersuchen des Versteigerungsrichters zu löschen sind, so bedarf es nach Bestimmung des § 131 nicht der sonst hierzu erforderlichen Briefvorlegung (§§ 42, 62 GBO). Die Briefe werden zwar vom Vollstreckungsgericht eingefordert und bei Einreichung unbrauchbar gemacht (S. 296), doch hängt die Löschung nicht davon ab, ob die Aufforderung Erfolg gehabt hat. Infolgedessen können Briefe über eine gelöschte Hypothek umlaufen! „Ferner wird auf den in der Verhandlung v o m 4. Januar 1 9 5 6 bezüglich der Post A b t . III N r . 4 von den Beteiligten gestellten Eintragungsantrag Bezug genommen."

Die Eintragung der Veränderungen, welche im Zusammenhang mit der Vereinbarung des Bestehenbleibens der Terzerschen Hypothek festgesetzt worden sind, fällt nicht in den Rahmen des Ersuchens nach § 1 3 0 Z V G . Insoweit gibt das Gericht lediglich die von den Beteiligten gestellten Anträge weiter. W i e w i r d d i e G r u n d e r w e r b s t e u e r b e s c h e i n i g u n g b e s c h a f f t ? E i n Erstehet, der seine Verpflichtung zur Zahlung des Gebots nicht erfüllt, wird in der Regel auch die Grunderwerbsteuer nicht gutwillig entrichten. Gerade in den Fällen, in denen Sicherungshypotheken aus § 128 einzutragen sind, stößt also die Berichtigung des Grundbuchs auf Schwierigkeiten. N u n können freilich die Befriedigungsberechtigten, um zu ihren Sicherungshypotheken zu gelangen, die Steuer verauslagen. A b e r der Anspruch gegen den Ersteher auf Rückerstattung (aus Geschäftsführung ohne A u f trag oder ungerechtfertigter Bereicherung, §§ 683f., 8 1 2 B G B ) ist gänzlich ungesichert. N a c h herr-

800

Zwangsversteigerungsrichter — Vollstreckung aus dem Zuschlag

sehender Meinung ( K G J 52, 154; J F G 1, 406) darf das Berichtigungsersuchen ohne Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht abgehen. Wenn also nicht das Finanzamt die Steuer vom Ersteher einzieht, bleibt das Grundbuch unberichtigt und die Versteigerungsakten können nicht weggelegt werden. Zwar wird die Auffassung vertreten (Henke-Mönch-Horber, G B O , § 82 Bern. 2 b), der Grundbuchrichter könne in ausdehnender Anwendung des § 82 G B O (Grundbuchberichtigungszwang) den Ersteher durch Ordnungsstrafen gemäß § 3 3 1 F G G zur Beibringung der Grunderwerbsteuerbescheinigung anhalten. Selbst wenn man Bedenken gegen dieses Verfahren zurückstellt, wird es doch regelmäßig daran scheitern, daß die Entrichtung der Grunderwerbsteuer keine Handlung des Erstehers ist, „die ausschließlich von seinem Willen abhängt" (33 I F G G ) , wenn er über die dazu erforderlichen Mittel nicht verfügt. Abhilfebringen in Preußen die A V . d. PrJM. v. 3. Februar 1930 (JMB129), für Bayern die JMBek.v. 23 .Januar 1930 (JMB1352), die im Einvernehmen mit dem Reichsfinanzminister erlassen sind, allerdings nur für den Fall, daß bereits die Wiederversteigerung des Grundstücks betrieben wird. Dann soll das Finanzamt auf Ersuchen des Vollstreckungsgerichts im Interesse der Befriedigungsberechtigten die Unbedenklichkeitsbescheinigung ausnahmsweise ohne vorherige Zahlung oder Sicherstellung der Steuer erteilen. Daraufhin wird das Grundbuch berichtigt, und nunmehr läßt sich die Steuerbehörde im Verwaltungszwangsverfahren für ihre Forderung eine Sicherungshypothek auf dem versteigerten Grundstück eintragen, die freilich keinen allzu großen realisierbaren Wert besitzt, weil sie nach § 1 3 0 1 1 1 Z V G den Rang nach den Sicherungshypotheken der Befriedigungsberechtigten erhält. S t e u e r b e f r e i u n g . Ein erheblicher Teil aller Versteigerungen verläuft bekanntlich so, daß ein Hypothekengläubiger, dessen Recht von anderer Seite nicht ausgeboten wird, notgedrungen das Meistgebot abgibt. Es wäre eine Härte, solchen Erstehern die Grunderwerbsteuer aufzuerlegen. Deshalb sieht § 9 G r E S t G eine Steuerbefreiung vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Der Grundpfandgläubiger muß das Grundstück zur Rettung seines Grundpfandrechts erworben haben. Dieser Sachverhalt liegt vor, wenn objektiv das Grundpfandrecht gefährdet und subjektiv die Absicht des Erstehers auf die Rettung seines Rechts gerichtet war. Ein Rettungserwerb erfordert demnach, daß es dem Bieter in erster Linie darauf ankam, andere Personen zur Erhöhung ihres Gebots zu veranlassen und nur für den Fall, daß ihm dies nicht gelingt, sich für sein durch ein abgegebenes Gebot nicht völlig gedecktes Grundpfandrecht in dem Grundstück einen Ersatz zu verschaffen. 2. Die Gegenleistung muß mindestens 80% des steuerlichen Einheitswerts (nicht des nach § 74a Z V G festgesetzten Verkehrswerts) betragen. Ein Gläubiger, der das Grundstück vorteilhaft erwirbt, soll keinen Anspruch auf Steuerbefreiung haben. 3. Das Meistgebot einschließlich der Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben (der „Gesamtaufwand"), darf den Betrag, den der Gläubiger für den Erwerb des Grundpfandrechts aufgewendet hat, und die diesem Recht im Range vorgehenden Rechte (den „Vergleichsbetrag") nicht übersteigen. Dabei bleiben vorgehende Rechte Dritter, die in der Zwangsversteigerung ausgefallen sind, unberücksichtigt. 4. Es darf kein Anhalt bestehen, daß der Gläubiger das Grundpfandrecht von vornherein in der Absicht der Steuerersparnis erworben hat. Die Steuer wird nacherhoben, wenn der Ersteher oder sein Erbe das Grundstück innerhalb von fünf Jahren seit dem Erwerb mit Gewinn weiterveräußert. V o l l s t r e c k u n g aus dem Z u s c h l a g : Zahlt Exner nicht alsbald, so können die Befriedigungsberechtigten mit Zwangsvollstreckung vorgehen. Hierfür stehen zwei Wege offen. Einmal die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluß gegen den Ersteher Exner und den mithaftenden Meistbietenden Kredinger als persönliche Schuldner (§§ 132, 8 i I V Z V G ) . Beispielsweise würde für Frau Quandt die Vollstreckungsklausel lauten: „Vorstehende Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses vom 30. November 1956 wird der verwitweten Frau Pauline Quandt geb. Dickhuth in Lankwitz zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gegen 1. den Müllermeister Friedrich Exner in Hamm, 2. den Mehlhändler Gregor Kredinger in Hamburg als Gesamtschuldner wegen 1711,40 D M (i. W.) nebst 4 % Zinsen seit dem 4. Januar 1957 erteilt. Lichterfelde (Siegel)

Urkund Justizsekretär, als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle."

Zwangsversteigerungsrichter — Zwangsversteigerung gegen den nicht eingetragenen Erben

301

Nach der Eintragung der Sicherungshypothek gemäß § 128 ZVG ist auch der dingliche Anspruch gegen den Ersteher, in diesem Fall auch gegen jeden späteren Eigentümer, vollstreckbar, ohne daß es einer dinglichen Klage bedarf. Dazu wäre obige Vollstreckungsklausel auf den dinglichen Anspruch zu erweitern. Auf Grund der vollstreckbaren Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses können die Befriedigungsberechtigten vor oder nach der Eintragung der Sicherungshypothek die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben. Für diese Wiederversteigerung gelten nach § 133 zwei besondere Erleichterungen: es bedarf nicht der sonst durch § 7501 ZPO vorgeschriebenen Zustellung des Schuldtitels und nicht der vorgängigen Eigentumseintragung des Erstehers (Ausnahme von § 17 ZVG). Die Wiederversteigerung darf daher auch vor der Berichtigung des Grundbuchs durchgeführt werden (KG JW 1932, 3202; Str.), wenn die vorgängige Grundbuchberichtigung auch zweckmäßig und möglichst zu fördern ist.

Zwangsversteigerung gegen den nicht eingetragenen Erben Kaufmann Gernoth beantragt: „die Zwangsversteigerung des im Grundbuch von Lichterfelde Band 9 Blatt 265 verzeichneten Grundstücks Tulpenstraße 21 wegen 975 DM Hauptforderung, 6% Zinsen davon seit dem 8. Juni 1956, 37,30 DM festgesetzter Kosten und 1,90 DM Zwangsvollstreckungskosten anzuordnen." E r überreicht mit dem Antrag einen neuen Katasterauszug sowie vollstreckbare Ausfertigung eines von ihm gegen den Töpfermeister Konrad Echtermeyer erwirkten Versäumnisurteils, dessen Formel lautet: „Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 975 DM (i. W.) nebst 6% Zinsen seit dem 8. Juni 1956 zu zahlen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar." 37,30 D M Prozeßkosten sind gemäß § 105 Z P O auf dem Urteil festgesetzt. Das Urteil ist am 2. August 1956 zugestellt. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen der §§ 750f. Z P O und das Erfordernis des Art. 4 P r A G Z V G (S. 262) sind gewahrt. E s handelt sich nur noch um die Prüfung, ob aus dem gegen Echtermeyer ergangenen Urteil die Versteigerung dieses Grundstücks angeordnet werden darf. Gernoth behauptet in seinem Antrag, daß Echtermeyer durch Erbfolge Eigentümer geworden sei. In Abt. I des Grundbuchs finden wir den Kolonialwarenhändler und Hausbesitzer Oskar Buchmann als Eigentümer seit 1925 verzeichnet. Abt. II enthält keine der Zwangsversteigerung entgegenstehenden Eintragungen. In den Testamentsakten des im Jahre 1954 verstorbenen Buchmann, auf die sich Gernoth berufen hat, liegt ein eigenhändiges Testament: „Hierdurch bestimme ich, daß im Falle meines Todes der Sohn meiner einzigen Schwester, Töpfermeister Konrad Echtermeyer in Lichterfelde, mein Erbe sein soll. Lichterfelde, den 14. Februar 1951. Oskar Buchmann." Bei der Testamentseröffnung ist die Echtheit des Schriftstücks von allen Anwesenden anerkannt worden. Die Regel, daß der Schuldner eingetragener Eigentümer sein muß, wird für die Zwangsversteigerung gegen Erben durchbrochen. Hier genügt es nach § 1 7 1 , 1 1 1 Z V G , wenn der Erblasser im Grundbuch eingetragen ist und der Gläubiger die Erbfolge des Schuldners durch Urkunden „glaubhaft macht". Die Vorschrift gilt für persönliche und dingliche Gläubiger, Nachlaßgläubiger und Eigengläubiger des Erben in gleicher Weise. Das eigenhändige Testament Buchmanns stellt eine ausreichende Glaubhaftmachung dar:

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Zwangsversteigerungsrichter — Voreintragung des Schuldners „Beschluß. „Auf Antrag des Kaufmanns Stephan Gernoth in Berlin, Gläubigers, gegen den Töpfermeister Konrad Ecbtermeyer in Lichterfelde, Schuldner, wird wegen des dem Gläubiger zustehenden Anspruchs im Betrage von auf Grund des die Zwangsversteigerung des im Grundbuch von Lichterfelde Band 7 Blatt 265 auf den Namen des Kolonialwarenhändlers und Hausbesitzers Oskar Bucbmann eingetragenen Grundstücks Tulpenstraße 21 angeordnet. Der Gläubiger hat durch das in den Oskar Buchmannsctien Testamentsakten des unterzeichneten Gerichts, 5 IV 110. 54 befindliche eigenhändige Testament vom 14. Februar 1951 gemäß § 17 1 ' 1 1 1 ZVG durch Urkunden glaubhaft gemacht, daß der Schuldner Erbe des eingetragenen Eigentümers ist. Dieser Beschluß gilt zugunsten des Gläubigers der Beschlagnahme des Grundstücks. Lichterfelde, den 5. August 1956. Das Amtsgericht."

Die Zwangsverwaltung — welche ja nicht die Substanz des Eigentums, sondern nur die Nutzungen des Grundstücks ergreift — darf sogar schon dann angeordnet werden, wenn der Eigenbesitz des Vollstreckungsschuldners (§ 872 B G B ) urkundlich glaubhaft gemacht ist, vorausgesetzt, daß ein im Grundbuch eingetragener Berechtigter die Vollstreckung betreibt (§ 147 Z V G ) . Beispiel: Der Schuldner hat das Grundstück gekauft, ist aber noch nicht im Grundbuch eingetragen. Zwangsverwaltung und Nießbrauch: unten S. 320. Muß sich der Eigenbesitzer die Zwangsverwaltung auf Grund eines Titels gegen den Bucheigentümer gefallen lassen? Bei der Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g eines Grundstücks ist der Eigenbesitz allerdings nicht ein die Veräußerung hinderndes Recht im Sinne des § 771 ZPO (RG 127, 8). Anders ist die Rechtslage aber im Falle der Zwangsverwaltung. Die Vorschrift des § 147 ZVG beruht auf dem Grundgedanken, daß in die Rechte des Eigentümers, der den Eigenbesitz eines andern duldet, durch die Zwangsverwaltung nicht eingegriffen wird, weil er weder den Besitz am Grundstück innehat noch die Nutzungen zieht. Daher wird der Eigentumer, wenn er sich durch die wegen eines dinglichen Anspruchs betriebene Zwangsverwaltung beeinträchtigt fühlt, auf den Weg der Widerspruchsklage (§771 ZPO) verwiesen. Durch die Zwangsverwaltung wird aber gerade in die von dem Eigenbesitzer ausgeübten Befugnisse eingegriffen (§ 148 ZVG). Deshalb darf die Zwangsverwaltung, wenn sich ein anderer als der Vollstreckungsschuldner im Eigenbesitz des Grundstücks befindet, nur beschränkt, nämlich unbeschadet der Rechte des Eigenbesitzers, angeordnet oder aufrechterhalten werden und der Zwangsverwalter ist nicht befugt, den Eigenbesitzer aus dem Besitz zu setzen. Dem Gläubiger muß es überlassen bleiben, einen vollstreckbaren Titel gegen den Eigenbesitzer zu erwirken (Jaeckel-Güthe, § 147 Anm 5; Steiner-Riedel, § 147 Anm 3; Wilhelmi-Vogel, § 147 Anm 4). Ganz anders bestimmt sich die Passivlegitimation bei der dritten Art der Liegenschaftsvollstreckung, der Zwangshypothek. Ihre Eintragung ist ein A k t der Zwangsvollstreckung und zugleich ein solcher der freiwilligen Gerichtsbarkeit, und deshalb ist die Voreintragung des Schuldners als Betroffenen erforderlich (§ 39 I G B O ) , wobei das eigenhändige Testament den Erbschein nicht ersetzen kann (§ 3 5 1 S. 2). Hieraus folgt, daß Arrestbefehle — bei denen weder Zwangsversteigerung noch Zwangsverwaltung, sondern nur die Eintragung einer Höchstbetragshypothek in Betracht kommt ( § 9 3 2 Z P O ) — schwerer in Grundstücke eines noch nicht eingetragenen Erben zu vollstrecken sind, als Urteile und sonstige Schuldtitel I U m s c h r e i b u n g des G r u n d b u c h s auf d e n S c h u l d n e r als V o r a u s s e t z u n g d e r L i e g e n schafts Vollstreckung. 1. Wie führt der Gläubiger in den Fällen, bei denen es der vorgängigen Eintragung des Erben bedarf, diese Eintragung herbei ? Zunächst beantragt er gemäß § 792 die Ausstellung eines Erbscheins über das Erbrecht seines Schuldners. Auf Vorlegung des Erbscheins trägt das Grundbuchamt im

Zwangsversteigerungsrichter — Pfändung des Berichtigungs- oder Auflassungsanspruchs

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Berichtigungswege den Schuldner als Eigentümer ein, weil die Unrichtigkeit durch den Erbschein nachgewiesen wird (§§ 22 1 , 35 GBO). Das Antragsrecht hierzu steht dem Gläubiger auf Grund des § 14 zu und nach § 2 2 1 1 wird von dem sonst für die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung eines Eigentümers geltenden Erfordernis der beglaubigten (§ 29) Zustimmung des Einzutragenden abgesehen. Alsdann ist der Weg für jede Art der Zwangsvollstreckung in das Grundstück frei. 2. Ganz anders gestaltet sich das Verfahren, wenn die Unrichtigkeit der Eigentumseintragung nicht auf Erbfolge sondern auf einer infolge Geschäftsunfähigkeit nichtigen Auflassung oder dgl. beruht. Hier steht dem Schuldner gegen den Bucheigentümer ein Berichtigungsanspruch aus § 894 B G B zu, und der Gläubiger muß, wenn der Schuldner die Durchführung der Berichtigung nicht betreibt, versuchen, sie an Stelle seines Schuldners' durchzusetzen. Nun können Berichtigungsansprüche nicht mit der Wirkung übertragen werden, daß der Zessionar zum Inhaber des Anspruchs wird: denn der Anspruch steht dem dinglich Berechtigten als solchem zu, und deshalb ist seine Loslösung vom dinglichen Recht unmöglich. Man läßt aber eine „Legitimationszession" des Berichtigungsanspruchs zu, durch welche der Zessionar lediglich „ermächtigt" wird, den Anspruch gegen den Buchberechtigten zwecks Eintragung des Zedenten ins Grundbuch im eigenen Namen geltend zu machen. Voraussetzung ist ein schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten ( R G 1 1 2 , 260; Staudinger-Seufert, B G B , 1 1 . Aufl. § 894 Anm. 29). In dieser Weise kann der Anspruch auch gepfändet und zur Einziehung überwiesen werden ( K G J 47 A 174). Auf Antrag des Gläubigers wird also „der angebliche Anspruch des Schuldners gegen den Buchcigentümer auf Berichtigung des Grundbuchs von durch Eintragung des Schuldners als Eigentümer dieses Grundbuchblatts" gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen. Will der Bucheigentümer immer noch nicht bewilligen, so ist er auf Klage des Gläubigers zu verurteilen: „darein zu willigen, daß der Schuldner als Eigentümer des gegenwärtig auf den Namen des Beklagten eingetragenen Grundstücks im Grundbuch eingetragen wird." Mit der Rechtskraft der Verurteilung gilt die Bewilligung als abgegeben (§ 894 ZPO). Der Gläubiger braucht dann nur noch das Urteil mit dem Antrag auf Umschreibung dem Grundbuchamt einzureichen, wobei wiederum §§ 14, 2 2 1 1 G B O anzuwenden sind. 3. Ist der Schuldner noch nicht Eigentümer, sondern nur Käufer des Grundstücks, so wird nach § 848 Z P O sein Auflassungsanspruch gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen. Der Gläubiger klagt nötigenfalls gegen den Verkäufer mit dem Antrag: „den Beklagten zu verurteilen, die Auflassung des Grundstücks gericht bestellten Sequester zu bewilligen."

an den vom Amts-

Nach Eintritt der Rechtskraft erklärt der Sequester für den Schuldner die Entgegennahme der Auflassung des Verkäufers, welche zufolge § 894 als von diesem erklärt fingiert wird. Mit der Eintragung des Schuldners als Eigentümer erlangt der Gläubiger für seine Forderung kraft Gesetzes eine Sicherungshypothek am Grundstück (Ausnahme vom Eintragungsgrundsatz des § 873 BGB). Dazu Hoche, N J W 1955, 161, 652, 931; Hieber, DNotZ 1955, x86; Horber, N J W 1955, 1401.

Einstellung des Verfahrens nach Schluß der Versteigerung Auf dem versteigerten Steinbruchgrundstück Schönborn Blatt 30, dessen Wert gemäß § 74 v Z V G auf 15 000 D M festgesetzt worden ist, stehen hinter erststelligen 10000 D M zur zweiten Stelle 8000 D M für Rentner Römhild. Dieser und der persönliche Gläubiger Schenk betreiben das Verfahren. Im Versteigerungstermin gibt Gutsbesitzer Wunderlich als Meistbietender ein Bargebot von 3000 D M ab. 900 D M sind Kosten, öffentliche Lasten und Zinsen der ersten Hypothek. Römhild, der den Ausfall des größten Teils seiner Hypothek vor Augen sieht, das Grundstück aber nicht selbst erstehen will, ist ratlos. Versagung des Zuschlags auf Grund der Vorschriften über das Mindestgebot (§ 74 a 1 ) kommt nicht in Betracht, denn die Sieben-ZehntelGrenze ist erreicht. Auf Anregung des Richtes läßt sich Römhild einen Verkündungstermin (§87 Z V G ) geben und setzt sich mit einem Anwalt in Verbindung.

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Zwangsversteigerungsrichter — Einstellungsbewilligung. Zuschlagsversagung

A m Morgen des Verkündungstermins geht nachstehendes Schriftstück ein: „ I n dem Zwangsversteigerungsverfahren von Schönborn Blatt 30, Aktenzeichen 5 K 17/56, bewillige ich die einstweilige Einstellung des Verfahrens.

Franz Römhild." Der betreibende Gläubiger ist Herr des Verfahrens. E r kann sowohl den Versteigerungsantrag gänzlich zurücknehmen und das Verfahren dadurch zur A u f h e b u n g bringen (§ 29) als auch die einstweilige Einstellung des Verfahrens oder (was dem gleichsteht) die A u f h e b u n g eines Versteigerungstermins bewilligen (§ 30). Diese Rechte stehen ihm bis zur Verkündung des Zuschlags zu. Sind, wie in unserem Fall, mehrere betreibende Gläubiger vorhanden und scheidet einer von ihnen durch Bewilligung der A u f h e b u n g oder Einstellung oder aus anderen Gründen aus, so kommt es auf das zwischen ihnen bestehende Rangverhältnis an. Der Wegfall Schenks würde dem Fortgang des Verfahrens und der Erteilung des Zuschlags nicht entgegenstehen, weil er auf die Bildung des geringsten Gebots keinen Einfluß ausüben kann. Dagegen werden durch die Einstellungsbewilligung Römhilds die Grundlagen hinfällig, auf denen das geringste Gebot festgestellt worden war, und Römhilds Hypothek A b t . III Nr. 2 gehört jetzt mit ins geringste Gebot. Hätte er die Bewilligung im Termin erklärt, so wäre Zeit gewesen, eine anderweite Bestimmung des geringsten Gebots und der Versteigerungsbedingungen vorzunehmen und alsdann die Versteigerung zu wiederholen. So aber bleibt nur die Versagung des Zuschlags übrig. R G . 89, 426; K G JW 1926, 546 u. JW. 1932, 187 m. A n m . Armstroff. Nach § 53 muß die Entscheidung immer auf „Versagung des Zuschlags" lauten, wenn der betreibende Gläubiger nach Schluß der Versteigerung die Einstellung bewilligt. Würde man nämlich auf „Einstellung" tenorieren, so träte das Erlöschen des im Termin abgegebenen Meistgebots sofort ein. A u c h die Aufhebung eines solchen Beschlusses im Beschwerdewege hätte nicht die Wirkung, daß die Gebote wieder in Kraft treten. Der Versagung des Zuschlags aus Gründen nicht peremtorischer Art dagegen kommt die Wirkung einer Einstellung, d. h. auch des Erlöschens der Gebote, erst nach Rechtskraft zu. §§ 7 2 I " , 86. Beim Auscheiden eines von mehreren betreibenden Gläubigern sind noch die §§ 4 3 n , 83 1 zu beachten. Sie schreiben die Bestimmung eines neuen Versteigerungstermins bzw. die Versagung des Zuschlags vor, „wenn nicht vier Wochen vor dem Termin dem Schuldner ein Beschluß, auf Grund dessen die Versteigerung erfolgen kann, zugestellt ist." Nehmen wir an, Schenk wäre erst innerhalb der vier Wochen, vielleicht erst im Termin, beigetreten und Römhild hätte im Termin die Einstellung bewilligt. Dann wäre es unzulässig gewesen, in diesem Termin das geringste Gebot anderweit aufzustellen und daraufhin zu versteigern: denn Römhild ist durch die Einstellungsbewilligung als betreibender Gläubiger fortgefallen und Schenk verspätet beigetreten. —

A n Stelle des bereits entworfenen Zuschlagsbeschlusses verkündet der Richter den „Beschluß. In dem Verfahren Der Zuschlag wird versagt, weil der Rentner Franz Römhild in Lichterfelde, der das Verfahren wegen der Hypothek A b . III Nr. 2 betreibt, die einstweilige Einstellung des Verfahrens bewilligt hat und der Kaufmann Ernst Schenk in Berlin das Verfahren nur wegen einer persönlichen Forderung betreibt, so daß die Hypothek A b t . III Nr. 2 in das geringste Gebot aufgenommen werden muß. § 33 Z V G ; R G 89, 426. Dieser Beschluß hat mir dem Eintritt der Rechtskraft die Wirkung einer einstweiligen Einstellung des Verfahrens. Das Verfahren wird nur auf Antrag eines Gläubigers fortgesetzt. Wird der Antrag nicht binnen sechs Monaten seit dem Eintritt der Rechtskraft gestellt, so wird das Verfahren aufgehoben."

Wunderlich, der sich schon auf den billigen Erwerb des Grundstücks gefreut hat, widerspricht vergeblich. Er würde auch im Beschwerdeweg nichts erreichen. Z w a r gibt § 97 die Beschwerdeberechtigung gegen die Versagung des Zuschlags auch dem

Zwangsversteigerungsrichter — Versteigerung mehrerer Grundstücke

305

Bieter, dessen Gebot nicht erloschen ist. Es liegt jedoch kein sachlicher Beschwerdegrund vor, da das Gericht zutreffend entschieden hat. Römhild hat den Ausfall einer Hypothek noch im letzten Moment abgewendet. So wie hier dem Meistbietenden, wird bei anderer Sachlage die Verfügungsfreiheit des betreibenden Gläubigers über den Gang des Verfahrens (Dispositionsmaxime) den Befriedigungsberechtigten unbequem. Z . B. es ist bei der vom ersten Hypothekar betriebenen Versteigerung ein überraschend hohes Meistgebot abgegeben worden, welches noch die zweite und dritte Hypothek deckt. Zwischen Versteigerung und Verkündungstermin einigen sich betreibender Gläubiger und Schuldner auf Ratenzahlungen, worauf der Gläubiger die einstweilige Einstellung bewilligt. Dann wird ebenfalls der Zuschlag versagt, obwohl zweiter und dritter Hypothekengläubiger gewärtigen müssen, in einem künftigen Termin — für den die Gebote des ersten nicht mehr verbindlich sind (s. oben) — auszufallen. Sie können nichts dagegen tun, weil die nicht betreibenden Gläubiger kein Recht darauf haben, daß die Versteigerung zu einem positiven Ergebnis führt. Sogar gegen eine völlig ungerechtfertigte Versagung des Zuschlags durch das Gericht würde der Hypothekengläubiger, der nicht betreibender Gläubiger ist, nichts ausrichten: denn § 97 gibt die Beschwerde gegen die Versagung (abgesehen vom Meistbietenden) nur dem Betreibenden. Ganz anders steht es bei Erteilung des Zuschlags. Sie greift in die Rechtsstellung sämtlicher Beteiligten ein, weshalb auch jeder Beteiligte sich über ungerechtfertigte Zuschlagserteilung beschweren darf.

Ein verkündeter Beschluß über die Versagung des Zuschlags braucht an sich nicht zugestellt zu werden (arg. §§87,88,98). Die Zustellung an die betreibenden Gläubiger ist jetzt jedoch erforderlich, um die Frist für die Stellung des Fortsetzungantrags in Lauf zu setzen (§ 31 1 1 1 ). Verfügung: „ 1 . Beschluß zustellen:

a) Römhild

b) Schenk

2. 6 Monate nach Rechtskraft."

Hat der auf Antrag eines der Gläubiger angesetzte zweite Termin wiederum kein besseres Ergebnis, so kann Römhild abermals die Einstellung bewilligen. Dagegen gilt die dritte Einstellungsbewilligung unweigerlich als Rücknahme des Versteigerungsantrags und führt zur Aufhebung des Verfahrens, soweit es von diesem Gläubiger betrieben wird (§§ 301 S. 2, 29).

Versteigerung mehrerer Grundstücke. Gesamthypothek Die Zwangsversteigerung mehrerer Grundstücke in demselben Verfahren ist zulässig, wenn entweder die Grundstücke einem Schuldner gehören und der betreibende Gläubiger einen persönlichen Anspruch gegen diesen Schuldner hat, oder der Gläubiger die Vollstreckung wegen eines an allen Grundstücken bestehenden dinglichen Rechts, insbesondere einer Gesamthypothek, betreibt (§18 TNG). Trotz der Einheitlichkeit des Verfahrens werden geringstes Gebot und Versteigerungsbedingungen für jedes der Grundstücke gesondert aufgestellt, jedes für sich ausgeboten, bei jedem getrennt über den Zuschlag entschieden, die Erlöse gesondert verteilt. Auf Antrag kann auch ein Gesamtausgebot nach § 63 erfolgen, welches aber nur dann zum Zuschlag führt, wenn der Erlös höher ist als derjenige der Einzelausgebote (Näheres in § 63 IV ). Neben dem Gesamtausgebot bleibt aber das Einzelausgebot notwendig, es sei denn, daß sämtliche anwesenden Beteiligten zustimmen, deren Rechte außerhalb des geringsten Gebots stehen (§ 63 v ). Die Gesamthypothek weist in ihrem Aufbau große Ähnlichkeit mit der Gesamtschuld auf. Jeder Gesamtschuldner ist zur Bewirkung der ganzen Leistung verpflichtet, der Gläubiger nur einmal die Leistung zu fordern berechtigt, wobei ihm die freie Wahl unter den Gesamtschuldnern zusteht (§§ 421, 4221 S. 1 BGB). Entsprechend haftet jedes der mit einer Gesamthypothek belasteten Grundstücke für die volle 20

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Jansen)

306

Zwangsversteigerungsrichter — Gesamthypothek in der Zwangsversteigerung

Hypothekensumme, und der Gläubiger kann seine Befriedigung nach freiem Belieben aus dem einen oder anderen suchen oder den Betrag auf die Grundstücke verteilen. Hat er jedoch aus einem Grundstück Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung erhalten, so erlischt die Gesamthypothek an allen Grundstücken, und die Nachhypotheken rücken auf. Die Grundstücke sind also zusammen nur mit dem einfachen Betrag der Hypothek belastet. §§ 1132, 1147, 1 1 8 1 1 1 . Vom Standpunkt eines hinter der Gesamthypothek stehenden zweiten Gesamthypothekars gesehen: er muß damit rechnen, daß ihm auf jedem einzelnen Grundstück im schlimmsten Fall der ganze Betrag der Gesamthypothek vorgeht, aber auf allen Grundstücken zusammen kann ihm auch nur die einmalige Hypothekensumme vorgehen. Gelangt eines der mit der Gesamthypothek belasteten Grundstücke allein zur Zwangsversteigerung, so gelten keine verfahrensrechtlichen Besonderheiten. Unberührt bleiben die Folgen, die sich aus der materiellrechtlichen Bestimmung der §§ 1 1 8 1 1 1 , 1182 ergeben. Unterstellen wir, daß im Fall S. 261 f. für die vom Ersteher übernommene Primersche Hypothek noch ein zweites Grundstück hafte, das später als Hochkirch Blatt 47 zwangsversteigert wird, daß der Eigentümer dieses Grundstücks keinen besonderen Rückgriffsanspruch an den Eigentümer von 47 habe und daß Primer hierbei in Höhe von 1000 DM befriedigt werde. Damit würde in Höhe der 1000 D M Primers Hypothek an Blatt 47 erloschen sein, ohne daß der Ersteher Exner irgend etwas dazu beigetragen hätte. Deshalb schreibt § 50® Z V G vor, daß Exner die 1000 DM als „Ersatzbetrag" an die Befriedigungsberechtigten in gleicher Weise zu zahlen hat, wie wenn die Hypothek in dieser Höhe überhaupt nicht bestanden hätte. Ob das Erlöschen vor oder nach dem Zuschlag eintritt und ob es im Verteilungstermin bereits bekannt ist, ist ohne Belang. Stand allerdings dem Eigentümer des mithaftenden Grundstücks wegen der Gesamthypothek ein Ausgleichsanspruch an Suppes oder dessen Rechtsvorgänger zu — z. B. weil beim Abverkauf von Blatt 47 der Käufer die Hypothek in Anrechnung auf den Kaufpreis voll übernommen hat —, so würde Primers Hypothek auf Blatt 47 in Höhe der 1000 D M nicht unter-, sondern gemäß § 1182 BGB auf jenen Eigentümer übergegangen sein und damit die Voraussetzung für einen Ersatzbetrag aus § 502 Z V G entfallen.

Bei gemeinschaftlicher Versteigerung bietet die Gesamthypothek, falls sie außerhalb des geringsten Gebots steht, keine Probleme. Es handelt sich dann nur darum, bei der Erlösverteilung die Forderung des Gesamthypothekars auf die mehreren Grundstücksmassen zu verteilen. Hierfür ist § 122 maßgebend, der übrigens in gleicher Weise auf die Forderung eines persönlich betreibenden Gläubigers Anwendung findet. Die Gesamthypothek wird im Verhältnis der für die Gesamthypothek freien Erlöse (d. h. der Erlöse unter Abzug der der Gesamthypothek vorgehenden Lasten) verteilt, sofern der Hypothekengläubiger nichts Abweichendes bestimmt. Daß das willkürliche Verteilungsrecht des Hypothekengläubigers auch in diesem Falle besteht, erkennt § 122 durch ausdrückliche Bezugnahme auf § 1 1 3 2 1 S. 2 B G B an. In unserem Fall sind zwei Grundstücke, die mit einer dem betreibenden Gläubiger vorgehenden Gesamthypothek belastet sind, zusammen versteigert worden: Blatt 310

Blatt 311

Nr. 1 : 10000 D M Busse

Nr. 1 : 3000 D M Frank

Nr. 2 : 1 5 000 D M Ziegeleibesitzer Heckner Nr. 3: 8000 D M Kirschner | Nr. 3: 4000 D M Peucker betreibender Gläubiger Reimann. „Beschluß in dem Verfahren zum Zwecke der Zwangsversteigerung der in Lichterfelde, Feldstraße 3 belegenen, im Grundbuch von Lichterfelde Band 8 Blatt 310 und 311 auf den Namen des Zigarrenhäfldlers Hans Joeben Bredow eingetragenen Grundstücke.

Zwangsversteigerungsrichter — Doppeltes Ausgebot

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Der Zuschlag wird versagt. Dieser Beschluß hat mit dem Eintritt der Rechtskraft die Wirkung . . . (usw. wie S. 304). Gründe. Im Versteigerungstermin am 10. August 1956 hat der betreibende Gläubiger Reimann gemäß § 64 1 Z V G den Antrag gestellt, die Heckrierschc Gesamthypothek bei der Feststellung des geringsten Gebots für jedes Grundstück nur zu dem Teilbetrag zu berücksichtigen, der dem Verhältnis des Wertes nach Abzug der vorgehenden Belastungen entspricht. Der Wert von Blatt 310 ist auf 26000 DM, von Blatt 311 auf 7000 DM festgesetzt worden. Hieraus ergab sich eine Verteilung im Verhältnis von (26000 —10000): (7000 — 3000) oder 4 : 1, und es wurden folgende geringste Gebote bestimmt: A. für Blatt 310. 1. Mindestbargebot: (folgt Aufstellung der Kosten und öffentlichen Lasten, der Kosten und Zinsen des Busse, v i e r F ü n f t e l der Kosten und Zinsen des Heckner, und der Kosten und Zinsen des Kirschner, abschließend mit 1341,60 DM). 2. Bestehenbleibende Rechte: Hypothek Abt. III Nr. 1 von 10000 DM, Hypothek Abt. III Nr. 2 in Höhe eines Teilbetrages von 12000 DM, Hypothek Abt. III Nr. 3 von 8000 DM. B. für Blatt 3 1 1 . 1. Mindestbargebot: (folgt Aufstellung der Kosten und öffentlichen Lasten, der Kosten und Zinsen des Frank, ein F ü n f t e l der Kosten und Zinsen des Heckner und der Kosten und Zinsen des Pemker, abschließend mit 830,40 DM). 2. Bestehenbleibende Rechte: Hypothek Abt. III Nr. 1 von 3000 DM, Hypothek Abt. III Nr. 2 in Höhe eines Teilbetrages von 3000 DM, Hypothek Abt. III Nr. 3 von 4000 D M . " Nach der Regel des § 4 4 1 würde Heckners Gesamthypothek ins geringste Gebot fallen und daher auf jedem der beiden Grundstücke in voller Höhe zu übernehmen sein. Die Bieter werden also (wenn kein Gesamtausgebot nach § 6 3 stattfindet) sowohl bei Blatt 3 1 0 wie bei Blatt 3 1 1 die ganzen 1 5 0 0 0 D M einkalkulieren, weil sie nicht wissen können, ob Heckner nicht später gerade aus dem von ihnen erstandenen Grundstück Befriedigung verlangt. Folge: der Versteigerungserlös wird um zweimal 15 000 D M geringer. Diese Schädigung der nachstehenden Berechtigten will der von Reimann auf Grund des § 6 4 1 gestellte Antrag verhüten. Bleibt es bei der angegebenen Berechnung des geringsten Gebots, so verwandelt sich mit dem Zuschlag die Gesamthypothek von 15 000 D M in eine Einzelhypothek von 12 000 D M auf Blatt 3 1 0 und eine Einzelhypothek v o n 3000 D M auf Blatt 3 1 1 (§ 9 1 1 ) . „Sodann hat der Gläubiger der Gesamthypothek Heckner auf Grund des § 64 1 1 verlangt, daß nur die seinem Anspruch vorgehenden Rechte ins geringste Gebot aufgenommen werden. Die Grundstücke sind deshalb weiterhin auch mit folgenden geringsten Geboten ausgeboten worden: A. Blatt 310 1. Mindestbargebot: (folgt Aufstellung der Kosten und öffentlichen Lasten sowie der Kosten und Zinsen des Busse, abschließend mit 750 DM). 2. Bestehenbleibende Rechte: Hypothek Abt. III Nr. 1 von 10000 DM. 20*

Zwangsversteigerungsrichter — Gesamthypothek in der Zwangsversteigerung B. Blatt J I I . 1. Mindestbargebot: (folgt Aufstellung der Kosten und öffentlichen Lasten sowie der Kosten und Zinsen des Frank, abschließend mit 580 DM). 2. Bestehenbleibende Rechte: Hypothek Abt. III Nr. 1 von 3000 D M . Nach erfolgtem Ausgebot hat Heckner erklärt, daß dieses letztere Ausgebot für die Erteilung des Zuschlags maßgebend sein solle."

Wird der Antrag aus § 64 1 1 gestellt, so muß stets ein doppeltes Ausgebot durchgeführt werden, nämlich eins nach § 64 1 und eins nach § 64 1 1 (falls Gesamtausgebot beantragt ist: außerdem noch ein drittes Ausgebot gemäß § 65). Welches der beiden Ausgebote zum Zuschlag führt, entscheidet sich aber nicht (wie bei den „besonderen Versteigerungsbedingungen", oben S. 280) nach dem mehr oder weniger günstigen Erfolg der einzelnen Ausgebote, sondern wird einzig und allein vom Gläubiger der Gesamthypothek bestimmt, der darüber „nach erfolgtem Ausgebot", d. h. nach beendeter Versteigerung, vom Gericht zu befragen ist. Da Heckner dem Zuschlag auf Grund der Ausgebote nach Abs. I widersprochen hat, scheiden diese endgültig aus. „Beim Ausgebot aus § 6 4 1 1 ist auf Blatt 310 Direktor Emil Fischer mit 20000 D M , auf Blatt 3 1 1 Optiker Schiele mit 9000 D M Meistbietender geblieben. Die geringsten Gebote sind also erreicht. Nach § 83a darf aber der Zuschlag nur dann erteilt werden, wenn sowohl die Gesamthypothek wie die zwischen ihr und dem Gläubiger stehenden Rechte durch das Gesamtergebnis der Einzelausgebote gedeckt werden. Durch Barzahlung waren zu decken: die ins geringste Gebot aufgenommenen 750 D M auf Blatt 310 und 580 D M auf Blatt 3 1 1 , zusammen 1330 DM die Gesamthypothek einschließlich Kosten und Zinsen mit 15 377 D M die Kirscimersche Hypothek auf Blatt 310 einschließlich Kosten und Zinsen mit 8 290 D M die Peuckersche Hypothek auf Blatt 3 1 1 einschließlich Kosten und Zinsen mit 4175 D M Zusammen:

29172 DM,

während tatsächlich nur 20 000 + 9000 = 29 000 D M geboten worden sind. Die Voraussetzung des § 8j 3 ist also nicht erfüllt. Hieraus folgt die Versagung des Zuschlags bei beiden Grundstücken. Lichterfelde, den 17. August 1956. Das Amtsgericht. Richter."

Neben das regelmäßige geringste Gebot, bei dem die Gesamthypothek auf jedem Grundstück voll, und das besondere des § 64 1 , bei dem sie auf beiden zusammen nur mit dem einmaligen Betrage bestehen bleibt, tritt im Falle des § 64 1 1 ein ganz anormales geringstes Gebot auf Grund der Fiktion, daß der Gesamthypothekar betreibender Gläubiger sei. Zum Zuschlag führt dieses Gebot jedoch nur dann, wenn die Summe der Einzelausgebote alle im normalen geringsten Gebot stehenden Rechte deckt. Gegen den Willen des Hypothekengläubigers den Zuschlag aus § 64 1 zu geben und damit die Gesamthypothek auf die bisher haftenden beiden Grundstücke zu verteilen, würde ein Durchbrechung der das Recht der Gesamthypothek beherrschenden Grundsätze sein. Andererseits soll die Gesamthypothek nicht auf jedem Grundstück mit ihrem vollen Betrag in die Wagschale fallen. Das Verfahren nach §§ 64 1 1 , 8j 3 , das den Ausweg aus diesem Dilemma darstellt, läuft darauf hinaus, daß für die Gesamthypothek und die zwischen ihr und dem betreibenden Gläubiger stehenden Rechte der Übernahmegrundsatz gänzlich preisgegeben, dagegen der Deckungsgrundsatz wenigstens einigermaßen aufrecht erhalten wird. Allerdings kommt es nach dem klaren Wortlaut des § 83® nicht auf die Höhe der beiden Einzelausgebote, sondern lediglich auf das Gesamtergebnis an: Der Zuschlag müßte also sowohl erteilt

Zwangsversteigerungsrichter — Tilgungshypothek

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werden, wenn auf die beiden Grundstücke je 14586 DM, als auch, wenn bei Blatt 310 750 D M und bei Blatt 3 1 1 28422 DM, oder bei Blatt 310 28592 DM und bei Blatt 311 nur 580 DM geboten sind. Dank des ihm durch §§ 1 1 3 2 1 S. 2 B G B , 122 1 S. 1 Z V G verbrieften Rechts wird der Gesamthypothekar stets zur Hebung kommen. Dagegen sieht man sofort, daß im ersten Beispiel Kirschner, im zweiten Peueker ausfallen muß. Diese Zwischenberechtigten können sich nur durch rechtzeitigen Gebrauch ihres ius offerendi (§§ 268, 1150 BGB) schützen.

Der Fortgang des Verfahrens richtet sich wieder nach den §§ 31, 86 Z V G . In w e l c h e n F ä l l e n k o m m e n G e s a m t h y p o t h e k e n p r a k t i s c h v o r ? 1. Ein wirtschaftlich einheitliches Grundstück zerfällt grundbuchmäßig in mehrere Blätter (z. B. eine landwirtschaftliche Besitzung, die durch Zukauf abgerundet wurde; ein großes Geschäftshaus- oder Hotelgrundstück in der Altstadt, das auf dem Gelände mehrerer neben einander liegender Kleingrundstücke errichtet wurde) und wird einheitlich beliehen. 2. Teile eines eine einzige Nummer im Bestandsverzeichnis bildenden, mit einer Hypothek belasteten Grundstücks werden abveräußert, ohne daß eine Entpfändung erfolgt; unter dieser Voraussetzung kann trotz § 867 1 1 ZPO sogar eine Zwangshypothek Gesamthypothek werden. 3. Es wird ein Grundbuchblatt hypothekarisch belastet, dessen Bestandsverzeichnis mehrere „laufende Nummern der Grundstücke" umfaßt. R G 84, 265. 4. Ein Schuldner besitzt mehrere Grundstücke, die wirtschaftlich nichts miteinander zu tun haben (z. B. Fabrik- und Villengrundstück) und beleiht sie gemeinschaftlich, weil keines für sich allein dem Gläubiger ausreichende Sicherheit bietet. Dieser Fall, bei dem es sich nicht um eigentlichen Grundstückskredit, sondern um Bank- oder Privatkredite handelt, ist besonders häufig geworden. 5. Gehört ein Grundstück mehreren Miteigentümern zu Bruchteilen (§ 1008 BGB) und werden von den Anteilen mehrere mit einer gemeinschaftlichen Hypothek belastet, so entsteht eine Gesamthypothek; die einzelnen belasteten Anteile sind dann zu behandeln wie selbständige Grundstücke. Dasselbe gilt, wenn die Hypothek an dem ganzen den Miteigentümern gehörenden Grundstück bestellt oder das Eigentum an einem von dem bisherigen Alleineigentümer mit einer Hypothek belasteten Grundstück auf eine Gemeinschaft nach Bruchteilen übertragen wird (RG 146, 365, K G J F G 16, 347). Wird dagegen ein im Eigentum einer Gemeinschaft zur gesamten Hand stehendes Grundstück mit einer Hypothek belastet, so entsteht eine Einzelhypothek, weil der Anteil eines Gesamthänders am Grundstück nicht Gegenstand besonderer Verfügungen sein kann (§ 203 3 r I ).

Tilgungs- und Zinsrückstandshypothek. Pfändung von Eigentümergrundschulden. Aufrechnung des Erstehers Auf dem Zweifamiliengrundstück Lankwitz Blatt 162 steht an erster Stelle folgende Tilgungs-(Amortisations-)Hypothek: „20000 DM (i. W.) Darlehn mit 6% jährlicher, vierteljährlich nachträglich zu entrichtender Zinsen seit dem 1. Oktober 1948 und Zuschlägen von jährlich 1 % , welche zur allmählichen Tilgung des Kapitals mit den Zinsen zu entrichten sind, für die Landesversicherungsanstalt Berlin. Unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 8. eingetragen am 12. September 1948."

Zur Zeit der Hypothekenbestellung war Architekt Dix Eigentümer. Am 13. Oktober 1951 wurde das Grundstück auf den Kaufmann Aderhold umgeschrieben und für Dix eine Kaufgeldhypothek von 8 5 00 D M eingetragen. Seit dem 15. November 1955 ist in Abt. II unter Nr. 1 ein Nießbrauch für die Schwiegermutter des Eigentümers, Frau Christiani, eingetragen. Die Gläubigerin der ersten Hypothek betreibt die Zwangsversteigerung. Die Beschlagnahme ist am 20. März 1956 erfolgt. Im geringsten Gebot stehen nur Kosten und öffentliche Lasten mit zusammen 5 20 DM. Den Grundstückswert hat das Gericht auf 25 000 D M festgesetzt. Im Versteigerungstermin am 6. Juli 1956 hat Dix die erste Hypothek aus- und in seine Hypothek hineingeboten und auf sein Meistgebot von 24000 D M den Zuschlag erhalten. Zuzüglich Zuschlagszinsen (§ 49 1 1 Z V G ) sind 24120 D M von ihm zu zahlen. Zum Verteilungstermin am 20. August 1956 liegen bezüglich der Tilgungshypothek eine Reihe von Anmeldungen vor:

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Zwangsversteigerungsrichter — Tilgungshypothek

1. Die Landesversicherungsanstalt beansprucht (abgesehen von Kosten) die Zinsund Tilgungsraten ab i. April 1936 und 18 020,50 D M Kapital. Von der „Annuität" von 1400 DM werden im ersten Jahr 1200 DM auf Zinsen, 200 DM als Kapitaltilgung gerechnet. Im zweiten Jahr werden die Zinsen der im ersten Jahr getilgten 200 DM erspart, also nur noch 1188 DM für Zinsen gebraucht, woraus sich eine Kapitaltilgung von 212 DM ergibt. Für das dritte Jahr lauten die Zahlen 1175,28 DM bzw. 224,72 DM usw. Bis zum Ablauf des achten Jahres sind daher nicht nur 1600 DM, sondern insgesamt 1979,50 DM getilgt. Die Progression wird entsprechend der Zinseszins-(Renten-)formel von Jahr zu Jahr stärker: im 33. Jahr braucht man nicht mehr als 109,32 DM für Zinsen, so daß für Tilgung 1290,68 DM zur Verfügung stehen, und das 34. Jahr erfordert überhaupt nur eine Zahlung von 531,36 DM zwecks Tilgung des letzten Kapitalrestes. Je höher der Zinsfuß, desto schneller die Tilgung I 2. Dix überreicht beglaubigte Quittungen der Landesversicherungsanstalt über die von ihm für die Zeit vom 1. Oktober 1948 bis 30. September 1951 bezahlten Tilgungsbeträge (jährlich 200 D M bzw. 2 1 2 D M bzw. 224,72 DM). 3. Frau Christiani legt zwei Urkunden vor, in denen die Landesversicherungsanstalt „die uns an dem Grundstück Lankwitz Blatt 162 in Abt. III Nr. 1 zustehende Hypothek, soweit sie sich auf die am 31. Dezember 1955 fällige Zins- und Tilgungszuschlagsrate für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1955" — bzw. in der anderen Urkunde: auf die am 31. März 1956 fällige Rate für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1956 — „bezieht, im Betrage von 350 DM, unter Vorbehalt des Vorrangs für die uns verbleibende Restforderung, an Frau Franziska Christiani geb. Maskus in Lankwitz gegen Zahlung des Gegenwerts" abgetreten hat. 4. Der Schuldner Aderhold überreicht beglaubigte Quittungen der Landesversicherungsanstalt über 16 Tilgungsraten vom 1. Oktober 1951 bis 30. September 1955 steigend von 59,5 5 D M bis 70,93 D M , die er für sich anmeldet. 5. Professor Brachvogel, ein persönlicher Gläubiger Aderholds, nimmt in seiner Anmeldung dieselben Tilgungsraten wie Aderhold in Anspruch. E r hat wegen einer Forderung von über 1000 D M durch Beschluß vom 19., zugestellt an Aderhold und die Landesversicherungsanstalt am 20. Juni 1956, pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen: „die angeblich dem Schuldner an seinem Grundstück Lankwitz Blatt 162 zustehende Eigentümergrundschuld, welche während der Zeit vom 1. Oktober 1951 bis 30. September 1955 durch teilweise Tilgung der für die Landesversicherungsanstalt Berlin in Abt. III unter Nr. 1 eingetragenen Tilgungshypothek von 20000 DM in Höhe von ungefähr 1050 DM entstanden ist, dem der Gläubigerin verbliebenen Rest im Range nachstehend, einschließlich der dem Schuldner in Ansehung dieser Eigentümergrundschuld an die Gläubigerin zustehenden Ansprüche auf Berichtigung des Grundbuchs und Vorlegung des Hypothekenbriefes beim Grundbuchamt zwecks Bildung eines Teilbriefs." Alsdann sind für Brachvogel durch Beschluß vom 13., zugestellt an Aderhold, Landesversicherungsanstalt, Dix und Vollstreckungsgericht am 15. Juli 1956, gepfändet und überwiesen worden: „die Rechte, welche angeblich dem Schuldner auf Auszahlung eines Teiles des Versteigerungserlöses in der Zwangsversteigerungssache von Lankwitz Blatt 162 deshalb zustehen, weil durch Zahlung von Tilgungsraten während der Zeit vom 1. Oktober 1951 bis 30. September 1955 ungefähr 1050 DM Teilbetrag der in Abt. III unter Nr. 1 für die Landes Versicherungsanstalt Berlin eingetragenen Hypothek von 20 000 DM als Eigentümergrundschuld auf den Schuldner übergegangen sind und weil die Grundschuld durch den am 6. Juli 1956 verkündeten Zuschlag erloschen ist."

Zwangsversteigerungsrichter — Pfändung von Teileigentümergrundschulden

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6. Schließlich hat die „Mittelstandsbank e. G . m. b. H . " aus einem größeren Schuldtitel gegen Aderhold am 7. Juli 19 5 6 eine Vorpfändung und am 18. Juli 19 5 6 einen gerichtlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß an Aderhold, Landesversicherungsanstalt, D i x und Vollstreckungsgericht zustellen lassen, dessen Formel dem zweiten Pfändungsbeschluß Brachvogels entspricht. Sie meldet ebenfalls ihre Ansprüche an. — Entsteht durch Rückzahlung v o n Tilgungshypotheken überhaupt eine Eigentümergrundschuld ? Nach § 1 1 7 8 1 S. 1 B G B soll die Hypothek für Rückstände von Zinsen und anderen „Nebenleistungen" sowie für Kosten, wenn sie sich mit dem Eigentum in einer Person vereinigt, erlöschen, und in der Zwangsversteigerung werden die Tilgungsbeträge wie wiederkehrende Leistungen behandelt, so daß im geringsten Gebot zu berücksichtigende Tilgungsraten in den bar zu zahlenden Teil des geringsten Gebots aufzunehmen sind (§§ 12 2 , 49). A b e r ihrer inneren Natur nach sind Tilgungsraten ausgesprochene Hauptleistung, keine „Nebenleistung". Sie behalten daher auch ohne Rücksicht auf die Dauer des Rückstandes den Rang der Klasse 4 des § 10. Deshalb begründet jede v o m Grundstückseigentümer und persönlichen Schuldner auf das Kapital der Tilgungshypothek geleistete Zahlung nach § 1 1 6 3 1 S. 2, § 1 1 7 7 1 B G B eine Eigentümergrundschuld ( R G 104, 72). Dagegen sind die häufig in Hypothekenbedingungen für den Fall unpünktlicher Zahlung ausbedungenen Strafzinsen sowie sog. Vorfälligkeitsentschädigungen aufschiebend bedingte Verpflichtungen. Auch die Hypothek für sie ist aufschiebend bedingt; soweit die Bedingung ausfällt, der Mehrzinsanspruch also nicht zur Entstehung gelangt, erlischt die Hypothek. Auch wenn im Einzelfalle eine unbedingte Hypothek für die bedingte persönliche Mehrzinsforderung bestellt sein sollte, entsteht in entsprechender Anwendung des § 1 1 7 8 ' S. 1 B G B keine Eigentümergrundschuld ( K G J F G 9, 272; R G 136, 74). Außer der vorstehend erörterten gibt es noch eine andere bei den landschaftlichen Kreditanstalten übliche Art der Tilgungshypothek. Dort entsteht zufolge statutarischer Bestimmung keine Eigentümerhypothek, sondern es wird bei der Landschaft ein „Tilgungsfonds" angesammelt, auf den der zahlende Eigentümer einen obligatorischen Anspruch hat, während die Hypothek selbst bis zur Leistung der letzten Tilgungsrate in voller Höhe dem eingetragenen Gläubiger zusteht. Meist darf der Anspruch auf den Tilgungsfonds nicht vom Grundstückseigentum getrennt, folglich auch nicht gesondert gepfändet werden. Es gibt jedoch auch Landschaftsstatuten, nach denen er einen „nicht wesentlichen" Bestandteil des Grundstücks bildet. Vgl R G 30, 278; 64, 2 1 1 ; 74, 401. Welchen Eigentümern gehören nun die einzelnen Tilgungsbeträge und welchen Rang haben sie untereinander ? Allgemein ist zu sagen, daß Eigentümergrundschulden demjenigen zustehen, während dessen Eigentumszeit die Voraussetzungen ihrer Entstehung eingetreten sind. Hinsichtlich des Ranges gilt (wie bei allen gesetzlichen Rechtsübergängen) die Regel „nemo subrogat contra se", d.h. die Eigentümerpost darf nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden. § 1 1 7 6 , vgl. §§ 2 6 8 » ! S. 2, 7 7 4 I S. 2. Bestellt z. B. der Grundstückseigentümer A für X eine Hypothek von 100000 DM, wovon nur 95000 DM valutiert werden (§ 1 1 6 3 1 S. 1), so hat die hierauf beruhende Eigentümergrundschuld von 5000 DM den Rang hinter den 95000 DM des X. Alsdann zahlt er 10000 DM zurück (§ 1 1 6 3 1 S. 2), und damit spalten sich die 95 000 DM in erststellige 85 000 D M des X und nachstellige 10000DM des A. Wenn der nachfolgende Eigentümer B weitere 20000 DM zurückzahlt, erwirbt er von den 85 000 D M des X die letzten 20000 DM usw. Das Rangverhältnis der Grundschulden der auf einander folgenden Eigentümer ist umgekehrt, wie die zeitliche Aufeinanderfolge ihres Eigentums: der letzte hat den besten, der erste den schlechtesten Abschnitt. Bei der Tilgungshypothek folgt aus der Verschiebung des Anteils von Zinsen und Kapitalzahlung weiterhin, daß der erste Eigentümer auch die kleinsten, der letzte die höchsten Beträge erwirbt. Die Pfändung von Eigentümergrundschulden gehört zu den mühsamsten A u f gaben der juristischen Praxis. Manche Schriftsteller erklären, daß die Eigentümergrundschuld keine wahre Grundschuld sei, und wenden deshalb § 8 5 7 1 1 Z P O an,

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Zwangsversteigerungsrichter — Pfändung von Eigentümergrundschulden

nach welchem beim Fehlen eines Drittschuldners die Pfändung schon mit Zustellung des Beschlusses an den Schuldner bewirkt ist. Diese Auffassung hat sich in der Rechtsprechung nicht durchgesetzt (RG 5 5, 379; O L G Frankfurt, N J W 195 5, 1483). Denn die Zulassung einer solchen Pfändung würde den im Sachenrecht des B G B geltenden Publizitätsgrundsatz durchbrechen. Die Eigentümergrundschuld wird vielmehr wie eine Fremdgrundschuld behandelt und nach den für Hypotheken überhaupt aufgestellten allgemeinen Regeln gepfändet. §§830, 857 v i . Der Pfändungsbeschluß ist leicht erwirkt und zugestellt. Aber die weiterhin erforderliche Wegnahme des Briefes (bei Buchhypotheken : Eintragung der Pfändung im Grundbuch) stößt fast immer auf das Hindernis, daß der Brief sich nicht im Besitz des Schuldners, sondern des eingetragenen Hypothekengläubigers befindet (oder die Post nicht auf den Schuldner umgeschrieben ist, sondern noch ganz auf den Hypothekengläubiger eingetragen steht, so daß dem Grundbuchamt der Nachweis des Übergangs der Post auf den Eigentümer in der Form des § 29 G B O erbracht werden muß). Daraus ergeben sich für das weitere Verfahren folgende Abschnitte : 2uerst Pfändung und Überweisung des Anspruchs auf Berichtigung des Grundbuchs aus § 894 B G B und — bei Briefhypotheken — auf Vorlegung des Briefes beim Grundbuchamt zum Zwecke der Bildung eines Teilbriefs nach den §§ 896, 1 1 4 5 1 S. 2 BGB. Hierauf Geltendmachung dieses Anspruchs gegen den eingetragenen Hypothekengläubiger; dabei kommt es oft zu verwickelten Prozessen, besonders wenn es sich um Baugeldhypotheken handelt, von denen ein Teilbetrag durch NichtValutierung Eigentümergrundschuld geworden sein soll. Liegt die Berichtigungsbewilligung des Gläubigers in grundbuchmäßiger Form vor und ist der Teilbrief gebildet, so kann endlich der Schlußakt der Hypothekenpfändung—die Übergabe des Teilbriefes (bzw. die Eintragung der Pfändung im Grundbuch) — vor sich gehen. Alle diese Umständlichkeiten fallen mit einem Schlage fort, wenn das belastete Grundstück zur Zwangsversteigerung gebracht und die außerhalb des geringsten Gebots stehende Eigentümergrundschuld durch den Zuschlag erloschen ist. Mit dem Zuschlag verwandelt sich nämlich das Grundpfandrecht — nicht bloß Eigentümergrundschuld, sondern überhaupt jede Hypothek, Grund- oder Rentenschuld — nach dem Umwandlungsgrundsatz (oben S. 289) in ein gleichartiges Recht am Versteigerungserlös (§§ 52, 9 1 1 Z V G ) , das nicht mehr nach den für Hypotheken geltenden Bestimmungen der §§ 1154 BGB, 830 ZPO, sondern wie ein sonstiges Recht abzutreten und zu pfänden ist. Will der Gläubiger eines Grundpfandgläubigers nach dem Zuschlag dieses Recht seines Schuldners pfänden, so ist Drittschuldner weder der Versteigerungsrichter noch der Ersteher, sondern der Subhastat, weil er derjenige ist, der die Auszahlung des gepfändeten Betrages zu dulden hat. Ist — wie im Fall der Eigentümergrundschuld — der bisherige Grundstückseigentümer selbst der Hebungsberechtigte und somit für den Pfändungsbeschluß der Schuldner, so fehlt es an einem Drittschuldner und es genügt gemäß § 8 5 7 1 1 zur Pfändung nunmehr die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Schuldner. R G 63, 214; 64, 2 1 1 ; 125, 367. Der Referendar bei Vorbereitung des Teilungsplans: Das Liquidât, welches auf die Aderholdsche Eigentümergrundschuld entfällt, muß der Mittelstandsbank zugeteilt werden. Die Pfändung der Hypothek durch den ersten von Brachvogel erwirkten Beschluß hat mangels Briefübergabe keine Wirksamkeit erlangt. Die Pfändung des durch den Zuschlag an Stelle der Hypothek getretenen Anspruchs auf den Versteigerungserlös durch Brachvogels zweiten Beschluß war ordnungsmäßig, und zwar genügte die Zustellung an Aderhold. Bezüglich der Pfändung seines Rechts ist aber die Mittelstandsbank mit ihrer Pfändungsankündigung Brachvogel zuvorgekommen, und da der Pfändungsankündigung binnen drei Wochen die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an Aderhold nachfolgte, kommt es auf das Datum der Pfändungsankündigung an. § 845 ZPO.

Zwangsversteigerungsrichter — Rang mehrfacher Hypothekenpfändungen

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Der Kalkulator: Im Ergebnis stimme ich Ihrer Auffassung zu. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, muß man jedoch noch folgende Erwägungen anstellen: Der erste von Brachvogel erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschluß sprach nicht nur die Pfändung aus, sondern enthielt gemäß § 829 1 S. 2 auch das Gebot an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Grundschuld, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten. Ein solches Verfügungsverbot hat nach den §§ 136, 1 3 5 1 B G B die Wirkung, daß nicht nur jede rechtsgeschäftliche, sondern auch jede im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgende weitere Verfügung über den Gegenstand dem Pfändungsgläubiger gegenüber unwirksam ist. Es führt also auch die relative Unwirksamkeit der später von weiteren Gläubigern des Schuldners erwirkten Pfändungen herbei. Die Wirksamkeit des Verfügungsverbots beginnt auch nicht erst mit der Vollziehung der Pfändung, also der Eintragung im Grundbuch oder der Wegnahme des Hypothekenbriefs, sondern, wie in § 830 1 1 für den Eintritt der Wirkungen des Leistungsverbots und der Pfändung gegenüber dem Drittschuldner ausdrücklich angeordnet ist, bereits mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Schuldner. Auf diesen Zeitpunkt wird die Wirksamkeit des Verfügungsverbots jedoch nur zurückbezogen, sofern es später zu einer Vollziehung der Pfändung durch Wegnahme des Hypothekenbriefes oder Eintragung im Grundbuch kommt. Bis dahin tritt der in § 161 B G B geregelte Schwebezustand ein mit der Wirkung, daß der Drittschuldner nur noch an Gläubiger und Schuldner gemeinsam leisten darf (RG 76, 233; 97, 228; BayObLG 18, 9). Das im Pfändungsbeschluß enthaltene gerichtliche Verfügungsverbot hat daher sofortige, wenn auch durch die Vollendung der Pfändung bedingte Wirksamkeit. Das ist insbesondere für den Rang des Pfändungspfandrechts von Bedeutung, der sich nicht nach dem Zeitpunkt der Wegnahme des Briefes, sondern nach der Zustellung des Pfändungsbeschlusses richtet. Unzutreffend daher Stein-Jonas-Schönke, ZPO § 830 Anm. VII 2, die meinen, daß bei gleichzeitiger Wegnahme des Briefes durch den Gerichtsvollzieher für mehrere Pfändungsgläubiger Gleichrangigkeit eintrete. In unserem Falle kann sich die Pfändung der Eigentümergrundschuld durch Brachvogel nicht mehr vollenden, weil die Grundschuld durch den Zuschlag erloschen ist. Das Verfügungsverbot des ersten Pfändungsbeschlusses hat damit endgültig seine Kraft verloren. Die Pfändung ist auch nicht etwa durch das Erlöschen der Grundschuld wirksam geworden. Diese Folgerung wird von der Rechtsprechung abgelehnt (RG 70, 278; 76, 231; JW 1933, 2764), obwohl der dem Grundpfandgläubiger nach der Zwangsversteigerung zustehende Anspruch auf den Erlös nicht ein neues, durch die Zwangsversteigerung entstandenes Recht, sondern die unmittelbare Fortsetzung seines bisherigen Realrechts ist. Aber diese Rechtsprechung wird wohl durch die Erwägung getragen, daß sonst jede Pfändung eines Grundpfandrechts, die nur zur Zustellung an den Schuldner und Drittschuldner ohne Wegnahme des Hypothekenbriefes oder Eintragung im Grundbuch gediehen ist, ein Pfandrecht an dem in einem künftigen Zwangsversteigerungsverfahren anfallenden Versteigerungserlös begründen und damit das Recht anderer Pfändungsgläubiger, deren Pfändung nach den Erfordernissen des Gesetzes (§ 830 1 ) vollzogen ist, vereiteln würde, was dem Zweck dieser Vorschrift zuwiderläuft. ,,C. I n d e n T e i l u n g s p l a n a u f z u n e h m e n d e

Ansprüche.

Aus der zu B festgestellten Teilungsmasse sind folgende Ansprüche in der nachstehend angegebenen Reihenfolge zu berichtigen: 5. Ansprüche aus der Hypothek Abt. III Nr. 1 von 20000 D M : a) Kosten (Anmeldung Blatt . . . .) b) 6 % Zinsen und 1 % jährlicher Tilgungszuschlag vom 1. April bis 20. August 1956 (Anmeldung Blatt. . . .)

246,50 D M , 544.44 D M ,

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Zwangsversteigerungsrichter — J u s offerendi des Nießbrauchers c) Kapital, abzüglich der für die Zeit v o m i. Oktober 1948 bis 3 1 . März 1 9 5 6 zur Tilgung des Kapitals geleisteten Beträge

18020,50 D M ,

zu a bis c der Landesversicherungsanstalt Berlin zustehend, d) Anspruch der Frau Franziska Christian geb. Maskus in Lankwitz auf 6 % Zinsen und 1 % Tilgungszuschlag für die Zeit v o m 1. Oktober 1955 bis 3 1 . März 1956 auf Grund der Abtretungen der Landes Versicherungsanstalt Berlin v o m 2. Januar und 3 1 . März 1 9 5 6 700,00 D M , e) Anspruch des Schuldners Aderhold auf Auszahlung desjenigen Teiles des Versteigerungserlöses, der auf die durch teilweise Tilgung während der Zeit v o m 1. Oktober 1 9 5 1 bis 30. September 1955 für ihn entstandene, durch den Zuschlag erloschene Eigentümergrundschuld entfällt, durch Pfändungsankündigung v o m 6., zugestellt am 7. Juli 1956, und Beschluß v o m 16., zugestellt am 18. Juli 1956 für die Mittelstandsbank e.G.m.b.H. in Berlin gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen . 1042,05 D M , f ) Anspruch des früheren Grundstückseigentümers Dix aus der während der Dauer seines Eigentums v o m 1. Oktober 1948 bis 30. September 1 9 5 1 durch teilweise Tilgung für ihn entstandenen Eigentümergrundschuld (Anmeldung Blatt )

636,72 D M . "

Weiterhin sind unter C 4 für Dix als Gläubiger der Kaufgeldhypothek Abt. III Nr. 2 noch 8809,79 DM, unter C 5 für die Nießbraucherin Christiani eine Geldrente nach § 92 1 1 Z V G (S. 293) eingestellt. Nach Abschnitt D gelangen die Ansprüche zu C 3 vollständig, von C 4 ein Teilbetrag von 2409,79 D M zur Hebung, während der Rest von C 4 und das ganze Liquidat C 5 ausfallen. Bei der Aufstellung des Teilungsplans hat das Gericht gemäß § 1 1 4 aus dem Grundbuchauszug und den urkundlichen Unterlagen (Quittungen, Abtretungen, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen) die rechtlichen Folgerungen gezogen. Da aber die Nichtaufnahme angemeldeter Ansprüche in den Plan als Widerspruch gilt (oben S. 293), ist noch die bedingte Verteilung gemäß § 124 erforderlich. Aus Zweckmäßigkeitsgründen wird diese erst auf Grund der mündlichen Verhandlung vorgenommen : „ E . V e r h a n d l u n g ü b e r den

Teilungsplan.

Über den Teilungsplan wurde verhandelt. Der Schuldner nahm seine Anmeldung wegen des zu C 3 e der Mittelstandsbank zugeteilten Anspruchs zurück. Dagegen erklärte Prof. Brachvogel, daß er seine Anmeldung bezüglich des gleichen Betrages aufrecht erhalte und gegen die Zuteilung an die Mittelstandsbank Widerspruch erhebe. Vorgelesen, genehmigt. Beschlossen und verkündet: F ü r den Fall, daß der von Prof. Brachvogel erhobene Widerspruch für begründet erklärt wird, wird der Betrag z u C j e von 1042,05 D M ihm zugeteilt."

Ein weiterer Widerspruch richtet sich gegen den Anspruch der Frau Christiani. Werden Zinsen und andere wiederkehrende Leistungen der ersten Hypothek von nachstehenden dinglich Berechtigten zur Abwendung der Zwangsvollstreckung bezahlt, so geht das hypothekarische Recht in der Regel gemäß den §§ 268, 1150 B G B kraft Gesetzes auf den zahlenden Dritten über, natürlich mit dem Vorrang für die dem Gläubiger verbleibenden Ansprüche: ius offerendi et succedendi („Lösungsrecht"). Diese Befugnis wird vielfach zu Schiebungen mißbraucht. Verschuldete Grundstückseigentümer bestellen einem nahen Angehörigen, z.B. ihrer Frau, eine wertlose Schornsteinhypothek und lassen die Zinsen der ersten Hypothek der Form nach durch die Frau zahlen. Gelangt dann später das Grundstück zur Zwangsversteigerung, so meldet die Frau die von ihr bezahlten Zinsen im Rahmen

Zwangsversteigerungsrichter — Widerspruch gegen den Teilungsplan

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des § io 4 Z V G , also bis zu zwei Jahren, mit dem Range der ersten Hypothek an und der zweite Hypothekar muß sie mit ausbieten! Um sich davor zu schützen, legen ganz vorsichtige zweite Hypothekengläubiger dem Eigentümer die Verpflichtung auf, die Zahlung der Zinsen der ersten Hypothek, als für Rechung des Eigentümers erfolgt, regelmäßig durch Vorlegung der Quittungen nachzuweisen, und bedingen sich für den Fall der Nichterbringung des Nachweises die sofortige Fälligkeit ihrer eigenen Post aus. Im übrigen hat das Gericht selbstverständlich die Voraussetzungen des Lösungsrechts genau nachzuprüfen. Hierbei wird wichtig, daß der Gläubiger zwar nicht schon die Zwangsvollstreckung zu betreiben braucht (wie bei dem Lösungsrecht des Schuldrechts, § 268 BGB), daß er aber immerhin „Befriedigung aus dem Grundstück verlangt" haben muß (vgl. § 1150). Ist nun der zahlende Dritte ein Nießbraucher, so wäre der Übergang des Hypothekenrechts auf ihn besonders unbillig, da der Nießbraucher durch Zahlung der Zinsen lediglich eine ihm gegenüber dem Eigentümer auf Grund des Nießbrauchs obliegende Verpflichtung erfüllt (§ 1047). Deshalb sieht man es so an, als ob die Zahlung des Nießbrauchers für Rechnung des Grundstückseigentümers geschehen wäre, d. h. die Zinshypothek erlischt nach § 1178 1 S. 1. Darüber hinaus verneint die Rechtsprechung den Rechtsübergang aus §§ 268, 115 o, falls die Befriedigung des Gläubigers durch den Dritten nachweislich nicht den Zweck hatte, eine drohende Zwangsvollstreckung abzuwehren, sondern dem ablösenden Gläubiger gegenüber anderen Gläubigern einen besseren Rang sichern sollte R G 100, 155; 123, 340. Frau Christiani beruft sich allerdings auf ausdrückliche Abtretungserklärungen der Landesversicherungsanstalt und nicht auf die gesetzlichen Folgen des ius offerendi. Ob der Nießbraucher sich durch solche rein formalen Gesichtspunkte eine Vorzugsstellung vor einem ihm im Range vorgehenden Hypothekengläubiger verschaffen kann, erscheint recht fraglich (bejahend R G 100, 157; verneinend Palandt, 15. Aufl. § 1047 Anm. 2). § 1047 spricht nur von den Zinsen. Nach der Verkehrsauffassung hat der Nießbraucher auch für die Tilgungsraten aufzukommen, doch ist das streitig. Soweit der Frau Christiani die Teilhypothek für die Tilgungsraten abgetreten worden ist, genügte übrigens nicht, wie gemäß § 1 1 5 9 für die Abtretung der Hypothek für die Zinsrückstände, die einfache Abtretungserklärung nach § 398, sondern es hätte die Form des § 1 1 5 4 gewahrt werden müssen. „Herr Dix erklärte: Ich widerspreche der Zuteilung des Anspruchs C 3 d an Frau Christiani, weil sie als Nießbraucherin zur Zahlung von Zinsen und Tilgungszuschlag verpflichtet war und weil die Zahlung durch sie nicht dazu bestimmt war, eine drohende Zwangsvollstreckung abzuwenden, sondern der Nießbraucherin gegenüber anderen Gläubigern einen besseren Rang zu sichern. Ich mache geltend, daß insoweit, als die von Frau Christiani geleisteten Zahlungen Zinsen darstellen, nämlich in Höhe von 549,64 D M , die Hypothek erloschen, und daß in Höhe der Tilgungsbeträge, nämlich 150,36 D M , eine Eigentümergrundschuld für Aderbold entstanden ist. Vorgelesen, genehmigt. Beschlossen und verkündet: Für den Fall, daß der v o n Herrn Dix erhobene Widerspruch für begründet erklärt wird, kommen von den 700 D M zu C 3 d 549,64 D M in Wegfall, und es gelangt infolgedessen Herr Dix zu C 4 mit einem weiteren Betrage v o n 549,64 D M zur Hebung, so daß sich sein Ausfall von 6400 D M auf 5850,36 D M verringert. Der Restbetrag des Liquidats mit 150,36 D M steht im Falle des erfolgreichen Widerspruchs nicht Frau Christiani sondern Herrn Aderhold zu."

Welches Interesse Dix daran hat, die 150,36 D M für Aderhold zu reklamieren, zeigt sich aus seiner folgenden Erklärung:

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Zwangsversteigerungsrichter — Aufrechung des Erstehers „F. A u s f ü h r u n g des Teilungsplans.

Der Ersteher Dix erklärte: Laut Teilungsplan stehen mir zu: unbedingt gemäß C unbedingt gemäß C 4a bis c, D zur Hebung gelangende ferner gemäß C 3 d, E für den Fall, daß mein Widerspruch gegen den Anspruch der Frau Christiani Erfolg hat Mit diesen insgesamt rechne ich gegen mein Bargebot nebst Zinsen auf.

636,72 DM 2409,79 DM 549,64 DM 3596,15DM

Sodann rechne ich gegenüber den nach C 3 d, E für den Fall des erfolgreichen Widerspruchs dem Schuldner Aderbold zugeteilten 150,36DM mit einem gleich hohen Teilbetrag meiner unter C 4 c, D, E festgestellten persönlichen Ausfallsforderung gegen Aderhold und gegenüber den gemäß C 3e, E der Mittelstandsbank e. G.m.b.H., unter Umständen Herrn Prof. Brachvogel als Rechtsnachfolgern des Schuldners Aderhold zugeteilten 1042,05 DM ebenfalls mit einem gleich hohen Teilbetrag meiner unter C 4 c, D, E festgestellten persönlichen Ausfallsforderung gegen Aderhold auf. Vorgelesen, genehmigt. Den nach Vornahme der Aufrechnungen verbleibenden Restbetrag des Gebots nebst Zinsen von 19330,99 D M zahlte der Ersteher bar an das Gericht. Dieser Betrag wurde an die Berechtigten zu C 1 bis einschließlich 3 c ausgezahlt."

Jede Aufrechnung setzt voraus, daß zwei Personen „einander" gleichartige Leistungen schulden (§ 387). Teilungsmasse ist der Versteigerungserlös, der nach dem Umwandlunsgrundsatz an die Stelle des Grundstücks tritt. Bis zur Zahlung besteht die Teilungsmasse aus der Forderung gegen den Ersteher, die somit, wie vorher das Grundstück, zum Vermögen des Vollstreckungsschuldners gehört. Die Befriedigungsansprüche, die bis zum Zuschlag an dem Grundstück bestanden, setzen sich aber an der Forderung gegen den Ersteher fort und die Forderung gegen den Ersteher ist in gleicher Weise wie vorher das Grundstück der Beschlagnahme unterworfen (RG 64, 308; 72, 346; 84, 8; B G H 4, 84). Deshalb hat die vom Ersteher im Verteilungstermin zu leistende Zahlung in einheitlicher und ungeteilter Summe „an das Gericht" zu erfolgen (§ 1 0 7 1 1 ZVG), nicht an einzelne Befriedigungsberechtigte. Erst durch Übertragung der Forderung gemäß § 118 wird die von § 387 erforderte Gegenseitigkeit zwischen dem Ersteher als Schuldner des Gebots und den Gläubigern geschaffen. Der Ersteher hat allerdings die Befugnis, sich wegen der Ansprüche, die ihm selbst im Teilungsplan unbedingt zugesprochen und die nicht mit den Rechten Dritter belastet sind, für befriedigt zu erklären, weil darin nur eine Vereinfachung der Zahlungsart liegt. Würde der Ersteher seine Befriedigung nicht erklären, so wäre ihm im Falle der Nichtzahlung die Forderung gegen ihn selbst zu übertragen, wodurch Forderung und Schuld infolge Vereinigung erlöschen würden, so daß eine Sicherstellung (§ 128) nicht in Betracht käme. In allen anderen Fällen kommt es — sofern der Befriedigungsberechtigte sich nicht mit der Aufrechnung einverstanden erklärt — notwendigerweise zur Forderungsübertragung, mithin auch zur Eintragung der Sicherungshypothek nach § 128. Der Ersteher, der Forderungen an einen Befriedigungsberechtigten zu haben behauptet, kann nicht etwa daraufhin dem Anspruch dieses Befriedigungsberechtigten widersprechen: denn der Widerspruch setzt voraus, daß der Widersprechende ein besseres Recht am Erlöse geltend macht als der andere. Ein solches Recht am Erlöse hat der Ersteher aber nicht. Er hat in seiner Eigenschaft als Ersteher überhaupt kein Widerspruchsrecht, weil die Art der Verteilung des von ihm geschul-

Zwangsversteigerungsrichter — Bedingte Forderungsübertragung

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deten Erlöses seine Rechte nicht berührt (Steiner-Riedel, Z V G , 7. Aufl. § 115 Bern. 3 d). Demgemäß kommt für die endgültige Entscheidung über eine Aufrechnung nicht die Widerspruchsklage des § 878 ZPO, sondern die Vollstreckungsgegenklage gegen die vollstreckbare Forderungsübertragung (§ 767) oder die Grundbuchberichtigungsklage (§ 894) wegen der Sicherungshypothek in Betracht. Wird Dix mit der Aufrechnung aber auch gegenüber den Pfändungsgläubigern Mittelstandsbank bzw. Brachvogel durchdringen ? Als die Forderungsübertragung erfolgte und damit die Grundlage für eine Aufrechnung geschaffen wurde, war das Recht des Subhastaten Aderhold, gegen den sich die Gegenforderung des Dix richtet, bereits mit dem Pfandrecht belastet, so daß zwischen Dix und dem Subhastaten niemals eine Aufrechnungslage bestanden hat. Denn auch in der Zeit zwischen dem Zuschlag und der Pfändung war die Forderung gegen den Ersteher der freien Verfügung des Subhastaten entzogen. Er konnte sie nicht durch Einziehung oder Aufrechnung oder sonstwie zum Erlöschen bringen; sie konnte daher auch ihm gegenüber nicht aufgerechnet werden (RG 64, 3 1 1 ; Veith, JW 1934, 808). Aber im Augenblick des Zuschlags, durch den Dix zur Zahlung des Gebots verpflichtet wurde, war Aderhold noch Inhaber der ungepfändeten Eigentümergrundschuld gewesen, und dadurch hatte Dix eine, nur durch die künftige Übertragung der Meistgebotsforderung gemäß § 118 Z V G bedingte, Aussicht auf Aufrechnung erworben. Aus dem — unmittelbar nicht anzuwendenden — § 406 B G B ist der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, daß die Rechtslage eines Schuldners (hier: des Erstehers Dix) durch eine Übertragung keine Verschlechterung hinsichtlich der Aufrechnungsmöglichkeit erfahren darf. Derselbe Rechtsgedanke ist in § 392 B G B für die Beschlagnahme (Pfändung) ausgesprochen. Der Ersteher, der zugleich ausgefallener Hypothekengläubiger ist, schlägt also durch seine Aufrechnung alle aus dem Felde, welche die Eigentümergrundschuld erst nach dem Zuschlag gepfändet haben, und kann dadurch in Fällen der hier vorliegenden Art seinen Verlust einigermaßen vermindern. Dagegen steht ihm kein Aufrechnungsrecht zu, wenn eine Abtretung oder Pfändung der Eigentümergrandschuld des Subhastaten schon vor dem Zuschlag wirksam geworden war. R G 136, 321. „Im übrigen wurde der Teilungsplan dadurch ausgeführt, daß von der Forderung gegen den Ersteher, Architekten Bernhard Dix, folgende Teilbeträge nebst Zinsen seit dem heutigen Tage an die nachstehenden Berechtigten in der angegebenen Reihenfolge übertragen wurden: a) 700 D M an Frau Franziska Christiani geb. Maskus in Lankwitz mit der Maßgabe, daß ein Teilbetrag von 549,64 D M in Wegfall kommt, falls der von dem Architekten Bernhard Dix gegen die Zuteilung an Frau Christiani erhobene Widerspruch für begründet erklärt wird, b) 1042,05 D M an die Mittelstandsbank e. G.m.b.H. in Berlin mit der Maßgabe, daß die Forderung dem Prof. Hellmuth Brachvogel in Berlin-Dahlem zusteht, falls der von ihm gegen die Zuteilung an die Mittelstandsbank erhobene Widerspruch für begründet erklärt wird."

Wird gegen einen Anspruch, auf den Zahlung erfolgen kann, Widerspruch erhoben, so muß der Betrag hinterlegt werden (§§120,124 1 1 ZVG). Im Falle der Forderungsübertragung (§ 118) bedarf es zur Wahrung der Rechte des Widersprechenden einer Hilfsübertragung. Auch die Sicherungshypothek (§ 128) wird unter Beifügung der Bedingung eingetragen, daß sie bei erfolgreichem Widerspruch dem Widersprechenden zusteht. Verfügung: „nach 1 Monat."

§ 878 1 Z P O gilt auch für das Verteilungsverfahren der Grundstücksversteigerung (§ 1 1 5 1 S. 2 Z V G ) . Nach fruchtlosem Ablauf der Monatsfrist ordnet also der Richter die Ausführung des Planes „ohne Rücksicht auf den Widerspruch" an. War Geld

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Zwangsversteigerungsrichter— § 1 1 4 a Z V G

hinterlegt worden, so bedeutet das Auszahlung an den nach dem Teilungsplan Erstberechtigten. Bei Forderungsübertragungen gilt nach Fristablauf die Hilfsübertragung als nicht erfolgt, und demgemäß wird das Grundbuchamt nur um Eintragung der Sicherungshypotheken für die Erstberechtigten ersucht, wodurch sich die Rechtslage erheblich vereinfacht. — Der Referendar: Dix hat das Grundstück 1951 für 28 500 D M an Aderhold verkauft. Jetzt erwirbt er es für nur 24000 D M zurück, fällt also scheinbar mit mehreren Tausend Mark aus. Wahrscheinlich erhält er aber durch den Mehrwert des Grundstücks einen mehr als genügenden Ausgleich. Darf er trotzdem Ausfallsforderungen gegen Aderhold erheben oder durch Aufrechnung gegen seine Verpflichtung zur Zahlung des Meistgebots geltend machen ? Der Richter: Eine positive Regelung gibt der mit den Vorschriften über das Mindestgebot (§ 74a) zusammenhängende § 114a. Darnach gilt ein Befriedigungsberechtigter, der das Grundstück selbst erstanden hat, bis zur Höhe von 7 / 10 des Grundstückswerts immer als aus dem Grundstück befriedigt. Wer aus dem Grundstück befriedigt ist, hat natürlich auch gegen den persönlichen Schuldner keine Ansprüche mehr. Die Bestimmung paßt aber nicht auf unseren Fall, weil der Wert des Aderholdschen Grundstücks auf 25000 D M festgesetzt war, das Gebot also 7 / 10 des gemäß § 74 a festgesetzten Grundstückswerts, der auch für § 114 a maßgebend ist (str.), sogar übersteigt. Auch mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen wird Aderhold wahrscheinlich nicht zu helfen sein. Für das Problem der Anrechnung des Mehrwerts sind nämlich Schadensersatz- und sonstige Ansprüche zu unterscheiden: 1. Verlangt der ausgefallene Gläubiger Schadensersatz von einem Dritten (z. B. dem Anwalt, der ihn im Verfahren falsch beraten, oder dem Garanten, der ihm eine Ausbietungsgarantie gegeben hat), so wird nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung geprüft, ob das schädigende Ereignis das vorteilbringende ädäquat, wenn auch nur mittelbar verursacht hat. Das kann gerade auch bei der Ersteigerung gepfändeter Sachen unter dem Preis durch den Gläubiger einer Schadensersatzforderung zutreffen (RG 100, 255; 1 3 3 , 2 2 3 ; 146, 278). Doch ist zu berücksichtigen, daß der Erwerb eines Grundstücks unter dem wahren Wert für einen Geschäftsmann eher als geldwerter Vorteil anzusehen sein kann, als für einen Privatmann, der nur den ruhigen Zinsgenuß seiner Hypotheken haben wollte. 2. Macht der ausgefallene Gläubiger gegen den Vollstreckungsschuldner oder dessen Rechtsnachfolger die der Hypothek zugrunde liegende Kauf-, Darlehns- usw. Forderung als „Ausfallsforderung" geltend, wie es Dix tut, so fällt der -— aus der Natur des Schadensersatzes hergeleitete — Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung weg (RG 100, 90). Denkbar wäre höchstens, daß Aderhold eine ihm aus dem billigen Erwerb des Grundstücks zustehende besondere Forderung zur Aufrechnung stellt. Die Gegenforderung läßt sich aber nicht etwa aus ungerechtfertigter Bereicherung begründen: Der Zuschlag bildet einen „rechtlichen Grund" ( § 8 1 2 BGB) für den billigen Erwerb. Hätte dagegen der Ersteher die Zwangsversteigerung in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise herbeigeführt, um das Grundstück unter dem wahren Wert erstehen zu können, so würde er dem Vollstreckungsschuldner aus § 826 zum Schadensersatz verpflichtet sein, und müßte sich die Aufrechnung mit dieser Schadensersatzforderung gefallen lassen. Zwangsverwaltung eines städtischen Mietgrundstücks bei gleichzeitiger Zwangsversteigerung E i n l e i t u n g des V e r f a h r e n s : Auf dem im Grundbuch von Lichterfelde Band 1 1 Blatt 418 verzeichneten, dem Kaufmann Biedermann gehörenden Grundstück Zeppelin-Allee 3/5 haften in Abt. III:

Zwangsversteigerungsrichter — Zwangsverwaltung

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Nr. i : 35000 D M Darlehn, mit 5% zu verzinsen, für die „Sekuritas"-Lebensversicherungs-A.G. in Hamburg. Die sofortige Zwangsvollstreckung ist zulässig. Die Gläubigerin ist zur fristlosen Kündigung u. a. berechtigt, wenn von anderer Seite die Zwangsversteigerung oder -Verwaltung des Grundstücks eingeleitet wird. Nr. 2: 16000 D M Restkaufgeld zu 6y 2 % für Tesch, Nr. 3: 3000 D M Darlehn zu 7 % für Ubbelode. In der II. Abteilung stand früher ein Nießbrauch für Nissen, der aber nach dem Tode des Nießbrauchers im Juni 1956 auf Bewilligung der Erben gelöscht wurde. Seitdem ist Abt. II unbelastet. Auf Grund eines von ihm für Tesch erwirkten dinglichen und persönlichen Versäumnisurteils über 5 000 D M Teilbetrag nebst Zinsen beantragt R A . Schwarz am 25. August 1956 unter Beifügung der erforderlichen Anlagen (S. 262): „wegen 5000 D M nebst 6Va% Zinsen seit 1. April 1956 und 22,60 D M Kosten der Zwangsvollstreckung die Zwangsversteigerung des auf den Namen des Schuldners eingetragenen Grundstücks Lichterfelde Band 11 Blatt 418 anzuordnen und gemäß § 5 7 b 1 Z V G den Anordnungsbeschluß den nachbenannten Mietern des Grundstücks: zuzustellen."

Gleichzeitig beantragt er in einer zweiten Eingabe: „wegen 5000 D M usw. die Zwangs Verwaltung des auf den Namen des Schuldners eingetragenen Grundstücks Lichterfelde Band 11 Blatt 418 anzuordnen und gemäß § 2 2 1 1 S. 1 Z V G an die nachbenannten Mieter des Grundstücks : das Zahlungsverbot zu erlassen."

Worauf beruht die (in § 866 n ZPO vorgesehene, sowohl bei der Vollstreckung in städtische Mietgrundstücke wie in größere landwirtschaftliche Besitzungen typische) Verbindung von Zwangsversteigerung und -Verwaltung? Einerseits hat der Ausschluß der Miet- und Pachtzinsen, der vom Boden getrennten Grundstückserzeugnisse (soweit sie nicht gemäß § 98 B G B Zubehör sind) und Forderungen aus der (Feuer-, Hagel- usw.) Versicherung solcher Erzeugnisse von der Versteigerungsbeschlagnahme (S. 264) für die Zwangsverwaltung keine Geltung: legt also der betreibende Gläubiger Wert darauf, auch die Mieten usw. zur Masse zu ziehen, so muß er die Zwangsverwaltung herbeiführen. Auf der anderen Seite werden die Gläubiger von Zinsrückstands- oder Hypothekenkapitalforderungen mit gutem Rangrecht durch die im Zwangsverwaltungsverfahren maßgebenden Verteilungsgrundsätze zum Antrag auf Zwangsversteigerung gedrängt. Denn die Zwangsverwaltung erfaßt nur die Nutzungen, nicht den Substanzwert des Grundstücks, und das Gesetz verteilt diese Nutzungen so, wie sie ein ordnungsmäßig wirtschaftender Eigentümer verwenden würde. § 155 1 1 berücksichtigt demgemäß in Klasse 3 und 4 nur laufende Beträge wiederkehrender Leistungen, während Kosten, Rückstände und Kapitalansprüche auf Klasse 5 verwiesen sind. Klasse 6, 7 und 8 des § 10 geben in der Zwangsverwaltung überhaupt kein Recht auf Befriedigung. Die öffentlichen Lasten und dinglich Berechtigten können nicht — wie in der Zwangsversteigerung — ihren Vorrang innerhalb der Zweijahresgrenze (§ io 3 , 4 ) restlos ausnützen, sondern laufende Beträge selbst der schlechtesten Posten gehen immer noch den Rückständen und dem Kapital der ersten oder zweiten Hypothek vor. Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsantrag werden jeder für sich geprüft und führen zu getrennten Verfahren in besonderen Akten. Doch bestehen, wie wir noch sehen werden, mehrfache Rückwirkungen des einen Verfahrens auf das andere. Den Anträgen des Tesch steht kein Bedenken entgegen.

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Zwangs Versteigerungsrichter — Nießbrauch und Zwangsverwaltung

N i e ß b r a u c h u n d Z w a n g s v e r w a l t u n g : Wäre der Nissensche. Nießbrauch nicht gelöscht, so würde die Frage entstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen bei Vorhandensein eines Nießbrauchs Zwangsverwaltung angeordnet werden darf. Da die Zwangsverwaltung mit dem Besitz* und Nutzungsrecht des Nießbrauchers (§§ 1030, 1036) unvereinbar ist, hängt ihre Zulässigkeit sachlichrechtlich von dem zwischen dem betreibenden Gläubiger und dem Nießbraucher bestehenden Rangverhältnis ab. Verfahrensrechdich hat das Vollstreckungsgericht nach den §§ 17, 146 Z V G nur zu prüfen, ob der Schuldner als Grundstückseigentümer eingetragen ist. Es ordnet die Zwangsverwaltung also auch dann an, wenn ein Nießbrauch im Grundbuch eingetragen ist. Für die Durchführung der Zwangsverwaltung ist aber der Besitz des Zwangsverwalters unerläßlich. Befindet sich der Nießbraucher im (unmittelbaren oder mittelbaren) Besitz des Grundstücks, dann darf er nach den allgemeinen Grundsätzen des Vollstreckungsrechts seines Besitzes nur auf Grund eines gegen ihn gerichteten vollstreckbaren Titels entsetzt werden, auch wenn das Recht des betreibenden Gläubigers dem Nießbrauch im Range vorgeht. Der besitzende Nießbraucher kann im Wege der Erinnerung nach § 766 ZPO erreichen, daß die Zwangsverwaltung auf die Wahrung der Rechte des Eigentümers gegen den Nießbraucher beschränkt wird. Diese Anordnung unterbleibt, wenn der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel gegen den Nießbraucher vorlegt. Hierzu wird ihm zweckmäßig unter einstweiliger Einstellung des Verfahrens nach den §§ I 6 I I V , 28 Z V G eine Frist bestimmt, wenn der Nießbrauch dem Recht des Gläubigers im Range nachgeht. Hatte sich der Eigentümer nach den § § 794 5 , 800 Z P O der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen und ist der Nießbrauch später eingetragen worden, so kann die Vollstreckungsklausel nach den §§ 795, 727 Z P O gegen den Nießbraucher als „Rechtsnachfolger" und Besitznachfolger des Eigentümers erteilt werden. Der nicht besitzende Nießbraucher ist darauf angewiesen, sein vermeintlich besseres Recht mit der Widerspruchsklage nach § 771 Z P O zu verfolgen ( K G J W 1933, 2348). — Will der vorgehende Hypothekengläubiger die Mieten aus den vom Nießbraucher abgeschlossenen Verträgen pfänden (§ 865 1 1 S. 2), so genügt nach R G 81, 146 der dingliche Titel gegen den Eigentümer ohne Duldungstitel gegen den Nießbraucher, weil sich aus den §§ 879,1120 f. B G B die Haftung der Mieten für die Hypothek unmittelbar ergebe. Für einen Zwangsversteigerungsantrag bildet der Nießbrauch niemals ein Hindernis. Geht der Nießbrauch dem betreibenden Gläubiger vor, so kommt er ins geringste Gebot und muß vom Ersteher übernommen werden. Andernfalls erlischt er mit dem Zuschlag und wird gemäß § 92 1 1 Z V G im Teilungsplan in Gestalt einer Geldrente in Ansatz gebracht.

Die beantragten Beschlüsse werden am 26. August erlassen und Grundstücksverwalter Gotthard Redlich zum Zwangsverwalter bestellt. Zwecks Kostenersparnis können zu Zwangs Verwaltern auch bestellt werden: 1. Als sog. Institutsverwalter Angestellte gewisser juristischer Personen des öffentlichen und privaten Rechts (z. B. Landschaften und Hypothekenbanken), vorausgesetzt, daß das Institut zu den Beteiligten ( § 9 ) gehört und die Mithaftung für den Verwalter aus § 154 S. 1 Z V G übernimmt, 2. bei ländlichen Grundstücken grundsätzlich der Schuldner selbst. Weder der Angestellte des Gläubigers noch der Schuldner erhalten als Zwangsverwalter eine Vergütung, doch darf der Schuldner nach Bestimmung des Gerichts Grundstückserzeugnisse zum notwendigen Unterhalt für sich und die Seinigen verwenden. Neben dem Schuldner ist eine besondere „Aufsichtsperson" einzusetzen. §§ 150a—e.

Verfügung zum Zwangsverwaltungsbeschluß: „ 1. Anordnungsbeschluß: a) dem Gläubiger z. H. des R A . Schwarz, b) dem Schuldner, c) Zwangsverwalter Redlich, zu a) formlos, zu b) und c) zustellen. 2. Zahlungsverbot gemäß § 2 2 1 1 S. 1 Z V G den im Antrag bezeichneten Mietern zustellen. 3. Ersuchen gemäß § 19 Z V G zu den Grundakten. 4. Vorzulegen Herrn Zwangsverwaltungsinspektor zur Ubergabe an den Zwangs Verwalter."

Vgl. § 1 5 0 " Z V G , § 2 der (auf Grund des § 14 E G erlassenen) A V betr. die Geschäftsführung der Zwangsverwalter vom 10. Juli 1929 (JMB1 255). „5. Nachricht von der Einleitung der Zwangsverwaltung zu den Biedermannschen Zwangsversteigerungsakten 5 K 18.56."

Entsprechend ergeht Nachricht von der Einleitung der Zwangsversteigerung zu den Verwaltungsakten, damit das Gericht von Zeit zu Zeit die gegenseitige Einwirkung der beiden Verfahren prüfen kann.

Zwangsversteigerungsrichter — Zwangsverwaltungsbeschlagnahme „6. Nach i Woche (Übergabeverhandlung). 7. Nach 2 Wochen (Eingang der Nachrichten des Grundbuchamts). 8. A m 31. Oktober (Einreichung des Kontoauszugs des Zwangsverwalters)."

Nach den §§ 20/23 der A V führt der Verwalter außer einem für alle Verwaltungen gemeinsamen Kassenbuch für jede ein2elne Verwaltung ein Konto, das vierteljährlich (am 15. Januar, 15. April, 15. Juli und 15. Oktober) abgeschlossen wird und bis Ende dieser Monate dem Gericht auszugsweise einzureichen ist. A u f das Ersuchen zu 3) der Verfügung trägt das Grundbuchamt — außer dem Zwangsversteigerungsvermerk — in Abt. II ein: „ D i e Zwangsverwaltung ist angeordnet."

Nach Eingang der Mitteilungen des Grundbuchamts werden die „Beteiligten" (S. 271) gemäß § 1 4 6 " Z V G von der Anordnung der Zwangsverwaltung benachrichtigt. Das hat zunächst zur Folge, daß die „Sekuritas" als Gläubigerin der ersten Hypothek die eingetragene Fälligkeitsklausel geltend macht, sich vollstreckbare Ausfertigung der Unterwerfungsverhandlung geben läßt und wegen Kapital, Zinsen und Kosten beiden Verfahren als betreibende Gläubigerin beitritt. Im übrigen gehen Anmeldungen der zu befriedigenden Ansprüche ein. B e s c h l a g n a h m e und V e r f ü g u n g e n über die Mieten. Z w a n g s v e r w a l t u n g s v o r s c h u ß . A m 28. August findet die Übergabe des Grundstücks an den Zwangsverwalter statt. Schon in dem zu den Zwangsverwaltungsakten gebrachten Übergabeprotokoll haben die angetroffenen Mieter Einwendungen der verschiedensten Art gegen ihre Verpflichtung zur Zahlung der Miete an den Zwangsverwalter vorgebracht. A m 12. September berichtet Redlich: „ A u f erhebliche Mieteinnahmen für die Zwangsverwaltungsmasse ist vorläufig nicht zu rechnen. Eine große Sechszimmerwohnung im zweiten Stock, Jahresmietwert 1600 D M , bewohnt der Schuldner Biedermann mit seiner 7 köpfigen Familie. Ihm einzelne Räume als nicht unbedingt erforderlich wegzunehmen, würde keinen Zweck haben, da sich die Abtrennung der überzähligen Räume zum Zwecke der Vermietung an Dritte praktisch nicht durchführen läßt."

Die Zwangsverwaltung entzieht — auch hierin über die Zwangsversteigerung (S. 264) hinausgehend — dem Schuldner Verwaltung und Benutzung des Grundstücks. Doch beläßt man ihm die für seinen Hausstand „unentbehrlichen" Räume, so lange er nicht durch sein Verhalten die Zwangsverwaltung stört. §§ 148", 149. Biedermann kann also für die Dauer der Verwaltung seine herrschaftliche Wohnung mietefrei behalten I „ D e n sämtlichen Mietern hat der betreibende Gläubiger Tesch am 17. August 1956 Pfändungsankündigungen zugestellt. Die gerichtlichen Zahlungsverbote sind den Mietern am 27. August 1956 zugestellt worden. A m gleichen Tage hat die Beschlagnahme durch Zustellung an den Schuldner Wirksamkeit erlangt, da die Ubergabe des Grundstücks an mich erst am 28. August erfolgte, das Ersuchen beim Grundbuchamt sogar erst am 30. August 1956 einging. Alle diese Zeitpunkte fallen in die zweite Augusthälfte."

Vgl. §§ 22, 151 1 Z V G , 845 Z P O . Entsprechend der Forderungspfändung kann die mit der Zwangsverwaltung verbundene Mietbeschlagnahme durch private Pfändungsankündigung vorbereitet werden, was besonders wichtig wird, wenn der Gläubiger noch nicht in den Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung gelangt ist oder der Schuldtitel noch zugestellt werden muß. Die Vorpfändung begründet die Beschlagnahmewirkung, sofern innerhalb drei Wochen die endgültige Beschlagnahme durch das Gericht stattfindet. 21

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Jansen-Berg)

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Zwarigsversteigerungsrichter — Vorausverfügungen in der Zwangsverwaltung

„ D e r Mieter Markgraf macht geltend, daß er seine monatlich 45 D M betragende Miete auf Drängen des Schuldners an diesen bis einschließlich Oktober d. Js. im voraus bezahlt habe. D e r Mieter Metzig, der ein Geschäftslokal für monadich 60 D M und eine Wohnung für monatlich 40 D M inne hat, rechnet auf mit einer Forderung für Lebensmittel v o n 37 D M , geliefert v o r dem 1 5 . A u g u s t 1956, und mit 190 D M Schadensersatz für Waren, die angeblich infolge Feuchtigkeit des Kellers verdorben sind. Außerdem will er für August und die folgenden Monate je 15 D M wegen Unbenutzbarkeit der Keller- und Bodenräume abziehen. Die Miete Michel (monatlich 55 D M ) nimmt bis einschließlich 3 1 . Dezember d. J . das Bankhaus Ferdinand Schilling auf Grund einer Abtretung v o m 1 7 . Juli 1 9 5 6 in Anspruch. Die Miete Modlich von monatlich 37 D M hat Schilling am 13. A u g u s t 1 9 5 6 wegen einer Forderung von über 400 D M gepfändet. Die Mieten werde ich — abgesehen von dem streitigen Abzugsrecht Me/sygs — voraussichtlich v o m 1 . Oktober 1956 ab zur Masse ziehen können."

Ist das Grundstück vor der Beschlagnahme dem Mieter oder Pächter überlassen worden, so bleibt der Zwangsverwalter an den Miet-(Pacht-)Vertrag gebunden. § 1 5 2 » Z V G . Das außerordentliche Kündigungsrecht des Erstehers (S. 288) steht dem Zwangsverwalter nicht zu. Verfügungen, die vor der Beschlagnahme über die Miete getroffen worden sind, werden ebenso wie in den Fällen der rechtsgeschäftlichen Veräußerung, des Zuschlags und der Konkurseröffnung behandelt. Das Gesetz will dem Zwangsverwalter, dem Grundstückskäufer, Ersteher und Konkursverwalter vom nächsten Monat ab ein sicheres Recht auf die Mieten gewähren: deshalb sind Vorauszahlungen des Mieters, Aufrechnungen mit Gegenforderungen an den Vermieter, Abtretungen des Vermieters, Pfändungen der Miete durch seine persönlichen Gläubiger regelmäßig nur für den zur Zeit der Beschlagnahme (bzw. der Grundbuchumschreibung, des Zuschlags, der Konkurseröffnung) laufenden Kalendermonat wirksam. Fallen aber Beschlagnahme, Umschreibung, Zuschlag, Konkurseröffnung in die zweite Hälfte eines Kalendermonats, so erstreckt sich die Wirksamkeit ausnahmsweise noch auf den folgenden Monat. §§ 573/575, 1124/5 B G B , 57b Z V G , 2 i n K O , § 12 der V O vom 26. Mai 1933 (RGBl I 302). Ob die Zwangsverwaltung wegen eines dinglichen oder persönlichen Anspruchs angeordnet ist, macht dabei keinen Unterschied (§ 2011 Z V G , R G J W 1933, 1658). Andrerseits gilt als „Beschlagnahme" im Sinne der §§ 1x24/5 B G B auch die von einem Hypothekengläubiger auf Grund dinglichen Titels erwirkte Pfändung (§ 86 5 11 S. 2 ZPO). Im Verhältnis des Zwangsverwalters (Grundstückserwerbers usw.) zu Zessionaren und Pfändungsgläubigern entscheidet stets der Zeitpunkt der tatsächlichen Beschlagnahme (Eigentumsübertragung usw.), während es gegenüber dem Mieter auf dessen Kenntnis ankommt. Die Aufrechnung kann im Rahmen des einen bzw. der zwei Kalendermonate sowohl mit Gegenforderungen aus dem Mietverhältnis, wie mit nicht konnexen Forderungen erklärt werden. Das Minderungsrecht aus § 5 37 B G B hat nichts mit Aufrechnung zu tun und steht dem Mieter so lange zu, bis seine Voraussetzungen beseitigt sind. „Außerdem weigert sich ein Hauptmieter des Grundstücks, Kaffeehausbesitzer Mulher, v o r Oktober nächsten Jahres Miete zu zahlen. Muther hat ein Geschäftslokal im Erdgeschoß sowie eine 4 Z i m m e r w o h n u n g im ersten Stock für jährlich zusammen 2500 D M gemietet. Der Vertrag läuft v o m 1. Oktober 1955 bis 30. September 1963. Laut Vertrag soll die Miete des ersten Jahres durch die von Muther vorgenommenen sehr umfangreichen Ausbauarbeiten, die Miete des zweiten Jahres durch eine bei Vertragsschluß von ihm geleistete Zahlung von 2000 D M abgegolten sein. Über die Erhebung einer Klage gegen Muther werde ich mich noch schlüssig machen."

Die oben S. 288 dargelegten Grundsätze über die Wirksamkeit vertragsmäßiger Vorausentrichtung des Mietzinses gegenüber dem Ersteher gelten entsprechend auch für den Zwangsverwalter, dem gegenüber Miet- und Pachtverträge nach § 1 5 2 "

Zwangsversteigerungsrichter — Zwangsverwaltungsvorschuß

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wirksam sind, wenn das Grundstück v o r der Beschlagnahme dem Mieter oder Pächter überlassen war. Eine Klage des Verwalters gegen Muther hätte daher keine Aussicht auf Erfolg. Der Verwalter wird entsprechend belehrt. Macht die Führung der Zwangsverwaltung einen Rechtsstreit erforderlich, so wird er von dem Verwalter im eigenen Namen geführt. Der Verwalter hat nach § 1 5 2 Z V G die Pflicht und das Recht, alle Handlungen vorzunehmen, die zur Erhaltung des Grundstücks in seinem wirtschaftlichen Bestände und zur ordnungsmäßigen Benutzung erforderlich sind. Hierbei und bei der gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche, auf welche sich die Beschlagnahme erstreckt, wird er (ähnlich wie Testamentsvollstrecker, Nachlaß- und Konkursverwalter) nicht als Vertreter des Schuldners, sondern kraft seiner eigenen Verwaltungs-, Verfügungs- und Prozeßführungsbefugnis über fremde Rechte tätig. E r kann Mietverträge kündigen und neu abschließen, und zwar nach außen hin zu beliebigen Bedingungen und auf beliebig lange Dauer, auch über das Ende der Zwangsverwaltung hinaus. Doch ist er disziplinarisch und zur Vermeidung der persönlichen Verantwortlichkeit (§ 154 S. 1) gehalten, Verträge über mehr als ein Jahr nur mit Zustimmung des Schuldners oder Genehmi-' gung des Gerichts einzugehen. § § 1 5 3 Z V G , 6 1 1 1 - I V , 7 AV. A u s der Unmöglichkeit, die Mieten alsbald einzuziehen, und der schlechten baulichen Beschaffenheit des Grundstücks ergibt sich die Notwendigkeit eines Z w a n g s verwaltungsvorschusses : „Ich muß sofort eine umfangreiche Dachreparatur sowie eine Ausbesserung der Entwässerungsanlagen ausführen lassen, weil es in die Bodenräume einregnet und die Keller größtenteils feucht sind. Der Kostenaufwand wird sich auf 2000 D M und 850 DM, zusammen 2850 DM, belaufen. (folgen nähere Darlegungen über Notwendigkeit und Höhe). Ich beantrage: die Vornahme der Instandsetzungen zu genehmigen und die Zahlung eines Zwangsverwaltungsvorschusses von 2850 DM anzuordnen. Redlich, Zwangsverwalter." Das Gericht genehmigt gemäß § § 15 3 1 Z V G , 13 A V die Instandsetzungen und gibt den betreibenden Gläubigern die Zahlung des Vorschusses unter der Androhung auf, daß sonst die Aufhebung des Verfahrens erfolgen werde (§ 1 6 1 1 1 1 Z V G ) . Darauf zahlt Tesch den Vorschuß an den Verwalter. Tesch kann mit einer bevorzugten Berücksichtigung seines Anspruchs auf Erstattung des Vorschusses rechnen, nämlich in der Rangklasse 1 (§§ 155 1 1 , io 1 Nr 1). Außerdem kann er Zinsen verlangen, die dasselbe Vorrecht wie die Vorschüsse selbst genießen (§ 1 5 ; 1 1 1 ) . Er kann den Ersatzanspruch sogar im Zwangsversteigerungsverfahren geltend machen, wenn die Verwaltung bis zum Zuschlage fortgedauert hat und die Auslagen nicht aus den Nutzungen des Grundstücks erstattet werden konnten (§ io 1 Nr 1). T e i l u n g s p l a n . Die Verteilung der Masse in der Zwangsverwaltung weicht v o n den Regeln der Zwangsversteigerung nicht bloß materiell (S. 319), sondern auch formell ab. Hinsichtlich des Verfahrens sind drei Fälle zu unterscheiden: 1. Die Ausgaben der Verwaltung und die v o n der Masse zu tragenden Kosten des Verfahrens berichtigt der Verwalter ohne jedes förmliche Verfahren und stellt sie in seine nächste Verwaltungsrechnung als Ausgabeposten ein (§ 1 1 5 D a s gleiche gilt von den laufenden Beträgen öffentlicher Lasten (§ 1 5 6 1 ) . 2. Über alle übrigen Ansprüche wird ein allgemeiner Teilungsplan für die ganze Dauer des Verfahrens aufgestellt. Hierzu ist Termin anzuberaumen, sobald erwartet werden kann, daß Zahlungen auch auf andere als die unter 1 bezeichneten Ansprüche geleistet werden können (§ 156 1 1 S. 1). 3. Gelangt das Kapital einer Hypothek oder Grundschuld oder die Ablösungssumme einer Rentenschuld zur Hebung — naturgemäß ein recht seltener Fall — , so muß dafür jedesmal ein besonderer Verteilungstermin abgehalten werden (§ 158). 21«

Zwangsversteigerungsrichter — Zwangsverwaltungs-Teilungsplan Die Aufstellung des allgemeinen Plans zu 2, die Behandlung der Widersprüche usw. vollzieht sich ebenso wie im Erlösverteilungstermin der Zwangsversteigerung. Insbesondere gilt auch hier für alle Ansprüche, die nicht z. Z . der Beschlagnahme aus dem Grundbuch ersichtlich waren, der Anmeldezwang, ausgenommen laufende Beträge der nach dem Inhalt des Grundbuchs zu entrichtenden wiederkehrenden Leistungen (§§ 15 6 n S. 4, 1 1 4 , oben S. 269). In der Biedermannschen Sache lautet der im Termin am 2. November 1 9 5 6 aufgestellte Plan: „Aus den Einnahmen der Zwangsverwaltung sind die folgenden Ausgaben und Ansprüche in der angegebenen Reihenfolge zu berichtigen: 1. die Ausgaben der Verwaltung sowie die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme derjenigen, welche durch die Anordnung des Verfahrens oder den Beitritt eines Gläubigers entstehen." § 15 51. Über die entsprechende Bestimmung für die Zwangsversteigerung vgl. S. 2 9 1 . „2. Der von dem betreibenden Gläubiger, Fabrikbesitzer Karl Tesch in Berlin, gezahlte Zwangsverwaltungsvorschuß von 2850 D M nebst V2 v. H. Zinsen über dem Lombardsatz der Bank deutscher Länder seit dem Zahlungstage, dem 21. September 1956. (Anmeldung Blatt )." §§ I 5 5n> i q 1 - — „ L i d l ö h n e r " (§ i o 2 ) können bei städtischen Grundstücken nicht vorkommen, Hausmeister und sonstiges Personal sind auf den persönlichen Anspruch gegen den Schuldner angewiesen. D e r Plan geht deshalb alsbald zu den öffentlichen Lasten (§ i o 3 ) und anschließend zu den laufenden Beträgen der wiederkehrenden Leistungen aus dinglichen Rechten (§ i o 4 mit § 1 5 5 1 1 , oben S. 3 1 9 ) über: „3. Die laufenden Beträge öffentlicher Lasten, die ihren Anfang mit dem letzten vor dem 27. August 1956 fällig gewordenen Betrage nehmen. Als solche sind bisher angemeldet: die Forderung der Steuerkasse Lichterfelde auf Zahlung der Grundsteuer seit dem i.August 1956 mit monatlich 175,00 D M (Anmeldung Blatt. ..). 4. Die laufenden Beträge wiederkehrender Leistungen aus den bis zum 27. August 1956 eingetragenen Rechten am Grundstück, und zwar in nachstehender Reihenfolge: a) Zinsen der Hypothek Abt. III Nr. 1 von 35 000 D M zu 5% seit 1. April 1956, vierteljährlich 437,50 D M b) Zinsen der Hypothek Abt. III Nr. 2 von 16000 D M zu 6x/a% seit 1. April 1956, vierteljährlich c) Zinsen der Hypothek Abt. III Nr. 3 von 3000 D M zu 7°/o seit 1. April 1956, vierteljährlich

260,00 DM 52,50 D M . "

In der nunmehr folgenden 5. Klasse des § 10 werden die beiden betreibenden Gläubiger mit ihren Ansprüchen auf Kosten, Zinsrückstände und Kapital berücksichtigt. Innerhalb dieser Klasse soll an sich der Zeitpunkt der Beschlagnahme maßgebend sein (§ 11 1 1 ). D o c h nimmt man an, daß die Regel sich auf mehrere wegen eines persönlichen Anspruchs betreibende Gläubiger beschränkt, während für den aus einem dinglichen Anspruch betreibenden Gläubiger das materielle Rangverhältnis entscheidet. R G 89, 1 4 7 . Demnach hat „Sekuritas", obwohl erst nachträglich beigetreten, den Rang v o r Tesch: „5. Die Forderung der betreibenden Gläubigerin ,Sekuritas' Lebensversicherungs-AG. in Hamburg, wegen der diese Gläubigerin der Zwangsverwaltung beigetreten ist: a) Kosten b) Hauptforderung, eingetragen in Abt. III Nr. 1 (Anmeldung Blatt ).

135,00 D M 35000,00 D M

Zwangsversteigerungsrichter — Zwangsverwaltung und Zuschlag

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6. Die Forderung des betreibenden Gläubigers Fabrikdirektor Karl Tesch in Berlin, wegen der die Zwangsverwaltung angeordnet ist: a) Kosten 397,50 D M b) 6Va% Zinsen von 5000 D M vom 1. Januar bis 50. April 1956 . . . . 81,25 D M c) Hauptforderung 5000,00 D M als Teilbetrag des in Abt. III Nr. 2 eingetragenen Rechts. (Anmeldung Blatt . . . .)."

Auf Grund des Teilungsplans zahlt Redlich nach Maßgabe der verfügbaren Bestände aus (§ 157) und stellt die geleisteten Zahlungen jeweils in seine nächste Vierteljahrsrechnung ein. Wie verfährt der Verwalter, wenn in einem Vierteljahr die öffentlichen Lasten teilweise, die Hypothekenzinsen ganz ausgefallen sind und das folgende Vierteljahr Einnahmen erbringt, die zwar zur Deckung sämtlicher sich auf dieses Kalendervierteljahr beziehenden öffentlichen Lasten und Hypothekenzinsen, nicht aber zur gleichzeitigen Befriedigung der aus dem vorangegangenen Vierteljahr verbliebenen Reste reichen ? Die Verteilung erfolgt nicht vierteljahrsweise, sondern alle „laufenden" Beträge in dem oben S. 269 festgestellten Sinne bilden eine Einheit. Zunächst müssen also die seit dem 1. August 1956 fällig gewordenen öffentlichen Lasten vollständig gedeckt sein, ehe die Zinsen der ersten Hypothek an die Reihe kommen; alsdann sind die Zinsen der ersten Hypothek für die Zeit seit dem 1. April 1956 zu befriedigen usw. Die Ausgabenreste eines Vierteljahres gehen zu Lasten der nachstehenden Hypotheken.

Bei länger dauernden Zwangsverwaltungen werden die Akten alle drei Monate wegen des vierteljährlichen Kontoauszugs (S. 321) vorgelegt. Außerdem hat der Verwalter alljährlich den betreibenden Gläubigern und dem Schuldner Rechnung zu legen (§ 154 S. 2). Das Gericht hat die Rechnung sachlich und rechnerisch zu prüfen und sie dem betreibenden Gläubiger und dem Schuldner vorzulegen. Erforderlichenfalls beraumt es zur Klärung von Unstimmigkeiten Termin an. Z u s c h l a g . A u f h e b u n g der Z w a n g s v e r w a l t u n g . Das gleichzeitig mit der Zangsverwaltung eingeleitete Zwangsversteigerungsverfahren zieht sich längere Zeit hin, weil dem Schuldner Biedermann Vollstreckungsschutz gemäß § 30a bewilligt worden war (oben S. 265). Nachdem die Gläubiger die Fortsetzung des Verfahrens beantragt hatten und ein erneuter Einstellungsantrag des Schuldners rechtskräftig zurückgewiesen worden war (§ 30 b I V ), setzt das Vollstreckungsgericht Versteigerungstermin auf den 15. Juli 1957 an. In der Versteigerung bietet Tesch so lange mit, bis die Vorhypothek und seine eigene reichlich gedeckt sind. Den Zuschlag erhält Schokoladenfabrikant Noack auf das Meistgebot von 56000 DM. Bei Erteilung des Zuschlags hat der Richter in den Zwangsversteigerungsakten verfügt: „Nachricht zu den Zwangsverwaltungsakten 5 L 19/56."

Mit dieser Nachricht werden die Verwaltungsakten vorgelegt. Es ergeht der „Beschluß. Die Zwangsverwaltung wird aufgehoben, weil am 15. Juli 1957 in der Zwangsversteigerungssache 5 K 18/56 dem Schokoladenfabrikanten.FrzV^iVoöi^ in . . . . der Zuschlag erteilt worden ist. Lichterfelde, den 16. Juli 1957. Das Amtsgericht. Richter."

Die Zwangsverwaltung endet mit dem Zuschlag nicht von selbst, sie muß vielmehr durch konstitutiv wirkenden Beschluß aufgehoben werden (vgl. § 1 5 A V vom 10. Juli 1929). Vom Zuschlag an stehen Besitz und Nutzung dem Ersteher zu (§§ 56 S. 2, 90, 93, vgl. oben S. 287) und mit dieser Rechtslage wäre die Fortdauer der Zwangsverwaltung unvereinbar. Die Zwangsverwaltung wird daher alsbald nach

826

Zwangsversteigerungsrichter — Schlußrechnung des Zwangsverwalters

dem Eintritt der Wirksamkeit des Zuschlags (§§ 89, 104) aufgehoben, vorbehaltlich der Abwicklung der Geschäfte durch den Verwalter, nicht erst mit dem Eintritt der Rechtskraft. Es ist nicht angebracht, die der Sach- und Rechtslage entsprechende Entscheidung wegen der ungewissen Möglichkeit einer Aufhebung des Zuschlags hinauszuschieben (str., wie hier Jaeckel-Güthe § 161 Anm. 7). Unabhängig von der später erfolgenden Grundbuchberichtigung gemäß § 130 (oben S. 298 f.) ersucht der Richter sofort bei Aufhebung der Zwangsverwaltung das Grundbuchamt um Löschung des Zwangsverwaltungsvermerks ( § § I 6 I I V , 34). S c h l u ß t e r m i n . T i l g u n g v o n H y p o t h e k e n k a p i t a l i e n . In der Zwangsverwaltungssache muß Termin zur Schlußrechnungslegung (§ 154 S. 2), in der Zwangsversteigerungssache Verteilungstermin stattfinden. In welcher Reihenfolge sind die beiden Termine abzuhalten ? Die Zwangsverwaltungsmasse wird aus laufenden Erträgen gebildet und dient im wesentlichen zur Berichtigung laufender Lasten, während die Versteigerungsmasse den Substanzwert des Grundstücks darstellt und ihr gegenüber ein weiterer Kreis von Ansprüchen befriedigungsberechtigt ist. Deshalb muß die Verwaltungsmasse vorweg zur Ausschüttung gelangen. Die Richtigkeit dieser Ansicht bestätigt § i o 1 , wonach die Versteigerungsmasse für Zwangsverwaltungsvorschüsse nur subsidiär — nämlich insoweit, als sie nicht aus Nutzungen des Grundstücks erstattet werden können — haftet: offenbar geht das Gesetz davon aus, daß zuerst die Verwaltungs- und nachher die Versteigerungsmasse abgerechnet wird. In der Tat werden ja in den meisten Zwangsverwaltungen schon vor dem Schlußtermin Auszahlungen an Befriedigungsberechtigte auf Grund des allgemeinen Teilungsplans geleistet, und es ist deshalb festzustellen, ob und welche im Zwangsversteigerungsverfahren zu berücksichtigenden Gläubiger aus den Mitteln der Zwangsverwaltung befriedigt worden sind. — Der Richter beraumt also den Schlußtermin der Zwangsverwaltung auf den 18. August 1957 vormittags 9 y2 Uhr, den Verteilungstermin der Zwangsversteigerung auf denselben Tag vormittags 10 Uhr an. Der Schlußtermin ist zugleich gegebenenfalls zur Leistung von Zahlungen auf das Kapital von Grundpfandrechten (S. 323 zu 3) bestimmt. Die Reihenfolge der Termine hat auch eine sehr erhebliche materielle Bedeutung. Wäre nämlich die Versteigerungsmasse an erster Stelle auszuschütten, so müßte „Sekuritas" dort mit sämtlichen Forderungen eingesetzt werden und Ubbelode würde mit dem größten Teil seiner Forderung ausfallen. Da aber die Verwaltungsmasse zuerst abgerechnet wird, gelangt, wie wir alsbald ersehen werden, „Sekuritas" aus der Verwaltungsmasse mit einem gewissen Kapitalbetrag zur Hebung. Das entlastet die nachher auszuschüttende Versteigerungsmasse und verringert den Ausfall des nachstelligen Hypothekars Ubbelode.

In der Schlußrechnung der Zwangsverwaltung muß eine Auseinandersetzung zwischen Zwangsverwaltungsmasse und Ersteher vorgenommen wesden. Vom 15. Juli 1957, dem Zuschlagstage ab, gebühren dem Ersteher Noack die Nutzungen und trägt er die Lasten des Grundstücks (§ 56 S. 2). Redlich hat aber Anfang Juli noch die im voraus zahlbaren Mieten für den ganzen Monat Juli eingezogen, andererseits Lasten und Aufwendungen für das Grundstück über den 15. Juli hinaus bezahlt. Die Mieten sind Noack aus der Verwaltungsmasse pro rata temporis zu erstatten, während er seinen Anteil an den Lasten und Aufwendungen nach dem gleichen Grundsatz der Masse vergüten muß. §§ 1 0 1 2 (zweiter Halbsatz), 103 B G B . Demgemäß hält die Schlußrechnung sowohl bei den Einnahme- wie bei den Ausgabeposten die für Rechnung der Verwaltungsmasse und die für Rechnung des Erstehers gehenden Beträge auseinander)1: Der besseren Übersicht halber sind die Posten der Vierteljahresrechnungen mit einbezogen und die gleichartigen Posten zusammengefaßt.

Zwangsversteigerungsrichter — Schlußrechnung des Zwangsverwalters

327

Davon für Rechnung

„A. E i n n a h m e n . 1. Zwangsverwaltungsvorschuß 2. Mieteinnahmen August—September 1956 3. dgl. Oktober—Dezember 1956 4. dgl. Januar—März 1957 5. dgl. April—Juni 1957 6 .dgl. Juli 1957 zusammen B. A u s g a b e n . 1. Instandsetzung des Daches und der Entwässerungsanlage 2. Hausreinigung und sonstige Ausgaben der Hausverwaltung August 1956 bis Juni 1957 3. dgl. Juli 1957 4. Gerichtskosten 1 ) 5. Vergütung und Auslagen des Zwangsverwalters 2 ) 6. Auf Grund des Teilungsplans vom 2. November 1956 geleistete Zahlungen: a) Zwangsverwaltungsvorschuß Teich nebst Zinsen b) Grundsteuer 1. August 1956 bis 30. Juni 1957. . . c) dgl. Juli 1957 d) Zinsen der Hypothek Abt. III Nr. 1 1. April 1956 bis 15. Juli 1957 . . . . e) Zinsen der Hypothek Abt. III Nr. 2 1. April 1956 bis 15. Juli 1957 . . . . f ) Zinsen der Hypothek Abt. III Nr. 3 1. April 1956 bis 15. Juli 1957 . . . . zusammen j

der Verwaltungsmasse

des Erstehers

DM

DM

Im Ganzen DM

2850,00 1 380,00 3 996,00 4011,00 4011,00 668,50

668,50

i 337.oo

16916,50

668,50

17585,00



— —

2812,50

513,20 24,00

2850,00 1 380,00 3 996,00 4011,00 4011,00



2812,50



515.2°

24,00

48,00

174,95



174,93

869,00



869,00

2892,50



2892,50

1925,00



87.50 2260,42

' 345.35 271,25

15175.63

87.50

1925,00 175,00 2 260,42







111,50

1 543.33 27i. 2 5 13285,13

C. B e s t a n d . Der in den Händen des Verwalters befindliche Bestand beträgt

17585,00 — 13285,13 = 4299,87 D M ,

davon stehen zu: der Z w a n g s v e r w a l t u n g s m a s s e dem Ersteher

16916,50— 13173,63 = 3742,87 D M , 668,50— 111,50= 557,00 D M .

D. Ü b e r s c h u ß v e r t e i l u n g . Von dem Bestand der reinen Zwangsverwaltungsmasse mit 3742,87 DM sind gemäß Abschnitt 5 des Teilungsplans vom 2. November 1956 auszuzahlen: an die betreibende Gläubigerin ,Sekuritas' Lebensversicherungs-A.G. in Hamburg a) Kosten 135,00 DM b) auf die in Abt. III unter Nr. 1 hypothekarisch eingetragene Hauptforderung 3607,87 DM zusammen:

3742,87 D M . "

' ) Vgl S. 324 zu 1 des Teilungsplanes. In dem Betrage sind auch Rechnungsgebühren enthalten' 2 ) Die Vergütung wird in Hundertsätzen der Einnahmen berechnet und vom Gericht festgesetzt' § 1 5 3 I Z V G , § 16 A V .

828

Zwangsversteigerungsrichter — Grundbuchberichtigung bei Zwangsverwaltung

Die 557,00 D M werden an den Ersteher Noack ausgezahlt, der sie in dem anschließenden Verteilungstermin der Zwangsversteigerungssache mit zur Deckung seines Meistgebots verwenden kann. Die 3742,87 D M erhält der anwesende Vertreter der „Sekuritas" gegen Vorlegung des Briefes und Vermerk auf dem Schuldtitel (§ § 15 6 1 1 S. 4 , 1 5 8 1 " , 1 2 6 , 1 2 7 Z V G , oben S. 296). Das teilweise Erlöschen der Hypothek ist vom Vollstreckungsgericht, nicht erst vom Grundbuchamt, auf dem Brief zu vermerken. Der Wortlaut des Vermerks ist durch das Protokoll festzustellen (§ 1 2 7 1 S. 2, i " ; dazu Mönch, D J 1937, 1809 zu 6): „ D i e Hypothek ist in Höhe eines Teilbetrages von 3607,87 D M (i. W . ) infolge Befriedigung im Zwangsverwaltungsverfahren 5 L 1 9 / 5 6 erloschen. Lichterfelde, den 18. August 1 9 5 7 (Siegel)

Das Amtsgericht Richter."

Verfügung: „ A n das Grundbuchamt: Z u den Grundakten v o n Lichterfelde Band 1 1 Blatt 4 1 8 wird Ausfertigung des Protokolls v o m heutigen T a g e über den in der Biedermamscheri Z w a n g s Verwaltungssache 5 L 19 56 abgehaltenen zugleich zur Leistung von Zahlungen auf das Kapital von Grundpfandrechten bestimmten Schlußtermin übersandt mit dem Ersuchen, von der in Abt. III unter Nr. 1 für die .Sekuritas' Lebensverischerungs-A.G. in Hamburg eingetragenen Hypothek von 35000 D M einen Teilbetrag von 3607,87 D M (i. W . ) zu löschen."

Daß das Grundbuchamt um Löschung zu ersuchen ist, falls ein Hypothekengläubiger in der Zwangsverwaltung Befriedigung wegen seines Kapitals erlangt hat, schreibt § 15 8 1 1 vor. Dort wird auch (entsprechend § 1 3 1 , oben S. 299) bestimmt, daß es der Vorlegung des Briefes zur Löschung nicht bedarf. Demgemäß ist auch neben dem Vermerk des Vollstreckungsgerichts über das (teilweise) Erlöschen des Rechts ein weiterer Briefvermerk über die (teilweise) Löschung des Rechts im Grundbuch nicht erforderlich ( K G J 51, 308). Unabhängig hiervon ersucht später das Vollstrekkungsgericht gemäß § 130 um Löschung der ganzen Hypothek, sofern nicht etwa Gläubiger und Ersteher das Bestehenbleiben (§ 9 1 l : ) vereinbaren. Das Ersuchen aus § 1 3 0 darf aber erst nach Beschaffung der Grunderwerbsteuerbescheinigung abgehen (S. 299), so daß zunächst auf Grund des Ersuchens aus § 1 5 8 " die Teillöschung erfolgen wird. — Der Referendar: Ist die Löschung des Teilbetrages als rechtsändernd oder als berichtigend aufzufassen ? Woraus folgt, wenn es sich um eine Berichtigung handelt, das Erlöschen der Hypothek? Der Richter: Nach § 1 1 8 1 B G B erlischt die Hypothek durch Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstück. Die Vorschrift wird leicht übersehen, weil bei dem wichtigsten Fall, der Zwangsversteigerung, das Erlöschen der Hypothek des betreibenden Gläubigers bereits durch den Zuschlag eintritt (§§ 521 S. 2, 9 1 1 Z V G ) , gleichviel ob sie durch das Meistgebot gedeckt ist oder ob sie ausfällt. Insofern wird § 1 1 8 1 B G B durch das Zwangsversteigerungsrecht regelmäßig überholt und gegenstandslos. Der Unterschied zeigt sich jedoch, wenn eine Hypothek durch Zuschlag erloschen und bei der Erlösverteilung ausgefallen ist, aber noch einzelne mithaftende bewegliche Sachen oder Forderungen vorhanden sind, deren Haftung nicht gemäß § § 1120 f. beendet wurde (z. B. ein von der Versteigerung ausgeschlossenes Zubehörstück, oben S. 279/80). Dann ist die Hypothek nicht — wie die aus dem Grundstück befriedigten Hypotheken — vollständig, sondern nur am Grundstück selbst erloschen; an jenen Gegenständen dagegen besteht das hypothekarische Recht fort und der Gläubiger kann es durch Zwangsvollstreckung in den noch haftenden Gegenstand auf

Zwangsversteigerungsrichter — Befriedigung aus dem Grundstück

329

Grund dinglichen Titels verwirklichen. Ein solches Hypotheken-Rückstandsrecht wird nicht mehr als Hypothek nach den § § 115 4 B G B , 830 ZPO, sondern als sonstiges Recht nach den §§413 B G B , 857 ZPO übertragen und gepfändet (ähnlich dem Recht auf Befriedigung aus dem Versteigerungserlös zwischen Zuschlag und Verteilungstermin, oben S. 312). R G 55, 417; 125, 362; J W 1 1 , 46 3 5 ; GruchBeitr 48, 1067. — D i e Beitreibung des Hypothekenkapitals durch Zwangsverwaltung stellt ebenfalls eine Befriedigung „aus dem Grundstück" im Sinne der §§ 1147, 1 1 8 1 B G B dar. Mit der Auszahlung im Termin wird also das Grundbuch unrichtig, und die vom Vollstrekkungsgericht herbeizuführende Löschung hat lediglich deklaratorische Bedeutung. — Endlich kann der Hypothekengläubiger, so lange keine Immobiliarbeschlagnahme vorliegt, aus einem dinglichen Titel die Zwangsvollstreckung in einzelne mithaftende bewegliche Sachen oder Forderungen betreiben, und soweit er dadurch Befriedigung erlangt, erlischt die Hypothek ebenfalls. §§ 1147, n 8 i i " B G B , 8 6 5 " ZPO. Der letzte Fall unterscheidet sich von den beiden anderen dadurch, daß hier kein Gericht die Berichtigung vermittelt, vielmehr die Beteiligten, vor allem die Inhaber gleich- und nachstehender Rechte, die Löschung mit Hilfe des Berichtigungsanspruchs (§ 894 BGB) selbst herbeiführen müssen. Referendar: Zahlt der Eigentümer zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung an den Gläubiger, so geht nach den §§ 1143, 1 1 6 3 1 S. 2 die Hypothek als Eigentümerhypothek oder -grundschuld auf ihn über. Wird der Gläubiger durch Zwangsvollstreckung befriedigt, so geht die Hypothek unter. Wie läßt sich diese unterschiedliche Behandlung rechtfertigen ? Richter: Der Grundstückseigentümer, der nicht zugleich persönlicher Schuldner ist, hat keine Pflicht, sondern nur ein Recht zur Zahlung. Macht er von seiner Befugnis Gebrauch, so hat er nicht aus dem Grundstück, sondern aus seinem Vermögen geleistet, und es liegt kein Anlaß vor, die nachstehenden Hypotheken aufrücken zu lassen: daher erwirbt, gleichsam zur Belohnung, der Eigentümer die Post. Ganz andere rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung hat die Befriedigung aus dem Grundstück im Wege der Zwangsvollstreckung. Sie geschieht aus Werten der Liegenschaftsmasse, die auch für die nachstehenden Hypotheken haftet, und es hat seinen guten Grund, wenn in diesem Fall das Erlöschen der befriedigten Hypothek eintritt und damit der Rang der nachstehenden Berechtigten verbessert wird.

9. Kapitel

Beim Konkursrichter Vergleichsverfahren K o n k u r s a n t r a g . Namens der Deutschen Sektkellereien Rudolf Wagner & Co. in Rüdesheim stellt R A . Schwarz am 7. September 1956 Antrag auf Konkurseröffnung über das Vermögen des Gastwirts und Schaustellungsunternehmers Konrad Geier, in Firma „Lunapark Ehrenfeld Konrad Geier" in Köln-Ehrenfeld. Die beigefügte Vollmacht (§§ 80, 8 8 " ZPO, 72 K O ) ermächtigt den Anwalt ausdrücklich: „uns im Konkurs- oder Vergleichsverfahren über das Vermögen des Gegners zu vertreten"»

weil nach herrschender Meinung der gesetzliche Rahmen der Prozeßvollmacht ( § 8 1 ZPO) diese beiden Verfahren nicht umfaßt. Zur Glaubhaftmachung der Forderung und der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 105 1 K O überreicht R A . Schwarz zwei Urkunden. Die eine ist ein Wechsel, auf dessen Rückseite sich bloß die Wechselsteuermarke befindet. Die Vorderseite lautet: -a

„Rüdesheim, den 2. August 1956. Gegen diesen Wechsel zahlen Sie am 2. November 1956 an die Order von uns selbst 2150 D M i. W. Zweitausendeinhundertfünfzig Deutsche Mark. Herrn Konrad Geier in Firma ,Lunapark Ehrenfeld Konrad Geier' in Köln-Ehrenfeld

Deutsche Sektkellereien Rudolf Wagner & Co.'

Obgleich der Wechsel noch lange nicht fällig ist, besitzt Wagner doch Antragsrecht. Antragsbefugt ist nach § IOJ 1 1 K O j e d e r Konkursgläubiger. Wie sich aus der Überschrift des 8. Titels des 1. Buchs der K O und aus § 65 K O ergibt, begründet auch eine noch nicht fällige Forderung schon die Konkursgläubigereigenschaft. Außerdem verlangt § 105 1 K O in dieser Hinsicht nur, daß der antragstellende Gläubiger seine Forderung glaubhaft macht, nicht aber, daß die Forderung bereits fällig sein oder daß der Gläubiger gar einen vollstreckbaren Schuldtitel besitzen müsse. Die andere Anlage ist ein Vergleichsrundschreiben: „Adam Riese Bücherrevisor.

Köln, den 28. August 1956. Firma Deutsche Sektkellereien Rudolf Wagner & Co. Rüdesheim.

Herr Konrad Geier, in Firma .Lunapark Ehrenfeld Konrad Geier' in Köln-Ehrenfeld sieht sich genötigt, seine Zahlungen einzustellen. Der heute im Beisein der Hauptgläubiger aufgenommene Status ergab folgendes:

Konkursrichter — Vergleichsrundschreiben

881

Aktiva. Grundstück Köln-Ehrenfeld Band IV Blatt Nr. 97 (Lunapark), Steuer-Einheitswert belastet mit: erste Hypothek der Kölnischen FeuerversicherungsAG. 100000, Höchstbetragshypothek der ,Union'-Bank AG. Filiale Köln 80000, valutiert mit zirka 63000, Höchstbetragshypothek der .Ersten Kölner Aktien-Brauerei' 40000 (voll valutiert), Bauhandwerkervormerkung Preuß 2500, zusammen freier Wert Grundstück Brühl Band V Blatt 145, Hüttenstraße 2, Steuer-Einheitswert 67000, belastet mit 85 000 DM festen Hypotheken Karussel-Automobilzug, Wert 29000, gepfändet in Höhe von 6800, freier Wert Achter-Bahn und Zyklon-Rad (das Eigentum wird von dem Gläubiger Augustin in Anspruch genommen) Außenstehende Forderungen (davon 6500 streitig) Teppiche und Bilder Briefmarkensammlung zusammen:

240 000 DM,

205500 DM 34500 DM DM 22200 DM 40 000 DM 16000 DM 5 000 DM 18 000 DM 135 700 DM.

Die Wohnungseinrichtung gehört laut Testament der Tochter Frida Geier als Erbin der verstorbenen ersten Ehefrau. Das We'nlager des .Lunapark' mit Ausnahme des für den täglichen Gebrauch benötigten ist dem Gläubiger Anlauf zur Sicherung übereignet. An der AchterBahn und dem Zyklon-Rad nimmt der Gläubiger Augustin, der das Geld zum Erwerb dieser Gegenstände hergegeben hat, das Eigentum im Prozeßwege in Anspruch. Bevorrechtigte Forderungen: Lohn- und Steuerforderungen Verbleiben als Masse für die nicht bevorrechtigten Gläubiger

9 500 DM. 126200 DM.

Nicht b e v o r r e c h t i g t e F o r d e r u n g e n : Gesamtsumme Davon wegen Sicherung aus Aktiva (vgl. oben) nicht beteiligt Es verbleiben an beteiligten Gläubigern

591600 DM 279300 DM 312 300 DM,

davon streitig 19300. Für den Gläubiger Augustin ist ein Betrag von 24000 für den Fall, daß ihm das Eigentum an der Achter-Bahn sowie dem Zyldon-Rad nicht zugesprochen wird, eingesetzt. Im Konkursfall sind mindestens 20 000 DM auf Kosten zu rechnen, so daß die nicht bevorrechtigten Gläubiger mit einer Quote von höchstens 3 5 % zu rechnen hätten, wobei noch nicht berücksichtigt ist, daß die Grundstücke schwer realisierbare Objekte darstellen und die Erzielung der im vorstehenden Status eingesetzten Steuerwerte in einer Zwangsversteigerung mehr als fraglich erscheint. Im Auftrag des Herrn Konrad Geier und einer Reihe seiner Hauptgläubiger, darunter der .Ersten Kölner Aktienbrauerei', des Bankiers Schilling und des Bruders des Schuldners, Kaufmanns Wilhelm Geier in Firma Jtirgensen & Petersen in Hamburg, unterbreite ich den Gläubigern folgenden Vergleichsvorschlag: 1. Die Lohn- und Steuerforderungen werden voll ausgezahlt. 2. Hypotheken und sonstige Sicherheiten bleiben in voller Höhe bestehen. 3. Die nicht bevorrechtigten Gläubiger erhalten unter selbstschuldnerischer Bürgschaft des Herrn Wilhelm Geier 45%

ihrer Forderungen, und zwar je 15% am 2. Januar, 1. April und 1. Juli 1957. 4. Nichtbevorrechtigte Gläubiger bis zu 100 DM werden voll ausgezahlt. Nicht bevorrechtigte Gläubiger, die ihre Forderung auf 100 DM ermäßigen, erhalten 100 DM."

332

Konkursrichter — Uberschuldung, Zahlungsunfähigkeit, Zahlungseinstellung

Denn sonst würden Gläubiger, deren Forderung zwischen 100 und 222,22 D M beträgt, schlechter dastehen als Gläubiger unter 100 DM. „5. Die Verwandtengläubiger, nämlich Frau Geier, Frl. Frida Geier und Herr Wilhelm Geier, verpflichten sich, Ansprüche wegen ihrer Forderungen erst nach vollständiger Auszahlung der Vergleichsraten an die übrigen Gläubiger geltend zu machen. Wie Sie aus Vorstehendem ersehen, liegt der Vergleich unbedingt im Interesse der gesamten Gläubigerschaft. Damit der Konkurs vermieden werden kann, ist schleunigste Zustimmung aller Gläubiger erforderlich. Ich bitte Sie deshalb, auf der beiliegenden Freikarte Ihre Zustimmungserklärung sofort zu vermerken und die Karte sodann an mich abzusenden. Hochachtungsvoll Adam Riese."

Vorausgesetzt, daß Riese tatsächlich im Auftrag des Schuldners gehandelt hat, haben wir hier den Schulfall einer Zahlungseinstellung vor uns. Im Konkurs- und Vergleichsrecht sind die Begriffe der Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit und Zahlungseinstellung zu unterscheiden. „Überschuldung" (Insuffizienz) ist ein Zustand, bei dem die Passiven die Aktiven übersteigen. Beim Nachlaßkonkurs bildet sie den einzigen Konkursgrund (§ 215), bei den meisten juristischen Personen steht sie als Konkursgrund neben der Zahlungsunfähigkeit (§§ 207, 213; über die besondere Regelung bei den Genossenschaften vgl. § 140 S. 1 GenG). Wird die Überschuldung einer juristischen Person geprüft, so sind selbstverständlich nur die echten Passiva, also die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, in Ansatz zu bringen, während „unechte Passiva", die nach zwingender Vorschrift des Gesetzes auf der Passivseite der Bilanz eingestellt werden müssen, aber keine Verbindlichkeiten sind (vgl. § 131 B I, II A k t G ; § 33 d B I, II GenG) — Aktienkapital, Stammkapital, Summe der Geschäftsanteile der Genossen, Reserve- und Erneuerungsfonds u. dgl. — außer Betracht bleiben. — „Zahlungsunfähigkeit" (Insolvenz) bedeutet das auf einem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, nicht bloß vorübergehende Unvermögen des Schuldners, seine fälligen Geldverpflichtungen in ihrer Hauptmasse zu berichtigen. Sind die großen Verbindlichkeiten nicht fällig, so kann der Schuldner überschuldet sein, ohne daß Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Umgekehrt gibt es Zahlungsunfähigkeit ohne Überschuldung, z. B. wenn die Bank dem Schuldner den Kredit gesperrt und der Schuldner sein Vermögen in illiquiden Werten (Grundstücke, Hypotheken) angelegt hat. Durch das Merkmal der Dauer unterscheidet sich die Zahlungsunfähigkeit von einer bloßen „Zahlungsstockung". Es kommt darauf an, ob der Schuldner seine Verpflichtungen im großen und ganzen erfüllen kann: die Zahlungsunfähigkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß er ab und zu einen Gläubiger befriedigt; auf der anderen Seite genügt es nicht, wenn er vereinzelte Schulden nicht zu bezahlen vermag. Bei lebenden physischen Einzelpersonen, O H G . und K G . ist die Zahlungsunfähigkeit alleiniger Konkursgrund (§§ 1 0 2 2 0 9 ) . — „Zahlungseinstellung" endlich heißt die Erklärung des Schuldners, daß er zahlungsunfähig sei. In unserem Fall erfolgt sie ausdrücklich. Sonst wird sie auch durch konkludente Handlungen abgegeben: eine Mehrzahl von Wechselprotesten oder Versäumnisurteilen, Nichtbezahlung der Löhne und Mieten, Schließung des Geschäfts, Flucht des Schuldners usw. Die Zahlungseinstellung ist nicht selbst Konkursgrund, wohl aber gesetzliches Symptom eines Konkursgrundes; denn nach § 1 0 2 " wird Zahlungsunfähigkeit insbesondere dann angenommen, wenn der Schuldner die Zahlungseinstellung erklärt hat. Vgl. Kommentare zu § 102; R G 132, 281. Verfügung gemäß § 105". „ 1 . Termin zur Anhörung des Schuldners am 9. September 1956, vormittags 9 Uhr. 2. Z u laden: a) Geier unter Zustellung einer Abschrift des Eröffnungsantrags nebst Anlagen, mit der Aufforderung seine Geschäftsbücher mitzubringen, b) R A . Schwär

Konkursrichter — Vernehmung des Schuldners

388

V e r n e h m u n g des S c h u l d n e r s . A n t r a g auf V e r g l e i c h s v e r f a h r e n . Im Termin erscheint Geier im Beistand seines Beraters Riese. Zunächst wird er über verschiedene Fragen vernommen, die für den Fall der Konkurseröffnung von Bedeutung sind: „ I c h bin am 10. Juni 1908 in Altona geboren. Seit 1940 bin ich mit Eliy geb. Eckert verheiratet. Wir haben keinen Ehevertrag geschlossen. A u s unserer E h e ist ein Kind Konrad, geboren am 22. Oktober 1942, am Leben. Außerdem besitze ich aus der E h e mit meiner im Jahre 1 9 3 7 verstorbenen ersten Frau Anna, geb. Rütebuscb, eine Tochter Frida, geboren am 9. März 1 9 3 5 . "

Vgl. § 1647 B G B . — Sodann versucht Geier, den Eröffnungsantrag durch Bestreiten der Konkursvoraussetzungen zu Falle zu bringen: „ I c h gebe zu, zahlungsunfähig gewesen zu sein, als das Rundschreiben v o m 28. A u g u s t 1956, welches Herr Riese nach Rücksprache und im Einvernehmen mit mir verfaßt hat, hinausging. Inzwischen hat jedoch ein größerer Teil meiner Gläubiger ausweislich der hiermit überreichten Zustimmungserklärungen den Vergleichsvorschlag bereits angenommen, und die Zustimmungserklärungen der übrigen sind in nächster Zeit zu erwarten."

Wäre der Vergleich bereits zustande gekommen, so würde der Einwand des Schuldners erheblich sein: denn seine Schulden wären ihm dann gestundet und von Zahlungsunfähigkeit könnte nicht mehr die Rede sein. Solange aber nicht alle Gläubiger zugestimmt haben, ist der von Geier angestrebte Vergleich nicht perfekt; denn mit dem Rundschreiben seines Beraters Riese machte Geier das Angebot zum Abschluß des Vergleichsvertrags gegenüber allen seinen Gläubigern. Die ihm daraufhin seitens einzelner Gläubiger zugegangenen Zustimmungserklärungen können deshalb nur dahin verstanden werden, daß diese Gläubiger für den Fall den Vergleichsvorschlag annehmen, daß alle Gläubiger zustimmen. Das ist jedoch nach der Aussage Geiers bisher nicht geschehen. „ E i n e die Kosten des Verfahrens deckende Masse ist vorhanden."

Sowohl der Konkurs wie das Vergleichsverfahren — auf welches Geier, wie wir alsbald sehen werden, hinzielt — dürfen nur bei ausreichender Masse bzw. Leistung eines Kostenvorschusses eingeleitet werden und sind aufzuheben, wenn sich das Fehlen dieser Voraussetzung nachträglich herausstellt (§§ 107, 204 K O , 17 6 , 100 1 VerglO). „ F ü r den Fall, daß das Gericht meine Zahlungsunfähigkeit bejahen sollte, beantrage ich: über mein Vermögen das gerichtliche Vergleichsverfahren zur A b w e n d u n g des K o n kurses zu eröffnen."

Das Vergleichsverfahren kann nur vom Schuldner, nicht auch von den Gläubigem beantragt werden. Liegt ein Konkursantrag vor, so muß der Schuldner den Antrag spätestens bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens stellen (§ 2 1 1 VerglO). Dadurch wird die Entscheidung über den Konkursantrag bis zum rechtskräftigen Abschluß des Vergleichsverfahrens ausgesetzt (§46 VerglO). Andererseits kann der Vergleichsantrag auch ohne Vorhandensein eines Konkursantrags trotzdem unabwendbar den Konkurs nach sich ziehen. Denn nach den §§ 19 1 , 8 0 9 6 I V , 101 Ziff. 1 VerglO. ist in bestimmten Fällen von Amts wegen über die Eröffnung des Konkursverfahrens zu entscheiden, nämlich bei Ablehnung der Vergleichseröffnung, Versagung der Bestätigung, Nichterfüllung des Vergleichs im fortgesetzten Verfahren oder im Fall der Einstellung des Vergleichsverfahrens. Vgl. unten S. 345. Der Vergleichsantrag stellt mithin unter Umständen eine zweischneidige Maßnahme dar. „ M e i n Vergleichsvorschlag für das Vergleichsverfahren ist der in dem Rundschreiben v o m 28. A u g u s t 1956 enthaltene."

334

Konkursrichter — Vergleichsantrag

Bei Stellung des Antrages auf Vergleichsverfahren muß der Schuldner bereits einen bestimmten Vorschlag machen, der den beteiligten Gläubigern mindestens 35% bzw. bei mehr als einjähriger Stundung mindestens 40% ihrer Forderung gewährt, wobei eine mehr als anderthalbjährige Stundung sogar nur für einen den Mindestsatz von 40% übersteigenden Betrag in Anspruch genommen werden darf (§§ 3> 7 VerglO). Außerdem muß der Vorschlag ergeben, ob und bejahendenfalls wie eine Sicherstellung der Vergleichserfüllung erfolgen soll (§ 3 1 VerglO). Diesen Anforderungen genügt der Vorschlag des Rundschreibens vom 28. August 1956. Die Bestimmungen über volle Auszahlung der Lohn- und Steuerforderungen und über das Bestehenbleiben der Sicherheiten (Ziff. 1, 2, des Rundschreibens) sind selbstverständlich, da der Vergleich nur mit den Gläubigern geschlossen wird, welche im Falle des Konkurses gewöhnliche Konkursgläubiger sein würden und da er Sicherheiten ohnehin unberührt läßt (§§ 25 ff). Über die Bevorzugung der kleinen und die Zurücksetzung der Verwandtenforderungen unten S. 370/1. „ E i n e gerichtliche Untersuchung oder ein wiederaufgenommenes Verfahren wegen betrügerischen Bankrotts ist gegen mich nicht anhängig, auch bin ich dieserhalb nicht verurteilt. Innerhalb der letzten 5 Jahre ist kein Konkurs oder Vergleichsverfahren über mich eröffnet noch die Eröffnung eines dieser Verfahren mangels Masse abgelehnt worden. Ich bin während der gleichen Frist weder im Inland zur Leistung des Offenbarungseides in einem Zwangsvollstreckungsverfahren wegen einer Geldforderung geladen worden, noch habe ich mich innerhalb derselben Frist mit meinen Gläubigern außergerichtlich verglichen. Die Richtigkeit dieser Angaben, auch meines Geburtsortes- und -tags, versichere ich hiermit an Eides Statt, nachdem ich über die Bedeutung einer eidesstattlichen Versicherung belehrt worden bin."

Vgl. §§ 311' IV , 171'3-5 VerglO. Wäre eines der bezeichneten Verfahren anhängig gewesen, so wäre die Eröffnung des Vergleichsverfahrens a limine abzulehnen. Bei den Angaben Geiers dient diejenige von Geburtsort und -tag der Beiziehung eines Strafregisterauszugs zwecks Vergewisserung über eine etwaige Bestrafung wegen betrügerischen Bankrotts. Wegen der Möglichkeit der Beiziehung eines Strafregisterauszugs fordert § 3 II nicht mehr eigens eine dahingehende Angabe des Schuldners. Trotzdem ist eine dahingehende Befragung schon mit Rücksicht auf ein etwaiges gerichtliches Untersuchungsverfahren wegen Verdachts des betrügerischen Bankrotts notwendig, welches im Strafregister nicht vermerkt ist. Für die Angabe eines etwaigen Offenbarungseides ist eine Löschung im Schuldnerverzeichnis gemäß § 915 11 ZPO ohne Bedeutung. „ I c h überreiche in 2 Exemplaren"

— von denen das eine zur Weitergabe an die Handelskammer (S. 337/8) verwendet werden soll — „ 1 . ein Verzeichnis meiner Gläubiger und Schuldner unter Angabe der einzelnen Forderungen und Schulden, 2. eine Übersicht meines Vermögensstandes, 3. meine 3 letzten Bilanzen für den 3 1 . 12. 1 9 5 3 , 1 9 5 4 und 1 9 5 5 . " §§41-2,5,6. „ I n der Zeit seit dem 9. September 1955 haben keine Vermögensauseinandersetzungen zwischen mir und den in §§ 4®, 4 1 1 V e r g l O bezeichneten Personen stattgefunden, auch habe ich seit dem 9. September 1 9 5 4 keine Verfügungen über Vermögensgegenstände zu Gunsten solcher Personen vorgenommen. Seit Herbst 1955 bin ich durch Verluste bei auswärtigen Schaustellungen, durch Zahlungseinstellungen von Schuldnern und andere Umstände in Schwierigkeiten geraten, welche dazu führten, daß mir die ,Union'-Bank trotz der für sie bestehenden Hypothek E n d e Juli d. J . den Kredit sperrte und ich meine Wechsel nicht einlösen konnte.

Konkursrichter — Vergleichsantrag

885

Die auf dem Brühler Grundstück für meinen Bruder Wilhelm an dritter Stelle eingetragene Hypothek von 22000 DM datiert vom Juni 1955, die Forderung meines Bruders beträgt ungefähr das Doppelte dieser Summe. Meine Ehefrau hat meinem Gläubiger Bankier Schilling an ihrem Grundstück Tiergartenstraße 18 in Köln eine Sicherungshypothek zum Höchstbetrag von 25000 DM für die Forderungen aus der Geschäftsverbindung mit mir bestellt. Das Grundstück ist 1940 von dem Gelde, das sie mit in die Ehe gebracht hat, erworben worden. Nachdem ich durch die Kreditentziehung meiner Bank in Zahlungsschwierigkeiten geraten war, glaubte ich zunächst durch Anknüpfung der neuen Verbindung mit dem Bankhaus Schilling und durch Stundungsverhandlungen mit den am meisten drängenden Gläubigern meine Verhältnisse in Ordnung bringen zu können. Doch hat sich das als undurchführbar herausgestellt, so daß ich mich zu dem Rundschreiben vom 28. August d. J . genötigt sah. Seit Versendung des Rundschreibens sind Zahlungen an nicht bevorrechtigte Gläubiger nicht mehr geleistet worden, auch ist seitdem keine Befriedigung einzelner Gläubiger durch Zwangsvollstreckung erfolgt." Vollstreckungsakte aus den letzten 29 Tagen v o r Antragstellung sind für das V e r gleichsverfahren unschädlich (§§ 28, 87,104, unten S. 342). Dagegen kennt das V e r gleichsverfahren keine dem Konkursrecht entsprechende Anfechtung der v o r E r öffnung vorgenommenen, die Masse benachteiligenden Rechtshandlungen. Hat der Gemeinschuldner mit den in § 4 " umschriebenen Angehörigenkreisen oder mit anderen Personen Geschäfte abgeschlossen, die im Konkursfall der Anfechtung unterliegen würden, so muß man entweder unter Verzicht auf Anfechtung das Vergleichsverfahren durchführen oder aber Konkurs eröffnen lassen, um die weggegebenen Werte durch Anfechtung zur Masse ziehen zu können. Wegen der mit einem Konkurs verbundenen Verluste und Nachteile geben die Gläubiger fast immer dem Vergleichsverfahren den Vorzug. Jedoch können solche anfechtbaren Verfügungen des Schuldners nach § 18 die Ablehnung der Vergleichseröffnung zur Folge haben, sei es, daß diese Verfügungen einen Vermögensverfall im Sinne der Ziff. 1 darstellen oder daß der Vergleichsantrag noch vor derartigen Verfügungen hätte gestellt werden müssen (Ziff. 2) oder sei es, daß der Vergleichsvorschlag eben wegen der anfechtbaren V e r mögensschmälerungen weniger als der Konkurs und damit zu wenig bietet (Ziff. 3). „ Es liegen verschiedene Pfändungen gegen mich vor. Der früheste Versteigerungstermin steht am 27. September an." Bis dahin wird voraussichtlich über den Vergleichsantrag entschieden sein. Andernfalls müßte rechtzeitig v o n den Möglichkeiten des § 13 Gebrauch gemacht werden. „ Z u r Beibringung der schriftlichen Bürgschaftserklärung meines Bruders Wilhelm Geier (§ 44) sowie der schriftlichen Erklärungen der Verwandtengläubiger gemäß Ziff. 5 des Vergleichsvorschlags (§ 44 in entsprechender Anwendung) bitte ich mir Nachfrist gemäß § 10 VerglO. zu bewilligen. Zur Leistung des Offenbarungseides bin ich bereit." V g l . §§ 4 S , 6 9 " . „Die Zahlung der ersten Vergleichsrate kann aus dem Erlös des Karussel-Automobil-Zuges, der Briefmarkensammlung, meiner Bilder und Teppiche sowie aus den unbestrittenen Außenständen mit Leichtigkeit erfolgen. Für die folgenden Raten werden weitere Mittel aus der Masse flüssig gemacht werden können; auch reicht das Vermögen meines Bruders Wilhelm bei weitem aus, um die nicht verwandten Gläubiger auszuzahlen. Der Betrieb des ,Lunaparks' erfordert keine Zuschüsse, da die Tageslosung 600—800 DM, bei Veranstaltung von Festlichkeiten bis 2500 DM, beträgt. Vorgelesen, genehmigt." Ungenügend vorbereitete Vergleichsanträge sind nichts Ungewöhnliches. Z . B . reichen Schuldner, wenn bereits Pfändungen vorliegen und die Frist des § 28 un-

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Konkursrichter — Gerichtliches Vorverfahren

bedingt gewahrt werden soll, überstürzte Anträge ein, ohne Gläubiger- und Schuldnerverzeichnis, Vermögensübersicht (oben S. 334) und die anderen notwendigen Unterlagen beizufügen. Erscheint der Mangel einigermaßen entschuldbar, so hilft das Gericht durch die hier beantragte Nachfrist. Dies und die vorgeschriebene Anhörung der Handelskammer (S. 337/8) sind die Hauptgründe, weshalb von der Beschleunigungstendenz des Gesetzes in der Praxis nicht allzuviel zu merken ist. G e r i c h 11 i c h e s Vo r v e r f a h r e n. Mit dem Eingang des Vergleichsantrags, als welcher die in obigem Protokoll niedergelegten Erklärungen Geiers anzusehen sind, beginnt das gerichtliche Vorverfahren gemäß den § § 1 1 bis 15 VerglO. Es geht dem eigentlichen Vergleichsverfahren voraus und dient einerseits der Prüfung des Vergleichsantrags, andererseits dem wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation dringend erforderlichen Schutz des Vermögens des Schuldners. Das Vorverfahren ist mithin sowohl ein Prüfungs- als auch ein Aufsichtsverfahren. Die Prüfung geht dabei zunächst vom Gericht aus, welches die allgemeinen Zulässigkeitserfordernisse und die speziellen des Vergleichsverfahrens zu überprüfen hat. Wegen des Umfangs des hierfür erheblichen Tatsachenmaterials bedient es sich dabei eines vorläufigen Vergleichsverwalters (§ 11), der die wirtschaftliche Lage zu prüfen (§ 39) und dem Gericht zu berichten hat (§ 4 o I i - " 1 ) . Der Prüfung dient schließlich auch die Anhörung der Berufsvertretung (§ 14). Das sowohl im Interesse der Gläubiger als auch des Schuldners liegende Aufsichtsverfahren besteht zunächst in der Überwachung der Geschäftsführung und der Ausgaben für die Lebensführung des Schuldners und seiner Familie durch den vorläufigen Vergleichsverwalter (§ 39). Diese Aufsicht kann erheblich verstärkt werden durch die in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellten Maßnahmen nach § 12 VerglO, z.B. Verhängung eines allgemeinen Veräußerungsverbots, Übertragung der Kassenführungsbefugnis auf den vorläufigen Vergeichsverwalter usw. Eine derartige Verstärkung der Stellung des vorläufigen Vergleichsverwalters empfiehlt sich in vielen Fällen. Zum Schutz gegen Gläubigerzugriffe gibt § 1 3 die Möglichkeit einer Einstellung von Zwangsvollstreckungen auf Antrag des vorläufigen Vergleichsverwalters. Der Richter erläßt deshalb nunmehr folgenden Beschluß: „ 5 3 V N 128/56 Beschluß. Der Gastwirt und Schaustellungsunternehmer Konrad Geier, Alleininhaber der Firma ,Lunapark Ehrenfeld Konrad Geier' in Köln-Ehrenfeld, Richardstraße 5 6, hat am 9. September 1 9 5 6 den Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens zur A b w e n d u n g des Konkurses gemäß § 1 der Vergleichs-Ordnung ( V O ) gestellt. Z u m vorläufigen Verwalter wird der Treuhänder Fritz Müller, Köln, Siegfriedstraße 1 , T e l e f o n 5 4 3 2 1 , bestellt, dem die in 57 V O erwähnten Befugnisse eines Vergleichsverwalters übertragen werden. Zugleich wird heute, den 9. September 1 9 5 6 , i o 3 0 Uhr gegen den Antragsteller auf Grund des § 1 2 in Verbindung mit § 59 V O ein a l l g e m e i n e s V e r ä u ß e r u n g s v e r b o t erlassen. Außenstände sind von den Schuldnern des Antragstellers bei Fälligkeit sofort an den vorläufigen Verwalter zu entrichten. Zahlungen an den Antragsteller Konrad Geier selbst dürfen nicht mehr erfolgen. Die Zustimmungsbefugnis des vorläufigen Verwalters im übrigen wird gemäß § 64 V O auf Verfügungen über Wertgegenstände bis zu 500,-— D M beschränkt. Köln, den 9. September 1956. Amtsgericht, Abt. 5 3

Richter Amtsgerichtsrat."

Konkursrichter — Gerichtliches Vorverfahren

887

Wie schon oben gesagt, ist nur die Bestellung eines vorläufigen Vergleichsverwalters zwingend vorgeschrieben. Die übrigen im Beschluß getroffenen Maßnahmen sind fakultativ. Im übrigen verfügt der Richter noch folgendes: ,.Vfg. 1. Beschluß zustellen an:

a) Antragsteller vorl. Verwalter mit Bestallung.

2. Veröffentlichung in:

a) Reg.-Amtsblatt, b) Bundes-Anzeiger, c) Kölnische Rundschau — Stadtausgabe Köln — , d) Kölner Stadt-Anzeiger — Stadtausgabe Köln —

5. Ausfertigung an:

4. Beglaubigte Abschrift an:

a) Handelsregister in Köln unter Einforderung eines Registerauszuges, b) Grundbuchamt Köln mit dem Ersuchen um Eintragung des Veräußerungsverbots bezüglich folgenden Grundstücks Köln-Ehrenfeld Bd. I V Blatt 97, c) Grundbuchamt Brühl mit dem Ersuchen um Eintragung des Veräußerungsverbots bezüglich folgenden Grundstücks Brühl Band V Blatt 195 a) Gerichtsvollzieherverteilungsstelle in Köln, b) A G . Köln, Vollstreckungs-Abt., zwecks Eintragung in das Vollstreckungsregister.

5. Zustellen .durch Aufgabe zur Post' an die Schuldner gemäß Liste Blatt 4 d. A. 6. Antragsteller mit Zust.-Urk. auffordern, die schriftliche Bürgschaftserklärung des Wilhelm Geier und die schriftlichen Erklärungen der Verwandtengläubiger bis spätestens zum 14. September 1956 beizubringen. Bis zum 14. September 1956 ist überdies bei Vermeidung der Zurückweisung des Vergleichsantrags ein Kostenvorschuß in Höhe von D M 630,— bei der hiesigen Gerichtskasse zum obigen Aktenzeichen einzuzahlen. 7. Vorstrafenanfrage bei Staatsanwaltschaft Altona. 8. Anfrage bei hiesiger Staatsanwaltschaft, ob gegen Geier eine gerichtliche Untersuchung oder ein wiederaufgenommenes Verfahren wegen betrügerischen Bankrotts anhängig ist. 9. Nach 5 Tagen beizubringende schriftliche Erklärungen. 10. Nach 10 Tagen (Bericht des vorl. Verwalters). Köln, den 9. September 1956. Richter Amtsgerichtsrat." In Vergleichs- und Konkurssachen gilt das Offizialprinzip, soweit es sich um die für die Entscheidung des Gerichts wesentlichen Punkte handelt, §§ 116 V e r g l O , 75 KO.— Geier reicht die fehlenden Erklärungen rechtzeitig ein und zahlt den angeforderten Kostenvorschuß. Verfahren wegen betrügerischen Bankrotts haben nicht geschwebt. Die herangezogenen Grundakten bestätigen die im Termin gemachten Angaben des Schuldners. Der vorläufige Vergleichsverwalter hat sofort nach seiner Bestallung Geier aufgesucht und dessen Verhältnisse überprüft und diese auch mit Riese, dem Berater Geiers, besprochen. Über das Ergebnis hat er dem Gericht einen schriftlichen Bericht in 2 Exemplaren eingereicht. Das Gericht hat eine Abschrift des Protokolls v o m 9. September 1956, enthaltend den Vergleichsantrag, je ein Exemplar der v o n Geier 22

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Berg)

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Konkursrichter — Vorläufiger Vergleichsverwalter

eingereichten Unterlagen und ein Exemplar des Berichts des vorläufigen Vergleichsverwalters daraufhin der Industrie- und Handelskammer in Köln mit der Bitte um Äußerung übersandt. Der Treuhänder Fritz Müller kommt in seinem Bericht zu dem Ergebnis, daß die Vermögensverhältnisse die von Geier gebotene Quote von 45 % nicht rechtfertigen. Nach seiner Berechnung soll die Mindestquote von 35% (§ 37 1 VerglO) kaum erreichbar sein. Er stellt es auch in Frage, daß der Vergleich erfüllt werden könne (§ 18 3 VerglO). Selbst wenn der Karussellautomobilzug, die Briefmarkensammlung, die Bilder und Teppiche zu den vom Schuldner angegebenen Werten verwertet sowie die gesamten Außenstände restlos eingezogen würden, fehle es bereits für die erste Vergleichsrate an den erforderlichen Mitteln, weil die bevorrechtigten Forderungen, die Kosten des Verfahrens und die erste Rate etwa 75 000.— D M erforderten, günstigstenfalls aber etwa 5 5 000.— D M flüssig gemacht werden könnten. Der vorläufige Vergleichsverwalter hat in der Zwischenzeit gemäß § 1 3 VerglO die Einstellung folgender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen beantragt: 1. Pfändung des dem Schuldner gehörigen, bei Spediteur Vogel eingestellten Karussel-Automobilzugs, erfolgt am 4. August 1956 durch den Obergerichtsvollzieher Pfänder für den Gläubiger Birke wegen einer Forderung von rund 200,— DM. 2. Anschlußpfändung zu Ziff. 1 am 15. August 1956 für den Gläubiger Augustin wegen einer Forderung von rund 5000,— DM. 3. Anschlußpfändung zu Ziff. 1 und 2 am 15. August 1956 für den Gläubiger Olbricb wegen einer Forderung von 500,— DM. Versteigerungstermin in allen 3 Sachen ist auf den 27. September 1956 angesetzt. 4. Pfändung der Bilder und Teppiche am 12. September 1956 für den Gläubiger RUckert wegen einer Forderung von 2400,— DM. 5. Anschlußpfändung zu Ziff. 4 am 18. September 1956 für den Gläubiger Spindler wegen einer Forderung von 750,— DM. Versteigerungstermin in den beiden letzten Sachen wurde auf den 12. Oktober 1956 bestimmt. 6. Eintragung einer Vormerkung auf dem Lunaparkgrundstück zugunsten des Tischlermeisters Preuß auf Grund einstweiliger Verfügung vom 3. August 1956, Eintragungsersuchen beim Grundbuch eingegangen am 4. August 1956, eingetragen am 6. August 1956, und zwar zur Sicherung des Anspruchs des Gläubigers auf Einräumung einer Sicherungshypothek für Bauarbeiten in Höhe von 1200,— DM. 7. AndlUnung der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung hinsichtlich**des Grundstücks in Brühl zugunsten des Gläubigers Nitscbe aufgrund und wegen der diesem zustehenden Hypothek am 18. September 1956. Versteigerungstermin: 17. Oktober 1956.

Auf diesen Antrag hat das Gericht die Vollstreckungsmaßnahmen zu Ziff. 2, 3,4 und 5 bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag, längstens jedoch auf die Dauer von sechs Wochen einstweilen eingestellt (§13 VerglO), den Antrag hinsichtlich der Ziff. 1 und 6 jedoch mit Rücksicht darauf abgelehnt, daß die betreffenden Maßnahmen bereits vor der Sperrfrist des § 28 VerglO erfolgt seien, so daß die Voraussetzungen des § 13 VerglO nicht erfüllt seien. Das Gericht hat im übrigen darauf hingewiesen, daß Geier den Vergleichsantrag möglicherweise zu spät gestellt habe (§ 18 2 VerglO), da durch das Verstreichenlassen der Sperrfrist einzelne Gläubiger den anderen gegenüber bessergestellt worden seien, was dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufe, der über den § 8 VerglO hinaus Bedeutung habe. Geier hat sich auf Grund dessen unter Mitwirkung des vorläufigen Vergleichsverwalters mit den Gläubigern gemäß Ziff. 1 und 6 in Verbindung gesetzt. Der Versteigerungstermin vom 27. September 1956 wurde daraufhin aufgehoben. Beide Gläubiger erklärten sich bereit, das Ergebnis des Vorverfahrens abzuwarten. Außerdem ist ein Aufkauf dieser Forderungen durch den Bruder Wilhelm Geier geplant,

Konkursrichter — Eröffnung des Vergleichsverfahrens

339

um die Bedenken des Gerichts auszuräumen. Geier hat diesbezügliche schriftliche Erklärungen seines Bruders sowie der beiden Gläubiger zu den Gerichtsakten gereicht. Hinsichtlich der Vollstreckung zu Ziff. 7 hat das Gericht den Einstellungsantrag mit Rücksicht darauf zurückgewiesen, daß Nitzsche wegen seiner Hypothek ein Absonderungsrecht (§47 K O ) zustehe und daß er deshalb kein Vergleichsgläubiger, sondern nicht beteiligter Gläubiger sei. Letzteres wird für den Absonderungsberechtigten in der VerglO. zwar nicht ausdrücklich gesagt. § 27 VerglO regelt lediglich die Konkurrenz zwischen dem Absonderungsrecht und dem ihm etwa zugrundeliegenden persönlichen Anspruch gegen den Vergleichsschuldner. Das Nichtbeteiligtsein des absonderungsberechtigten Gläubigers ergibt sich aber aus § 26 VerglO. Indem der Gläubiger, der eine vorzugsweise Befriedigung aus dem dem Absonderungsrecht unterliegenden Gegenstand beansprucht, damit gleichzeitig geltend macht, daß das dem Absonderungsrecht zugrundeliegende materiellrechtliche Befriedigungsrecht selbst nicht zum Schuldnervermögen gehöre, macht er nämlich als Aussonderungsberechtigter das Nichtbeteiligtsein dieses seines Befriedigungsrechts am Vergleichsverfahren geltend. Die inzwischen eingegangene Äußerung der Industrie- und Handelskammer schließt sich grundsätzlich der Stellungnahme des vorläufigen Vergleichsverwalters an. Sie weist aber darauf hin, daß eine gewisse Garantie für die Vergleichserfüllung in der selbstschuldnerischen Bürgschaft des Wilhelm Geier liege. Die Vorteile infolge dieser Bürgschaft und des Zurücktretens der Verwandtengläubiger enthielten gegenüber dem Konkursverfahren immerhin eine solche Besserstellung, daß nach Meinung der Kammer ein Vergleich versucht werden solle. Sie befürworte deshalb den Vergleichsantrag. E r ö f f n u n g des V e r g l e i c h s v e r f a h r e n s . Das Gericht prüft vor der jetzt (§ 16 VerglO) zu treffenden Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens außer den bereits vor Bekanntmachung des Vergleichsantrags geprüften allgemeinen Voraussetzungen noch die Vergleichswürdigkeit des Geier (§§ i7 2 5«7« 9 -18 1 > 2 VerglO), das Geeignetsein von Schuldner, Unternehmen und Vergleichsvorschlag (§§ 17 8 , 18 3 ' 4 , 1 1 3 3 VerglO) und das Vorhandensein eines kostendeckenden Schuldnervermögens bzw. eines Vorschusses oder einer Sicherstellung ( § 1 7 ® VerglO). Das Gericht ist der Auffassung, daß die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, und erläßt deshalb folgenden Eröffnungsbeschluß: „Geschäftsnummer: 53 V N 128/56. Beschluß. Über das Vermögen des Gastwirts und Schaustellungsunternehmers Konrad Geier, Alleininhabers der Firma ,Lunapark Ehrenfeld Konrad Geier', Köln-Ehrenfeld, Richardstraße 56 wird heute, am 19. September 1956 vormittags 11V2 Uhr, das Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses eröffnet, weil er zahlungsunfähig ist. Der Treuhänder Fritz Müller, Köln, Siegfriedstraße 1, Telefon 5 43 21, wird zum Vergleichsverwalter ernannt. Z u Mitgliedern des Gläubigerbeirats werden bestellt: 1. Fritz Falke, 2. Ernst Haser. Termin zur Verhandlung über den Vergleichsvorschlag wird auf den 16. O k t o b e r 1 9 5 6 , v o r m i t t a g s 1 0 U h r , vor dem Amtsgericht in Köln, Reichenspergerplatz, Zimmer Nr. 442, bestimmt. Die Gläubiger werden aufgefordert, ihre Forderungen alsbald anzumelden. Das gegen den Schuldner mit Beschluß vom 9. September 1956 erlassene allgemeine Veräußerungsverbot gemäß § 5 9 VerglO bleibt aufrechterhalten. Außenstände sind von den Schuld21*

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Konkursrichter — Eröffnung des Vergleichsverfahrens

nern des Konrad Geier bei Fälligkeit sofort an den Vergleichsverwalter zu entrichten. Zahlungen an Konrad Geier selbst dürfen nicht mehr erfolgen. Die Beschränkung der Zustimmungsbefugnis des Vergleichsverwalters wird aufgehoben. Köln, den 19. September 1956. Amtsgericht Richter." V g l . §§ 20, zi, 38, 58, 59, 64. Sofern es nicht ausnahmsweise zur Vertagung gemäß § 77 kommt, ist der bei der Eröffnung anberaumte Vergleichstermin der einzige des Verfahrens. Im Vergleichstermin wird über den Vergleichsvorschlag verhandelt, das Stimmrecht der beteiligten Gläubiger, soweit ihre Forderungen bestritten sind, festgestellt und über den Vergleichsvorschlag abgestimmt (§ 66); auch hat der Schuldner auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und notfalls den Offenbarungseid zu eisten (§ 69). Z u dem Eröffnungsbeschluß verfügt der Richter folgendes: „Verfügung 1. Eröffnungsbeschluß zu veröffentlichen in (mit Zusatz: Der Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens mit seinen Anlagen und das Ergebnis der Ermittlungen liegen auf der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten aus) a) Regierungsamtsblatt, b) Bundesanzeiger, c) Kölnische Rundschau, Stadtausgabe, d) Kölner-Stadt-Anzeiger, Stadtausgabe 2. Zu laden sind unter Beifügung einer Abschrift des Vergleichsvorschlages, der Bürgschaftserklärung, der Verwandtenerklärungen sowie eines Eröffnungsbeschlusses a) Vergleichsschuldner, b) Vergleichsverwalter, c) Mitglieder des Gläubigerbeirats mit Ersuchen um Annahmebestätigung und Belehrung nach Formular, d) sämtliche beteiligten Gläubiger (mit dem Hinweis, daß der Antrag mit seinen Anlagen nebst dem Ergebnis der Ermittlungen bei Gericht eingesehen werden können). 3. Ausfertigung: a) Handelsregister, b) Grundbuchamt Köln, c) Grundbuchamt Brühl 4. Beglaubigte Abschrift des Eröffnungsbeschlusses an: a) Industrie- und Handelskammer in Köln, b) Gerichtsvollzieherverteilungsstelle in Köln, c) Amtsgericht, Vollstreckungsabteilung, Köln, d) Stadtgemeinde Köln in Köln, e) Finanz- und Umsatzsteueramt in Köln, f ) Ortskrankenkasse, Berufsgenossenschaft und Landesversicherungsanstalt, g) Gerichtskasse, h) Staatsanwaltschaft. j. Dem Verwalter ist eine Bestallung zu erteilen mit Zusatz bezüglich allgemeines Veräußerungsverbot und Beschränkung der Zustimmungsbefugnis. 6. Zählkarte. 7. Nach 2 Wochen. Köln, den 19. September 1956. Richter Amtsgerichtsrat." Die Zustellungen (§§ 3 2 9 1 1 1 Z P O , 1 1 5 VerglO) werden ohne Beglaubigung des zuzustellenden Schriftstücks durch Aufgabe zur Post ausgeführt; eingeschrieben gehen sie nur dann, wenn der Empfanger sich im Ausland befindet (§ 118).

Konkursrichter — Stellung des Vergleichsverwalters

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Eröffnung und Beendigung des Vergleichsverfahrens sind v o m Registergericht ex officio im Register zu vermerken (§§ 23 n , 9 8 1 1 ) . Das Grundbuchamt wird nur zwecks Eintragung des allgemeinen Veräußerungsverbots (§ 61), ansonsten jedoch nicht benachrichtigt. Denn das Vergleichsverfahren hat nicht, wie der Konkurs, die Aufgabe, das Vermögen des Schuldners im Interesse seiner Gläubiger zu versilbern, sondern will ihm vielmehr durch Herbeiführung des Zwangsvergleichs Existenz und Geschäft erhalten. Darum bleibt seine vermögensrechtliche Stellung grundsätzlich unberührt. Vielmehr besteht die gesetzliche G r u n d regelung im Gegensatz zu derjenigen des Konkursverwalters lediglich in einer Überwachung der Geschäftsführung sowie der Ausgaben für die Lebensführung des Schuldners und seiner Familie (§ 39). Ferner setzt das Gesetz Mitwirkungsrechte des Vergleichsverwalters bei der Geschäftsführung fest (§ 57 A b s . 1). Der Vergleichsverwalter kann Einspruch gegen die Eingehung v o n Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, erheben. Verbindlichkeiten, die n i c h t zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, sollen nur mit Zustimmung des Vergleichsverwalters eingegangen werden. N o c h weiter als diese Mitwirkung geht es, wenn der Schuldner dem Vergleichsverwalter nach § 5 7 A b s . 2 auf sein Verlangen die Kassenund Kontenführung zu überlassen hat. Hat der Vergleichsverwalter hiernach neben seiner Uberwachungstätigkeit auch hinsichtlich der Begründung von Verbindlichkeiten Mitwirkungs- und hinsichtlich Kassen- und Kontenführung sogar Verwaltungsfunktionen, so sind doch auch diese letzteren Tätigkeitsbereiche gegenüber der Stellung des Konkursverwalters unterschiedlich geregelt. Bei den Verbindlichkeiten bleibt es eben bei der Mitwirkung, die außerdem nicht durch eine Rechtsunwirksamkeit der verbotswidrigen Handlungen sanktioniert ist, sondern lediglich durch die Androhung der Einstellung des Vergleichsverfahrens (§ 100 Abs. 1 Nr. j) mit anschließender Entscheidung über die Eröffnung des Konkursverfahrens (§ 101 Satz 1). Bei der Kassen- und Kontenführung nähert sich die Stellung des Vergleichsverwalters am meisten derjenigen des Konkursverwalters, indem der Vergleichsverwalter hier tatsächlich verwaltet. Ob er diese Funktion übernimmt, ist aber seinem Ermessen überlassen und außerdem ist die Übernahme dieser Funktion von der Gestattung des Schuldners abhängig. Die Sanktion für einen Schuldner, der sich dem Verlangen des Vergleichsverwalters nicht fügt, ist lediglich die bereits erwähnte Einstellung des Vergleichsverfahrens mit anschließender Entscheidung über die Konkurseröffnung. Die Stellung des Vergleichs Verwalters kann neben dieser gesetzlichen Regelung gemäß §§ 5 8 ff. noch erheblich verstärkt werden, indem dem Schuldner Verfügungsbeschränkungen in der Weise auferlegt werden, daß Verfügungen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Vergleichsverwalters bedürfen. Eine weitere Annäherung des Amtes des Vergleichsverwalters an dasjenige des Konkursverwalters ist ohne Einverständnis des Schuldners nicht möglich. Wohl kann außergerichtlich eine weitere Annäherung durch Vereinbarung zwischen Schuldner, Gläubiger und Vergleichsverwalter vorgenommen werden, wobei allerdings zu beachten ist, daß die Stellung des Vergleichsverwalters als eines Organs der vergleichsrechtlichen Selbstverwaltung in keiner Weise, insbesondere nicht durch Interessenkollisionen berührt werden darf. Die ruhige Abwicklung des Vergleichsverfahrens darf nicht durch Z w a n g s vollstreckungen gegen den zahlungsunfähigen Schuldner gestört, und es muß verhindert werden, daß ein v o m Verfahren betroffener Gläubiger durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mehr erhält, als ihm nach dem später zustande gekommenen Vergleich gebührt. Mit Eröffnung des Verfahrens tritt also für die beteiligten Gläubiger Vollstreckungssperre ein (§ 47). V g l . den folgenden Abschnitt. — D e r Referendar: Soll nicht auch eine Vorlegung zur Kontrolle der Rechtskraft notiert werden? Der Richter: Der Eröffnungsbeschluß ist sofort rechtskräftig. Die im Vergleichsverfahren ergehenden Entscheidungen sind grundsätzlich der Anfechtung entzogen,

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Konkursrichter — Vollstreckungsverbot

damit sich das Verfahren in. möglichst kurzer Zeit abwickeln kann. Ausnahmsweise findet sofortige Beschwerde auf Grund ausdrücklicher Bestimmung statt, und zwar gegen die mit der Ablehnung der Vergleichseröffnung, mit der Versagung der Bestätigung oder mit der Einstellung verbundene Konkurseröffnung (§§ 1 9 " , 8 0 " , 101 VerglO) sowie gegen die Konkurseröffnung mach Maßgabe des § 96 V I VerglO, ferner gegen die Festsetzung der Gebühren oder Auslagen des Vergleichsverwalters oder der den Mitgliedern des Gläubigerbeirats zu erstattenden Auslagen (§§ 4 3 1 1 1 , 4 5 " ) und gegen die Festsetzung einer Ordnungsstrafe gegen den Vergleichsverwalter (§ 41 I V ). Die Beschwerdefrist beträgt in diesen Fällen bloß eine Woche und die weitere Beschwerde ist gänzlich ausgeschlossen. Alle übrigen Entscheidungen — insbesondere die Eröffnung des Vergleichsverfahrens, die Bestätigung des Vergleichs, die Aufhebung von Zwangsvollstreckungen und die Ermächtigung zur Nichterfüllung oder Kündigung von Verträgen (S. 343) — sind unanfechtbar. § 121. V o l l s t r e c k u n g s v e r b o t . Geier wird bei dem Vergleichsverwalter Müller vorstellig, damit dieser die im Vorverfahren nur bis zur Entscheidung über den Vergleichsantrag erwirkten Einstellungen der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verlängern lasse. Der Vergleichsverwalter belehrt Geier jedoch dahin, daß es dessen nicht bedürfe, weil § 47 VerglO Vollstreckungshandlungen der Vergleichsgläubiger und ihnen gleichgestellter Gläubiger (§§ 27, 28) kraft Gesetzes für unzulässig erkläre. Wenn aber die Zwangsvollstreckung zur Zeit der Eröffnung des Vergleichsverfahrens bereits anhängig gewesen sei, so werde sie nach § 48 VerglO bis zur Rechtskraft der Entscheidung, die das Vergleichsverfahren abschließe, kraft Gesetzes einstweilen eingestellt. Nur wenn im Interesse der Vergleichsgläubiger die Verfügung über einen von der Zwangsvollstreckung betroffenen Gegenstand geboten sei, könne das Gericht über diese kraft Gesetzes eintretende einstweilige Einstellung hinaus sogar die Aufhebung einer Zwangsvollstreckungmsaßnahme anordnen (§ 48"). Die Vollziehung von Arresten und einstweiligen Verfügungen wird wie Zwangsvollstreckung behandelt (§ 124). Da das Ersuchen um Eintragung der oben erwähnten Vormerkung zugunsten des Preuß früher als einen Monat vor dem Vergleichsantrag eingegangen war, mußte das Grundbuchamt die Eintragung eines Widerspruchs gemäß § 5 3 G B O ablehnen. Löschung einer Zwangseintragung wegen Verletzung der Vorschriften über die Vollstreckungssperre kommt überhaupt nicht in Betracht, weil die Eintragung nicht „ihrem Inhalt nach unzulässig" war. Vgl. Jäger 22 zu § 14. Die oben geschilderte Immobiliarvollstreckung des Nitsche kann, obwohl sie im zeitlichen Rahmen des § 28 VerglO liegt, nicht beanstandet werden. Denn sie wird —wie oben S. 3 3 8/9 gesagt—wegen eines dinglichen Rechts am Grundstück betrieben. Die in § 10 Z V G aufgeführten Befriedigungsberechtigten (auch Lidlöhner und öffentliche Lasten!) haben aber im Konkurs ein Absonderungsrecht (§47 KO), sind also am Vergleichsverfahren unbeteiligt. Sogar nach Eröffnung des Vergleichsverfahrens hätte Nitsche seine Zwangsversteigerung und -Verwaltung noch anordnen lassen können. — Der Referendar: Können die Gläubiger Geiers jetzt noch neue Schuldtitel gegen ihn erwirken? Der Richter: Ebenso wie Verfügungs- und Verwaltungsrecht hat der Schuldner trotz des Vergleichsverfahrens seine Aktiv- und Passivlegitimation behalten. Eine Unterbrechung anhängiger Prozesse (wie im Konkurs) oder die Unzulässigkeit klageweiser Geltendmachung der Forderungen tritt nicht ein. Daher können auch die am Verfahren beteiligten Gläubiger Leistungsklage gegen Geier erheben. Der Kläger riskiert indessen, mit den Prozeßkosten belastet zu werden, falls der Schuldner den Anspruch sofort anerkennt und der Gläubiger nicht nachweist, daß ihm die Eröffnung

Konkursrichter — Aufhebung von Verträgen

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des Vergleichsverfahrens unbekannt war oder daß er ein berechtigtes Interesse an baldiger Erlangung des Urteils hatte, § 49 VerglO. Vollstrecken kann er das Urteil während der Dauer des Vergleichsverfahrens ohnehin nicht. Referendar: Die Belastung des Klägers mit den Kosten scheint mir ungerecht gegenüber Gläubigern, die zur Unterbrechung der Verjährung klagen müssen. Richter: Das kann nicht vorkommen. Nach § 55 ist während des Vergleichsverfahrens die Verjährung „gehemmt" mit der in § 205 B G B bezeichneten Wirkung. Kommt der Vergleich zustande, so erhalten die Gläubiger unbestrittener Forderungen durch Anerkennung im Vergleichstermin einen vollstreckbaren Schuldtitel (§ 85 VerglO); geht das Verfahren jedoch in den Konkurs über, so findet das besondere Konkursanmeldungsverfahren statt, welches die Verjährung unterbricht (§ 209 112 BGB). Aufhebung von Verträgen. „1. B e s c h l u ß in dem Vergleichsverfahren usw. A u f den binnen 2 Wochen nach Bekanntmachving des Eröffnungsbeschlusses von dem Schuldner gestellten, von dem Vergleichsverwalter befürworteten Antrag wird nach Anhörung des Vertragsgegners der Schuldner ermächtigt, den mit dem Geschäftsführer Alfons Langrock in K ö l n bestehenden, noch bis zum 31. Dezember 1958 laufenden Dienstvertrag mit Frist von 6 Wochen zum 31. Dezember 1956 zu kündigen, weil seine Tätigkeit für den Schuldner mit Rücksicht auf die zur Durchführung des erstrebten Vergleiches unbedingt erforderliche Einschränkung des Personalapparats entbehrlich ist, weil ferner wegen der Höhe der Herrn Langrock zustehenden Vergütung die weitere Erfüllung des Vertrages das Zustandekommen und die Erfüllbarkeit des Vergleichs gefährden würde und weil anzunehmen ist, daß der Vertragsgegner Langrock in absehbarer Zeit eine gleichartige Stellung finden wird, so daß ihm die Kündigung keinen unverhältnismäßigen Schaden bringt. §§ 50, 5 1 1 1 VerglO, 66 H G B . Köln, den 29. September 1956. Amtsgericht. Richter. 2. Zuzustellen an Schuldner, Verwalter und Langrock (§ 50 11 S. 6 VerglO)."

Gläubiger, deren Anspruch auf einem z. Zt. der Eröffnung noch von keiner Seite vollständig erfüllten Vertrag beruht, sind am Vergleichsverfahren nicht beteiligt und werden vom Vergleich nicht betroffen (§36 VerglO). Jedoch sehen §§ 50f. die Nichterfüllung bzw. vorzeitige Kündigung derartiger Verträge vor, weil sonst das Ziel des Verfahrens, die Erhaltung der Existenz des Schuldners, häufig nicht erreicht werden würde. Außerdem macht § 36 11 im Interesse des Zustandekommens des Vergleichs die wichtige Ausnahme, daß bei einer teilbaren Leistung der Gläubiger wegen der erbrachten Teilleistung doch Vergleichsgläubiger ist (vgl. unten S. 392). Die Vorschriften sind den §§ i y f K O verwandt. Hauptunterschiede: 1. Die Ablehnungs- bzw. Kündigungserklärung erfolgt durch den Schuldner selbst, also nicht etwa durch den Vergleichsverwalter. 2. Zur Ablehnung der Erfüllung oder Kündigung bedarf es stets einer gerichtlichen Ermächtigung. 3. Das Gesuch um Erteilung der Ermächtigung muß binnen zwei Wochen seit der öffentlichen Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses beim Gericht angebracht werden. Nur zu leicht wird die Frist von juristisch nicht genügend beratenen Schuldnern versäumt. Man denke z. B. an den Fall, daß ein Kaufvertrag wegen eines in den Lieferungsbedingungen versteckten Eigentumsvorbehalts als vom Verkäufer noch nicht erfüllt gilt (S. 391). Wird das Versehen noch vor dem Zwangsvergleich erkannt und handelt es sich um ein Geschäft von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, so tut der Schuldner unter Umständen gut daran, das Vergleichsverfahren durch Antrags-

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Konkursrichter — Betriebsdarlehn

rücknahme zur Einstellung zu bringen, so daß es zum Konkurse kommt (S. 345 f.). Der Konkursverwalter kann dann nach §§ 17 f. vorgehen; dadurch wird vielleicht noch ein K o n k u r s - Z w a n g s vergleich ermöglicht.

4. Bei seiner Entscheidung über die Ermächtigung hat das Vergleichsgericht nicht bloß die Interessen des Schuldners, sondern auch diejenigen des Vertragsgegners zu berücksichtigen. Praktisch wird es aber höchst selten vorkommen, daß das Gericht in Fällen, die für den Schuldner v o n großer Tragweite sind, die Ermächtigung um des Vertragsgegners willen versagt. Diesem würde damit nicht gedient sein. Denn wenn die Aufrechterhaltung mit der wirtschaftlichen Sanierung des Schuldners unvereinbar ist, so führt die Ablehnung der Ermächtigung notwendigerweise zum Konkurse, in welchem der Verwalter ohne jede gerichtliche Mitwirkung nichterfüllen bzw. kündigen darf. Der Vertragsgegener hat dann höchstens (bei Miet- oder Dienst Verträgen) ein Quartal gewonnen.

Geschäftsführer von Restaurants, Cafés, Vergnügungsunternehmungen usw. sind „Handlungsgehilfen" im Sinne des § 5 9 H G B , vorausgesetzt, daß ihnen nicht bloß die Überwachung der Speisenzubereitung und der Kellner sowie die Aufrechterhaltung der Ordnung, sondern auch kaufmännische Funktionen (wie Buchführung, Abrechnung, Einkauf) obliegen. Ebenso der Hotelleiter und der von einer Brauerei eingesetzte Leiter einer ihr gehörigen Gastwirtschaft. Würdinger in R G R K o m m z. H G B § 59 Anm. 7 mit Entscheidungen. Die Kündigung zum 31. Dezember 1956 muß an sich mit Frist von 6 Wochen (§ 66), d. h. spätestens am 19. November, erklärt werden. Selbstverständlich kann aber Geier das ihm eingeräumte außerordentliche Kündigungsrecht nur so lange ausüben, als das Vergleichsverfahren währt. Tut er das, so wird der Vertrag mit dem 31. Dezember 1956 endgültig aufgehoben, gleichviel was nachher aus dem Vergleichsverfahren wird. Langrock hat Anspruch auf Ersatz des ihm durch die vorzeitige Beendigung entstehenden Schadens. Mit dem Schadensersatzanspruch ist er am Verfahren beteiligt, d. h. er erhält beim Zustandekommen eines Vergleichs lediglich die Quote, während seine Vertragsansprüche für die Zeit bis 31. Dezember 1956 vom Vergleich nicht berührt werden. §§ 25, 52 1 VerglO; vgl. § 592, § 6 i 1 K O ; unten S. 360. B e t r i e b s d a r l e h n . Müller berichtet dem Gericht: „Obgleich der Schuldner für seinen und seiner Familie Unterhalt nur 45 D M wöchentlich entnimmt,"

— er darf während des Verfahrens die vorhandenen Mittel für Unterhaltszwecke verbrauchen, soweit sie zu einer „bescheidenen Lebensführung" für ihn und seine Familie unerläßlich sind ( § 5 6 VerglO). — „fehlen seit Beginn des Vergleichsverfahrens die zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendigen Gelder, weil die Tageseinnahmen infolge der ungünstigen Wirtschaftslage hinter denen des Vorjahres zurückgeblieben sind und weil alle Lieferanten vorherige Barzahlung verlangen."

Daß Geier sich im Vergleichsverfahren befindet, haben die Geschäftsfreunde (auch wenn sie nicht als beteiligte Gläubiger eine formelle Ladung gemäß S. 340 Ziff. 2 d erhalten) aus der öffentlichen Bekanntmachung und dem Handelsregister ersehen. Nun gehören Ansprüche aus einer nach Eröffnung des Verfahrens erfolgten Lieferung nicht zu den vom späteren Vergleich betroffenen Forderungen ( § § 2 5 , 8 2 ! VerglO, 3 1 KO) — übrigens ohne Unterschied, ob der Vergleichsverwalter der Bestellung zugestimmt hat oder nicht —, so daß normalerweise auf volle Zahlung nach Zustandekommen des Vergleichs zu rechnen ist. Doch befürchten die Lieferanten, daß das Vergleichsverfahren in einen Konkurs übergeleitet werden könnte: alsdann würden sie die Stellung gewöhnlicher Konkursgläubiger haben, denn ihre Forderungen sind

Konkursrichter — Einstellung des Vergleichsverfahrens

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vor Konkurseröffnung entstanden, und es gibt keine Ausnahme zugunsten derartiger Gläubiger. Darum machen sie vorsichtigerweise die Lieferung von sofortiger Zahlung abhängig. „Geier hat deshalb mit meiner Zustimmung von der .Ersten Kölner Aktienbrauerei', der Firma Jürgens & Petersen und dem Bankhaus Schilling insgesamt 4500 D M als Darlehn zur Fortführung des Betriebes aufgenommen."

Betriebsdarlehen sind im Falle der Überleitung des Verfahrens in einem Konkurs dort Masseschulden, so daß die Darlehnsgeber kein allzu großes Risiko eingehen. Entsprechendes gilt für die Gerichtskosten des Vergleichsverfahrens, das Honorar und die Auslagen des vorläufigen Verwalters und des Vergleichsverwalters sowie die Entschädigung für die Mitglieder des Gläubigerbeirats1). §§ 105, 106 VerglO. „Damit hoffe ich bis zum Vergleichstermin auszukommen und auch die Gerichtskosten sowie meine Vergütung und Auslagen zu decken."

Z u r ü c k n a h m e des A n t r a g s . E i n s t e l l u n g des V e r g l e i c h s v e r f a h r e n s . Drei Tage vor dem Termin schreibt Geier: „Trotz größter Bemühungen ist es mir nicht gelungen, den Hypothekengläubiger Nitscbe zur Zurücknahme seines Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsantrags zu bestimmen. Ferner hat die ,Union'-Bank das Stehenlassen der für sie auf dem .Lunapark'-Grundstück eingetragenen Sicherungshypothek abgelehnt. Auch will ein Teil der am Verfahren beteiligten Gläubiger sich nicht davon überzeugen lassen, daß der angebotene Vergleich der Sachlage entspricht. Da durch diese Umstände die Erreichung der erforderlichen Mehrheit"

— da der vorgeschlagene Vergleich den Gläubigern weniger als die Hälfte ihrer Forderungen bietet, muß neben der einfachen Kopfmehrheit (§ 74 1 *) nicht bloß die gewöhnliche Summenmehrheit von 75% (§ 74 l 2 ), sondern eine solche von 80% der stimmberechtigten Forderungen aufgebracht werden (§ 7 4 1 1 1 ) — „und die spätere Durchführbarkeit des Vergleichs in Frage gestellt ist, so nehme ich den am 9. September d. J. gestellten Vergleichsantrag hiermit zurück."

Bis zum Schluß der Abstimmung im Vergleichstermin steht dem Schuldner die Rücknahme des Antrags frei (§ 99). Die „Einstellung" des Verfahrens ist auszusprechen, wenn es zu keinem Vergleich und zu keiner Entscheidung des Gerichts über die Bestätigung kommt, z.B. der Schuldner den Antrag zurücknimmt, der Zwangsvergleich nicht die vorgeschriebene Mehrheit erreicht, die Voraussetzungen des Vergleichsverfahrens vor dem Termin durch das Verhalten des Schuldners oder aus sonstigen Gründen hinfällig werden (§ 100). War bereits ein Zwangsvergleich angenommen, so endet das Verfahren entweder mit Bestätigung (§ 78) oder mit Versagung der Bestätigung (§ 79). Wird der mit dem Vergleichsverfahren bezweckte Erfolg (Abwendung des Konkurses; vgl. § i VerglO) nicht erreicht, sei es wegen Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens (§ 1 9 1 VerglO), sei es wegen Versagung der Bestätigung des zustandegekommenen Vergleichs (§ 801 VerglO) oder sei es wegen Einstellung des Vergleichsverfahrens (§ 101 S. 1 VerglO), so ist nach den genannten Bestimmungen zugleich von Amts wegen über die Eröffnung des Konkursverfahrens zu entscheiden. Der das Vergleichsverfahren bzw. das Vergleichseröffnungsverfahren beendende Beschluß muß also mit dem über die Eröffnung des Konkursverfahrens befindenden Beschluß verbunden werden. Nach einer neueren, jedoch nicht herrschenden Meinung (vgl. Bley 2. Auflage § 106 Anm 8, § 26 Anm. 86) sollen auch die bereits im Vorverfahren, also vor Eröffnung des Vergleichsverfahrens, gegebenen Darlehen (sog. Vergleichsdarlehen) nicht beteiligte Forderungen sein, falls der vorläufige Verwalter der Darlehensaufnahme zugestimmt hat und ihm nach § 12 S. 2 VerglO die Befugnisse gemäß § 57 VerglO. übertragen waren.

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Konkursrichter — Konkurseröffnung

Da Geier den Vergleichsantrag zurückgenommen hat, hat der Richter demnach nach § 99 S. i VerglO die Einstellung des Vergleichsverfahrens auszusprechen und nach § 101 S. i VerglO zugleich über die Eröffnung des Konkursverfahrens zu entscheiden. Konkurseröffnung In Sachen Geier liegt dem Gericht noch immer der Konkursantrag der Deutschen Sektkellerei Rudolf Wagner & Co. in Rüdesheim vor (vgl. S. 330), der von der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens bis zur Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung nach § 46 VerglO kraft Gesetzes ausgesetzt war (vgl. S. 3 3 3 ) . Da die Entscheidung, die das Vergleichsverfahren abschließt, als solche nicht anfechtbar ist, ist die Aussetzung der- Entscheidung über den Konkursantrag der Deutschen Sektkellereien damit beendet. Der die Einstellung des Vergleichsverfahrens aussprechende Beschluß ist für sich allein unanfechtbar. Beschwerdefähig ist lediglich die zugleich zu treffende Entscheidung über die Konkurseröffnung (§§ 101 S. 2, 80 II VerglO). Nur auf dem Wege der sofortigen Beschwerde gegen die Konkursentscheidung kann mittelbar auch die Einstellung des Vergleichsverfahrens angegriffen werden, weil nach § 101 S. 2 VerglO im Rahmen der Beschwerde gegen die Konkursentscheidung geltend gemacht werden kann, das Vergleichsverfahren sei zu Unrecht eingestellt worden. — Zu beachten ist, daß die Frist für die sofortige Beschwerde gegen die in den §§ 19 I, II, 80 I, II, 101 und 96 V, V I VerglO nach § 121 II S. 2 VerglO eine lediglich einwöchige ist, während das Konkursverfahren sonst die normale zweiwöchige Frist gewährt (§§73 III, 72 K O in Verbindung mit § 577 ZPO).

a)

b) c) d)

Den Schuldner nochmals gemäß § 105 " K O zu hören, liegt kein Grund vor. Da die Voraussetzungen der Konkurseröffnung, nämlich Vorhandensein eines Konkursantrags ( § 1 0 3 K O ) oder Vorliegen eines der in der VerglO geregelten Fälle, wo von Amts wegen die Entscheidung zu treffen ist (S§ 19 1 . 8 o 1 . 9 6v > ioi VerglO), Antragsbefugnis des Antragstellers (S 103 1 1 KO), Konkursfähigkeit des Antragsgegners (§§ i 1 , 2091, 207, 213, 214 KO), Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung (§§ 102, 2071, 209 1 S. 1 und 2, 213, 215 K O , S 63 1 GmbHG sowie §§ 981, 140 S. 1 GenG),

im Fall Geier erfüllt sind (vgl. S. 332), erläßt der Richter nunmehr folgenden Beschluß : ..53 N 96/56 Beschluß in dem Vergleichsverfahren über das Vermögen des Gastwirts und Schaustellungsunternehmers Konrad Geier, Alleininhabers der Firma „Lunapark Ehrenfeld Konrad Geier" in Köln-Ehrenfeld, Richardstraße 56 1. Das Vergleichsverfahren wird eingestellt. 2. Über das Vermögen des bezeichneten Schuldners wird das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Der Treuhänder Fritz Müller, Köln, Siegfriedstraße 1, T e l e f o n 5 43 21, wird zum Konkursverwalter ernannt. Allen Personen, die eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird aufgegeben, nichts an den Gemeinschuldner auszuhändigen oder zu leisten. Dieser Beschluß wird erst mit seiner Rechtskraft wirksam.

Konkursrichter — Konkurseröffnung

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Gründe: Der Schuldner hatte am 9. September 1956 den Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses gestellt, nachdem die Firma Deutsche Sektkellereien Rudolf Wagner & Co. in Rüdesheim am 7. September 1956 Eröffnung des Konkursverfahrens beantragt hatte. Nachdem dem Antrag des Schuldners durch Eröffnungsbeschluß vom 19. September 1956 (53 V N 128/56) stattgegeben worden war, hat er diesen Antrag vor dem Vergleichstermin wieder zurückgenommen. Das Vergleichsverfahren ist deshalb nach § 99 VerglO einzustellen. Weil der Schuldner nach den getroffenen Ermittlungen zahlungsunfähig ist, ist nach §§ i o i , 102 VerglO in Verbindung mit § 102 K O zugleich das Anschlußkonkursverfahren zu eröffnen. Köln den 19. Oktober 1956. Amtsgericht Richter" Die Entscheidung über Eröffnungsanträge zieht sich manchmal lange hin, besonders wenn die Sache in die Beschwerdeinstanz geht. U m Schädigungen der Konkursgläubiger während der Zwischenzeit zu verhüten, kann das Gericht gegen den Schuldner nach Bedarf persönliche Freiheitsbeschränkungen oder Verfügungsbeschränkungen bis zum „allgemeinen Veräußerungsverbot" anordnen (§ 106). Die Wirkung der Verfügungsbeschränkung ergibt sich aus §§ 1 3 5 , 1 3 6 , 89z 1 S. 2 B G B , 7 7 2 Z P O . U m den guten Glauben Dritter zu zerstören, werden die Verfügungsbeschränkungen auf Ersuchen des Konkursgerichts ins Grundbuch eingetragen ( § 1 1 3 K O ) . In unserem Fall sieht das Gericht v o n derartigen Sicherungsmaßnahmen ab. Z u obigem Beschluß verfügt der Richter noch: 1. Beschluß durch Aufgabe zur Post zustellen an: a) Schuldner, b) Firma Deutsche Sektkellereien Rudolf Wagner ¿r Co., Rüdesheim 2. Nachricht an Konkursverwalter 3. Wiedervorlegen 1 Woche nach Zustellung zu ia). Erst nach Rechtskraft des Beschlusses (§§ 101 S. 2, 8 0 " - 1 " V e r g l O ) trifft das Gericht alsdann die weiteren Anordnungen und veranlaßt die öffentlichen Bekanntmachungen. Dies geschieht in folgender Weise: »53 N 95/56 Beschluß in dem Anschlußkonkursverfahren über das Vermögen des Gastwirts und Schaustellungsunternehmers Konrad Geier, Alleininhabers der Firma „Lunapark Ehrenfeld Konrad Geier" in KölnEhrenfeld, Richardstraße 56. Der Beschluß vom 19. Oktober 1956, durch den das Anschlußkonkursverfahren über das Vermögen des bezeichneten Gemeinschuldners eröffnet worden ist, ist — mit dem Beginn des 30. Oktober 1956 — rechtskräftig und damit wirksam geworden. In Ergänzung dieses Beschlusses wird angeordnet: Konkursforderungen sind bis zum 1. Dezember 1956 bei dem Gericht anzumelden. Termin zur Beschlußfassung über die Beibehaltung des ernannten oder die Wahl eines anderen Verwalters sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretendenfalls über die im § 132 ,134 und 137 K O bezeichneten Gegenstände wird auf den 15. November 1956 vormittags 9 Uhr und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 29. Dezember 1956 vormittags 10 Uhr vor dem unterzeichneten Gericht anberaumt. Allen Personen, die eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird aufgegeben, nichts an den Gemeinschuldner auszuhängigen und

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Konkutsrichter — Auslagen und Vergütung

zu leisten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitz der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 12. November 1956 Anzeige zu machen. Köln, den 30. Oktober 1956. Amtsgericht. Richter."

Zwecks endgültiger Erledigung des Vergleichsverfahrens setzt das Gericht nach § 43 VerglO noch die Vergütung und die Auslagen des Vergleichsverwalters fest: „ 5 3 V N 128/56 Beschluß In dem Vergleichsverfahren werden die Vergütung des Vergleichsverwalters auf 800,— D M , seine Auslagen auf 136,75 D M festgesetzt. Köln, den 30. Oktober 1956. Amtsgericht, Abtl. 53 Richter Amtsgerichtsrat."

Während Vormünder, Pfleger und Nachlaßverwalter ihre Auslagen ohne weiteres der Masse entnehmen dürfen (arg. § 1835 BGB), bedarf es bei dem Vergleichs- und Konkursverwalter hierfür einer gerichtlichen Festsetzung (§ 4 3 " VerglO, § 85 1 S. 2 KO). Maßgebend für die Festsetzung der Vergütung und der Auslagen ist die A V des R J M vom 2z. Febr. 1936 (DJ 311). Vereinbarungen des Vergleichsverwalters mit dem Schuldner oder einem Vergleichsgläubiger über die Höhe der Auslagen oder der Vergütung sind nichtig (§ 43 I V VerglO). Die Mitglieder des Gläubigerbeirats erhalten im Vergleichsverfahren keine Vergütung, sondern lediglich Erstattung der baren Auslagen und Ersatz für Zeitversäumnis (§ 4 5 1 1 S. 1 VerglO; vgl. auch Amtl. Begr. D J 35, 391). Zum Inhalt des Konkurseröffhungs- bzw. des Ergänzungsbeschlusses vgl. noch die §§ 1 0 8 , 1 1 0 , 1 1 8 , 1 3 8 K O . Die „erste Gläubigerversammlung" ist nicht über einen Monat hinaus anzusetzen. Die Anmeldefrist für Konkursforderungen beträgt 2 Wochen bis 3 Monate und der Zwischenraum vom Ablauf der Anmeldefrist bis zum allgemeinen Prüfungstermin 1 Woche bis 2 Monate. Erste Gläubigerversammlung und allgemeiner Prüfungstermin können verbunden werden, man muß dann einen Tag zwischen 3 Wochen und einem Monat wählen. Der im letzten Absatz enthaltene „offene Arrest" spricht zunächst ein Leistungsverbot aus, das sich als gesetzliche Folge des mit der Eröffnung eintretenden Verlustes des Verfügungsrechts des Gemeinschuldners von selbst ergibt. Von erheblicherer Bedeutung ist das anschließende Anzeigegebot, weil seine Nichtbeachtung eine Schadensersatzpflicht begründet (§ 119). Hatte z.B. der Verwalter von der Zugehörigkeit einer Sache zur Masse nichts gewußt und infolgedessen die Verwertung zu günstigen Preisen unterlassen, und ist inzwischen der Preis gefallen (Wertpapiere! Modeartikel!), so haftet der Besitzer für den Mindererlös. Der offene Arrest trifft auch den Gerichtsvollzieher, der beim Schuldner gepfändete Sachen (Wertsachen, oben S. 217) als unmittelbarer Besitzer an sich genommen hat. — Mit der Konkurseröffnung wird das gesamte zu diesem Zeitpunkte vorhandene pfändbare Vermögen des Schuldners — die „Konkursmasse" (§ i 1 ) — für die Gesamtheit seiner Gläubiger — die „Konkursgläubiger" — mit Beschlag belegt und dient zu ihrer gleichmäßigen und gemeinschaftlichen Befriedigung nach Maßgabe der konkursmäßigen Rangordnung (§§ 3 1 , 61). Der Konkurs ist also als G e n e r a l e x e k u t i o n aufzufassen. Folgerichtig sind Einzelvollstreckungen oder -Arrestvoll-

Konkursrichter — Wesen des Konkurses

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Ziehungen von Konkursgläubigern während des Konkurses unzulässig (§ 14). Auch die Leistungsklage wird dem Konkursgläubiger versagt; er muß seine Forderung in dem besonderen Verfahren der § § 13 8 f. anmelden und abwarten, bis ihre Feststellung erfolgt und er durch den Verwalter die ihm zustehende Quote erhält. — Während nun bei der Einzelzwangsvollstreckung der Gläubiger an den zu seiner Befriedigung dienenden Vermögens stücken des Schuldners ein Pfandrecht erlangt und sie auf Grund dieses Pfandrechts versteigern läßt, erfolgt die Verwertung der Konkursmasse dergestalt, daß der Konkursverwalter, dem sie obliegt, zwar nicht geradezu fiduziarischer Eigentümer wird, aber doch das Verfügungs- und Verwaltungsrecht des Schuldners kraft eigenen Rechts und im eigenen Namen ausübt §( 6 1 1 ). Demgemäß verliert der Schuldner — obgleich er Eigentümer der Konkursmasse bleibt — das Verfügungsund Verwaltungsrecht (§ 6 1 ), und es tritt s e p a r a t i o b o n o r u m ein, die sich auch auf die Prozeßführung und Aufrechnung erstreckt. — Da der Konkurs auf Versilberung der Masse abzielt, stellt er zugleich ein L i q u i d a t i o n s v e r f a h r e n dar, und zwar ein solches, bei dem der Liquidationsgedanke weit schärfer durchgeführt ist als bei der Liquidation von Handelsgesellschaften und juristischen Personen. Dort wird nämlich die Rechtsstellung Dritter nicht berührt, und die Abwicklung und Versilberung geschieht auf Grund der an sich bestehenden Rechtslage, so daß beispielsweise die laufenden Verträge mangels gegenteiliger Vereinbarung vollständig zu erfüllen sind und bei befristeten Forderungen und Schulden der Eintritt der Fälligkeit abgewartet werden muß. Dagegen treten im Konkurse zur Beschleunigung und Erleichterung des Verfahrens verschiedene Veränderungen ein: noch nicht erfüllte gegenseitige und andere Vertragsverhältnisse können vorzeitig aufgehoben werden (§§ 17f.), Gesellschaften endigen (§§ 728 B G B , i 3 i 6 H G B ) , Auseinandersetzungsbeschränkungen bei Gemeinschaften, an denen der Gemeinschuldner beteiligt ist, treten außer Kraft (§ 1 6 1 1 KO), gestundete Forderungen von Konkursgläubigern — nicht auch Forderungen des Gemeinschuldners an Dritte — werden sofort fällig (§65), auf Individualleistung gerichtete Ansprüche verwandeln sich in Geldforderungen (§ 69), und zur Feststellung der Konkursforderungen ist das vereinfachte Anmeldungs- und Prüfungsverfahren (§§ 138f.) gegeben. — Die durch die Generalexekution begründete gemeinschaftliche Rechtsstellung der Konkursgläubiger, die „par conditio creditorum", führt schließlich zum Ausbau einer o r g a n i s i e r t e n G l ä u b i g e r g e m e i n s c h a f t , die im Gläubigerausschuß bzw. der Gläubigerversammlung mit Mehrheit entscheidende Bestimmungen über Art und Weise der Durchführung des Konkurses treffen, im Zwangsvergleich sogar Rechte gegen den Gemeinschuldner mit Wirkung für alle Gläubiger aufheben kann. Die Konkursmasse, wie sie der Verwalter bei Eröffnung des Verfahrens als „Bruttomasse" übernimmt, kann sich durch Anfechtung von Rechtshandlungen (Abt. I S. 88ff.) vergrößern. Sie kann sich durch A u s - und A b s o n d e r u n g s a n s p r ü c h e sowie durch A u f r e c h n u n g (§§ 53f.) verringern. Mit der Aussonderung (§ 43 f.) macht ein Dritter — analog der Intervention der Einzelvollstreckung — geltend, daß ihm Eigentum oder ein sonstiges die Veräußerung hinderndes Recht an einem Gegenstand zustehe und dieser Gegenstand daher aus der Masse gänzlich auszuscheiden sei. Bei der Absonderung (§§4,47f.) erhält der Berechtigte aus einem zur Masse gehörigen Gegenstand wegen seiner durch Hypothek, Pfandrecht usw. gesicherten Forderung vorzugsweise Befriedigung, wird also vom Konkurse insoweit nicht betroffen. Aus der nach Vorstehendem abgegrenzten Masse sind zunächst die Ansprüche der „ M a s s e g l ä u b i g e r " , nämlich „Masseschulden" (§ 59) und „Massekosten" (§58) zu decken. Es handelt sich hierbei nicht — wie bei Aus- und Absonderung — um Rechte, die mit gleichsam dinglicher Wirkung gegenüber der Masse geltend gemacht

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Konkursrichter — Unterschiede zwischen Vergleichs- und Konkursverfahren

werden, sondern um Ansprüche v o n bloß obligatorischer Natur. Die Massegläubiger unterliegen aber bei Durchführung ihrer Forderungen nicht den für die Konkursgläubiger geltenden besonderen Beschränkungen, sondern können mit K l a g e und Zwangsvollstreckung gegen den Verwalter vorgehen. Masseschulden und -kosten sind im wesentlichen nach der Eröffnung entstandene Ansprüche, vor allem die V e r pflichtungen aus den Geschäften oder Pro2essen des Verwalters. Reicht die Masse, was vorkommen kann, zur Befriedigung aller Massegläubiger nicht aus, so tritt unter ihnen die besondere Rangordnung des § 60 ein. N a c h Berichtigung der Massegläubiger bleibt die „ N e t t o - M a s s e " übrig, aus der nunmehr die K o n k u r s g l ä u b i g e r in der Rangordnung des § 61 zur Hebung gelangen. U n t e r s c h i e d e z w i s c h e n V e r g l e i c h s - u n d K o n k u r s v e r f a h r e n : Das Konkursverfahren will die G l ä u b i g e r befriedigen durch L i q u i d a t i o n des Schuldner Vermögens. Das Vergleichsverfahren will dem S c h u l d n e r helfen und seinen B e t r i e b e r h a l t e n , indem es seine Verbindlichkeiten herabsetzt. Das Konkursverfahren ist deshalb seinem Wesen nach Vollstreckungsrecht. Es stellt neben die Einzelvollstreckung die sog. Generalexekution, bei welcher nicht einzelne Gläubiger einzelne Vermögensgegenstände des Schuldners zwecks Befriedigung zwangsweise verwerten lassen, sondern in der für eine zum Zwecke der Befriedigung zusammengefaßte Gläubigergemeinschaft das gesamte Vermögen des Schuldners in einem besonderen Verfahren zwangsweise versilbert wird. Demgegenüber ist das Vergleichsverfahren — trotz zahlreicher vollstreckungsrechtlicher Bestimmungen — seinem Wesen nach kein Vollstreckungsrecht. Vielmehr sucht es die Generalexekution dadurch zu verhindern, daß es die materiellrechtliche Situation des Schuldners seiner wirtschaftlichen Situation anpaßt. Während das Vollstreckungsrecht einen bestimmten Vermögensgegenstand erfassen muß (so der Konkurs das gemeinschuldnerische Vermögen im Zeitpunkt der Konkurseröffnung; vgl § 1 KO), kennt das Vergleichsverfahren keine „separatio bonorum". Es kann einen derartigen Unterschied zwischen Alt- und Neuvermögen nicht machen, weil sich der Verfahrenszweck schon in der materiellrechtlichen Beschränkung der Gläubigeransprüche erfüllt, so daß eine darüberhinausgehende vollstreckungsrechtliche Begrenzung der Gläubigerrechte sachlich nicht gerechtfertigt wäre. Das Vergleichsverfahren kennt demzufolge auch nicht die starken Beschränkungen, welche den Gemeinschuldner infolge des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Konkursverwalter ( § 6 KO) hinsichtlich des Altvermögens (Konkursmasse) treffen. Verfügungsund Verwaltungsrecht, Aktiv- und Passivlegitimation verbleiben grundsätzlich dem Schuldner. Dessen Stellung kann lediglich fakultativ in gewissem Umfang durch Verfügungsbeschränkungen (§§ 58fr. VerglO) und durch eine Verstärkung der Stellung des Vergleichsverwalters (vgl S. 336 und 341) eingeengt und der des Gemeinschuldners in etwa angenähert werden. Auch die Vorschriften über Nichterfüllung bzw. außerordentliche Kündigung laufender Verträge (vgl S. 343) beruhen weniger auf der „Liquidations"-Idee des Konkurses als vielmehr auf dem Gedanken, dem Schuldner zu helfen, sich von drückenden Verträgen zu lösen, welche wirtschaftlich nicht durchführbar sind und den Vergleich gefährden. Trotz Anlehnung der VerglO an die K O hinsichtlich der verschiedenen Gläubigerkategorien kennt das Vergleichsverfahren nicht die konkursrechtliche Rangfolge der mehr oder weniger begünstigten Gläubiger, sondern unterscheidet nur zwischen Gläubigern, die am Vergleich beteiligt und nicht beteiligt sind. Die Vorrechtsgläubiger der K O sind keine Vergleichsgläubiger (§ 26 I VerglO). Noch weniger gibt es im Vergleichsverfahren Massegläubiger. Hierfür fehlt es schon an der separatio bonorum, an dem Vorhandensein einer Teilungsmasse. Gläubiger, deren Ansprüche auf einer besonderen Beziehung zum Verfahren, nämlich auf das Verfahren ermöglichenden oder begünstigenden Vorgängen beruhen, sind im Vergleichsverfahren einfach „nichtbeteiligte" Gläubiger (vgl. z.B. § 26 II VerglO). Das Forderungsanmelde- und Prufungsverfahren dient nach der VerglO primär dem Zweck der Stimmrechtsfeststellung, mit welcher der Kreis der Gläubiger festgelegt wird, der die Annahmeerklärung zum Vergleichsvorschlag abgibt oder verweigert. Nur sekundär wird die hierzu notwendige Forderungsfeststellung gleichzeitig zur Titulierung der betreffenden Forderungen benutzt. Das konkursrechtliche Feststellungsverfahren dient dagegen nur der Befriedigung und Titulierung der Forderungen. Schließlich kennt das Vergleichsverfahren nicht die Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners, die die Gläubiger benachteiligen. Das Institut der Anfechtung, das oft langwierige Rechtsstreitigkeiten zur Folge hat, würde dem Wesen des auf eine beschleunigte Abwicklung angelegten Vergleichsverfahrens widersprechen. Der Gefahr

Konkursrichter — Verfügung bei Konkurseröffnung

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der Verminderung des frei verfügbaren Vermögens während der wirtschaftlichen Krise sucht die VerglO durch die Sperrfrist des § 28 VerglO zu begegnen, wodurch alle Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus den letzten 29 Tagen vor dem Vergleichsantrag erfaßt werden, die betreffenden Gläubiger am Vergleich beteiligt bleiben und ihre Sicherungen oder Befriedigungen mit der Vergleichsbestätigung oder Anschlußkonkurseröffnung unwirksam werden (§§ 87, 104 VerglO).

Verfügung zum Eröffnungs- und Ergänzungsbeschluß: „ 1. Eröffnungs- und Ergänzungsbeschluß zustellen mit Post-Zust.-Urk: a) an Gemeinschuldner mit Zusatz: Das persönliche Erscheinen zu den Terminen am 15. November 1956 und 29. Dezember 1956 wird angeordnet, b) an Wagner & Co. z. H. von R A . Schwärc) dem Verwalter, d) durch Aufgabe zur Post: den der Person nach bekannten Gläubigern und Schuldnern."

Vgl. § § 7 3 " , 1 1 \ I " 1 1 1 , KO. Abweichend vom Vergleichsverfahren unterliegen in Konkurssachen grundsätzlich alle Entscheidungen der sofortigen Beschwerde nach den Vorschriften der ZPO (§§ 72, 7 3 I " KO). Bei duae difformes weitere Beschwerde (§ 568 1 1 ZPO). Beschwerdefrist: zwei Wochen (§ 577 11 ). Ausschluß der Beschwerde gegenüber Stimmrechtsentscheidungen S. 374, der weiteren Beschwerde in Zwangsvergleichssachen S. 377. Die Beschwerde gegen einen Eröffnungsbeschluß steht nur dem Gemeinschuldner, nicht auch dem Gläubiger, zu (§ 109 K O , §§ 19 11 S. 2, 8 0 " S. 2, 9ÖVI S. 2, 101 S. 2 VerglO). „2. Bekanntmachung gemäß § 1 1 1 1 , 1 1 K O in a) Bundesanzeiger, b) Regierungsamtsblatt, c) Kölnische Rundschau, Stadtausgabe, d) Kölner Stadt-Anzeiger, Stadtausgabe.

Die Bekanntmachung, welche mit Ablauf des zweiten Tages nach Ausgabe des Amtsblattes als vollzogen gilt (§ 76 1 S. 2), ersetzt alle vorgeschriebenen Zustellungen (§ 76''O- Wegen § 98 muß sie die Tagesordnung der ersten Gläubigerversammlung im einzelnen wiedergeben, weil sonst die Gefahr besteht, daß die Versammlung für nicht ordnungsmäßig einberufen und die in ihr gefaßten Beschlüsse für nichtig erklärt werden! Vgl. JW 31, 2588 21 , aber auch R G Z 143, 266; 149/185. „ 3 . Dem Verwalter ist Bescheinigung gemäß § 8 1 1 1 K O zu erteilen. 4. Beglaubigte Abschrift des Eröffnungs- und Ergänzungsbeschlusses der Staatsanwaltschaft."

Die Staatsanwaltschaft schickt später dem Verwalter einen ausführlichen Fragebogen zur Ausfüllung zu. Von den Antworten des Verwalters hängt es gewöhnlich ab, ob gegen den Gemeinschuldner oder dritte Personen ein Strafverfahren wegen Konkurs Vergehens oder -Verbrechens (§§ 239^) eingeleitet wird. Besonders häufig kommt in der Praxis einfacher Bankrott, begangen durch Unterlassung oder unordentliche Führung der Handelsbücher (§ 2403), vor. „5. desgl. dem Amtsgericht, Handelsregister."

Nach § 32 H G B ist im Handelsregister, und zwar in Sp. 5: „Rechtsverhältnisse bei Einzelkaufleuten", die Eröffnung des Konkurses von Amts wegen einzutragen. „6. desgl. dem Amtsgericht Köln, Grundbuchamt zu den Grundakten von Ehrenfeld Bd. I V Bl. Nr. 97 und dem Amtsgericht Brühl, Grundbuchamt, zu den Grundakten von Brühl Bd. V Bl.Nr. 145 mit dem Ersuchen um Eintragung des Konkurs Vermerks."

Vgl. § 1 1 3 KO. Gehören Hypotheken zur Masse, so trägt das Grundbuchamt den Konkursvermerk ausnahmsweise ohne Vorlegung des Briefes ein. Der Konkursvermerk bewirkt absolute Sperrung des Grundbuchs gegen Verfügungen des Gemeinschuldners. ,,7. desgl. dem Amtsgericht, Abt. für Vormundschaftssachen, hier mit dem Bemerken, daß Geier ein minderjähriges Kind zweiter Ehe hat."

352

Konkursrichter — Öffentlichrechtliche Stellung des Gemeinschuldners

V g l . § 1647 B G B . D i e Konkurseröffnung führt auch eine Minderung der staatsbürgerlichen Stellung des Gemeinschuldners herbei. Z w a r behält er sein aktives und passives Wahlrecht, aber er verliert die Fähigkeit, Schöffe oder Geschworener (§§ 32®, 84 G V G ) oder Beisitzer im Arbeitsgericht (§ 2 i n A r b G G ) zu sein oder ein Ehrenamt der Reichsversicherungsordnung zu bekleiden (§ 12 2 R V O ) . Diese Unfähigkeit tritt übrigens in g l e i c h e r w e i s e bei Erlaß eines „allgemeinen Veräußerungsverbots" im Vergleichsverfahren (S. 341) oder Konkurseröffnungsverfahren (S. 347) ein, weil dadurch der Schuldner ebenfalls „infolge gerichtlicher A n o r d n u n g in der V e r f ü g u n g über sein V e r m ö g e n beschränkt" wird. Besondere Benachrichtigungen an die mit der A u f stellung der Schöffenliste usw. befaßten Behörden ergehen nicht; sie müssen aus den öffentlichen Bekanntmachungen selbst die im Konkurse oder unter allgemeinem V e r äußerungsverbot stehenden Personen ausfindig machen. „8. desgl. a) der Gerichtsvollzieherverteilungsstelle Köln, b) der Stadtgemeinde Köln, Köln, c) der Industrie- und Handelskammer, Köln, d) dem Amtsgericht, Vollstreckungsgericht, Köln. 9. Eröffnungs- und Ergänzungsbeschluß abschriftlich (formlos) mitteilen: a) der Gerichtskasse Köln, b) der Zwangsvollstreckungsstelle des städt. Steueramts, Köln, c) dem Finanzamt Köln-Nord, Köln, d) der allgemeinen Ortskrankenkasse Köln, e) der Krankenkasse der Wirteinnung, Köln, f ) der Berufsgenossenschaft, g) der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Düsseldorf, h) Reg.-Insp. Schmitt, Kontrollbeamter der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, Köln, Eduardstraße 14, i) dem Fernmeldeamt, Köln-Ehrenfeld, Venloerstraße 156, k) dem Postscheckamt Köln, 1) dem Arbeitsgericht zu K ö l n . " V g l . § 12 P r A G K O ; RFB1 31, 9; A V P r J M B l v o m 11. O k t o b e r 1927 (PrJMBl 319) und v o m 12. N o v e m b e r 1927 (PrJMBl 344). I m übrigen erscheint die Mitteilung an die oben genannten Stellen auch deshalb zweckmäßig, weil diese erfahrungsgemäß meist v o n dem Konkursverfahren berührt werden. „10. Ersuchen an das Post- und Telegraphenamt um Aushändigung aller für den Gemeinschuldner unter seinem bürgerlichen Namen oder seiner Firma eingehenden Sendungen an den Verwalter." V g l . § 121 K O . „ 1 1 . Konkursverwalter unter Übersendung des üblichen Schreibens auffordern: a) binnen zwei Wochen ein genaues Verzeichnis der Gläubiger und Schuldner, sowie binnen drei Wochen eine Abschrift des Inventars und der Bilanz einzureichen (§ 124 K O ) . Einem etwaigen Antrag gemäß § i 2 j 2 K O auf Befreiung von der Vorschrift des § i 2 3 1 K O , wonach die einzelnen zur Konkursmasse gehörigen Gegenstände unter Zuziehung einer obrigkeitlichen oder einer Urkundsperson aufzuzeichnen sind, wird binnen 1 Woche entgegengesehen. b) die eingehenden Konkursgelder, die Wertpapiere und Kostbarkeiten bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts in K ö l n oder bei der Städtischen- oder Kreissparkasse in K ö l n zu hinterlegen und die Hinterlegung dem Gericht nachzuweisen. c) dem Gericht zum erstenmal spätestens am 15. November 1956 Bericht über den Stand des Verfahrens zu erstatten.

Konkursrichter — Zweck und Vorteile des Konkursantrags

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d) die grundbuchmäßige Bezeichnung des etwaigen weiteren Grundbesitzes des Gemeinschuldners oder seiner etwaigen dinglichen Rechte festzustellen und gemäß §113 K O die Eintragung des Sperrvermerks herbeizuführen. 12. Zählkarte A fertigen. 15. Die Geschäftsbücher des Gemeinschuldners sind zu schließen."

Die Schließung erfolgt nach § 122 1 1 durch Vermerk hinter der letzten Bucheintragung: „Wegen Eröffnung des Konkursverfahrens geschlossen. Köln, 5. November 1956. Amtsgericht. Geschäftsstelle. (Siegel)

Urkund als Urkundbeamter."

Schließlich wird eine Vorlegung: „14. nach 2 Wochen"

notiert, um den Eingang des vom Verwalter einzureichenden Gläubiger- und Schuldnerverzeichnisses, des Inventars nebst Bilanz (§§ 123, 124) sowie die Zustellungen zu 1 der Verfügung zu kontrollieren. Nach Eingang der Gläubiger- und Schuldnerliste werden etwa noch fehlende Zustellungen nachgeholt. Der Referendar: Haben Wagner & Co. nicht eigentlich gegen ihr Interesse gehandelt, indem sie die Eröffnung des Konkurses herbeiführten ? Vorher hatten sie die Chance, durch geschickte Vollstreckungsmaßnahmen, gegebenenfalls unter Anwendung des Offenbarungseidzwanges und durch Anfechtung benachteiligender Verfügungen nach dem Gesetz vom 21. Juli 1879 zur vollen Befriedigung zu gelangen. Im Konkurse können sie bloß die allgemeine Quote erhalten. Der Richter: Sie übersehen, daß Wagners Forderung vor dem 2. November noch gar nicht fällig ist. Aber auch ein Gläubiger, dessen Forderung fällig ist und der einen vollstreckbaren Schuldtitel in der Hand hat, wird es bald müde sein, die Beitreibung seines Anspruchs auf dem Wege der Einzelvollstreckung zu versuchen. Die Erfahrung lehrt, daß man mit den Hilfsmitteln des Offenbarungseides und der Anfechtung nicht zum Ziele kommt, wenn der Schuldner böswillig oder seine Vermögenslage undurchsichtig ist. Dem Konkursverwalter stehen ganz andere Machtmittel zu Gebote. Er nimmt die gesamte Masse einschließlich der — von der Einzelvollstreckung ausgenommenen (§ 811 1 1 Z P O ) — Geschäftsbücher und Korrespondenzen des Gemeinschuldners (§ i 1 1 1 K O ) in Besitz und kann daher in die verworrenen Verhältnisse hineinleuchten und alles Erreichbare zur Masse ziehen. Praktisch hat die Konkursdividende oft mehr Wert als die theoretische Aussicht auf hundertprozentige Befriedigung durch Einzelvollstreckung. Hierzu kommt, daß das im Konkursfall geltende Recht für die Gläubiger in einer Reihe von Punkten materiell günstiger ist: die Pflicht zum Offenbarungseid besteht ohne die dreijährige Schonfrist des § 903 Z P O (§125 K O ) , die Anfechtung benachteiligender Rechtshandlungen wird erweitert, die Geltendmachung von Eigentumsansprüchen des Ehegatten (§45 K O in Verbindung mit Art. 117 1 , 3 G G ) erschwert, Auseinandersetzungsbeschränkungen treten außer Kraft, und langfristige, für den Schuldner ruinöse Verträge können mit Hilfe der §§ i y f abgeschüttelt werden (S. 391 f.). Aus welchen Gründen stellt ein Gemeinschuldner Konkursantrag ? Hauptsächlich um dem Vorwurf zu entgehen, er habe sein Vermögen bei Seite gebracht oder einzelne Gläubiger durch Hinausschiebung des Konkurses begünstigt (§§ 2391, 2402, 241). In den meisten Fällen hofft er außerdem, im Konkurse zu einem Zwangsvergleich zu gelangen, der nicht an die Mindestquote des Vergleichsverfahrens ( § 7 VerglO) gebunden ist. Die Vorstände gewisser juristischer Personen sind sogar aus23

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Berg)

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Konkursrichter — Vorläufiger Gläubigerausschuß

drücklich verpflichtet, zur Vermeidung zivil- und strafrechtlicher Folgen innerhalb von 2 Wochen seit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Feststellung der Uberschuldung entweder Konkurs oder gerichtliches Vergleichsverfahren zu beantragen (§§ 42 1 1 , 48 1 S. 2, 86, 1489 1 1 , 1980, 1985 1 1 BGB, §§ 8 3 " , 2 0 9 " , 2 1 9 m , 225 1 4 AktG, 641, 84 GmbHG, 991, 140 GenG).

Referendar: Wie lange kann der Schuldner die Eröffnung des Konkurses dadurch abwenden, daß er den antragstellenden Gläubiger auszahlt? Richter: Ohne weiteres nur bis zum Eröffnungsbeschluß. Nachher ist eine einfache Rücknahme des Antrags nicht mehr möglich. Der Schuldner kann aber noch sofortige Beschwerde einlegen und den Nachweis versuchen, daß es an einer der Voraussetzungen des Konkurses, z. B. der Zahlungsunfähigkeit, gefehlt habe. Bleibt die Beschwerde erfolglos oder war die Frist bereits abgelaufen, so läßt sich der Konkurs nur noch dadurch aus der Welt schaffen, daß man gemäß §§ 202 f. K O Einverständniserklärungen der sämtlichen Konkursgläubiger beibringt: ein recht umständliches Verfahren, welches überdies die materiellen Rechtswirkungen der einmal rechtskräftig erfolgten Konkurseröffnung nicht wieder beseitigt. V o r l ä u f i g e r G l ä u b i g e r a u s s c h u ß . Alsbald nach der Eröffnung beantragt der Verwalter unter Hinweis auf den Umfang und die Schwierigkeit der Sache die Bestellung eines Gläubigerausschusses, für den er die Mitglieder des im Vergleichsverfahren tätig gewesenen Gläubigerbeirats vorschlägt. Vor der ersten Gläubigerversammlung steht dem Konkursgericht die Befugnis zur Bestellung eines provisorischen Gläubigerausschusses zu. Es ist nicht bei der Auswahl der Mitglieder — wie später die Gläubigerversammlung — unbeschränkt, sondern darf nur Gläubiger oder Gläubigervertreter wählen (§ 87 1 ). Die gesetzlichen Voraussetzungen sind bei den Vorgeschlagenen gegeben. Verfügung: „ 1 . Beschluß. In dem Konkursverfahren usw. wird ein Gläubigerausschuß bestellt, bestehend aus dem Likörfabrikanten Fritz Folke, dem Bankier Ernst Haser und dem R A . Schwarz, sämtlich in Köln. 2. Zuzustellen dem Verwalter und Gemeinschuldner. 3. Nachricht den Mitgliedern des Gläubigerausschusses mit der Anfrage, ob sie das Amt annehmen."

Die Bestellung des Gläubigerausschusses hat zur Folge, daß der Verwalter nunmehr verpflichtet ist, in den in § § 13 3 f. bezeichneten wichtigeren Angelegenheiten die vorherige Genehmigung des Ausschusses einzuholen. Diese Vorschrift hat aber nur für das Innenverhältnis Bedeutung, indem der Verwalter durch Handeln ohne Genehmigung sich verantwortlich macht (§ 82), vielleicht auch Grund zu seiner Entlassung gibt (§ 84 1 S. 2); nach außen hin sind die Maßnahmen des Verwalters ohne Rücksicht auf die Einholung der Genehmigung rechtsgültig, so daß z. B. der Grundbuchrichter den Nachweis der Genehmigung des Gläubigerausschusses niemals fordern darf (§136). Eine Ausnahme besteht nur bezüglich der Abhebungen und Anweisungen im Verkehr mit der Hinterlegungsstelle, der gegenüber die Mitzeichnung eines Gläubigerausschußmitglieds notwendig ist (§ 137). Eine viel vernachlässigte Pflicht des Gläubigerausschusses geht dahin, allmonatlich wenigstens einmal die Kasse des Verwalters durch eines seiner Mitglieder prüfen zu lassen (§ 88 1 1 S. 2). Besonders vorsichtige Konkursrichter lassen sich über die erfolgte Kassenprüfung jedesmal eine Bescheinigung zu den Akten einreichen und notieren Fristen für die Einreichung. K o n k u r s a k t e n : Sehr wichtig ist für den Konkursrichter die zweckmäßige und übersichtliche Führung der Akten. Nach §§ 14 f. AktO werden in Konkurssachen stets zwei Aktenbände angelegt, nämlich, a) Verfahren, b) Schuldenmasse.

Konkursrichter — Erste Gläubigerversammlung Auf werden: c) d) e)

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Anordnung des Richters können daneben noch folgende weitere Aktenbände angelegt Teilungsmasse, Verteilungen, Zwangsvergleichsvorschläge

und nach Ermessen des Gerichts weitere Sonderbände. Alle Schriftstücke von allgemeiner Bedeutung — Eröffnungsbeschluß mit Verfügung, Protokoll der ersten Gläubigerversammlung, Berichte des Verwalters, Protokoll des Schlußtermins, Beschwerden, Beschwerdeentscheidungen u s w . — werden zu Band a genommen.

Erste Gläubigerversammlung Die Konkursgläubiger sind Herren des Verfahrens. Die Wahl des Verwalters, des Gläubigerausschusses, die A r t und Weise der Verwertung der Masse und der A b wicklung des Konkurses: alles das steht grundsätzlich in ihrem freien Belieben, und der Konkursverwalter ist an die Beschlüsse und Weisungen der Gläubigerversammlung gebunden. V o r der ersten Gläubigerversammlung fehlt es noch an einer Organisation der Gläubiger, so daß Konkursverwalter und Gläubigerausschuß provisorisch v o m Gericht ernannt werden müssen (§§ 78 1 , 87 1 K O ) . Erst mit dieser Versammlung tritt die Autonomie der Konkursgläubiger in Kraft. Das Gericht übt bloß noch eine gewisse Oberaufsicht aus, indem es die Ernennung des v o n der Versammlung gewählten Verwalters versagen und auf den in der Versammlung zu stellenden Antrag des Verwalters oder eines überstimmten Gläubigers im gemeinschaftlichen Interesse aller Konkursgläubiger die Ausführung eines Versammlungsbeschlusses untersagen kann. Der Streit wird dann im Beschwerdewege ausgetragen. §§ 80 S. 2, 99, 7 3 1 ! I . Die erste Gläubigerversammlung des Geierschen Konkurses nimmt einen glatten Verlauf: „Gegenwärtig A G R . Richter als Richter Schreiber als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle.

Köln, den 15. November 1956.

In dem Konkursverfahren usw. erschienen nach Aufruf im heutigen Termin zur ersten Gläubigerversammlung: 1. der Konkursverwalter Treuhänder Müller, 2. der Gemeinschuldner, 3. die folgenden Gläubiger und Bevollmächtigten von Gläubigern:

Während Gläubiger bevorrechtigter Konkursforderungen (§ 61 1 " 5 ) am Vergleichsverfahren überhaupt nicht beteiligt sind (§ 26 1 VerglO), haben sie im Konkurse grundsätzlich alle Rechte v o n Konkursgläubigern, insbesondere Stimmrecht in den Gläubigerversammlungen. Ausnahme für den Zwangsvergleich: unten S. 369. „ D e r Konkursverwalter erstattete Bericht über die Entstehung der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners, über die Lage der Sache und über die bisher ergriffenen Maßregeln. Darnach steht für die nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger, soweit sich die Sachlage zur Zeit übersehen läßt, eine Dividende von 30—37% in Aussicht."

V g l . § 131 K O . „ E s wurde von der Versammlung beschlossen: 1. Der Treuhänder Fritz Müller wird als Konkursverwalter beibehalten. 2. Es soll ein Gläubigerausschuß von 3 Mitgliedern gewählt werden. Gewählt wurden die Herren Likörfabrikant Fritz Falke, Bankier Ernst Haser und R A . Schwär^, sämtlich in Köln. Diese nahmen die Wahl an. 3. Bezüglich der Fortführung oder Schließung des Geschäfts des Gemeinschuldners: Die Entscheidung wird dem Gläubigerausschuß überlassen." 25*

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Konkursrichter — Bericht des Konkursverwalters

Die Übertragung des der Gläubigerversammlung zustehenden Bestimmungsrechts auf den Gläubigerausschuß ist zulässig und zweckmäßig, weil der Ausschuß nötigenfalls schneller zusammentreten und beschließen kann, als die etwas schwerfällige Gläubigerversammlung. „ 4 . Dem Gemeinschuldner wird eine einmalige Unterstützung von 400 D M bewilligt."

Die Bewilligung steht im freien Belieben der Versammlung. Sie rechtfertigt sich aus der Erwägung, daß der Schuldner nach Konkurseröffnung dem Verwalter in großem Umfang Auskünfte erteilen muß und dadurch behindert ist, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu verdienen. Die Unterstützung hat die Natur eines Massekostenanspruchs, der allen anderen Ansprüchen von Massegläubigern nachgeht (§§ 5 8 3 , 60). „ 5 . Die eingehenden Gelder sollen bei der Städtischen Bank in K ö l n zu den dort üblichen Bedingungen hinterlegt werden. Quittungen des Verwalters über E m p f a n g von Geldern, Wertpapieren und Kostbarkeiten auf die Hinterlegungsstelle bedürfen zu ihrer Gültigkeit keiner Mitzeichnung eines Mitgliedes des Gläubigerausschusses, wenn ihr Gegenstand höchstens 100 D M beträgt. Der Verwalter ermächtigt die jeweiligen Mitglieder des Gläubigerausschusses, sich jederzeit v o m Stand des Kontos der Konkursmasse bei der Städtischen Bank zu überzeugen, und weist die Städtische Bank unwiderruflich an, jede Abhebung auch dem Konkursgericht sowie den sämtlichen Mitgliedern des Gläubigerausschusses mitzuteilen."

Die Bestimmungen des § 1 3 7 sind dispositiver Natur. Der Beschluß der Gläubigerversammlung setzt sie für kleinere Beträge außer Kraft, weil hier das Erfordernis der Mitzeichnung eines Gläubigerausschußmitglieds eine überflüssige Formalität darstellt. Andererseits sollen alle Mitglieder des Gläubigerausschusses und das Gericht fortlaufend über den Stand des Kontos unterrichtet sein, damit etwaige Unregelmäßigkeiten des Verwalters sofort bemerkt werden. Die vom Verwalter erteilten Ermächtigungen und Anweisungen sind wegen des Bankgeheimnisses notwendig: denn von selbst sind nach außen hin weder der Gläubigerausschuß noch das Gericht zur Wahrnehmung der der Konkursmasse zustehenden Rechte befugt. „ 6 . Der Verwalter soll der Gläubigerversammlung in den abzuhaltenden Terminen, dem Gläubigerausschuß auf dessen Verlangen jederzeit über die Verwaltung und Verwertung der Masse Bericht erstatten und Rechnung legen. Der Verwalter überreichte seine Bestallung zwecks Berichtigung."

Nämlich zum Vermerk der Wahl des Gläubigerausschusses und des den § 137 abändernden Beschlusses zu 5. „Sämtliche Beschlüsse und Wahlen sind einstimmig gefaßt. Vorgelesen, genehmigt."

Die Einstimmigkeit erspart dem Gericht die Aufstellung einer Stimmliste und die Festsetzung des Stimmrechts. Letztere gestaltet sich gerade in der ersten Gläubigerversammlung sehr schwierig, da festgestellte Forderungen — die nach § 95 1 S. 1 in Höhe ihres Betrages ohne weiteres Stimmrecht besitzen — vor Abhaltung des allgemeinen Prüfungstermins nicht vorhanden sind. Vgl. im übrigen unten S. 373 f. — Der in der'Versammlung vom Verwalter vorgetragene und zu den Akten überreichte Bericht schildert in seinem ersten Teil die Entwicklung der Geierschen Unternehmungen, die Ursache der Zahlungsunfähigkeit und den Verlauf des Vergleichsverfahrens, nimmt wegen der Lage der Sache im allgemeinen auf das aufgestellte Inventar und die Bilanz (S. 353) Bezug und fährt fort: „ D a s Ergebnis des Verfahrens wird in der Hauptsache davon abhängen, ob es gelingt, die vorhandenen Vermögensstücke zu guten Preisen zu verwerten. Die beiden Grundstücke, welche

Konkursrichter — A n f e c h t u n g

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ich in die Bilanz mit den Steuereinheitswerten eingesetzt habe, sind in der Hand eines geschickten Fachmanns erheblich mehr w e r t ; es ist jedoch zweifelhaft, ob sich geeignete Käufer für diese großen Objekte finden werden, zumal die ,Union'-Bank auf Auszahlung ihrer auf dem ,Lunapark' eingetragenen, mit ca. 63 000 D M valutierten und an sich fälligen Höchstbetragshypothek besteht, und der Gläubiger der zweiten Hypothek des Brühler Grundstücks, Nitsche, sogar bereits die Zwangsversteigerung und Z w a n g s v e r w a l t u n g betreibt. Läßt sich kein angemessener Erlös für das Brühler Grundstück erzielen, so ist mit einer erheblichen Ausfallforderung des dritten Hypothekengläubigers Wilhelm Geier zu rechnen, während bei günstiger V e r w e r t u n g ein Überschuß für die Masse verbleiben würde. D e r Wert des .Lunapark'-Grundstücks ist unter allen Umständen höher als die hypothekarische Belastung. W e g e n des Eigentums an der Achterbahn und dem Zyklon-Rad, die auf 40 000 D M zu veranschlagen sind, schwebt zwischen dem Geldgeber Augustin und dem Gemeinschuldner ein Rechtsstreit. Das Weinlager in Werte v o n 18 bis 22000 D M ist dem Gläubiger Anlauf zur D e c k u n g seiner weit höheren Forderung v o r 1V2 Jahren sicherungsübereignet w o r d e n . "

Sodann beschäftigt sich der Bericht mit der Möglichkeit, die Aktivmasse durch Anfechtung, vor allem durch „Konkurs-Pauliana" (Abt. I S. 88 zu c), zu vergrößern. Dieser Anfechtung liegt der Gedanke zugrunde, daß die par conditio creditorum (S. 3 49 f.) im materiellen Konkurse nicht mehr zugunsten einzelner Konkursgläubiger verschoben werden soll. Das Gesetz unterscheidet kongruente und inkongruente Deckungen. „ K o n g r u e n t " ist eine Deckung, wenn der Gläubiger genau das erhält, was er vom Gemeinschuldner zu beanspruchen hatte: in diesem Falle sind nur die nach der Zahlungseinstellung oder dem Eröffnungsantrag vorgenommenen Handlungen anfechtbar und der Konkursverwalter muß dem Anfechtungsbeklagten die Kenntnis der Zahlungseinstellung bzw. des Eröffnungsantrages nachweisen (§ 301). „ I n k o n g r u e n t " sind Leistungen und Sicherheiten, die der Gläubiger überhaupt nicht oder nicht in der Art (datio in solutum! nachträgliche freiwillige Sicherung einer Forderung!) oder nicht zu der Zeit (vorzeitige Leistung) zu beanspruchen hatte. A u f dem inkongruenten Geschäft ruht von vornherein ein gewisser Verdacht, deshalb unterliegt es der Anfechtung auch, wenn die Vornahme in die letzten 10 Tage vor Zahlungseinstellung bzw. Eröffnungsantrag fällt, und im Prozeß muß unter Umkehrung der sonst geltenden Beweislastregeln der Anfechtungsbeklagte dartun, daß ihm weder die Zahlungseinstellung noch der Eröffnungsantrag noch die Absicht des Schuldners, ihn vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen, bekannt war (§ 302). Das vom Gläubiger einer Geldforderung erwirkte Pfändungspfandrecht wird von der Rechtsprechung als inkongruente Deckung aufgefaßt, weil das materielle Recht dem Gläubiger kein Pfandrecht gewährt. Folglich gelten für die Anfechtung von Pfändungen die verschärften Bestimmungen des § 302 (vgl. R G Z 78/334). Sogar w e n n z. Z t . der Konkurseröffnung das Pfand bereits versteigert und der Erlös abgeführt war, so daß der Gläubiger im Endergebnis das ihm materiellrechtlich zustehende G e l d erlangt hatte, wird § 302 angewandt, denn der Erlös ist Surrogat des inkongruenten Pfändungspfandrechts und wie dieses zu behandeln ( R G 40,89). Z u einer kongruenten D e c k u n g kommt es bei der Beitreibung v o n Geldforderungen nur in dem seltenen Falle, daß der Gerichtsvollzieher beim Schuldner bares G e l d pfändet, weil hier die Wegnahme bereits als Zahlung gilt, ein Pfandrecht daher gar nicht erst zur Entstehung gelangt (§ 815 1 1 1 Z P O , oben S. 217).

Neben der Anfechtung sind aber bei den Geierschen Pfändungen die Vorschriften für „ A n s c h l u ß k o n k u r s e " ( „ ü b e r g e l e i t e t e K o n k u r s e " ) zu beachten. Hierunter versteht man einen Konkurs, der bei Ablehnung eines Vergleichsantrags, bei Einstellung des Vergleichsverfahrens, Versagung der Bestätigung oder bei Nichterfüllung des Vergleichs eröffnet wurde (§§ 19 1 , 801, 96 v , 101, 102 VerglO). Beim Anschlußkonkurs werden Vollstreckungsmaßregeln aus den letzten 29 Tagen vor Stellung des Vergleichsantrags mit Konkurseröffnung von selbst — also ohne Anfechtung — unwirksam und das etwa Beigetriebene ist als rechtlose Bereicherung heraus-

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Konkursrichter — Anfechtung an Pfändungen

zugeben (§ 104 VerglO). D e r pfändende Gläubiger hat also eine überaus ungünstige Rechtsposition. W a r seine Pfändung später als am 30. T a g v o r dem Vergleichsantrag bewirkt, so nützt es ihm nichts, daß damals vielleicht noch keine Zahlungseinstellung vorlag oder daß er gutgläubig w a r ; liegt aber die Pfändung weiter zurück, so kann gleichwohl die Anfechtung aus § 30 2 K O durchgreifen, sofern die Zahlungseinstellung binnen 10 Tagen seit der Pfändung eintrat: „Von den vorliegenden Vollstreckungshandlungen einzelner Konkursgläubiger sind die von Augustin und O ¡brich am 15. August und von Rückert am 12. September sowie Spindler am 18. September erwirkten Pfändungen, weil später als am 30. Tage vor Stellung des Vergleichsantrags vorgenommen, ohne weiteres unwirksam. Wahrscheinlich sind aber auch die Pfändung Birkes vom 4. August und die Hypothekenvormerkung des Preuß anfechtbar, weil Geier bereits längere Zeit vor dem Rundschreiben vom 28. August, ungefähr am 23. oder 24. Juli, durch Nichteinlösung seiner Wechsel als Folge der Kreditsperrung seitens der Bank die Zahlungen eingestellt hatte. Nach der mir erteilten Information soll Geier noch im Juli gegenüber Birke und Preuß erklärt haben, daß er .fertig' sei." D e r Pfändungsgläubiger Birke muß sich hinsichtlich der Kenntnis der Zahlungseinstellung exkulpieren. Bei Preuß liegt der Schulfall einer kongruenten Deckung vor, weil er als Bauhandwerker einen gesetzlichen Anspruch auf Sicherungshypothek besaß (§ 648 B G B ) , so daß ihm der Verwalter die Kenntnis nachzuweisen hat. Gilt bei Anfechtung von Pfändungen der Gerichtsvollzieher als Vertreter des pfändenden Gläubigers im Sinne des § 166? Dies würde den guten Glauben des Pfändungsgläubigers fast immer zerstören, weil — infolge des Bezirksystems — der Gerichtsvollzieher die für eine Zahlungseinstellung maßgebenden Pfändungen, Klage- und Urteilszustellungen, Wechselproteste usw. besonders gut kennt. Die herrschende Meinung verneint die Frage (RG 90, 193; Jaeger Anm 21 zu § 30). Das stimmt überein mit der für den Gerichtsvollzieher bis auf einige gesondert gelagerte Ausnahmefälle jetzt ganz überwiegend vertretenen Amtstheorie (vgl. Stein-Jonas-Schönke, 18. Aufl. Vorbem 5 vor § 166 mit Zitaten). Für Kenntnis seines Rechtsanwalts muß der Gläubiger zweifellos aus § 166 B G B einstehen. Welcher Zeitpunkt ist für die Anfechtung der Preußschen Vormerkung maßgebend ? Nach herrschender Ansicht (Jaeger 19, 35 zu § 30 mit Rechtsprechung und Literatur) die vollendete Entstehung des Rechts, d. i. der 6. August (vgl. S. 338). Aber auch wenn man in analoger Anwendung von § 892 11 — eine direkte kommt nicht in Betracht, weil die Zahlungseinstellung nicht zu den aus dem Grundbuch ersichtlichen Tatsachen zählt — an Stelle des Eintragungstages das Präsentatum des Eintragungsersuchens setzt, würde Bösgläubigkeit denkbar sein. Wie weit vor dem Eröffnungsantrag die Zahlungseinstellung zurückliegt, spielt für die Anfechtung aus § 301«2 K O an sich keine Rolle. Nach § 33 dürfen aber Rechtshandlungen, welche früher als 6 Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgt sind, nicht mehr aus dem Grunde der Kenntnis der Zahlungseinstellung angefochten werden. Diese Bestimmung führt dazu, daß bisweilen große Gläubiger, denen anfechtbare Sicherheiten bestellt wurden, den Schuldner so lange stützen, daß mehr als 6 Monate bis zur Konkurseröffnung verstreichen. Natürlich bleibt die Anfechtung aus § 31 (gemäß § 4 1 1 S. 3 K O 30 Jahre lang), unter Umständen auch § 32, trotz Überschreitung der Frist möglich. Im Falle des Anschlußkonkurses steht Kenntnis des Vergleichsantrags der Kenntnis des Konkursantrags gleich, und die seit Eröffnung des Vergleichsverfahrens verstrichene Zeit wird in die Fristen nicht eingerechnet ( § 1 0 7 VerglO). Bei der Zweifelhaftigkeit des Ausganges von Anfechtungsprozessen entsteht die Frage, ob es möglich ist, ohne großes Kostenrisiko den Sachverhalt zuverlässig festzustellen. § 75 K O (und der entsprechende § 1 1 6 V e r g l O ) geben dem Konkursgericht die Möglichkeit, zur Aufklärung „aller das Verfahren betreffenden Verhältnisse" die erforderlichen Ermittlungen, insbesondere Vernehmung v o n Zeugen und Sachverständigen, anzuordnen. In erster Reihe denkt das Gesetz an die für Entscheidungen des Konkursrichters erheblichen Punkte, wie Zahlungsunfähigkeit, Vorhandensein einer ausreichenden Masse, Verwerfungsgründe im Zwangsvergleichsverfahren. Die

Konkursrichter — Anmelde- und Prüfungsverfahren

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Praxis hält es aber auch für statthaft, daß auf Antrag des Verwalters Zeugen und Sachverständige vom Konkursgericht vernommen werden, um dem Verwalter für seinen Entschluß in Anfechtungs- und sonstigen streitigen Rechtsangelegenheiten zuverlässige Unterlagen zu verschaffen. Dadurch wird die Beweisaufnahme des künftigen Prozesses antizipiert, aber die Erledigung des Konkursverfahrens erleichtert und beschleunigt. Vgl. das analoge aus § 12 F G G entstehende Problem. „ A m 28. August 1956 hat Wilhelm Geier gegen Verpfändung von Schmucksachen dem Schuldner 2000 D M geliehen, die zur Fortführung des .Lunaparks' verwandt wurden. Dieses Geschäft beabsichtige ich nicht anzufechten."

Obgleich Wilhelm Geier die Zahlungsunfähigkeit seines Bruders kannte, ist die Verpfändung der Anfechtung entzogen. Denn er hat zugleich Geldmittel für den Weiterbetrieb des Geschäfts vorgestreckt, was allen Gläubigern zugute kam. Deshalb sind die Konkursgläubiger nicht benachteiligt. Anders wäre es, wenn er die Gelegenheit benutzt hätte, um sich auch bereits bestehende ungesicherte Forderungen sichern zu lassen. Wer Geld gegen Sicherheiten gibt, ist im Sinne des § 30 K O kein „Konkursgläubiger" (RG 100, 64; 136, 158). „Falls die Grundstücke zu guten Preisen verwertet und die streitigen Rechtsverhältnisse im wesentlichen zugunsten der Masse entschieden werden, hoffe ich eine Dividende von 5 7 % für die nicht bevorrechtigten Gläubiger verteilen zu können. Werden niedrigere Verkaufspreise erzielt und infolge dessen von Konkursgläubigern Hypothekenausfallsforderungen geltend gemacht, so kann sich die Dividende bis auf 30% ermäßigen. (folgen Mitteilungen über die vom Verwalter bisher ergriffenen Maßregeln — Besitzergreifung der Masse, Fortführung des Geschäfts usw. — und Darlegung der Gründe für die Einsetzung eines Gläubigerausschusses)."

Prüfungstermin Konkursforderungen, auch solche der bevorrechtigten Gläubiger, werden niemals von Amts wegen festgestellt, sondern müssen ausnahmslos angemeldet werden, gleichgültig ob sie in dem vom Schuldner überreichten Gläubigerverzeichnis (§ 104) stehen oder nicht, ob sie von ihm anerkennt oder streitig, im Prozeß befangen oder schon durch Urteil festgestellt sind. Das Anmelde- und Prüfungsverfahren der § § 13 8 f. ist als vereinfachter Prozeß aufzufassen, wobei die Anmeldung der Klage, die Feststellung der Tabelle dem Urteil entspricht. Es schließt jede andere Art gerichtlicher Geltendmachung zunächst aus; erst wenn eine angemeldete Forderung oder ihr Vorrecht im Prüfungstermin bestritten worden ist, kann die Überleitung in das gewöhnliche Verfahren erfolgen (§§ 144 1 1 , 146 1 1 . I I : ). Wie jeder Prozeß, steht auch das konkursmäßige Feststellungsverfahren unter dem Satze: ne eat iudex ultra petita partium. Daher erhält der Gläubiger kein Vorrecht, wenn er es nicht in der Anmeldung (oder einem Nachtrag zu ihr) beansprucht hat (arg. § 1401 1 ). Die Anmeldung einer bevorrechtigten Forderung lautet beispielsweise: „ A n das Amtsgericht, hier.

Köln, den 3. November 1956.

Auf die mir zugegangene Aufforderung melde ich hiermit die mir zustehende Restlohnforderung für August 1956 in Höhe von 1 1 3 , — D M zum Geierschen Konkurse als Konkursforderung mit dem Vorrecht der 1. Klasse des § 61 K O an. Zum Beweise füge ich die vom Gemeinschuldner unterschriebene Lohnabrechnung vom 2. September 1956 im Original bei. Johann Hawelka, Oberkellner."

Die eingegangenen Anmeldungen kommen zum Aktenband b, unter dessen Deckel sich die Tabelle befindet 1 ). Sie zerfällt in Abt. I: „bevorrechtigte Gläubiger" ') Anders in Bayern (Ziff. 17 BayZusBestzAktO).

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Konkursrichter — Priifungstermin

mit 5 Unterabteilungen für die fünf Vorrechtsklassen des § 61, und Abt. II: „Gläubiger ohne Vorrecht" (Formular: S. 382). Der Urkundsbeamte trägt jede angemeldete Forderung sofort in Sp. 1 bis 7 der Tabelle ein, der Konkursverwalter erhält Abschrift der Tabelle. Jeder Beteiligte kann die Anmeldungen einsehen (§§ 139, 140). Die Prüfung der angemeldeten Forderungen erfolgt im Prüfungstermin durch den Konkursverwalter, den Gemeinschuldner und die erschienenen Konkursgläubiger, während die Tätigkeit des Gerichts sich auf die formale Registrierung der von den Genannten abgegebenen Erklärungen beschränkt. Das Protokoll besagt darüber nur: „Mit den Erschienenen wurden an Hand der Tabelle die einzelnen darin eingetragenen Forderungen erörtert und das Ergebnis der Erörterung in Spalte 8 der Tabelle eingetragen."

Vgl. §§ 141, 145. i. Fesstellung einer Vorrechtsforderung Abt. I. Klasse I lfd. Nr. 1 ist die Hawelkasche Anmeldung. Vermerk in Sp. 8 der Tabelle: „Betrag und Vorrecht festgestellt. Köln, den 29. Dezember 1956. Richter.

Urkund,"

Die „Feststellung" hat doppelte Bedeutung. Einmal gilt sie hinsichtlich des „Konkursbeteiligungsanspruchs" als Feststellung, d. i. als rechtskräftiges Urteil gegenüber allen Konkursgläubigern (§ 145"), sichert also Hawelka die Konkursdividende eines in Klasse I bevorrechtigten Gläubigers und gemäß § 95 1 S. 1. volles Stimmrecht. Außerdem verschafft sie ihm für die Zeit nach Beendigung des Konkurses einen vollstreckbaren Schuldtitel gegen Geier in Höhe des Ausfalls (§§ 164, 194, 206). Nebenbei wird durch die vollstreckbare Feststellung auch die 30jährige Urteilsverjährung des Anspruchs begründet (§ 218 1 S. 2 BGB). 2. Bestrittene Forderung In Abt. I Klasse I unter lfd. Nr. 5 fordert Langrock (S. 343): „10800 D M als Schadensersatz wegen vorzeitiger Auflösung des AnstellungsVertrags für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1958."

Nach § 5 2 1 V e r g l O (entsprechend § 2 2 " K O ) kann Langrock Ersatz des ihm durch die vorzeitige Kündigung seines langfristigen Vertrages erwachsenen Schadens beanspruchen. Der Schaden ist gleich den vertragsmäßigen Bezügen bis zum Ablauf der normalen Vertragsdauer abzüglich desjenigen, was Langrock durch anderweite Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt (§§ 249 S. 1, 3241 BGB). Daß ein hochqualifizierter Geschäftsführer bis zum 31. Dezember 1958 keine Stellung finden und auch sonst nichts verdienen wird, ist unwahrscheinlich, und die Höhe der angemeldeten Forderung daher nicht einmal als aufschiebend bedingt (vgl. § 67 K O ) berechtigt. Außerdem kann Langrock für seinen Schadensersatzanspruch keinesfalls das Vorrecht der i. Klasse beanspruchen, dieses beschränkt sich vielmehr auf die Erfüllungsansprüche des Arbeitnehmers. Vgl. §§ 26, 61 1 . Welcher Art im übrigen die Erfüllungsansprüche sind, macht für das Vorrecht keinen Unterschied („Dienstbezüge"). Der sog. „ K a r e n z e n t s c h ä d i g u n g " , welche einem Handlungsgehilfen auf Grund vertraglicher Wettbewerbsbeschränkung zusteht, billigt § 75e r H G B aus. drücklich das Konkursprivileg z u ; das wird von R A G 15, 148 auch auf Karenzentschädigungen ge. werblicher Angestellter (§§ 133f. G e w O ) ausgedehnt.

Konkursrichter — Arbeitnehmer-Vorrecht

861

P e n s i o n s a n s p r ü c h e privater Arbeitnehmer und ihrer Hinterbliebenen sind nach herrschender Meinung gewöhnliche Konkursforderungen. Ihnen wird, soweit sie sich auf das letzte Jahr Konkurseröffnung beziehen, das Vorrecht des § 6 1 1 KO, soweit es sich um die Zeit nach Konkurseröffnung handelt, die Eigenschaft einer Masseschuld (§ 592) abgesprochen. Zweifelhaft sei schon, ob man hier überhaupt noch von Ansprüchen aus einem gegenseitigen Vertrage reden dürfe. Die Pension stelle die nachträgliche Gegenleistung für früher geleistete Dienste dar und es stehe ihr keine Verpflichtung des pensionierten Angestellten bzw. seiner Hinterbliebenen gegenüber. R A G n , 5 1 8 5 1 j, 321; 15,35 9. Nicht bevorrechtigte Konkursgläubiger sind ferner die V o r s t a n d s m i t g l i e d e r j u r i s t i s c h e r P e r s o n e n wegen ihrer Bezüge. Zwar liegt im Innenverhältnis zwischen der juristischen Person und ihrem Organ ein Dienstverhältnis vor, auf welches grundsätzlich §§ 611 f. B G B ¿yf. H G B Anwendung finden. Auch gilt § 22 K O und das Kündigungsschutzgesetz. R A G 7, 156. Die Ablehnung des Konkursvorrechts rechtfertigt sich daraus, daß die Vorstandsmitglieder regelmäßig den Zugang zur Kasse der Gesellschaft haben und nicht, wie ein gewöhnlicher Dienstverpflichteter, auf den guten Willen der Gesellschaft zur Zahlung angewiesen sind. R G 120, 302. Das A r b G G behandelt Vorstandsmitglieder ebenfalls nicht als Arbeitnehmer: nur auf Grund besonderer Prorogation können Rechtsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen und ihren gesetzlichen Vertretern vor die Arbeitsgerichte gebracht werden (§§ 3 1 1 ). Soweit der Dienstverpflichtete im Konkurs vorrechtsloser Gläubiger ist, gehört er im Vergleichsverfahren zu den beteiligten Gläubigern und wird vom Vergleich betroffen (§§ 25, 26 1 VerglO). Ergebnis der Prüfung: „ 1 5 0 0 D M dem Betrage nach festgestellt. Vorrecht vom Verwalter, Gläubiger Augustin und Gemeinschuldner bestritten. Mehrforderung nach Betrag und Vorrecht vom Verwalter, Gläubiger Augustin und Gemeinschuldner bestritten." Für den Konkurs — d. h. für den Anspruch auf Dividende und das Stimmrecht — gilt eine Forderung als „festgestellt", wenn ihr im Prüfungstermin weder v o m V e r walter noch v o n einem anderen Konkursgläubiger widersprochen, oder der erhobene Widerspruch durch Urteil beseitigt ist; das Bestreiten des Gemeinschuldners hat hierfür keine Bedeutung (§ 1 4 4 1 K O ) . Dagegen wird für die spätere Vollstreckbarkeit der Ausfallsforderung gegen den Gemeinschuldner verlangt, daß die Forderung 1. „festgestellt", und 2. „nicht v o n dem Gemeinschuldner im Prüfungstermin ausdrücklich bestritten" sei (§§ 164, 194, 206). Will also Langrock lediglich die konkursmäßige Feststellung seiner Forderung herbeiführen, so braucht er nur gegen den V e r walter und den Opponenten rechtskräftige Urteile zu erwirken, darf aber den Widerspruch Geiers ignorieren. Legt er auch auf die persönliche Haftung Geiers Wert, so wird er außerdem gegen diesen auf Feststellung oder auf Verurteilung zur Zahlung nach Beendigung des Konkurses klagen müssen; arg. § 1 4 4 1 1 , dazu Jaeger A n m . 3 , 5 . Die Feststellungsklage gegen Konkursverwalter und opponierende Konkursgläubiger ist grundsätzlich im ausschließlichen Gerichtsstand des Konkursgerichts, bei Objekten über 1000 D M des übergeordneten Landgerichts zu erheben, wobei es für die Abgrenzung nicht auf den Nominalbetrag, sondern auf denjenigen Wert ankommt, den die Forderung (bzw. das streitige Vorrecht) unter Berücksichtigung der in der Masse vorhandenen Quote hat (§§ 1 4 6 " , 148). A u f Forderungen, für deren Feststellung ein besonderes Gericht, eine Verwaltungsbehörde oder ein Verwaltungsgericht zuständig ist, finden diese Bestimmungen entsprechende Anwendung (§ 146 v ). D a Langrocks Anspruch seiner Natur nach v o r das Arbeitsgericht als besonderes Gericht gehört (§ 2 1 2 A G G ) , muß er dort auch seine Feststellungsklage anbringen. D e r Klageantrag wird dahin zu fassen sein: „die vom Kläger im G«'erschen Konkurse, 53 N 95.56 des Amtsgerichts Köln, zu Abt. I Klasse I lfd. Nummer 5 angemeldete Forderung: a) soweit sie im Prüfungstermin nach Betrag und Vorrecht bestritten worden ist, also in Höhe von 9300 DM, als Konkursforderung mit dem Vorrecht der I. Klasse festzustellen,

362

Konkursrichter — Steuer- und Kindervorrecht

b) weiterhin festzustellen, daß den im Prüfungstermin dem Betrage nacn festgestellten 1500 D M das Vorrecht der I. Klasse zusteht."

3. Steuervorrecht Das Finanzamt Köln-Nord beansprucht in Abt. I Klasse II unter Nr. 1 : „820 D M bis zum 1. Oktober 1956 zinslos gestundete Einkommensteuer für 1954."

Die Fälligkeit der angemeldeten Beträge war ursprünglich schon im Jahre 1954 eingetreten. Gelten sie infolge der Stundung als „im letzten Jahre vor Eröffnung des Verfahrens fällig geworden" (§ 6i a KO) ? Die Bejahung der Frage würde dazu führen, daß eine Konkursmasse, wenn dem Gemeinschuldner die Steuern für mehrere Jahre gestundet sind, durch Häufung solcher Vorrechtsforderungen zum Schaden aller einfachen Konkursgläubiger aufgezehrt werden könnte. Deshalb muß für die Anwendung des § 61 2 die Stundung außer Betracht bleiben und auf die erste Fälligkeit zurückgegangen werden. R G 116, 368; vgl. auch B G H N J W 52, 1256 — Tabelleneintragung : „Betrag festgestellt, Vorrecht vom Verwalter bestritten."

In welchem Instanzenzuge wird der Vorrechtsstreit entschieden? § 146 v spricht dafür, daß alle sich aus der Anmeldung einer Steuerforderung im Konkurs ergebenden Rechtsstreitigkeiten vor die besonderen Finanzgerichte gehören. Soweit es sich aber lediglich um das Vorrecht handelt, nimmt die Rechtsprechung einen „bürgerlichen Rechtsstreit" im Sinne des § 1 3 G V G an, für welchen die ordentlichen Gerichte zuständig sind (vgl. B G H 19, 163). Die in der K O getroffene Sonderregelung geht der AbgO vor. Nach § 3 K O zählt der Steuerfiskus zu den Konkursgläubigern. Folglich kann wegen einer vor Konkurseröffnung entstandenen Steuerschuld ein Steuerbescheid oder eine Rechtsmittelentscheidung gegen den Verwalter erst ergehen, nachdem die Forderung zur Konkurstabelle angemeldet und vom Verwalter im Prüfungstermin bestritten worden war. Falls bereits vor Eröffnung ein Steuerbescheid oder eine Rechtsmittelentscheidung ergangen ist, wird die Rechtsmittelfrist durch die Konkurseröffnung unterbrochen. R F H 19, 355 (Großer Senat). Das Vorrecht der 2. Klasse kann übrigens gemäß §§ 401 I I , 774 B G B auch ein Privater in A n " Spruch nehmen, wenn er als Bürge oder auf Grund eines ius offerendi den Steuerfiskus befriedigt bzw. die unter Zollzugriff stehende Ware ausgelöst hat, was besonders bei Zollbürgschaften wichtig wird. R G 135, 25 mit Übersicht über Rechtsprechung, Literatur und die abweichende Ansicht des Reichsfinanzministeriums.

4. Kindervorrecht Anmeldung der volljährigen Tochter des Gemeinschuldners Frida Geier, Abt. I Klasse V : „7500 D M testamentarisch auf die Gläubigerin vererbter und dadurch unter die elterliche Verwaltung des Gemeinschuldners getretener Anspruch seiner verstorbenen ersten Frau Anna geb. Rtitebusch auf Herausgabe ihres eingebrachten Vermögens."

In der Hand der ursprünglichen Gläubigerin würde der Illatenanspruch gewöhnliche Konkursforderung gewesen sein, noch dazu beim Zwangsvergleich im Stimmrecht benachteiligt (S. 374). Der Übergang auf die Tochter hat die überraschende Wirkung, daß ihm nunmehr die Qualität einer Vorrechtsforderung zukommt. Denn wie das ganze Vermögen der Minderjährigen, so fiel auch dieser Anspruch kraft Gesetzes unter die Verwaltung des Gemeinschuldners, und das Vorrecht der Kinder, Mündel und Pflegebefohlenen des Gemeinschuldners „in Ansehung ihres gesetzlich der Verwaltung desselben unterworfenen Vermögens" (§ 61 5 KO) beschränkt sich

Konkursrichter — Masse- und Nicht-Konkursgläubiger

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keineswegs auf Ansprüche auf Ersatz des dem Kinde durch den Gewalthaber an seinem Vermögen zugefügten Schadens (actio tutelae, § 1833 bzw. § 1664 BGB). R G 144, 252. Mit Eintritt der Volljährigkeit am 9. März 1956 hat Frida Geier das Vorrecht nicht verloren, nur muß sie ihren Anspruch binnen zwei Jahren seit Beendigung der väterlichen Vermögensverwaltung gerichtlich geltend machen (§ 61 5 K O , zweiter Satzteil). — Eintragung in Spalte 8: „Betrag und Vorrecht festgestellt."

5. Wechselforderung Abt. II lfd. Nr. 4 Anmeldung des Bäckermeisters Strietzel: ,,a) 300 D M Wechselforderung aus dem v o m Gläubiger ausgestellten, v o m Gemeinschuldner angenommenen Wechsel v o m 29. April, fällig am 29. Juli 1956, b) 4,67 D M Zinsen für die Zeit v o m 29. Juli bis 19. Oktober 1956, c) 4,80 D M Wechselunkosten."

Strietzel hat korrekterweise Zinsen nur bis zum Tage der Konkurseröffnung liquidiert. Von der Eröffnung ab können Zinsen nicht als Konkursforderung geltend gemacht werden (§ 63T), wenn sie ihm auch außerhalb des Konkurses gegenüber dem Gemeinschuldner zustehen. Da aber Strietzel den Wechsel nicht mit eingereicht hat, fehlt ihm die Legitimation als Gläubiger (vgl. oben S. 212/3. — Prüfungsergebnis: „ B i s zur Vorlegung des Wechsels v o m Verwalter bestritten."

6. Masseschuld Abt. II lfd. Nr. 1 1 Anmeldung des Zimmermeisters Amelung: „ 1 8 0 D M für die am 2. November 1956 irrtümlich ohne Bestellung für die Konkursmasse geleisteten Arbeiten bzw. an den Verwalter gelieferten und von ihm verbrauchten Materialien."

Da kein Vertrag über die Arbeiten und Lieferungen zustande gekommen ist, stellt sich Amelungs Anspruch als Bereicherungsanspruch (§ 812 B G B ) dar. Konkursrechtlich kommt es darauf an, ob die ungerechtfertigte Vermögensverschiebung vor oder nach Eröffnung stattfand. Im ersten Fall liegt eine Bereicherung „des Gemeinschuldners" vor, die nach § 3 K O eine gewöhnliche Konkursforderung begründet, während im zweiten Fall „die Masse" grundlos bereichert wurde und daher die condictio die Eigenschaft einer Masseschuld hat. § 5 9®, dazu R G 94, 20. Die gleiche Unterscheidung greift Platz, wenn ein Dritter Ansprüche aus § 9 5 1 B G B geltend macht, weil seine Sache durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung in die Konkursmasse gelangt ist. Erfolgte der Eigentumswechsel vor Eröffnung, so hat der frühere Eigentümer bloß eine Konkursforderung, andernfalls einen Masseanspruch aus § 59 3 K O .

Das Recht des Massegläubigers ist wirtschaftlich und rechtlich stärker als selbst die bevorrechtigten Konkursforderungen, denn es wird vor diesen befriedigt (S. 349 f.) und der Gläubiger kann mit Klage und Zwangsvollstreckung gegen den Konkursverwalter vorgehen. Dafür wird ihm das ausschließlich den Konkursforderungen vorbehaltene Anmelde- und Feststellungsverfahren nach § § 13 8 f. versagt. Prüfungsergebnis : „ V o m Verwalter bestritten, weil Masseschuld."

7. Nach Konkurseröffnung entstandene Schuld des Gemeinschuldners Unter Abt. II lfd. Nr. 25 meldet Molkereibesitzer Lummert „ 5 0 D M Darlehnsforderung"

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Konkursrichter — Titulierte Forderungen

an. Wie der beigefügte Schuldschein zeigt, wurde das Darlehn am 2. November 1956, also nach Konkurseröffnung, an Geier gewährt. Lummert ist daher nicht Konkursgläubiger, weil er zur Zeit der Eröffnung noch keinen Anspruch an den Gemeinschuldner hatte (§ 3 1 ). — Vermerk in Sp. 8: „ V o m Verwalter bestritten, weil nicht Konkursforderung."

Uber die Rechtsstellung des Gläubigers einer nach Eröffnung des Verfahrens entstandenen Forderung gegen den Gemeinschuldner s. unten S. 407. 8. Titulierte Forderung Viehhändler Esche in Aachen hat durch R A . Grau in Aachen unter Abt. II lfd. Nr. 27 angemeldet: ,,a) 1600 D M Darlehn, Auslagen, Provision und Schadensersatz laut vollstreckbarem Versäumnisurteil des Landgerichts K ö l n v o m 7. Oktober 1956. b) 64 D M =

8 % Zinsen v o m 20. April bis 19. Oktober 1 9 5 6 laut Urteil,

c) 188,55 D M festgesetzte Prozeßkosten."

Die Kosten der Vertretung des Rechtsanwalts im Konkursverfahren sind nicht mit angemeldet. Sie gehören ebenso wie die seit Eröffnung des Verfahrens laufenden Zinsen (S. 363) zu den Ansprüchen, die kraft positiver Vorschrift im Konkurse nicht berücksichtigt werden (§ 63 2 ). Wer sich als Konkursgläubiger einen Anwalt nimmt, tut es auf eigene Rechnung. Auch Reisekosten eines auswärtigen Konkursgläubigers zum Termin werden nicht vergütet. Ergebnis der Prüfung: „ V o m Verwalter bestritten."

Da die Einspruchsfrist ( § 3 3 9 ZPO) bei Konkurseröffnung noch lief und der Prozeß durch den Konkurs unterbrochen ist (§ 240), kann das Versäumnisurteil keine Rechtskraft erlangt haben. Daher war das Bestreiten des Verwalters noch möglich. Die endgültige Entscheidung über die Forderung ergeht in dem beim Landgericht Aachen anhängigen Rechtsstreit: Der allgemeine Grundsatz, daß alle Konkursfeststellungsklagen vor die ausschließliche Zuständigkeit des Konkursgerichts (bzw. übergeordAeten Landgerichts) gehören, wird durch Anhängigkeit eines Prozesses bei einem anderen Gericht durchbrochen (§ 146 1 1 1 K O ) . In Aachen muß nunmehr der Verwalter das Verfahren aufnehmen (§250 Z P O ) und alsdann Einspruch gegen das Versäumnisurteil mit dem Antrag auf Klageabweisung einlegen lassen. Der Gegenantrag Esches geht nach § 343 dahin: „die im Versäumnisurteil v o m 7. Oktober 1 9 5 6 getroffene Entscheidung mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, daß die Klageforderung von 1600 D M nebst 8 % Zinsen v o m 20. April bis 19. Oktober 1 9 5 6 als Konkursforderung ohne Vorrecht im Konkurse über das Vermögen des festgestellt w i r d . "

Die Besonderheit der mit einem Vollstreckungstitel versehenen (s. g. „titulierten") streitigen Konkursforderungen liegt darin, daß sich die Initiative für das Betreiben der Feststellung umkehrt. Während sonst der Anmeldende zu klagen bzw. das schwebende Verfahren aufzunehmen hat, um sich volles Stimmrecht und Anteil bei vorkommenden Verteilungen zu sichern (§§ 9 5 1 5 2 K O ) , ist es gegenüber „titulierten" Forderungen nach § I4Ö VI Sache des Bestreitenden, seinen Widerspruch zu verfolgen, und es werden solche Forderungen ohne weiteres in die Verteilungsverzeichnisse (S. 386, 414) aufgenommen (arg. § 152).

Konkursrichter — Konkursgläubiger mit Absonderungsrecht

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9. Rechtskräftig festgestellter Individualanspruch Anmeldung Meißner, Abt. II Nr. 3 5: „Anspruch auf Lieferung von 2 AEG-Aktien über nom. je 150 D M gemäß dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Köln vom 12. Dezember 1955, eventuell Zahlung des z. Zt. der Feststellung maßgebenden Börsenkurses."

Durch die Bestimmung, daß der Widersprechende seinen „Widerspruch" gegen titulierte Forderungen verfolgen muß (§ i46 VI ), wird dem Bestreitenden nicht etwa ein neuer Rechtsbehelf gegen den Schuldtitel des Anmelders eröffnet. Vielmehr ist dabei vorausgesetzt, daß überhaupt eine prozessuale Anfechtungsmöglichkeit besteht, die jetzt — statt vom Schuldner — von dem Gegner ausgenutzt wird. Rechtskräftige Urteile können also nur mit Restitutions- oder Nichtigkeitsklage (§§5 78 £. ZPO) oder Vollstreckungsgegenklage (§ 767) angefochten werden, sofern deren besondere Voraussetzungen gegeben sind. Im übrigen ist ein Widerspruch gegen rechtskräftig gestellte Ansprüche zwecklos, selbst wenn die Rechtskraft erst kurze Zeit vor Ausbruch des Konkurses, sogar erst nach Stellung des Konkursantrags oder während des vorausgegangenen Vergleichsverfahrens eingetreten war, und der Gemeinschuldner damals den Prozeß wegen seines Geldmangels nicht hatte kontradiktorisch durchführen können! Trotz der Rechtskraft ist jedoch der in erster Reihe angemeldete Lieferungsanspruch infolge des Konkurses nicht mehr begründet. Nach § 69 K O wandeln sich alle nicht auf einen Geldbetrag gerichteten Konkursforderungen mit der Eröffnung von selbst in Geldforderungen um. Die AEG-Aktien waren andauernd gestiegen, am Eröffnungstage war der Kurs 223, während sie beim Prüfungstermin auf 248 stehen. Ergebnis der Prüfung: „Anspruch auf Lieferung vom Verwalter bestritten; Anspruch auf Geldzahlung in Höhe von 669 D M festgestellt, Mehrbetrag vom Verwalter bestritten."

Die Wirkung des § 69 dauert über die Beendigung des Konkurses hinaus. Meißner darf daher auch später nicht aus seinem rechtskräftigen Urteil gegen Geier vollstrecken, sondern die in der Tabelle erfolgte Feststellung des Geldanspruchs bildet die alleinige Grundlage künftiger Vollstreckungen, und Geier kann das Urteil nötigenfalls nach § 767 ZPO durch Vollstreckungsgegenklage beseitigen, weil die Umwandlung des Individualanspruchs in eine Geldforderung und die Feststellung der Geldforderung in der Tabelle nova darstellen. R G 1 1 2 , 297. 10. Konkursgläubiger mit Absonderungsrecht Nitsche, betreibender Gläubiger der Zwangsversteigerung und -Verwaltung des Brühler Grundstücks, hat unter Abt. II lfd. Nr. 43 angemeldet: „a) 8000 D M hypothekarisch eingetragene Darlehnsforderung, b) 195,55 D M = 8 % Zinsen vom 1. Juli bis 19. Oktober 1956, c) 283,40 D M Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung."

Hypothekengläubiger, denen der Gemeinschuldner zugleich persönlich haftet, haben eine Doppelstellung: einmal können sie ihr Absonderungsrecht am Massegrundstück außerhalb des Konkursverfahrens geltend machen ( § 4 " KO), andrerseits steht ihnen in ihrer Eigenschaft als Konkursgläubiger die Konkursdividende zu. Sie dürfen aber nicht zweimal auf Kosten der Masse Befriedigung erhalten. Deshalb wird die Dividende nur auf den Betrag gewährt, mit welchem der Hypothekengläubiger bei der abgesonderten Befriedigung ausgefallen ist, oder für den er auf abgesonderte Befriedigung verzichtet (§ 64).

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Konkursrichter — Gesamtschuldner im Konkurs

Gelangt Nitsche z. B. in der Zwangsversteigerung mit 5000 D M Hauptforderung zur Hebung, und werden im Konkurse 40% ausgeschüttet, so stehen ihm als Dividende 40% von 8000—5000 = 3000 D M zu, d. s. 1200 DM. Legt Nitsche Wert auf die Dividende, so muß er die Zwangsversteigerung durchführen (unten S. 372). Will ein Hypothekengläubiger, der zugleich Konkursgläubiger ist, die Kosten der Zwangsversteigerung nicht riskieren, weil seine Hypothek eine „Schornsteinhypothek" ist, so erklärt er zweckmäßig seinen Verzicht auf die Hypothek, was zur Folge hat, daß er nunmehr als Konkursgläubiger mit 40% von 8000 DM, also mit 3200 DM, berücksichtigt wird. § 64 gilt nicht bloß für Hypothekengläubiger, sondern auch für sonstige Absonderungsberechtigte (§§ 47f.), welche gleichzeitig Konkursgläubiger sind. Bei Sicherungsübereignungen wird die Vorschrift ebenfalls angewandt. R G 118, 209; 145, 193. Uber das Stimmrecht im Falle des § 64 S. 374, über das Verfahren bei Verteilungen S. 4i4f, über die Wirkung des Zwangsvergleichs S. 377. Prüfungsvermerk: „zu a und b festgestellt in Höhe des Ausfalls bei der Befriedigung aus dem Grundstück bzw. für den Fall des Verzichts auf abgesonderte Befriedigung. Zu c vom Verwalter bestritten, weil nicht Konkursforderung." 1 1 . Konkursgläubiger mit Hypothek am Grundstück eines Dritten Z u A b t . II lfd. N r . 48 sind v o m Bankhaus Ferdinand Schilling „33248,57 DM Forderung aus Darlehen, Vorschüssen, Provisionen, Zinsen bis einschließlich 19. Oktober 1956 laut beiliegendem Kontoauszug" angemeldet. Die Betriebsdarlehen, welche ja im Konkurse Masseschuld sind (§ 106 V e r g l O , oben S. 345), sind in der Summe nicht mit enthalten. Wie wir wissen, besitzt aber Schilling am Grundstück Tiergartenstraße 18 eine Höchstbetragshypothek v o n 25 000 D M (S. 335). Darf er trotzdem seine Forderung in voller Höhe anmelden oder nur wegen des durch die Hypothek nicht gedeckten Betrages bzw. des Ausfalls ? Haftet dem Gläubiger außer dem Gemeinschuldner noch eine andere Person oder ein Pfand, so werden prinzipiell seine Ansprüche als Konkursgläubiger dadurch nicht berührt. Die einzige Ausnahme bildet der soeben besprochene § 64 K O . D a das Hypothekengrundstück nicht zur Masse gehört sondern im Eigentum der Ehefrau des Gemeinschuldners steht, kann Schilling auf die gesamten 3 3 248,5 7 D M Dividende beanspruchen und hat dadurch die Aussicht, ohne jeden Verlust abzuschneiden, während der „absonderungsberechtigte" Nitsche bestimmt mit einem Teilbetrag ausfallen muß. — Ergebnis des Termins: „Festgestellt." 12. Anspruch, für den ein ebenfalls im Konkurse befindlicher Gesamtschuldner mithaftet Anmeldung des Tapezierers Polster, A b t . II lfd. N r . 5 5 der Tabelle: ,,a) 600 DM Wechselregreßforderung aus dem von Lamberti akzeptierten, vom Gemeinschuldner ausgestellten Wechsel vom 5. Juli, fällig am 5. Oktober 1956 b) 1,75 DM Zinsen vom 5. bis 19. Oktober 1956, c) 11,50 D M Wechselunkosten." Der ordnungsmäßig protestierte Wechsel ist überreicht. E r trägt den Vermerk: „Festgestellt im Konkurse über das Vermögen des Schaustellers Emmo Lambert1." Frankfurt a. Main, den 23. November 1956. Amtsgericht. 31 N 75/56 (Siegel)

Geschäftsstelle.

Urktmd als Urkundsbeamter."

Konkursrichter — Regreßansprüche im Konkurs

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Vgl. § 145 1 2 K O ; § 15 vi AktO. Geier hatte den Wechsel von seinem Schuldner Lamberti zahlungshalber (§ 3 6 4 " BGB) akzeptieren lassen und sodann, ebenfalls zahlungshalber, seinem Gläubiger Polster begeben. Damit wäre die Angelegenheit für ihn erledigt gewesen, wenn nicht Lamberti zahlungsunfähig geworden und in Konkurs gegangen wäre, so daß nunmehr die den Aussteller des Wechsels und die Nachmänner treffende Regreßhaftung für Einlösung des Papiers (Art. 9, 43 WG) praktisch wird. Diese eventuelle Regreßhaftung aus den vom Schuldner begebenen Kundenwechseln erschwert übrigens bei Konkursen und sonstigen Zahlungseinstellungen die Übersicht über den Vermögensstand sehr: man kann zu Beginn des Verfahrens nicht wissen, in welcher Höhe Regreßansprüche solcher Art geltend gemacht werden. Konkursrechtlich entsteht die Frage, ob Polster trotz Feststellung seiner Forderung im Konkurs Lamberti und der dort auf ihn entfallenden Dividende auch im Geierschen Konkurse Feststellung verlangen kann und in welcher Höhe. Hier tritt wiederum das zu 1 1 erörterte Prinzip in Kraft: in jedem der mehreren Konkursverfahren steht dem Gläubiger der Betrag zu, den er z. Zt. der Eröffnung zu fordern hatte, aber natürlich nur „bis zu seiner vollen Befriedigung". § 68 KO. Ist also bei Lamberti noch keine Verteilung erfolgt, so muß dem Polster bei Geier die volle Quote zugebilligt werden. Werden bei Lamberti 70%, alsdann bei Geier 4 0 % verteilt, so gebühren ihm von der Geierschen Verteilung bloß noch 30%, da er im ganzen nicht über 100% erhalten darf. Der Verwalter muß sich über die im Lambertischen Konkurse vorgenommenen Verteilungen informieren und, falls Polster auf seiner vollen Dividende bestehen sollte, gegenüber der rechtskräftigen Tabellenfeststellung die Verteilungen des Konkurses Lamberti analog § 767 Z P O als neue Tatsachen geltend machen. Jaeger 8 zu § 68; 1 1 f. zu § 145.

Eintragung in Sp. 8: „Festgestellt."

13. Regreßanspruch des dritten Hypothekenbestellers Durch R A . Weiß hat die Ehefrau des Gemeinschuldners unter Abt. II lfd. Nr. 61 angemeldet: ,,a) 17 500 D M Anspruch auf Rückzahlung eines von 1950 bis 1952 ratenweise gegebenen Darlehens, b) 25000 D M Regreßanspruch für den Fall, daß das Bankhaus Ferdinand Schilling in Köln die zur Sicherung seiner Ansprüche aus der Geschäftsverbindung mit dem Gemeinschuldner auf dem Grundstück der Gläubigerin, Köln Tiergartenstraße 18, in Abt. III unter Nr. 7 eingetragene Höchbetragshypothek in Anspruch nimmt."

Rechtliche Bedenken bestehen gegen den Anspruch zu a nicht. Anders beim Anspruch b. Zwar ist Frau Geier berechtigt, von ihrem Ehemanne, für dessen Schuld sie ihr Grundstück verpfändet hat, mit der actio mandati contraria (§ 670) Befreiung von der Hypothek bzw. Schadloshaltung zu verlangen. Aber wie zu xi dargelegt, steht Schilling auch von den durch die Hypothek gesicherten 25 000 D M die volle Quote zu. Es geht nicht an, daß neben der Forderung des Gläubigers die eventuelle Regreßforderung des Hypothekenbestellers im Konkurse befriedigt wird: die Hypothek soll die Sicherheit des Gläubigers erhöhen, nicht jedoch dazu führen, daß die Masse für einen wirtschaftlich nur einmal gewährten Kredit zweifach Dividende zahlt. (Vgl. Jaeger 7 zu § 67, 2 a zu § 68; Bley, VerglO 2. Aufl. 8 zu § 3 3). Entsprechend wird dem Bürgen im Konkurse des Hauptschuldners die Geltendmachung seines eventuellen Regreßanspruchs versagt.

368

Konkursrichter — Verspätete Forderungsanmeldung

Zu der ausführlicheren Regelung der Geltendmachung der Rückgriffsansprüche in der VerglO vgl. § 3 3 VerglO, der allerdings die Fälle des Rückgriffs aus der Sachhaftung ebenfalls nicht ausdrücklich regelt, obwohl diese Fälle der Sachhaftung gleich zu behandeln sind (vgl. Bley VerglO 2. Aufl 8 zu § 33). Wie gestaltet sich die Rechtslage, wenn der Eigentümer des Hypothekengrundstücks bzw. der Bürge den Gläubiger befriedigt? Dann geht die Forderung des Gläubigers auf den Zahlenden über (§§ 7741 S- i, 11431 S. 1), und dieser kann nunmehr an Stelle des Hauptgläubigers (nicht neben ihm) die Forderung anmelden. Allerdings ist bei einer den Gläubiger bloß teilweise befriedigenden Zahlung des Dritten der allgemein durchgeführte Satz „nemo subrogat contra se" (oben S. 311) zu beachten. Hat also Schilling von Frau Geier die 25 000 DM Hypothekensumme erhalten, so steht ihm die Dividende auf 33 248,57 DM bis zur Höhe von noch 8248,57 DM zu (25 000 + 8248,57 = 33 248,57DM). Erst ein etwaiger Mehrbetrag an Dividende würde Frau Geier gebühren. Vermerk in Sp. 8: „Zu a festgestellt, zu b vom Verwalter bestritten." 14. Verspätet angemeldete Forderungen. Das Terminsprotokoll fährt fort: „Gegen die Prüfung der in der Zeit vom 2. bis einschließlich 22. Dezember 1956, also nach Ablauf der Anmeldefrist, angemeldeten Forderungen unter Abt. I Klasse I Nr. 19, 20, Klasse IV Nr. 2 und Abt. II Nr. 65—69 wurde von keiner Seite Widerspruch erhoben. Dagegen widersprach der Verwalter der Prüfung der erst am 28. Dezember 1956 angemeldeten Forderung Abt. II Nr. 70." Vgl. § 142 K O . Die Anmeldefrist und der allgemeine Prüfungstermin sind nicht in dem Sinne präklusivisch, daß bei ihrer Versäumung der Anspruch des Konkursgläubigers überhaupt oder als Konkursbeteiligungsanspruch verloren wäre. Vielmehr kann die Anmeldung zwecks Erhaltung des Rechts auf Konkursdividende jederzeit nachgeholt werden, und für die spätere Geltendmachung der Forderung gegen den Gemeinschuldner nach Konkursbeendigung bedarf es der Anmeldung und Feststellung überhaupt nicht. Wer aber verspätet anmeldet, muß die Kosten des dadurch notwendig werdenden besonderen Prüfungstermins tragen, außerdem droht ihm bei Verteilungen Übergehung (S. 4 1 4 ^ ) . Des besonderen Prüfungstermins bedarf es auch dann, wenn ein Gläubiger seine im Prüfungstermin bestrittene Forderung nachträglich auf einen anderen Schuldgrund stützen will. Der Liquidant kann nicht einen neuen Klagegrund im Feststellungsprozesse nachschieben. Die vorgängige Prüfung in einem Prüfungstermin, bei welchem außer dem Verwalter und Gemeinschuldner auch den sämtlichen Konkursgläubigern Gelegenheit zum Bestreiten gegeben ist, bildet eine unerläßliche und von Amts wegen zu beachtende prozessuale Voraussetzung des Feststellungsrechtsstreits. §§ 142 11 , I4ÖIV, Jaeger 21 zu § 146. Nach dem Prüfungstermin erhalten Langrock und die übrigen Gläubiger, deren Forderungen bestritten sind, zu ihrer Orientierung von Amts wegen einen beglaubigten Tabellenauszug. §§ 1461 S. 2 K O , 15 v AktO.; vgl. R G 85, 64. Auf die eingereichten Wechsel und sonstigen Schuldurkunden über festgestellte Forderungen setzt der Urkundsbeamte den Vermerk aus § 1 4 5 1 S. 2 K O (Muster: S. 366). Wird eine bestrittene Forderung im Prozeß festgestellt, so erfolgt eine entsprechende Eintragung in der „Berichtigungs"-Spalte 9 der Tabelle; das rechtskräftige Urteil zu diesem Zwecke einzureichen, ist Sache des anmeldenden Gläubigers (§ 146 V I 1 ). Die Feststellung einer im Termin bestrittenen Forderung kann aber auch ohne Prozeß dadurch herbeigeführt werden, daß der Bestreitende gegenüber dem Konkursgericht schriftlich seinen Widerspruch zurücknimmt und das Gericht daraufhin die Eintragung des Berichtigungsvermerks in der Tabelle anordnet (vgl. das Beispiel S. 382).

Konkursrichter — Teilungsmasse

369

F o r d e r u n g s p r ü f u n g im V e r g l e i c h s v e r f a h r e n : Im Vergleichsverfahren brauchen nur diejenigen Gläubiger anzumelden, deren Forderungen nicht schon in dem vom Schuldner einzureichenden „Gläubigerverzeichnis" stehen. Die Prüfung der Forderungen geschieht im Vergleichstermin und die Anmeldung kann bis zum Beginn der Abstimmung nachgeholt werden. Sowohl der Schuldner wie der Vergleichsverwalter und jeder Vergleichsgläubiger sind zum Widerspruch berechtigt. Forderungen, gegen die von keiner Seite Widerspruch erhoben ist, erhalten Stimmrecht bei der Abstimmung über den Vergleich (§§ 4 1 2 , 6, 67, 70, 71 VerglO). Sie sind nach B e s t ä t i g u n g des Vergleichs vollstreckbar, sofern nicht Schuldner oder Vergleichsverwalter bestritten haben. Das Bestreiten eines Vergleichsgläubigers ist nur für das Stimmrecht, nicht für die Vollstreckbarkeit bedeutsam ( § 8 5 1 VerglO). Ob dieser neue Titel (bestätigter Vergleich in Verbindung mit Auszug aus berichtigtem Gläubigerverzeichnis) frühere Titel unwirksam macht, ist streitig. Das R G ( R G Z 132, 115) bejahte den Wegfall für die KO, verneinte ihn jedoch für die VerglO 1927. Die überwiegende Meinung geht heute dahin, daß auch der bestätigte Vergleich etwaige alte Schuldtitel verdrängt (vgl. Bley 2. Aufl 30 zu § 35. Böhle-Stamschräder 3. A u f l i b zu § 85). Außerhalb des Vergleichstermins gibt es im Vergleichsverfahren keine Forderungsprüfung, auch ist keine Feststellungsklage für bestrittene Forderungen vorgesehen. T e i l u n g s m a s s e : Während dem Konkursgericht bei der Anmeldung und Prüfung der Konkursforderungen eine wesentliche Rolle zukommt, spielt sich die Feststellung der Aktivmasse außerhalb des Konkursverfahrens ab. Ihre Abgrenzung gegen das konkursfreie Vermögen, die Vergrößerung durch Anfechtung, die Verringerung durch Aussonderung, Absonderung, Aufrechnung: alles das erledigt der Verwalter ohne Mitwirkung des Konkursgerichts. Die Gerichtsakten ergeben nur — in den Berichten und Rechnungen des Verwalters — die Endergebnisse seiner auf diese Angelegenheiten bezüglichen Tätigkeit. Ebenso steht es mit den Masseschulden. Der gerichtliche Aktenband a enthält dabei das vom Verwalter gemäß §§ 123/4 eingereichte Inventar nebst Bilanz; eine nähere Prüfung dieser Schriftstücke durch das Gericht findet nicht statt. Falls, was nicht selten geschieht, ein Beteiligter in Aussonderungs- und ähnlichen Angelegenheiten sich an das Konkursgericht wendet, wird die Eingabe mit der Verfügung „Urschriftlich gegen Rückgabe Herrn Konkursverwalter zum Bericht" erledigt. Denn auf Grund seines allgemeinen Aufsichtsrechts (§83) kann der Richter jederzeit Auskünfte verlangen. Zu einem konkursgerichtlichen Eingreifen kommt es nur bei Ordnungswidrigkeiten des Verwalters, während sachliche Differenzen auf den Prozeßweg verwiesen werden. Über die Abnahme des Offenbarungseides durch das Konkursgericht s. unten S. 407^

Zwangsvergleich V e r g l e i c h s v o r schlag. „ A n das Amtsgericht, hier. In meiner Konkurssache biete ich den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern"

— sie allein sind die Gegenkontrahenten des Zwangsvergleichs (§§ 173, 1 9 1 1 1 ) , deshalb haben die Vorrechtsgläubiger als Unbeteiligte kein Stimmrecht im Vergleichstermin — „den Abschluß folgenden Zwangsvergleichs an: 1. Ich zahle meinen nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern 50% (i. W.) ihrer Forderungen, und zwar a ) 2 5 % ('• W.) innerhalb eines Monats seit Rechtskraft des Vergleichs, b) 1 5 % (i. W.) bis zum i. Oktober 1957, c ) I 0 % (i- W.) bis zum 2. Januar 1958. Der Rest der Forderungen sowie die seit Eröffnung des Konkursverfahrens laufenden Zinsen werden erlassen."

Da die Zinsen nicht als Konkursforderungen geltend gemacht werden können (S. 363 zu 5), werden sie eigentlich nicht vom Vergleich betroffen. Es entspricht aber 24

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Berg)

370

Konkursrichter — Zwangsvergleich

der Verkehrsauffassung, daß die Gläubiger auch die Zinsen erlassen. R G 125, 408 (für Geschäftsaufsicht); Jaeger 7 zu § 193. Im gleichen Sinne regelt § 8 3 " VerglO die Frage. „2. Die verwandten Gläubiger, Frau Elly Geier geb. Eckert, Frl. Frida Geier, Wilhelm Geier verpflichten sich, wegen ihrer Forderungen Ansprüche gegen mich erst nach vollständiger Auszahlung der Vergleichsraten an die übrigen Gläubiger geltend zu machen. 3. Für die Erfüllung meiner Verpflichtungen aus dem Vergleich übernehmen mein Bruder, Kaufmann Wilhelm Geier in Hamburg, und mein Schwiegervater, Steinbruchbesitzer Oskar Eckert in Bonn, als Gesamtschuldner die selbstschuldnerische Bürgschaft. Köln, den 28. Mai 1957. Konrad Geier. Wir übernehmen die selbstschuldnerische Bürgschaft nach Maßgabe des vorstehenden Vergleichs. z. Zt. Köln, den 28. Mai 1957. Wilhelm Geier. Oskar Eckert. Hierdurch verpflichten wir uns für den Fall des Zustandekommens des vorstehenden Zwangsvergleichs, wegen unserer unten bezeichneten Forderungen Ansprüche an Herrn Konrad Geier erst zu erheben, nachdem alle übrigen Gläubiger wegen ihrer Ansprüche aus dem Zwangsvergleich vollständig befriedigt sind. Ich, Frida Geier, entbinde gleichzeitig für den gedachten Fall den Konkursverwalter von der Verpflichtung, meine Forderung als bevorrechtigt aus der Masse zur Auszahlung zu bringen. Köln, den 28. Mai 1957. Elly Geier geb. Eckert Frida Geier wegen der festgestellten Forderung wegen der festgestellten Forderung von 17 500 DM Abt. II Nr. 61. von 7500 DM Abt. I Klasse V Nr. 1. Wilhelm Geier wegen der festgestellten Forderung von 22815,50 DM Abt. II Nr. 30. Vorstehenden Vergleichsvorschlag befürworten wir im gemeinsamen Interesse der Konkursgläubiger. Fritz Müller als Konkursverwalter.

Max Brandler Ferdinand Schilling Schwarz, RA. als Mitglieder des Gläubigerausschusses."

Vgl. § 177 KO. Gegenüber dem Vergleichsvorschlag vom 28. August 1956 und dem damit übereinstimmenden Vorschlag des gerichtlichen Vergleichsverfahrens bietet der jetzige Vorschlag ein Mehr von 5 % und erhöhte Sicherheit durch Stellung eines zweiten Vergleichsbürgen, dafür aber wesentlich weiter hinausgerückte Fälligkeiten. Schlechter gestellt werden die kleinen Gläubiger, die damals bis 100% erhalten sollten, während ihnen jetzt nur die allgemeine Vergleichsquote geboten wird. Der Grund hierfür ist folgender: § 8 1 1 VerglO gestattet eine verschiedenartige Behandlung mehrerer Gläubigerkategorien im Zwangsvergleich des Vergleichsverfahrens unter der Voraussetzung, daß nicht bloß unter der Gesamtheit der beteiligten Gläubiger die vorgeschriebenen Kopf- und Summenmehrheiten erreicht sind, sondern außerdem auch in der Gruppe der zurückgesetzten Gläubiger einfache Kopf- und 3/4-Summenmehrheit für den Vergleich vorhanden ist. Dagegen läßt § 181 S. 2 K O für den Konkurs-Zwangsvergleich eine ungleiche Bestimmung der Rechte nur mit ausdrücklicher Einwilligung der zurückgesetzten Gläubiger, d. h. also sämtlicher zurückgesetzten Gläubiger zu. Zustimmungserklärungen von allen Gläubigern über 100 D M oder über 200 D M aufzubringen, ist praktisch natürlich ausgeschlossen. Infolgedessen kommt die der kaufmännischen Auffassung entsprechende und für das Gesamtergebnis gar nicht ins

Konkursrichter —• Vorbereitung des Vergleichstermins

371

Gewicht fallende offene Bevorzugung der Klein-Gläubiger — die an einem sie nicht voll befriedigenden Vergleich in der Regel kein Interesse haben — für den Zwangsvergleich des Konkurses nicht in Betracht. Das erschwert die Erreichung der KopfMehrheit (§ 182 1 ) wesentlich und führt den Gemeinschuldner in Versuchung, trotz aller Gefahren sich durch heimliche Begünstigung einzelner opponierender kleiner Gläubiger zu helfen. Die Zurücksetzung der Verwandten-Gläubiger in § 2 des Vorschlags war durchführbar, weil von ihr nur drei Gläubiger berührt werden, deren Einwilligungserklärungen vorliegen. Der Schlußsatz der Erklärung der Frida Geier ist notwendig, weil sie das Vorrecht der 5. Klasse hat und bevorrechtigte Forderungen nach Abschluß eines Zwangsvergleichs vom Verwalter auszuzahlen sind (S. 378). — Mit dem Eingang wird Aktenband e angelegt. Der Vorschlag ist inhaltlich zulässig, auch keiner der Ausnahmefälle gegeben, in denen Vergleichsvorschläge a limine zurückgewiesen werden müssen oder können (§§ 175/6). Verfügung gemäß § 179: „ 1 . Termin zur Verhandlung über den Zwangsvergleichsvorschlag wird auf den 26. Juni 1 9 5 7 vormittags 9 Uhr bestimmt. 2. Z u laden: a) Gemeindeschuldner, b) Verwalter, c) die Mitglieder des Gläubigerausschusses, d) alle nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger, welche angemeldet haben, unter Mitteilung einer Abschrift des Vergleichsvorschlages mit dem Bemerken, daß der Gläubigerausschuß den Vergleichsvorschlag befürwortet hat. 5. Bekanntmachung: Z u s a t z : Der Vergleichsvorschlag und die Erklärung des Gläubigerausschusses sind auf der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten niedergelegt."

V o r b e r e i t u n g des V e r g l e i c h s t e r m i n s . Um die nötigen Mehrheiten für den Termin aufzubringen, versenden der Gemeinschuldner und seine Freunde an sämtliche Gläubiger ein Rundschreiben, das unter Darlegung des Sachverhalts die Zustimmung empfiehlt. Dem Rundschreiben liegen Vollmachtsformulare bei, durch deren Unterzeichnung die Gläubiger den R A . Weiß mit ihrer Vertretung im Vergleichstermin beauftragen und zur Abgabe der Zustimmungserklärung ermächtigen sollen; die durch die Vertretung entstehenden Kosten übernimmt der Gemeinschuldner. Die K O betrachtet nämlich die Abstimmung über den Zwangsvergleich als einen in den Termin verwiesenen Prozeßakt. Dadurch wird besonders die Erreichung der Summenmehrheit erschwert. Während für die Kopfmehrheit (§ 182 1 ) nur die im Termin anwesenden bzw. vertretenen Gläubiger gezählt werden, muß die Summenmehrheit von 3/4 aller überhaupt stimmberechtigten Forderungen einschließlich der im Termin nicht vertretenen erreicht sein (§ 1822). Das Fehlen eines Gläubigers hat mithin für die Summenmehrheit die gleiche Wirkung, wie wenn er gegen den Vergleich gestimmt hätte. Man hilft sich deshalb durch das Angebot kostenloser Vertretung an die zur Zustimmung bereiten Gläubiger. Für die Stellungnahme der Beteiligten sind die verschiedenartigsten Umstände maßgebend. Gläubiger, deren Forderungen bestritten, deren Pfändungen angefochten wurden oder die sonst über Maßnahmen des Verwalters verärgert sind, gehören in der Regel zur Opposition. Wer mit dem Gemeinschuldner in Zukunft geschäftlich zu arbeiten hofft, ist ein Freund des Vergleichs. Am leichtesten erlangt man die Zustimmungserklärung solcher Konkursgläubiger, die für ihre Forderung eine besondere Sicherheit — gleichviel ob Hypothek an einem Masse- oder fremden Grundstück, Pfandrecht, Bürgschaft, Haftung eines Gesamtschuldners — besitzen: denn wie wir noch sehen werden (S. 377), bleiben trotz des Zwangsvergleichs alle Sicherheiten in ursprünglicher Höhe bestehen. Andrerseits nötigt das Bestehenbleiben der 24*

372

Konkursrichter — Vergleichstermin

Sicherheiten dazu, daß der Gemeinschuldner mit den Hypothekengläubigern Vereinbarungen für den Vergleichsfall über die Stundung ihrer Hypotheken trifft. Die beiden Vergleichsbürgen sichern sich durch schriftliche Erklärungen außerhalb des abzuschließenden Zwangsvergleichs dagegen, von den Verwandten-Gläubigern aus der Vergleichsbürgschaft in Anspruch genommen zu werden. Inzwischen bereitet das Gericht die Stimmliste für den Termin vor, wobei zu beachten ist, daß jeder Gläubiger — auch wenn er Forderungen zur Tabelle unter mehreren Nummern angemeldet hat — in der Liste nur eine einzige Nummer erhalten darf, weil sich sonst für die Kopfmehrheit ein falsches Bild ergeben würde. Der Konkursverwalter hat mit der Vorbereitung des Vergleichstermins amtlich nichts zu tun. V e r g l e i c h s t e r min. „Gegenwärtig: . . . .

Köln, den 26. Juni 1956.

In den Konkursverfahren usw. erschienen bei Aufruf der Sache im heutigen Vergleichstermin : 1. der Konkursverwalter Treuhänder Fritz Müller, 2. der Gemeinschuldner Konrad Geier, 3. die Mitglieder des Gläubigerausschusses, Herren Brandler, Schilling und R A . Schmarl, 4. seitens der Gläubiger die in der anliegenden Stimmliste aufgeführten Personen,"

— das amtliche Formular der Stimmliste enthält eine besondere Rubrik für die Bevollmächtigten — „ 5 . der Steinbruchbesitzer Oskar Eckert aus Bonn 6. für den Kaufmann Wilhelm Geier aus Hamburg, Frau Elly Geier und Frl. Frida Geier: R A . Weiß, Vollmachten überreichend. Der Konkursverwalter erstattete Bericht über die Sachlage, wonach für die nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger mit Forderungen im Gesamtbetrage von 241588,90 D M eine Dividende von 36 bis 3 7 % in Aussicht steht. In dem Betrage von 241 588,90 D M sind 7359,00 D M noch nicht festgestellte Forderungen enthalten."

Der Bericht gibt eine Reihe von Einzelheiten: Das Brühler Grundstück ist im Zwangsversteigerungsverfahren, nachdem durch die Bemühungen des Gläubigerausschusses ein geeigneter Bieter gestellt war und Nitsche sich mit dem Stehenbleiben seiner Hypothek einverstanden erklärt hatte (vgl. S. 294.), zu einem den Hypothekenstand übersteigenden Betrag zugeschlagen worden und damit sind die befürchteten Ausfallsforderungen der Hypothekengläubiger weggefallen. Den Prozeß über Achterbahn und Zyklonrad hat die Masse verloren. Der Feststellungsprozeß Langrocks schwebt in zweiter Instanz beim Landesarbeitsgericht, da Langrock gegen das Urteil des Arbeitsgerichts, das ihm nur insgesamt 3000 D M Entschädigung als nicht bevorrechtigte Forderung zusprach, Berufung eingelegt hat. In den Feststellungsprozessen des Esche und verschiedener anderer Gläubiger ist noch kein Schlußurteil ergangen. Preuß ist auf die Anfechtung des Verwalters vom Landgericht zur Bewilligung der Löschung seiner Vormerkung verurteilt und seine Widerklage auf Umschreibung der Vormerkung in eine Sicherungshypothek abgewiesen worden; Preuß hat Berufung eingelegt. Alle übrigen Anfechtungs- und sonstigen Prozesse sind zu Gunsten der Konkursmasse entschieden. „Der Vergleichsvorschlag vom 28. Mai 1957 wurde verlesen. Der Gemeinschuldner erklärte, daß er bei diesem Vorschlag verbleibe. Der Bürge Eckert und R A . Weiß als Bevollmächtigter des Bürgen Wilhelm Geier erklärten, daß sie für die Erfüllung des Vergleichs selbstschuldnerische Bürgschaft nach Maßgabe des schriftlichen Vergleichsvorschlags übernehmen. R A . Weiß wieder-

Konkursrichter — Stimmrechtsentscheidungen

873

holte als Bevollmächtigter der Gläubiger Fr. Elly Geier, Frl. Frida Geier und Wilhelm Geier die von seinen Vollmachtgebern im Vergleichsvorschlag schriftlich abgegebenen Verpflichtungserklärungen." Denn alle für den konkursrechtlichen Zwangsvergleich notwendigen Erklärungen sind Terminserklärungen. Die Unterzeichnung des Vergleichsvorschlags durch G e meinschuldner, Vergleichsbürgen und die im Vergleich mit ihren Rechten zurücktretenden Konkursgläubiger hatte lediglich die Bedeutung, die Bereitwilligkeit zur A b g a b e der allein maßgebenden Erklärung im Termin anzukündigen. Ist ein Vergleich geschlossen, ohne daß die Bürgen im Termin ausdrücklich die Bürgschaftsübernahme (selbst oder durch einen Bevollmächtigten) erklärt haben, so sucht man mit Hilfskonstruktionen den Vergleich zu retten. Hatte z. B. der Vergleichsbürge, der ja fast immer zu den Konkursgläubigern gehört, in dieser Eigenschaft für den Vergleich gestimmt, so hat er sich damit im Termin zu seiner schriftlich in Aussicht gestellten Bürgschaft bekannt. Wenn sich im Termin herausstellt, daß weder der Bürge noch ein Bevollmächtigter, der für ihn die Bürgschaft mündlich wiederholen könnte, zur Stelle ist, so darf der Zwangsvergleich unter der Bedingung der Nachbringung der Bürgschaft abgeschlossen werden, sofern eine bestimmte Frist für die Nachbringung festgesetzt ist. R G 56, 70; 64, 82; 145, 102 sowie Jaeger 2 zu § 179; Böhle-Stamschräder 1 zu § 179. Uber die Erklärungen der zurücktretenden Gläubiger vgl. Jaeger 3 zu § 181. Daß R A . Weiß durch die überreichten Vollmachten zur Abgabe seiner Erklärungen legitimiert ist, wird unterstellt. E s folgt — auf dem Hintergrund der früher (S. 3 7 1 / 2 ) dargelegten Interessengegensätze — der K a m p f um das Stimmrecht: „Namens der durch ihn vertretenen Gläubiger beantragte RA. Weiß, den Gläubigern bestrittener Forderungen kein Stimmrecht zu gewähren. Namens der Gläubiger Esche und Augustin beantragte R A . Grau-, a) den Gläubigern bestrittener Forderungen, soweit ihre Feststellungsklagen nicht rechtskräftig abgewiesen sind, volles Stimmrecht, b) dem durch Hypothek von 25 000 DM auf dem Grundstück der Ehefrau des Gemeinschuldners gesicherten Gläubiger Schilling Stimmrecht nur in Höhe des überschießenden Betrages seiner Forderung. c) den absonderungsberechtigten Hypothekengläubigern sowie dem durch Vormerkung gesicherten Gläubiger Preuß überhaupt kein Stimmrecht zu gewähren." Das Gericht entscheidet nach freiem Ermessen (§§ 95, 96 K O ) : „Nach Verhandlung mit den Erschienenen wurde der Beschluß verkündet: Die Gläubiger Esche, Friedrich und Fricke (Abt. II Nr. 27, 28, 29) erhalten Stimmrecht in Höhe der von ihnen angemeldeten Forderungen. Gläubiger Preuß (Abt. II Nr. 51) erhält Stimmrecht in Höhe der Hälfte der angemeldeten Forderung. Gläubiger Nitsche (Abt. II Nr. 43) erhält kein Stimmrecht. Gläubiger Schilling (Abt. II Nr. 48) erhält Stimmrecht in Höhe seiner festgestellten Gesamtforderung, weil er keine abgesonderte Befriedigung an Gegenständen der Konkursmasse beansprucht." Die Forderungen v o n Esche, Friedrich und Fricke sind die bestrittenen (der ebenfalls bestrittene Langrock kommt, weil er ein Vorrecht in Anspruch nimmt, nicht in Betracht). Preuß kann im Hinblick auf die Anfechtung seiner Vormerkung nicht als voll gesichert gelten. Die bedingte Feststellung der Nitscheschen Konkursforderung

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Konkursrichter — Stimmrecht der Ehefrau

ist durch den Ausgang der Brühler Zwangsversteigerung gegenstandslos geworden. Bei Schilling wird wiederum wichtig, daß seine Hypothek am Grundstück eines Dritten besteht: ebensowenig wie § 64 (oben S. 366 zu 1 1 ) trifft § 96 1 auf ihn zu. Die Stimmrechtsentscheidungen des Gerichts, von denen möglicherweise das Schicksal des Vergleichs abhängt, sind der Anfechtung entzogen; sie können auch nicht durch Beschwerde gegen den später über die Bestätigung des Vergleichs zu erlassenden Beschluß angegriffen werden. §§ 9 5 1 1 1 , 96«. „ D e n Anwesenden wurde Gelegenheit gegeben, sich über den Vergleichsvorschlag und die Bürgschaftserklärungen zu äußern."

Der Gläubigerausschuß teilt mit, daß die Bürgen nach den eingezogenen Auskünften für den Betrag der gesamten Vergleichsraten unbedingt gut seien. — Die Vergleichsgegner weisen daraufhin, daß nach dem Bericht des Verwalters 36—37% in der Masse lägen, die sich bei günstigem Ausgang aller noch schwebenden Prozesse um weitere Prozente erhöhen könnten; die im Vergleich darüber gebotenen 1 3 % seien kein genügender Ausgleich dafür, daß die Gläubiger durch Annahme des Vergleichs die Möglichkeit aus der Hand gäben, nach Aufhebung des Konkurses von Geier, der in den besten Jahren stehe und ein gewandter Geschäftsmann sei, ihren ganzen Ausfall beizutreiben. — Dem wird von den Freunden des Vergleichs entgegengehalten, daß Geier im Falle der Beendigung des Konkurses ohne Zwangsvergleich bei der Höhe der alsdann verbleibenden Schuldenlast im Interesse seiner Familie sicherlich Mittel und Wege finden würde, seinen künftigen Erwerb dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, indem er ein Geschäft auf den Namen der Ehefrau beginnen bzw., wenn er bei Fremden in Stellung träte, dies in verschleierter Form tun würde. „Hierauf wurde über den Vergleichsvorschlag abgestimmt; das Ergebnis der Abstimmung wurde in der anliegenden Stimmliste verzeichnet. Hiernach stimmten 36 Gläubiger mit 1 8 7 5 0 0 D M , darunter die Ehefrau des Gemeinschuldners mit 1 7 5 0 0 D M , für den Vergleich, und 1 4 Gläubiger mit 2 3 6 7 9 , 5 0 D M gegen den Vergleich, während 1 6 Gläubiger mit 25 479,90 D M nicht anwesend waren und sich daher an der Abstimmung nicht beteiligten."

Während sonstige Verwandte des Gemeinschuldners unbeschränktes Stimmrecht besitzen, gewährt das Gesetz dem Ehegatten bei der Abstimmung über einen Zwangsvergleichsvorschlag nur ein bedi n g t e s Stimmrecht. Zwangsvergleiche sollen nicht mit entscheidender Hilfe der E h e g a t t e n f ° r d e r u n g durchgebracht werden. Deshalb bestimmt § 183, daß der zustimmende Ehegatte bei der Berechnung der Mehrheiten „außer Betracht bleibt". Das bedeutet für die hierbei besonders wichtige Summenmehrheit, daß von den nach Abzug d e r Ehegattenforderung sich ergebenden Forderungen 8/4 dem Vergleich zustimmen müssen: die Forderung wird also sowohl von den zustimmenden als von der Gesamtsu m m e der stimmberechtigten Forderungen abgesetzt. Denn wäre der Sinn der Vorschrift der, daß die Forderung des Ehegatten nur bei den zustimmenden Gläubigern, also im Zähler des Bruchs, abzuziehen sei, so würde in Konkursen, bei denen die Ehegattenforderung mehr als % sämtlicher stimmberechtigten Forderungen ausmacht, die Erreichung der Mehrheit überhaupt nicht möglich sein. — Z u beachten ist, daß nach § 183 die Forderung des Ehegatten nur dann unberücksichtigt bleibt, „ w e n n er dem Vergleich zugestimmt hat." Das Stimmrecht wird dem Ehegatten also nicht gänzlich entzogen, und wenn er gegen den Vergleich stimmt, so zählt seine Stimme mit. Sie zählt aber auch dann mit, wenn er überhaupt nicht abstimmt. Daraus folgt, daß die Ehefrau, wenn sie den Vergleich fördern will, nicht etwa in der E r w ä g u n g , sie habe ja doch kein Stimmrecht, zu Hause bleiben darf. Sie muß vielmehr im Vergleichstermin vertreten sein und dem Vergleich zustimmen — bloß zu dem Zwecke, daß nunmehr ihre Stimme „außer Betracht bleibt", die % daher nicht von der Summe aller wirklich vorhandenen Forderungen, sondern nur von den nach A b z u g ihrer eigenen Forderung verbleibenden zu berechnen sind!

Konkursrichter — Bestätigung des Zwangs Vergleichs

875

Für unseren Fall lautet das Exempel: 187500—17500 236659,40—17500

170000 219159,40

Das sind mehr als 3 / 4 . D e r Vergleich ist angenommen! „ E s wurde über die Bestätigung des Vergleichs verhandelt und Gläubiger, Verwalter und Gläubigerausschußmitglieder gehört. RA. Grau beantragte namens der Gläubiger Esche und Augustin, den Vergleich als dem gemeinsamen Interesse der nicht bevorrechtigten Gläubiger widersprechend zu verwerfen, und überreichte zur Glaubhaftmachung, daß das Grundstück Köln-Ehrenfeld Bl. Nr 97 350000 D M wert sei, Taxe des Maurermeisters Bruscbke vom 18. Juni 1957. Über den Antrag wurde mit den Erschienenen verhandelt. Vorgelesen, genehmigt." Bei der Beschlußfassung über die Bestätigung prüft das Gericht in erster Linie die Zulässigkeit und das formell ordnungsmäßige Zustandekommen des Z w a n g s v e r gleichs nach. Seine sachliche Prüfung ist beschränkt: ob der Vergleich für die Gläubiger nützlich oder schädlich erscheint, muß die Mehrheit selbst entscheiden. Beträgt die Vergleichsquote weniger als 2 0 % , so muß v o n A m t s wegen auf die Frage eingegangen werden, ob der Gemeinschuldner durch „unredliches" oder durch „leichtsinniges" Verhalten dieses schlechte Ergebnis verschuldet hat: im ersten Falle muß, im anderen Falle kann der Vergleich verworfen werden (§ 187). Dagegen setzen die Verwerfungsgründe des § 188 — Zustandebringen des Vergleichs durch unlautere Machenschaften bzw. Verletzung der gemeinsamen Gläubigerinteressen — den besonderen Antrag eines Konkursgläubigers sowie die Glaubhaftmachung der Tatsachen voraus. Den zweiten dieser Anträge haben Esche und Augustin gestellt. Wäre die Entscheidung dem Richter zweifelhaft, so würde er einen besonderen Verkündungstermin ansetzen (§ 1 8 4 " ) . E r hat sich jedoch bereits schlüssig gemacht: „ E s wurde der anliegende Beschluß verkündet. Richter.

Urktmd."

Bestätigung. „Verkündet am 26. Juni 1957. Urkund als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle. Beschluß. In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Gastwirts und Schaustellungsunternehmers Konrad Geier, Alleininhabers der Firma ,Lunapark Ehrenfeld Konrad Geier', in KölnEhrenfeld. Der in dem Vergleichstermin vom 26. Juni 1957 angenommene Zwangsvergleich wird hierdurch bestätigt. Gründe. Für die Annahme des vom Gemeinschuldner vorgeschlagenen Vergleichs haben 36 Gläubiger mit 187500 D M gestimmt, dagegen 14 Gläubiger mit 23679,50 DM. Nicht anwesend waren 16 Gläubiger mit 25 479,90 DM. Die Ehefrau des Gemeinschuldners hat mit 17 500 DM für den Vergleich gestimmt. Wird sie gemäß § 183 1 K O außer Betracht gelassen, so hat die Mehrzahl der anwesenden Gläubiger, nämlich 3 5 von 49 Gläubigern, dem Vergleich zugestimmt, und es beträgt die Summe der Forderungen der zustimmenden Gläubiger 170000 DM, das ist mehr als drei Vierteile der Gesamtsumme aller stimmberechtigten Forderungen — 219159,40 D M —. Die in § 182 K O vorgeschriebenene Mehrheiten sind also erreicht. Dem aus § 188 2 K O gestellten Verwerfungsantrag der Gläubiger Esche und Augustin ist nicht stattgegeben worden. In der Masse liegen nach der vom Gläubigerausschuß bestätigten Schätzung des Verwalters 36—37%, günstigenfalls ca. 40%, die auf Grund eines langwierigen

376

Konkursrichter — Gläubigerbegünstigung beim Zwangsvergleich Verfahrens flüssig gemacht werden müßten, während der Vergleich den Gläubigern 50% zu nicht allzu weit hinausgerückten Zahlungsterminen bietet. Die Zahlung der Vergleichsraten wird durch die Verpflichtung der verwandten Gläubiger, Ansprüche gegen den Gemeinschuldner erst nach vollständiger Erfüllung des Vergleichs gegenüber allen übrigen Konkursgläubigern geltend zu machen, sowie durch die Haftung zweier als sicher anzusehenden Bürgen gewährleistet. Allerdings beruht die Dividendenschätzung des Verwalters auf der Annahme eines Wertes von nur 260000 DM für das zur Masse gehörige Grundstück Köln-Ehrenfeld Bl. Nr. 97, während die Taxe des Maurermeisters Bruschke einen Wert von 350000 DM herausrechnet. Unter Zugrundelegung der Bruschkeschen Taxe würden fast 80% in der Masse liegen. Das Gericht ist aber der Taxe nicht gefolgt, weil es sich um ein Vergnügungsetablissement handelt, dessen Wert hauptsächlich von dem Verdienst abhängt, den der Eigentümer mit dem Betriebe erzielen kann, bzw. von der Pachtsumme, die ein Pächter dafür zu zahlen bereit ist. Ob der von Bruschke in mehr theoretischer und schematischer Weise auf Grund der Baukosten und des Terrainwerts berechnete Betrag von 350000 DM in absehbarer Zeit durch Verkauf zu realisieren sein würde, muß nach den Erklärungen des Verwalters und des Gläubigerausschusses, welche trotz vielfacher Bemühungen kein höheres Angebot als 260000 DM (20000 DM über dem festgesetzten Steuerwert) erzielen konnten, bezweifelt werden. Richter."

Zugestellt wird der Beschluß nicht, die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde läuft v o n der Verkündung (§ 1 8 9 " ) . B e s c h w e r d e . Die am 5. Juli 1 9 5 7 eingehende Beschwerdeschrift des R A . Grau wiederholt die mündlichen Darlegungen aus dem Vergleichstermin und bringt eine neue Behauptung: „Wie die beiliegende eidesstattliche Versicherung des Gläubigers Fricke, dessen angemeldete Forderung von 620 DM Abt. II Nr. 29 s. Zt. vom Verwalter und Gemeinschuldner bestritten wurde und den Gegenstand eines Feststellungsprozesses bildet, ergibt, ist Fricke kurz nach Bekanntmachung des Vergleichstermins mit dem Gemeinschuldner im Hotel ,Deutsches Haus' in Honnef zusammengetroffen und hat mit ihm über den Vergleich gesprochen. Dabei hat Geier auf die Erklärung Frickes, er sei mit 50% nicht zufrieden und würde nur bei 75% zustimmen, erwidert, daß er mit den Vergleichsbürgen sprechen wolle, diese würden den Vergleich nicht an der Mehrforderung von 1 5 5 D M scheitern lassen. Eventuell könnte ein Verwandter die Fricke sehe Forderung für 465 DM aufkaufen und mit ihr für den Vergleich stimmen, das würde bei allen Zwangsvergleichen so gemacht. Der Vergleich muß also auch deshalb verworfen werden, weil er in unlauterer Weise zustande gebracht ist (§ 188 1 KO)." Geheime Sonderabkommen zur Begünstigung einzelner Gläubiger sind beim Zwangsvergleich nicht bloß nichtig (§ 1 8 1 S. 3) und strafbar (§ 243), sondern sie führen auch bei rechtzeitiger Antragstellung und Glaubhaftmachung zur Verwerfung des ganzen Vergleichs (§ 188 1 ) und begründen sogar noch nach Rechtskraft der Bestätigung die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 196). Diese Anfechtung ist für Gemeinschuldner und Vergleichsbürgen besonders gefährlich: denn der Gläubiger, der v o n dem Sonderabkommen nichts gewußt hat, ficht nicht den Z w a n g s vergleich als Ganzes, sondern lediglich den darin enthaltenen teilweisen Erlaß seiner Forderung an „unbeschadet der ihm durch den Vergleich gewährten Rechte". E r kann mithin v o m Gemeinschuldner die vollen 1 0 0 % seiner Forderung verlangen und sich obendrein in Höhe der Vergleichsquote an die Bürgen halten, so daß die zur N e u begründung der Existenz des Schuldners v o n den Bürgen gebrachten Opfer nutzlos waren. Trotzdem erweist sich in der Praxis die Versuchung, den Widerstand eines oder einiger Opponenten durch Begünstigungsabreden zu überwinden, als außerordentlich groß, und man glaubt bisweilen besonders schlau zu sein, wenn man die Forderung des Akkordstörers durch einen Strohmann zu einem die offizielle Vergleichsquote übersteigenden Preise aufkaufen läßt, wie Geier es vorgeschlagen haben soll. Natürlich würde auch das eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 188 1 sein.

Konkursrichter — Wirkungen des Zwangsvergleichs

377

Geier, dem die Beschwerdeschrift vom Landgericht mitgeteilt wird, erwidert durch R A . Weiß: „ D i e Behauptungen der Beschwerdeführer sind nicht schlüssig; denn wenn selbst der G e meinschuldner dem Fricke verschleierte Sondervorteile in Aussicht gestellt hätte, so würde daraus noch nicht folgen, daß bei anderen Gläubigern das Gleiche geschehen sei. Daß nach der Unterredung in Honnef noch einmal jemand von Seiten des Gemeinschuldners an Fricke wegen des Verkaufs seiner Forderung herangetreten und der Verkauf perfekt gemacht worden sei, gibt Fricke ja selbst nicht an. Die Behauptung ist aber auch unwahr. Die Äußerungen, daß man an die Vergleichsbürgen herantreten und wegen der geringen Differenz den Vergleich nicht scheitern lassen solle, daß die Forderung durch einen Dritten abgekauft werden könne usw., sind nicht v o m Gemeinschuldner sondern von einem dritten Reisenden, der mit am Tisch saß, getan worden. Der Gemeinschuldner hat dem Fricke sofort erklärt, daß er mit R A . Weiß sprechen müsse, ohne dessen Rat er in der Angelegeheit nichts tue. Beweis:

Zeugnis des Geschäftsreisenden Peter Pawlik in Beuel, Rheinstraße 4 2 . "

Das Landgericht weist die Beschwerde ohne Beweiserhebung kostenfällig zurück: „ D a ß der Zwangsvergleich dem gemeinsamen Interesse der nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger widerspreche, ist nicht glaubhaft gemacht. (wird näher ausgeführt.) In der Beschwerde wird der Verwerfungsantrag darauf gestützt, daß der Fall des § 1 8 8 3 K O vorliege. In erster Instanz war die Verwerfung nur aus § 188 2 K O beantragt. Wenn auch die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden darf (§ 5 70 Z P O ) , so kann doch bei der Beschwerde gegen die Bestätigung eines Zwangsvergleichs kein Verwerfungsgrund nachgeschoben werden, der nicht durch einen schon im Vergleichstermin gestellten Antrag des überstimmten Gläubigers gedeckt w i r d . "

Der letzte Punkt mag zweifelhaft sein. Die Beschwerdeführer können jedoch nicht mehr die Entscheidung des Oberlandesgerichts anrufen. Zwar enthält der Beschluß des Landgerichts einen „neuen selbständigen Beschwerdegrund" (§ 5 68 1 1 ZPO), aber in Zwangs Vergleichssachen wird die weitere Beschwerde durch § 1 8 9 1 1 1 K O positiv ausgeschlossen. V e r g l e i c h s w i r k u n g e n . Soweit die Forderungen der nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger nach dem Vergleichsvorschlag befriedigt werden sollen, sind sie in den dort bestimmten Raten fällig, der Mehrbetrag gilt als erlassen. Nicht berührt werden jedoch die Rechte der Gläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Gemeinschuldners, ihre Pfandrechte, Hypotheken und Vormerkungen; diese Sicherheiten können also — trotz ihres akzessorischen Charakters — nach wie vor in ursprünglicher Höhe geltend gemacht werden (§ 193 S. 2). Speziell bei den Hypothekengläubigern der Geierschen Grundstücke bleibt das Prinzip des § 64 (oben S. 366 f.) in Geltung; abgesehen von der ioo%igen dinglichen Haftung der Grundstücke sind also Geier und die Vergleichsbürgen persönlich in Höhe von 50% desjenigen Betrages verpflichtet, auf den die Gläubiger dinglich verzichten oder mit welchem sie bei der dinglichen Befriedigung ausfallen. R G 92, 181. Man wird ferner anzunehmen haben, daß der Vergleich die Gläubiger nicht hindert mit 100% ihrer Forderung im selben Umfang aufzurechnen, wie sie das während des Konkurses hätten tun können, denn § 5 3 befreit den zur Aufrechnung Berechtigten allgemein von der Notwendigkeit, sich am Konkurse zu beteiligen. Jaeger 30 zu § 53 mit Rechtsprechung und Literatur; für das Vergleichsverfahren vgl. die ausdrückliche Vorschrift des § 54 S. 2 VerglO. Die Wirkung des Vergleichs tritt für und gegen alle „Konkursgläubiger" ein. Die Eigenschaft als Konkursgläubiger ist unabhängig von der Anmeldung der Forderung

378

Konkursrichter — Vergleich im Vergleichsverfahren

zur Tabelle, sie wird dadurch geschaffen, daß der Gläubiger einen zur Zeit der E r öffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch an den Gemeinschuldner hat (§ 3 D e m g e m ä ß wirkt der Vergleich, wie § 193 S. i hervorhebt, auch für solche Gläubiger, die am Konkursverfahren nicht teilgenommen haben. Die Schlauberger, welche meinen, durch Nichtanmeldung sich der Herabsetzung ihrer Forderungen durch Zwangsvergleich entziehen zu können, sind im Irrtum; praktisch berauben sie sich bloß der Möglichkeit, durch Tabellenfeststellung zu einem vollstreckbaren Schuldtitel zu gelangen. Soweit Verträge nach § § 1 7 f. aufgelöst worden sind, dauert diese Rechtslage über den Zwangsvergleich hinaus an. Ebenso der Eintritt der Fälligkeit betagter Forderungen (§ 65), für die jetzt freilich die im Vergleich festgesetzten Zahlungstermine maßgebend sind, und die Umwandlung der Individualansprüche in Geldforderungen (§69). Vorrechts- und Masseansprüche bleiben v o m Vergleich unberührt. Sie sind, falls unstreitig, v o m Verwalter aus der Konkursmasse auszuzahlen, falls bestritten, sicherzustellen (§ 1 9 1 ) . Dagegen ist die Befriedigung der einfachen Konkursgläubiger Sache des Gemeinschuldners, der — mangels gegenteiliger Bestimmung des Zwangsvergleichs — das Recht freier V e r f ü g u n g über die Konkursmasse zurückerhält (§ 192). Erfüllt der Gemeinschuldner den Vergleich nicht, so gibt das den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern kein Recht, etwa nach § 326 B G B v o m Vergleich zurückzutreten (§ 195 K O ) . Sie müssen sich, soweit keine Sicherheiten bestellt sind, mit Zwangsvollstreckung aus der Tabelle (§ 194) helfen. V e r g l e i c h im g e r i c h t l i c h e n V e r g l e i c h s v e r f a h r e n nach der V e r g l O . Der Vergleich der VerglO weicht von demjenigen der K O in mehreren Punkten ab: 1. Feste Mindestquote von 35 bzw. 40% (§ 7 VerglO). Bei Vergleichsquoten unter 50% muß die Summenmehrheit 80% statt der sonst vorgeschriebenen 75% betragen (§ 74 1 1 1 ). 2. Möglichkeit der offiziellen Bevorzugung einzelner Gläubigerkategorien (Kleingläubiger, oben S. 570/1), wenn außer der allgemein vorgeschriebenen Kopf- und Summenmehrheit unter der Gesamtheit der Gläubiger auch innerhalb der zurückgesetzten Gläubiger die einfache Kopf- und eine 3/4-Summenmehrheit erreicht ist (§ 8 1 1 ). 3. Möglichkeit schriftlicher Zustimmung (§ 73) sowie schriftlicher Garantenerklärung (§ 85 11 ). Erstere kann bis zum Schluß der Abstimmung, letztere bis zum Beginn derselben widerrufen werden. Die Garantenerklärung braucht im Termin nicht vom Garanten selbst, sondern kann auch vom Schuldner oder dessen Vertreter verlesen werden. Dies sind aber nur das Zustandekommen des Vergleichs erleichternde Ausnahmen von dem an sich geltenden Terminserklärungsprinzip (vgl. § 66 1 2 VerglO). Im einzelnen ist hier manches streitig (vgl. Bley 2. Aufl. 26ff. zu § 66 mit Rechtsprechung und Literatur). 4. Der Vergleich enthält kraft Gesetzes im Zweifel die kassatorische Klausel: der Forderungserlaß wird hinfällig, sobald a) der Schuldner eine fällige Verbindlichkeit trotz schriftlicher Mahnung mit mindestens einwöchiger Nachfrist nicht bezahlt. b) vor vollständiger Erfüllung des Vergleichs über sein Vermögen das Konkursverfahren eröffnet wird (§ 9). Die durch den Vergleich für die Gläubiger begründeten Rechte gegen Vergleichsbürgen usw. bleiben bestehen. Durch Verzug lebt nur die Forderung desjenigen Gläubigers, dem gegenüber der Verzug eingetreten ist, in voller Höhe auf, durch Konkurs die Forderung aller Gläubiger. Es bedarf keiner Rücktrittserklärung, sondern die Rechtsfolge tritt ipso iure ein. Die Geltung des § 9 (bis auf § 9 1 Halbs. 2 u. III) kann durch den Vergleich ausgeschlossen werden, worauf bisweilen die Vergleichsbürgen Wert legen. Alsdann bleiben nach dem mit § 195 K O übereinstimmenden § 89 11 VerglO die Gläubiger trotz der Nichterfüllung an den Zwangs vergleich gebunden.

Konkursrichter — Treuhand- und Liquidationsvergleich

379

5. Im Gegensatz zur Regelung der K O kennt die VerglO zwecks verschärfter Überwachung der Vergleichserfüllung das Nachverfahren nach dem 10. Abschnitt der VerglO. In Abweichung von der VerglO vom 5. 7. 1927 besteht die Regelung der VerglO vom 26. 2. 1935 darin, daß grundsätzlich auch das Stadium der Vergleichserfüllung noch verfahrensrechtlich beherrscht wird (§96 VerglO). Ausnahmsweise kann das Verfahren jedoch mit der Bestätigung des Vergleichs aufgehoben werden, wenn a) der Schuldner sich im Vergleich der Überwachung durch eine oder mehrere im Vergleich bezeichnete Personen als Sachwalter der Gläubiger bis zur Erfüllung des Vergleichs oder bis zum Eintritt einer im Vergleich festgesetzten Bedingung unterworfen hat (§ 91), b) oder die Vergleichsgläubiger die Aufhebung des Verfahrens im Vergleichstermin mit der zur Annahme des Vergleichs erforderlichen Mehrheit beantragen, und zwar vor der Entscheidung über die Bestätigung (§ 90 I i), c) oder die Summe der vollstreckbaren Vergleichsforderungen ohne Berücksichtigung des im Vergleich vorgesehenen Erlasses 20000,— D M nicht übersteigt (§ 90 1 2). Wenn die Aufhebung des Verfahrens dem gemeinschaftlichen Interesse der Vergleichsgläubiger widerspricht, hat das Gericht auf Antrag eines Vergleichsgläubigers oder von Amts wegen bei Fall b) den Antrag abzulehnen und bei Fall c) von der Aufhebung abzusehen (§ 90 II). ¡, Abgesehen von diesen Unterschieden, bei denen durchweg die VerglO gegenüber der K O als das modernere und den Anforderungen des Lebens besser Rechnung tragende Gesetz erscheint, gehen die beiden Gesetze weitgehend parallel. §§ 74 1 , 75, 82—85, 88, 89 VerglO entsprechen den §§ 182, 183, 193, 194, 196, 197 K O . § 64 K O gilt auch für das Vergleichsverfahren (§ 27 VerglO). Zur gebotenen Vereinheitlichung beider Vergleichsarten vgl. Tidow in Konkurs- Treuhand- und Schiedsgerichtswesen 1956 S. 100ff. T r e u h a n d - und L i q u i d a t i o n s v e r g l e i c h . „ T r e u h a n d v e r g l e i c h " ist ein Vergleich, bei dem zur Sicherung der Gläubiger einem Treuhänder dingliche Rechte an der Masse eingeräumt werden, „ L i q u i d a t i o n s v e r g l e i c h " ein Vergleich, nach welchem die Gläubiger keine bestimmte Quote ihrer Forderungen erhalten, sondern die Masse versilbert und der Erlös anteilmäßig unter die Gläubiger verteilt werden soll. Der Treuhandvergleich kann auf eine feste Quote lauten oder Liquidations vergleich sein, der Liquidationsvergleich kommt praktisch nur in der Form des Treuhandvergleichs vor. Treuhand- wie Liquidationsvergleich sind sowohl im Konkurs wie im Vergleichsverfahren wie beim außergerichtlichen Vergleich möglich. Für den Konkurs insbesondere ergibt sich die Zulässigkeit aus der dispositiven Natur des § 192 ( R G 89, 1 3 1 ; Jaeger 1 zu § 192). Einen Ubergang zum eigentlichen Treuhandvergleich stellen die sehr häufigen Zwangsvergleiche dar, in denen die Auszahlung der ersten Rate oder mehrerer Raten durch den Konkursverwalter vorgesehen wird. Besonders oft werden Treuhand- und Liquidationsvergleiche im Vergleichsverfahren geschlossen. § 7 ^ VerglO trifft dabei für den Liquidationsvergleich im Hinblick auf das Mindestquotenerfordernis die Regelung, daß er nur zulässig ist, wenn die Verwertung den Vergleichsgläubigern voraussichtlich mindestens 3 5 % ihrer Forderungen gewähren wird und der Erlaß, falls die Verwertung weniger ergeben sollte, sich nicht auf den an 3 5 % der Forderungen fehlenden Betrag erstreckt. Für den Konkurs-Treuhandvergleich will R G 89, 131 die dingliche Sicherung in der Weise durchführen, daß das Verfügungs- und Verwaltungsrecht des Konkursverwalters bestehen bleibt und die durch den Konkurs herbeigeführte separatio bonorum andauert. Die formelle Aufhebung des Konkursverfahrens und die Löschung der Konkursvermerke in Grundbuch und Handelsregister (s. den nächsten Fall) geschieht aber beim Treuhandvergleich ebenso wie beim sonstigen Zwangsvergleich: denn die Fortdauer des Verfügungsrechts des Verwalters und die entsprechende Verfügungsbeschränkung des (früheren) Gemeinschuldners beruhen jetzt nicht mehr auf dem Konkurse, sondern auf der Vergleichsklausel. Die Sicherung des Treuhandvergleichs durch eine neue Grundbucheintragung ist angesichts des § 137 B G B nicht einfach. In der Praxis hilft man sich vielfach durch fiduziarische Übertragung der ganzen Masse auf bisherige Verwalter, einen wirtschaftlichen Verband oder einen sonstigen Treuhänder, durch Hinterlegung von Wertgegenständen, durch Bestellung von Sicherungshypotheken für die Gläubiger und ähnliche Mittel. Die Kontrolle der Gläubiger über die Durchführung von Treuhand- und Liquidationsvergleichen wird bisweilen sehr ausgebaut (Gläubigerausschüsse, Gläubigerversammlungen usw.), so daß sich geradezu das Bild einer privaten Geschäftsaufsicht ergibt.

380

Konkursrichter — Schlußverfahren nach Zwangsvergleich

Bei Übertragung der Treuhand an den Sachwalter gemäß § 91 VerglO haftet der Treuhänder nicht gemäß § 419 BGB, was § 92 v VerglO ausdrücklich bestimmt. Die Treuhand kann im übrigen in einer bloßen Ermächtigung zur Verwertung (sog. unechte Treuhand) oder in der Übertragung der Rechtsinhaberschaft selbst (sog. echte Treuhand) bestehen. Die Befriedigung der Gläubiger erfolgt in beiden Fällen ausschließlich durch den Treuhänder, gegen den sie die Ansprüche haben, die ihnen der Vergleich gewährt. Gegenüber einem dem Vergleich widersprechenden Zwangszugriff der Vergleichsgläubiger auf das Treugut stehen dem Treuhänder in beiden Fällen (auf Grund seiner Rechtsinhaberschaft bzw. auf Grund seiner die Veräußerung hindernden Verfügungsmacht gegenüber den Vergleichsgläubigern) die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO sowie gegebenenfalls die Erinnerung gemäß §§ 766, 809 ZPO zu (streitig). Dagegen ist den am Vergleich nicht beteiligten Altgläubigern der Zwangszugriff auf das Treugut ohne die Schranken des Vergleichs gestattet, und zwar bei beiden Treuhandformen. Die Neugläubiger wiederum dürfen sich aus dem Treugut nur befriedigen, wenn ihre Forderungen in der Durchführung der Liquidation begründet sind. Andernfalls stehen dem Treuhänder auch hier die Möglichkeiten der §§ 771 und 766 ZPO zu (streitig). Zu den zahlreichen Problemen und Streitfragen vgl. im einzelnen Bley 2. Aufl. 55 bis 46 zu § 92 VerglO. S c h l u ß v e r f a h r e n nach Z w a n g s v e r g l e i c h

4

D e r G e i e r s c h e K o n k u r s ist w e d e r mit d e m Z w a n g s v e r g l e i c h n o c h mit dessen R e c h t s k r a f t v o n selbst beendigt. N a c h § 1 9 0 1 soll v i e l m e h r die A u f h e b u n g des V e r f a h r e n s beschlossen w e r d e n , „ s o b a l d " der V e r g l e i c h rechtskräftig bestätigt ist. M a n legt diese W o r t e dahin aus, daß v o r der A u f h e b u n g n o c h eine R e i h e v o n F o r m a l i e n zu erledigen sind. D a s G e r i c h t m u ß d e m V e r w a l t e r u n d den G l ä u b i g e r a u s s c h u ß m i t gliedern ihre H o n o r a r e festsetzen ( § § 85, 9 1 ) , der V e r w a l t e r hat S c h l u ß r e c h n u n g zu l e g e n ( § 8 6 ) u n d muß nachweisen, daß er g e m ä ß § 1 9 1 die festgestellten V o r r e c h t s u n d M a s s e g l ä u b i g e r b e f r i e d i g t , die streitigen sichergestellt hat. D a g e g e n fallen v o n d e m n o r m a l e n Schluß v e r f a h r e n bei A u s s c h ü t t u n g der M a s s e (unten S. 414t.) das „ S c h l u ß V e r z e i c h n i s " , die öffentliche B e k a n n t m a c h u n g , die A u s s c h l u ß f r i s t , die E n t scheidung des G e r i c h t s ü b e r e r h o b e n e E i n w e n d u n g e n u n d die B e s c h l u ß f a s s u n g der G l ä u b i g e r über nicht v e r w e r t b a r e M a s s e g e g e n s t ä n d e f o r t . V e r f ü g u n g : „ 1. Termin zur Abnahme der Schlußrechnung sowie zur Anhörung der Gläubigerversammlung über die Festsetzung der Auslagen und Vergütung der Gläubigerausschußmitglieder gemäß § 9 1 1 S. 2 K O wird auf bestimmt. 2. Die Vergütung des Konkursverwalters wird auf , seine Auslagen auf festgesetzt. 3. Zustellung, Bekanntmachung usw." D e r Schlußtermin nach einem Z w a n g s v e r g l e i c h b e g e g n e t bei den G l ä u b i g e r n sehr g e r i n g e m Interesse. Sie erhalten ja d o c h b l o ß ihre Vergleichsrate, also ist ihnen die S c h l u ß r e c h n u n g gleichgültig. N a c h d e m der Schlußtermin abgehalten u n d der N a c h w e i s aus § 1 9 1 w e g e n der V o r r e c h t s - u n d M a s s e a n s p r ü c h e erbracht ist, ergeht der „Beschluß. Das Konkursverfahren über das Vermögen usw. wird hierdurch aufgehoben, nachdem der im Vergleichstermin vom 26. Juni 1957 angenommene Zwangsvergleich durch rechtskräftig gewordenen Beschluß vom gleichen Tage bestätigt worden ist." D e r A u f h e b u n g s b e s c h l u ß ist u n a n f e c h t b a r (§ 1 9 0 1 S. 2). V e r f ü g u n g z u m A u f hebungsbeschluß : „ 1 . Aufhebungsbeschluß veröffentlichen in: a) Regierungsamtsblatt, b) Bundesanzeiger,

Konkursverwalter — Verfügung zum Aufhebungsbeschluß

381

c) Kölnische Rundschau, d) Stadtanzeiger. 2. Beschluß zustellen: a) dem Gemeinschuldner, b) dem Konkursverwalter mit der Bitte um Rückgabe der Bestallungsurkunde. 3. Beglaubigte Abschrift des Aufhebungsbeschlusses: a) dem Amtsgericht — Handelsregister —, b) dem Amtsgericht zu Köln, Abt. für Grundbuchsachen, mit dem Ersuchen um Löschung des Konkursvermerks bezüglich folgender Grundstücke und dinglicher Rechte: Köln-Ehrenfeld Bd. IV V i . 97, c) der Gerichtsvollzieherverteilungsstelle Köln, d) der Staatsanwaltschaft, e) der Stadtgemeinde Köln, f) der Industrie- und Handelskammer zu Köln, g) dem Amtsgericht, Vollstreckungsgericht. 4. formlose Nachrichten: a) b) c) d) e) f) g) h) i) k) 1)

der Gerichtskasse zu Köln, der Zwangsverwaltungsstelle des städt. Steueramts zu Köln, dem Finanzamt zu Köln-Nord, der allgemeinen Ortskrankenkasse zu Köln, der Berufsgenossenschaft, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Düsseldorf, Aderstr. 1, Reglnsp. Schmitz — Kontrollbeamter der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz Köln, Ewaldistr. 14, dem Fernsprechamt Köln-Ehrenfeld, Venloerstr. 156, dem Postscheckamt Köln, der Post- und Telegraphenverwaltung zu Köln, mit Zusatz: Die Post- und Telegraphensperre wird aufgehoben, den bekannten Gläubigern nach der Tabelle.

5. Nach 1 Monat." Die Aufhebung wird im Register (Sp. 5: „Rechtsverhältnisse bei Einzelkaufleuten") v o n A m t s wegen vermerkt (§ 32 S. 2 H G B ) . V g l . § 1 9 0 1 1 1 K O . Das Brühler Grundstück ist bereits durch den Zuschlag (S. 372) aus der Masse ausgeschieden. — D a der Zwangsvergleich nichts Gegenteiliges bestimmt (oben S. 379), hat Geier zufolge § 192 die freie Verfügung über die bisherige Konkursmasse zurückerhalten, kann also über das „Lunapark"-Grundstück nach Belieben verfügen, und seine Gläubiger können im Wege der Zwangsvollstreckung Eintragungen (§§ 867, 932 Z P O ) erwirken. Dadurch wird unter Umständen das bei Annahme und Bestätigung des Vergleichs aufgestellte Rechenexempel, daß v o n den Vergleichsraten 3 6 — 3 7 % durch die Masse gedeckt seien, hinfällig: denn die V e r gleichsgläubiger genießen wegen der Befriedigung ihrer Raten aus der Masse keinen V o r z u g vor anderen Gläubigern des Gemeinschuldners! Die Postsperre (S. 3 5 2 zu 10) wird manchmal schon im Laufe des Verfahrens als nicht mehr notwendig durch besonderen Beschluß aufgehoben (§ 1 2 1 " ) . V o l l s t r e c k u n g aus dem Z w a n g s v e r g l e i c h : Für den Konkursrichter ist die Sache erledigt. Der Urkundsbeamte kann mit ihr noch zu tun bekommen, wenn die Vergleichsraten nicht pünktlich bezahlt werden. Dann lassen sich die Konkursgläubiger nach § 194 vollstreckbare Tabellenauszüge erteilen. Ein solcher Auszug lautet beispielsweise:

382

Konkursrichter — Vollstreckbarer Tabellenauszug „Geschäftsnummer: 5} N 95/56. A u s z u g aus der T a b e l l e der in dem Konkursverfahren über das Vermögen des Gastwirts und Schaustellungsunternehmers Konrad Geier, Alleininhabers der Firma, Lunapark Ehrenfeld Konrad Geier', in Köln-Ehrenfeld angemeldeten Forderungen.

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2.

4-

3-

5-

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A b t e i l u n g II: G l ä u b i g e r o h n e

Strie/^el, Adolf,

8.

7-

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a) Wechselforde-

2J.IO. 56

(Bl.u)

zu a bis c :

zu a bis c:

r u n g aus dem vom Bis zur V o r l e g u n g

Nach Vorlegung

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des Wechsels vom

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meister

stellten, v o m G e -

Verwalter

be-

Verwalter aner-

Köln,

meinschuldner

stritten.

kannt.

Fricdrich-

angenommenen

Köln, den

Köln, den

Wilhelm-

Wechsel v o m

29. Dezbr. 1956.

17. Januar 1956.

Str. 38

29. April 1956 «7

b) Zinsen v o m

gez. Ritbter. gez. Urkund.

gez. Richter. gez. Urkund.

29. Julibis 19. O k tober 1956 c) Wechselunkosten.

Die Richtigkeit des vorstehenden Auszugs witd beglaubigt. (Siegel)

Urkund als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Amtsgerichts.

Der in der rschen Konkurssache geschlossene, durch Beschluß vom 26. Juni 1957 bestätigte Zwangsvergleich ist seit dem 3. August 1957 rechtskräftig. Vorstehende Ausfertigung wird dem Gläubiger zum Zwecke der Zwangsvollstreckung in Höhe v o n 154,74 D M (i. W.) gegen: 1. den früheren Gemeinschuldner, 2. den Kaufmann Wilhelm Geier in Hamburg, 3. den Steinbruchbesitzer Oskar Eckert in Bonn erteilt. Köln, den 3. November 1957. Amtsgericht. (Siegel)

Geschäftsstelle.

Urkund als Urkundsbeamter."

Vorgeheftet sind Ausfertigungen des Vergleichsprotokolls vom 26. Juni 1957 mit Vergleichsvorschlag v o m 28. Mai 1957 und des Bestätigungsbeschlusses vom 26. Juni 1957 (§ i 5 V I 1 » V I 1 1 A k t O ) . A u f der Tabellenurschrift wird die Erteilung des vollstreckbaren Auszugs in Sp. 10 „Bemerkungen" vermerkt. —

Der Referendar: A u f welchem Wege gelangen Konkursgläubiger, deren Forderungen noch nicht zur Tabelle festgestellt sind, zu ihrem Gelde ? Der Richter: Sie müssen gegen Geier und die Bürgen auf Zahlung der im Vergleich bestimmten Prozentsätze ihrer Forderung zu den dort bestimmten Fälligkeitsterminen klagen. Das gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht zur Tabelle

Konkursrichter — Wirkungen des Zwangs Vergleichs. Nachlaßkonkurs

383

angemeldet haben. Die Bürgen können sich nicht darauf berufen, daß sie mit der Existenz der Forderungen nicht gerechnet hätten, denn, wie wir wissen, wirkt der Zwangsvergleich für alle „Konkursgläubiger" im Sinne des § 3 1 K O (S. 377/8). Referendar: Hat Frau Geier jetzt eine Regreßforderung aus der Verpfändung ihres Grundstücks Tiergartenstraße 18 gegen den früheren Gemeinschuldner? Richter: Der Grundsatz, daß auf eine wirtschaftlich einheitliche Forderung nur einmal Konkursdividende entfällt (S. 367 zu 13), behält seine Kraft auch für den Fall des Zwangsvergleichs. Zahlt Geier dem Hauptgläubiger Schilling die Vergleichsquote, so ist damit seine Verpflichtung gegenüber diesem Gläubiger erfüllt, folglich eine Regreßhaftung gegenüber der Ehefrau ausgeschlossen, denn diese würde voraussetzen, daß er seine Verpflichtung nicht erfüllt hätte. Referendar: Was wird aus dem Preußschen Anfechtungsprozeß? Richter: Die Anfechtung führt keine Nichtigkeit, sondern bloß relative Unwirksamkeit im Verhältnis zu den Konkursgläubigern herbei (§ 29). Nach Aufhebung des Verfahrens gibt es keine Konkursgläubiger mehr. Der Prozeß ist also in der Hauptsache erledigt und Preuß behält gemäß § 193 S. 2 seine Vormerkung. Er hat mit dem Zwangsvergleich das beste Geschäft gemacht. Schlußrechnung und Schlußverzeichnis in einem Nachlaßkonkurs „Schlußrechnung des Rechtsanwalts Dr. Willibald Walter in Köln als Verwalter im Konkurse über den Nachlaß des am 12. September 1954 verstorbenen Gutsbesitzers Lothar Usingeraus Frechen, Landkreis Köln."

Die Schlußrechnung (§86) ist eine Geldrechnung, in welcher als Einnahmen der vom Verwalter zu Anfang des Konkurses übernommene Barbestand sowie die durch Verkauf von Aktiven, Einziehung von Masseforderungen usw. erzielten Beträge erscheinen, während unter den Ausgaben Zahlungen an Absonderungsberechtigte, Massegläubiger usw. stehen. Die Rechnung muß eine Übersicht gewähren, was aus den einzelnen im Inventar (§ 124) aufgeführten Gegenständen geworden ist. Die Verwandlung der „Brutto"- in die „Netto-Konkursmasse" (S. 350) und die Besonderheiten des Nachlaßkonkurses spiegeln sich in ihr wieder. „ A . Einnahmen. 781,20 D M 1. Bestand vom 15. Juni 1955 2. Erlös aus der Verwertung der im Inventar aufgeführten Gegenstände: (folgen die einzelnen Gegenstände, jedesmal mit Angabe von Titel und 43 520,00 D M Nr. des Inventars. Gesamterlös:) 3. Ferner sind folgende, im Inventar nicht verzeichneten Gegenstände durch Anfechtung zur Masse gezogen worden: a) die Prämie der vom Erblasser bei der .Sekuritas' LebensversicherungsA G . in Hamburg ,zu Gunsten meiner Erben' abgeschlossenen Lebensversicherung über 20000 DM, Versicherungsschein Nr. 183420, für 850,00 D M das letzte Jahr Die Versicherungssumme selbst steht dem Erben Kurt Usinger zu. Der Erbe hat die Verpflichtung zur Erstattung der Prämie anerkannt, die Erstattung ist durch Aufrechnung gegen die Forderung zu B 2 d erfolgt."

Da die Lebensversicherung Vertrag zugunsten Dritter ist (§ 330 S. 1 BGB), steht sie dem Begünstigten kraft eigenen Rechts zu, fällt also nicht in die Masse. Gilt das aber auch bei einer Versicherung „zugunsten meiner Erben" ? Nach § 167 1 V V G bedeutet diese Formel im Zweifel, daß die zur Erbfolge Berufenen für ihre Person die Bezugsberechtigung haben sollen, gleichviel ob sie tatsächlich zur Erbfolge gelangen oder der Erbschaft entsagen. Die Versicherungssumme kann dem Begünstigten nicht

3 8 4 Konkursrichter — Lebensversicherung und Schenkung von Todes wegen im Nachlaßkonkurs

durch Anfechtung entzogen werden; denn die Anfechtung dient lediglich dazu, einen den Gläubigern zugefügten Nachteil auszugleichen, nicht aber ihnen besondere Vorteile zu verschaffen. Anders steht es mit der Prämie. Wenn der Begünstigte sie auch nicht direkt aus dem Vermögen des Erblassers erhält, so stellt doch der Anfall der Versicherungssumme — in Höhe der Prämie — wirtschaftlich einen auf Kosten des Nachlasses gemachten unentgeltlichen Erwerb dar. Deshalb unterliegen die Prämienzahlungen der Anfechtung aus § 32 K O (regelmäßig für 1 Jahr, gegenüber Ehegatten für 2 Jahre). R G 61, 217; 62, 46; Jaeger 26 zu § 32 sowie Oellers JW 37, 2938. Vgl. auch die Regelung beim außerordentlichen Pflichtteilsanspruch bei § 2325 B G B . R G 128, 190. b) das Guthaben aus dem auf den Namen des Erblassers lautenden, am 4. September 1954 von ihm der Frau Amtmann Ulrike Adam geb. Usinger in Pforzheim unter der Bedingung des Überlebens geschenkten Sparkassenbuch Nr. 39238 der Kreissparkasse Köln. Betrag nebst Zinsen eingezogen am 8. Februar 1956

953,60 DM."

Vollzogene Schenkungen von Todes wegen sind von jeder Form befreit (§ 2 3 0 1 1 1 B G B ) : aber sie sind im Nachlaßkonkurs selbstverständlich mit der SchenkungsPauliana anzufechten. ,,c) das von dem Erben, Landwirt Kurt Usinger in Altenberg, am 5. Januar 1955 an die katholische Kirchengemeinde in Altenberg ausgezahlte, im Testament des Erblassers vom 10. August 1954 angeordnete Vermächtnis von

2 500,00 DM."

Diese Anfechtung beruht auf § 222 (oben S. 228). Wären die 2500 D M vom Vermächtnisnehmer nicht beizutreiben gewesen, so würde die den Erben im Falle schuldhafter Berichtigung von Nachlaßverbindlichkeiten treffende Verantwortlichkeit praktisch geworden sein. Vgl. §§ 1979, 1980 BGB. 48604,80 DM.

„mithin Summe der Einnahmen B. A u s g a b e n . 1. Zahlungen an absonderungsberechtigte Gläubiger: (folgen die einzelnen Zahlungen. Gesamtsumme:) Die Forderungen der Gläubiger Blasel und Hülshorst, die im Januar bzw. Februar 1955, also vor Eröffnung des Nachlaßkonkurses, Aktiva des Nachlasses gepfändet hatten (vgl. Inventar Titel Nr ) sind nach § 2 2 1 K O nicht als absonderungsberechtigt anerkannt worden. Die genannten Gläubiger haben die Pfandstücke auf meine Aufforderung freigegeben."

3582,90 DM.

Da die Vollstreckungssperre des Konkurses erst als Folge der Eröffnung eintritt (§ 14), müßten — unbeschadet der allgemeinen Anfechtungsmöglichkeit — die zwischen Erbfall und Eröffnung erfolgten Pfändungen eigentlich ein Absonderungsrecht gewähren. Jedoch entzieht ihnen § 221 das Absonderungsrecht, so daß vom Todestag an die par conditio creditorum keine Veränderung durch Vollstreckungshandlungen mehr erfahren kann: die Vollstreckungssperre wird gewissermaßen nachträglich auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückdatiert. Das Besondere dabei ist, daß es keiner Anfechtung der Pfändungen, also auch keines subjektiven Tatbestandes bedarf, die Unwirksamkeit vielmehr ipso iure wirkt. Hatte der pfändende Gläubiger bei Konkursausbruch auf Grund der Pfändung bereits Befriedigung erlangt, so behält er sie — wiederum unbeschadet der Anfechtung aus § 30. Mit § 221 hängt aufs engste das Institut der a u f s c h i e b e n d e n E i n r e d e n zusammen. Der Erbe kann, nachdem er durch Annahme der Erbschaft (bzw. Ablauf der Ausschlagungsfrist) die Passivlegitimation für Klagen der Nachlaßgläubiger erworben hat (Abt. I S . 153 j4), die Befriedigung

Konkursrichter — Masseschulden im Nachlaßkonkurs

385

verweigern: a) während der ersten drei Monate seit Annahme, jedoch nicht über die Errichtung des Inventars hinaus (§ 2014 B G B , s. g. „Dreimonatseinrede"), b) falls innerhalb des ersten Jahres nach der Annahme der Antrag auf Aufgebot der Nachlaßgläubiger gestellt wird: auch noch während der Dauer des Aufgebotsverfahrens (§ 2015 1 ), c) weiterhin während einer Frist von 2 Wochen seit der das Aufgebotsverfahren abschließenden Entscheidung des Amtsgerichts und bis zur Erledigung einer etwaigen Beschwerde (§ 2 0 1 5 m ) , d) wenn während der Fristen zu a-—c Nachlaßkonkurs beantragt ist: bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Konkursantrag (§ 782 S. 2 ZPO). Alles das gilt auch für den an Stelle des Erben handelnden Nachlaßpfleger, Nachlaßverwalter oder Testamentsvollstrecker. Die Geltendmachung der aufschiebenden Einreden führt nicht zur Abweisung der Klage des Nachlaßgläubigers, sondern zur Verurteilung des Erben unter Vorbehalt der beschränkten Haftung (§ 305). Der Erbe kann aber — wie bei der beschränkten Erbenhaftung im engeren Sinne (Abt. I S. 155) — mittels Vollstreckungsgegenklage beim Prozeßgericht erster Instanz erreichen, daß für die Dauer der aufschiebenden Einreden die Zwangsvollstreckung auf bloße Sicherungsmaßnahmen beschränkt wird. §§ 782 S. 1, 785; einstweilige Einstellung nach §§ 769, 785. So hält der Erbe die Vollstreckungen der Nachlaßgläubiger im Pfändungsstadium fest, bis er sich über die Uberschuldung des Nachlasses klar geworden ist. Stellt sich die Überschuldung heraus, so beantragt er Nachlaßkonkurs (§ 215 KO) und die Pfändungen sind dank § 221 unschädlich geworden. Die Vorschrift des § 2 2 1 ermöglicht es bisweilen, daß in Nachlaßkonkursen nachträglich eine beträchtliche Masse geschaffen und eine hohe Dividende an die Gläubiger ausgeschüttet werden kann. „2. Masseschulden: a) bis c) d) Aufwendungen des Erben, Landwirts Kurt Usinger, aus der Verwaltung des Nachlasses bis zur Konkurseröffnung: (folgt Spezifikation) e) Beerdigungskosten f ) Kosten der Testamentseröffnung, Aktenzeichen 55 IV. 195/54 des hiesigen Amtsgerichts g) Kosten des Aufgebots der Nachlaßgläubiger, Aktenzeichen 47 F 19/55 des hiesigen Amtsgerichts

5 288,00 D M

2109,70 DM 625,00 D M 215,85 DM 82,30 D M . "

Während im gewöhnlichen Konkurs die Masseschulden in der Regel nach E r öffnung entstanden sein müssen (§ 59), erklärt für den Nachlaßkonkurs § 224 eine An2ahl v o n Verbindlichkeiten zu Masseschulden, die aus der Zeit zwischen Erbfall und Konkurseröffnung herrühren, so daß also wiederum eine A r t Rückbeziehung auf den Zeitpunkt des Todes stattfindet. Unter § 224 fallen außer den Beerdigungskosten, Kosten der Testamentseröffnung und des Gläubigeraufgebots u. a. die Verbindlichkeiten aus den v o n einem Nachlaßpfleger (einschließlich des Nachlaßverwalters) oder Testamentsvollstrecker für den Nachlaß eingegangenen Geschäften. Ferner A u f wendungen, die der E r b e für die Verwaltung des Nachlasses gemacht hat. A u f G r u n d des zwischen dem Erben und den Nachlaßgläubigern bestehenden auftragsähnlichen Verhältnisses sind dem Erben solche Aufwendungen zu ersetzen (§ 1 9 7 8 1 1 1 B G B ) , wie er andrerseits den Gläubigern für seine Verwaltung des Nachlasses verantwortlich ist. — Hat ein Erbe, Pfleger oder Testamentsvollstrecker den Nachlaß v o r Konkurseröffnung längere Zeit verwaltet und sind dabei nachteilige Geschäfte kontrahiert worden, so zehren diese Masseschulden nicht selten den Nachlaß zum großen Teil auf, oder die Masse reicht nicht einmal für die Masseschulden aus! „3. Massekosten: (folgt Spezifikation, in der aber Honorar und Auslagen des Verwalters und der Gläubigerausschußmitglieder, weil noch nicht vom Gericht festgesetzt, sowie die dem Verwalter noch nicht abschließend bekannten Gerichtskosten fehlen) mithin Summe der Ausgaben 25

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Berg)

3 195,10 DM, 15098,85 D M . "

386

Konkursrichter — Rangordnung im Nachlaßkonkurs

Die Befriedigung von Absonderungsberechtigten, Masseschulden und Massekosten ist keine „Verteilung" im technischen Sinne, sie wird ohne alle Formalitäten vom Verwalter vorgenommen. Dagegen erfolgen Zahlungen an bevorrechtigte Konkursgläubiger grundsätzlich im Rahmen der „Verteilungen"; doch sieht § 170 K O ein vereinfachtes Verfahren vor, indem das Gericht den Verwalter durch besonderen Beschluß ermächtigen kann, Zahlungen auf Vorrechtsforderungen unabhängig von den Verteilungen (also ohne öffentliche Aufforderung) zu leisten. Wäre hiervon im Konkurs Usinger Gebrauch gemacht worden, oder hätte eine Abschlagsverteilung stattgefunden, so würden die geleisteten Zahlungen als weitere Ausgaben hinter den Massekosten stehen. „C. Bestand. Summe der Einnahmen

48 604,80 D M ,

Summe der Ausgaben

15098,85 D M ,

verbleibt ein Bestand von

35505,95 D M .

Davon sind: bei der Landschaftlichen Bank in Köln eingezahlt während ich den Restbetrag von .

29028,40 D M , 4477,55 D M

33 5°5.95

bar hinter mir habe.

D

M

Außerdem sind noch vorhanden die uneinziehbaren Forderungen an Arndt und Scbliebitz Nr des Inventars) mit zusammen nominell 1188,20 D M . Die Grundstücke (Tit Nr des Inventars) sind zwangsweise versteigert worden. Ein Überschuß zu Gunsten der Masse hat sich dabei nicht ergeben, vielmehr bestehen noch einige Ausfallforderungen von Hypothekengläubigern. (Tit

Ich versichere, daß ich alle Einnahmen verrechnet habe und daß andere als die aufgeführten Vermögensstücke nicht in meine Verwaltung gelangt sind. Köln, den 7. Januar 1957. Dr. Willibald Walter, R A . , als Konkursverwalter. Die vorstehende Schlußrechnung haben wir geprüft und in Ordnung befunden. Der unter C angegebene Bank- und Barbestand ist uns nachgewiesen worden. Wir genehmigen die Vornahme der Schlußverteilung. Köln, den 7. Januar 1957. Grund Hochmuth Schwarz, R A "

Vgl. § 86 S. 2. — Während eine Schlußrechnung bei jeder Art von Konkursbeendigung einzureichen ist, wird das Schlußverzeichnis nur bei Ausschüttung der Masse aufgestellt, nicht dagegen in den Fällen des Zwangsvergleichs und der Einstellung (§§ 202f.). Das Schlußverzeichnis ist Verzeichnis der bei der Schlußverteilung zu berücksichtigenden Konkursforderungen, welche nach ihrem konkursmäßigen Rangrecht aufzuführen sind. Für den Nachlaßkonkurs bestehen — auf dem Papier — nach § 226 nicht weniger als 12 Klassen: Die 1. bis 6. bilden die vom Erblasser herrührenden Nachlaßschulden, die auch in einem gewöhnlichen Konkurse geltend gemacht werden könnten, in der Reihenfolge des § 61. Klasse 7—9: vom Erblasser stammende Nachlaßverbindlichkeiten, die wegen § 63 in einem gewöhnlichen Konkurse nicht Konkursforderung sein würden, im Nachlaßkonkurse aber immer noch den Vorzug vor den Ansprüchen der folgenden Klassen haben sollen, nämlich

387

Konkursrichter — Nachlaßverzeichnis

7. Zinsen seit Eröffnung des Verfahrens, 8. Geldstrafen (wobei vorausgeset2t wird, daß die Verurteilung zu Lebzeiten des Erblassers rechtskräftig geworden ist, 9. Freigebigkeiten des Erblassers. (Die ebenfalls unter § 63 fallenden Kosten der Teilnahme am Verfahren sind auch im Nachlaßkonkurs von jeder Berücksichtigung ausgeschlossen). Klasse 10 umfaßt solche an sich in Klasse 1—9 gehörenden Ansprüche, die im Aufgebot der Nachlaßgläubiger ausgeschlossen wurden und deshalb nach dem Grundsatz des § 1973 1 S. 1 B G B auf den Nachlaßrest verwiesen werden müssen, der nach Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Nachlaßgläubiger verbleibt (§ ZÌ6IV KO). Klasse 1 1 : Pflichtteilsansprüche. Klasse 12: Vermächtnisse und Auflagen. Privatschulden des Erben gelangen im Nachlaßkonkurs überhaupt nicht zur Hebung (arg. § 2 2 6 d e r Konkurs bewirkt eine separatio bonorum für die auf den Nachlaß bezüglichen Rechtsverhältnisse des Erben. Die benachteiligten Gläubiger der 7. bis 12. Klasse — für die man in der Konkurstabelle eine besondere Abteilung anlegt — haben grundsätzlich alle Rechte der Konkursgläubiger, insbesondere Stimmrecht, außer beim Zwangsvergleich (arg. § 230"). Bei den Verteilungen werden sie aber nur in den seltensten Fällen in die Erscheinung treten. Denn wenn es zum Nachlaßkonkurse kommt, so ist der Nachlaß fast immer durch Klasse 1—6 überschuldet. Sie brauchen dann auch nicht in die Verteilungsliste aufgenommen zu werden. Das Usingersche Schlußverzeichnis lautet: „I. Bevorrechtigte Forderungen, Nr.

die im A u s s c h l u ß u r t e i l v o m behalten sind.

3. Mai 1 9 5 3

vor-

Tabelle

II I

II 2 I1

3

II 4

I" ! Il"l IIVl IIV2

Gutsverwalter Dittmar Hollweg in Frechen, rückständige Gehaltsforderung1) Chauffeur Willy Zarnikow in Köln-Klettenberg, rückständige Gehaltsforderung Schaffer Paul Ast in Jakobsdorf, rückständige Gehaltsforderung Wirtschafterin Karoline Glofke in Köln, rückständige Gehaltsforderung zu 1—4 von dem Erben, Landwirt Kurt Usinger, der die Gläubiger bezahlt hat, geltend gemacht. Finanzamt Köln, rückständige Einkommensteuer . . . katholische Kirchengemeinde Schönborn, rückständige Kirchensteuer Apotheker Fritz Kolbe in Schönborn, für gelieferte Heilmittel Dr. Unblutig, Spezialarzt für innere Krankheiten in Köln für ärztliche Behandlung zu 8 von dem Erben, Landwirt Kurt Usinger, der den Gläubiger bezahlt hat, geltend gemacht. zusammen:

195,00 D M 160,00 D M 112,5° DM 93.7° D M

782,50 D M 223,80 D M 102,00 D M 495»°° D M

2164,50 D M

l ) Die Zeitangaben, von denen das Vorrecht nach § 61 K O abhängt, sind der Raumersparnis halber durchweg fortgelassen. 2,»

388

Konkursrichter — Erbe und Nachlaßkonkursmasse II. N i c h t b e v o r r e c h t i g t e ,

II 1

II :

im A u s s c h l u ß u r t e i l Forderungen.

vom

3. M a i

1956

A. Vorbehaltlos festgestellte. Notar Siege/ in Köln, Restgebühren und Wegegebühren für Aufnahme des Testaments vom 10. August 1954 zu 9 von dem Erben, Landwirt Kurt Usinger, der den Gläubiger bezahlt hat, geltend gemacht. Viehhändler Arthur Grund in Hürth für Lieferung von Vieh

vorbehaltene

189,50 D M

6950,00 D M zusammen:

83927,84 D M "

Der Erbe, der Nachlaßverbindlichkeiten berichtigt, kann zweifache Rechtstellung haben. Fällt ihm bei der Zahlung Fahrlässigkeit nicht zur Last, so müssen die Nachlaßgläubiger, auch wenn sich später Überschuldung herausstellt, die Berichtigung als für Rechnung des Nachlasses geschehen gelten lassen (§ 1979 BGB): der Erbe darf also den Betrag aus der Nachlaßmasse entnehmen, bzw. im Konkurs als Masseschuld geltend machen (§ 224 1 KO). War dagegen dem Erben die Überschuldung bekannt oder infolge von Fahrlässigkeit unbekannt — insbesondere weil er das Aufgebot der Nachlaßgläubiger nicht betrieben hat, obgleich mit dem Vorhandensein unbekannter Nachlaßverbindlichkeiten zu rechnen war (§ 1 9 8 0 " S. 2 BGB), oder weil er das Ergebnis des Aufgebots nicht abgewartet und die aufschiebenden Einreden (S. 384/5) nicht erhoben hat —, so kann der Erbe lediglich die von ihm bezahlte Nachlaßschuld an Stelle des Gläubigers im Konkurse geltend machen (§ 225 1 1 KO). Die Zahlung gilt also in diesem Falle nicht als Tilgung. Den Betrag der von ihm bezahlten bevorrechtigten Forderungen Hollweg, Zarnikow, Ast, Glofke und Unblutig wird Kurt Usinger auf Grund seiner Anmeldung voraussichtlich wieder erhalten, während er an der nicht bevorrechtigten Forderung des Notars Siegel die Differenz zwischen der vollen Summe und der Konkursdividende verliert. „B. G e m ä ß § 64 K O f e s t g e s t e l l t e F o r d e r u n g e n , bei denen V e r z i c h t auf das A b s o n d e r u n g s r e c h t oder der A u s f a l l n a c h g e w i e s e n ist. Nr.

Tabelle

71

II 1 }

Gutsbesitzer Martin Hochmutb, Schönborn, Darlehnsforderung, eingetragen auf Frechen, Blatt Nr. 20 in Abt. III Nr. 15, Ausfall 4328,70 D M zusammen:

9852,45 D M

C. F e s t g e s t e l l t e F o r d e r u n g e n , die nur zu einer S i c h e r u n g b e r e c h t i g e n . 77 II 38 Kaufmann Hellmuth Kroker, Köln, Anspruch aus der vom Erblasser beim Verkauf der Hypothek von 5000 D M auf Lerchenfeld Bl. Nr. 53 für den Fall des Ausfalls der Hypothek übernommenen Garantie . . 5000,00 D M zusammen:

5000,00 D M

Köln, den 7. Januar 1957. Dr. Willibald Walter, R A . , als Konkursverwalter."

Vgl. § 67 KO. Gegebenenfalls enthält das Schlußverzeichnis im Hinblick auf §§ 168, 169 weitere Rubriken für bestrittene Forderungen, die tituliert oder im Feststellungsprozeß befangen sind. Über Schlußrechnung und Schlußverzeichnis im Gesamtverlauf des Schlußverfahrens bei Ausschüttung der Masse vgl. S. 4i4f.

io. K a p i t e l

Beim Konkursverwalter Bestellung und eiste Maßnahmen Am 25. Februar 1957 gegen. 14 Uhr nachmittags wird dem Kaufmann und Konkursverwalter Bender vom Gericht Ausfertigung folgenden Beschlusses zugestellt: „Beschluß. Über das Vermögen des Kaufmanns Johannes Held in Köln, Moltkestraße 25, Alleininhabers der Firma, Johannes Held Wäschefabrik' in Köln, Karlsstraße 13, wird heute am 25. Februar 1957 nachmittags 12V2 Uhr das Konkursverfahren eröffnet, weil er zahlungsunfähig ist und die Eröffnung des Konkurses beantragt hat. Der Kaufmann Friedrich Bender in Köln wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkursforderungen sind bis zum 4. April 1957 bei dem Gericht anzumelden. Termin zur Beschlußfassung über die Beibehaltung des ernannten oder die Wahl eines anderen Verwalters sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretendenfalls über die im § 132 K O bezeichneten Gegenstände wird auf den 20. März 1957 vormittags 9 Uhr und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 25. April 1957 vormittags 10 Uhr vor dem unterzeichneten Gericht anberaumt. Allen Personen, die eine zur Konkursmasse gehörige Sache usw. wie S. 347/8. Köln, den 25. Februar 1957. Amtsgericht. Richter."

Die Bestallung liegt bei. Bender begibt sich sofort in das Geschäftslokal des Schuldners und teilt dem Personal mit, daß er zum Konkursverwalter bestellt und daß nur noch seinen Weisungen Folge zu leisten ist. Er nimmt Kasse und Schlüssel an sich. Dann läßt er sich von dem inzwischen aus einem Café herbeigeholten Held allgemein über die Sachlage informieren. Held, der von Hause aus nur geringe Mittel besaß, aber in gut bezahlten Reisendenstellungen mehrere Tausend D-Mark erspart und 25000 D M von seiner Ehefrau Minna, geb. Obst, in die Ehe bekommen hat, hat am 1. Oktober 1954 ein Fabrikations- und Engrosgeschäft in Wäsche und Blusen mit Detailverkauf eröffnet. Das Geschäft ist nicht schlecht gegangen, doch sind die Erträge durch die hohe Miete aufgezehrt worden. Bei seiner Etablierung hat nämlich Held unvorsichtigerweise ein großes Geschäftslokal im ersten Stock eines modernen Geschäftshauses für jährlich 9000 D M bis 1. Oktober 1963 fest gemietet. Er würde in billigeren Räumen dasselbe Geschäft gemacht haben, doch hat sich die Vermieterin, Firma Sievers & Co. in Düsseldorf, geweigert, ihn vorzeitig aus dem Vertrage zu entlassen. In den letzten Monaten haben mehrere Engroskunden die Zahlung eingestellt und dadurch Heids Lage kritisch gemacht, zumal auch große Lagerverluste durch Preisrückgang eingetreten waren. Auf die am 1. Januar 1957 für das erste Quartal pränumerando fällige Miete hat Held nur Abschlagszahlungen leisten können. Die den Lieferanten gegebenen, im Februar fälligen Warenwechsel sind zu Protest gegangen und einge-

390

Konkursverwalter — Erste Maßnahmen

klagt worden, Termin steht in einer Reihe von Sachen am 4. März an. Weitere Wechsel über insgesamt 14500 D M werden Anfang und Mitte März fällig. Aus diesem Grunde hat Held selbst den Konkurs beantragt. Gepfändet haben die Fabrikanten Mangold-Krefeld und Matheus-Aachen am 15. bzw. 16. Februar wegen Forderungen von einigen Hundert Mark, Versteigerungstermin ist auf den 12. März angesetzt. Grundstücke und Hypotheken besitzt Held nicht. Ein allgemeines Veräußerungsverbot (S. 347) war im EröfFnungsverfahren nicht erlassen worden. — Der Verwalter ordnet an, daß die Angestellten sofort mit einer schleunigen Inventur beginnen. Der Verkauf an die Detailkundschaft soll fortgesetzt und die Kasse jeden Abend im Büro des Verwalters abgeliefert werden. Zu neuen Engrosabschlüssen sowie zur Lieferung von Waren auf bestehende Abschlüsse ist jedesmal die ausdrückliche Anweisung des Verwalters einzuholen. Die Reisenden werden von der Tour zurückgerufen und den auswärtigen Vertretern wird mitgeteilt, daß der Konkurs eröffnet und das Vertretungsverhältnis damit erledigt sei. Hierauf begibt sich Bender mit dem Gemeinschuldner in dessen Wohnung. Über sämtliche dort befindlichen Wertsachen wird ein Verzeichnis aufgestellt und von Held und seiner Frau mitunterschrieben. Die Wertsachen nimmt Bender mit. Er belehrt Frau Held sowie die Dienstboten, daß von jetzt ab nur er allein in der Wohnung verfügungsberechtigt ist, da der Konkurs das gesamte — nicht bloß das Geschäfts Vermögen des Gemeinschuldners ergreift, und verbietet unter Hinweis auf die Strafvorschriften der §§ 239 1 K O , 49, 257 StGB jede Entfernung oder Beiseiteschaffung von Gegenständen. Als Unterlage für das demnächst vom Verwalter anzufertigende Inventar soll Held ein genaues Verzeichnis sämtlicher in der Wohnung befindlichen Sachen, auch der unpfändbaren und der von der Frau beanspruchten aufstellen und die urkundlichen Beweise für das Eigentum der Frau zurechtlegen. In den folgenden Tagen arbeitet der Verwalter weiter an der Feststellung der Masse und der schwebenden Rechtsverhältnisse. Zu den Gerichtsakten sämtlicher von Held oder gegen ihn geführten Prozesse zeigt er die Konkurseröffnung an (vgl. S. 409). Dann schreibt er dem Konkursgericht: „In der Anlage überreiche ich das vorläufige Gläubiger- und Schuldnerverzeichnis."

Das Gericht stellt daraufhin den EröfFnungsbeschluß den sämtlichen im Verzeichnis aufgeführten Gläubigern und Schuldnern zu (§ m m KO). Doch wirkt die Eröffnung auch gegen den, dem nicht zugestellt ist. „Mit Rücksicht darauf, daß die Verwaltung ziemlich umfangreich ist und zahlreiche Fragen zu entscheiden sein werden, bei denen mir die Mitwirkung eines Gläubigerausschusses erwünscht wäre, und weil ferner die erste Gläubigerversammlung erst am 20. März stattfindet, beantrage ich: gemäß § 87 1 K O aus der Zahl der Gläubiger und Vertreter von Gläubigern einen Gläubigerausschuß zu bestellen. Als Mitglieder schlage ich vor die Herren Bankier Schilling und Otto Wiese als die größten in Köln ansässigen Gläubiger sowie den R A . Schwarz in Köln als Bevollmächtigten der Firma Emanutl Rode in Frankfurt. Ferner beantrage ich gemäß § 121 K O : die Post- und Telegraphensperre anzuordnen. Bender, Konkursverwalter."

Seinen Anträgen wird entsprochen. Bender erhält nunmehr die gesamte geschäftliche und private Post unmittelbar zugestellt. A k t e n des V e r w a l t e r s : Der Verwalter legt seine Akten nach dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit an, wobei sich je nach Art des Konkurses verschiedene Gesichtspunkte ergeben. Eine Richtlinie gibt die Aktenordnung des Gerichts (vgl. oben S. 354/5), so daß sich ein Band „Verfahren",

Konkursverwalter — Erfüllung schwebender Verträge

391

ein Band „Schuldenmasse" und insbesondere auch ein Band „Teilungsmasse" empfiehlt. Gerade letzterer, der für das Gericht nicht obligatorisch ist, spielt beim Verwalter eine große Rolle. In der Regel werden je nach Bedarf über die Teilungsmasse Spezialakten für Anfechtungen, Massegläubiger, Erfüllung von Verträgen, einzelne streitige Aktivforderungen usw. geführt. Jedem Bande wird zweckmäßiger Weise eine besondere „Nachweisung" vorgeheftet. Diese Einrichtung findet sich auch in den gerichtlichen Vormundschafts-, Pflegschafts- und Beistandschaftsakten und ist eine wesentliche Erleichterung bei Führung einer Verwaltung. Eine Übersicht über sämtliche in der Sache geführten Akten befindet sich in der Nachweisung der „Verfahrens"-Akten. Außerdem muß der Verwalter hier, weil ein kaufmännisches Handelsgeschäft betrieben wird, ordnungsmäßige Handelsbücher führen.

Kaufverträge.

Erfüllung der Verträge

„Herrn Konkursverwalter Bender, Köln. Hierdurch bitte ich um gefl. Mitteilung, ob Sie mir die Anfang Februar d. J . bei Herrn Held gekauften 300 Blusen noch liefern werden, da ich mich nötigenfalls anderwärts eindecken und meinen Schadensersatzanspruch im Konkursverfahren geltend machen müßte. Viersen, den 5. März 1957. Gustav Völkel." „Herrn Konkursverwalter Friedrich Bender, Köln. Im Januar d. J . wurden von der Firma Johannes Held Wäschefabrik die in der beiliegenden Rechnung enthaltenen Leinen- und Wäschestoffe für insgesamt 1182 D M bei uns bestellt. Falls Sie auf dieselben reflektieren, sind wir bereit, sie Ihnen gegen Nachnahme des Rechnungsbetrages zuzusenden. Erhalten wir bis zum 12. d. Mts. keinen Bescheid, so werden wir über die Waren anderweit verfügen. Bielefeld, den 6. März 1957. Paul Haseloff & Co."

Es würde unbillig sein, den Vertragsgegner eines bei Konkurseröffnung beiderseits unerfüllten Austauschvertrages zur Leistung zu zwingen, wenn er für seine Gegenleistung lediglich die Konkursquote beanspruchen könnte. Ist also ein „zweiseitiger" (d. h. hier so viel wie „gegenseitiger") Vertrag z. Z. der Eröffnung „von dem Gemeinschuldner und von dem anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt", so gibt das Gesetz dem Verwalter das Recht, die Erfüllung abzulehnen. Alsdann hat der Vertragsgegner nur einen Schadensersatzanspruch als gewöhnliche Konkursforderung. Verlangt aber der Verwalter Erfüllung, so wird nunmehr der Erfüllungsanspruch des anderen Teils Masseschuld und die Leistung hat Zug um Zug zu geschehen. § § 1 7 , 26, 592 K O , 320 B G B . Liegt auch dann ein von keiner Seite vollkommen erfüllter Vertrag vor, wenn der Verkäufer die Ware unter Eigentumsvorbehalt (Bd. I S . 15) geliefert, jedoch noch nicht den Kaufpreis erhalten hat? Die Übereignung steht hier unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung (§455 BGB). Zwar hat der Verkäufer alles von seiner Seite Zur Eigentumsverschaffung Erforderliche getan, aber objektiv ist der mit dem Kauf erstrebte Erfolg der Eigentumsübertragung (§ 433 1 S. 1) noch nicht eingetreten, und daher § 17 K O anzuwenden. R G 133, 40; Ausnahme: wenn der Käufer mit Zustimmung des Verkäufers die Ware an seine Kunden weiterveräußert und der Eigentumsvorbehalt sich dadurch erledigt hat (vgl. unten S. 401 und im einzelnen zu den zahlreichen hier auftretenden Fragen Bauknecht N J W 1956, 1177ff.). Als nicht vollständig erfüllt betrachtet die Rechtsprechung ferner den Grundstückskauf zwischen Auflassung und Grundbuchumschreibung, zumindest in dem Falle, daß der Eintragung des Käufers besondere Hindernisse entgegenstehen, welche der Verkäufer beseitigen muß. R G 85, 402; 1 1 3 , 402. Hat der Käufer auf Grund vorläufig vollstreckbaren Urteils den Kaufpreis an den Verkäufer bezahlt, so ist —• trotz der Möglichkeit der Rückforderung bei Aufhebung des Urteils — das Geschäft von seiner Seite vollständig erfüllt. R G 85, 214.

892

Konkursverwalter — Erfüllung schwebender Verträge

Im V e r g l e i c h s v e r f a h r e n nehmen die nicht erfüllten gegenseitigen Verträge ebenfalls eine Sonderstellung ein, indem die Gläubiger aus solchen Verträgen am Vergleichsverfahren nicht beteiligt sind und vom Vergleiche nicht betroffen werden. Jedoch gilt die Besonderheit, daß bei einer teilbaren Leistung der Gläubiger wegen der teilweise erbrachten Leistung Vergleichsgläubiger ist (§ 36 VerglO). Streitig ist die Konstruktion des in § 26 K O erwähnten Schadensersatzanspruchs. Nach der von Jaeger (43 zu § 17 )vertretenen Ansicht, für welche sehr wesentlich die Parallelbestimmung des § 52 1 VerglO ins Gewicht fällt, beruht er unmittelbar auf der Konkurseröffnung in Verbindung mit der Erfüllungsablehnung des Verwalters. Andere legen dem § 26 K O bloß die Bedeutung bei, daß ein aus allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts herzuleitender Anspruch konkursrechtlich als nicht bevorrechtigte Konkursforderung qualifiziert werde. Vgl. R G 63, 69 (Verzug; es wird dabei — unter Außerachtlassung des in § 279 B G B aufgestellten Grundsatzes, daß Mangel an Geld stets zu vertreten ist — unterschieden, ob den Gemeinschuldner ein Verschulden an der Konkurseröffnung trifft oder nicht); 135, 167 (positive Vertragsverletzung, die in der Ablehnung durch den Verwalter bestehen soll). Vgl. hierzu neuerdings Lent, Festschr. f. Heinr. Lehmann S. 8 3 7 f r .

Die Wahl zwischen den beiden ihm durch § 1 7 K O offen gelassenen Möglichkeiten trifft der Verwalter, je nachdem das v o m Gemeinschuldner abgeschlossene Geschäft für die Masse vorteilhaft oder ungünstig war. A n Völkel hatte der Gemeinschuldner zu billig verkauft, und die Blusen müßten erst angefertigt, vielleicht auch Materialien dazu angeschafft und infolgedessen neue Masseschulden (§ 59 1 ) eingegangen werden, um erfüllen zu können: von diesem Vertrage will der Verwalter loskommen. Dagegen sind die bei Haseloff bestellten Waren sehr preiswert und für die Masse gut zu verwerten, deshalb möchte sie Bender geliefert haben. Hierzu bedarf es nach § 1 7 1 1 einer positiven Antwort auf die eingegangenen Anfragen, weil sonst der Erfüllungsanspruch wegfällt. Der Verwalter verständigt sich mit dem Gläubigerausschuß, ohne dessen Genehmigung er die Erfüllung schwebender Verträge nicht verlangen soll (§ 1 3 3 2> oben S. 354), während er zur Ablehnung der Erfüllung selbständig befugt ist, und schreibt sodann an Völkel: „ A u f Ihre Anfrage vom 5. ds. Mts. erkläre ich, daß ich die Blusen nicht liefern werde. Falls Sie glauben, dieserhalb Schadenersatzansprüche erheben Zu können, stelle ich Anmeldung zur Tabelle anheim."

Mit dieser Erklärung „tritt", wie §§ 17, 26 es ausdrücken, „die Nichterfüllung ein". Der Vertrag ist durch die Ablehnung nicht geradezu aufgehoben. Aber weder kann Völkel jetzt noch Lieferung verlangen, noch braucht er den Kaufpreis an die Masse zu zahlen. Diese Veränderung des Rechtsverhältnisses wirkt über die Beendigung des Konkurses hinaus. R G 79, 209. A n Haseloff schreibt der Verwalter: „ I n Beantwortung Ihrer Anfrage vom 6.. ds. Mts. teile ich Ihnen mit, daß ich gemäß § 1 7 1 K O den Vertrag an Stelle des Gemeinschuldners erfüllen werde und von Ihnen Erfüllung verlange. Sie befinden sich jedoch im Irrtum, wenn Sie glauben, zu Ihrer Sicherung die Waren unter Nachnahme abgehen lassen zu müssen. Dadurch, daß ich Erfüllung des Vertrages fordere, wird der Anspruch auf Bezahlung der Waren zur Masseschuld (§ 59® KO). E r wird daher noch vor den bevorrechtigten Konkursgläubigern aus der Masse gedeckt, und es besteht keine Gefahr, daß Sie einen Ausfall erleiden. Ich ersuche deshalb, mir die Waren nachnahmefrei zugehen zu lassen. Ich werde, wie Sie es mit dem Gemeinschuldner vereinbart haben, innerhalb 10 Tagen nach Empfang der Ware regulieren."

Verträge, deren Erfüllung der Verwalter verlangt, sind ebenso zu erfüllen, wie wenn der Käufer nicht im Konkurse wäre. Ist also über die Zahlungsweise nichts Abweichendes vereinbart, so können beide Teile Zug-um-Zug-Leistung gemäß § 320 B G B fordern. A n sich stellt die Konkurseröffnung eine nachträgliche Verschlechterung der Vermögenslage des Käufers dar, so daß Haseloff die Rechte aus § 321 zu-

Konkursverwalter — Sukzessivlieferungsgeschäft

398

stehen. D a jedoch die Kaufpreisforderung Masseschuld ist, würde die Verschlechterung dem Käufer nur dann gefährlich werden können, wenn zweifelhaft wäre, ob die Masse zur Deckung der Masseschulden ausreicht. Sukzessivlieferungsgeschäft. „Herrn Konkursverwalter Friedrich Bender, Hier. Am 20. Oktober v. J . kaufte die Firma Jobannes Held Wäschefabrik von uns 1000 Gros Druckknöpfe Nr. 937 C zum Preise von 2,20 DM je Gros und zur sukzessiven Abnahme auf Abruf bis 1. Oktober 1957. Wir ersuchen um gefl. Erklärung gemäß § 1 7 1 1 KO, ob Sie für die Masse die Erfüllung dieses Vertrages beanspruchen. Köln, den 7. März 1957. M. Hering I V ). Zur Vereinfachung des künftigen Eröffnungsverfahrens ist die Verwahrung beim Münsterberger Gericht vorzuziehen (13. Kap. „Testamentseröffnung").

Wechselprotest. Haftung des Notars P r ü f u n g des W e c h s e l s ,

Protestaufnahme.

Keller ist stadtbekannt unter Hinterlassung einer großen Schuldenlast flüchtig geworden, Borger in Konkurs geraten. Der Wechsel geht am 10. Oktober 1956, einem Mittwoch, von der Landesproduktenhandlung Riewer zur Protesterhebung ein. Das Papier ist ein „Dato-Wechsel" (Art. i 4 WG) „an eigene Order" (Art. 31) mit einer auf den Zahlungsort lautenden „Notadresse" (Art. 55, 59). Die 8 Erfordernisse des gezogenen Wechsels (Art. 1) sind gewahrt. Insbesondere genügt die Remittentenbezeichnung „zahlen Sie mir", da der Wechsel als „geborenes Orderpapier" keiner positiven Orderklausel bedarf. Die meisten Wechselformulare sagen beim Wechsel an eigene Order: „an die Order von mir selbst".

473

Notar — Wechselmäßige Legitimation

„Berlin-Lichterfelde, Drei

Monate

die Summe

a dato zahlen von 950,00

und stellen

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Sie mir gegen diesen

DM,

neunhundertfünfzig

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Bericht. Lichterfelder Sauerkohlfabrik Hermann Essig & Co.

Falls bei Herrn Karl Borger in Berlin-Steglitz,

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1956.

Worten:

Herrn Gotthard Keller in Berlin-Steglitz, Moltkestraße 20,

¡35 V "3a pf» h. 111 und Art. 1041 G G auf Antrag der Verwaltungsbehörde das Amtsgericht nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen vom 8. Juni 1956 (BGBl I 599). Im Begleitschreiben berichtet das Jugendamt: „Der Mündel befindet sich im Kinderheim zum Guten Hirten. Der Unterhalt wird mit dem von Frank gezahlten Betrag von monatlich 50 DM bestritten. Gemäß §§ 3 3 1 S. 2 JWG, 1 8 5 4 1 1 S. 2 BGB beantragen wir: zu bestimmen, daß wir eine Übersicht des unserer Verwaltung unterliegenden Vermögens nur alle fünf Jahre einzureichen haben." Nach den angezogenen Bestimmungen steht dem Jugendamt als — gesetzlichem oder bestelltem — Amtsvormund das Höchstmaß der bei einem Vormund überhaupt zulässigen Befreiungen zu. Also keine Verwaltungsrechnung, sondern nur Einreichung von Vermögensübersichten in Zwischenräumen von 2—5 Jahren. V g l . S. 540. Verfügung: „ 1 . In der Alfred Felix Hurtigsehen Vormundschaftssache wird gemäß § 1 8 5 4 1 1 S. 2 BGB, § 3 3 1 S. 2 JWG angeordnet, daß Vermögensübersichten nach Ablauf von je fünf Jahren einzureichen sind, zum ersten Mal am 1. Dezember 1961. 2. Nachricht dem Jugendamt. 3. Vorzulegen am 15. Dezember 1 9 6 1 . " A n f e c h t u n g des V a t e r s c h a f t s a n e r k e n n t n i s s e s . V e r g l e i c h . Ein halbes Jahr später berichtet das Jugendamt, daß Frank die von ihm zu Protokoll des Jugendamts am 1. Dezember 1956 abgegebenen Erklärungen wegen arglistiger Täuschung angefochten und, da das Jugendamt den verlangten Verzicht auf die Rechte aus der Urkunde abgelehnt hat, beim Landgericht Klage gegen den durch seinen Amtsvormund vertretenen Mündel erhoben hat mit dem Antrag: „ 1 . festzustellen, daß der Kläger nicht der Vater des Beklagten ist, 2. festzustellen, daß die vom Kläger am 1. Dezember 1956 zur Niederschrift des Jugendamts Berlin-Steglitz abgegebenen Erklärungen infolge der vom Kläger erklärten Anfechtung nichtig sind, 3. den Beklagten zu verurteilen, auf die Rechte aus der Verhandlung vom 1. Dezember 1956 zu verzichten und den Beklagten von allen in dieser Verhandlung übernommenen Verpflichtungen zu befreien, 4. die Zwangsvollstreckung aus der Verhandlung vom 1. Dezember 1956 für unzulässig zu erklären." A u f Antrag des Jugendamts stellt der Rechtspfleger ein Armutszeugnis aus. Prozesse, in welchen das uneheliche Kind Unterhaltsansprüche gegen seinen Vater geltend macht, sind von Beibringung des Armutszeugnisses befreit. § 11811 S. 2 ZPO. Hier handelt es sich aber um eine Feststellungs-, Bereicherungs- und Vollstreckungsgegenklage. Demgemäß richtet sich auch die Zuständigkeit des Gerichts nach §§ 2 3 1 GVG, 7 9 7 I V > v , 802 ZPO, 4 pr. Ges. vom 24. Dezember 1926, nicht nach § 232 G V G (OLG München, NJW 1952, 149; bestr.). Die auf der unehelichen Vaterschaft beruhenden vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen dem Erzeuger und dem Kinde können für sich Gegenstand eines Feststellungsprozesses sein, der nach § 644 ZPO im ordentlichen streitigen

496

Vormundschaftsgericht — Anfechtung des Vaterschaftsanerkenntnisses

Verfahren ausgetragen wird. Daneben läßt der Bundesgerichtshof eine Klage auf Feststellung der blutsmäßigen unehelichen Abstammung zu, über die im Statusverfahren nach den §§ 640 fr. ZPO zu entscheiden ist (BGH 5, 385; N J W 1956, 1438). Eine hieraufgerichtete negative Feststellungsklage ist allerdings schon dann abzuweisen, wenn es ungewiß bleibt, ob der Kläger der Vater des beklagten Kindes ist (BGH N J W 1955, 1107). Die Klage des Frank zielt mit dem Klageantrag zu 1 ersichtlich auf die Feststellung des Nichtbestehens der Zahlvaterschaft, da andernfalls das Verbindungsverbot des § 640 11 ZPO nicht beachtet wäre. Nachdem das Prozeßgericht Beweise erhoben hat, berichtet das Jugendamt weiter: „Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß der Kläger Frank der Kindesmutter während der Empfängniszeit nur ein- oder zweimal beigewohnt hat, daß sie dagegen, außer mit dem Reisenden Liebetanz, auch mit dem aus ihrem Heimatdorf stammenden Kraftfahrer Felix Knauer regelmäßig geschlechtlich verkehrte. Schon vor dem Vaterschaftsanerkenntnis hat Frank auf Liebetan% Verdacht gehabt. Die Mündelmutter hat, als Zeugin vernommen, zugegeben, daß sie Frank seinen Verdacht ausgeredet und ihm hoch und heilig versichert hat, er sei der einzige gewesen, von dem sie das Kind empfangen haben könne. Frank behauptet, die Kindesmutter habe ihm damals Briefe des Liebetan£ vorgelegt, aus denen sich ergeben habe, daß Frau Mücke den Liebetanz mit seinen Annäherungsversuchen abgewiesen hätte, und bezeichnet die Briefe als Fälschung der Mutter. Die Aussage hierüber hat Frau Mücke verweigert. Sie behauptet aber, daß Frank von ihren Beteuerungen und von den Briefen nicht völlig überzeugt gewesen sei, was wiederum der Kläger bestreitet. Ob das Gericht den vom Kläger verlangten Blutgruppenbeweis erheben wird, mit welchem der Kläger beweisen will, daß das Kind unmöglich aus einer seiner Beiwohnungen herrühren könne, ist noch ungewiß. Voraussichtlich wird jedoch der Kläger als Partei darüber vernommen werden, ob er Vaterschaftsanerkenntnis, Unterhaltsverprechen und Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung lediglich im Vertrauen auf die Richtigkeit der ihm von der Mutter gemachten Angaben und der von ihr vorgelegten Briefe erklärt hat. Im Falle der Eidesleistung würde der Klage mindestens insoweit stattgegeben werden, als sie sich auf die Urkunde vom 1. Dezember 1956 bezieht. Inzwischen hat Frank die Mündelmutter, die vor und nach der Geburt des Kindes bei ihm in Stellung gewesen, aber gleichzeitig mit der Anfechtung entlassen worden war, wieder in sein Haus genommen und zahlt weiter den Unterhalt für das Kind. Er hat sich bereit erklärt, vergleichsweise 4000 DM an den Mündel zu zahlen und auf Erstattung der bisher geleisteten Unterhaltsbeträge zu verzichten, wenn die Nichtigkeit der Verhandlung vom 1. Dezember 1956 anerkannt und auf alle dem Mündel über die Vergleichssumme hinaus zustehenden Ansprüche verzichtet wird. Die Kosten des Rechtsstreits sollen gegeneinander aufgehoben werden. Da wir den Vergleich bei dem Stande des Prozesses für vorteilhaft halten, beantragen wir: uns gemäß § 1822 12 B G B zum Abschluß des Vergleichs vormundschaftsgerichtlich zu ermächtigen." Das Genehmigungserfordernis für Vergleiche über 3 00 D M gilt auch bei befreiter Vormundschaft (arg. § 1 8 5 2 1 1 ) . —• W i e kann ein Mann, der eigene Beiwohnungen während der Empfängniszeit zugibt und der die Einwendung (nicht Einrede) des Mehrverkehrs nach § 1 7 1 8 B G B verloren hat, v o n Vaterschaftsanerkenntnis und Unterhaltsversprechen noch loskommen ? 1. Der E r f o l g der Arglistanfechtung hängt zunächst davon ab, ob die A n erkennung der Vaterschaft eine „ g e g e n ü b e r " dem Kinde abgegebene Erklärung ist. Bei Bejahung der Frage würde nämlich die v o n der Mutter als „ D r i t t e r " (§ 1 2 3 1 1 B G B ) begangene Täuschung die Anfechtung nur dann rechtfertigen, wenn der V o r mund als gesetzlicher Vertreter des Kindes sie kannte oder kennen mußte. Die Rechtsprechung sieht das Vaterschaftsanerkenntnis nicht als empfangsbedürftige Erklärung an. Sie stellt jedoch strenge Anforderungen an den Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und Erklärung. Wer, als unehelicher Vater in Anspruch genommen, sich zur Anerkennung entschließt, tut es gewöhnlich nicht im Vertrauen auf die Richtigkeit der feierlichen Beteuerungen der Mutter, sondern in der E r w ä g u n g , daß er die Beiwohnung anderer Männer im Rechtsstreit schwer beweisen kann und es daher

Vormun^schaftsgericht — Anfechtung des Vaterschaftsanerkenntnisses

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für ihn das Vernünftigste ist, freiwillig anzuerkennen. Für die Kausalfrage kommt es nicht darauf an, was er bei Kenntnis der wirklichen Sachlage getan, sondern wie er sich ohne jede Beeinflussung, aber auch ohne Aufklärung durch die Mutter verhalten hätte. Immerhin sind Fälle denkbar, in denen die Anerkennung auf eine von der Mutter begangene Täuschung ursächlich zurückgeführt werden kann, z.B. weil sie sich hinterlistiger Kunstgriffe bedient hat; die Vorweisung gefälschter Briefe wäre ein solcher Kunstgriff, R G 5 8, 348; 107, 175; J W 1931, 1358 mit Anm. Brandis; K G J R 1949, 383; abweichend hiervon nehmen O L G München H R R 1940 Nr. 145 und Staudinger-Coing, B G B 1 1 . Aufl., § 123 Anm. 23 i an, daß auch einfaches Ableugnen des Mehrverkehrs die Anfechtung begründen könne, wenn der angebliche Kindesvater dieser Angabe tatsächlich geglaubt hat. 2. Läßt sich das Vaterschaftsanerkenntnis nicht durch erfolgreiche Anfechtung beseitigen, so kann es auch nicht mit der Begründung, daß materiell der Tatbestand der exceptio plurium vorhege und deshalb weder zur Anerkennung der Vaterschaft noch zum Unterhaltsversprechen ein Rechtsgrund bestanden habe, kondiziert werden. 3. Der Einwand der „offenbaren Unmöglichkeit" oder der Nachweis, daß eine Beiwohnung innerhalb der Empfängniszeit überhaupt nicht stattgefunden hat, bleiben trotz des Vaterschaftsanerkenntnisses zulässig; dadurch wird das einseitige Schuldanerkenntnis ohne weiteres entkräftet, ohne daß es einer Kondiktion, sei es des Vaterschaftsanerkenntnisses (so R G 161, 279) noch des Schuldanerkenntnisses selbst (so O L G Stuttgart, N J W 1951, 361) bedarf (OLG Karlsruhe, N J W 1953, 1353; vgl. auch B G H 1, 181). Um sich ein Urteil über die Zweckmäßigkeit des geplanten Vergleichs zu bilden, läßt der Richter die Prozeßakten kommen, und da sie die Auffassung des Jugendamts bestätigen, verfügt er: „ 1 . Beschluß. Gemäß § I 8 2 2 1 2 B G B wird das Jugendamt Berlin-Steglitz namens des am 3. Oktober 1956 geborenen Alfred Felix Hurtig vormundschaftsgerichtlich ermächtigt, mit dem Rentner und Hausbesitzer Alfred Frank in Berlin-Lichterfelde, Tulpenstraße 5, zur Beilegung des beim Landgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 2 O 321.57 schwebenden Rechtsstreits folgenden Vergleich abzuschließen: (folgt die Formel des Vergleichsvorschlags). Berlin-Lichterfelde, den 21. Oktober 1957. Das Amtsgericht. Richter. 2. Ausfertigung des Beschlusses dem Jugendamt zustellen mit der Aufforderung, von dem Abschluß des Vergleichs zu gegebener Zeit Nachricht zu geben. 3. Nach 1 Monat (Anzeige zu 2)."

Das Vormundschaftsgericht kann die Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft nur dem Vormund (Pfleger, Inhaber der elterlichen Gewalt) gegenüber erklären (§§ 1828, 1915, 1643 BGB). Die Bekanntmachung geschieht nach § 16 F G G entweder durch Verkündung zu Protokoll oder schriftlich; um den Nachweis des Wirksamwerdens der Genehmigung sicherzustellen, insbesondere für den Grundbuchverkehr, ist im Falle schriftlicher Mitteilung förmliche Zustellung zu empfehlen. Bei der Vornahme eines einseitigen Rechtsgeschäfts muß die Genehmigung grundsätzlich vorher erteilt sein (§ 1 8 3 1 ; unten S. 510). Bei Verträgen kann die Genehmigung vorher oder nachher erteilt werden. Beim Vorliegen einer Vorgenehmigung wird der Vertrag mit seinem Abschluß wirksam. Die Genehmigung kann nunmehr vom Vormundschaftsgericht nicht mehr geändert, vom Beschwerdegericht nicht mehr aufgehoben werden (§§ 55x> 62, 63 FGG). Bei nachträglicher Erteilung jedoch wird die Genehmigung dem andern Vertragsteil gegenüber erst dadurch wirksam, daß sie ihm durch den 32

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Jansen)

498

Vormundschaftsgericht — Vormundschaftsgerichtliche Genehmigung

V o r m u n d mitgeteilt wird (§ 1 8 2 9 1 S. 2). Bis zu dieser Mitteilung besteht ein Schwebezustand. E s liegt im pflichtmäßigen Ermessen des Vormunds, ob er v o n der Genehmigung dem Vertragsgegner Mitteilung machen und damit die Wirksamkeit des V e r trages herbeiführen will oder nicht. Eine rechtlich erzwingbare Verpflichtung des Vormundes gegenüber dem andern Vertragsteil, ihm die Erteilung der Genehmigung mitzuteilen, besteht nicht ( R G 1 3 2 , 261). Die Mitteilung hat somit nicht nur die Bedeutung der Kundgabe einer Tatsache, so daß sie entbehrlich wäre, wenn der V e r tragsgegner die Kenntnis bereits auf andere Weise erlangt hat, sondern sie hat rechtsgeschäftliche Bedeutung, weil der Vormund dadurch kraft seines eigenen Willens das endgültige Wirksamwerden des Vertrages herbeiführt ( B G H N J W 1954, 1925). D e r V o r m u n d soll zu diesem Zeitpunkt noch Gelegenheit haben, erneut — etwa auf Grund besserer Einsicht oder im Hinblick auf eine inzwischen eingetretene Änderung der Umstände —- zu prüfen, ob der Vertrag den Belangen des Mündels entspricht oder nicht. D a es sich um eine Schutzvorschrift zugunsten des Mündels handelt, ist ein V e r zicht der Beteiligten auf die Mitteilung durch den V o r m u n d unstatthaft ( R G 1 2 1 , 30; O L G München, D R 1943, 4 9 1 ; O G H N J W 1949, 64; kritisch Wangemann, N J W 1 9 5 5 , 5 3 1 ; Weber, D N o t Z 1956, 285). Genehmigt also das Vormundschaftsgericht einen vom Vormund geschlossenen Grundstückskaufvertrag mit Auflassung und übersendet es die Vertragsurkunde mit dem Genehmigungsbeschluß unmittelbar dem Grundbuchamt zur Eintragung, so sind Kaufvertrag und Auflassung nicht wirksam geworden (RG 59, 277). Andererseits hat der B G H (NJW 1954, 1925) in einem Fall, in welchem eine ausdrückliche Mitteilung der Genehmigung durch den Pfleger an den andern Vertragsteil unterblieben war, ausgeführt, wenn ein Pfleger von der Eintragung im Grundbuch Kenntnis erlange, dies hinnehme und nichts dagegen unternehme, so bringe er für die übrigen Vertragspartner zum Ausdruck, daß er den Vertrag so, wie er geschlossen und genehmigt sei, weiter billige. Ein solches Verhalten genüge den Erfordernissen des § 1829 1 S. 2, da die Mitteilung auch durch schlüssiges Verhalten des Vormundes erfolgen könne. Die Schwierigkeiten des Genehmigungsverfahrens nach § 1829 B G B können dadurch ausgeräumt werden, daß die Beteiligten dem Notar eine doppelte Vollmacht erteilen, die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung für den Vormund entgegenzunehmen, sie namens des Vormundes allen übrigen Beteiligten mitzuteilen und die Mitteilung für diese entgegenzunehmen. Jedoch muß der Wille des Bevollmächtigten, nach Eingang der Genehmigung diese sich selbst als dem Vertreter des andern Teils mitzuteilen, nach außen in Erscheinung treten, zweckmäßig durch einen Vermerk auf der Ausfertigung des Genehmigungsbeschlusses (RG 1 2 1 , 30; s. oben S. 470). Hätte der Mündel einen Einzelvormund, so wäre außer dem Vergleichsvorschlag auch die Annahme der Vergleichssumme durch den V o r m u n d zu genehmigen, ferner wäre der V o r m u n d zum Nachweis der gesperrten und mündelsicheren Anlegung anzuhalten (unten S. 507). Alles das fällt infolge der dem Jugendamt gesetzlich zustehenden Befreiung hier fort. Darüber hinaus hat das Jugendamt nach § 33 1 1 S. 1 J W G in Abweichung von § 1805 B G B die Vergünstigung, daß die Anlegung von Mündelgeld auch bei der das Jugendamt errichtenden Körperschaft (z. B. der kommunalen Sparkasse) zulässig ist. A n t r a g a u f E n t l a s s u n g d e s V o r m u n d e s . Frau Mücke schreibt dem Gericht: „Nachdem Herr Frank die 4000 DM Abfindungssumme bezahlt hat, ist es höchste Zeit, einen anderen Vormund für mein Kind zu bestellen. Das Jugendamt hat durch sein schematisches und bürokratisches Verhalten dem Kinde bereits genug geschadet. Herr Frank hätte freiwillig weiter Alimente gezahlt und mich bestimmt geheiratet, wenn man ihn in Ruhe gelassen hätte. Jetzt ist er durch die fortwährenden zwecklosen Einmischungen, besonders des Frl. Sorge, und durch den Prozeß verärgert worden und scheint die Heiratsabsicht endgültig aufgegeben zu haben. Ich halte die 4000 DM in den Händen des Jugendamts für sehr gefährdet, da man genug von Veruntreuungen städtischer Beamter gehört hat. Deshalb bitte ich nicht zu warten, bis das Geld

Vormundschaftsgericht — Amts- und Vereinsvormundschaft

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verschwunden ist, sondern nach § 18 86 B G B das Jugendamt zu entlassen und mich zur Vormünderin zu bestellen. Als Mutter habe ich das nächste Anrecht darauf. Sonst wäre ich auch mit meinem Vater als Vormund einverstanden. Wünscht aber das Gericht durchaus eine amtliche Person, so ist in erster Linie Herr Pfarrer Mende als Vorsteher des Kinderheims zum Guten Hirten berufen, in dem das Kind seit seiner Geburt erzogen wird. Soviel ich weiß, sind die Leiter von Erziehungsanstalten gesetzliche Vormünder über alle ihnen anvertrauten Kinder. Hedwig Mücke, geb. Hurtig."

Die Annahme der Frau Mücke, daß der Vorstand des Kinderheims zum Guten Hirten kraft Gesetzes Vormund ihres Kindes sei, ist unrichtig. Art. 136 E G B G B , der unter bestimmten Voraussetzungen eine gesetzliche Anstalts- und Generalvormundschaft vorsah, ist durch § 48 J W G aufgehoben. Die Vorstände von Erziehungsanstalten und -vereinen können nur auf ihren Antrag nach Anhörung des Jugendamts vom Gericht zu Vormündern bestellt werden ( § 4 7 JWG). Das Gesetz spricht hier von Anstalts- oder Vereinsvormundschaft. Diese Bezeichnung darf aber nicht zu der Annahme verleiten, die Anstalt oder der Verein als solche könnten zum Vormund bestellt werden. Von dem besonderen Fall des Jugendamts als einer Behörde abgesehen, kann nur eine natürliche, nicht eine juristische Person Vormund sein. Die Bestellung des Vorstands erfolgt für jede Vormundschaft besonders durch schriftliche Verfügung des Vormundschaftsgerichts (§§ 47 1 1 , 4 1 1 1 S. 2 JWG). Der Vorstand wird nicht namentlich für seine Person bestellt, sondern lediglich durch Angabe seines Vereinsamts bezeichnet. Vormund ist die natürliche Person, die dieses Amt innehat. Bei einem Wechsel des Vorstandes tritt ohne weiteres ein Wechsel in der Person des Vormundes ein (Firsching, DNotZ 1956, 245; teilw. abw. Lent, DNotZ 1954, 588). Eine Entlassung aus dem Amt nach § 1886 B G B ist dem Jugendamt gegenüber ausgeschlossen (§ 33 1 S. 3 JWG). Eine Überleitung der Amtsvormundschaft in eine Einzelvormundschaft ist vorgesehen in den §§40 und 44 J W G . Nach § 40 ist das Jugendamt auf seinen Antrag zu entlassen, soweit dies dem Wohl des Mündels nicht entgegensteht. Diese Vorschrift ist im Interesse der Jugendämter geschaffen; sie soll ihnen die Möglichkeit geben, sich vor Überlastung zu schützen. § 44 dagegen soll eine Ablösung der Amtsvormundschaft durch eine Einzelvormundschaft im Interesse des Mündels ermöglichen. Dem Jugendamt ist zur Pflicht gemacht, die Bestellung eines Einzelvormunds zu beantragen, wenn dies dem Interesse des Mündels förderlich erscheint. Das J W G gibt mit Recht der Einzelvormundschaft den Vorzug vor der Amtsvormundschaft und will die Einzelvormundschaft keinesfalls gänzlich ausschließen. Die Einrichtung der Amtsvormundschaft bewährt sich vor allem bei der Feststellung der Vaterschaft, der Einziehung der Unterhaltsbeträge und erforderlichenfalls der Unterbringung des Kindes. Ihre Nachteile liegen in dem Fehlen jeglicher persönlicher Beziehungen zum Mündel, wodurch ein nachhaltiger erzieherischer Einfluß unmöglich gemacht wird. Die Jugendämter sind daher angewiesen, auf die Bestellung eines Einzelvormundes hinzuwirken, wenn die Unterhaltszahlung und die ordnungsmäßige Unterbringung des Kindes gesichert sind (Abschn. IV 5 PrAusfAnw z. J W G vom 29. März 1924, § 41 BayVVO). Die Bestellung des Einzelvormundes kann nach § 4 4 1 1 von Amts wegen angeordnet, sie kann aber auch von „jedem, der ein berechtigtes Interesse des Mündels geltend macht", und von dem Mündel selbst beantragt werden, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat. Der Kreis der Antragsberechtigten ist damit sehr weit gezogen. Eine persönliche Beziehung des Antragstellers zum Kinde wird nicht erfordert. Es genügt, daß der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Mündels, allerdings nicht sein eigenes oder das eines Dritten, geltend macht. Der Antrag der Frau Mücke scheint zwar nicht frei von eigensüchtigen Beweggründen zu sein, aber es läßt sich nicht ausschließen, daß sie auch im Interesse ihres Kindes zu handeln meint. Der Antrag ist also zulässig und muß sachlich beschieden werden. 32*

500

Vormundschaftsgericht — Sofortige Beschwerde

Die Besorgnis der Frau Mücke, der Mündel könnte durch Veruntreuungen seitens der Beamten des Jugendamts geschädigt werden, ist allerdings durch nichts gerechtfertigt; im übrigen hätte in einem solchen Falle das Land Berlin für den Schaden einzustehen. Für Pflichtverletzungen, die ein Vertreter des Jugendamts bei der Führung der Amtsvormundschaft dem Mündel gegenüber begeht, haftet der Gemeindeverband, der das Jugendamt erichtet hat, sowohl nach Art. 34 G G i. Verbdg. mit § 839 B G B als auch nach § 1833 B G B ( B G H 9, 255).

Das Jugendamt erhält zunächst Abschrift der Eingabe zur Stellungnahme (§ 44 1 1 S. 3 JWG). Führen die Ermittlungen zur Entlassung des Jugendamts, so endet dessen Befugnis zur Vertretung des Mündels gemäß § 16 F G G mit der Bekanntgabe dieser Verfügung, unbeschadet des Umstandes, daß dem Jugendamt, wenn es seiner Entlassung widersprochen hat, gegen die Verfügung die sofortige Beschwerde zusteht (§§ 2 0 6 0 1 Nr. 3 FGG). Denn die Einlegung der Beschwerde hat nach § 24 1 F G G keine aufschiebende Wirkung. Da aber das Mündel nicht ohne gesetzlichen Vertreter bleiben darf, muß das Vormundschaftsgericht sofort einen Einzelvormund bestellen, ohne die formelle Rechtskraft seiner Entlassungsverfügung abzuwarten ( J F G 12,122). Wird die Verfügung durch das Beschwerdegericht aufgehoben, so ist der neue Vormund, ohne daß die Voraussetzungen des § 1886 B G B vorzuliegen brauchen, wieder zu entlassen, sobald die Entscheidung des Beschwerdegerichts wirksam geworden ist. Diese Wirksamkeit tritt nach § 26 1 F G G erst mit der Rechtskraft der Beschwerdeentscheidung ein, d.h. mit dem Ablauf der Frist für die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde. Denn da die vom Amtsgericht ausgesprochene Entlassung des Jugendamts nach § 60 1 Nr. 3 mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar war, findet auch gegen die Entscheidung des Landgerichts nach § 29 1 1 F G G die s o f o r t i g e weitere Beschwerde statt, obwohl die Beschwerdeentscheidung ihrem sachlichen Gehalt nach die Ablehnung der Entlassung ausspricht, wogegen, wenn das Amtsgericht diese Entscheidung getroffen hätte, die einfache Beschwerde nach § 19 F G G gegeben wäre. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts muß also, um die Beschwerdefrist gegenüber dem Mündel in Lauf zu setzen, auch dem neuen Vormund zugestellt werden. Inventar. Auseinandersetzungspflegschaft V e r f ü g u n g bei I n v e n t a r e i n g a n g . In der Hofmannschen Familienrechtssache (S. 486) ist das Vermögensverzeichnis eingegangen. Da Hofmann keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat, weist das Verzeichnis in erster Linie die gesetzlichen Erbteile der Kinder am väterlichen Nachlaß von je % aus. Der Nachlaß setzt sich aus einer Lebensversicherung, landschaftlichen Pfandbriefen, Aktien, Sparguthaben, verschiedenen Wertsachen u. dgl. im Gesamtwert von rund 12000 D M zusammen, während die Beerdigungskosten (§ 1968) 850 DM, Arztkosten und sonstige Nachlaßschulden etwa 500 D M betragen. An Sondervermögen besitzen die Kinder Bücher, Sportsachen, Musikinstrumente, Sparkassenbücher, Kurt außerdem eine von einem Onkel geschenkte AEG.-Obligation, Hildegard eine Hypothek von 1500 DM, die ihr von ihrer Patin vererbt worden ist. Das Inventar ist äußerlich in Ordnung, die vorgeschriebene Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit (1640 1 S. 1) am Schluß abgegeben. Der elterliche Gewalthaber braucht nicht, wie ein Vormund, seine Vermögensverwaltung durch Inventareinreichung und periodische Rechnungslegung ständig dem Vormundschaftsgericht offenzulegen. Nur wenn ein Elternteil verstorben ist sowie im Falle der Wiederverheiratung besteht für Vater oder Mutter die Pflicht zur Angabe des vorhandenen oder dem Kinde später zufallenden Vermögens (§§ 1640, 1669, 1686). Außerdem kann das Gericht bei Gefährdung des Kindesvermögens auf Grund des § 1667 den Eltern sowohl Inventarisierung wie Rechnungslegung als außergewöhnliche Maßregeln aufgeben. Nach dem Grundgedanken des § 1640 sollen die Beteiligten ver-

Vormundschaftsgericht — § 1640 B G B

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anlaßt werden, sich bei Aufstellung des Verzeichnisses über die Eigentumsverhältnisse an den der Familie gehörenden Gegenständen klar zu werden, außerdem will man den Kindern für spätere Streitfälle (z.B. Interventionen) den Beweis ihres Eigentums sichern. Das wirkliche Leben zeigt indessen, daß die Verzeichnisse fast immer flüchtig und oberflächlich aufgestellt werden, so daß es mit ihrem Beweiswert nicht weit her ist. Wird z.B. später eine Auseinandersetzung zwischen Witwer und Kindern vorgenommen, so muß fast immer das eingereichte Verzeichnis berichtigt werden. Die Vorschrift macht dem Gericht und den Parteien eine Menge nutzloser Arbeit: 1. Kommt die Witwe (der Witwer) der gerichtlichen Aufforderung nicht nach, so sind als Zwangsmittel die Aufnahme des Inventars durch den Gerichtsvollzieher (§ 1640 1 1 ) oder die Entziehung der Vermögensverwaltung mit nachfolgender Bestellung eines Vermögenspflegers (§§ 1670, 1773, 1909) vorgesehen. Meist ist das vorhandene Kindesvermögen viel zu gering, um so scharfe Anordnungen zu rechtfertigen. 2. Wird das Verzeichnis eingereicht, so ist die Prüfung des Vormundschaftsgerichts im wesentlichen eine formale. Ermittlungen über die sachliche Richtigkeit des Inhalts sind ohne die Voraussetzungen des § 1667 unzulässig. Ergibt sich aus dem Inventar die Nichtbefolgung gesetzlicher Vorschriften (z.B. der auch für elterliche Gewalt maßgebenden Mündelsicherheit, § 1642), so hat freilich das Gericht einzugreifen. Es ist aber zu beachten, daß § 1642 — ebenso wie die Parallelbestimmungen der §§ i8o6f., 2119 usw. für Vormünder, Vorerben — sich nur auf das „Geld" des Kindes bezieht, wobei Bank- und Sparkassenguthaben dem baren Geld gleichzusetzen sein werden. Die §§ 1642 1 1 , 1 8 1 1 betreffen ferner nur die Anlegung des Mündelgeldes in Geldforderungen, dagegen nicht die Anlegung in Grundstücken oder sonstigen Sachwerten. Solche Gegenstände können Gewalthaber und Vormund ohne Genehmigung erwerben, soweit die Genehmigung nicht etwa nach anderen Vorschriften (§§ 16431, i8i2f., 1821, 1822) erforderlich ist ( J F G 14, 501; O L G Frankfurt, N J W 1953, 67). Ob Frau Hofmann die — nicht mündelsichere — Industrieobligation des Kurt in eine mündelsichere Anlage umtauschen will, ist ihrem pflichtmäßigen Ermessen überlassen (diligentia quam suis rebus: §§ 1664, 277). Die Sparkassenbücher können ungesperrt, die Wertpapiere in offener Verwahrung bleiben: denn Vater und Mutter haben nicht die Sperrpflicht des Vormunds. Der Richter verläßt sich darauf, daß er gegebenenfalls durch das die Aufgaben des Waisenrats wahrnehmende (§ 42 1 JWG) Jugendamt oder durch Privatpersonen auf die Notwendigkeit eines Einschreitens aufmerksam gemacht werden wird (§ 1675 BGB). 3. Man könnte noch daran denken, die Mutter zu belehren: daß sie nicht nur das beim Tod des Vaters vorhandene, sondern auch das später erworbene Vermögen der Kinder zu inventarisieren hat (§ 1640 1 S. 1); über die Pflicht zur mündelsicheren Anlegung (§ 1642); daß die Sparkassenbücher der Kinder, soweit sie aus erspartem Arbeitsverdienst herrühren oder von Dritten mit entsprechender Anordnung zugewandt wurden, „freies Kindesvermögen" sind, so daß Frau Hofmann die Zinsen nicht auf Grund der elterlichen Nutznießung für sich verwenden darf (§§1650,1651 1 . 2 ).Jedoch haben solche Hinweise wenig praktischen Wert. Verfügung: „ Z u den Akten." E i n l e i t u n g d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g s p f l e g s c h a f t . Im Jahre 1 9 5 7 erscheint Frau Hofmann in Begleitung des Gärtnereibesitzers Jaeckel: Wir wollen heiraten und sind v o m Standesbeamten hierher gewiesen worden, um das Wiederverheiratungszeugnis zu beschaffen. D e r Standesbeamte hat uns gesagt, daß die A u s einandersetzung zwischen Witwe und Kindern mit Erlaubnis des Vormundschaftsgerichts hinausgeschoben werden kann. Der Richter: Das wäre allerdings nach § 9 E h e G , § 1669 B G B möglich. D a aber nach den Akten Ihr Sohn bereits in 1 y 2 Jahren volljährig wird, halte ich es für richtig, die Nachlaßteilung alsbald vorzunehmen. In welcher Weise soll die Auseinandersetzung erfolgen? Sind Sie bereit, die Kosten einer etwaigen öffentlichen Beurkundung des abzuschließenden Vertrags zu tragen? Können Sie nötigenfalls für jedes Kind eine geeignete Person als Pfleger in Vorschlag bringen ? Da zum Nachlaß weder Grundstücke noch GmbH-Anteile gehören, besteht kein Zwang zur öffentlichen Beurkundung (§ 313 BGB, § 15 GmbHG). Die Erfahrung lehrt jedoch, daß rechts-

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Vormundschaftsgericht — Auseinandersetzungspflegschaft

unkundige Parteien selten imstande sind, selbständig einen brauchbaren Auseinandersetzungsvertrag aufzusetzen; deshalb zieht man ungeachtet der damit verbundenen Kosten den Abschluß zu gerichtlichem Protokoll unter vorbereitender Mitwirkung des Rechnungsbeamten vor. Mit dem nachstehend geschilderten Verfahren darf die Vermittlung der Auseinandersetzung gemäß §§ 8 6 f. F G G (Beispiel S. 591 f.) nicht verwechselt werden. Sie gehört immer vor das Nachlaßgericht, ist formalistisch geregelt und erfordert öffentliche Beurkundung der Verhandlungen ohne Rücksicht darauf, ob Grundstücke u. dgl. zum Nachlaß gehören. Dieses Verfahren wird angewandt, wenn die Erben nicht von vornherein über die Teilung einig sind. Die Notwendigkeit der Pflegschaft folgt aus § 181 B G B . Darnach kann ein Vertreter im Namen des Vertretenen grundsätzlich keine Rechtsgeschäfte mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten vornehmen. Frau Hofmann ist selbst Vertragspartner des Auseinandersetzungsvertrags und darf deshalb nicht zugleich als Vertreterin ihrer Kinder auftreten. Ebensowenig darf aber der Pfleger des Kurt mit sich als Vertreter von Else oder Hildegard abschließen, vielmehr muß jedes Kind einen besonderen Ergänzungspfleger nach § 1909 erhalten. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts können die gesetzlichen Vertreter des Familienrechts nicht v o n den Beschränkungen des § 181 befreit werden, wie das für andere Vertreter im Gesetz vorgesehen ist („soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist"); daher geht es nicht an, einen einzigen Pfleger für alle Kinder zu bestellen und ihm durch ausdrückliche Anordnung des Gerichts die Befugnis zum Selbstkontrahieren zu verleihen. R G 67, 6 1 ; 71, 162 (Plenarentscheidung); 93, 354; B G H N J W 1956, 1433. W i e l ä ß t s i c h d i e B e s t e l l u n g v o n E i n z e l p f l e g e r n v e r m e i d e n ? 1. Wenn die Auseinandersetzung so erfolgt, wie §§ 752/4, 2042 es in Ermangelung anderweitiger Vereinbarungen vorschreiben: also durch Zwangsversteigerung der Grundstücke, Pfandverkauf der beweglichen Sachen, gemeinschaftliche Einziehung der Forderungen und Teilung des Erlöses. Dann besteht nämlich das Rechtsgeschäft „ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit", so daß § 1 8 1 nicht zur Anwendung gelangt und die Mutter die Kinder mit vertreten kann (RG 93, 336). 2. Die Auseinandersetzung wird nur zwischen der Mutter auf der einen und der Gesamtheit der Kinder auf der andern Seite vorgenommen, indem die Mutter ihren Erbanteil auf die Kinder überträgt (§ 2033 •)• Alsdann ist zwischen den Kindern kein Rechtsgeschäft abgeschlossen, und es genügt ein einziger Pfleger. Dadurch ist das Eigentum an den Nachlaßgegenständen auf die Kinder in ungeteilter Erbengemeinschaft übergegangen. Z u r Überführung des Gesamthandseigentums in Bruchteilseigentum jedoch bedarf es einer Einigung der Kinder untereinander, also wiederum nach § 181 B G B der Bestellung v o n Einzelpflegern ( B G H N J W 1956, 1433 = E J F A l a Nr. 2 mit Anm. Guggumos). 3. Der Nachlaß wird nicht unter den Erben geteilt, sondern die Kinder, vertreten durch den Pfleger, verkaufen und übertragen der Mutter ihre Anteile am väterlichen Nachlaß; durch den Erwerb der Erbteile vereinigen sich sämtliche Anteilsrechte in der Hand der Mutter, die infolgedessen über die Nachlaßgegenstände als alleinige Eigentümerin verfügt. Die den Kindern für Überlassung der Erbteile zu gewährende Gegenleistung kann bares Geld sein, kann aber auch in einzelnen Sachwerten aus dem Nachlaß bestehen. Bei dieser Gestaltung liegt wiederum kein Vertrag zwischen den Kindern vor, und man kommt mit einem Pfleger für alle Kinder aus ( B G H N J W 1954, 1925). — Die erste Methode zwingt dazu, den ganzen Nachlaß in Geld umzusetzen, während die Beteiligten doch regelmäßig die vorhandenen Werte zu behalten wünschen. Die Kinder im gemeinschaftlichen Eigentum zu belassen, hat wenig Sinn, weil sie in nicht ferner Zeit volljährig werden und dann ihr kleines Vermögen abgesondert haben wollen. Der Erbteilskauf endlich ist gekünstelt und erfordert außerdem nach den §§ 2033, 2371 gerichtliche oder notarielle Beurkundung.

Frau Hofmann: Der Vater und zwei Brüder meines verstorbenen Mannes werden sicherlich das Pflegeramt übernehmen. Richter: Der Großvater kann aus Rechtsgründen nicht Pfleger sein. Nennen Sie für ihn einen anderen, möglichst einen Fremden. Das Vertretungsverbot des § 181 wird für alle gesetzlichen Vertreter des Familienrechts dahin erweitert, daß sie auch von der Vertretung des Kindes bei Geschäften mit ihrem Ehegatten oder gradlinigen Verwandten sowie bei Prozessen gegen solche Personen ausgeschlossen sind (§§ 1795, 1630, 1915). Mithin kann der Großvater Hofmann nicht eines der Geschwister bei einem Vertrag vertreten, an dem ein anderes seiner Enkelkinder als Vertragsgegner des Pfleglings beteiligt ist. Für die Oheime der Kinder als Seitenverwandte besteht keine entsprechende Beschränkung. — Im Prozeß wird die

Vormundschaftsgericht — Verpflichtung des Pflegers

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Vorschrift z.B. praktisch, wenn Eheleute getrennt leben und das bei der Mutter befindliche Kind durch einen Ergänzungspfleger (§ 1909) Unterhalt vom Vater verlangt: hier ist die Vertretung des Kindes durch die Mutter unmöglich. Daran hat sich auch durch den Gleichberechtigungsgrundsatz nichts geändert (Schwoerer, FamRZ 1956, 21). Nach Scheidung der Ehe besteht gegen die Prozeßführung durch die Mutter kein Bedenken: denn sie ist nicht mehr Ehefrau des Prozeßgegners. Frau Hofmann: Ich will Rektor Niedner fragen, der ein Kollege und guter Freund meines Mannes war. Richter: Sprechen Sie zunächst mit den in Aussicht genommenen Pflegern und machen Sie eine schriftliche Eingabe, in der Sie die Aufnahme der Auseinandersetzung durch das Gericht unter Zuziehung des Rechnungsbeamten beantragen und die dadurch entstehenden Kosten übernehmen. —• Nachdem der Antrag eingegangen ist, fragt das Gericht beim Jugendamt wegen der Tauglichkeit der Vorgeschlagenen an (§§ 1 7 7 9 , 1 9 1 5 B G B , 4 2 1 J W G ) . D i e A u s kunft lautet bejahend. Nunmehr werden die Vorgeschlagenen zur Verpflichtung (§ 1 7 8 9 B G B ) vorgeladen: „Gegenwärtig: Amtsgerichtsrat Richter als Richter.

Berlin-Lichterfelde, den 23. Mai 1957.

Es erschienen: 1. Der praktische Arzt Dr. Friedrich Hofmann aus Berlin , 2. der Druckereibesitzer Oswald Hof mann aus Berlin , 3. der Rektor Emanuel Niedner aus Berlin , 4. die verwitwete Frau Rektor Marie Hofmann geb. Wiesner aus Berlin , 5. der Gärtnereibesitzer Ernst faeckel aus Berlin , zu 4 und 5 dem Richter von Person bekannt, zu 1, 2, 3 durch Vorlegung ihrer Ladungen und Vorstellung seitens der Erschienenen zu 4 und 5 ausgewiesen. Die Erschienenen zu 1 bis 3 sollen als Pfleger für die minderjährigen Geschwister Hofmann zur Wahrnehmung der den Pflegebefohlenen am väterlichen Nachlaß zustehenden Rechte und zur Auseinandersetzung mit der Mutter bestellt werden, und zwar Herr Dr. Friedrich Hof mann für den am 8. November 1937 geborenen Banklehrling Kurt Hofmann, Herr Oswald Hofmann für die am 20. August 1939 geborene Seminaristin Else Hofmann, Herr Rektor Niedner für die am 17. Mai 1944 geborene Schülerin Hildegard Hof mann. Der Bestellung steht, soviel ermittelt ist, keiner der in §§ 1780 bis 1782, 1784 B G B bezeichneten Hinderungsgründe entgegen. Die Erschienenen zu 1 bis 3 werden daher zu treuer und gewissenhafter Führung des Amtes mittels Handschlags an Eides Statt verpflichtet. Die Sachlage wurde mit den Anwesenden besprochen. Frau Hofmann wird innerhalb 2 Wochen den Pflegern einen Entwurf für die Auseinandersetzung vorlegen, der nach Zustimmung der Pfleger vom gerichdichen Rechnungsbeamten zu prüfen ist. Alsdann wird Termin zur gerichtlichen Verlautbarung des Vertrages angesetzt werden. Alle entstehenden Kosten übernehmen Frau Hofmann und Herr faeckel als Gesamtschuldner.

Oswald Hofmann.

Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben: Dr. Friedrich Hofmann. Marie Hofmann geb. Wiesner. Ernst faeckel. Emanuel Niedner. Geschlossen: Richter."

W a r die Aufnahme eines Protokolls über die Verpflichtung der Pfleger und die abgegebenen Erklärungen notwendig? Die freiwillige Gerichtsbarkeit kennt keinen allgemeinen Protokollzwang, wie Zivil- und Strafprozeß (§§ 1 5 9 ^ , 5 1 0 a Z P O — die Bestimmung gilt auch für Termine in Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und A u f gebotssachen—, §§ 86, 1 1 5 d v , 1 6 8 , 1 8 7 / 8 , 224, 2 3 3 1 1 1 , 2 7 1 f. StPO). Die Vorschriften der §§ 175 f. F G G sind nur dann zu beachten, wenn die Form der „öffendichen Beurkundung" gewahrt werden muß, also in den oben S. 420 unter 2 angeführten

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Vormundschaftsgericht — Protokollierung

Fällen. Im übrigen braucht zur Gültigkeit v o n Vorgängen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nichts Schriftliches aufgenommen zu werden. Will man sie „aktenkundig" machen, so genügt eine formlose kurze Notiz („Registratur"), die der Richter (Rechtspfleger, Urkundsbeamte) selbst unterschreibt oder von der Person, die Erklärungen vor ihm abgegeben hat, nach Vorlesung und Genehmigung unterschreiben läßt. Doch wird gerade bei Verpflichtung v o n Vormündern, Pflegern und Beiständen gewöhnlich die Protokollform angewandt, weil sie die Feierlichkeit des Verpflichtungsaktes für die Beteiligten erhöht. — E i n Protokollführer ist in freiwilliger Gerichtsbarkeit auch zur öffentlichen Beurkundung grundsätzlich nicht notwendig. Ausnahmsweise bedarf es des Urkundsbeamten bei Verhandlungen mit tauben, stummen und blinden Personen. §§ 2233, 2276 BGB, 169 F G G . —• Umgekehrt kann in Zivilprozeßsachen von der Zuziehung eines Protokollführers auf Anordnung des Vorsitzenden abgesehen werden (§ 1 6 3 1 1 1 ZPO). Zu der Anordnung ist auch der ersuchte Richter befugt. R G 114, 1. Sachlich ist die genaue Umschreibung des Wirkungskreises der Pfleger in der V e r pflichtungsformel und im Protokoll wichtig. Die Pflegschaft hat nicht, wie elterliche Gewalt oder Vormundschaft, einen für alle Fälle gleichen Inhalt; daher muß der A u f gabenkreis des Pflegers v o m Gericht besonders bestimmt werden. — Die Bestallungen (§§ 1 7 9 1 , 1 9 1 5 B G B ) werden v o m Rechtspfleger ausgefertigt. Sie lauten beispielsweise: „Geschäftsnummer: 6 H VIII 5822. Bestallung für einen Pfleger. Der praktische Arzt Dr. Friedrich Hofmann in Berlin, Klosterstraße 80, ist zum Pfleger für den am 8. November 1937 geborenen Banklehrling Kurt Hof mann in Berlin zur Wahrung der dem Pflegebefohlenen am väterlichen Nachlaß zustehenden Rechte und zur Auseinandersetzung mit der Mutter bestellt. Diese Bestallung ist dazu bestimmt, dem Pfleger als Ausweis zu dienen. Sie ist deshalb sorgfältig aufzubewahren und in allen Fällen, in denen der Pfleger eines Ausweises bedarf, namentlich im Verkehr mit Behörden, mitzubringen und vorzulegen. Nach Beendigung des Amtes des Pflegers ist die Bestallung dem Vormundschaftsgericht zurückzugeben. Berlin-Lichterfelde, den 24. Mai 1957. (Siegel)

Das Amtsgericht. Pfleger Justizinspektor als Rechtspfleger."

N a c h l a ß t e i l u n g . Nachdem alle Vorarbeiten erledigt sind, werden die Beteiligten zu einem neuen Termin vorgeladen: „Die Erschienenen erklärten: I. Am 15. Oktober 1936 ist zu Berlin-Lichterfelde, seinem Wohnsitz, der Grundschulrektor Reinhold Hofmann ohne Hinterlassung einer Verfügung von Todes wegen verstorben. Gemäß §§ 1924, 1931 B G B sind daher die Witwe Marie Hofmann geb. Wiesner, der minderjährige Banklehrling Kurt Hofmann, die minderjährige Seminaristin Else Hofmann und die minderjährige Schülerin Hildegard Hofmann, sämtlich in Lichterfelde, gesetzliche Erben je zu geworden. Ein Erbschein ist nicht erteilt. II. Der Bestand des Nachlasses am Todestage ergibt sich aus dem von der Witwe am 5. November 1956 zu den Akten 6 H X 837/56 eingereichten Verzeichnis des den Kindern gehörenden Vermögens. Die dort gemachten Angaben sind jedoch in folgenden Punkten zu berichtigen:

Vormundschaftsgericht — Erbauseinandersetzungsvertrag

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III.

Der Teilung wird der Bestand vom i. Juli 1957 mit der Maßgabe zugrunde gelegt, daß sämtliche Vertragschließenden die für den 10. Juni 1957, den Tag der Aufstellung dieses Teilungsplans, festgestellten Kurs- und sonstigen Werte als maßgebend anerkennen. Vom Todestag bis zum 1. Juli 1957 sind folgende Veränderungen eingetreten: Daraus ergibt sich für den 1. Juli 1957 folgender Nachlaßbestand: Mithin ein Wert des reinen Nachlasses von 10240 DM. Hiervon steht jedem der 4 Erben 1 / i mit 2560 DM zu." N u r Veränderungen der Substanz werden berücksichtigt. Nutzungen und Lasten bleiben außer Betracht, da Frau Hofmann vermöge ihrer elterlichen Nutznießung die Nutzungen auch v o n den Erbteilen der Kinder zu ziehen, andrerseits deren Lasten zu tragen hatte. §§ 1649, 165z, 1654, 1686. „IV.

Zwecks Teilung des Nachlasses erhalten die Erben die nachstehend aufgeführten Werte, und zwar durchweg mit den seit 1. Juli 1957 laufenden Zinsen: Die Zuteilung beruht auf dem Grundsatz, den Minderjährigen, besonders den jüngeren, in erster Linie mündelsichere oder sonstige solide Vermögensstücke, den älteren und der Witwe die riskanteren Gegenstände zu überlassen. Sonst könnte das Vormundschaftsgericht die Genehmigung der Auseinandersetzung (§§ 1822 2 , 1 9 1 5 ) verweigern. „V. Die Vertragschließenden sind darüber einig, daß die vorstehend zugeteilten Werte sofort ins Eigentum der Erben übergehen, denen sie zugeteilt sind. Die den Erben Kurt, Else und Hildegard Hof mann zugewiesenen baren Geldbeträge hat die Witwe innerhalb 10 Tagen auf die den Erben gehörenden Sparkassenbücher Nr. 53985 bzw. 53 986 bzw. 53 987 der hiesigen Sparkasse einzuzahlen. VI. Alle durch diesen Vertrag, seine Vorbereitung und die Pflegschaften entstehenden Kosten übernehmen Frau Hofmann und Herr faeckel als Gesamtschuldner." Damit ist die eigentliche Auseinandersetzung abgeschlossen. E s folgt die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung gemäß den oben S. 497 dargelegten Grundsätzen: „Die Pfleger beantragten gemäß § I822 2 BGB die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung ihrer Erklärungen. Den Pflegern wurde eröffnet, daß die von dem Pfleger Dr. Friedrich Hofmann abgegebenen Erklärungen namens des minderjährigen Kurt Hofmann, die Erklärungen des Pflegers Oswald Hofmann namens der minderjährigen Else Hofmann, und die Erklärungen des Pflegers Rektor Niedner namens der minderjährigen Hildegard Hofmann vormundschaftsgerichtlich genehmigt werden. Die Pfleger teilten die Genehmigung der Witwe sowie sich wechselseitig mit. Die Pfleger werden dem Gericht anzeigen, ob ihnen die Einzahlung der Barbeträge auf die Sparkassenbücher nachgewiesen worden ist. (Vorlesungs- und Genehmigungsvermerk, Unterschriften.)" A u s e i n a n d e r s e t z u n g s z e u g n i s . A u f h e b u n g d e r P f l e g s c h a f t . Die W i t w e erhält jetzt das zur Wiederverheiratung nach § 9 E h e G erforderliche Zeugnis: „Die verwitwete Frau Rektor Marie Hofmann geb. Wiesner in Berlin hat gegenüber ihren minderjährigen Kindern aus der Ehe mit dem am 15. Oktober 1956 verstorbenen Rektor Reinbold Hof mann die Pflichten erfüllt, welche ihr nach § 1669 B G B mit Rücksicht auf die von ihr beabsichtigte Wiederverheiratung obliegen."

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Vormundschaftsgericht — Auseinandersetzungszeugnis

Die Pflegschaft wird, nachdem die Pfleger die Einzahlung der Gelder auf die Sparkassenbücher dem Gericht bestätigt haben, gemäß § 1919 aufgehoben, weil der Anlaß für ihre Anordnung lediglich der Umstand gewesen war, daß die Mutter beim Abschluß der Auseinandersetzung die Kinder nicht vertreten konnte (§ 181), und weil dieser Anlaß nunmehr weggefallen ist. Die Sparkassenbücher und sonstigen den Kindern zugeteilten Nachlaßgegenstände gehen wieder in die Verwaltung der Mutter über. Für eine Sperrung der Bücher besteht kein gesetzlicher Grund; sie der Mutter als Bedingung für die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Teilung aufzuerlegen, wäre unstatthaft gewesen (OLG Frankfurt, N J W 1953, 67). Geht demnächst die Anzeige des Standesamts gemäß § 48 F G G über Frau Hofmanns Verheiratung mit Jaeckel ein, so hat das Vormundschaftsgericht nichts zu veranlassen. § 1697 B G B , wonach die Mutter die elterliche Gewalt verliert, wenn sie eine neue Ehe eingeht, ist als dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau widersprechend seit dem 1. April 1953 nicht mehr geltendes Recht (BGH N J W 1954, 145)Vormundschaft mit Vermögensverwaltung V e r p f l i c h t u n g . Nach einiger Zeit geht eine Anzeige des Standesamts ein, daß Frau Jaeckel verw. Hofmann am 10. Oktober 1957 verstorben ist. Der Rechtspfleger ersucht das Jugendamt als Gemeindewaisenrat um Benennung eines geeigneten Vormunds. Das Jugendamt schlägt den Stiefvater Jaeckel vor und teilt mit, daß der noch lebende Großvater von väterlicher Seite hiermit einverstanden ist (§§ 1776 3 , 1778). Nachdem der Richter entschieden hat, daß kein Gegenvormund bestellt werden soll, wird Jaeckel durch den Rechtspfleger verpflichtet: „Die Sachlage wurde mit dem Vormund besprochen. Er berichtete, daß das Mündel Hildegard, welches blutarm und kränklich ist, sich in seinem Haushalt befinde, während die Mündel Kurt und Else bei den Geschwistern des verstorbenen Vaters untergebracht sind. Für Unterhalt und Bekleidung der Mündel verlangen Jaeckel, Dr. Friedrich Hofmann und Oswald Hofmann lediglich die Zinsen des Mündelvermögens und das dem Vormund als ehelichem Stiefvater zustehende Kindergeld nach dem Kindergeldgesetz vom 13. November 1954 (BGBl I 333) im Betrage von 25.—• D M monatlich, so daß die an Kurt von der Bank gezahlte Vergütung sowie die Else und Hildegard zustehenden Waisengelder gespart werden können. Er versprach, innerhalb von 2 Wochen die zum Vermögen der Mündel gehörenden Inhaberpapiere bei der Bank mit der Bestimmung zu hinterlegen, daß die Herausgabe der Papiere nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts verlangt werden kann, ferner bei den Sparkassenbüchern der Kinder die Bestimmung zu treffen, daß zur Erhebung des Geldes die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich ist, und beides durch Vorlegung der gesperrten Niederlegungsbescheinigung bzw. der gesperrten Sparkassenbücher nachzuweisen, ferner innerhalb eines Monats ein Verzeichnis des Vermögens seiner Mündel einschließlich des Nachlasses der Mutter einzureichen und nach Ablauf eines Jahres Rechnung zu legen. E r wird innerhalb eines Jahres über die Mündel berichten. (Vorlesungs- und Genehmigungsvermerk, Unterschriften.)"

Die Vormundschaft ist mit keiner Nutznießung am Mündelvermögen verbunden. Deshalb stehen die Nutzungen (ohne Unterscheidung von „freiem" und sonstigem Vermögen) jetzt den Kindern zu und müßten zu deren Vermögen zugeschlagen werden, wenn nicht die Notwendigkeit bestände, für Obdach, Verpflegung und Bekleidung der Mündel zu sorgen, wozu der eigene Verdienst des Kurt und die Renten der beiden Mädchen nicht reichen. Dagegen, daß die Zinsen dem Vormund bzw. den beiden Oheimen gegen die Verpflichtung überlassen werden, dafür den vollen Unterhalt der Kinder zu bestreiten, ist nichts einzuwenden.

Vormundschaftsgericht — Vermögensverwaltung des Vormundes

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Der Stiefvater Jaeckel hat gegenüber den Mündeln keine unmittelbare gesetzliche Unterhaltsverpflichtung. Der Regierungsentwurf II eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts vom 29. Januar 1954 sieht in § 1360c BGB eine subsidiäre Unterhaltspflicht gegenüber Stiefkindern vor. Doch ist es fraglich, ob die Bestimmung Gesetz werden wird. Während bestehender Ehe kann sich eine Haftung des einen Ehegatten für die Unterhaltspflichten des anderen aus den güterrechtlichen Vorschriften ergeben (vgl. insbes. §§ 160411, 1459, 1534, 153011, 1549, für den früheren gesetzlichen Güterstand §§ 1386, 1388; dazu Boehmer, FamRZ 1955, 125). Eine vertragliche Übernahme der Unterhaltspflicht der Mutter gegenüber kann sich daraus ergeben, daß der Mann die minderjährigen Kinder seiner Frau in die häusliche Gemeinschaft aufnimmt (LG Berlin, FamRZ 1955, 267; zum Ganzen de lege lata und de lege ferenda Boehmer, aaO.; Gernhuber, FamRZ 1955, 193). Nach den §§ 1809, 1814 muß der Vormund Sparkassenbücher sperren lassen und Inhaberpapiere — gleichviel ob sie mündelsicher sind oder nicht — gesperrt hinterlegen. Eine Pflicht zur gesperrten Hinterlegung des Briefes über die dem Mündel Hildegard gehörende Hypothek besteht nach dem Gesetz nicht: denn, wie wir bald sehen werden, ist der Vormund ohnehin nicht imstande, allein über die Hypothek zu verfügen. „Aus besonderen Gründen" kann das Gericht dem Vormund einerseits Befreiung von der gesperrten Hinterlegung erteilen (§ 1817), andrerseits die gesperrte Hinterlegung auch von Hypothekenbriefen aufgeben (§ 1818); von der ersten Möglichkeit wird man z.B. wegen Geringsfügigkeit Gebrauch machen. Die Sperrung von Sparkassenguthaben und Wertpapierdepot tritt weder unmittelbar kraft Gesetzes ein, noch kann das Vormundschaftsgericht sie (etwa durch einen „Außerkurssetzungsvermerk") herbeiführen; vielmehr bildet sie einen Bestandteil des vom Vormund mit der Sparkasse bzw. Hinterlegungsstelle abzuschließenden Vertrags. Der Sperrvermerk, den die Sparkasse auf Antrag des Jaeckel auf die Bücher zu setzen hat, lautet dahin, daß zur Abhebung die Genehmigung des Gegenvormunds oder des Vormundschaftsgerichts erforderlich ist, weil bei Vorhandensein eines Gegenvormunds dessen Zustimmung genügt (§ 1809). Verfügungen über Sperrdepots müssen immer vom Vormundschaftsgericht selbst genehmigt werden (§ 1814). Die Pflicht zur Einreichung des Inventars und zur Rechnungslegung beruht auf den §§ 1802, 1840f. Bei Vermögensverwaltungen von geringem Umfang wird die Rechnungsperiode bis auf 3 Jahre verlängert, aber erst nachdem der Vormund seine erste Verwaltungsrechnung binnen Jahresfrist vorgelegt hat (§ 1840 1 1 1 ). Nach § 1839 hat der Vormund (Gegenvormund) dem Gericht auf Verlangen jederzeit allgemeine oder besondere Berichte, z. B. über Erziehung und sonstige persönliche Verhältnisse der Mündel, zu erstatten. Jaeckel erhält eine Bestallung (§ 1791). Zur Kontrolle der Sperrnachweise, der Einreichung des Inventars, der Rechnung und des Berichts werden Fristen vermerkt. A u f s i c h t des V o r m u n d s c h a f t s g e r i c h t s . Die versprochene Vorlegung der Sparkassenbücher und der Niederlegungsbescheinigung wird nicht innegehalten. Verfügung: „Eilt! 1. An Vormund: Sie haben das bei Ihrer Verpflichtung gegebene Versprechen, binnen 2 Wochen die mit Sperrvermerk versehenen Sparkassenbücher Ihrer Mündel sowie die gesperrte Niederlegungsbescheinigung der Bank vorzulegen, nicht erfüllt. Es wird Ihnen deshalb eine von der Zustellung dieser Verfügung ab laufende Nachfrist von 3 Tagen bestimmt, nach deren Ablauf das Gericht genötigt 2 3 0 0 ; Einsichtnahme bei Testamenten: § 2264, bei Erbverträgen: § 34 F G G ) . V e r f ü g u n g des Rechtspflegers: „ 1 . Aufforderung an Fabrikbesitzer Franz Lamm, die von seinem Sohn Max errichteten Verfügungen von Todes wegen sofort dem Nachlaßgericht einzureichen. 2. Befindet sich eine Verfügung von Todes wegen des Max Lamm hier in besonderer amtlicher Verwahrung, oder ist von einem auswärtigen Gericht Nachricht über die Verwahrung hierher gelangt ?" K o m m t der Vater seiner Ablieferungspflicht aus § 2 2 5 9 nicht nach, so wird er durch Ordnungsstrafe (die aber nicht der Rechtspfleger, sondern nur der Richter verfügen darf, S. 484) dazu angehalten. § 8 3 1 F G G . Leugnet er, im Besitz eines Testaments zu sein, so kann das Gericht von ihm einen Offenbarungseid entsprechend § 883 Z P O verlangen (§ 8 3 1 1 F G G ) ; außerdem sind selbstverständlich die Z w a n g s mittel des § 3 3 1 1 F G G gegeben. Wissentliche Vorenthaltung in Benachteiligungsabsicht begründet den Tatbestand der strafbaren Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB). — A u f die Anfrage zu 2 meldet die Verwahrungsstelle, daß sich laut Mitteilung des Amtsgerichts Kempten v o m 22. Januar 1 9 5 2 ein Testament dort in besonderer amtlicher Verwahrung befindet. V e r f ü g u n g : „Nachricht dem Amtsgericht Kempten, daß Kaufmann Max Lamm, von welchem sich laut Mitteilung vom 22. Januar 1952 ein Testament in besonderer amtlicher Verwahrung dort befindet, am 5. November 1955 zu Lichterfelde, seinem Wohnsitz, verstorben ist." Wenn das Kemptener Gericht das Testament zur Eröffnung nach Lichterfelde senden würde, bestünde die Gefahr, daß die unersetzbare Urkunde v o r ihrer Eröffnung auf dem Transport verloren geht. Deshalb geschieht die Eröffnung durch das verwahrende Gericht. Nachher wird das Testament nebst beglaubigter Abschrift des Eröffnungsprotokolls dem Nachlaßgericht übersandt, welches so zur Sammelstelle für alle Verfügungen des Erblassers von Todes wegen wird. Kempten behält eine beglaubigte Abschrift des eröffneten Testaments sowie die Urschrift des Eröffnungsprotokolls zurück. § 2 2 6 1 B G B . Um die Eröffnung jedes in besonderer amtlicher Verwahrung befindlichen Testaments oder Erbvertrags beim Tode des Erblassers sicherzustellen, ist folgendes Verfahren eingeführt worden: Das Amtsgericht benachrichtigt von der Verwahrung den Standesbeamten des Geburtsorts des Erblassers oder, wenn der Geburtsort sich im Ausland befindet, die Reichskartei für Testamente beim Amtsgericht Berlin-Schöneberg (AV d. R J M u. RIM vom 15. Juni 1939, D J 1078, jetzt meist landesrechtlich neu gefaßt). Der Standesbeamte macht hierüber einen Vermerk am unteren Rande der Eintragung im Geburtenbuch. Der Standesbeamte des Sterbeorts, bei dem der Tod des Erblassers zur Eintragung in das Sterbebuch angemeldet wird, benachrichtigt den Standesbeamten des Geburtsorts (§ 69 d. 1. A V O z. PStG vom 19. Mai 1938 (RGBl I, 533). Dieser leitet die Todesnachricht auf Grund des Vermerks im Geburtenbuch an das Verwahrungsgericht weiter. — Um zu vermeiden, daß eine in amtlicher Verwahrung befindliche Verfügung von Todes wegen gleichwohl uneröffnet bleibt, weil das Gericht keine Kenntnis von dem Tode erhält, sehen die §§ 2263 a, 2300a eine Eröffnung von Amts wegen nach mehr als 30 jähriger (bei Erb Verträgen 50 jähriger) Verwahrung vor, wenn die vorher anzustellenden Ermittlungen das Fortleben des Testators nicht ergeben haben. A u f die gerichtliche Aufforderung liefert der Vater Franz L a m m ein eigenhändiges Testament ab. E s wird nicht in „besondere amtliche V e r w a h r u n g " (§ 2248) genom-

Nachlaßgericht — Testamentseröffnung

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men, sondern bis zur Eröffnung bei den anzulegenden Akten aufbewahrt (§ 27 N r . 1 1 A k t O ) . Nunmehr bestimmt der Rechtspfleger Eröffnungstermin und läßt die Eltern als gesetzliche Erben laden (§ 2060 1 ). E r Öffnung s Verhandlung: „Das Amtsgericht 4 I V 101/55

Lichterfelde, den 17. November 1955.

Gegenwärtig: Justizinspektor Pfleger als Rechtspfleger. In dem zur Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen des Kaufmanns Max Lamm aus Lichterfelde bestimmten Termin erschien der Vater des Verstorbenen, Fabrikbesitzer Fratiz Lamm aus Lichterfelde, Kurfürstenstr. 19, durch den Personalausweis ausgewiesen, im Beistande des Rechtsanwalts Weiß. Die Sterbeurkunde, nach welcher der Erblasser am 5. November 1955 gestorben ist, wurde überreicht. Der Erschienene hatte eine verschlossene Schrift abgeliefert, die sich in einem Umschlag mit folgender Aufschrift befand: „Testament Max Lamm Lichterfelde, den 17. Juni 1955." Der Umschlag wurde den Erschienenen vorgelegt. Der Verschluß war unversehrt. Der Umschlag wird geöffnet. E r enthält einen Geschäftsbriefbogen der Firma Ch. F . Müller & Co. G m b H , mit dem Vordruck „Lichterfelde, den 195 . . . " Der Erblasser hat den Vordruck ausgefüllt: „ 1 7 . Juni 5.. Lieber Vater! Ich fühle, daß ich nicht mehr lange leben werde. Dem Fräulein Rosa Hübscher in der Bar ,Max und Moritz' hier vermache ich ein Viertel meines Nachlasses. Max." Das Testament wird verlesen. Protokoll: „Hierauf wurde das Testament geöffnet und dem Beteiligten verkündet, auch auf Verlangen zur Durchsicht vorgelegt. Der Erschienene erklärte: Das Testament und der Vermerk auf dem Umschlag sind von meinem Sohn eigenhändig geschrieben. Der Wert des Nachlasses beträgt 60000 DM. Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben: Franz Lamm. Geschlossen: Pfleger, Justizinspektor als Rechtspfleger." Wenige T a g e später gehen aus Kempten beglaubigte Abschrift der Eröffnungsverhandlung und das dort eröffnete Testament ein. Bei der Eröffnung war niemand erschienen 2 ). Das Testament ist ein v o m Gemeindevorsteher nach § 2249 aufgenommenes Nottestament („Dorftestament"): 2 ) Da das Kemptener Testament nicht erst nach dem Tode des Erblassers nach § 2259 1 abgeliefert und in „vorläufige" Verwahrung genommen, sondern alsbald gemäß §§ 2246, 2249 1 S. 3 zur „besonderen amtlichen Verwahrung" (§ § 2258a, b) gegeben und ein Hinterlegungsschein erteilt war, weicht das Kemptener Eröffnungsprotokoll von dem oben wiedergegebenen etwas ab. Falls der Vater Lamm den Hinterlegungsschein auf Erfordern eingesandt hatte, wird es etwa lauten: „Der Hinterlegungsschein und die unter Nr. . . des Verwahrungsbuch eingetragene Verfügung von Todes wegen befinden sich bei den Akten. Das nach dem Hinterlegungsschein am zur besonderen ,6*

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Nachlaßgericht — Dorftestament „Verhandelt Gebirgsbauden, den zo. Januar 1952, im Hause Nummer 39 des Gastwirts Spätzle, in welches sich der Gemeindevorsteher zwecks Aufnahme dieser Verhandlung begeben hatte. Vor dem unterzeichneten Gemeindevorsteher der Gemeinde Gebirgsbauden

Johann Kluge und den zugezogenen, dem Gemeindevorsteher von Person bekannten Zeugen, nämlich: 1. dem praktischen Arzt Dr. Heinrich Schneider aus Lindau, 2. dem Gastwirt Wilhelm Spätzle aus Gebirgsbauden, welche ebenso wie der Gemeindevorsteher während der ganzen nachstehenden Verhandlung zugegen waren, erschien, ausgewiesen durch Vorlegung des auf ihn lautenden, mit Lichtbild versehenen Reisepasses Nummer 5387 des Polizeipräsidiums zu Berlin: der Kaufmann Max Lamm aus Lichterfelde, Kurfürstenstraße 19."

Bis hierher weist das Protokoll gegenüber dem Errichtungsprotokoll des ordentlichen gerichtlichen oder notariellen Testaments (S. 465) keine Abweichungen auf. Das Dorftestament entspricht grundsätzlich dem notariellen mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Notars der Bürgermeister der Gemeinde oder sein Stellvertreter tritt. Die Formen des Protokoll- und des Übergabetestaments (§ 2238 stehen auch hier wahlweise zu Gebote. Die Zuziehung zweier Zeugen ist hier zwingend vorgeschrieben; das „Dorfgericht" (S. 546) hat nichts mehr mit Testamentserrichtung zu tun. Ein wesentlicher Unterschied zum gerichtlichen und notariellen Testament ergibt sich hinsichtlich des Umfangs der Amtspflichten daraus, daß beim Gemeindevorsteher keine Rechtskenntnisse vorauszusetzen sind; er arbeitet gewöhnlich nach der ihm zur Verfügung stehenden amtlichen Anleitung für die Aufnahme von Nottestamenten. Seine Verantwortlichkeit wird darauf zu beschränken sein, daß die wesentlichen Förmlichkeiten gewahrt sind. Formfehler, die bei der Abfassung der Niederschrift unterlaufen, sind unschädlich, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, daß das Testament eine zuverlässige Wiedergabe der Erklärungen des Erblassers enthält (§ 2249 VI ). Über Amtshaftung, wenn ein unzuständiger Beamter (preuß. Amtsvorsteher) das Nottestament beurkundet hat, vgl. R G JW 1938, 810.

Das Fehlen der besonderen Feststellung nach § 2249 11 würde der Gültigkeit des Testaments nicht entgegenstehen, da es sich um eine Sollvorschrift handelt. Voraussetzung ist aber, daß der Bürgermeister nach pflichtmäßigem Ermessen von der nahen Todesgefahr überzeugt ist, mag diese Überzeugung auch irrig sein, oder daß diese Gefahr tatsächlich besteht. Das Nottestament ist nichtig, wenn der Bürgermeister annimmt, dem Erblasser drohe keine Lebensgefahr und diese auch tatsächlich nicht besteht (RG 1 7 1 , 27). Der Besorgnis einer nahen Todesgefahr ist die Besorgnis des nahen Eintritts der Testierunfähigkeit gleichzusetzen (BGH 3, 372). „ E r erklärte, daß er sein Testament errichten wolle. Es wurde festgestellt, daß an Herrn Lamm alsbald eine mit Lebensgefahr verbundene Bruchoperation vorgenommen werden soll und deshalb Gefahr besteht, daß die Errichtung eines Testaments vor einem Richter oder Notar nicht mehr möglich sein werde. Wie eine mit Herrn Lamm geführte Unterredung ergab, ist er trotz großer Schmerzen zweifellos bei klarem Verstände und geschäftsfähig. Herr Lamm erklärte sodann folgendes als seinen letzten Willen: 1. Den mir vom Großvater hinterlassenen Geschäftsanteil an der Firma Ch. F. Müller GmbH, soll derjenige meiner Neffen erben, den meine Eltern bezeichnen werden. 2. Meine goldene Uhr erhält mein Neffe Emil zu seiner Konfirmation. amtlichen Verwahrung übergebene Testament des Kaufmanns Max Lamm aus Lichterfelde war aus der Verwahrung entnommen. Das Testament befand sich in einem Umschlag, der mit folgender Aufschrift versehen war: Der Umschlag war mit dem Gemeindesiegel der Gemeinde Gebirgsbauden . . mal verschlossen. Es wurde festgestellt, daß der Verschluß unversehrt war usw." — Ist der Hinterlegungsschein nicht zur Stelle, so wird gleichwohl eröffnet, da ja der Tod des Erblassers dem Gericht amtlich mitgeteilt worden ist.

Nachlaßgericht — Testamentsnachrichten

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3. Diejenigen Personen, welche mich von hier lebendig oder als Leiche nach der nächsten Eisenbahn- oder Kraftwagenstation schaffen werden, sollen zusammen 300 DM (i.W.) erben. 4. Im übrigen sind meine Eltern die Erben meines Vermögens. Der Erblasser wurde darauf hingewiesen, daß das Testament als nicht errichtet gilt, wenn seit der Errichtung drei Monate verstrichen sind und der Erblasser noch lebt, sowie daß Beginn und Lauf der Frist gehemmt sind, solange der Erblasser außerstande ist, ein Testament vor einem Richter oder Notar zu errichten. Den Wert meines Vermögens gebe ich auf 60000 DM an. Hierauf ist das Protokoll vorgelesen, von dem Erblasser genehmigt und, wie folgt, eigenhändig unterschrieben worden: Max Lamm. Dr. Heinrieb Schneider.

Wilhelm Spätzle.

Johann Kluge Gemeindevorsteher." Der Umschlag, in dem der Gemeindevorsteher das Testament verschlossen und dem Amtsgericht Kempten überreicht hat, entspricht vollkommen dem S. 4 7 2 abgedruckten. B e n a c h r i c h t i g u n g d e r B e t e i l i g t e n . Der Referendar: Werden auch ungültige Testamentsbestimmungen weitergegeben? Der Rechtspfleger: Die Beteiligten erhalten v o n allem Kenntnis, was in einer gerichtlich eröffneten Verfügung v o n Todes wegen steht und sie berührt, auch wenn die Verfügung wieder aufgehoben oder aus formellen oder materiellen Gründen unwirksam ist. Eine Prüfung der Rechtsgültigkeit der weiterzuleitenden Erklärungen steht dem Nachlaßgericht nicht zu. Referendar: Sollen die Empfänger der Nachrichten nicht wenigstens darüber aufgeklärt werden, daß einzelne Verfügungen unwirksam sind ? Rechtspfleger: Grundsätzlich bin ich für Belehrung rechtsunkundiger Beteiligter. Im vorliegenden Fall müßte aber unsere rechtliche Belehrung so viele „ W e n n " und „ A b e r " enthalten, daß die Beteiligten nicht viel damit anfangen könnten. E s wäre übrigens auch zum Ausdruck zu bringen, daß die Rechtsansicht des Gerichts unverbindlich ist und daß die Beteiligten sich nicht auf sie verlassen dürfen. Sonst wäre bei schuldhaft unrichtiger Auskunftserteilung — obgleich das Gericht zu ihr nicht verpflichtet ist — die Haftung aus § 839 B G B gegeben. R G 68, 278. — Entwerfen Sie also die Verfügung so, daß nur das Tatsächliche mitgeteilt wird, und legen Sie Ihre Rechtsauffassung in einer Aktennotiz nieder. Verfügungsentwurf des Referendars: „ 1 . Vollständige beglaubigte Abschrift beider Testamente nebst Eröffnungsverhandlungen dem Finanzamt mit Nachricht nach Vordruck." V g l . § 1 8 9 a N r . 3 A b g O , § 12 I. E r b S t D V . „2. Abschrift des Testaments vom 20. Januar 1952 an Fran% Lamm und dessen Ehefrau mit der Aufforderung, alsbald zu den Akten anzuzeigen: a) Namen und Anschriften sämtlicher Neffen ihres verstorbenen Sohnes, insbesondere des unter 2 des Testaments bezeichneten Emil, bei Minderjährigen auch Name und Anschrift des gesetzlichen Vertreters, b) wann Ihr Sohn nach Errichtung des Testaments vom 20. Januar 1952 wieder fähig geworden ist, ein Testament vor einem Richter oder Notar zu errichten, c) durch welche Personen er von Gebirgsbauden nach der nächsten Eisenbahn- oder Kraftwagenstation geschafft worden ist. 3. Abschrift des Testaments vom 17. Juni 1955 nebst Umschlag an Frl. Rosa Hübscher mit Angabe, inwieweit ein Vordruck benutzt worden ist (vgl. § 27 Nr. 12 AktO).

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Nachlaßgericht — Eigenhändiges Testament 4. V e r m e r k : A . Das Testament v o m 20. Januar 1 9 5 2 gilt als nicht errichtet, weil der E r b lasser jedenfalls länger als 3 Monate nach der Errichtung gelebt hat und in der L a g e war, in ordentlicher Form vor Gericht oder Notar zu testieren (§ 2 2 5 z 1 , 1 1 B G B ) . "

Die nur vorläufige Geltung der Nottestamente hat ihren Grund in der Vorstellung, daß sie in der Regel eilig und ohne reifliche Überlegung errichtet werden. Durch die Hemmung des Fristablaufs, solange der Erblasser zur Errichtung eines ö f f e n t l i c h e n Testaments nicht in der Lage ist, soll der Erblasser zu einem eigenhändigen Testament nicht gedrängt werden, wenn ihm die Errichtung eines solchen natürlich auch nicht verwehrt ist. Die Errichtung von Wehrmachtstestamenten beruhte auf dem Gesetz über die freiwillige G e richtsbarkeit und andere Rechtsangelegenheiten in der Wehrmacht ( W F G G ) v o m 24. April 1 9 5 4 ( R G B l I, 3 3 5 , 3 5 2 ) i . d . F . v o m 6. September 1943 ( R G B l I, 537) mit D V O v o m 3. Februar 1936 ( R G B l I, 99). Die in der Form des Testamentsgesetzes v o m 3 1 . Juli 1938 ( R G B l I, 973) v o r einem richterlichen Militärjustizbeamten errichteten Testamente sind ordentliche öffentliche Testamente mit unbeschränkter Gültigkeitsdauer. Sie bedurften zu ihrer Gültigkeit keiner Ortsangabe; Wehrmachtsangehörige konnten als Zeugen mitwirken, auch wenn sie minderjährig sind (Art. 1 § 2 1 1 , 1 1 1 § 7 W F G G ) . Für Militärtestamente im eigentlichen Sinne wurden weitgehende Formerleichterungen geschaffen. Sie verloren ihre Gültigkeit mit Ablauf eines Jahres nach dem Tage, mit dem für den E r b lasser das mobile Verhältnis aufgehört hatte (Art. 1 § 3 V W F G G ) . Nottestamente Verfolgter sind geregelt in Art. 80 R E G a m Z , Art. 67 R E G b r Z , Art. 69 R E A O Berlin.

Sieht man von dem Unwirksamwerden des Dorftestaments wegen Zeitablaufs ab, so ist die Zuwendung des Geschäftsanteils an einen von den Eltern auszuwählenden Neffen auch inhaltlich unwirksam, falls das in § 1 des Testaments gebrauchte Wort „erben" im technischen Sinne verstanden wird. § 2065 11 verbietet es nämlich, einem Dritten die Bestimmung des Empfängers einer Zuwendung zu überlassen. Hiervon macht für das Vermächtnis § 2151 die Ausnahme, daß die Auswahl des Bedachten aus einem näher bezeichneten Kreise dem Beschwerten oder einem Dritten übertragen werden kann. Die Rechtsgültigkeit der Zuwendung hängt also — ein ungewöhnlicher Fall! — davon ab, ob sie als Erbeinsetzung oder als Vermächtnis aufzufassen ist. § 2087 1 1 spricht für Vermächtnis und damit für die Gültigkeit. — In § 3 des Testaments wird die Person, welche die 300 D M erhält, nicht von einem Dritten, sondern durch objektiv feststellbare Merkmale bestimmt. Das ist sowohl bei Vermächtnis wie bei Erbeinsetzung zulässig. „ B . Testament v o m 1 7 . Juni 1 9 5 5 : Die Benutzung des Datumvordrucks ist — im Gegensatz zum früheren Recht — nach § 2 2 4 7 1 1 unschädlich."

Diese durch das Testamentsgesetz eingeführte Formerleichterung hat einen der Hauptgründe für die Nichtigkeit eigenhändiger Testamente beseitigt. Doch ist die Angabe von Ort und Zeit dringend zu empfehlen (vgl. § 2247 v ). „ D i e Unterzeichnung des in Briefform errichteten Testaments mit dem bloßen Vornamen genügt als Unterschrift, da in Verbindung mit der Aufschrift des Umschlags über die Persönlichkeit des Verfassers und die Ernstlichkeit seiner Erklärung kein Zweifel besteht (§ 2 2 4 7 1 1 1 ) . "

Das Gesetz empfiehlt zwar als Sollvorschrift die Unterzeichnung des Testaments mit Vornamen und Familiennamen des Erblassers. Es begnügt sich aber mit der Unterzeichnung „in anderer Weise", also z. B. nur mit dem Vornamen, dem Kosenamen oder mit den Worten „Euer Vater", wenn die Art der Unterzeichnung zur Feststellung der Urheberschaft des Erblassers und der Ernstlichkeit seiner Erklärung ausreicht (§ 2247 1 1 1 ). In solchem Fall ist jedoch sorgfältig zu prüfen, ob eine ernstliche, endgültige Erklärung vorliegt oder lediglich ein Entwurf oder die Ankündigung eines beabsichtigten oder anderweit errichteten Testaments (Vogels, JW 1938,

Nachlaßgericht — Testamentsanfechtung

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2162), Falls die letztgenannte Möglichkeit ausgeschlossen werden kann, genügt auch die Unterzeichnung mit dem Anfangsbuchstaben des Namens (str.). Die Unterschrift muß so angebracht sein, daß sie die Erklärung deckt und dadurch erkennen läßt, daß der Erblasser die Verantwortung für seine Niederschrift übernimmt. Sie hat also nicht die Bedeutung einer Selbstbezeichnung, die auch am Anfang der Erklärung oder im Text stehen könnte, sondern einer verantwortlichen Abschlußunterschrift (RG D R 1942, 1340; D R 1945, 55). Sie muß deshalb in der Regel am Schluß der Erklärung stehen. Einer Umschlagsunterschrift ( J F G 21, 36) oder dem Absendervermerk auf einer Postkarte ( J F G 16, 91) kann diese Bedeutung zukommen. „5. Nach 3 Wochen (Angaben zu 2 a bis c)."

Sobald die Antwort der Eheleute Lamm eingeht, erhalten sämtliche zu 1 bis 3 des Kemptener Testaments in Betracht kommenden Personen bzw. ihre gesetzlichen Vertreter Testamentsabschrift. Ist ein Minderjähriger darunter, von dessen Eltern sich einer nicht mehr am Leben befindet, so gibt man wegen § 1640 auch dem zuständigen Vormundschaftsgericht Kenntnis. Testamentsanfechtung Ende Oktober 1956 geht zu den Max Lammschen Nachlaßakten vom Anwalt der Eltern Lamm nachstehendes Schreiben ein: „Vollmacht meiner Auftraggeber überreichend, fechte ich namens der gesetzlichen Erben des am 5. November 1955 verstorbenen Max Lamm, nämlich des Fabrikbesitzers Frau% Lamm und seiner Ehefrau Christiane geb. Müller, beide in Lichterfelde, die vom Erblasser am 17. Juni 1955 zugunsten des Fäuleins Rosa Hübscher errichtete letztwillige Verfügung gemäß § 2 0 7 8 " , 2082 B G B wegen Irrtums an. Der Erblasser unterhielt mit Fräulein Hübscher ein Liebesverhältnis und glaubte der Vater des von ihr erwarteten Kindes zu sein. Durch die Zuwendung sollte der Unterhalt des Kindes gedeckt und der Mutter die Verheiratung oder Begründung einer geschäftlichen Existenz ermöglicht werden. Das Kind ist am 15. Februar 1956 geboren worden, rührt aber nicht vom Erblasser, sondern von dem Kellner Runge her, der auch die Vaterschaft anerkennt hat. Der Erblasser ist also durch die irrige Annahme und Erwartung des Eintritts eines Umstandes, nämlich der Geburt eines von ihm erzeugten Kindes, zu seiner Verfügung bestimmt worden."

Nach der Darstellung der Anfechtungsschrift hat Max Lamm sich nicht über den Inhalt seiner letztwilligen Erklärung im Irrtum befunden, vielmehr seinem Willen gemäß, aber aus einem unrichtigen Beweggrund, testiert. Nach dem Allgemeinen Teil des B G B wäre der Motivirrtum, wenn er nicht arglistig herbeigeführt ist, kein Anfechtungsgrund. Dagegen gestattet bei Testamenten § 2078 1 1 ganz allgemein die Anfechtung wegen Irrtums im Beweggrund. Allerdings muß der Testator über den Eintritt oder Nichteintritt der Umstände, auf die es ankommt, sich eine bestimmte — und dabei objektiv unzutreffende — Vorstellung gemacht haben (RG 86, 206; Ausnahme: § 2079). Doch wird — abgeschwächt — für genügend erachtet, daß der Erblasser die Erwartung zweifellos gehabt hat, selbst wenn er sich ihrer nicht ganz besonders bewußt gewesen sein sollte (so B G H 4, 91; dazu kritisch Kipp-Coing, Erbrecht, 10. Bearb. § 2 2 1 1 2 b). Eine Nachprüfung der Anfechtung vom Standpunkt „verständiger Würdigung des Falles" (so § 1 1 9 1 ) findet in Erbrecht nicht statt. Es genügt der Nachweis, daß der Erblasser, vielleicht aus Schrullenhaftigkeit, bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht so testiert hätte. Wird hierdurch die Testamentsanfechtung im Vergleich zum Allgemeinen Teil wesentlich erleichtert und ausgedehnt, so wird andrerseits der Umfang ihrer Wirkung

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Nachlaßgericht — Testamentsanfechtung

eingeschränkt. Unter der „letztwilligen Verfügung", gegen welche sich die Anfechtung richtet, ist nämlich nicht das ganze Testament, sondern nur die von dem Willensmangel betroffene letztwillige Anordnung zu verstehen. Ob mit ihr auch andere Anordnungen unwirksam werden, richtet sich nach § 2085, der für Zweifelsfälle das Gegenteil des § 139 als Norm aufstellt, nämlich die Aufrechterhaltung der übrigen Bestimmungen: „favor testamenti". Da das Testament vom 17. Juni 1955 aus einer einzigen „Verfügung" besteht, wirkt sich der Unterschied in unserem Fall nicht aus. „Die Anfechtung geschieht lediglich vorsorglich. In erster Linie wird Nichtigkeit des Testaments aus den dem Frl. Hübscher bekannten Gründen geltend gemacht."

Die Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrundes ist von der Anfechtung wohl zu unterscheiden. Der Anwalt denkt offenbar an Nichtigkeit aus § 138. Die Rechtsprechung hat Zuwendungen an eine Konkubine wiederholt für sittenwidrig und nichtig erklärt; allerdings waren dabei die Erblasser verheiratete Männer, die durch das Legat die Geliebte zur Fortsetzung des ehebrecherischen Verkehrs bestimmen wollten oder unter ihrem Einfluß die Familie in ungerechtfertigter Weise zurücksetzten (RG JW 1 9 1 1 , 29®; JW 1929, 33 2 mit Anm. Bendix; R G 166, 395; O G H Z 1, 249; 3, 158). Max Lamm hätte klüger getan, statt des Frl. Hübscher den nasciturus zu bedenken und sich im Testament zu der Vaterschaft des Kindes zu bekennen. Damit hätte er einmal den Streitpunkt der Sittenwirdrigkeit ausgeschaltet. Außerdem erben nach § 9 ErbStG i. d.F. vom 16. Dezember 1954 (BGBl I, 391) uneheliche, vom Vater anerkannte Kinder in der ersten, am niedrigsten besteuerten Klasse, während Frl. Hübscher der höchst besteuerten Klasse angehört. Der steuerliche Vorteil wäre in dem unterstellten Fall auch dann nicht verloren gegangen, wenn das Testament formnichtig gewesen wäre, die Eltern Lamm aber freiwillig dem Kind das ausgesetzte Viertel des Nachlasses gegeben hätten: denn erfüllt der Erbe eine wegen Formmangels nichtige letztwillige Verfügung, so wird nur die Erbschaftssteuer entrichtet, die bei Gültigkeit des Testaments zu zahlen gewesen wäre (§ 5 1 " StAnpG).

Schließlich hat der Anwalt noch mit der Möglichkeit gerechnet, daß man trotz § 2087 B G B die Zuwendung wegen des Ausdrucks „vermachen" als Vermächtnis auffaßt. Gegenüber dem Nachlaßgericht erfolgt nämlich die Testamentsanfechtung nur, wenn es sich um Erbfolge, Testamentsvollstreckung oder Auflage handelt (§ 2081 i n ) . Das Vermächtnis ist ein obligatorisches Rechtsverhältnis zwischen dem Bedachten und dem Beschwerten (§2174) und für Dritte ohne Interesse. Deshalb wird hier, dem Grundsatz des § 143 entsprechend, außergerichtlich gegenüber dem Bedachten angefochten (RG 143, 353): „Gleichzeitig wird die Anfechtung durch Zustellung an Frl. Hübscher erklärt. Weiß, Rechtsanwalt."

Beglaubigung der Unterschrift ist für Testamentsanfechtung (anders als bei der Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft, § 1955) nicht vorgeschrieben. Für die Vollmacht gilt die allgemeine Regel des § 167 n . — Nach § 2 0 8 1 1 1 erhält Fräulein Hübscher Abschrift der Anfechtungserklärung zur Kenntnisnahme. Über die Berechtigung der Anfechtung mag sie sich mit den Eltern Lamm nötigenfalls im Prozeßweg auseinandersetzen. Das Nachlaßgericht hat nur dann Stellung zu nehmen, wenn es bei der Ausstellung eines Erbscheins darauf ankommen sollte. Erbschein bei gesetzlicher Erbfolge Einziehung und öffentlicher Glaube des Erbscheins Frau Krebs aus Festenberg läßt sich beim Rechtspfleger melden und bittet unter Vorlegung von Standesamtsurkunden, gerichtlichen Bescheinigungen, Erbteilsübertragungen und -pfändungen um Ausstellung eines Erbscheiris nach ihrer in Lichter-

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Nachlaßgericht — Gesetzliche Erbfolge

felde verstorbenen Schwester Frau Salat: Meine Schwester hat sich bald nach dem Tod ihres Kindes vom Manne getrennt, zuerst in Neuwied und Dresden, dann 20 Jahre lang in Lichterfelde das Gewerbe als Masseurin und Heilgymnastin allein ausgeübt und schönes Geld damit verdient. Ein Testament haben wir nirgends ausfindig machen können. Der Mann meiner Schwester hat seinen Erbteil verkauft und tut, als ob ihn die ganze Angelegenheit nichts anginge. Einem anderen Erben ist der Erbteil von einem Gläubiger gepfändet worden. Jetzt habe ich die Erbschaftsregelung in die Hand genommen und brauche den Erbschein, weil die Bank die Auszahlung des Guthabens und die Herausgabe der Wertpapiere auf Grund ihrer Geschäftsbedingungen von der Vorlegung eines Erbscheins abhängig macht. Der Rechtspfleger: Die Erbscheinsverhandlung können Sie vor jedem Notar und jedem Amtsgericht zu Protokoll erklären. Sie hätten nicht nötig gehabt, deshalb nach Lichterfelde zu reisen. Aber zeigen Sie bitte die Urkunden. Nach den Angaben der Krebs und den von ihr mitgebrachten Urkunden fertigt sich der Rechtspfleger zur besseren Übersicht eine Stammbaumzeichnung an: Klara Bartels t 15-4-1937

„Hans Kunze

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Frida Kunze t 5- 7- 1955

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Marie Harms t 5- » .

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»V Hermann Salat in Essen (Zessionar: Ule)

10. 12.

Franz Kaczmarek in Hamm

Georg Krebs in Festenberg

Karo line Kunze

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Rudolf Bartels — unehelich — in Stade (Pfändungsgläubiget: Madsen)

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J. 5. 1930

Fanny Kaczmarek f 6. 8. 1951

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Jürgen t 16.3.1932

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Karl Wedemeyer jun. t >7-9- I 955

' Ludwig I94I O t 7-

- ^ Magda Topf in Kassel"

Karl Wedemeyer jun. ist ohne Testament verstorben. Wir stellen zunächst den Ehegattenerbteil des Hermann Salat fest, der neben Verwandten zweiter Ordnung % beträgt. § 1 9 3 1 1 S. 1. Der Witwer hat außerdem gemäß § 1932 Hausrat und Hochzeitsgeschenke als „Voraus" zu beanspruchen. Innerhalb der auf die Verwandten fallenden Hälfte entsteht die Frage, wie das Erbrecht der vollbürtigen Schwester Frau Krebs sich zu dem der halbbürtigen Geschwister bzw. Geschwisterkinder Rudolf Bartels und Karl Wedemeyer jun. verhält. Nach dem B G B werden die Halbbürtigen nicht durch die Vollbürtigen ausgeschlossen, sondern sie erben in derselben Ordnung, aber zu geringerer Quote („zur halben Hand"). Das folgt aus dem System der Erbfolge nach Stämmen und Linien. Auf Grund des Eintrittsrechts der Abkömmlinge tritt an die Stelle des vorverstorbenen Vaters Hans Kunze seine Tochter Frau Krebs, an die Stelle der vorverstorbenen Mutter Klara Kaczmarek ihre gesamte Nachkommenschaft nach Stämmen: „Das Gut rinnt wie das Blut". §§ 1 9 2 5 1 1 1 S. 1, 1924 i n . Weitere Folgerungen aus dem Stammes- und Liniensystem: 1. kein „Schoßfall", wenn neben Geschwistern ein Elternteil am Leben ist (§ 1925 I: > l n ) , 2. Kinder aus einer Kusinenehe erhalten die Erbteile ihrer beiden vorverstorbenen Eltern (§ 1927). Mit der dritten Erbklasse endet das Liniensystem und wird durch das Gradsystem abgelöst. §§ 1 9 2 8 1 1 1 , 1929 1 1 . Freilich nur innerhalb der Parentel; ein Verwandter 7. Grades aus der 4.Ordnung geht einem Verwandten 6. Grades aus der

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Nachlaßgericht — Erbscheinsverhandlung

5. Ordnung vor. § 1950. — In unserem Fall ergibt die Berechnung für Frau Krebs 4 / i a (nämlich das % des Vaters ganz und von dem % der Mutter der dritte Teil), für Rudolf Bartels und Karl Wedemeyer jun. je 1 / 1 2 (aus dem % der Mutter). Ungenau wäre es, wenn man die Erblasserin und Rudolf Bartels oder Fanny Wedemeyer als „Stiefgeschwister" bezeichnen würde. Stiefgeschwister haben keinen Elternteil gemeinsam und sind überhaupt nicht blutsverwandt.

Die weitere Beerbung des Karl Wedemeyer richtet sich nach § 1 9 3 1 1 S. 2. Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, daß der Ehegatte jedes gesetzliche Erbrecht von Verwandten dritter Ordnung mit Ausnahme der Großeltern absorbiert. Hätte Karl Wedemeyer keine Witwe hinterlassen, so hätten sein Großvater Franz Kaczmarek y2, der Onkel Rudolf Bartels und die Tante Karoline Krebs die Hälfte der vorverstorbenen Großmutter Klara Kaczmarek zu gleichen Teilen geerbt. Nunmehr entfällt auf die Witwe Magda Wedemeyer außer dem gewöhnlichen Witwenerbteil von y2 auch der Anteil von Onkel und Tante mit zusammen y4, während das letzte Viertel dem Großvater Franz Kaczmarek verbleibt. Im Ergebnis erhalten daher vom Frida Salatschen Nachlaß: der Witwer Hermann Salat, an dessen Stelle durch Übertragung gemäß § 203 3 1 Ule getreten ist, den Voraus und y 2 ; Frau Krebs 4 / 1 2 ; Rudolf Bartels 1 / 1 2 , das dem Pfändungsgläubiger Madsen haftet; Magda Wedemeyer 3 / 4 8 ; Franz Kaczmarek 1 / 48 . So hat lediglich infolge des Umstandes, daß Karl Wedemeyer jun. erst nach der Erblasserin Frida Salat verstorben und demgemäß ihr Erbe geworden war (§ 1923 1 ), Franz Kaczmarek mittelbar ein Miterbrecht erlangt, das ihm als Stiefvater niemals zugestanden hätte. E r b s c h e i n s v e r h a n d l u n g . Es wird folgende Verhandlung nach den §§ 2354, 2356, 2357 aufgenommen: „Gegenwärtig: Justizinspektor Pfleger

Lichterfelde, den 8. November 1955.

als Rechtspfleger. E s erschien: die verehelichte Frau Schnittwarenhändler Karoline Krebs geborene Km%e aus Festenberg, ausgewiesen durch und erklärte: Laut beiliegender Sterbeurkunde ist am 5. Juli 1955 meine Schwester, die Masseurin und Heilgymnastin Frau Frida Salat geborene Kun^e, zu Lichterfelde, ihrem Wohnsitz, verstorben. Sie hat als gesetzliche Erben hinterlassen: I. ihren Ehemann, den Naturheilkundigen Hermann Salat in Essen, Bismarckstraße 40, zu II. mich, ihre vollbürtige Schwester, zu 4 / 1 2 , III. ihre halbbürtigen Geschwister und Geschwisterkinder: a) Handelsmann Rudolf Bartels in Stade, Lüneburgerstraße 24, b) Buchhalter Karl Wedemeyer in Kassel, inzwischen am 1 7 . September 1955 ebenfalls verstorben, zu a und b je zu 1 / 1 2 - "

Der Erbschein hat die Rechtsverhältnisse so zu bezeugen, wie sie sich im Augenblick des Erbfalls gestaltet haben. Spätere Ereignisse — die Beerbung des Karl Wedemeyer jun. durch seine Frau und seinen Großvater, die Übertragung des Hermann Salatschen Erbteils auf Ule, die Pfändung des Rudolf Bartelsschen Erbteils durch Madsen — gehören nicht hinein. Nicht einmal ein Vermerk bloß nachrichtlicher Art wäre statthaft, denn Erbschein, Grundbuch, öffentliche Register sind mit öffentlichem Glauben ausgestattet und dürfen nur solche Angaben enthalten, die des öffentlichen Glaubens fähig sind. R G 64, 173. Deshalb werden Erbscheine auch niemals mit Gründen versehen. Damit die wirklich Berechtigten über den Nachlaß verfügen können, wird außer dem Erbschein nach Frida Salat noch ein solcher nach Karl Wedemeyer zu beschaffen, ferner die Erbteilsübertragung

Nachlaßgericht — Nachweis der gesetzlichen Erbfolge

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von Hermann Salat auf Ule und der Pfändungsbeschluß des Madsen vorzulegen sein. Den Erbschein nach Frida Salat hätten auch die Erben des Karl Wedemeyer beantragen können, ebenso Ule und (nach ausdrücklicher Bestimmung der §§ 792, 896 ZPO) der Pfändungsgläubiger Madsen. D e r Voraus des Witwers darf im Erbschein nicht erwähnt werden, weil er die Natur eines gesetzlichen Vermächtnisses (§ 1 9 3 2 B G B ) , also eines rein persönlichen Anspruchs, hat. „Andere Personen, durch welche die Genannten von der Erbfolge ausgeschlossen oder ihre Erbteile gemindert würden, sind nicht vorhanden. Als solche Personen waren nur vorhanden: a) der Sohn der Erblasserin Jürgen Salat, geboren am 10. Oktober 1928, gestorben am 18. März 1932. b) ihr Vater Hans Kun^e, gestorben am 15. März 1905, c) ihre Mutter Klara Kac^marek, verwitwete Kunze, geborene. Bartels, gestorben am 15. April 1937, d) ihre halbbürtige Schwester Fanny Wedemeyer geborene Kac^marek, Mutter des Erben zu 3 b, gestorben am 6. August 1 9 5 1 . " E s genügt nicht, in der Erbscheinserklärung das Erbrecht derjenigen, welche Erben geworden sind, auf dem kürzesten Wege nachzuweisen. Das Gesetz verlangt außerdem A n g a b e der Personen, die zum Erblasser in einem zur Erbfolge berechtigenden Verhältnis gestanden haben, aber vor seinem T o d e weggefallen sind, nebst urkundlichem Nachweis des Wegfalls (Sterbeurkunde, Scheidungsurteil, Erbschaftsausschlagung usw.), und es dehnt die v o m Erben abzugebende eidesstattliche Versicherung auf das Nichtvorhandensein derartiger Personen aus. §§ 2 3 5 4 1 N r . 3, A b s . II 2356. Diese Nachweispflicht des Antragstellers ist eine Ausnahme v o n dem Grundsatz der § § 1 2 F G G , 2358 B G B . DerErbscheinsrichter soll nachprüfen können, ob jene Personen wirklich weggefallen sind. Dadurch werden Erben und Gericht oftmals genötigt, viel Mühe und Zeit ohne positives Ergebnis auf die „Sackgassen" der verwandtschaftlichen Beziehungen zu verwenden. E s sind z. B. Kinder, die an sich erbberechtigt gewesen wären, vor langen Jahren im zartesten Alter verstorben und niemand in der Familie kennt mehr ihre Vornamen, noch Sterbetag und -ort. „Eine Verfügung der Erblasserin von Todes wegen ist nicht vorhanden. Ein Rechtsstreit über das Erbrecht der bezeichneten Erben ist nicht anhängig. Sämtliche Erben haben die Erbschaft angenommen." V g l . § § 2 3 5 4 4 . 5 , 2 3 5 7 1 1 1 S. 1. Wäre ein Rechtsstreit anhängig, so müßte nach § 2 3 6 0 1 das Gericht v o r Ausstellung des Erbscheins den Gegner des Antragstellers anhören. „Ich überreiche 1 1 weitere Personenstandsurkunden und 3 gerichtliche Bescheinigungen, versichere an Eides Statt, daß mir nichts bekannt ist, was der Richtigkeit meiner Angaben entgegensteht, und beantrage: einen gemeinschaftlichen Erbschein über das Erbrecht der zu I bis III bezeichneten Erben auszustellen und den Erben zu meinen Händen Ausfertigung des Erbscheins zu erteilen.'' Die Personenstandsurkunden sind: Heiratsurkunde der Erblasserin, Geburts- und Sterbeurkunde des Sohnes Jürgen, Geburtsurkunden der Erblasserin und ihrer 3 G e schwister, Sterbeurkunden beider Eltern und der Fanny Wedemeyer, Geburtsurkunde des Karl Wedemeyer. Heiratsurkunden sind nur dann erforderlich, wenn das Erbrecht auf der Eheschließung beruht, wie beim Ehemann Salat. Die Ehelichkeit eines Kindes wird nach herrschender Ansicht schon durch die Geburtsurkunde bewiesen, in welcher die Geburt von einer Ehefrau bescheinigt ist. Noch weniger bedarf es der Heiratsurkunde, wenn sie (wie bei Frau Krebs) lediglich die Namensänderung einer durch die Geburt erbberechtigten Person belegen soll. K G J F G 21, 120. öffentliche Urkunden sind für die Zeit vor dem 1. Januar 1876 die Auszüge aus den damals geführten gerichtlichen Registern oder Kirchenbüchern, für die Zeit danach Auszüge aus den standesamtlichen Registern. Das Personenstandsgesetz vom 3. November 1937 (RGBl I, 1146) i.d.F. vom 15. Januar 1951 (BGBl I, 57) kennt beglaubigte Abschriften aus den Familien-, Geburten- und

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Nachlaßgericht — Nachweis der gesetzlichen Erbfolge

Sterbebüchern sowie Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden (§§ 61—64). Diese Urkunden haben dieselbe Beweiskraft wie die Bücher (§66 PStG), d. h. sie beweisen nach § 60 PStG bei ordnungsmäßiger Führung der Bücher Heirat, Geburt und Tod. Den Eintragungen im Geburten- und Sterbebuch ist damit eine noch über § 415 ZPO hinausgehende Beweiskraft beigelegt, da sie nicht nur vollen Beweis für die vor dem Standesbeamten abgegebene Erklärung, sondern für die Tatsache der Geburt oder des Todes selbst erbringen. Jedoch ist der Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen zulässig (§ 60 1 1 PStG). Beglaubigte Eintragungen im Familienstammbuch erbringen denselben Beweis wie die genannten Urkunden, wenn dabei die Vordrucke verwendet worden sind, die für die Erteilung beglaubigter Abschriften aus den Persoenstandsbüchern oder von standesamtlichen Urkunden bestimmt sind (§ 107I der 1. A u s f V O z. PStG vom ig. Mai 1938 (RGBl I 533). Streitig war die Beweiskraft der vor dem 1. Juli 1938 ausgestellten Familienbücher, wenn die Eintragungen in ihnen in der Form abgekürzter sog. Geburts-, Heirats- und Todesscheine bewirkt worden waren, wie sie die V O über standesamtliche Scheine vom 14. Februar 1924 (RGBl I, 116) durch Einfügung der §§ 15 a—c in das PStG a.F. eingeführt hatte. Solche Urkunden beweisen, daß die Geburt, die Eheschließung oder der Sterbefall im Register beurkundet ist (§ 15a). Todes- und Heiratsscheinen dieser Art kann ausreichende Beweiskraft zum Nachweis der Tatsachen des § 2354 1 Nr. 1, 2 1 1 beigemessen werden ( K G J R 1927, 137). Geburtsscheine dagegen und die in § 102a der 1. AusfVO z. PStG vorgesehenen Geburtsbescheinigungen, die besonders im Interesse der unehelichen Kinder geschaffen worden sind, können den Nachweis der Abstammung nicht erbringen, weil sie keine Angaben über die Eltern enthalten. Sind jedoch abgekürzte Eintragungen dieser Art in ein Familienstammbuch aufgenommen, so erstreckt sich die Beweiskraft der Eintragungen im Sinne der § § 60 und 66 PStG auch auf solche näheren Angaben über die beurkundeten Personenstandstatsachen, die sich aus dem inneren und äußeren Zusammenhang des ordnungsgemäß geführten Familienstammbuchs ergeben, wie jetzt durch § 1 0 7 1 1 2 der 1. AusfVO z. PStG i.d.F. der 4. AusfVO vom 27. September 1944 (RGBl I, 219) klargestellt worden ist. Die Eintragung einer Geburt im Familienstammbuch in der Form eines Geburtsscheins, d. h. ohne ausdrückliche Bezeichnung der Eltern, beweist daher die eheliche Geburt des Kindes von den Eltern, für die das Stammbuch ausgestellt worden ist. Die gegenteilige Rechtsprechung des K G ( J F G 20, 34) hat durch diese Gesetzesänderung ihre Bedeutung verloren (vgl. auch Soergel-Siebert, BGB, 8. Aufl. § 2356 Anm. 2). In Beweisnot geraten die Beteiligten häufig, wenn die beweisbedürftigen Tatsachen bei einem Standesamt in den jetzt unter sowjetischer oder polnischer Verwaltung stehenden Ostgebieten beurkundet worden sind. Über die in diesen Fällen vorhandenen Möglichkeiten der Urkundenbeschaffung vgl. Pehe, J R 1955, 134. Notfalls kann das Gericht nach § 23 56 1 S. 2 „andere Beweismittel" zulassen, wenn die Urkunden nicht oder mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu beschaffen sind. In den überreichten gerichtlichen Bescheinigungen bestätigen die Gerichte Essen, Neuwied und Dresden, daß Verfügungen v o n Todes wegen sich dort nicht in besonderer amtlicher Verwahrung befinden. Die rein negative Fassung der eidesstattlichen Versicherung ist in § 2 3 5 6 1 1 S. 1 zugelassen, weil die Tatsachen, auf die sich die eidestattliche Erklärung bezieht, oft in entfernter Vergangenheit liegen und der E r b e aus eigenem Wissen über sie nicht unterrichtet sein kann. Namentlich dem Erbeserben, Erbteilserwerber oder Gläubiger wird erst durch diese abgeschwächte Formulierung die Erwirkung eines Erbscheins ermöglicht. Gemeinschaftlicher Erbschein: § 2 3 5 7 1 . „Ferner bitte ich: soweit eidestattliche Versicherungen der Miterben für erforderlich erachtet werden, die in Betracht kommenden Erben durch die für sie zuständigen Amtsgerichte über ihren Beitritt zu dieser Verhandlung vernehmen zu lassen. Der Wert des reinen Nachlasses beträgt 19000 DM. Hierauf ist die Verhandlung vorgelesen, von der Beteiligten genehmigt und eigenhändig, wie folgt, unterschrieben worden: Karoline Krebs geb. Kunze. Geschlossen: Pfleger."

Nachlaßgericht — Gemeinschaftlicher Erbschein

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Soweit das Nachlaßgericht nach § 2 3 5 7 ^ eidesstattliche Versicherungen der Miterben verlangt, hatte eigentlich die Antragstellerin diese Erklärungen zu beschaffen. Man kommt ihr aber gern entgegen, indem man die Miterben vor die Amtsgerichte ihres Wohnorts vorladen und ihnen den Beitritt zu der Erbscheinserklärung der Frau Krebs anheimstellen läßt. Selbstverständlich darf die Ladung nicht unter Androhung von Rechtsnachteilen erfolgen, da es sich um ausgesprochene Akte freiwilliger Gerichtsbarkeit handelt. Vgl. R G 95, 286. W e i t e r e s V e r f a h r e n u n d E r b s c h e i n . Unbeschadet der Notwendigkeit des förmlichen Nachweises durch Personenstandsurkunden und eidesstattliche Versicherungen hat der Erbscheinsrichter nach § 2358 B G B (entsprechend § 12 F G G ) alle für die Feststellung des Erbrechts wesentlichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln und alsdann nach § 2359 B G B mit freier Beweiswürdigung zu entscheiden, ob das behauptete Erbrecht als festgestellt angesehen werden kann. Da Frau Krebs schon die Bescheinigungen aller in Betracht kommenden Amtsgerichte über das Nichtvorhandensein von Testamenten beigebracht hat, bleibt für die Amtsermittlungstätigkeit nur die Heranziehung aller vormundschaftsgerichtlichen Akten der Familien Salat, Kunze, Kaczmarek und Wedemeyer. Andere als die aus der Erbscheinsverhandlung bekannten Erbberechtigten werden nicht festgestellt. Ferner läßt das Nachlaßgericht von einigen Miterben im Wege der Rechtshilfe eidestattliche Erklärungen bzw. Beitrittserklärungen zur Erbscheinserklärung der Frau Krebs aufnehmen. Alsdann wird verfügt: „ 1 . G e m e i n s c h a f t l i c h e r E r b s c h e i n . Erben der zu Lichterfelde, ihrem Wohnsitz, am 5. Juli 1955 verstorbenen Masseurin und Heilgymnastin Frau Frida Salat geb. Kunze sind: I. ihr Ehemann, der Naturheilkundige Hermann Salat in Essen, zur Hälfte, II. ihre vollbürtige Schwester, verehelichte Schnittwarenhändler Karoline Krebs geb. Kunze in Festenberg, zu vier Zwölfteln, III. ihre halbbürtigen Geschwister bzw. Geschwisterkinder: a) Handelsmann Rudolf Bartels in Stade, b) Buchhalter Karl Wendemeyer in Kassel, zu a und b je zu einem Zwölftel des Nachlasses. Lichterfelde, den 18. Dezember 1955. Das Amtsgericht. Pfleger, Justizinspektor als Rechtspfleger. 2. Ausfertigung den Erben zu Händen der Frau Krebs erteilen. 3. Begl. Abschrift mit Nachricht nach Vordruck dem Finanzamt (s. S. 565 zu 1). 4. Kosten."

Der Erbschein bleibt in den Akten des Nachlaßgerichts, die Beteiligten erhalten nur Ausfertigungen. K o s t e n : Nach § 7 1 1 K o s t O soll die Erledigung eines auf Antrag vorzunehmenden Geschäfts davon abhängig gemacht werden, daß ein zur Deckung der Kosten hinreichender Vorschuß gezahlt oder sichergestellt wird. F ü r die Erteilung des Erbscheins wird die volle Gebühr erhoben, für die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung eine halbe Gebühr (§§ 99 1 , 4 3 1 1 S. 1 KostO). Maßgebend ist der Wert des nach A b z u g der Nachlaßverbindlichkeiten verbleibenden reinen Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 9 9 1 1 S. 1 KostO). Demgemäß hat Frau Krebs nach einem Geschäftswert von 19 000 D M 1 y 2 Gebühren nach der Gebührenstaffel des § 26 K o s t O einschließlich des Z u schlags von 25 v . H . nach dem Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiet des Kostenrechts v o m 7. August 1 9 5 2 ( B G B l I, 401) mit 97,50 D M kurzerhand in Kostenmarken entrichtet. Sofern weitere eidesstattliche Versicherungen von Miterben beurkundet werden, wird eine halbe Gebühr nach dem Wert ihres Anteils am Nachlaß erhoben (§ 4 3 1 1 S. 3 KostO).

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Nachlaßgericht — Gegenständlich beschränkter Erbschein

G e g e n s t ä n d l i c h b e s c h r ä n k t e E r b s c h e i n e ? Nach früherem Landeskostenrecht waren inhaltlich unbeschränkte Erbscheine zu beschränktem Gebrauch, z. B. nur zur Verfügung über ein Grundstück oder ein Sparguthaben, zugelassen, die kostenrechtlich begünstigt waren. Die Kostenordnung sieht solche Gebührenermäßigungen nicht mehr vor (KG DNotZ 1959, 100). Ist der Erblasser nach deutschem Recht beerbt worden, so gibt es auch keinen gegenständlich beschränkten Erbschein, dessen Wirkungen sich nur auf einzelne Nachlaßgegenstände erstrecken. Das B G B kennt nur einen Erbschein, der sich auf die Gesamtheit des in- und ausländischen Vermögens des Erblassers bezieht (BGH 1, 15). Nur wenn der Nachlaß einem ausländischen Erbstatut unterliegt, kann das deutsche Nachlaßgericht nach der Sondervorschrift des § 2369 B G B einen gegenständlich beschränkten Erbschein mit Beschränkung auf die in Deutschland befindlichen Nachlaßgegenstände erteilen. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, wenn das ausländische Recht für den im Ausland, d. h. in Deutschland befindlichen Nachlaß auf das fremde Recht zurückverweist (Art. 27 EGBGB), wie z. B. das englische und das französische Recht sowie § 300 österABGB für unbewegliche Gegenstände. Dadurch zerfällt der Nachlaß in zwei Teile, die verschiedenen Rechten unterliegen (Nachlaßspaltung). Das deutsche Nachlaßgericht hat dann unter Anwendung deutschen Rechts nicht einen gegenständlich beschränkten, sondern einen allgemeinen Erbschein zu erteilen, weil durch die Nachlaßspaltung getrennte und als selbständig zu behandelnde Vermögensmassen gebildet werden, gleichsam als ob sie von verschiedenen Erblassern herrühren (KG J F G 15, 78 = D J 1937, 554 m. Anm. Vogels; K G J F G 16, 23 = JW 1937, 2527 m. Anm. Lewald). Ein gegenständlich beschränkter Erbschein ist das Hoffolgezeugnis nach § 1 8 1 1 S. 3 der Höfeordnung für die britische Zone, das lediglich die Hoferbfolge bescheinigt. In einem solchen Fall kann ein auf das hoffreie Vermögen allein beschränkter Erbschein erteilt werden ( K G JW 1938, 3 1 7 1 ; O L G Düsseldorf, N J W 1953, 1870). Neuerdings sieht das Gesetz in § 1 8 1 1 1 BEntschG einen beschränkten Erbschein vor, der einen Nachweis des Erbrechts nur für das Entschädigungs verfahren erbringt (dazu K G NJW RzW 1955,189). § 5 5 1 1 bayerNachlaßO, die als Verwaltungsanordnung keine verbindlichen Rechtsnormen enthält, läßt die Erteilung eines Erbscheins mit Beschränkung auf bestimmte Nachlaßgegenstände, z. B. ein Grundstück, zu. Obwohl mit den Vorschriften des B G B nicht vereinbar, ist ein mit diesem Inhalt erteilter Erbschein doch jedenfalls nicht unwirksam (BayObLG N J W 1952, 825). Wegen seiner kostenrechtlichen Behandlung s. einerseits Roß-Wedewer, KostO, § 99 1 1 1 , andererseits HaberstumpfFirsching, Nachlaßwesen in Bayern, § 5 5 Bern. 2. Wird ein Erbschein auf Grund sachlicher Gebührenfreiheit für begrenzte Zwecke (Rückerstattung) erteilt, so wird er zur Sicherung gegen mißbräuchliche Verwendung für weitere, kostenrechtlich nicht begünstigte Angelegenheiten mit einem Vermerk über seine begrenzte Gültigkeit versehen. Inhaltlich handelt es sich hier um einen allgemeinen Erbschein, der jedoch bei Verwendung für einen gebührenrechtlich nicht bevorzugten Zweck zurückzuweisen ist, z. B. vom Grundbuchamt ( K G DNotZ 1942,188; BayObLG a.a.O.). Unter Nachzahlung der bisher nicht erhobenen Gebühren kann der Berechtigte nach § 85 F G G eine Ausfertigung desselben Erbscheins ohne einschränkenden Vermerk beantragen. E i n z i e h u n g d e s E r b s c h e i n s . Im Frühjahr 1956 stellt sich heraus, daß Frida Salat im Jahre 1949 vor einem Wiesbadener Notar zugunsten einer Freundin testiert hatte: „ Z u r alleinigen Erbin meines Nachlasses ernenne ich Fräulein Leonare Schlosser in Wiesbaden Mein Ehemann soll, falls er mich überlebt und wir bis dahin nicht gerichtlich geschieden sind, seinen Pflichtteil erhalten. Meiner Schwester, verehelichten Schnittwarenhändler Karoline Krebs geb. Kunze in Festenberg, setze ich 1000 DM (i.W.) als Vermächtnis aus, welche ihr Vorbehaltsgut sein sollen." Das Testament liegt in Wiesbaden, der Verwahrungsschein befindet sich im Besitz des Frl. Schlosser. Nachdem diese v o n dem Todesfall Kenntnis erlangt hat, veranlaßt sie die Eröffnung durch das Amtsgericht Wiesbaden. Das eröffnete Testament wird dem Nachlaßgericht Lichterfelde übersandt (S. 562). D e r Erbschein v o m 18. Dezember 1955 hatte keine konstitutive Wirkung, er begründete lediglich eine Vermutung (§ 2365 B G B ) , die durch das aufgefundene Testament widerlegt wird. Den Entscheidungen im Erbscheinsverfahren kommt keine

Nachlaßgericht — Einziehung des Erbscheins

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materielle Rechtskraft zu, vielmehr kann und muß das Gericht wie auch sonst in Angelegenheiten freiwilliger Gerichtsbarkeit seine Verfügungen grundsätzlich aufheben oder ändern, wenn es sie nachträglich für ungerechtfertigt erachtet (§ 18 1 F G G ; K G N J W 1955, 1074). Nur ausnahmsweise fällt diese Änderungsmöglichkeit fort: bei den der sofortigen Beschwerde unterliegenden Entscheidungen (§ 1 8 1 1 ) ; wenn durch die Verfügung die Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft erteilt oder verweigert und die Genehmigung oder ihre Verweigerung gegenüber dritten Personen wirksam geworden ist (§ 5 5 r , dazu S. 497); wenn die Verfügung einen Antrag voraussetzt, der zurückgewiesen worden ist und vom Antragsteller jetzt nicht erneuert wird (§ 18 1 ). In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen ordnet § 2361 1 B G B die Beseitigung eines an sich ordnungsmäßig erteilten Erbscheins an, sobald sich seine „Unrichtigkeit" ergibt — wobei es keinen Unterschied macht, ob die Unrichtigkeit auf nachträglich eingetretenen oder bekannt gewordenen Tatsachen beruht oder nur durch eine andere rechtliche Beurteilung oder eine andere Würdigung desselben Sachverhalts begründet wird. Sachlich weicht § 2361 1 von § 18 1 F G G insofern ab, als der Erbschein nicht ex tune aufgehoben, sondern es nunc eingezogen wird. Der unrichtige Erbschein wird also nur für die Zukunft aus dem Verkehr gezogen oder seiner rechtlichen Wirkung entkleidet (Kraftloserklärung, § 2 3 6 1 n ) . Der von dem unrichtigen Erbschein ausgegangene Rechtsschein kann nicht rückwirkend ausgelöscht werden, weil dadurch in die Rechte Dritter, die auf den Erbschein vertraut haben, eingegriffen würde. Die Einziehung geschieht von Amts wegen. Der Nachlaßrichter macht den Erbscheinserben vom Inhalt des Testaments Mitteilung (§ 2262 BGB) und fragt an, ob sie Einwendungen gegen die Gültigkeit vorzubringen haben. Da das nicht geschieht, verfügt er: „ 1 . Beschluß. Gemäß § 2361 B G B wird die Einziehung des am 18. Dezember 1955 erteilten Erbscheins nach der am 5. Juli 1955 verstorbenen Frida Salat geb. Kun^_e angeordnet, weil sich seine Unrichtigkeit aus dem vom Amtsgericht Wiesbaden am 10. April 1956 eröffneten notariellen Testament der Erblasserin vom 6. Januar 1949 ergeben hat. Lichterfelde, den 25. April 1956. Das Amtsgericht. Richter. 2. Ausfertigung des Beschlusses an sämtliche im Erbschein vom 18. Dezember 1955 bezeichneten Erben — an Stelle des Karl Wedemeyer an dessen Witwe und Franz Kaczmarek —. 3. Aufforderung an Frau Krebs, die erteilte Ausfertigung des Erbscheins innerhalb einer Woche seit Zustellung zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen gemäß § 3 3 F G G zurückzureichen. — Zustellen —. 4. Nachricht dem Finanzamt. 5. 10 Tage."

Frau Krebs reicht die Ausfertigung zurück. Damit ist die „Einziehung" vollzogen. Einer „Kraftloserklärung" durch öffentliche Bekanntmachung (§ 2361 1 1 ) bedarf es nur, sofern der eingezogene Erbschein nicht sofort erlangt werden kann. Ein neuer Erbschein entsprechend der durch das Testament geschaffenen Rechtslage wird mangels eines hierauf gerichteten Antrags vorläufig nicht ausgestellt. — Muß Fräulein Schlosser, die wir jetzt als die richtige Erbin zu betrachten haben, die Verfügungen der Erbscheinserben und die gegen diese erwirkten Vollstreckungsmaßregeln zufolge des ö f f e n t l i c h e n G l a u b e n s des E r b s c h e i n s als wirksam anerkennen ? Der Inhalt des Erbscheins gilt zugunsten solcher Dritter als richtig, die gutgläubig Rechte an Nachlaßgegenständen erworben oder als Nachlaßschuldner Leistungen an den Erbscheinserben bewirkt haben. §§2366, 2367. Das trifft z. B. auf die Erwerber

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Nachlaßgericht —- Öffentlicher Glaube des Erbscheins

einzelner Nachlaßgegenstände zu. A u c h die Bank, auf deren Verlangen Frau K r e b s den Erbschein beantragt hatte, ist durch Leistung an die Erbscheinserben befreit worden. D a g e g e n können sich der Erbteilserwerber Ule und der Pfandgläubiger Madsen nicht auf den Erbschein berufen. E i n m a l lag ihr E r w e r b zeitlich v o r der Ausstellung des Erbscheins. A u ß e r d e m schützt das Gesetz nicht den E r w e r b e r der ganzen E r b s c h a f t oder eines Erbteils (§§ 2030, 1 9 2 2 1 1 ) , sondern nur den Einzelrechtsnachfolger. G e g e n Madsen spricht noch ein dritter G r u n d : die Beschränkung des gutgläubigen E r w e r b s auf Rechtsgeschäfte. A u s Zwangsvollstreckung oder ex lege können keine Rechte v o m Nichtberechtigten hergeleitet werden. F ü r diese E r w e r b s arten bleibt der Satz: nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet in voller Geltung. Der Bank wäre der Erbschein auch dann zustatten gekommen, wenn sie sich ihn von den Erbscheinserben nicht hätte vorlegen lassen, sofern er nur im Zeitpunkt der Leistung erteilt und noch in Geltung war. Entsprechend setzt der Schutz des § 892 nicht voraus, daß der Erwerber den ihm günstigen Grundbuchinhalt wirklich gekannt und sich bei der Vornahme des Geschäfts auf ihn verlassen hat. RG 86, 353 (unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren Ansicht, daß der Erwerber positiv im Vertrauen auf die Richtigkeit des Grundbuchs gehandelt haben müsse). Beim guten Glauben an die Vollmacht wird allerdings Vorlegung der Vollmachtsurkunde verlangt, vgl. 16. Kap. „Kraftloserklärung von Vollmachten". Dürfen Nachlaßschuldner die Leistung auch dann vom Vorhandensein eines Erbscheins abhänggig machen, wenn sie nicht (wie in unserem Fall die Bank) sich das Recht dazu in den Geschäftsbedingungen vorbehalten haben ? Die allgemeine Zulassung des Rechts auf Vorlegung eines Erbscheins würde zu unendlichen Schikanen führen. Andrerseits ist der Schuldner der Gefahr doppelter Zahlung ausgesetzt, wenn er ohne Erbschein zahlt. Den § § 174, 410, 1144, 1155, 1160/1 liegt offenbar der Gedanke zugrunde, daß diejenigen Urkunden vorzulegen sind, durch die der gutgläubige Schuldner nötigenfalls geschützt wird. Hinsichtlich des Erbscheins stellt die Rechtsprechung es auf die Umstände ab, insbesondere darauf, ob das Erbrecht sonst genügend nachgewiesen ist. Z. B. wurde dem Schuldner der Einwand versagt, weil der angebliche Erbe in einem öffentlichen Testament ernannt war, für dessen Nichtigkeit oder Widerruf jeder Anhaltspunkt fehlte. R G 54, 343; JW 10, 80z9; RGR-Komm 2 zu § 2365; Soergel zu § 2367. Jedoch ergibt sich aus § 1144 BGB mit § 35 1 GBO, daß der Grundstückseigentümer an den im Grundbuch nicht eingetragenen Erben des Hypothekengläubigers nur gegen Aushändigung eines Erbscheins zu zahlen braucht. Die Frage kann auch für den Nachlaßpfleger praktisch werden, wenn das Nachlaßgericht den Erben ohne Erbschein als festgestellt angesehen hat (S. 550) und der Nachlaß nunmehr ausgehändigt werden soll. Im Rechtsstreit beachte § 94 ZPO. E r b s c h e i n bei testamentarischer E r b f o l g e . Beschwerde „Mein Testament. Erbe meines Nachlasses soll zur Hälfte meine Schwester, Witwe Grete Knapp geb. Fran% in Lübeck, sein, die mit ihren 6 Kindern in sehr bedrängter Lage lebt. Je % sollen erhalten: 1. mein Bruder, Landwirt Eduard Franz in Dingelfingen, 2. die beiden Kinder meiner verstorbenen Schwester Thekla Körner geb. Franz, nämlich der Gutsinspektor Oskar Körner in Hünern, Kreis Limburg, und die Volksschullehrerin Meta Körner in Lübeck. Meinem Bruder Artur, Fabrik- und Hausbesitzer in Kunzenhausen, vermache ich nur die Familienbilder, weil er selbst wohlhabend ist. Lankwitz, den 1. August 1949. Eugenie Jakobs geb. Franz• Als Zeugen: Philipp, Lehrer. Rudolph, Auszügler."

Nachlaßgericht — Erbschein auf Grund Testaments

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A n t r a g . Eduard Franz beantragt einen Erbschein. In der notariellen Erbscheinsverhandlung heißt es: „Ausweislich der hiermit überreichten Sterbeurkunde ist am 15. September 1955 zu Lankwitz, ihrem Wohnsitz, die verwitwete Bäckermeister Eugenie Jakobs geborene Franz verstorben. In ihrem vom Amtsgericht Lichterfelde am 22. September 1955 eröffneten eigenhändigen Testament vom 1. August 1949 hat sie zu Erben ernannt: (folgt der Inhalt des Testaments) Frau Knapp ist am 1. Februar 1950, also vor der Erblasserin, verstorben und ihr Erbteil den übrigen Erben angewachsen (§§ 1923 1 , 20941 S. 1 BGB), so daß Erben nur geworden sind: I. Eduard Franz zu II. a) Oskar Körner, b) Meta Körner, zu a) und b) je zu Andere Verfügungen der Erblasserin von Todes wegen sind nicht vorhanden. Ein Rechtsstreit über das Erbrecht der bezeichneten Erben ist nicht anhängig. Sämtliche Erben haben die Erbschaft angenommen. Ich versichere an Eides Statt, daß mir nichts bekannt ist, was der Richtigkeit meiner Angaben entgegensteht, und beantrage: mir einen gemeinschaftlichen Erbschein über das Erbrecht der zu I und II Genannten auszustellen und die Ausfertigung zu meinen Händen zu erteilen. Gesetzliche Erben wären im Falle der Unwirksamkeit der Verfügung außer den Genannten die minderjährigen Max, Agnes, Hedwig, Heinrich, Pauline und Artur Geschwister Knapp im städtischen Waisenhaus zu Lübeck, bevormundet durch den im Testament genannten Artur Franz, sowie Artur Franz selbst. Der Wert des reinen Nachlasses beträgt 45 000 DM. (Vorlesungs- und Genehmigungsvermerk, Unterschriften)." Die für den Erbschein auf Grund gesetzlicher Erbfolge so wichtige Klarstellung der zwischen den Erben und dem Erblasser bestehenden Familienverhältnisse sowie die A n g a b e der weggefallenen Personen (§ 23 5 4 M ) sind für Erbscheine auf Grund V e r f ü g u n g v o n Todes wegen nicht notwendig (arg. § 235 5). G e r i c h t l i c h e P r ü f u n g u n d A b l e h n u n g . Wird ein Erbschein auf Grund eines eigenhändigen Testaments beantragt, so muß das Gericht denjenigen, welcher im Fall der Unwirksamkeit der Verfügung E r b e wäre, über deren Gültigkeit hören (§ 2 3 6 0 1 1 ) ; zu diesem Zwecke hatte der Antragsteller die gesetzlichen Erben angegeben. Die Anhörung kann auch schriftlich geschehen. Artur Franz erhält daher Abschrift der Erbscheinsverhandlung mit der Anfrage, ob er für sich und seine Mündel die Gültigkeit des Testaments anerkennt. A n t w o r t : „Die Echtheit des Testaments, das ich in den Akten des Nachlaßgerichts eingesehen habe, ist zweifellos. Ich muß aber im Interesse meiner Mündel Einspruch gegen deren beabsichtigte Ubergehung erheben. Die Erblasserin wollte den Hauptteil ihres Vermögens der Knappschen Familie zuwenden, die es am meisten braucht. Wird der Erbschein nach dem gestellten Antrag erteilt, so wären die Geschwister Knapp noch schlechter daran, als wenn die Erblasserin überhaupt kein Testament errichtet hätte." Der Referendar: Ich sehe, so leid es mir tut, keine Möglichkeit, den Knappschen Kindern zu dem ihrer Mutter zugedachten Erbteil zu verhelfen. Der Richter: Hat der Erblasser einen seiner eigenen Abkömmlinge bedacht, und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so sollen, wie § 2069 bestimmt, im Zweifel an Stelle des Weggefallenen dessen Kinder bedacht sein. Diese Auslegungsregel ist hier nicht unmittelbar anwendbar, denn Frau Jakobs hat zugunsten ihrer Geschwister und Geschwisterkinder verfügt, aber sie gibt einen Fingerzeig. W i r 37

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Jansen)

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Nachlaßgericht — Ergänzende Testamentsauslegung

finden nämlich darin bestätigt, daß Verfügungen von Todes wegen frei auszulegen sind wie alle Willenserklärungen, daß der Erblasser seinen letzten Willen nicht mit ausdrücklichen Worten zu bestimmen braucht und daß bei der Testamentsauslegung Umstände, die außerhalb der Urkunde liegen, mit herangezogen werden dürfen. § 2096 gestattet die Einsetzung von Ersatzerben. Frau Jakobs konnte also anordnen, daß die Geschwister Knapp Ersatzerben hinter ihrer Mutter sein sollen. Im Fall des § 2069 sind die Kinder des weggefallenen Abkömmlings stillschweigend als Ersatzerben berufen, wobei das Gesetz eine Auslegungsregel für die Annahme der stillschweigenden Ersatzberufung gibt. Auf das Jakobssche Testament paßt die Auslegungsregel als solche nicht. Wohl aber kann sich die stillschweigende Einsetzung der Geschwister Knapp als Ersatzerben aus den gesamten Umständen ergeben. Dazu ist nicht einmal die Feststellung erforderlich, daß Frau Jakobs positiv einen solchen Willen gehabt hat. Es genügt, daß die Erblasserin, wenn sie den möglichen Wegfall des Erben bedacht hätte, die Ersatzberufung der Abkömmlinge vermutlich gewollt hätte (RG 99, 82; K G MDR 1954, 39). Es handelt sich um einen Fall der sog. ergänzenden Testamentsauslegung, die sich nicht darauf beschränkt, einem (erwiesenermaßen oder auch nur mutmaßlich) wirklichen Willen des Erblassers zur Wirksamkeit zu verhelfen, sondern die auf einem unterstellten Willen beruht, der vermutlich vorhanden gewesen wäre, wenn der Erblasser bei der Testamentserrichtung vorausschauend diese Möglichkeit bedacht hätte. Eine derartige Willensergänzung setzt allerdings voraus, daß die für die Zeit der Testamentserrichtung an Hand des Testaments, gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Umständen außerhalb des Testaments oder der allgemeinen Lebenserfahrung festzustellende Willensrichtung des Erblassers dafür eine genügende Grundlage bietet (RG 134, 280; B G H L M Nr. 7 zu § 242; K G DNotZ 1955, 408 [413]). Mit welcher Freiheit Testamente ausgelegt werden, zeigt der Fall J W 12, 3 9 3 3 . Der Erblasser hatte bestimmt: „Meine Nichte, die mich gepflegt hat, soll die Summe von Mark erhalten, die Zinsen sollen ihr ein bescheidenes Leben ermöglichen." Die Summe selbst war nicht ausgefüllt. Im W e g e der ergänzenden Auslegung wurden der Nichte 20000 Mark zugesprochen.

Referendar: Dann wird wohl dem Antragsteller aufzugeben sein, gegen die Geschwister Knapp auf Feststellung zu klagen, damit im Prozeß der Wille der Erblasserin und die Umstände, welche für eine ergänzende Auslegung des Testaments maßgebend sind, ermittelt werden ? Richter: Das Nachlaßgericht darf sich der Aufgabe eigener Prüfung und Entscheidung nicht entziehen. Das Erbscheinsverfahren stellt neben dem Prozeß eine zweite selbständige Möglichkeit dar, einen richterlichen Ausspruch zu erlangen, wer Erbe geworden ist. Vor dem Prozeßweg hat es den Vorzug größerer Schnelligkeit und Billigkeit, außerdem verbittert es die Beteiligten nicht so sehr wie ein Rechtsstreit. Wäre Artur Franz nicht für die Geschwister Knapp eingetreten, so hätten wir nach den §§ 2358/9 B G B , 12 F G G der Frage ebenfalls nachgehen müssen. Da Frau Jakobs — überflüssigerweise — zwei „Zeugen" das Testament mit unterschreiben ließ, haben wir Auskunftspersonen, die vielleicht über ihre Absichten und Wünsche gut Bescheid wissen. Ich werde daher zunächst die Testamentszeugen vernehmen. D e r Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat grundsätzlich über alle für seine Entscheidung bedeutsamen Vorfragen selbst zu befinden, auch wenn die Beteiligten in der Lage wären, darüber eine Entscheidung im Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit herbeizuführen. Mitunter ist ihm ein A u s setzungsrecht eingeräumt (§§ 1 2 7 , 159, 1 6 1 F G G , § n 1 1 1 VertragshG) oder eine Aussetzunspflicht auferlegt (§ 95 F G G ) . Der Erbscheinsrichter ist nicht befugt, die Beteiligten auf den Prozeßweg zu verweisen ( K G J 35 A 1 1 0 ; O L G 46, 2 4 5 ; D F G 1943, 8). Ist aber der Erbrechtsstreit bereits anhängig, so darf nach überwiegender Meinung das Nachlaßgericht nach seinem pflichtmäßigen Ermessen das Erbscheinsverfahren aussetzen ( K G J 35 A 1 1 3 ; D F G 1943, 8). — Durch das Nebeneinander v o u

Nachlaßgericht — Erbscheinsantrag

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Prozeßweg und Erbscheinsverfahren entsteht die Möglichkeit abweichender Entscheidungen und das Problem, ob die rechtskräftige Prozeßentscheidung den Erbscheinsrichter bindet. Übersicht des Schrifttums bei Staudinger II 2 zu §§ 2558/60. Gegen die Bindung besteht, abgesehen vom Amtsgrundsatz des Erbscheins Verfahrens, hauptsächlich das Bedenken, daß die Rechtskraft des Urteils subjektiv begrenzt ist (§ 325 ZPO), während der Erbscheinsrichter die Interessen aller Beteiligten zu wahren hat. Mindestens mit Hilfe des § 2362 1 B G B wird aber letzten Endes derjenige, den das Prozeßgericht als richtigen Erben anerkennt, obsiegen. Dazu Schlegelberger, F G G , 7. Aufl. § 12 Anm. 17. Philipp und Rudolph werden vorgeladen, der Antragsteller sowie Artur Franz erhalten Nachricht v o m Termin. Philipp sagt aus: „Bei Abfassung des Testaments hat die Erblasserin nicht bloß von ihren Geschwistern, sondern auch von deren Kindern gesprochen, und wie das Geld diesen einmal zugute kommen würde. Am 1. oder 2. Osterfeiertag 1950 traf ich sie vor der Kirche. Sie kam auf mich zu und sagte: „Denken Sie, Herr Philipp, da ist die Grete, die doch 8 Jahre jünger und viel gesünder war als ich, plötzlich gestorben und hat nichts hinterlassen. Ich freue mich, daß ich durch das Testament für die Kinder gesorgt habe." Der Zeuge Rudolph macht eine ähnliche Aussage. Der Antragsteller beharrt auf dem Erbscheinsantrag. D e r Referendar: Ich möchte den Erbschein dahin ausstellen, daß die Geschwister Knapp zusammen zur Hälfte, Eduard Franz zu % und die Geschwister Körner je zu 1 l a Erben geworden sind. Richter: W i r können dem Antragsteller nicht einen ganz anderen Erbschein aufdrängen, als er verlangt hat. Antrag und Erbschein müssen sich inhaltlich decken. Das Nachlaßgericht ist an den gestellten Antrag gebunden und darf nur entweder den Erbschein mit dem beantragten Inhalt erteilen oder den Antrag zurückweisen. Zulässig ist es, mehrere bestimmt bezeichnete Anträge als Haupt- und Hilfsantrag miteinander zu verbinden ( R G 156, 172). Dagegen ist das Gericht nicht befugt, ohne Rücksicht auf den gestellten Antrag einen Erbschein so zu erteilen, wie es ihn für richtig hält ( K G D N o t Z 1 9 5 5 , 410). Artur Franz stellt nunmehr als gesetzlicher Vertreter der minderjährigen G e schwister Knapp den Antrag, „zu seinen Händen einen Erbschein dahin zu erteilen, daß die Erblasserin von den Geschwistern Knapp zu je 1 / 1 2 , von Eduard Franz zu % und von Oskar und Meta Körner zu je Y 8 beerbt worden ist." Der Referendar: Ist dieser Antrag nicht wegen Formmangels unwirksam? D e r Richter: öffentliche Beurkundung ist nur für die eidesstattliche Versicherung (§ 235Ö 1 1 ), nicht für den Erbscheinsantrag als solchen erforderlich. Der Antrag des Artur Franz ermöglicht uns daher, einen Erbschein mit dem richtigen Inhalt zu erteilen. V e r f ü g u n g : „ 1 . B e s c h l u ß : Der Antrag des Landwirts Eduard Franz vom 9. November 1955 auf Erteilung eines Erbscheins nach der in Lankwitz, ihrem Wohnsitz, verstorbenen Witwe Eugenie Jakobs geb. Franz wird zurückgewiesen, (folgt kurze Begründung) 2. Gemeinschaftlicher Erbschein. Erben der am 15. September 1955 in Lankwitz, ihrem Wohnsitz, verstorbenen Bäckermeisterswitwe Eugenie Jakobs geb. Franz sind: I. Die Kinder der verstorbenen verwitweten Frau Grete Knapp geb. Franz a u s Lübeck: Max, eignes, Hedwig, Heinrieb, Pauline und Artur Geschwister Knapp, sämtlich minderjährig, im Städtischen Waisenhaus in Lübeck, zu je einem Zwölftel, II. der Landwirt Eduard Franz ' n Dingelfingen zu einem Viertel, 57*

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Nachlaßgericht — Beschwerde III. a) der Gutsinspektor Oskar Körner in Hünern Kreis Limburg, b) die Volksschullehrerin Meta Körner in Lübeck, zu a) und b) zu je einem Achtel des Nachlasses. Lichterfelde, den zo. Dezember 1955. Das Amtsgericht. Richter. 3. Ausf. des Beschlusses zu 1 an Eduard Franz4. Ausf. des Erbscheins an Artur Franz5. Begl. Abschrift des Erbscheins an a) Amtsgericht (Vormundschaftsgericht) Lübeck, b) Finanzamt mit Nachricht nach Vordruck. 6. Kosten."

Zutreffend hat der Richter aus der von ihm nach dem Ergebnis seiner Ermittlungen und seiner Rechtsauffassung gewonnenen Überzeugung die nach der Verfahrenslage gebotene Folgerung gezogen und den Erbscheinsantrag des Eduard Franz zurückgewiesen, dem des Artur Franz aber stattgegeben. Wegen des öffentlichen Glaubens des Erbscheins (§§ 2366, 2367) übernimmt der Richter damit eine erhebliche Verantwortung. Denn die Gefahr, daß der Erbschein sich später — etwa auf Grund einer anderen Beurteilung durch das Beschwerdegericht — als unrichtig erweist, ist stets gegeben. Hat der fälschlich ausgewiesene Erbe inzwischen über die Nachlaßgegenstände verfügt, so kann der Schaden unter Umständen nicht mehr beseitigt werden. Diese Erwägungen haben manche Gerichte veranlaßt, in zweifelhaften Fällen zunächst einen Beschluß zu erlassen, in welchem das Nachlaßgericht unter Beifügung einer kurzen Begründung ankündigt, es werde den beantragten Erbschein erteilen, wenn gegen diesen Beschluß binnen zwei Wochen keine Beschwerde eingelegt werde. Ein solches Verfahren ist bedenklich. Denn der Richter entzieht sich dadurch der ihm vom Gesetz auferlegten Entscheidungspflicht und wälzt sie auf die Beschwerdeinstanzen ab. Eine solche Handhabung führt praktisch zu dem Ergebnis, daß Erbscheine entgegen dem Gesetz den Verfügungen gleichgestellt werden, die erst mit der Rechtskraft wirksam werden. Auch der Nachlaßrichter muß, wie jeder andere Richter, die volle Verantwortung für seine Entscheidungen selbst übernehmen (so K G N J W 1955,1072 m. zust. Anm. Baur; Schlegelberger, F G G , 7. Aufl. § 84 Anm. 6). Jedoch hält der B G H eine solche beschwerdefähige Vorankündigung in zweifelhaften Ausnahmefällen für statthaft (BGH N J W 1956, 987). B e s c h w e r d e . Im Februar 1956 geht beim Amtsgericht folgende Besch werdeschrift des Gutsinspektors Oskar Körner ein: „Gegen die Anerkennung des Erbrechts der Geschwister Knapp und die dadurch bewirkte Schmälerung meines Erbteils um die Hälfte lege ich Beschwerde ein. Der Antrag meines Onkels Eduard Franz ' s t zu Unrecht zurückgewiesen worden. Den Aussagen der Zeugen Philipp und Rudolph kann keine Beweiskraft beigemessen werden, Philipp ist mit dem Antragsteller Eduard Franz s e it langem verfeindet, Rudolph ein altersschwacher und leicht beeinflußbarer Mensch. (folgen Einzelheiten mit Angabe von Beweismitteln). Die Erblasserin hat ihre Schwester Grete 5 y 2 Jahre überlebt. Wenn sie den Geschwistern Knapp eine Zuwendung hätte machen wollen, so hätte sie in der Zeit zwischen dem Tode der Schwester und ihrem eigenen Ableben sicherlich einen Testamentsnachtrag errichtet. Oskar Körner."

Verfügung: „ 1 . Der Beschwerde wird nicht abgeholfen. Wie das Testament vom 1. August 1949 zum Ausdruck bringt, wollte die Erblasserin ihre Geschwister bzw. Geschwisterkinder je nach dem

Nachlaßgericht — Beschwerdebefugnis

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Grad ihrer Bedürftigkeit in größerem oder geringerem Umfang erben lassen. Es ist daher von vornherein wahrscheinlich, daß sie nicht sowohl die im Testament bezeichneten Personen, als vielmehr die einzelnen Stämme ihrer Familie im Auge gehabt und eine ausdrückliche Einsetzung der Abkömmlinge als Ersatzerben nur deshalb nicht ausgesprochen hat, weil sie an die Möglichkeit, daß sie einen der ernannten Erben überleben könnte, nicht dachte. Unter diesen Umständen sind die Angriffe gegen die Aussagen der Zeugen Philipp und Rudolph unerheblich, weil auch bei Ausschaltung der Zeugenaussagen die Geschwister Knapp als Ersatzerben ihrer Mutter anzusehen sind. z. Urschriftlich mit Akten dem Landgericht, Zivilkammer, hier zur Entscheidung über die Beschwerde. Lichterfelde, den 10. Februar 1956. Das Amtsgericht. Richter."

Das Landgericht (Zivilkammer, § 30 F G G ) prüft 2unächst, ob die Beschwerde zulässig, d.h. an sich statthaft und in rechter Form und Frist eingelegt ist. Für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels wird es darauf ankommen, gegen welche der beiden Entscheidungen des Amtsgerichts sich die Beschwerde richtet, ob gegen die Zurückweisung des Erbscheinsantrags des Eduard Franz oder gegen den dem Artur Franz als Vormund der Geschwister Knapp erteilten Erbschein. Gegen die Zurückweisung des Erbscheinsantrags ist die einfache unbefristete Beschwerde nach § 19 F G G gegeben (wegen der Form vgl. § 21 FGG). Anders ist es dagegen mit der Beschwerde gegen die Verfügung, durch welche die Erteilung des Erbscheins angeordnet wurde. Die Wiederaufhebung dieser Verfügung kann mit der Beschwerde nur verlangt werden, solange der Erbschein dem Antragsteller noch nicht ausgehändigt ist (RG 137, 222). Der Gesetzgeber hat aus den S. 575 erörterten Gründen eine Wiederaufhebung des bereits erteilten Erbscheins, sei es durch das Nachlaßgericht selbst auf Grund des § 18 1 F G G , sei es durch das Beschwerdegericht nicht gestattet, sondern in § 2361 B G B eine besondere Art der Abhilfe geschaffen. Gegen die Erteilung des Erbscheins ist deshalb die einfache Beschwerde nur mit dem Ziel statthaft, daß das Beschwerdegericht das Nachlaßgericht anweise, den Erbschein einzuziehen ( K G D F G 1936, 195; BayObLG 1950/51 Nr. 131). Vgl. auch die verwandte Vorschrift des § 7 1 1 1 G B O über die Beschwerde gegen solche Grundbucheintragungen, an die sich ein gutgläubiger Erwerb anschließen kann. B e s c h w e r d e b e f u g n i s . Das Gesetz begrenzt ferner in § 20 F G G den Kreis derjenigen, die zur Einlegung der Beschwerde berechtigt sind. Die Beschwerdebefugnis hat jeder, „dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist". Eine solche Begrenzung ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erforderlich, weil der Kreis der an einer Angelegenheit Beteiligten nicht schon, wie im Zivilprozeß, durch die Parteirolle (oder den Beitritt als Nebenintervenient) bestimmt ist. Besonders in den Fällen, in denen der Richter von Amts wegen tätig wird, bedarf es einer Begrenzung des sonst nicht absehbaren Kreises der möglicherweise an der Änderung einer Entscheidung Interessierten, da eine Popularbeschwerde nicht gut zugelassen werden konnte. Beschwerdeberechtigt ist deshalb nach § 20 1 F G G nur derjenige, in dessen Recht durch die angefochtene Verfügung unmittelbar eingegriffen wird (Keidel, F G G 6. Aufl. § 20 Anm. 4). Ein geringerer Grad der Beeinträchtigung begründet ein Beschwerderecht nur in den vom Gesetz besonders hervorgehobenen Fällen. So genügt nach §57* Nr. 1 u. 3 ein rechtliches Interesse, nach § 57 1 Nr. 9 schon ein berechtigtes Interesse.

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Nachlaßgericht — Beschwerdebefugnis

Meinungsverschiedenheiten bestehen über die verfahrensrechtliche Bedeutung der Beschwerdeberechtigung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Kammergerichts und des Bayerischen Obersten Landesgerichts bildet die Beschwerdeberechtigung den ersten Punkt der Sachprüfung; ihr Fehlen macht die Beschwerde nicht unzulässig, sondern unbegründet ( K G J 52, 103; J F G 15, 284; J F G 16, 172; BayObLG 1950/51 Nr. 98; 1955 Nr. 11). Ist die angefochtene Verfügung nicht geeignet, die Beeinträchtigung eines Rechts des Beschwerdeführers herbeizuführen, wäre also ein Recht des Beschwerdeführers auch dann nicht beeinträchtigt, wenn die Verfügung ungerechtfertigt wäre, hat er etwa im Falle des § 20 1 F G G an der Änderung der angefochtenen Entscheidung ein bloß rechtliches, berechtigtes, ideelles oder gar nur wirtschaftliches Interesse, so ist die Beschwerde schon mangels Beschwerdebefugnis als unbegründet zurückzuweisen (ebenso Keidel, a.a.O., § 20 Anm. 2, § 25 Anm. 1). Im Schrifttum dagegen wird überwiegend gelehrt, daß beim Fehlen der Beschwerdebefugnis die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen sei (Schlegelberger, F G G , 7. Aufl. § 25 Anm. 1 ; Baur, Freiw. Gerichtsbarkeit, § 29 A m 1 ; Lent, Freiw. Gerichtsbarkeit, 2. Aufl. § 2 2 I V 1).

Auch die Beeinträchtigung eines Rechts genügt für die Beschwerdeberechtigung nicht, wenn eine Verfügung nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist (§ 2 0 1 1 F G G ) . In diesem Fall steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu. Demnach ist die Beschwerde des Oskar Körner ohne weiteres unbegründet, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags des Eduard Franz richtet. Anders wäre es, wenn der von Eduard Franz beantragte Erbschein bereits erteilt gewesen und nachträglich wieder eingezogen worden wäre. Die Anordnung der Einziehung kann der Zurückweisung des Antrags im Sinne des § 2 0 1 1 F G G nicht gleichgestellt werden. Da durch die Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins auch das in ihm bezeugte Erbrecht des Miterben beeinträchtigt wird, der den Erbscheinsantrag nicht selbst gestellt hatte, ist auch dieser Miterbe zur Beschwerde berechtigt ( K G D N o t Z 195 5, 156 unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung; dazu Keidel, D N o t Z 1955, 160). Gegen die Erteilung des Erbscheins vom 20. Dezember 1955 dagegen ist Oskar Körner beschwerdeberechtigt, weil er behauptet, sein Erbrecht sei in dem Erbschein nicht richtig ausgewiesen (§ 20 1 F G G ) . Nachdem vom Beschwerdegericht klargestellt worden ist, daß die Beschwerde sich nur gegen den Erbschein vom 20. Dezember 1955 mit dem Ziel seiner Einziehung richtet, sieht der Beschwerdeführer nach Vernehmung weiterer Zeugen ein, daß seine Beschwerde aussichtslos ist. Darauf nimmt er die Beschwerde zurück. K o s t e n : Während nach § 5 8 " G K G im Falle der Zurücknahme einer Beschwerde eine Gebühr nicht erhoben wird, tritt nach § 1 2 3 1 S. 1 Nr. 2 KostO nur eine Ermäßigung der Gebühr auf % der vollen Gebühr ein. Der Beschwerdewert bestimmt sich gemäß § 1 2 3 1 1 KostO in allen Fällen nach § 2 4 1 1 KostO. Das bedeutet: es ist immer davon auszugehen, daß genügende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung fehlen. Selbst dann also, wenn ein Geschäft infolge naher Beziehungen zu Vermögenswerten Anhaltspunkte für eine Schätzung geben könnte, wie z. B. die Beschwerde gegen eine Erbscheinserteilung, ist doch von dem Regelwert von 3000 D M auszugehen und nur ausnahmsweise hiervon abzuweichen (OLG München, J F G Erg. 17, 81). Die Beschwerdekammer erläßt daher folgenden Beschluß: „Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 3000 D M . "

Testamentsvollstreckerzeugnis Hausbesitzer Fechner hat testamentarisch seine Töchter zu Erben eingesetzt und angeordnet: „Bis zur Verheiratung meiner Töchter soll der Nachlaß von dem Seifenfabrikanten Otto Metzger in Lichterfelde als Testamentsvollstrecker verwaltet werden. Der Testamentsvollstrecker soll in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlaß nicht beschränkt sein."

Nachlaßgericht — Testamentsvollstreckerzeugnis

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Der v o m Nachlaßgericht bereits ausgestellte Erbschein lautet: „Gemeinschaftlicher Erbschein. Erben des am 15. April 1956 zu Bad Ems verstorbenen, in Lichterfelde wohnhaft gewesenen Hausbesitzers Fedor Fechner sind: 1. das volljährige Fräulein Fanny Fechner in Lichterfelde, 2. das volljährige Fräulein Felicitas Fechner in Lichterfelde, je zur Hälfte des Nachlasses. Es ist ein Testamentsvollstrecker ernannt, der die Erbteile bis zur Verheiratung der Erbinnen verwalten soll." Der durch § 2364 vorgeschriebene Testamentsvollstreckerzusatz hat die negative Bedeutung: klarzustellen, daß den Erben nicht die unbeschränkte Verfügung und Verwaltung des Nachlasses zusteht. Der Erbschein erbringt, trotz des Zusatzes, einen Nachweis lediglich für die Erbfolge, nicht auch für die Befugnisse des Testamentsvollstreckers (deshalb wird im Erbschein nicht einmal der Name des Vollstreckers genannt). Will der Vollstrecker sich als solcher ausweisen, so bedarf er hierzu eines Testamentsvollstreckerzeugnisses (§ 2368). Bald erweist sich, daß Metzger mit dem Erbschein nicht auskommt und das Zeugnis beantragen muß. D a die für Erbscheine geltenden Vorschriften, also auch die Notwendigkeit einer öffentlich beurkundeten eidesstattlichen Versicherung und des urkundlichen Nachweises der wesentlichen Tatsachen, auf Testamentsvollstreckerzeugnisse entsprechende Anwendung finden (§ 2 3 6 8 1 1 1 ) , reicht Metzger eine notarielle Verhandlung ein: „Ausweislich der bei den Erbscheinsakten befindlichen Sterbeurkunde ist am 15. April 1956 zu Bad Ems der in Lichterfelde wohnhaft gewesene Hausbesitzer Fedor Fechner verstorben. In seinem am 25. April 1956 eröffneten eigenhändigen Testament vom 22. Juni 1954 hat er angeordnet, daß bis zur Verheiratung der von ihm ernannten Erben Fanny und Felicitas Fechner der Nachlaß von mir als Testamentsvollstrecker verwaltet werden und daß ich in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlaß nicht beschränkt sein soll. Beide Erbinnen sind noch unverheiratet. Andere Verfügungen des Erblassers von Todes wegen sind nicht vorhanden. Ich habe das Amt als Testamentsvollstrecker angenommen." Damit das A m t des Testamentsvollstreckers beginnt, bedarf es außer der E r nennung durch den Erblasser oder eine v o n ihm ermächtigte Stelle der Annahme des Amtes, die durch — unbeglaubigte — Erklärung gegenüber dem Nachlaßgericht geschieht. § 2202 n . L ä g e sie noch nicht vor, so wäre in dem Antrag auf Ausstellung des Zeugnisses eine Annahmeerklärung und zugleich ihr urkundlicher Nachweis zu finden, denn mit ausdrücklichen Worten braucht die Annahme nicht erklärt zu werden. Schlüssige Handlungen gegenüber Dritten, z. B. die Wahrnehmung v o n Vollstrecker-Geschäften, reichen allerdings — im Gegensatz zur Erbschaftsannahme — nicht aus ( R G 8 i , 166). „Ein Rechtsstreit über meine Befugnis als Testamentsvollstrecker ist nicht anhängig. Ich versichere an Eides Statt, daß mir nichts bekannt ist, was der Richtigkeit meiner Angaben entgegensteht, und beantrage: mir ein Testamentsvollstreckerzeugnis nach Fedor Fechner zu erteilen. Der Wert des Gegenstandes der Testamentsvollstreckung beträgt 3000 DM 1 ). (Vorlesungs- und Genehmigungsvermerk, Unterschriften)." §§ 2 4 " , 1 0 1 1 Nr. 2 KostO. Beim Testamentsvollstreckerzeugnis werden die Kosten nicht nach dem Nachlaßwert berechnet, sondern es ist von dem Regelwert des § 24 1 1 KostO von 3000 DM auszugehen, von dem nur ausnahmsweise nach oben oder unten (Mindestwert 200 DM) abzuweichen ist. Sonst gelten die gleichen Grundsätze wie für Erbscheinskosten (S. 573).

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Nachlaßgericht — öffentlicher Glaube des Testamentsvollstreckerzeugnisses

Da das Fechnersche Testament ein eigenhändiges ist, soll das Gericht nach der, dem § 2360 1 1 entsprechenden Vorschrift des § 2368 1 1 den Erben über die Gültigkeit der Ernennung hören. Das erübrigt sich jedoch, weil die beiden Erbinnen, als sie den Erbschein beantragten, sich selbst auf dieses Testament berufen haben. Das beantragte Zeugnis wird also sofort in nachstehender Fassung erteilt: „Testaments vollst reckerzeugnis. Testamentsvollstrecker über den Nachlaß des am 15. April 1956 zu Bad Ems verstorbenen, in Lichterfelde wohnhaft gewesenen Hausbesitzers Fedor Fechner ist der Seifenfabrikant Otto Metzger in Lichterfelde. Der Testamentsvollstrecker hat die Erbteile bis zur Verheiratung der Erbinnen zu verwalten. In der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlaß ist er nicht beschränkt. Lichterfelde, den 1 1 . November 1956. Das Amtsgericht. Richter."

Der Vermerk über die Befugnis zur unbeschränkten Eingehung von Nachlaßverbindlichkeiten ist in § 2368 1 S. 2 vorgeschrieben. Sachlich handelt es sich darum, daß der Testamentsvollstrecker im allgemeinen Verbindlichkeiten nur eingehen darf, soweit es „zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses erforderlich" ist. § 2206 1 S. 1. Infolge der nach § 2207 zulässigen Anordnung fällt diese Beschränkung seiner Verpflichtungsbefugnis fort. Die Erweiterung gilt aber nur für das Verhältnis des Testamentsvollstreckers und des Erben gegenüber Dritten. Die Verantwortlichkeit des Testamentsvollstreckers gegenüber dem Erben wird durch eine Anordnung nach § 2207 nicht berührt (§§ 2216 1 , 2219, 2220). In einem wichtigen Punkt steht das Zeugnis dem Erbschein nicht gleich. Während nämlich unrichtige Erbscheine erst durch „Einziehung" und „Kraftloserklärung" ihren öffentlichen Glauben verlieren, bestimmt § 2368 1 1 1 B G B (zweiter Satzteil), daß Testamentsvollstreckerzeugnisse mit Beendigung des Amtes von selbst kraftlos werden. Hierin liegt eine Gefahr für den redlichen Verkehr, besonders da nach R G 81,166 das Amt des nicht mit der dauernden Verwaltung des Nachlasses beauftragten Vollstreckers (vgl. S. 468) schon durch tatsächliche Abwicklung der ihm zugewiesenen Aufgaben (Auszahlung der Vermächtnisse, Erfüllung der Auflagen, Verteilung des Nachlasses unter die Erben usw.) erlischt, ohne daß es einer Niederlegungserklärung oder Anzeige ans Gericht bedürfte. Man darf sich nicht darauf verlassen, daß das Amt des Testamentsvollstreckers, der sich durch Vorlegung eines gerichtlichen Zeugnisses ausweist, nicht schon beendet ist. Anders, wenn eine vom Erblasser angeordnete Beschränkung der Amtsdauer im Zeugnis nicht vermerkt ist (RG 83, 352). Jedoch hat das Nachlaßgericht das kraftlos gewordenen Zeugnis zu den Akten zurückzufordern ( K G J F G 16, 299). S o n s t i g e n a c h l a ß g e r i c h t l i c h e T ä t i g k e i t in T e s t a m e n t s v o l l s t r e c k e r s a c h e n : Entgegennahme der Annahme-, Ablehnungs- und Kündigungserklärung des Vollstreckers (§§ 2202, 2226). 2. Ernennung eines Testamentsvollstreckers auf Grund der hierzu vom Erblasser testamentarisch ausgesprochenen Ermächtigung (§ 2200). Ist der im Testament ernannte Vollstrecker durch Tod, Ablehnung, Kündigung, Entlassung weggefallen und fehlt es an einer ausdrücklichen Ermächtigung des Nachlaßgerichts im Testament, so kann diese sich unter Umständen aus einer „ergänzenden Testamentsauslegung" (S. 578) ergeben, wenn die Durchführung der Testamentsvollstreckung für den Erblasser von ausschlaggebender Bedeutung war (z.B. bei exheredatio bona mente, oben S.464). O L G 4 2 , 1 2 8 ; K G D N o t Z 1955,649. Freilich muß auf der anderen Seite berücksichtigt werden, daß die Ernennung des Testamentsvollstreckers ein hohes Maß persönlichen Vertrauens bedingt, das der Erblasser zu einer ihm unbekannten, vom Nachlaßgericht zu ernennenden Person vielleicht nicht gehabt hätte. 3. Bestimmung einer Frist, innerhalb deren sich der ernannte Vollstrecker über die Annahme oder Ablehnung zu entscheiden hat (§ 2202 1 1 1 ). 4. Außerkraftsetzung

Nachlaßgericht — Gemeinschaftliches Testament

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von Anordnungen, die der Erblasser für die Verwaltung des Nachlasses gegeben hat, wegen Gefährdung des Nachlasses (§ 2216 11 ). Es ist z.B. die Anlage des Vermögens in bestimmten Werten angeordnet, die man als unsicher ansehen muß. Nicht unbedenklich ist es, wenn der Vollstrecker sich ohne förmliche Außerkraftsetzung durch das Gericht über unzweckmäßige Bestimmungen des Erblassers hinwegsetzt, selbst wenn sämtliche Beteiligten mit ihm einig sind und er dadurch vor Schadensersatzansprüchen (§ 2219) gesichert ist. 5. Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Mitvollstreckern (§ 22241). Vgl. aber BGH NJW 1956, 986. 6. Entlassung des Testamentsvollstreckers aus „wichtigem Grunde", z. B. wegen grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung, auf Antrag eines Beteiligten (§ 2227). Hat das Nachlaßgericht einen Testamentsvollstrecker ernannt, obwohl ein Ersuchen des Erblassers nicht vorlag, so ist die Ernennung deswegen nicht unwirksam; jedoch ist dieser Umstand ein wichtiger Grund für die Entlassung des Testamentsvollstreckers (KG DNotZ 1955, 649). Eine Entlassung im Prozeßweg gibt es nicht. Dagegen wird der Prozeßrichter mit Streitigkeiten über die Art der Verwaltung des Nachlasses befaßt. § 2216 1 spricht die Verpflichtung des Verwalters zur ordnungsmäßigen Verwaltung aus, und da zwischen ihm und dem Erben ein auftragsähnliches Verhältnis besteht (§ 2218), können die Erben den Testamentsvollstrecker auf Erfüllung dieser Verpflichtung verklagen (RG 73, 26). Gemeinschaftliches Testament In den Testamentsakten der Viehhändlersfrau Stark aus Grünhübel liegen ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament der Eheleute Stark und ein ebensolches Einzeltestament der Frau, beide nach deren T o d eröffnet. Bei der E r ö f f n u n g gemeinschaftlicher Testamente werden Verfügungen des überlebenden Gatten, soweit sie sich aussondern lassen, v o n der Verkündung ausgeschlossen (§ 2273). Demgemäß hat das Gericht das gemeinschaftliche Testament wieder versiegelt und in besondere amtliche Verwahrung gebracht, während offen bei den Akten die beglaubigte A b schrift des eröffneten und verkündeten Teiles liegt: „Gemeinschaftliches Testament. Hierdurch bestimmen wir, Ernst und Anna Stark, für den Fall unseres Todes folgendes: § 1. Ich, der Ehemann, setze meine Frau zur Universalerbin ein mit dem Recht, so lange sie lebt, frei über den Nachlaß zu verfügen. Da wir in kinderloser Ehe leben, soll das Vermögen, welches beim Tode meiner Frau vorhanden sein wird, zu 2/3 an meinen Bruder, Bahnwärter Robert Stark in Neukirch, zu y 3 an die Schwester meiner Frau, Buchhalterswitwe Emma Büchner geb. Görlich in Nordhausen, fallen. § 2. Ich, die Ehefrau, ernenne meinen Mann zum Universalerben mit der Befugnis, so lange er lebt, über den Nachlaß frei zu verfugen. Das Vermögen, welches nach seinem Tode vorhanden sein wird, soll zu y 3 an meine Schwester Frau Büchner, zu 2 / 3 an Robert Stark fallen. § 3. Ist von der Eröffnung ausgeschlossen worden. § 4. Nach meinem, der Frau, Tode erhält der Konvent der Elisabethinerinnen in Berlin 1500 DM (i. W.). Grünhübel, den 27. Januar 1952. Ernst Stark. Vorstehendes soll auch mein letzter Wille sein. Grünhübel, den 27. Januar 1952. Anna Stark geb. Görlich." Das Einzeltestament lautet: „Mein letzter Wille! Hierdurch setze ich meinen Ehemann Ernst Stark und meine Schwester, Buchhalterswitwe Emma Büchner geb. Görlich in Nordhausen, als Erben je zur Hälfte ein, weil meine Schwester sich in großer Not befindet. Soweit das von mir mit meinem Manne gemeinschaftlich errichtete Testament zu diesem meinem letzten Willen im Widerspruch steht, widerrufe ich es ausdrücklich. Grünhübel, den 13. Dezember 1953. Anna Stark geb. Görlich."

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Nachlaßgericht — Gegenseitiges gemeinschaftliches Testament

Erklärung des Witwers in der Eröffnungsverhandlung: „Das gemeinschaftliche Testament bis zu der Unterschrift ,Ernst Stark' habe ich geschrieben. Die Worte .Vorstehendes' bis zu der Unterschrift ,Anna Stark geb. Görlich' hat meine verstorbene Frau geschrieben. Das Testament vom 13. Dezember 1955 ist vollständig von meiner Frau geschrieben und unterschrieben."

E r b s c h e i n : Der Witwer beantragt gemäß §§ 2355/6 Ausstellung eines Erbscheins nach Anna Stark: „und zwar in erster Linie dahin, daß ich alleiniger und unbeschränkter Erbe nach meiner Frau geworden bin, in zweiter Linie dahin, daß ich befreiter Vorerbe bin und eine Nacherbfolge auf den Überrest angeordnet ist."

Gemeinschaftliche Testamente werden häufig in der Form errichtet, daß der Mann den ganzen Text schreibt, datiert und unterschreibt und die Frau ihren Namen — ohne einen Zustimmungsvermerk und ein besonderes Datum — hinzusetzt. Solche Testamente sind jetzt seit dem Testamentsgesetz vom 31. Juli 1938 gültig (§ 2267; beachte für früher errichtete Testamente die Übergangsvorschrift des § 5 1 1 1 1 TestG). Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute Stark wahrt die gesetzliche Form. Es ist auch nicht durch das spätere Testament der Frau beseitigt oder eingeschränkt. Zwar unterliegen gemeinschaftliche Testamente, wie jedes Testament, zu Lebzeiten der Erblasser dem freien Widerruf. Doch kann der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen nur entweder durch gemeinschaftliches Testament oder durch eine dem anderen Teil zuzustellende gerichtlich oder notariell beurkundete Erklärung erfolgen, während Widerruf durch einseitiges Testament wirkungslos ist. §§ 2271 1 , 2296 11 . Denn selbstverständlich muß der andere Gatte von dem Widerruf Kenntnis haben, damit er nunmehr seine eigenen letzwilligen Verfügungen ohne Rücksicht auf das gemeinschaftliche Testament treffen kann. Bei gemeinschaftlichen Testamenten der hier in Rede stehenden Art, durch welche Eheleute sich gegenseitig zu Erben einsetzen und bestimmen, daß der Nachlaß später dritten Personen zufallen soll, entsteht der Zweifel, ob das Vermögen des Erstversterbenden auf den überlebenden Gatten als befreiten Vorerben und nach dessen Tod auf den Dritten als Nacherben auf den Überrest (§ 2137) übergehen soll, oder ob der überlebende Teil freier und unbeschränkter Erbe des Erstversterbenden und der Dritte nur Erbe des Überlebenden sein soll. Für die zweite Gestaltungsmöglichkeit, für die sich die Bezeichnung „Berliner Testament" — wahrscheinlich zu Unrecht, vgl. Endemann, JW 1933, 1350; Kipp-Coing, Erbrecht, 10. Bearb. § 2 7 1 1 . 2 Fußn. 11 — eingebürgert hat, spricht die Auslegungsregel des § 2269 1 . In diesem Fall würden Robert Stark und Frau Büchner das von Frau Stark herrührende Vermögen dereinst nach dem Tode des Mannes nur deshalb erhalten, weil es durch den ersten Erbfall zu einem Teil des Vermögens des Mannes geworden ist und weil der Mann im gemeinschaftlichen Testament die beiden als seine Erben eingesetzt hatte. Die Frage ist von großer praktischer Bedeutung: 1. Stirbt Frau Büchner oder Robert Stark zwischen Anna und Ernst Stark, so haben sie als Nacherben mit dem Vorerbfall, also mit Anna Starks Tode, ein vererbliches Recht erworben (§ 2108), das auf ihre Erben übergegangen ist. Sollen sie dagegen ausschließlich Erben des überlebenden Gatten sein, so haben sie den für sie maßgeblichen Erbfall, den Tod des Letztversterbenden, nicht erlebt (§ 1923 1 ), und ihre Erben würden leer ausgehen, es sei denn, daß sie im Testament als Ersatzerben berufen sind oder man auf Grund einer „ergänzenden Auslegung" aus dem Zweck des Testaments eine stillschweigende Ersatzberufung der Kinder (S. 578) herleiten kann. 2. Als Vorerbe ist Ernst Stark zu Schenkungen aus der Masse

Nachlaßgericht — Auslegung gemeinschaftlicher Testamente

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der Frau ohne Zustimmung der Nacherben nicht befugt. §§ 2 1 1 3 1 1 , 2136. Als Vollerbe kann er an sich beliebig schenken; man wendet aber, sobald das gemeinschaftliche Testament durch Annahme der testamentarischen Zuwendung für den überlebenden Ehegatten bindende Kraft erlangt hat (§ 2 2 7 1 n ) , den für Erbverträge geltenden § 2287 entsprechend an. Die beiden künftigen Erben können daher zwar zunächst nichts gegen die Schenkung tun, haben aber nach dem Tod des Uberlebenden einen Bereicherungsanspruch an den Beschenkten, falls die Schenkung in der Absicht erfolgt war, sie zu benachteiligen. R G 58, 64; B G H DNotZ 1951, 344. 3. Hat der Ehemann Stark die Stellung eines Vollerben, so dürfen seine Eigengläubiger in das von der Frau herrührende Vermögen vollstrecken, während bei Annahme einer befreiten Vorerbschaft die Befriedigung von Ernst Starks Gläubigern aus dem Nachlaß der Frau verhindert werden kann (S. 469). F ü r die E r b s c h a f t s s t e u e r werden Testamente mit V o r - und mit Vollerbeinsetzung, ungeachtet ihrer verschiedenen bürgerlich-rechtlichen Bedeutung, gleich behandelt. Die Dritten versteuern das von Anna Stark herrührende Vermögen in jedem Falle nach ihrer Verwandtschaft zu demjenigen Erblasser, mit dem sie näher verwandt sind, also Robert Stark als Bruder des Ernst Stark, Frau Büchner als Schwester der A n n a Stark. § 9 1 1 1 , vgl. § 7 1 1 E r b S t G . Ernst Stark muß übrigens wegen der Kinderlosigkeit der E h e seinen E r w e r b versteuern! §§ 9 1 , 1 7 a . Eigenartige p f l i c h t t e i l s r e c h t l i c h e Wirkungen hat das Berliner Testament mit Einsetzung des Überlebenden zum Vollerben, falls Kinder vorhanden und zu Erben nach dem Tode des Uberlebenden ernannt sind. Die Kinder können zweimal den Pflichtteil fordern, nämlich nach dem T o d der Mutter von ihrem, nach dem T o d des Vaters von seinem Nachlaß. Im Nachlaß des Vaters ist aber (wenn die Mutter zuerst verstorben war) der mütterliche Nachlaß mit enthalten, so daß der Ungehorsame v o m Vermögen des Erstversterbenden zweimal den Pflichtteil erhält! Das Kind, welches nach dem ersten Todesfall seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hatte, braucht sich das Erlangte nicht einmal auf den Pflichtteil nach dem Letztversterbenden anrechnen zu lassen. Kipp-Coing, Erbrecht, 10. Bearb. § 27 I I j e .

Auf welche der beiden Arten soll das Starksche Testament ausgelegt werden? Nach § 2269 1 B G B gilt der Dritte im Zweifel nur als Erbe des Letztversterbenden. Die Eheleute Stark haben zwar die Erbeinsetzungen nicht in der sonst üblichen Form: „wir setzen uns gegenseitig als Erben ein, was von unserem beiderseitigen Vermögen beim Tod des Überlebenden noch vorhanden sein w i r d . . . . " , zusammengefaßt, sondern vollständig getrennt gehalten. Aber diese äußere Form der Erklärungen ist nicht entscheidend. Inhaltlich liegt ein g e g e n s e i t i g e s gemeinschaftliches Testament vor, weil die Eheleute sich gegenseitig bedenken. Ferner wird dem Überlebenden „freie Verfügung" zugesprochen, was auf die Stellung eines befreiten Vorerben hinweisen könnte. Jedoch haben die Erfahrungen gezeigt, daß die Beteiligten sogar die Bezeichnung Nacherbe in einem gemeinschaftlichen Testament mitunter nicht in ihrem eigentlichen gesetzlichen Sinne verstehen, sondern in unscharfer Ausdrucksweise dahin, daß die so bezeichnete Person Erbe, und zwar des Letztversterbenden, erst werden soll, nachdem dieser das beiderseitige Vermögen in seiner Hand vereinigt hat, also nach dem Letztversterbenden ( K G D R 1943, 1108; O L G München J F G 15, 246). Wichtiger für die Auslegung unseres Testaments ist, daß nach den bei den Akten befindlichen Unterlagen der Mann ein Vermögen von 34000 DM, die Frau ein solches von 18 000 D M besessen hatte und daß die Verwandten des Mannes und der Frau später im Verhältnis 2 : 1 erben sollen. Entscheidend für die Auslegung des Testaments entweder im Sinne des § 2269 oder als Vor- und Nacherbschaft ist nämlich, ob die letztwillige Verfügung und sonstige zu ihrer Auslegung heranzuziehende Umstände erkennen lassen, daß die Eheleute das beiderseitige Vermögen als Einheit angesehen und deshalb sowohl eine verschiedene Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten zu den beiderseitigen ursprünglich getrennten Vermögen während seiner

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Nachlaßgericht — Vor- und Nacherbfolge im Erbschein

Lebensdauer w i e auch die Möglichkeit einer T r e n n u n g der beiden V e r m ö g e n nach seinem T o d e haben ausschließen wollen oder nicht ( R G 1 1 3 , 240; K G D N o t Z 1 9 5 5 , 408). I m vorliegenden Fall zeigt das Testament, daß das V e r m ö g e n des Erstversterbenden nicht v o n dem des Uberlebenden getrennt bleiben und später v o n jedem der beiden V e r m ö g e n je ein Bruchteil an die beiderseitigen Verwandten fallen soll, sondern daß beide V e r m ö g e n zu Lebzeiten des Überlebenden in einen T o p f g e w o r f e n werden und die Verwandten an dieser Einheit später anteilmäßig so teilhaben sollen, wie es dem Einbringen jedes Ehegatten entspricht. Hieraus folgt, daß der Hauptantrag begründet ist: „Erbschein. Alleiniger Erbe der zu Grünhübel, ihrem Wohnsitz, am 12. Oktober 1955 verstorbenen Frau Anna Stark geb. Görlich ist ihr Ehemann, der Viehhändler Ernst Stark in Grünhübel. Lichterfelde, den 12. November 1955. Das Amtsgericht. Richter." Nach dem Tode des Ernst Stark wäre ein weiterer Erbschein erforderlich, wonach Robert Stark und Frau Büchner den Emst Stark beerbt haben. Zur Verfügung über Vermögensstücke der Frau brauchen also in diesem Falle Robert Stark und Frau Büchner zwei Erbscheine, welche zusammen ihre Erbberechtigung ergeben. Legt man das Testament als Vor- und Nacherbfolge aus, so hätte dem Erbschein ein Nacherbenvermerk des Inhalts beigefügt werden müssen, daß Emma Büchner und Robert Stark — ohne Angabe ihrer Erbteile —• Nacherben auf den beim Tode des Vorerben vorhandenen Uberrest sind (§ 2363). Aus der Nichterwähnung von Ersatznacherben hätte sich zugleich ergeben, daß das Anwartschaftsrecht der Nacherben nach § 2108 BGB vererblich ist (RG 154, 330). Der Nachlaßrichter muß sich also bei der Ausstellung des dem Vorerben zu erteilenden Erbscheins darüber klar werden, ob das Nacherbrecht vererblich ist, ob eine ausdrückliche oder stillschweigende (§ 2069) Berufung von Ersatznacherben vorliegt oder ob Anwachsung an die Mitnacherben (§ 2094) eintreten soll. Dadurch wird der Nachlaßrichter häufig vor schwierige Aufgaben gestellt (vgl. K G JW 1937, 2045). — Tritt später der Nacherbfall ein, so hat Ernst Stark aufgehört, Erbe seiner Frau zu sein, und Frau Büchner und Robert Stark sind ihre Erben geworden (§§ 2100, 2139). Der dem Vorerben erteilte Erbschein ist unrichtig geworden und muß nach § 2361 1 von Amts wegen eingezogen werden. Ein neuer Erbschein wird auf Antrag dahin ausgestellt, daß Frau Büchner zu y 3 und Robert Stark zu 2/3 Erben der Frau Anna Stark seit dem Todestage des Vorerben sind. Ferner erhalten sie auf Antrag einen Erbschein nach Ernst Stark, denn die Einsetzung als Nacherbe enthält im Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzerbe (§ 2102), nämlich an Stelle der vorverstorbenen Frau Anna Stark. Es kommt vor, daß die Eheleute in dem gemeinschaftlichen Testament den Uberlebenden ermächtigen, anders zu verfügen. Handelt es sich um ein Testament nach § 22691, so entstehen keine Schwierigkeiten. Der Dritte ist Erbe des Überlebenden. Dieser kann seine eigene Verfügung von Todes wegen, also die Erbeinsetzung des Dritten, frei widerrufen, weil durch die Ermächtigung klargestellt ist, daß Wechselbezüglichkeit (§ 22701) nicht vorliegt, der Uberlebende also seine Testierfreiheit behalten hat. Anders, wenn die Eheleute sich gegenseitig als Vorerben, den Dritten als Nacherben berufen haben. Da der Nacherbe nicht Erbe des Vorerben, sondern des erstversterbenden Erblassers ist, würde der Überlebende mit seinen eigenen auch die letztwilligen Anordnungen des Erstversterbenden ändern oder widerrufen, was gegen § 2065 zu verstoßen scheint. Die Rechtsprechung legt eine solche Ermächtigung dahin aus, daß der Dritte unter der Bedingung zum Nacherben berufen ist, daß der Überlebende keine andere Bestimmung trifft. Tritt die Bedingung ein, dann fällt die Nacherbeinsetzung fort. Das Vermögen des Erstversterbenden ist dem Überlebenden als unbeschränkten Vollerben angefallen und er kann frei verfügen (KG DNotZ 1956, 195; kritisch Endemann, JW 1933, 1349 z u 3>Anfechtung wegen Übergehung von Pflichtteilsberechtigten. Dezember 1956 geht A u s f e r t i g u n g einer notariellen Verhandlung ein:

Im

Nachlaßgericht — Anfechtung gemeinschaftlicher Testamente

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„Vor dem unterzeichneten Notar usw. erschien: der Viehhändler Ernst Stark aus Grünhübel, dem Notar von Person bekannt, und erklärte: In § i Satz 2 des mit meiner verstorbenen Ehefrau Anna geb. Görlich am 27. Januar 1952 gemeinschaftlich errichteten Testaments habe ich meinen Bruder Robert Stark sowie die Schwester meiner Frau, Frau Emma Büchner geb. Görlich, als meine Erben eingesetzt. Inzwischen habe ich mich am 5. Februar 1956 mit der Klavierlehrerin Dora Lustig verheiratet, welche dadurch mir gegenüber pflichtteilsberechtigt geworden ist. Da im gemeinschaftlichen Testament meine jetzige Ehefrau übergangen ist, fechte ich das gemeinschafdiche Testament hiermit gemäß den §§ 2078, 2079, 2281/2 B G B an. Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben: Ernst Stark. Siegel, Notar."

Einseitige letztwillige Verfügungen werden, wie wir im Falle Lamm (S. 5 67) gesehen haben, nicht vom Erblasser, sondern nach seinem Tode von demjenigen angefochten, dem der Wegfall der Verfügung unmittelbar zum Vorteil gereicht (§ 2080) : Erbeinsetzungen vom Ersatzerben (§ 2096) oder gesetzlichen Erben, Testamentsvollstreckungen vom eingesetzten Erben, Vermächtnisse und Auflagen vom Beschwerten. Denn der Erblasser selbst kann sein Testament als „letztwillige Verfügung" (§ 1937) jederzeit frei widerrufen und bedarf dazu keines Anfechtungsrechts. Ganz anders der Erbvertrag. Hier ist der Erblasser an seine vertragsmäßigen Verfügungen gebunden; liegt also einer der Anfechtungsgründe der §§ 2078/9 vor, so muß er sich durch Anfechtung von der Verfügung lossagen können. Deshalb steht die Anfechtung von Erbverträgen in erster Linie dem Erblasser selbst zu, während das Anfechtungsrecht der in § 2080 bezeichneten Person nur subsidiär gilt, nämlich wenn der Erblasser gestorben ist, ohne sein Anfechtungsrecht verloren zu haben. §§ 2281 1 , 2285. Der Verlust tritt im Fall des § 2079 ein Jahr nach Erlangung der Kenntnis vom Anfechtungsgrunde ein. § 2283 n . Ferner unterscheidet sich die Erbvertragsanfechtung von der Testamentsanfechtung durch die Form, indem sie der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung bedarf; Empfänger der Anfechtungserklärung ist nach dem Tode des Erb Vertragsgegners das Nachlaßgericht. §§ 2 2 8 1 l r , 2282I". Gemäß § 2 2 7 1 1 1 war das von den Eheleuten Stark errichtete „Berliner Testament" für Ernst Stark dadurch bindend geworden, daß er nach dem Tod der Frau die ihm gemachte Zuwendung angenommen hat. Die Möglichkeit, das Testament wegen Übergehung von Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2079 anzufechten, wird durch die eingetretene Bindung nicht berührt. Die Rechtsprechung wendet aber auf das bindend gewordene gemeinschaftliche Testament wegen Gleichheit der Rechtslage die Vorschriften über den Erbvertrag an. R G 87, 95; 132, 1. Deshalb hat Ernst Stark innerhalb eines Jahres, nachdem die zweite Frau pflichtteilsberechtigt geworden war, selbst in öffentlich beurkundeter Form angefochten. Der überlebende Ehegatte wird bisweilen die Anfechtung innerhalb eines Jahres seit seiner Wiederverheiratung in der rechtsirrigen Annahme unterlassen, das gemeinschaftliche Testament sei durch die Wiederverheiratung ipso iure beseitigt. Für den Lauf der Anfechtungsfrist ist ein derartiger Irrtum unerheblich, es kommt lediglich auf Kenntnis der die Anfechtung begründenden Tatsachen an. Dagegen läuft die Anfechtungsfrist noch, wenn der überlebende Gatte das gemeinschaftliche Testament aus einem anderen Grunde für unwirksam gehalten und deshalb sich über eine der Voraussetzungen der Anfechtung, das Vorhandensein eines gültigen gemeinschaftlichen Testaments, im Irrtum befunden hat (RG 132, 1 ; K G J W 1937, 2976). — Da die Beseitigung bindend gewordener Testamente auf demUmweg der Anfechtung unerwünscht ist, muß in jedem Fall streng geprüft werden, ob der Tatbestand des § 2079 vorliegt. Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken eines zu vermutenden Motivirrtums: der Erblasser hätte sein Testament wahrscheinlich nicht so errichtet, wenn er gewußt

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Nachlaßgericht — Anfechtung gemeinschaftlicher Testamente

hätte, daß der neue Pflichtteilsberechtigte z. Zt. seines Todes vorhanden sein würde. Demgemäß schließt Satz 2 die Anfechtung aus, falls der Anfechtungsgegner beweist, daß der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage nicht anders verfügt hätte. Z. B. kann die Anfechtbarkeit verneint werden, wenn das gemeinschaftliche Testament bestimmt, daß bei Wiederverheiratung der Überlebende den gesetzlichen Erbteil behält und die übrige Erbschaft den nach seinem Tode berufenen Dritten herausgeben muß: dann haben nämlich die Erblasser den Wieder Verheiratungsfall ins Auge gefaßt; von einem Irrtum des Erblassers und von Anfechtung kann nicht mehr die Rede sein. RG 59, 60. Jedoch ist bei Wiederverheiratungsklauseln der angeführten Art im Zweifel anzunehmen, daß die Erblasser für den Fall der Wiederverheiratung den überlebenden Ehegatten mindestens von der Bindung an die von ihm getroffenen letztwilligen Verfügungen haben befreien wollen, so daß dieser seine Testierfreiheit wiedererlangt, falls die Verfügungen des Uberlebenden für diesen Fall nicht überhaupt als gegenstandslos zu betrachten sind (KG JFG 15, 329). — Es kommt vor, daß der überlebende Ehegatte sich durch Adoption künstlich einen Pflichtteilsberechtigten schafft, aus dessen Vorhandensein die Anfechtung des bindend gewordenen Testaments hergeleitet wird. Hatte die Annahme an Kindes Statt geradezu den Zweck, das Testament umstoßen zu können — ein in solchem Fall naheliegender Verdacht! —, so kann der Adoptionsvertrag nach § 1 7 5 4 1 1 Nr. 2 BGB nichtig sein, oder es steht wenigstens dem Anfechtungsgegner gegenüber dem Adoptivkind die exceptio doli generalis zu (JW 1 7 , 536^ R G 138, 3 7 3 ; BGH NJW 1 9 5 2 , 419). Aus der Anfechtung kann sich die Unrichtigkeit des nach Anna Stark ausgestellten Erbscheins ergeben. Deshalb darf sich das Nachlaßgericht nicht, wie sonst, auf Weitergabe der Anfechtung an die Beteiligten beschränken. Frau Büchner und Robert Stark erhalten Gelegenheit zur Äußerung. Hierauf ergeht der „Beschluß. Gemäß § 2361 BGB wird die Einziehung des am 12. November 1955 ausgestellten Erbscheins nach der am 12. Oktober 195 5 verstorbenen Anna Stark geb. Görlich angeordnet, weil er auf dem von der Erblasserin und ihrem Ehemann Ernst Stark errichteten gemeinschaftlichenTes tament vom 27. Januar 1 9 5 2 beruht und weil durch die von Ernst Stark nach den § § 2078, 2079, 2 2 8 1 / 3 BGB auf Grund seiner Wiederverheiratung am 9. Dezember 1956 erklärte Anfechtung nicht nur seine eigenen Verfügungen, sondern auch diejenigen der Erblasserin Anna Stark unwirksam geworden sind (§ 2270 BGB). Lichterfelde, den 19. Dezember 1956. Das Amtsgericht. Richter." Die Wechselbezüglichkeit folgt aus § 2270 1 1 . In welchem Umfang das gemeinschaftliche Testeament beseitigt ist, kann fraglich sein. Im allgemeinen macht die Anfechtung aus § 2079 für den übergegangenen Pflichtteilsberechtigten nur den gesetzlichen Erbteil frei ( R G 59, 60; O L G Köln, N J W 1956, 1522), der für Frau Dora Stark neben Verwandten zweiter Ordnung % des Nachlasses beträgt (§ 1 9 3 1 1 S. 1). Bei dem Starkschen Testament ist aber nach den Erfahrungen des Lebens wohl anzunehmen, daß der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage die Seitenverwandten überhaupt nicht berücksichtigt hätte, so daß in vollem Umfang Kausalzusammenhang zwischen dem Irrtum und dem Inhalt des Testaments gegeben ist. Die Anfechtung ist deshalb auch auf § 2078 1 1 gestützt worden. Vorsichtshalber wird Stark, falls ihm aus der neuen Ehe Kinder geboren werden, nach der Geburt jedes Kindes die Anfechtung mit entsprechender Begründung wiederholen, um die gänzliche Unwirksamkeit des Testaments außer Zweifel zu stellen. Ist seine Bindung an das gemeinschaftliche Testament durch Anfechtung beseitigt, so kann er nunmehr nach Belieben einseitig über sein Vermögen von Todes wegen verfügen. Der Nachlaß der Anna Stark wird nach dem Einzeltestament vom 13. Dezember 1953 vererbt: denn das gemeinschaftliche Testament hatte nur ihre Testierfreiheit, nicht ihre Testierfähigkeit aufgehoben, und nach Wegfall des gemeinschaftlichen Testaments liegt kein Grund mehr vor, dem Einzeltestament die Gültigkeit zu versagen.

Nachlaßgericht — Vermittlung der Erbauseinandersetzung

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Vermittlung der Erbauseinandersetzung E i n l e i t u n g des V e r f a h r e n s . „ A n das Amtsgericht, A b t . für Nachlaßsachen, Lichterfelde.

Spandau, den 13. November 1954.

Durch Beschluß des Amtsgerichts Spandau vom 8. Juli 1954, 5 M 345/54, habe ich auf Grund einer mir gegen den Zimmermeister Moritz Hentscbel in Spandau zustehenden rechtskräftigen Urteilsforderung von 5693,20 D M nebst Zinsen und Kosten den Anteil meines Schuldners am Nachlaß seines am 1 7 . Juni 1953 zu Lichterfelde verstorbenen Vaters, des früheren Kaufmanns Ludwig Hentscbel, in Höhe von % gepfändet. Nach dem in den Akten 5 I V 803/53 des Amtsgerichts Lichterfelde eröffneten Testament sind Miterben die jetzt in Zehlendorf wohnende Kaufmannswitwe Marie Hentscbel geb. Gellricb, der Agent Leopold Hentscbel in Lichterfelde und der am 28. Februar 1943 geborene, unter elterlicher Gewalt seines Vaters, des verwitweten Uhrmachers Fritz Martini in Lankwitz, stehende Schüler Ludwig Martini in Lankwitz, je zu Eine Testamentsvollstreckung ist nicht angeordnet."

Da es zu den Aufgaben des Testamentsvollstreckers gehört, die Auseinandersetzung unter den Miterben — gemäß den Anordnungen des Erblassers, sonst nach den §§ 75 2f., 2042f. — vorzunehmen, könnte beim Vorhandensein eines Vollstreckers das gerichtliche Auseinandersetzungsverfahren nicht stattfinden. §§ 2204 1 BGB, 86i p G G . „Meine Bemühungen, eine außergerichtliche Nachlaßteilung herbeizuführen, sind erfolglos geblieben. Ich beantrage deshalb: nachlaßgerichtliche Vermittlung der Erbauseinandersetzung. Pfändungsbeschluß, Urteil und das v o n dem gerichtlich beeidigten Bücherrevisor Riese in Lichterfelde aufgestellte Nachlaßverzeichnis v o m 27. April 1 9 5 4 liegen bei.

Adam

Rudolf Engel, Bankier."

Der Wert des Verfahrens nach §§ 8 6 f. F G G wird von Außenstehenden stark überschätzt. Dem Gericht liegt lediglich die „Vermittlung" der Auseinandersetzung ob, und gegenüber einem opponierenden Erben, der seine Rechte in den Terminen vertritt, ist es machtlos. Den an baldiger Auseinandersetzung interessierten Miterben bleibt dann nichts anderes übrig, als Klage auf Auseinandersetzung aus den §§ 2042 f., 749 f. BGB. zu erheben, mit der aber nur die Einwilligung des Beklagten in den vom Gesetz vorgeschriebenen Teilungsmodus — Zwangsversteigerung der Grundstücke, Pfandverkauf der beweglichen Sachen, gemeinschaftliche Einziehung der Forderungen — erreicht werden kann. Oder der Miterbe beantragt, wenn alle sonstigen Versuche fehlgeschlagen sind, kurzerhand die Teilungsversteigerung (§§ i8of. Z V G ) , wozu er keines vollstreckbaren Schuldtitels bedarf (§ 181 1 ), und bringt so die Sache in Fluß. Die nachlaßgerichtliche Vermittlung bietet die Aussicht, daß es der Überredungskunst des Richters gelingt, eine Einigung herbeizuführen, bei der den einzelnen Erben bestimmte Nachlaßgegenstände überwiesen werden und nichts verkauft zu werden braucht, oder daß durch das noch darzustellende Säumnisverfahren der gleiche Erfolg erzielt wird. Das Nachlaßverzeichnis weist auf: ein Grundstück in Lichterfelde, geschätzt auf 75000 DM, belastet mit 32000 DM, einen GmbH.-Anteil, eine Hypothek, Wertpapiere, ein Bankguthaben usw. Der Wert des reinen Nachlasses ist auf ungefähr 84000 D M berechnet. — Die Testamentsakten, welche der Richter beifügen läßt, bestätigen die Angaben des Antrags über den Inhalt des letzten Willens des Luwig Hentschel. Das Testament ist ein eigenhändiges, seine Echtheit von den bei der Eröffnung Erschienenen anerkannt. Sonstige nachlaßgerichtliche Akten nach Ludwig Hentschel sind nicht vor-

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Nachlaßgericht — Teilungsbeschränkungen

handen. Das Verfahren kann also eingeleitet werden. Daß kein Erbschein ausgestellt ist, steht nicht entgegen. Das Antragsrecht des Erbteil-Pfandgläubigers spricht § 86 1 1 F G G aus. Verfügung gemäß den §§ 89, 90 1 : „ 1 . Termin zur Verhandlung über die Auseinandersetzung am 2. D e z e m b e r 1 9 5 4 , 1 1 Uhr. 2. Zu laden den Antragsteller und die im Antrag aufgeführten Erben (für Ludwig Martini dessen Vater) mit Zusatz: Im Termin wird ungeachtet des Ausbleibens eines Beteiligten über die Auseinandersetzung verhandelt werden. Falls der Termin vertagt oder ein neuer Termin zur Fortsetzung der Verhandlung anberaumt werden sollte, kann die Ladung zum neuen Termin unterbleiben. Als Unterlagen für die Auseinandersetzung können auf der Geschäftsstelle eingesehen werden: "

Die Ladungen werden nach den Vorschriften der ZPO zugestellt. § 1 6 1 1 S. 1 F G G . V e r h a n d l u n g s t e r m i n . S t r e i t p u n k t e . Das, wegen §§ 9 1 1 S. 1, 93 1 S. 2 in der Form der §§ 168f. abzufassende, Terminsprotokoll lautet: „Gegenwärtig: Amtsgerichtsrat Richter als Richter.

Lichterfelde, den 2. Dezember 1954.

In dem Verfahren betreffend die Auseinandersetzung des Nachlasses des am 17. Juni 1953 verstorbenen früheren Kaufmanns Ludwig Hentschel aus Lichterfelde erschienen im heutigen Termin: 1. für den Antragsteller Bankier Rudolf Engel: Prokurist Gustav Rodewald aus Spandau, Registerzeugnis des Amtsgerichts Charlottenburg vom 10. Juni 1954 über die Firma Rudolf Engel — 3 H R A 982 — vorlegend,"

der Prokurist kann ohne besondere Vollmacht gerichtliche und außergerichtliche Geschäfte und Rechtshandlungen jeder Art vornehmen (§ 49 1 HGB), „2. 3. 4. 5.

die Witwe, Frau Marie Hentschel geb. Gellrich aus Zehlendorf, Zimmermeister Moritz Hentschel aus Spandau, Agent Leopold Hentschel aus Lichterfelde, Uhrmacher Frit% Martini aus Lankwitz als gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Ludwig Martini kraft elterlicher Gewalt, ausgewiesen Es wurde mit ihnen über die Teilung verhandelt. Dabei ergaben sich folgende Streitpunkte: A. Die Witwe, Leopold Hentschel und Herr Martini für Ludwig Martini erhoben Widerspruch dagegen, daß die Auseinandersetzung vor dem 28. Februar 1967 vorgenommen wird, weil nach dem Testament des Erblassers die Teilung des Nachlasses erst erfolgen soll, wenn Ludwig Martini das 24. Lebensjahr vollendet hat. Die übrigen Erschienenen erklärten die baldige Auseinandersetzung für zulässig."

Die Widersprechenden sind im Unrecht. Durch Teilungs- oder Kündigungsbeschränkungen — sie mögen von den Teilhabern selbst vereinbart oder vom Erblasser angeordnet sein —• wird den Gläubigern eines Gesellschafters oder Gemeinschafters die Möglichkeit, das Anteilsrecht des Schuldners zu ihrer Befriedigung flüssig zu machen, nicht genommen. Im Fall der Verpfändung, der Pfändung und des Konkurses treten alle Auseinandersetzungs- und Kündigungsbeschränkungen außer Kraft, und der Gläubiger bzw. Konkursverwalter kann entweder sofort oder unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist Teilung verlangen. §§ 725, 751 S. 2, 1258 1 1 S. 2, 2044 1 S. 2 B G B , 135 HGB, 1 6 1 1 KO. Dabei gilt für Pfändungspfandrechte das besondere Erfordernis, daß der Schuldtitel nicht bloß vorläufig vollstreckbar sein darf. Daher hatte der Antragsteller Engel im Antrag die Rechtskraft seines Urteils hervorgehoben. „ B . Herr Martini widersprach für Ludwig Martini der Aufnahme des goldenen Zigarettenetuis (Titel III Nr. 4) in das Nachlaßverzeichnis, weil der Erblasser am 28. Februar 1953 es dem

Nachlaßgericht — Ausgleichung

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Ludwig Martini unter der Bedingung, daß dieser ihn überlebe, schenkungsweise übereignet habe. Die übrigen Erschienenen erkannten das Eigentum des Ludwig Martini am Zigarettenetui nicht an und bestanden auf Aufnahme ins Nachlaß Verzeichnis."

Martini macht zugunsten seines Sohnes eine durch Übereignung vollzogene Schenkung von Todes wegen geltend. Nach § 2301 1 B G B bedarf das noch unerfüllte Versprechen, einem Dritten etwas unter der Bedingung zu schenken, daß er den Schenker überleben wird, der für Verfügungen von Todes wegen allgemein vorgeschriebenen Form (also mindestens Testament, wenn der Erblasser sich selbst binden will: Erb vertrag). Dagegen finden nach § 2 3 0 1 1 1 auf eine vollzogene donatio mortis causa die für Schenkungen unter Lebenden geltenden Regeln Anwendung, d. h. sie ist formlos gültig. §§ 2 3 0 1 n , 518 1 1 . Es kommt also entscheidend darauf an, ob die „Vollziehung" durch Übertragung des Eigentums der geschenkten Sache, Abtretung der geschenkten Forderung usw. ordnungsmäßig erfolgt war, was bei beweglichen Sachen nicht nur mittels traditio (§ 929 S. 1) sondern auch durch brevi manu traditio (§ 929 S. 2), constitutum possessorium (§ 930) und cessio vindicationis (§ 931) geschieht. Z. B. wäre eine durch Besitzkonstitut vollzogene Schenkung von Todes wegen anzunehmen, wenn der Erblasser seinem Enkel Ludwig Martini erklärt hat, daß mit des Erblassers Tode das Etui in sein Eigentum übergehe, daß aber der Erblasser das Etui vorläufig für ihn verwahren wolle. Da das Geschäft dem Minderjährigen lediglich rechtliche Vorteile bringt, konnte er mit seinen 10 Jahren als beschränkt Geschäftsfähiger Schenkung und Übereignung ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters annehmen. § 107. „C. Die Witwe, Leopold Hentschel und Herr Martini für Ludwig Martini verlangten, daß dem Erben Moritz Hentschel außer der unstreitig empfangenen Ausstattung von 20 000 DM auf seinen Erbteil weitere 39000 DM angerechnet werden, die der Erblasser ihm durch Bezahlung von Geschäftsschulden in den Jahren 1951 und 1952 mit der Bestimmung zugewendet habe, daß der Betrag auszugleichen sei. Moritz Hentschel und der Antragsteller Engel widersprachen der Anrechnung der 39000 DM, weil eine Ausgleichsanordnung s. Zt. nicht getroffen worden sei. Über die Anrechnung der vom Erblasser seiner verstorbenen Tochter Hermine Martini geb. Hentschel gewährten Ausstattung von 25000 DM auf den Erbteil des Ludwig Martini sind sämtliche Erschienenen einig."

Da Ludwig Hentschel seine Kinder zu gleichen Teilen eingesetzt und die Kollation nicht ausgeschlossen hat (§ 2052), sind die ausgleichspflichtigen Zuwendungen in Anrechnung zu bringen. Hinsichtlich der Ausstattungen der Tochter und des Sohnes Moritz ist die Rechtslage klar (§ 205o1). Ob die für Moritz bezahlten Schulden ebenfalls zu konferieren sind, hängt von der streitigen Anordnung ab, die der Erblasser nach § 20 5 o 1 1 1 zwar einseitig, aber nur unmittelbar bei der Zuwendung treffen konnte. Bei D u r c h f ü h r u n g der A u s g l e i c h u n g steht, wie wir wissen, der Witwenerbteil außerhalb der Anrechnung (S. 467). Gehen wir vom Rieseschen Verzeichnis aus, so ergibt sich nach § 205 5 auf Grund der unstreitigen Anrechnungen folgende Verteilung: Auf jeden Stamm entfallen an sich Y3 von 63000 + 20000 + 25000 = 36000 DM. Davon gehen bei Moritz Hentschel 20000, bei Ludwig Martini 25 000 DM ab. Von den vorhandenen 84000 DM erhalten mithin: die Witwe 21000, Moritz Hentschel 16000 DM, Leopold Hentschel 36000 DM, Ludwig Martini 11000 DM. — Treten die streitigen 39000 DM als ausgleichspflichtig hinzu, so lautet die Berechnung: 63000 + 59000 + + 25000 = 147000 DM. Davon % = 49000 DM. Moritz Hentschel hat aber schon mehr, nämlich 59000 DM empfangen. Nach § 2056 braucht er nichts herauszuzahlen, sondern scheidet lediglich bei der weiteren Verteilung aus. In dem unterstellten Fall wären also der Witwe 21000, Leopold Hentschel 44000 und Ludwig Martini 19000 DM zuzuteilen. — Sind die Vorausempfänge im Verhältnis zum Nachlaßbestand ganz groß, so kann sich aus pflichtteilsrechtlichen Gründen sogar eine Zuzahlungspflicht ergeben. Nehmen wir z.B. an, Moritz Hentschel hätte insgesamt 170000 DM zu konferieren. Es stehen dann jedem Stamm als Erbteil % von 63000 + 170000 + 25 000 = 86000 DM 38

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Jansen)

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Nachlaßgericht — Säumnisverfahren

zu, welcher Betrag sich bei Ludwig Martini durch Anrechnung auf 61000 D M ermäßigt. Die Pflichtteile würden 43 000 bzw. 30 500, zusammen 73 5 00 D M ausmachen, so daß Moritz Hentschel 10500DM zuzuzahlen hätte. § 2316.

Obgleich die Ausgleichung den Wert der Erbteile in einschneidender Weise — auch zum Nachteil des Erbteilerwerbers oder des Pfändungsgläubigers Engel — beeinflußt, betragen doch die Erbquoten aller vier Erben je Die Ausgleichung erscheint im Gesetz als bloße Modifikation der Teilung. Deshalb ist sie auch im Erbschein nicht zu erwähnen. „ E s wurde der B e s c h l u ß verkündet: Das Verfahren wird bis zur Erledigung der Streitpunkte zu A bis C ausgesetzt. Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben."

Die aus Anlaß der Auseinandersetzung auftauchenden Streitfragen zu entscheiden, ist der Nachlaßrichter nicht befugt, nicht einmal auf Grund einer Vereinbarung der Beteiligten. Er kann lediglich durch „Vermittlung" und Zureden zu ihrer Lösung beitragen. § 95 F G G . V e r e i n b a r u n g ü b e r d i e A r t d e r T e i l u n g . S ä u m n i s v e r f a h r e n . Nach 1 % jähriger Dauer sind alle Prozesse rechtskräftig abgeschlossen. Die Zulässigkeit der Auseinandersetzung ist bejaht, Ludwig Martini hat auf Grund der Aussage einer Krankenpflegerin das goldene Zigarettenetui zugesprochen bekommen, die 3 9 000 D M sind für nicht ausgleichungspflichtig erklärt. Das Gericht beraumt neuen Termin auf den 11. Juli 1956 an und lädt die Beteiligten unter der gleichen Verwarnung wie das vorige Mal. Bei Aufruf erscheinen: „1. 2. 3. 4.

für den Antragsteller Bankier Rudolf Engel: Prokurist Gustav Rodewald aus Spandau, Zimmermeister Moritz Hentschel aus Spandau, Agent Leopold Hentschel aus Lichterfelde, der Uhrmacher Fritz Martini aus Lankwitz als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen Ludwig Martini kraft elterlicher Gewalt, zu 1 bis 4 persönlich bekannt. Die Miterbin Witwe Marie Hentschel war weder selbst erschienen noch vertreten."

Trotz des Fehlens der Witwe wird in die Verhandlung eingetreten. Man könnte versuchen, sofort einen Auseinandersetzungsplan aufzustellen (§93), doch scheitert das bei nicht ganz einfachen Sachen meist an der Unmöglichkeit, alle in Betracht kommenden Werte und Summen sofort zahlenmäßig auszurechnen. D a her werden zunächst nur die allgemeinen Grundsätze, nach denen die Teilung vor sich gehen soll, festgelegt (§ 91): „ D i e Erschienenen, und zwar Herr Martini unter Vorbehalt der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung,"

deren Notwendigkeit nicht durch die Erbteilung als solche (S. 509 zu 2 b) sondern dadurch begründet wird, daß der Auseinandersetzungsvertrag die Verpflichtung zu einer Verfügung über Grundstückseigentum (§§ 1643 1 , 18213 BGB) enthält, „trafen über die Art der Teilung folgende Vereinbarung: I. Der Auseinandersetzung wird das von dem Bücherrevisor Riese am 27. April 1954 aufgestellte Nachlaßverzeichnis mit den Abweichungen, die sich aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Berlin in Sachen Martini gegen Engel und andere — Aktenzeichen 11 O 18/55 — ergeben, zugrunde gelegt. II. A n Zuwendungen haben Moritz Hentschel eine Ausstattung von 20000 D M , Ludwig Martini die Ausstattung seiner Mutter mit 25 000 D M zur Ausgleichung zu bringen. III. Als Teilungstag soll der 1. Oktober 1956 der Auseinandersetzung zugrunde gelegt werden."

Nachlaßgericht — Erbteilungsplan

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Das beudetet, daß der Wert des reinen Nachlasses zuzüglich aller Nutzungen und abzüglich der Lasten nach dem Stand v o m i. Oktober 1956 ermittelt wird, daß darnach die den einzelnen Erben zustehenden Auseinandersetzungsguthaben berechnet werden und daß die Erben die einem jeden zugewiesenen Werte ebenfalls mit Nutzungen und Lasten ab 1. Oktober 1 9 5 6 übernehmen. „ I V . Das zum Nachlaß gehörende Grundstück Tulpenstraße 25 in Lichterfelde — Grundbuch von Lichterfelde Band 17 Blatt 481 — soll Leopold Hentscbel zum Taxpreis von 75 000 DM, von denen 32000 DM durch Übernahme der eingetragenen Hypotheken und der diesen zugrunde liegenden persönlichen Schuldverbindlichkeiten belegt werden, als Alleineigentümer übernehmen." Eigentumswechsel auf Grund einer Erbauseinandersetzung ist grunderwerbsteuerfrei (S. 4 4 1 ) . „ V . Den Geschäftsanteil im Nennbetrage von 6000 D M an der „Buttonia"-Knopffabrik G.m.b.H. in Schmolz soll Frau Marie Hentschel zum Anrechnungswert von 9000 D M übernehmen. VI. Die zum Nachlaß gehörende Hypothek von 15 000 D M auf dem Grundstück SpandauStadt Band 7 Blatt 189 — Johannisstraße 33 — wird zwischen Frau Marie Hentschel und Ludwig Martini in gleichem Rang so geteilt, daß Frau Marie Hentscbel 9000 DM, Ludwig Martini 6000 DM erhält. VII. Von den zum Nachlaß gehörenden Wertpapieren sind die Industrieobligationen sofort nach rechtskräftiger Bestätigung der Auseinandersetzung zum Tageskurs zu verkaufen und der Erlös zur Bezahlung der Nachlaßverbindlichkeiten zu verwenden. Ein etwaiger Fehlbetrag wird dem Bankkonto entnommen. Die übrigen Wertpapiere übernimmt Ludwig Martini zum Tageskurse. VIII. Moritz Hentschel erhält das Bankguthaben, soweit es nicht gemäß Ziffer VII verbraucht wird, und den gesamten beweglichen Nachlaß zum Taxpreis. I X . Der Ausgleich zwischen den übernommenen Werten ist durch Zahlungen herzustellen, die Leopold Hentschel den übrigen Miterben zu leisten hat und die vom 1. Oktober 1956 ab mit 6% jährlich zu verzinsen sind. Die sich für Moritz Hentschel ergebenden Ausgleichsbeträge sowie die auf die Witwe Marie Hentschel und Ludwig Martini entfallenden Spitzenbeträge sind 2 Wochen nach rechtskräftiger Bestätigung der Auseinandersetzung, frühestens am 1. Oktober 1956, zahlbar. Die auf die Witwe Marie Hentschel und Ludwig Martini in vollenTausend entfallenden Ausgleichsforderungen werden gegen dreimonatige Kündigung gestundet und auf dem von Moritz Hentschel übernommenen Nachlaßgrundstück unmittelbar im Rang hinter den gegenwärtig bestehenden Belastungen hypothekarisch eingetragen. X . An den dem Miterben Moritz Hentschel zugewiesenen Ausgleichsforderungen und sonstigen Werten ist Herrn Engel für seine Urteilsforderung ein Pfandrecht zu bestellen. Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben." Diese Gegenstände treten nicht von selbst an Stelle des gepfändeten Erbteils unter die Pfandhaftung. Engel hat aber einen persönlichen Anspruch auf die Verpfändung und könnte einem Verteilungsplan, der seine Rechte nicht berücksichtigt, die Z u stimmung versagen. R G 84, 395. Verfügung auf das Terminsprotokoll nach § 9 1 1 1 1 F G G : „ 1 . Abschrift der heutigen Verhandlung an Witwe Marie Hentscbel zustellen. Zusatz: Sie können die Urkunde auf der Geschäftsstelle einsehen. Wenn Sie nicht binnen 3 Wochen seit Zustellung die Anberaumung eines neuen Termins beantragen, oder wenn Sie im neuen Termin weder erscheinen noch sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, wird angenommen werden, daß Sie mit dem Inhalt der Urkunde einverstanden sind. 2. 3 Wochen nach Zustellung." Die Witwe widerspricht rechtzeitig, bemängelt die abgeschlossene Vereinbarung in mehreren Punkten und erbittet neuen Termin. Dieser wird auf den 20. September 1956 bestimmt und dazu die Beteiligten mit der bekannten Verwarnung vorgeladen. Sie erscheinen sämtlich, ausgenommen Frau Hentschel. Damit hat sie — sofern nicht

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Nachlaßgericht — Erbauseinandersetzung

der Wiedereinsetzungsfall des § 92 gegeben ist — sich endgültig verschwiegen. Sie hätte nicht bloß neuen Termin beantragen, sondern auch in dem Termin auftreten und der Vereinbarung widersprechen müssen. Vormundschaftsgerichtliche Genehmigung. Nachlaßgerichtliche B e s t ä t i g u n g . Der Vater Martini sucht jetzt beim Vormundschaftsgericht die Genehmigung zur Vereinbarung vom 1 1 . Juli 1956 nach. Nach § 1829 1 1 B G B ist jeder Miterbe, vor allem Frau Hentschel, berechtigt, ihm eine i4tägige Frist zum Nachweis der Genehmigung zu stellen. Deshalb wird die Sache mit Beschleunigung betrieben. „Beschluß. Die in der Ludwig Hentschelschen Auseinandersetzungssache, 5 V 7 3 / 5 4 des Amtsgerichts Lichterfelde, zur Verhandlung v o m 1 1 . Juli 1 9 5 6 getroffene Vereinbarung wird namens des minderjährigen Ludwig Martini vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Lichterfelde, den 28. September 1 9 5 6 . Das Amtsgericht. Richter "

Um die Mitteilung der Genehmigung an die Vertragsgegner (S. 498) einwandfrei nachzuweisen, hat Martini ihnen den Beschluß durch den Gerichtsvollzieher zustellen lassen (§ 132 1 B G B ) ; die Zustellungsurkunden sind der Beschlußausfertigung, welche der Vater dem Nachlaßgericht einreicht, angeheftet. Damit ist die Vereinbarung vom 1 1 . Juli 1956 wirksam. Die fehlende Zustimmung der Witwe wird durch das Säumnisverfahren ersetzt, die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung hat Wirksamkeit erlangt. Das Nachlaßgericht kann und muß daher die Vereinbarung — ohne Nachprüfung ihrer sachlichen Richtigkeit und Zweckmäßigkeit — „bestätigen": „Beschluß. Die zur Verhandlung v o m 1 1 . Juli 1956 von den erschienenen Beteiligten über die A r t der Teilung getroffene Vereinbarung wird gemäß § 9 1 1 1 1 S. 4 F G G nachlaßgerichtlich bestätigt. Lichterfelde, den 3. Oktober 1956. Das Amtsgericht. Richter."

Da der Beschluß sofortiger Beschwerde unterliegt (§ 96), wird er nach den Vorschriften der ZPO zugestellt. Auch belehrt das Gericht die Witwe darüber, daß sie bei unverschuldeter Verhinderung am Erscheinen die Säumnisfolge durch Wiedereinsetzungsantrag nach § 92 abwenden kann. Mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses ist die Vereinbarung für alle Beteiligten verbindlich geworden (§ 97). A u s e i n a n d e r s e t z u n g . Der Richter läßt jetzt vom Kalkulator auf der Grundlage der bestätigten Vereinbarung vom 1 1 . Juli 1956 einen Teilungsplan ausarbeiten, gibt den Beteiligten Abschrift und setzt Termin zur Verhandlung über den Plan auf den 15. November 1956 an. Im Termin erscheinen wiederum nur Rodewald, Moritz und Leopold Hentschel und Martini, nicht aber die Witwe. „ D i e Erschienenen erklärten: I. Wir bekennen uns zu dem Inhalt des dieser Verhandlung als Anlage beigefügten Teilungsplans v o m 3. November 1 9 5 6 einschließlich der darin enthaltenen Erklärungen über A u f lassung des Nachlaßgrundstücks, Übertragung des „Buttonia"-Geschäftsanteils, Umschreibung der Nachlaßhypothek und Bestellung von Hypotheken für die Witwe Marie Hentschel und Ludwig Martini für ihre Ausgleichsforderungen."

Auch die Auflassungserklärung des säumigen Beteiligten wird durch die Bestätigung ersetzt ( K G J 41, 251; Schlegelberger, F G G , 7. Aufl. § 98 Anm. 6). Anlage als Teil des Protokolls s. S. 437, 445.

Nachlaßgericht — Überweisungszeugnis

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„II. Ausweislich der bei den Gerichtsakten befindlichen Sterbeurkunde ist am 17. Juni 1953 zu Lichterfelde, seinem Wohnsitz, der frühere Kaufmann Ludwig Hentschel verstorben. In seinem vom Amtsgericht Lichterfelde am 26. Juni 1953 eröffneten eigenhändigen Testament vom 3. April 1953 hat er zu Erben ernannt: Andere Verfügungen des Erblassers von Todes wegen sind nicht vorhanden. Ein Rechtsstreit über das Erbrecht der bezeichneten Erben ist nicht anhängig. Sämtliche Erben haben die Erbschaft angenommen. Wir versichern an Eides statt, daß uns nichts bekannt ist, was der Richtigkeit unserer Angaben entgegensteht. Die Testamentserben sind zugleich die alleinigen gesetzlichen Erben. Von einer Beitrittserklärung sowie von einer Anhörung der Witwe Marie Hentschel gemäß § 2360 1 1 B G B bitten wir abzusehen, da Frau Hentschel die Echtheit des Testaments in der Eröffnungsverhandlung anerkannt hat."

Die Erschienenen beantragen keinen Erbschein, haben aber durch ihre eidesstattliche Versicherung die Grundlage geschaffen, auf der jederzeit ein Erbschein ausgestellt werden könnte. Dies in Verbindung mit den in den Teilungsplan aufgenommenen dinglichen und grundbuchmäßigen Erklärungen ermöglicht später die Ausstellung des Überweisungszeugnisses (s. unten). —Der ganze Hergang des Vereinbarungsstadiums mit Vereinbarung, Widerspruch und Säumnisverfahren kann sich im Auseinandersetzungsstadium wiederholen. § 93 F G G . Praktisch beschränkt sich jedoch der Widerspruch auf Einzelheiten. Denn die bestätigte Vereinbarung über die Art der Teilung ist für die Beteiligten verbindlich, und sie könnten äußerstenfalls im Prozeßweg gezwungen werden, einem der Vereinbarung entsprechenden Auseinandersetzungsplan ihre Zustimmung zu geben. Frau Hentschel sieht deshalb auch von einem Antrag auf neuen Termin ab. Wiederum ist der Plan, nachdem alle Beteiligten ihm wirklich oder infolge des Säumnisverfahrens fiktiv zugestimmt haben, für den minderjährigen Ludwig Martini vormundschaftsgerichtlich zu genehmigen und nach Wirksamwerden der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nachlaßgerichtlich zu bestätigen. § 93 1 S. 3. V o l l s t r e c k b a r k e i t u n d Ü b e r w e i s u n g s z e u g n i s : Der nachlaßgerichtlich bestätigten Auseinandersetzung ist, um ihre Durchführung zu erleichtern, vom Gesetz die Eigenschaft eines vollstreckbaren Schuldtitels beigelegt (§ 98). Leistet also Leopold Hentschel die versprochenen Ausgleichzahlungen nicht, so brauchen die Gläubiger nicht erst gegen ihn zu klagen, sondern sie können sich vom Nachlaßgericht eine vollstreckbare Ausfertigung der Auseinandersetzungsverhandlung geben lassen und sofort die Zwangsvollstreckung betreiben. Einer besonderen Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung gemäß § 7946 Z P O bedarf es nicht. Die Vollstreckbarkeit beruht auf der Bestätigung, richtet sich auch gegen diejenigen Beteiligten, welche nur auf Grund des Säumnisverfahrens als einverstanden gelten, und umfaßt auch Ansprüche auf nicht vertretbare Leistungen. Der grundbuchmäßigen Durchführung dient das Überweisungszeugnis (§§ 36, 37 G B O ; vgl. dazu K G J F G 14, 137). Nach der herrschenden Ansicht (Güthe-Triebel 13 zu § 37) wäre es in unserem Fall hinsichtlich der Hypothek folgendermaßen zu fassen: „Zeugnis. Die Witwe Marie Hentschel geb. Gellrich in Zehlendorf, der Zimmermeister Moritz Hentschel in Spandau, der Agent Leopold Hentschel in Lichterfelde und der am 28. Februar 1943 geborene Ludwig Martini in Lankwitz sind je zu % Erben des am 17. Juni 1953 verstorbenen früheren Kaufmanns Ludwig Hentschel aus Lichterfelde geworden. Sie haben die im Grundbuch von Spandau-Stadt Band 7 Blatt 189 — Johannisstraße 33 — in Abt. III unter Nr. 3 für den Erblasser eingetragene Darlehnsforderung von 15000 D M nebst den Zinsen seit dem 1. Oktober 1956 in Höhe von 9000 D M (i.W.) der Erbin Marie Hentschel, in Höhe von 6000 D M (i.W.) dem Erben Ludwig Martini abgetreten und die Eintragung der neuen Gläubiger im Grundbuch bewilligt. Die Teilbeträge haben untereinander gleichen Rang. Lichterfelde, den 5. Januar 1957. Das Amtsgericht."

Nachlaßgericht — Uberweisungszeugnis

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Entsprechend das Zeugnis für das an Leopold Hentschel aufgelassene Nachlaßgrundstück. Überweisungszeugnisse können vom Nachlaßgericht — übrigens auch ohne daß ein Verfahren nach §§ 86 f. F G G stattgefunden hat — erteilt werden, wenn i. die Voraussetzungen eines Erbscheins erfüllt, bei gesetzlicher Erbfolge also u. a. die Personenstandsurkunden beigebracht, 2. die Bewilligungen der Erben vor dem Nachlaßgericht zu Protokoll gegeben oder in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen sind. Für den (hier gegebenen) Fall, daß einzelne Erben dem Auseinandersetzungsplan nicht zugestimmt und die dinglichen Erklärungen nicht abgegeben haben, sondern ihre Zustimmung lediglich durch das Säumnisverfahren ersetzt wurde, ist die Zulässigkeit des Zeugnisses streitig, aber bei der Verwandtschaft der Einrichtung mit § 894 Z P O zu bejahen. Nachweisungen bei GütheTriebel 1 1 zu § 37; Schlegelberger 6 zu § 98. Dem Grundbuchamt ersetzt das Zeugnis den Nachweis der Erbfolge und die Eintragungsbewilligungen. Sonstige Voraussetzungen der Eintragung — behördliche Genehmigung, Grunderwerbsteuerbescheinigung, Vorlegung der Hypothekenbriefe ( § 4 1 GBO) usw. — bleiben unberührt. Seine praktische Bedeutung liegt darin, daß der Erbschein erspart und damit eine Kostenverbilligung herbeigeführt werden kann3). Die Eintragung der Hypotheken für die Ausgleichsforderungen (Abschnitt I X der Teilungsgrundsätze) hat mit dem Überweisungszeugnis nichts zu tun, weil diese Hypotheken nicht „zum Nachlaß gehört" haben.

3

) Gebühr für das Zeugnis % der vollen Gebühr bis zum Höchstbetrage von 10 D M (§ 105 KostO). Daher erhebliche Verbilligung gegenüber der Gebühr für den Erbschein (oben S. 573). Die Gebühr für die eidesstattliche Versicherung beträgt in beiden Fällen % der vollen Gebühr (§§ 1 0 3 m , 99 1 S. 2, 4 3 1 1 KostO). Für das Auseinandersetzungsverfahren wird das Vierfache der vollen Gebühr erhoben ( § 1 0 8 KostO).

14- Kapitel

Beim Grundbuchamt Das materielle Liegenschaftsrecht des B G B beruht auf dem Grundbuchsystem. Es gilt der „Eintragungsgrundsatz": In der Regel kein Erwerb, keine Aufhebung und keine Veränderung von Grundstücksrechten durch Rechtsgeschäft ohne Eintragung im Grundbuch. §§ 873, 875, 877. Doch gibt es keine formelle Rechtskraft der Grundbucheintragung in dem Sinne, daß die Eintragung unabhängig von sonstigen Voraussetzungen das dingliche Recht begründet, sondern die Eintragung ist ein selbständiges ergänzendes Tatbestandselement eines Gesamttatbestandes, der zur Verwirklichung der dinglichen Rechtsänderung erforderlich ist. Zu dem Staatsakt der Eintragung, der dem öffentlichen Interesse an der Kenntlichmachung der Rechtsverhältnisse am Grundstück dient, muß, um die dingliche Rechts änderung herbeizuführen, ein rechtsgeschäftliches Erfordernis hinzutreten, nämlich für Begründung, Übertragung, Belastung, Veränderung von Rechten: die Einigung als abstrakter dinglicher Vertrag (§§ 873, 877), für Aufhebung: die ebenfalls abstrakte einseitige Aufgabeerklärung (§ 875). Wird eine Rechtsänderung, z. B. ein Eigentumswechsel, ins Grundbuch eingetragen, ohne daß die vom materiellen Recht verlangte Einigung vorliegt, oder fehlt es an einem sonstigen sachlichrechtlichen Erfordernis, so hat der als neuer Eigentümer Eingetragene das dingliche Recht nicht erworben. Das Grundbuch ist unrichtig, und der wahre Eigentümer kann mit dem dinglichen Rechtsbehelf des Berichtigungsanspruchs (§894) vorgehen. Ein Zwiespalt zwischen dem Inhalt des Grundbuchs und der wahren Rechtslage ist also möglich. Jedoch hat der Buchstand die widerlegbare Vermutung der Richtigkeit für sich (§ 891) und zugunsten redlicher rechtsgeschäftlicher Erwerber gilt er schlechthin als richtig (öffentlicher Glaube des Grundbuchs, §§ 892—893). Ein Auseinanderfallen von Buchlage und wahrer Rechtslage ist sogar nicht selten, weil nämlich der Eintragungsgrundsatz durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen ist, in deren Geltungsbereich die dingliche Rechtsänderung sich außerhalb des Grundbuchs vollzieht, so daß nachträgliche Buchungen, sog. „Berichtigungen", nur rechtsbekundend sind. Die wichtigsten A u s n a h m e n v o m E i n t r a g u n g s g r u n d s a t z bzw. Fälle der notwendigen Berichtigung sind: 1. alle Gesamtrechtsnachfolgen, also Erbfolge, Nacherbfolge, Gütergemeinschaft, Anwachsung im Gesellschaftsrecht, Übertragung von Erbteilen, Verschmelzung (§§ 738, 1 4 3 8 1 1 , 1922 1 , 2033, 2139 B G B , 1 0 5 1 1 , 1 6 1 1 1 H G B , 2 4 0 1 1 1 , 247V AktG), 2. Übertragung und Verpfändung von Briefhypotheken und Briefgrundschulden (§§ 1 1 5 4 1 , 1 1 9 2 1 B G B ) ; dagegen besteht Eintragungszwang, wenn der Inhalt der Briefhypothek durch neue Verzinsungs- und Fälligkeitsbedingungen, Auswechslung der persönlichen Forderung (§ 1180), Umwandlung der Hypothek in eine Grundschuld oder umgekehrt (§ 1198), Vorrangseinräumung (§ 880) usw. geändert werden soll, }. gesetzlicher Übergang der Hypothek auf Eigentümer, persönlichen Schuldner oder Dritte (§§ 268, 774, 1143, 1150, 1 1 6 3 / 4 , 1168, 1170, 1 1 7 3 B G B , 104 S. 1 W G ) , auch bei Buchhypotheken, 4. Umstellung nach dem Umstellungsgesetz, 5. Übergang der Umstellungsgrundschuld nach dem L A S G auf den Eigentümer (vgl. § 1 2 0 1 1 1 L A G ) . 6. Zuschlag (§ 90 Z V G ) , 7. Enteignung auf Grund Bundes- oder Landesrechts (vgl. z. B. § 44 pr. EnteignG vom 1 1 . Juni 1874, G S 221), 8. Entscheidungen im Umlegungs- und Flurbereinigungsverfahren. — Ist das einer Eintragung zugrundeliegende Kausal-

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Grundbuchamt — Handblatt

geschäft nicht rechtsbeständig, dagegen die abstrakte dingliche Einigung in Ordnung, so steht dem Veräußerer kein dinglicher Rechtsbehelf, sondern nur der schuldrechtliche Bereicherungsanspruch ( § 8 1 2 B G B ) zu, er kann also im Konkurs des anderen Teils nicht aussondern.

Die Grundbucheintragungen sind hiernach, was ihr Verhältnis zum materiellen Recht anlangt, entweder: a) rechtsändernde Eintragungen, wenn sie ein Tatbestandselement der dinglichen Rechtsänderung sind, oder b) Berichtigungen, die das Grundbuch mit der wirklichen Rechtslage wieder in Einklang bringen, nachdem es durch eine außerhalb des Grundbuchs eingetretene, vom Eintragungszwang befreite Rechtsänderung unrichtig geworden ist. Möglich sind ferner c) Fehleintragungen, durch die das Grundbuch unrichtig wird (Eintragung einer nicht entstehenden Hypothek) oder die eine Unrichtigkeit durch eine andere ersetzen (Umschreibung des Rechts auf den vermeintlichen Erben auf Grund eines unrichtigen Erbscheins) und schließlich d) Berichtigungen zur Rückgängigmachung fehlerhafter Buchungen. Vom Standpunkt des formellen Grundbuchrechts aus gibt es fehlerfreie Eintragungen, durch die das Grundbuch unrichtig wird. Z. B. wird eine Darlehnshypothek auf Grund des Antrags und der Eintragungsbewilligung des Eigentümers sogleich auf den Namen des Gläubigers eingetragen, obwohl sie zunächst noch dem Eigentümer als Grundschuld zusteht, weil der Gläubiger sie erst erwirbt, wenn i h m d e r B r i e f v o m Eigentümer übergeben wird und die Darlehnsvaluta ausgezahlt ist (§§ 1 1 1 7 1 S. 1, 1 1 6 3 1 1 , 1 1 6 3 1 S. 1, 1177). Ferner gibt es fehlerhaft zustandegekommene Buchungen, durch die das Grundbuch richtig wird, etwa wenn eine Hypothek entgegen § 35 1 S. 2 G B O auf Grund eines eigenhändigen Testaments auf den Erben des Gläubigers umgeschrieben wird.

Die Grundakten Lichterfelde Band 1 Blatt 1 1 sind mit neuen Eingängen vorgelegt. Der Richter erläutert dem Referendar das unter dem Aktendeckel liegende Handblatt. Das Handblatt ist eine mit dem Grundbuch wörtlich gleichlautende Abschrift sämtlicher Eintragungen des Grundbuchblatts. Seine Einrichtung beruht, ebenso wie die Muster des Grundbuchs und des Hypothekenbriefs, auf der A V über die Einrichtung und Führung des Grundbuchs (Grundbuchverfügung) vom 8. August 1935 (RMB1 S. 637), die die Bedeutung einer Rechtsverordnung hat. Während die Eintragungen im Grundbuch, die Hypothekenbriefe und die auf die Briefe nachträglich gesetzten Vermerke nach den § § 2, 3 der A u s f V O zur Grundbuchordnung vom 8. August 1935 (RGBl I S. 1089) vom Richter (Rechtspfleger) und Urkundsbeamten unterschrieben werden müssen, bestehen für die Zeichnung der Handblattvermerke keine Bestimmungen. § 24 I V S. 2 GBVerf. sagt nur, daß die mit der Führung des Grundbuchs beauftragten Beamten für die Übereinstimmung des Handblatts mit dem Grundbuchblatt zu sorgen haben. Im gewöhnlichen Verkehr wird das Grundbuch vollständig durch das Handblatt ersetzt. Wie ist die Rechtslage, wenn Grundbuch und Handblatt sich nicht decken, sei es, daß eine Grundbucheintragung gar nicht oder ungenau in das Handblatt übernommen, oder daß umgekehrt eine Eintragung in das Handblatt bewirkt und im Grundbuch vergessen wurde ? Da das Gesetz dem Handblatt weder öffentlichen Glauben noch selbständige urkundliche Bedeutung beilegt, sind für die dinglichen Rechtsverhältnisse ausschließlich die Eintragungen im Grundbuch maßgebend. Der Erwerber, der sich auf das Handblatt verlassen hat, wird nicht geschützt: denn aus dem Grundbuch, auf welches es nach § 892 B G B allein ankommt, hätte er die wirkliche Rechtslage ersehen. Ihm steht aber aus § 839 B G B Rückgriff an den Staat wegen Verschuldens der an der Nichtübereinstimmung von Handblatt und Grundbuch schuldigen Beamten zu, ohne daß der Fiskus den Einwand mitwirkenden Verschuldens (§ 254) wegen Unterlassung der Einsicht in das Grundbuch selbst erheben könnte. Grundbuchrichter, Publikum oder Notar, die sich mit Einsicht in das Handblatt begnügen, handeln nicht fahrlässig, sondern entsprechen den Erfordernissen des ordnungsmäßigen Grundbuchverkehrs und der tatsächlichen Handhabung. Vgl. den entsprechenden Fall der Abweichung zwischen Grundbuch und Hypothekenbrief (S. 660). A. M. (für den Grundbuchrichter) Güthe-Triebel § 124 Anm 7.

Grundbuchamt — Einrichtung des Grundbuchs

601

Grundbuchblatt eines Vorortgrundstücks Jedes Grundbuchblatt — und ebenso das Handblatt — besteht aus der Aufschrift, dem Bestandsverzeichnis und den drei Abteilungen für die Eigentumsverhältnisse (I), die dinglichen Belastungen und Beschränkungen mit Ausnahme der Grundpfandrechte (II) und die Hypotheken, Grund- und Rentenschulden (III, sog. Vierteilungssystem). Das Bestandsverzeichnis enthält die zur Bezeichnung des Grundstücks erforderlichen Angaben, Vermerke über Rechte, die dem jeweiligen Eigentümer des auf dem Blatt verzeichneten Grundstücks zustehen, sowie die Eintragung von Miteigentumsanteilen nach § 3 n l b GBO. Die Vorschriften über die Stelle, an der eine bestimmte Eintragung erfolgen soll, sind bloße Ordnungsvorschriften und ohne sachlichrechtliche Wirkung. „Das Grundbuch" im Sinne des bürgerlichen Rechts ist das Blatt dieses Grundstücks (§ 3 1 S. 2 GBO) in der Gesamtheit seiner Eintragungen. Trägt also der Grundbuchrichter an einer falschen Stelle, ja sogar in einer falschen Abteilung ein, so schadet das der Wirksamkeit der Eintragung nicht. Hieraus folgt für denjenigen, der beispielsweise eine Hypothek erwerben will, daß er sich nicht darauf beschränken darf, die auf diese Hypothek bezüglichen Eintragungen der dritten Abteilung nachzusehen. Vielmehr muß er das ganze Grundbuchblatt prüfen, denn wenn sich an anderer Stelle eine ihm nachteilige Eintragung findet, läge keine Unrichtigkeit des Grundbuchs vor, auf die er sich berufen könnte (§ 892). Die Einsicht der zweiten Abteilung darf schon wegen der in diese Abteilung gehörenden Verfügungsbeschränkungen (Konkursvermerke, Nacherbenvermerke, Testamentsvollstreckung!) niemals unterbleiben. Aufschrift. „Amtsgericht Lichterfelde. Grundbuch von Lichterfelde Band 1 Blatt 11."

Grundbuchmäßig wird das Grundstück nicht nach den häufig wechselnden Straßenund Hausnummern bezeichnet, sondern nach besonderen Grundbuchblattnummern. Diese Blattnummern sind unveränderlich. Wird z. B. das Grundbuchblatt 11 geschlossen und entsteht später einmal die Notwendigkeit, für ein anderes Grundstück desselben Grundbuchbezirks ein neues Blatt anzulegen, so kann dafür nicht die freigewordene Nr. 11 verwendet werden, sondern das neue Blatt erhält, um jede Verwechslungsmöglichkeit auszuschließen, die nächste fortlaufende Nummer. §§ 31, 2 3 " GBVf. Das Verzeichnis der Grundstücke stellt die Verbindung von Grundbuch und Kataster her. Das Grundstück „Lichterfelde Bd. 1 Bl. 11" ist ein abstrakter Begriff; kein Mensch wäre imstande, seine wirkliche Lage zu finden. Aus Spalte 3, Unterspalten a und b (S. 603), ersehen wir, daß es jetzt die Parzellen Kartenblatt 1 Flächen221 222 223 237 abschnitt , , ,— der Gemarkung Lichterfelde umfaßt. Das sind ka. 75 75 75 93 usw. tastermäßige Bezeichnungen. Das Katasteramt besitzt Karten, in denen die Lage jeder Parzelle genau verzeichnet ist. So dient die Katastereinrichtung, ursprünglich für Zwecke der Grund- und Gebäudesteuerveranlagung geschaffen, dazu, die tatsächliche Lage des auf einem bestimmten Grundbuchblatt eingetragenen Grundstücks nachzuweisen. Hieraus folgt, daß die Katasterangaben am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teilhaben müssen, falls im Bestandsverzeichnis Parzellen gebucht sind, die in Wahrheit zu einem anderen Grundbuchblatt gehören und nur versehentlich hierher

602

Grundbuchamt — Bestandsverzeichnis

BestandsBisLaufende herige Nummer laufende der Nummer Grundder stücke Grund« stücke 1

Bezeichnung der Grundstücke und der mit dem Eigentum verbundenen Rechte Gemarkung (Vermessungsbezirk)

Kane

a

b

Steuerbücher c

2



e

d

ha

Lichterfelde

1 1

75

a

qm

4

3 Karten- Parzelle Blatt

1 1

Größe

Wirtschaftsart und Lage

Grd.- Geb.St. St. MR R 3

27

221

Gärtnerstelle Nr. 8 Hofraum mit Gebäuden

4 —

20

«3 5

80

10

18



222

Ji

223

Garten

2

Acker im Mittelfeld

1

73

_75 224 2

3

1,2

Lichterfelde

1

Lichterfelde

1

75 237 93 usw. 221

-Ii 222

27

3

JZl 223

_75 224

J75 237 93 usw. 4

Rest von 3

Lichterfelde

75 75 "3 75 237

4

X

93 USW. 221

75 237 93 usw.

5 zu 4 6

$

zu 4

zu 4

33

80

Acker am Wege nach Südende

99

20

5

80

Hofraum mit Gebäuden Garten

2

10

28

Acker im Mittelfeld

1

13

73

Wiese am Lohedamm

1

33

80

99

20

5

80

Acker am Wege nach Südeode

221 222

Wiese am Lohedamm

3

27

Hofraum mit Gebäuden

_

Garten

2

10

28

Acker im Mittelfeld

x

13

73

99

20

5

82

99

15

Acker am Wege nach Südende Hofraum mit Gebäuden Regerstraße Nr. 8 Ackerstücke Südender Str. Nr. 17/29» Regerstr. Nr. 10/28



Wegerecht an dem Grundstück Lichterfelde Kartenblatt 3 Parzelle 99 "n^ w, eingetragen im Grundbuch von Lichterfelde Band 1 Blatt 12 Abt. II Nr. 1 Der Inhalt des ^egerechts ist dahin geänden , daß e nur noch an dem Grundstück Kartcnblatt 3 Pai"Zeile 99 besteht.

x ) Nach § 6 der A V vom 20. Januar 1940 ( D J 2 1 2 ) ist bei der Zurückführung der Grundbuchblätter auf das Reichskataster ( V O vom 23. Januar 1940, R G B l I 240) im Bestandsverzeichnis die gemeinsame Überschrift der Unterspalten } c und d („Steuerbücher") in „Katasterbücher" abzuändern. Ferner sind an der Stelle, an der sich im amtlichen Muster (Anlage t zur G B V f g ) die Worte „ K B 1 " , „Parzelle", „ G r d S t M R " und „ G e b S t R " befinden, die vermessungstechnischen Bezeichnungen

Grundbuchamt — Bestandsverzeichnis

603

Verzeichnis Abschreibungen

Bestand und Zuschreibungen

Zur laufenden Nummer der Grundstücke

Zur laufenden Nummer der Grundstücke 6

5

Aus dem bisherigen Titelblatt hierher übertragen am 16. Juni 1900. Richter Urkund. Spalten 3 b, e, 4 nach dem Steuerbuch berichtigt am 15. März 1906. Richter. Urkund.

1, 2, J

4

5_ zu 4 6 zu 4

8

7

V o n Nr. 3 die Parzelle — nach Bd. 1 Blatt 5 übertragen am 7. April 1926. Rest: laufende Nr. 4 Pfleger.

Urkund.

Nr. 2 nach Abschreibung von Bd. 3 Blatt 90 der Nr. 1 als Bestandteil zugeschrieben und Nr. 1 mit Nr. 2 unter Nr. 3 neu eingetragen am 24. Februar 1907. Richter. Urkund.

Spalten 3 e, 4 nach dem Steuerbuch berichtigt am 15. Juni 1932. Pfleger. Urkund. Vermerkt am 10. September 1937. Pfleger. Urkund. Vermerkt am 31. August 1939. Pfleger.

Urkund.

„Flur" und „Flurstück" sowie die Abkürzungen „LiegB" ( = Liegenschaftsbuch) und „GebB" ( = Gebäudebuch) einzutragen. In Bayern wird kein Gebäudebuch geführt. Desgleichen werden die Bezeichnungen „Karte" in Spalte 5 b des Bestandsverzeichnisses sowie „Flur" in Bayern nicht verwendet (Abschn. II Nr. 6 der JMBek vom 31. März 1952, JMB1 101).

604

Grundbuchamt — Grundbuch und Kataster

übertragen wurden. Allerdings erstreckt sich der öffentliche Glaube des Grundbuchs nur auf die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben über die R e c h t s v e r h ä l t n i s s e am Grundstück. Angaben dagegen, die nur über die t a t s ä c h l i c h e n Verhältnisse Auskunft geben, sind einem gutgläubigen Erwerb nicht zugänglich, obwohl sie unzweifelhaft ebenfalls zum Inhalt des Grundbuchs gehören. Demnach besteht keine Gewähr für die Richtigkeit dessen, was das Grundbuch über Flächenmaß, örtliche Lage, Kulturart oder das Vorhandensein oder die Bestandteilseigenschaft von Gebäuden aussagt. Anders verhält es sich mit solchen Eintragungen, die angeben, welche bestimmte Grundfläche das Eigentumsrecht des als Eigentümer Eingetragenen zum Gegenstand hat. Denn das Eigentum an einem Grundstück kann man sich nicht anders vorstellen als in Beziehung auf einen bestimmten abgegrenzten Teil der Erdoberfläche. Die Angaben des Grundbuchs hierüber müssen daher für den Erwerb des Eigentums und anderer dinglicher Rechte maßgebend sein. Das erfordert die Sicherheit des Rechtsverkehrs (RG 61, 193; 73, 129; L G Frankenthal, N J W 1956, 873). Eigenartig liegt der Fall der „Doppelbuchung", bei der ein und dieselbe Parzelle auf zwei verschiedenen Blättern steht. Hier kann keine der widersprechenden Eintragungen öffentlichen Glauben beanspruchen, so daß der Erwerber des Grundstücks, auf dem die Parzelle zu Unrecht gebucht ist, vor dem Eigentümer des anderen Grundstücks, dem sie rechtmäßig zusteht und auf dessen Grundbuchblatt sie ebenfalls verzeichnet ist, nicht bevorzugt werden kann. R G 85, 316 (Doppelbuchung bei Zwangsversteigerung). Über das Verfahren zur Beseitigung einer Doppelbuchung vgl § 38 G B V f und K G J W 1938, 3046.

Nun zu den einzelnen Eintragungen unseres Bestandsverzeichnisses: Am 16. Juni 1900 wurde unter Nr. 1 der Bestand des bisherigen Titelblatts eingetragen. Das geschah zwecks Einführung des neuen Bestandsverzeichnisses. Das alte Titelblatt ist gleichzeitig geschlossen worden. Am 15. März 1906 sind Sp. 3, b, e, 4 nach dem Steuerbuch berichtigt worden. Das Katasteramt übersendet dem Amtsgericht von Zeit zu Zeit Listen, in denen die durch Fortschreibung des Katasters eingetretenen Veränderungen zusammengestellt sind. Die Veränderungen werden dann —von Amts wegen — im Grundbuch vermerkt. Häufig handelt es sich um die Folgen von Neuvermessungen, Änderung der eingetragenen Grundstücksgröße, der Wirtschaftsart usw. In unserem Falle ist die bisher einheitliche Parzelle 75 in 4 Parzellen aufgeteilt worden. Die neuen Parzellen

221 75

,

222

usw. sind sog. „Bruchparzellen". Der Nenner des Bruchs be-

75

zeichnet die Herkunft aus der früheren Parzelle 75. Die Zähler 221, 222 usw. haben die Parzellen erhalten, weil auf dem Kartenblatt zur Zeit der Teilung 220 Parzellen vorhanden waren. Die Nummer der aufgeteilten Parzelle 75 darf niemals wieder zur Bezeichnung einer anderen Parzelle dieses Kartenblatts verwendet werden. — Werden durch Teilung von zwei oder mehr Parzellen neue Parzellen gebildet, so gibt der Nenner die frühere Hauptparzelle mit dem Zusatz „ u s w . " an (sog. „usw.-Parzelle"). Vgl. die folgende Eintragung.

Am 24. Februar 1907 wurde die Ackerparzelle

237

von Blatt 90 auf Blatt 1 1 93 usw. als laufende Nr. 2 übertragen, der laufenden Nr. 1 als Bestandteil zugeschrieben und zusammen mit ihr unter laufender Nr. 3 neu eingetragen. Es gibt drei Arten, wie mehrere Grundstücke auf einem Blatt vereinigt werden können: 1. Rein äußerliche Zusammenschreibung nach § 4 G B O („Personalfolium"). Es stehen dann im Bestandsverzeichnis gleichzeitig mehrere „laufende Nummern der Grundstücke" nebeneinander (so im Bestandsverzeichnis des Musters Anlage 1 zur G B V f , Trienach Band 3 Blatt 86, die laufenden Nummern 2 und 4). Diese

Grundbuchamt — Vereinigung, Zuschreibung, Abschreibung

605

Zusammenschreibung ist ohne jede sachlichrechtliche Wirkung: die bisherigen Belastungen der mehreren Grundstücke bleiben gesondert bestehen, die Grundstücke können auch in Zukunft gesondert belastet werden. Denn ein Grundstück ist im Sinne des Sachenrechts ein räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der auf einem besonderen Grundbuchblatt allein oder auf einem gemeinschaftlichen Grundbuchblatt unter einer besonderen Nummer des Bestandsverzeichnisses gebucht ist (RG 84, 270; K G J 53,171). Es kommt daher weder auf die wirtschaftliche Einheit noch darauf an, ob das Grundstück aus einer oder mehreren Katasterparzellen besteht. 2. „Vereinigung" auf Antrag des Eigentümers nach § 8901 B G B : bestehende Belastungen bleiben unverändert, für die Zukunft werden die „vereinigten" Grundstücke zu einer rechtlichen Einheit, so daß die Begründung gesonderter Rechtsverhältnisse unmöglich ist. Die vereinigten Grundstücke werden im Bestandsverzeichnis unter neuer gemeinschaftlicher laufender Nummer eingetragen. 3. Die (hier angewandte) „Zuschreibung als Bestandteil" auf Antrag des Eigentümers nach § 890 11 . Auch dabei werden die Grundstücke für die Zukunft zu einer Einheit verschmolzen und deshalb unter einer einzigen laufenden Nummer im Grundbuch vermerkt. An den alten Belastungen ändert sich grundsätzlich nichts, doch erstrecken sich nach der Sondervorschrift des § 1 1 3 1 am Hauptgrundstück bereits bestehende Hypotheken, Grund- und Rentenschulden auf das Bestandteilsgrundstück, gehen aber den auf diesem Grundstück bereits vorhandenen Belastungen im Range nach. Wie aus Abt. II und III des Grundbuchs hervorgeht, war die als Bestandteil zugeschriebene Nr. 2 nur mit der in Abt. II unter Nr. 2 vermerkten Grunddienstbarkeit belastet. Auf der alten Nr. 1 lastete die Darlehnshypothek Abt. III Nr. 1. Nach der Zuschreibung besteht die Hypothek als Belastung der früheren Nr. 1 fort, während die frühere Nr. 2 jetzt, außer mit der Grunddienstbarkeit, auch mit der Hypothek belastet ist. Der Grunddienstbarkeit steht vor der Hypothek der Vorrang zu, gleichgültig, welches der beiden Rechte an sich früher entstanden war. Die nach dem 24. Februar 1907 gemachten Eintragungen belasten die ganze laufende Nr. 3 gleichmäßig.

Alle drei Buchungen sollen nur erfolgen, wenn keine Verwirrung, d. h. keine Unübersichtlichkeit des Grundbuchs, zu besorgen ist. § § 4, 5, 6 GBO. Die Zuschreibung der Nr. 2 als Bestandteil zu 1 war sicherlich unbedenklich. Aber auch in verwickeiteren Fällen läßt sich, streng genommen, nicht sagen, daß eine Verwirrungsgefahr bestehe, weil Abt. II und III (in Spalte 2) bei jeder Belastung angeben, auf welche „lfd. Nr. der Grundstücke" sie sich bezieht. Trotzdem empfiehlt es sich, schon im Hinblick auf künftige Zwangsversteigerungen, mit der Vereinigung verschieden belasteter Grundstücke auf einem Blatt vorsichtig zu sein. —• Die Führung eines gemeinschaftlichen Blattes nach § 4 GBO, Vereinigung nach § 8901 und Zuschreibung nach § 890 11 B G B können sowohl dann vorgenommen werden, wenn die Grundstücke schon demselben Eigentümer gehören, als auch gleichzeitig mit einer Auflassung. In unserem Fall war die Zuschreibung der Nr. 2 mit einem Eigentumswechsel verbunden, vgl. die Eintragung vom 24. Februar 1907 in Abt. I. Die folgende Eintragung (vom 7. April 1926) ist eine Abschreibung. Das Restgrundstück hat die neue lfd. Nr. 4 erhalten. Ob die Abschreibung unter Eigentumswechsel erfolgte, ist nicht aus dem Grundbuch von Blatt 1 1 , sondern bei Blatt 5 zu ersehen, in dessen Abteilung I unter dem 7. April 1926 ein Vermerk zu suchen wäre, der dem Auflassungsvermerk vom 24. Februar 1907 auf Blatt 1 1 entspricht. Bei der Abschreibung sind für sämtliche damals auf Blatt 11 eingetragenen Belastungen der II. und III. Abteilung Empfändungserklärungen beigebracht worden, so daß die Parzelle lastenfrei nach Blatt 5 übertragen werden konnte. Andernfalls wäre auf unserem Blatt der Mithaftvermerk (S. 642) gemacht worden.

606

Grundbuchamt — Mit dem Eigentum verbundene Rechte

Am 15. Juni 1932 endlich hat das Grundbuchamt aus der katasteramtlichen Fortschreibungsliste vermerkt, daß der Wirtschaftshof der alten Gärtnerstelle („Hofraum 237 mit Gebäuden") die Bezeichnung Regerstraße 8, die Ackerstücke der Parzelle die Bezeichnung Südender Straße 17/29, Regerstraße 10/28 erhalten haben. Durch die Neuvermessung hat sich, wie gewöhnlich, ein kleiner Größenunterschied ergeben. Es sind Straßen angelegt, das Gelände ist „der Bebauung erschlossen". — Trotz der verhältnismäßig zahlreichen Veränderungen, die unser Bestandsverzeichnis seit seiner Anlegung erfahren hat, läßt sich mit einem Blick übersehen, welche von den Eintragungen der Spalten 1 bis 4 jetzt noch Geltung haben. Das beruht darauf, daß gemäß den §§ 13, 14, 16, 17 G B V f die gegenstandslos gewordenen Eintragungen jeweils rot unterstrichen worden sind. Materiellrechtlich, auch für die Frage des guten Glaubens, kommt es aber nicht auf die Rötungen, sondern ausschließlich auf die Löschungs- und sonstigen Vermerke im Text des Grundbuchs an. Für unser Grundstück Blatt 1 1 hat eine Grunddienstbarkeit an Blatt 12 bestanden. Die Begründung der Dienstbarkeit erfolgte auf dem Blatt des belasteten Grundstücks Blatt 12, und zwar in dessen Abt. II. Der Vermerk im Bestandsverzeichnis des herrschenden Grundstücks war zur Entstehung des dinglichen Rechts nicht notwendig. Er wurde — bei Bestellung der Dienstbarkeit oder nachträglich — auf besonderen Antrag des Eigentümers oder eines dinglich Berechtigten, z. B. eines Hypothekengläubigers vermerkt (§ 9 GBO). Gleichzeitig wurde die Eintragung des Vermerks auf dem Blatt des dienenden Grundstücks ersichtlich gemacht (§ 9 1 1 1 GBO). Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, daß das Recht nach § 96 B G B als Bestandteil des herrschenden Grundstücks gilt. Eine Grundlage für einen Erwerb kraft guten Glaubens bildet der Vermerk übrigens nicht (RG JW 1929, 745). Der Zweck dieses ziemlich seltenen Vermerks ist folgender: Nach den §§ 876, 877 B G B sind zur Aufhebung oder Veränderung subjektivdinglicher Rechte — also Grunddienstbarkeiten, subjektiv-dinglicher Vorkaufsrechte (§ 1094 11 ), subjektiv-dinglicher Reallasten ( § 1 1 0 5 n ) , durch vertragsmäßige Feststellung eintragungsfähig gewordener Überbau- und Notwegrenten (§§ 9 1 4 1 1 S. 2, Abs. III, 9 1 7 1 1 S. 2) — außer der Zustimmung des Eigentümers des herrschenden Grundstücks die Zustimmungen aller derer erforderlich, denen am herrschenden Grundstück ein Recht zusteht, namentlich der Hypothekengläubiger dieses Grundstücks. Nach § 21 G B O wird aber das Recht, wenn es beim herrschenden Grundstück nicht vermerkt ist, auf bloße Bewilligung des Eigentümers gelöscht. Durch den Vermerk im Bestandsverzeichnis sichern sich also die Hypothekengläubiger des herrschenden Grundstücks davor, bei Löschung der Dienstbarkeit, die ja möglicherweise für den Wert der Hypothek von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, übergangen zu werden. Fehlt der Vermerk und löscht der Grundbuchrichter ohne Zustimmung der Hypothekengläubiger, so ist das Grundbuch unrichtig geworden, denn die Beibringung der Einwilligung der Hypothekare wird nur zur formellen „Löschung" für entbehrlich erklärt, nicht zum materiellen „Erlöschen". Die Hypothekengläubiger können die Wiedereintragung der Dienstbarkeit mit der Berichtigungsklage erzwingen. Das Gesetz nimmt diese Möglichkeit in Kauf, weil in der Praxis die Hypothekengläubiger derartige Rechte ihres Pfandgrundstücks, wenn sie nicht einmal im Bestandsverzeichnis vermerkt sind, gar nicht kennen, jedenfalls keinen Wert auf sie legen. Am 31. August 1939 wurde als Veränderung vermerkt, daß das Wegerecht, soweit es an dem Trennstück Kartenblatt 3 Parzelle 100 besteht, aufgehoben worden ist.

Grundbuchatnt — Erste Abteilung

607

Laufende Nummer bei Eintragungen

Eigentümer

Laufende Nummer 1 der Grundstücke im Bestandsverzeichnis

„Erste Abteilung

Grundlage der Eintragung

i

2

3

4

Bauer Gustav Scholz ¡ n Lichterfelde

i

Aufgelassen am 15. u n d eingetragen am 17. März 1887. Richter.

2a

b

Urkund.

Gärtnereibesitzer Gottlieb Scholz

A u f G r u n d des Erbscheins v o m 2. Dezember 1900 einge-

in Lichterfelde

tragen am 10. Januar 1901.

Schlosser Ernst Scholz in H a m b u r g

Richter.

Urkund.

in ungeteilter Erbengemeinschaft 3

Gärtnereibesitzer Gottlieb Scholz

A u f G r u n d des Zuschlagsbeschlusses vom 10. August 1903

in Lichterfelde

eingetragen a m 20. Oktober 1903. Richter. 2

Richter. 4

Gärtner Traugott Scholz in Lichterfelde

3

Fabrikantenwitwe Antonio

Novak

3

Aufgelassen am 19. Januar u n d eingetragen am 1. Februar

Pfleger. Gärtner Traugott Scholz in Lichterfelde

Urkund.

1922.

geb. Reich in Berlin

6

Urkund.

Aufgelassen am 28. und eingetragen am 29. O k t o b e r 1913. Richter.

5

Urkund.

Aufgelassen am 22. u n d eingetragen am 24. Februar 1907.

3

Urkund.

Auf G r u n d der Berichtigungsbewilligung v o m 23. eingetragen a m 25. November 1922. Pfleger.

7

Offene Handelsgesellschaft Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilb. Wolf Söhne in Lichterfelde

4

Urkund.

Aufgelassen am 15. April u n d eingetragen am 3. Juli 1931. Pfleger.

Urkund.

608

Grundbuchamt — Zweite Abteilung

Laufende Nummer der Eintragungen

Laufende Nummer der betroffenen Grundstücke im Bestandsverzeichnis

,Zweite

Lasten und Beschränkungen

i.

2.

3-

i

i

Die Zwangsversteigerung ist angeordnet. Eingetragen am 5. März 1903.

2

2

Folgende Belastung: 4. Der jeweilige Eigentümer von Lichterfelde Band 3 Blatt 89 ist berechtigt, die große Kiesgrube, genannt „Das Meyer-Loch", für die Zwecke seiner Wirtschaft mit zu benutzen. Unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 18. eingetragen am 21. August 1902, von Band 3 Blatt 90 des Grundbuchs hierher mitübertragen am 24. Februar 1907.

Richter.

Richter. 3

3

Urkunä.

Urkund.

Altenteil für den Auszügler Gottlieb Scholz und Frau Anna Scholz geb. Wohlgemuth in Lichterfelde gemeinschaftlich gemäß der in Bezug genommenen Bewilligung vom 28. eingetragen am 29. Oktober 1913. Richter.

4.

3

Widerspruch gegen das Eigentum der Frau Novak zugunsten des Gärtners Traugott Scholz in Lichterfelde' Auf Grund der einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts Lichterfclde vom 20. eingetragen am 22. Februar Pfleger.

_

J

...... 3l . ..

J

4

4

Urkund.

Die Zwangsversteigerung ist angeordnet. Eingetragen am 5. Februar 1928. Pfleger.

...7.. ..

Urkund.

224 Eine Wege- und Fahrgerechtigkeit an der Parzelle Kactenblatt 1 Nr. für den jeweiligen Eigentümer * Zi«_ von Lichterfelde Band 2 Blatt 4s unter Bezugnahme auf das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Breslau vom n . Tuni eingetragen am 27. Tuli 1Q22. Pfleger.

_

Urkund.

Urkund.

Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung des Grundstücks für die Offene Handelsgesellschaft Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilb. Wolf Söhne in Lichterfelde. Unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom n . eingetragen am 17. April 1931. Pfleger.

Urkund.

609

Grundbuchamt — Zweite Abteilung Abteilung Veränderungen

Löschungen U M

S -

i| 3

Ii

A c/i

Der Hypothek A b t . III Nr. 3 steht der Vorrang zu. Einge-

Gelöscht am 20. Oktober 1903.

tragen am 8. April 191$. Richter.

Richter.

Urkund.

Urkund. Anteil des GottUeb Scholz gelöscht am

Das Recht ist auf dem Blatte des herrschenden Grundstücks

27. September 1917. Richter.

vermerkt. Hier vermerkt am 5. April 1936. Pfleger.

Urktmd.

Urkund. 4/5

Gelöscht am 25. November 1922. Pfleger.

Urkund.

Gelöscht am 12. April 1928. Pfleger.

Urkund.

Gelöscht am 3. Juli 1931. Pfleger.

39

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Jansen)

Urkund

610

Grundbuchamt — Bezeichnung des Berechtigten

Im Sinne der Einteilung S. 600 zählen die Eintragungen des Gustav Scholz, die des Gottlieb Scholz vom 27. Februar 1907 (Erwerb der lfd. Nr. 2), des Traugott Scholz vom 29. Oktober 1913 und der Firma Wolf offenbar zur Gruppe a. Die Eintragung der Erbengemeinschaft nach Gustav Scholz als Eigentümer des alten Bestandes (lfd. Nr. 1) vom 10. Januar 1901 und des Gottlieb Scholz auf Grund des Zuschlagsbeschlusses am 20. Oktober 1903 sind Beispiele einer Berichtigung nach Gruppe b. Die Eintragung der Frau Novak war eine Fehleintragung (Gruppe c), die durch Wiedereintragung des Traugott Scholz am 25. November 1922 im Berichtigungswege (Gruppe d) rückgängig gemacht wurde. S. zu Abt. II Nr 4. Gottlieb Scholz hatte das Alleineigentum am Grundstück durch eine Teilungsversteigerung zum Zwecke der Erbauseinandersetzung nach §§ 180 ff. Z V G erworben. Die Voreintragung der Erbengemeinschaft wäre zur Durchführung des Versteigerungsverfahrens übrigens nicht erforderlich gewesen (§§ 181, 17 Z V G ; dazu Jansen, Rpfleger 1954, 435). Grundsätzlich können nur rechtsfähige Personen in das Grundbuch eingetragen werden. Natürliche Personen müssen also schon oder noch lebend sein, juristische Personen die Rechtsfähigkeit bereits erlangt und noch nicht wieder verloren haben. Ungeborene sind eintragungsfähig, soweit sie als nasciturus oder nondum conceptus Rechte durch Erbfolge (§ 1923 1 1 , 2101 1 ), Vermächtnis (§ 2162 1 1 ), gemäß § 844 11 S. 2 oder durch Vertrag zugunsten Dritter ( K G J 29 A 156) erwerben können. Sie sind durch namentliche Angabe der Eltern zu bezeichnen. Zu ihrer Vertretung kann ihnen ein Pfleger bestellt werden (§§ 1912, 1913 S. 2). Die Eintragung unbekannter Berechtigter kennt das Gesetz in § 126 Z V G . Sonst ist sie nur zulässig, wenn die Berechtigten nicht festzustellen sind, der Personenkreis hinreichend bestimmt und ein vertretungsberechtigtes Organ vorhanden ist ( K G J 34 A 279; 36 A 229). Verstirbt der Erwerber vor der Eintragung, so sind seine Erben einzutragen. Eine Ausnahme wird nur zugelassen, wenn der Ersteher nach dem Zuschlag vor seiner Eintragung stirbt ( J F G 10, 210). Erwirbt ein Verschollener oder Vermißter durch einen Abwesenheitspfleger, so wird er zwar einzutragen sein, auch wenn keine Lebensvermutung mehr für ihn besteht (vgl. § 10 VerschG), es kann sich jedoch später ergeben, daß der Abwesenheitspfleger für die Erben des Verschollenen erworben hat, wenn der Abwesende z. Zt. der Vornahme des Rechtsgeschäfts bereits verstorben war (dazu Jansen, DNotZ 1954, 592). Ein Kaufmann ist nur mit seinem bürgerlichen Namen, nicht unter seiner Firma eintragungsfähig, wie jetzt durch § i5*a G B V f klargestellt ist. Juristische Personen sind mit ihren Namen, Handelsgesellschaften durch ihre Firma, wie sie im Handelsregister eingetragen ist, zu bezeichnen. Das gilt auch für offene Handelsgesellschaften oder Kommanditgesellschaften, obgleich sie keine juristischen Personen sind, denn sie können „unter ihrer Firma" Eigentum und andere Rechte an Grundstücken erwerben (§§ 124 1 , 1 6 1 1 1 HGB). Eine Gesellschaft nach §§ 705ff. B G B ist auf den Namen der Gesellschafter mit dem Zusatz „als Gesellschafter bürgerlichen Rechts" einzutragen, ebenso die Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins. Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts kann auf Antrag der Teil des Vermögens, zu dem das Recht gehört, oder die Zweckbestimmung durch einen in Klammern beigefügten Zusatz angegeben werden (§ 1 5 1 1 G B V f ) , dagegen gehört die Bezeichnung der zur Vertretung des Fiskus berufenen Behörde — wie auch sonst die Namen der Vertretungsberechtigten — nicht in das Grundbuch, sondern in das Wohnungsblatt. Auch der Zusatz „als Treuhänder" ist in Ermangelung dinglicher Wirkung (§ 137 BGB) nicht eintragungsfähig ( J F G 1 1 , 275). Ausnahme: § 1189 B G B . Die Eintragungen der zweiten Abteilung zerfallen in zwei verschiedene Gruppen. Einmal die dinglichen Belastungen des Grundstücks mit Ausnahme von Hypo-

Grundbuchamt — Verfügungsbeschränkungen

611

thek, Grund- und Rentenschuld. Sodann die eintragungsfähigen Verfügungsbeschränkungen, Vormerkungen und Widersprüche, wenn sie das Eigentum oder eine nach Abt. II gehörige Belastung betreffen. Verfügungsbeschränkungen, die sich auf eine Hypothek beziehen, gehören nach Abt. III, wo sie meist in der Spalte „Veränderungen" eingetragen werden. Die Eintragungen Nr. z, 3, 5 unseres Blattes zählen zur ersten, N r 1, 4, 6, 7 zur zweiten Gruppe. Die Eintragungsfähigkeit der Verfügungsbeschränkungen steht im Zusammenhang mit dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs. Z . B. sind relative Verfügungsbeschränkungen eintragungsfähig, weil sie durch guten Glauben geheilt werden (§§ 8921 S. 2, 135 1 1 ), während absolute Verfügungsbeschränkungen unheilbar sind und demgemäß nicht ins Grundbuch eingetragen werden dürfen. V o n den beiden strafprozessualen Vermögensbeschlagnahmen macht die der §§ 285/4 StPO, welche den Zweck hat, die Staatskasse wegen der möglicherweise zu erwartenden höchsten Geldstrafe und Kosten zu sichern, die Verfügungen des Angeschuldigten gegenüber der Staatskasse unwirksam (§ 284 11 ), wird durch guten Glauben geheilt (§§ 13 5 1 1 3 6 B G B ) und ist eintragungsfähig. Dagegen verliert bei der Beschlagnahme nach §§ 290 f. StPO, die im Verfahren gegen Abwesende als Ersatz des Haftbefehls dient, der Angeschuldigte die Befugnis, unter Lebenden über sein inländisches Vermögen zu verfügen (§ 2921), und es ist ihm ein Abwesenheitspfleger zu bestellen (§ 292 1 1 ; vgl. auch § 43 3 StPO); damit wird eine absolute gegen Gutgläubige wirksame und nicht eintragungsfähige Beschränkung geschaffen. Eine eintragbare relative Verfügungsbeschränkung ist im Hinblick auf § 325 Z P O auch die Rechtshängigkeit in Ansehung eines Grundstücks oder Grundstücksrechts ( K G N J W 1955, 1233 zu III). Daß Beschränkungen der Geschäftsfähigkeit (wie Entmündigung oder vorläufige Vormundschaft) nicht eintragungsfähig sind, folgt ebenfalls aus der Unmöglichkeit, derartige Mängel durch guten Glauben zu heilen (S. 537).

Nr. 1 und 6: Versteigerungsvermerke. Der Versteigerungsvermerk Nr. 1 vom 5. März 1903 ist bei Anordnung der Teilungsversteigerung auf Ersuchen des Versteigerungsrichters eingetragen und nach der Rechtskraft des Zuschlagbeschlusses ebenfalls auf sein Ersuchen gelöscht worden (§§ 180 1 ,19 1 ,130 1 Z V G , 38 GBO). Der Versteigerungsvermerk Nr. 6 vom 5. Februar 1928 beruhte auf einem Zwangsversteigerungsverfahren zur Beitreibung einer Geldforderung. Nach der Zurücknahme des Antrags durch den beitreibenden Gläubiger und Aufhebung des Verfahrens wurde der Vermerk am 12. April 1928 gelöscht (§§ 29> 34 ZVG). In der Zwischenzeit, am 29. März 1928 wurde in Abt. III die Hypothek N r 7 eingetragen. Nach dem über die Wirkung eingetragener Verfügungsbeschränkungen unten zu Nr. 5 Darzulegenden war das statthaft. Nr. 2: Übertragene Grunddienstbarkeit. Über ihren Rang vgl. oben S. 605. Nr. 3: Altenteil. Altenteil (Auszug, Ausgedinge, Leibgedinge, Leibzucht) ist eine Vereinigung von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (§§ 1090f. BGB) und Reallasten (§§ 1105f.). Beispielsweise waren im Haacke'schenAuszug (S.438) beschränkte persönliche Dienstbarkeit: Das Wohnrecht zu a, die Gartennutzung zu b und das Recht zum Backen unter g, während die Naturalleistungen zu c bis f und das Taschengeld zu h Reallasten darstellen. Erfahrungsgemäß werden Vereinbarungen über Altenteile besonders weitschweifig gefaßt. Um das Grundbuch zu entlasten, gestattet § 49 GBO, über § 874 BGB noch hinausgehend, die Eintragung durch Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung unter der einheitlichen Bezeichnung „Altenteil" (oder „Auszug" usw.), ohne daß die verschiedenartigen Berechtigungen auseinandergehalten zu werden brauchen. 39*

612

Grundbuchamt — Widerspruch

Das Altenteil Abt. II Nr. 3 hat gleichen Rang mit der Kaufgeldhypothek Abt. III Nr. 2, denn beide Rechte sind am selben Tag in verschiedenen Abteilungen des Grundbuchs eingetragen. § 879 1 S. 2. Später haben Altenteil und Kaufgeldhypothek durch Eintragung vom 8. April 1915 der Darlehnshypothek Abt. III Nr. 3 gemäß § 880 den Vorrang eingeräumt. Der in § 879 aufgestellte Grundsatz, daß der Rang sich nach der Reihenfolge der Eintragungen richtet, ist nicht so selbstverständlich, wie es zunächst scheint. A n sich würde aus der Regel: prior tempore, potior iure zu folgern sein, daß der Vorrang dem Recht zukommt, dessen Entstehung zuerst vollendet war, bei dem also Einigung u n d Eintragung zuerst vorlagen. Im Interesse der V e r kehrssicherheit läßt aber § 879 für das Grundstücksrecht die Reihenfolge der Eintragung allein entscheiden, so daß der Zeitpunkt der Einigung für den Rang gleichgültig wird 2 ). Nach §§ 1 7 , 4 5 G B O sind wiederum die Eintragungsanträge in der zeitlichen Aufeinanderfolge ihres Eingangs zu erledigen. Geht also alles in Ordnung, so bestimmt sich der Rang letzten Endes nach dem Eingang. Daher die große Bedeutung des Eingangsvermerks, unten S. 620. F ü r das Mobiliarsachenrecht verbleibt es dabei, daß der Vorrang erst durch Zusammentreffen aller Voraussetzungen für die Entstehung des Rechts erworben wird.

Nr. 4: Widerspruch. Die in den Grundakten befindliche einstweilige Verfügung vom 20. Februar 1922, welche zur Eintragung des Widerspruchs geführt hat, sah als glaubhaft gemacht an, daß Frau Novak dem Verkäufer Traugott Scholz außer den im notariellen Kaufvertrag angegebenen Leistungen noch 100 Dollar „schwarz" gezahlt habe. Bis zur Abschreibung vom 7. April 1926 umfaßte das Grundstück mehr als 5 ha, so daß seine Veräußerung der landrätlichen Genehmigung nach der damals geltenden B R V O vom 15. März 1918 bedurfte. Die Genehmigung war erteilt, deckte aber nicht den wirklichen Inhalt des Geschäfts, da dem Landrat nur der beurkundete Vertrag vorgelegen hatte. Infolge des Schwarzkaufs fehlte es also an einer ordnungsmäßigen Genehmigung, und Kauf sowie Auflassung waren zwar nicht nichtig, aber — bis zur Nachbringung einer ordnungsmäßigen Genehmigung — „schwebend unwirksam" (vgl. § 182 BGB). Frau Novak hatte also trotz Auflassung und Eintragung noch kein Eigentum erlangt, das Grundbuch war unrichtig (RG m , 239). Wegen der nach geltendem Recht bestehenden Genehmigungspflichten für Grundstücksveräußerungsverträge s. oben S. 435. Hieraus rechtfertigte sich der Widerspruch, der als Hilfsmittel des Berichtigungsanspruchs die Unrichtigkeit des Grundbuchs voraussetzt. §§ 894, 8991 BGB. Der Widerspruch schützt den wahren Berechtigten (hier: Traugott Scholz) dagegen, daß zufolge des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs gutgläubige Dritte zu seinem Nachteil Rechte am Grundstück erlangen können, indem er den guten Glauben unwiderruflich zerstört. § 892 1 S. 1. Widersprüche werden eingetragen: a) auf Grund einstweiliger Verfügung, die hinsichtlich des Arrestgrundes sowie der amtsgerichtlichen Zuständigkeit begünstigt ist (§§ 899 11 B G B , 942 1 1 ZPO), b) oder auf Bewilligung, sog. „konsentierter Widerspruch" (§ 899 11 S. 1 B G B ) ; einen Sonderfall des bewilligten Widerspruchs bildet der Widerspruch aus § 895 ZPO (vgl. unten zu Nr. 5), c) ohne einstweilige Verfügung und ohne Bewilligung auf einseitigen Antrag des Berechtigten in den Fällen der §§ 1139 B G B , § 5 1 1 40. D V O UmstG, d) von Amts wegen nach §§ 18, 23, 24, 53, 76 GBO, 2

) Die häßliche und auch irreführende Bezeichnung „Lokusprinzip" hierfür unterbleibt besser,

vgl. Staudinger-Seufert, B G B , 1 1 . Aufl. § 879 A n m . 6ff.

Grundbuchamt — Verurteilung zur A b g a b e einer Willenserklärung

613

e) auf Ersuchen von Behörden, z. B. der Wohnsiedlungsbehörde gemäß § 11 WohnsiedlG vom 22. September 1933 ( R G B 1 I 659) i.d.F. des Ges. vom 27. September 1938 (RGBl I 1246), der Genehmigungsbehörde nach dem K G Nr. 45 und den dazu ergangenen landesrechtlichen Ausführungsvorschriften (vgl. HenkeMönch-Horber, GBO, § 38 2 A I ) , des Entschuldungsamts gemäß Art. 2 1 1 1 V O über die Veräußerung von Entschuldungsbetrieben vom 6. Januar 1937 ( R G B 1 1 5 ) . Als Berechtigter des Widerspruchs ist in diesen Fällen nicht die Behörde, sondern der Gläubiger des Berichtigungsanspruchs aus § 894 B G B einzutragen. Da der Widerspruch sich gegen das Eigentum der Frau Novak richtet, hat er in der Hauptspalte der II. Abteilung seinen Platz gefunden. Sonst gehören sie in dieselbe Abteilung wie das Recht, auf das sie sich beziehen, und zwar in die Hauptspalte, wenn die Wiedereintragung des Rechts herbeigeführt werden soll (Widerspruch gegen unbegründete Löschung einer Dienstbarkeit, einer Hypothek usw.) im übrigen in die Veränderungsspalte. Die Eintragung erfolgt dann in der linken Halbspalte, während die rechte Hälfte für die endgültige Eintragung frei bleibt, §§ 12, 19 G B V f . Nr. 5: Grunddienstbarkeit auf Grund rechtskräftigen Urteils. Auf eine Klage des Eigentümers von Lichterfeld Blatt 45, des Gutsbesitzers Bohne, ist Frau Novak am 13. Juni 1922 verurteilt worden: „an dem ihr gehörenden Grundstück Lichterfelde Bd. 1 Bl. 1 1 zugunsten des jeweiligen Eigentümers von Lichterfelde Bd. 2 Bl. 45 die Eintragung einer Grunddienstbarkeit zu bewilligen, inhalts deren der jeweilige Eigentümer von Lichterfelde Bl. 45 berechtigt ist, den am Westrand der Parzelle Kartenblatt 1 N r .

entlang führenden W e g an Werktagen zum Gehen, Fahren 75 mit Kraftwagen, Pferdefuhrwerk und Handwagen zu benutzen."

Auf Grund des rechtskräftigen Urteils, das nach § 894 ZPO die Bewilligungserklärung ersetzt, hat Bohne die Dienstbarkeit eintragen lassen. Er hat später, und zwar gleichzeitig mit der Bewilligung der Wiedereintragung des Traugott Scholz durch Frau Novak, die Löschung der Dienstbarkeit bewilligt. War er hierzu gezwungen, oder hätte er sich auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs berufen können? Der Referendar: Durch Frau Novaks Eintragung als Eigentümerin wurde Bohne nicht geschützt, weil zu dem nach § 8 92 1 1 B G B maßgebenden Zeitpunkt ein Widerspruch eingetragen war. Außerdem erfolgte die Eintragung seiner Dienstbarkeit im Wege der Zwangsvollstreckung, und es ist ein allgemeiner Grundsatz, daß guter Glaube beim Vollstreckungserwerb nicht hilft (S. 576). Der Richter: Der eingetragene Widerspruch war der einzige Grund, weshalb Bohne die Dienstbarkeit löschen lassen mußte. Was Sie über den guten Glauben in der Zwangsvollstreckung sagen, träfe zu, wenn es sich um echten Vollstreckungserwerb handelte, z. B. wenn ein Gläubiger der Frau Novak aus einem gegen sie erwirkten, auf Zahlung von Geld lautenden Schuldtitel eine Zwangshypothek gemäß § 867 ZPO hätte eintragen lassen. Böhnes Anspruch ging aber nicht auf Geld, sondern auf Bestellung der Dienstbarkeit, also auf Abgabe einer Willenserklärung, und nach § 8941 S. 1 „gilt" mit der Rechtskraft des Erkenntnisses die Erklärung, zu welcher der Schuldner verurteilt wurde, als abgegeben. Es findet also gar keine Zwangsvollstreckung statt, sondern kraft gesetzlicher Fiktion wird die Willenserklärung als abgegeben unterstellt, und damit ist der gewünschte rechtliche Erfolg von selbst eingetreten. Folgerichtig schreibt § 898 die Anwendung der Rechtssätze vor, die bei Rechtsgeschäften den gutgläubigen Erwerber schützen: denn wir haben es ja mit einem wenn auch nur fingierten rechtsgeschäftlichen Erwerb zu tun.

614

Grundbuchamt — Grundbuchsperre

Weitere, meist streitige Folgerungen aus der fingierten Willenserklärung (vgl. Kommentare zu § 894 ZPO; Güthe-Triebel 94 zu § 19): 1. Regelmäßig bedarf es keiner Vollstreckungsklausel (BayObLG N J W 1952, 28). 2. War der Schuldner zur Abgabe der Willenserklärung Zug um Zug gegen eine Leistung des Gläubigers verurteilt, so ist nach § 894 1 S. 2 eine vollstreckbare Ausfertigung erforderlich. Vgl. 6. Kap. S. 229 („Vollstreckung aus einem Zug-um-Zug-Urteil"). 3. Nach § 895 hat schon die vorläufig vollstreckbare Verurteilung zur Abgabe von Grundbuchbewilligungen Fiktionswirkung, und zwar wirkt sie als Bewilligung einer Vormerkung, wenn das Urteil auf eine rechtsändernde, als Bewilligung eines Widerspruchs, wenn es auf eine Berichtigungsbewilligung lautet. Der Gläubiger spart also durch das vorläufig vollstreckbare Urteil die einstweilige Verfügung, die er sonst ohne weiteres auf Grund des Urteils erhielte. 4. Kein Vollstreckungsurteil (§ 722), wenn der Schuldner durch ein im Inland als verbindlich anerkanntes (§328) ausländisches Urteil zur Abgabe der Erklärung rechtskräftig verurteilt wurde (RG 88, 249). 5. Die Fiktionswirkung besteht auch dann, wenn inzwischen durch Eröffnung des Konkurses Vollstreckungssperre (§ 14 KO) eingetreten war. Die Wirksamkeit des Erwerbs gegenüber den Konkursgläubigern ist dann nach den §§ 7, 15 KO zu beurteilen (Jaeger-Lent, KO, 8. Aufl. § 14 Anm. 19). 6. Muß noch eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung beigebracht werden, wenn der durch seinen Vormund vertretene Mündel zu einer an sich genehmigungspflichtigen Erklärung rechtskräftig verurteilt ist ? Mit der herrschenden Meinung (KGJ 31 A, 293; 45, 264) ist die Frage zu verneinen. Zwar gilt nur die Willenserklärung, nicht die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung, als abgegeben. Aber wenn die Erklärung des verurteilten Minderjährigen fingiert wird, so muß man eine wirksame Erklärung fingieren. Andernfalls wäre der Partner des Minderjährigen niemals in der Lage, die Erfüllung seiner berechtigten Ansprüche zu erzwingen. Die Interessen des Minderjährigen können durch die hier vertretene Ansicht nicht Schaden leiden, denn in den wichtigsten Fällen besteht das Genehmigungserfordernis für das obligatorische Verpflichtungsgeschäft (z. B. den Grundstücksverkauf) in gleicher Weise wie für die Verfügung (z. B. die Auflassung). Bevor das Prozeßgericht zur Bewilligung der Verfügung verurteilt hat, muß ihm also die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des Grundgeschäfts nachgewiesen worden sein. Referendar: Warum hat man nicht lieber die Eintragung der Dienstbarkeit auf Grund des gegen Frau Novak erlassenen Urteils von vornherein im Hinblick auf den eingetragenen Widerspruch abgelehnt? Dann wäre die ganze Verwirrung vermieden worden. Richter: Widersprüche, Vormerkungen, Nacherben-, Zwangsversteigerungsvermerke, dingliche Vorkaufsrechte und eingetragene Veräußerungs- und Verfügungsverbote bewirken keine Sperre des Grundbuchs. Denn diese Rechte machen die ihnen entgegenstehenden Verfügungen im allgemeinen nicht nichtig, sondern nur relativ, bedingt oder begrenzt unwirksam; außerdem beruhen sie vielfach bloß auf vorläufiger Grundlage (einstweilige Verfügung). Soweit der Grundsatz. Allerdings gibt es Ausnahmen, bei denen Eintragungsanträge zurückzuweisen sind: 1. Ist dem Grundbuchrichter bekannt, daß gegen den Grundstückseigentümer oder sonstigen dinglich Berechtigten ein im Grundbuch nicht eingetragenes relatives Verfügungsverbot besteht, so hat er eine dem Verbot widersprechende Eintragung davon abhängig zu machen, daß entweder das Verfügungsverbot in das Grundbuch eingetragen oder die Zustimmung des Geschützten oder die Wirksamkeit der beantragten Eintragung diesem gegenüber nachgewiesen wird ( K G J F G 18, 205 und N J W 1955, 1233 zu III; B a y O b L G N J W 1954, 1120). 2. wenn ein Amtswiderspruch nach § 53 G B O eingetragen ist und die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht nur, wie es für die Eintragung des Widerspruchs — abgesehen von dem Vorliegen einer Gesetzesverletzung — an sich genügen würde, glaubhaft ist, sondern feststeht. Die Zurückweisung des A n trags ist dann nicht eigentlich eine Wirkung des Widerspruchs, sondern des Tatbestandes, auf den er sich gründet (Güthe-Triebel 24 zu § 53), 3. wenn eine Löschung beantragt wird und gegen das Recht des Bewilligenden ein Widerspruch oder ein Verfügungsverbot eingetragen ist: nach der technischen Einrichtung des Grundbuchs kann nämlich die Löschung nur endgültig sein (Güthe-Triebel 22 zu § 2 5),

Grundbuchamt — Vormerkung

615

4. aus dem Grunde zu 3 auch, wenn auf Bewilligung des Vorerben ohne nachgewiesene Zustimmung des Nacherben gelöscht werden soll (unten S. 630), 5. durch Eintragung des Konkursvermerks wird das Grundbuch gegen Verfügungen des Gemeinschuldners absolut gesperrt; denn die Verfügungsbefugnis ist auf den Konkursverwalter übergegangen, und das Bestehen der Verfügungsmacht hat der Grundbuchrichter stets von Amts wegen zu prüfen (RG 71, 39). Das gilt auch dann, wenn der Gemeinschuldner die Eintragungsbewilligung schon vor der Konkurseröffnung abgegeben hatte, da die Verfügungsbefugnis noch zur Zeit der Eintragung vorliegen muß. Nur wenn der Eintragungsantrag schon zur Zeit der Konkurseröffnung beim Grundbuchamt eingegangen und die Erklärung des Gemeinschuldners nach Maßgabe des § 873 Abs 2 B G B bindend geworden war, ist die Eintragung trotz des Konkurses vorzunehmen (§§ 878 B G B , 15 S. 2 KO), 6. unterliegt das Grundstück dem — nicht eintragungsbedürftigen — gesetzlichen Vorkaufsrecht des gemeinnützigen Siedlungsunternehmens (§§ 4 , 1 0 , 1 1 , 14 RSiedlG i.V. mit der V O über das Vorkaufsrecht nach dem RSiedlG vom 15. April 1937 (RGB11546) oder dem — nicht eintragungsfähigen — Vorkaufsrecht des Heimstättenausgebers nach § 1 1 RHeimstättenG i. V. mit der A u s f V O vom 19. Juli 1940 (RGBl I 1047, so darf der neue Eigentümer nur eingetragen werden, wenn der (nicht formbedürftige) Nachweis der Nichtausübung des Vorkaufsrechts erbracht ist. Nr. 7: Vormerkung. Die Vormerkung war im Kaufvertrag vom 15. April 1931 bewilligt worden, um die Käuferin Wolf bis zur Umschreibung des Grundbuchs auf ihren Namen gegen Verfügungen des bisherigen Eigentümers Traugott Scholz zu schützen. Bei Eintragung der Firma Wolf als Eigentümerin wurde die Löschung der Vormerkung bewilligt, weil sie gegenstandslos geworden war. Ohne Löschungsbewilligung und Antrag wäre die Vormerkung —• ohne Löschungsvermerk — von Amts wegen gerötet worden, um anzudeuten, daß sie durch die endgültige Eintragung ihre Bedeutung verloren hat (§ 1 9 1 1 GBVerf). Dies ist der Fall, wenn zwischen der Eintragung der Vormerkung und der endgültigen Eintragung nichts oder nichts mehr eingetragen ist, was den vorgemerkten Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde (§§ 883 n , 8881 BGB). Vormerkungen werden an derselben Stelle des Grundbuchs eingetragen wie Widersprüche (§ 1 2 1 1 G B V f , oben zu Nr. 4), und zwar ebenfalls entweder auf Grund einstweiliger Verfügung mit den Erleichterungen bezüglich Arrestgrund und amtsgerichtlicher Zuständigkeit (§§ 8851 B G B ; 9 4 2 " ZPO) oder als „konsentierte" Vormerkung auf Bewilligung (§ 885 1 B G B , Sonderfall: die fingierte Bewilligung des § 895 ZPO), schließlich in den Fällen der §§ 18, 76 G B O von Amts wegen. Doch sind sie inhaltlich vom Widerspruch streng zu unterscheiden. Denn während der Widerspruch auf der Unrichtigkeit des Grundbuchs beruht, ist bei der Vormerkung das Grundbuch richtig, und es soll lediglich ein auf künftige dingliche Rechtsänderung gerichteter persönlicher Anspruch gesichert werden. Wie ist es nun, wenn versehentlich statt einer Vormerkung ein Widerspruch eingetragen wird oder umgekehrt ? Es kommt nur darauf an, daß beim Widerspruch das Recht, gegen welches er sich richtet, die Person des Geschützten und der Rechtsgrund des Widerspruchs — im Grundbuch oder der in bezug genommenen Bewilligung oder einstweiligen Verfügung — angegeben wird; entsprechend bei der Vormerkung die Person des Berechtigten, der Gegenstand der vorzumerkenden Rechtsänderung und der gesicherte schuldrechtliche Anspruch. Der Gebrauch der Worte „Widerspruch", „Vormerkung" ist kein Gültigkeitserfordernis, und demgemäß die Verwechslung unschädlich. R G 5 5, 34°-

616

Grundbuchamt — Dritte Abteilung

Laufende Nummer der Eintragungen

Laufende Nummer der belasteten Grundstücke im Bestandsverzeichnis

.Dritte

Betrag

i

z

3

4

i

i

12000

Zwölftausend Mark Darlehn, vom 1. Juli 1901 mit 4 l /s% jährlich verzinslich und drei Monate nach Kündigung rückzahlbar, für den Gastwirt Wilhelm Peters in Tinz eingetragen am 5. Juli 1901.

Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden

Richter. 2

3

8ooo 2 ooo GM.

Achttausend Mark Restkaufgeld nebst 4 % Zinsen seit 1. Oktober 1913, für den Auszügler Gottlieb Schol^ Lichterfelde unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 28. brieflos eingetragen am 29. Oktober 1913.

3

13000

Dreizehntausend Mark Darlehn mit 5% Zins seit dem 1. April 191$, für den Maurermeister Otto Bänke in Nimptsch. Eingetragen mit dem Vorrang vor den Rechten Abt. II Nr. 3 und

Richter. 3

Urkund.

Urkund.

Abt. III Nr. 2 unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 27. März am 8. April 1915. Richter. 4

3

1000 Ztr. Roggen — 600 Ztr. 400 Ztr.

5

3

Darlehn in Höhe des amtlich festgestellten Preises von eintausend Zentnern Roggen, mit 8% jährlich seit 1. Juli 1923 zu verzinsen und sechs Monate nach Kündigung zurückzuzahlen, für den Getreidekaufmann Hugo Scheibler in Berlin eingetragen am 10. Juli 1923. Pfleger.

3

Darlehn in Höhe des amtlich festgestellten Preises von zwei Kilogramm Feingold nebst 6 % Jahreszinsen seit 1. Januar 1924, für den Apotheker Max Busse in Lichterfelde auf Grund der Bewilligung vom 13. eingetragen am 28. Dezember 1923.

5000 RM.

Sicherungshypothek von fünftausend Reichsmark Bürgschaftsforderung des Gemüsegroßhändlers Fritz Reuter i a Lankwitz mit 6 % Zinsen seit 15. September 1925. Auf Grund der Bewilligung vom 12. eingetragen am 19. September 1925. Pfleger.

7

4

8500 GM.

4

10000 GM.

4

20000 DM.

Urkund.

Urkund.

Zehntausend Goldmark Restkaufgeld mit 6 % Zinsen seit 1. Juli 1931, für den Gärtner Traugott Scholz in Lichterfelde unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 15. April eingetragen am 3. Juli 1931. Pfleger.

9

Urknud.

Achttausendfünfhundert Feingoldmark Darlehn, vom 1. April 1928 mit 6 % verzinslich und bei Verkauf des Grundstücks, spätestens am 1. Juli 1931, fällig für den Gutspächter Robert Scholz ' n Heidau eingetragen am 29. März 1928. Pfleger.

S

Urkund.

2 kg Feingold

Pfleger. 6

Urkund.

Urkund.

Zwanzigtausend Deutsche Mark Grundschuld mit 7 % Jahreszinsen seit 1. Oktober 1951 für die Lichterfelder Dampfziegelei Frtedr. VPilb. Wolf Söhne in Lichterfelde unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 17. eingetragen am 22. September 1951. Pfleger.

Urkund.

Grundbuchamt — Dritte Abteilung

617

Abteilung Löschungen ! Lfd. Nummer 1 der Spalte 1

Lfd. Nummer der Spalte i

Veränderungen

Betrag

7

8

9

Mit den Zinsen seit i. Oktober 1914 an den Gutspächter Robert

1

12000 M .

Scholz ¡ n Heidau abgetreten. Die Ausschließung der Bildung

3

13000 M.

Betrag

5

6

2

8000

eines Briefes ist aufgehoben. Eingetragen am 2. Oktober 1914. Richter. 8 ooo

2

I

12000

3

13000 )

4

8000 M .

aufgewertet a u f 2000

GM. 6

5000 R M .

4

600

Ztr.

Urkund.

Anteil Scbeibler gelöscht am 7. April 1926.

Urkund.

Pfleger.

Urkund.

Urkund.

Teilbetrag in Höhe des Preises von 400 Ztr. Roggen mit den Zinsen seit 1. November 1923, zu gleichem Range mit dem Restbetrag, abgetreten an den Mühlenbesitzer Konrad Brandes in Lankwitz. Eingetragen am 4. November 1923. Pfleger.

2

1922.

Pfleger.

Die 12000 Mark Abt. III Nr. 1 mit den auf 5 % erhöhten Zinsen seit 1. Januar 1916 sind an den Maurermeister Otto Bänke in Nimptsch abgetreten. Uber die beiden Posten ist ein gemeinschaftlicher Brief gebildet. Unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 20. eingetragen am 22. Dezember 1915. Richter.

Ztr. Roggen 400

Gelöscht am 1. Febr. /

Urkund.

Den 13 000 Mark Abt. III Nr. 3 steht der Vorrang 2u. Eingetragen am 8. April 1915. Richter.

10

Urkund.

Aufgewertet auf Grund des Aufwertungsgesetzes vom 16. Juli 1925 auf zweitausend Goldmark. Eingetragen am 15. Oktober 192J.

Pfleger.

Urkund.

Umgewandelt in eine gewöhnliche Hypothek. Die Zwangsvollstreckung ist gegen den jeweiligen Eigentümer zulässig. Eingetragen am 15. Juli 1926. Pfleger.

Urkund.

2

2000 G M .

Auf Grund des Erbscheins des Amtsgerichts Neumarkt vom 23. Februar 1932 auf den minderjährigen Schüler Richard Schol^ in Heidau umgeschrieben am 21. März 1932.

9

20000 D M

Abgetreten mit Zinsen seit 1. Januar 1952 an den Bankier

Pfleger.

Urkund.

Ferdinand Schilling in Berlin. Eingetragen am 19. Dezember 1951. Pfleger.

Urkund.

4 7

400

Ztr.

8500 G M .

Anteil Brandes gelöscht J am 3. Juli 1931. Pfleger.

Urkund

618

Grundbuchamt — Einzutragender Geldbetrag

Zur zweifelsfreien Bezeichnung des zu sichernden Anspruchs gehört auch die Angabe des Schuldgrundes, bei der Auflassungsvormerkung also z. B. die Angabe des Kaufvertrages nach Datum, Namen und Registemummer des beurkundenden Notars. Fehlt diese Angabe auch in der in bezug genommenen Eintragungsbewilligung, so soll nach B G H in L M Nr. i zu § 88} B G B die Vormerkung unwirksam sein, wenn begründete Zweifel bestehen können, welcher von mehreren in Betracht kommenden Ansprüchen gesichert sein soll. Diese Auffassung entbehrt des rechtfertigenden Grundes. Der angeführte Mangel kann zwar die Erweislichkeit des gesicherten Anspruchs im Rechtsstreit mit dem Dritten, der ein vormerkungswidriges Recht erworben hat (§ 8881 BGB), erschweren, und der .Grundbuchrichter sollte daher die Eintragung von der Behebung dieses Mangels abhängig machen. Ist die Eintragung aber ohne Angabe des Schuldgrundes vorgenommen, so hat das keine Nichtigkeit zur Folge (Jansen, D N o t Z 1953, 382; WolfF-Raiser, Sachenrecht, 10. Bearb. § 48 1 1 3; a. A. Staudinger-Seufert, B G B , 1 1 . Aufl. § 885 Anm. 10c).

Die III. Abteilung enthält Beispiele der wichtigsten Hypothekenarten und -Bedingungen. D e r e i n z u t r a g e n d e G e l d b e t r a g . Der Inhalt der Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld geht nach den §§ 1 1 1 3 1 , 1 1 9 1 1 , 1199 1 B G B dahin, daß ein „bestimmter Geldbetrag" aus dem Grundstück zu zahlen ist. Der hierin niedergelegte Bestimmtheitsgrundsatz erfordert nur, daß der Geldbetrag in einer bestimmten Anzahl von Währungseinheiten ausgedrückt ist. Er verlangt nicht, daß die Währung eine inländische sein müsse ( J F G 14,365). Dieses Erfordernis wird erst durch die Ordnungsvorschrift des § 28 S. 2 G B O begründet, nach der einzutragende Geldbeträge in Reichswährung anzugeben sind. Darunter ist die jeweils geltende Währung zu verstehen, jetzt also die durch die Währungsgesetze eingeführte Deutsche Mark der Bank deutscher Länder. Ist ein Geldbetrag noch nach dem Währungsstichtag in Reichsmark eingetragen worden, so ist diese Eintragung zwar ordnungswidrig, aber nicht inhaltlich unzulässig im Sinne des § 5 3 1 S. 2 G B O ( K G N J W 1954, 1686). Wenn dagegen der Geldbetrag entgegen § 28 S. 2 G B O in ausländischer Währung eingetragen worden ist, hängt die wirksame Entstehung des Rechts davon ab, daß die zur Begründung einer Fremdwährungsschuld nach § 3 S. 1 WährG erforderliche Devisengenehmigung erteilt ist. Hier käme die Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 5 3 1 S. 1 G B O in Betracht. Die V O über die Eintragung von Hypotheken in ausländischer Währung vom 13. Februar 1920 (RGBl I 231) war in ihrer Geltungsdauer zeitlich begrenzt und ist seit dem 31. Dezember 1929 nicht mehr in Kraft. W e r t b e s t ä n d i g e H y p o t h e k e n . Nach dem Gesetz über wertbeständige Hypotheken vom 23. Juni 1923 (RGBl 1407) und den dazu ergangenen DurchführungsVO waren — in Durchbrechung des Bestimmheitsgrundsatzes — als Wertmesser der amtlich festgestellte Preis einer bestimmten Menge von Roggen, Weizen oder Feingold, ja sogar bestimmter Sorten von Kohle oder Kali zugelassen, zur Sicherung gewisser Anleihen auch der Kurswert des nordamerikanischen Dollars. Grundpfandrechte auf Roggen- oder Weizenbasis konnten seit dem RoggenschuldenG vom 16. Mai 1934 (RGBl I 391) nur noch aus Anlaß einer Gutsüberlassung begründet werden. Bestehende Rechte wurden kraft Gesetzes in RM-Rechte umgewandelt. Grundpfandrechte auf Kohle-, Kali- oder Dollarbasis sind seit der V O über wertbeständige Rechte vom 16. November 1940 (RGBl 1 1 5 21) nicht mehr statthaft; eine Umwandlung der bestehenden Rechte erfolgte nicht. Bei den Grundpfandrechten auf Feingoldbasis bildete den Wertmesser eine bestimmte Gewichtsmenge Feingold (so im Beispiel Nr. 5). Zur Erleichterung des Grundbuchverkehrs konnte der Betrag auch in Feingoldmark oder in Goldmark (so Nr. 7 und 8) eingetragen werden, wobei eine Goldmark gleich dem amtlich festgestellten Preise von 1/2790 kg Feingold war (5. D V O vom 17. April 1924, R G B l I 415). In dieser Form wurde auch die Aufwertung eingetragen, vgl. die Eintragung zu Nr. 2 vom 15. Oktober 1925 (Art. 1 D V O zum A u f w G vom 29. November 1925, R G B l I 392). Während zum Zwecke der Umrechnung der Preis des Goldes zunächst nach dem Londoner Goldpreis berechnet wurde (§ 2 der 1. D V O vom 29. Juni 1923, R G B l I 482), wurde durch die V O über wertbeständige Rechte vom 16. November 1940 (RGBl I 1521) die Goldmark der Reichsmark dadurch gleichsetzt, daß der nach § 1 4 1 1 des ReichsbankG vom 15. Juni 1939 (RGBl I 1015) für die Reichsbank geltende Goldpreis für maßgebend erklärt wurde. Diese Änderung verfolgte und erreichte den Zweck, den Anreiz zur Begründung von Grundpfandrechten auf Goldbasis auszuschalten.

Grundbuchamt — Lesen eines Grund buchblatts

619

Soweit hiernach die Bestimmungen über wertbeständige Grundpfandrechte noch in Geltung sind, haben sie ihre praktische Bedeutung dadurch verloren, daß Wertsicherungsklauseln nach § 3 S. 2 WährG der Devisengenehmigung bedürfen, die ausnahmslos versagt wird (über die Handhabung des § 3 WährG s. Fögen, N J W 1953, 1322 und N J W 1956, 1824). Bei der Reallast (§1105 BGB) kann der Inhalt der Leistung nicht nur auf bestimmte Geldbeträge, sondern auch auf wiederkehrende Leistungen anderer Art, insbesondere Sachleistungen, gerichtet sein. Gegenstand der Reallast kann daher auch die Verpflichtung zur Lieferung von Roggen sein (OLG Schleswig N J W 1955,65; vgl auch wegen der Anpassung der Leistungen aus der Reallast an eine künftige Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse BayObLG, DNotZ 1954, 98). Innerhalb des feststehenden Geldbetrages können die verschiedenen Arten der Grundpfandrechte ohne Zustimmung der Nachberechtigten beliebig gegeneinander ausgetauscht werden. Aus einer Hypothek kann eine Grundschuld, aus einer Grundschuld eine Hypothek, aus der Rentenschuld eine gewöhnliche Grundschuld, aus der Verkehrs- eine Sicherungshypothek, aus dem Brief- ein Buchrecht werden und umgekehrt, ebenso ist der Ersatz der ursprünglich gesicherten Forderung durch eine andere möglich. §§ 1 1 1 6 , 1180, 1186, 1198,1203 B G B : „Austauschgrundsatz". Alle diese Vorgänge bedürfen selbstverständlich der Eintragung ins Grundbuch (Beispiel: Eintragung vom 2. Oktober 19x4 bei Nr. 2, vom 15. Juli 1926 bei Nr. 6). Hypotheken für die Forderung aus Inhaber- oder Orderpapieren gelten stets als Sicherungshypothek (§ 1187 S. 2). Aus dem Grundbuch muß ferner die Erteilung eines neuen Briefes hervorgehen. § 6 8 m GBO. Die Ausstellung eines neuen Briefes erfolgt: 1. gegen Rückgabe des alten, z . B . weil dieser schadhaft geworden ist (§ 67), 2. als „gemeinschaftlicher B r i e f " über mehrere demselben Gläubiger gehörende, im Range unmittelbar aufeinander folgende Posten ( § 6 6 ; Beispiel: Eintragung v o m 22. Dezember 1 9 1 5 zu N r . 1 , 3). Der gemeinschaftliche Brief läßt die Selbständigkeit der mehreren Hypotheken unberührt. E r ist daher nicht zu verwechseln mit dem Brief über eine „Einheitshypothek", die durch die Zusammenfassung mehrerer, im Range gleichstehender oder unmittelbar aufeinander folgender Grundpfandrechte desselben Gläubigers entstanden ist ( R G 1 4 5 , 4 7 ; J F G 20, 383). 3. wenn im Aufgebotsverfahren der frühere Brief für kraftlos erklärt oder der Hypothekengläubiger mit seinem Recht ausgeschlossen ist (§ 67), 4. wenn das Grundbuchamt feststellt, daß der Brief durch Kriegseinwirkung vernichtet worden ist ( § 8 der V O v o m 5. Dezember 1942, R G B l I 573). — Dagegen gilt der Teilbrief nicht als „neuer B r i e f " im Sinne des § 6 8 1 1 1 ; wir können also nicht aus dem Grundbuch ersehen, ob bei Teilung der N r . 4 (Eintragung v o m 4. November 1 9 2 3 ) ein Teilbrief gebildet wurde oder nicht. V g l . S. 660.

Falls Haupt- und Veränderungsspalte nichts Abweichendes besagen, ist die eingetragene Post immer V e r k e h r s h y p o t h e k , B r i e f h y p o t h e k , und der u r s p r ü n g l i c h e B r i e f n o c h in K r a f t . Weiterhin gibt das Grundbuch Auskunft über Gläubiger, Rechtsgrund der Forderung, Zinssatz, besondere Rangverhältnisse und Rangänderungen (Beispiel: Eintragungen vom 8. April 1915 bei Nr. 2 und 3), Unterwerfung unter die dingliche Zwangsvollstreckung (Beispiel: Eintragung vom 15. Juli 1926 bei Nr. 6). §§ 879 1 1 1 , 880 11 S. 1, 1 1 1 5 B G B , 8001 S. 2 ZPO. Für Kündigungs- und Nebenbestimmungen genügt Bezugnahme auf die Bewilligung nach § 874 B G B , weil sie nur zur „näheren" Bezeichnung des Inhalts des Rechts dienen. Dagegen sind Bedingungen und Befristungen des dinglichen Rechts in das Grundbuch selbst einzutragen ( J F G 13, 76; K G DNotZ 1956, 555). Bei Aufwertungsbuchungen folgten Verzinsung und Fälligkeit aus dem Gesetz, daher bedurfte es keines Hinweises im Grundbuch (Art. 1 V O vom 18. Juni 1926, RGBl I 273).

620

Grundbuchamt — Eingangsvermerk

Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit A m 16. November 1952 überreicht das Märkische Elektrizitätswerk folgendes Schreiben: „ A n das Amtsgericht Lichterfelde.

Berlin, den 16. November 1952.

Zu den Grundakten von Lichterfelde Bd. 1 Blatt 1 1 überreichen wir beglaubigte Eintragungsbewilligung der Firma Wolf Söhne vom 14. d. M. mit dem Antrag: die bewilligte persönliche Dienstbarkeit einzutragen. Die Kosten bitten wir von uns einzuziehen. Märkisches Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft. Pohl.

Schmidt."

Die Anlage lautet: „Hierdurch bewilligen wir die Eintragung folgender beschränkten persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch des uns gehörenden Grundstücks Lichterfelde Bd. 1 Blatt 1 1 : Die Märkisches Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft in Berlin ist berechtigt, auf dem Grundstück Kabelleitungen zu legen, die aber weder vorhandene Gebäude treffen noch die Bebauung gemäß dem bestehenden Fluchtlinienplan beeinträchtigen dürfen. Den Wert des Rechts geben wir auf 3000 D M an. Berlin, den 14. November 1952. Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilh. Wolf Söhne. Die vorstehende, von dem Kaufmann Dr. Herbert Wolf in Lichterfelde, vertretungsberechtigten Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft Lichterfelder Dampfziegelei Fried. Wilh. Wolf Söhne in Lichterfelde, vor mir gefertigte Firmenzeichnung beglaubige ich. Die Vertretungsbefugnis bescheinige ich auf Grund der heute von mir vorgenommenen Einsicht in das Handelsregister. Nr. 601 der Urkundenrolle für 1952.

Berlin, den 14. November 1952.

(Siegel) Kostenrechnung:

Justus Siegel Notar."

E i n g a n g s v e r m e r k : Bei der Übergabe der Urkunden vermerkt der Rechtspfleger den Zeitpunkt des Eingangs auf dem Antrag: „Eingegangen 16. November 1952, vormittags 9 Uhr 35 Minuten. Pfleger."

Um zu vermeiden, daß Grundbucheingänge an mehreren Stellen des Gerichts gleichzeitig präsentiert und dadurch Unklarheiten über die Reihenfolge, in der die Rechte einzutragen sind, und den Rang, den sie zu erhalten haben (S. 612) entstehen, ist bestimmt, daß nur die mit der Führung des Grundbuchs über das betreffende Grundstück beauftragten Beamten — und zwar sowohl der Richter oder Rechtspfleger wie der Urkundsbeamte — zur Entgegennahme von Anträgen zuständig sind. § 1 AusfVO. Damit wird eine gelegentliche Aushilfe der Dezernenten, wie sie sonst vorkommt, ausgeschlossen: der zuständige Grundbuchrichter und Grundbuchführer können sich (abgesehen natürlich von den durch die Geschäftsverteilung angeordneten Vertretungsverhältnissen) nicht einmal durch den Grundbuchrichter bzw. -führer einer anderen Grundbuchabteilung bei der Entgegennahme von Anträgen vertreten lassen. Wegen seiner großen materiellen Bedeutung wird der Zeitpunkt des Eingangs sofort auf dem Schriftstück vermerkt. § 1 3 1 S. 2 G B O . P r ü f u n g . Zum Zustandekommen einer dinglichen Rechtsänderung verlangen die §§ 873 f. B G B Einigung der Beteiligten, welche — den Fall der Auflassung ausge-

Grundbuchamt — Eintragungsvoraussetzungen

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nommen — an keine Form gebunden ist. Der verfügende Teil muß zur Verfügung befugt sein. Die Voraussetzungen der Grundbucheintragung weichen von diesen Regeln wesentlich ab: a) Eine Eintragung erfolgt regelmäßig schon, wenn derjenige, dessen Recht von ihr betroffen wird, sie bewilligt (§ 19 GBO). Dem Grundbuchamt genügt also die einseitige Bewilligung des „Passivbeteiligten", ohne daß das Einverständnis des Erwerbers mit der Rechtsänderung nachzuprüfen wäre: sog. „formelles Konsensprinzip". b) Die Bewilligung und sonstigen Willenserklärungen, auf Grund deren die Eintragung erfolgen soll, bedürfen nach § 29 S. 1 öffentlicher Beurkundung oder mindestens öffentlicher Beglaubigung: sog. „grundbuchmäßige" Form. Soweit nicht Willenserklärungen, sondern Tatsachen, z. B. der Tod eines Beteiligten, nachzuweisen sind, ist eine öffentliche Urkunde erforderlich (§ 29 S. 2). c) An Stelle der materiellen Berechtigung des Bewilligenden genügt das Erfordernis seiner vorherigen Eintragung im Grundbuch (§ 39 I), solange dem Grundbuchamt nicht Tatsachen bekannt sind, die für die Unrichtigkeit des Grundbuchs sprechen. Regelmäßige Grundlage der Eintragung ist darnach: Bewilligung des im Grundbuch eingetragenen Passivbeteiligten in grundbuchmäßiger Form. Der Grundbuchrichter kennt keine materiellen Rechte, sondern nur Eintragungen, denn er kann den Eingetragenen als den wahren Berechtigten ansehen (§ 891 BGB), ihn interessiert nicht der Vertrag, sondern die Bewilligung, nicht das Erbrecht, sondern der Erbschein. Daß er die den dinglichen Verfügungen zugrunde liegenden schuldrechtlichen Grundgeschäfte nicht nachprüft, versteht sich schon nach bürgerlichem Recht. Denn die Verfügungsgeschäfte sind abstrakter Natur, sie beziehen sich lediglich auf den Eintritt der dinglichen Rechtsänderung (S. 509). Außerdem muß, soweit nicht ausnahmsweise Eintragungen von Amts wegen oder auf Ersuchen einer Behörde stattfinden (5.612/3), ein Antrag vorliegen, den sowohl der Passivbeteiligte wie der Erwerber stellen kann. Der Notar, der die zur Eintragung erforderliche Erklärung beurkundet oder beglaubigt hat, gilt als ermächtigt, die Eintragung namens eines Antragsberechtigten zu beantragen ( § § 13, 15). Zum Unterschied von der Bewilligung bedarf der Antrag keiner Beglaubigung (arg. § 30). An den Antrag knüpft § 2 Nr. 1 KostO die Haftung für die entstehenden Gerichtskosten. Das ist wohl der Grund, weshalb Wolf den Antrag nicht mit der Bewilligung verbunden, sondern seine Stellung dem Elektrizitätswerk als Erwerber überlassen hat. Gegen die Eintragungsfähigkeit des Kabelrechts ist nichts einzuwenden. Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten haben den gleichen Inhalt wie Grunddienstbarkeiten, von denen sie sich nur dadurch unterscheiden, daß das Recht nicht dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks, sondern einer bestimmten Person als grundsätzlich unübertragbare und unvererbliche Befugnis zusteht (§§ 1090 1 , 1092 S. 1 BGB). Z u l ä s s i g e r I n h a l t e i n e r G r u n d d i e n s t b a r k e i t (und folglich auch einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit) nach § 1 0 1 8 : 1. Der Berechtigte darf das belastete Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen. Hierher gehören Wege- und Weidegerechtigkeiten, Wohnrechte, Rechte auf Entnahme von Kies, Ziegelerde und sonstigen Bodenbestandteilen, und auch unser Kabelrecht. 2. Oder es dürfen auf dem belasteten Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden: vertragliche Baubeschränkungen, Beschränkungen in der gewerblichen Ausnutzung des dienenden Grundstücks. 3. Oder die Ausübung von Rechten, die sich aus dem Eigentum am belasteten Grundstück gegenüber dem herrschenden Grundstück ergeben, wird ausgeschlossen, z. B. die negatorische Eigentumsklage wegen unzulässiger Immissionen (§§ 906, 1004), was praktisch

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Grundbuchamt — Anwachsung im Gesellschaftsrecht

Immissionenfreiheit und damit Erweiterung der gewerblichen Möglichkeiten für das herrschende Grundstück bedeutet. — Hätte das Kabelrecht auch als Grunddienstbarkeit bestellt werden können ? Die Grunddienstbarkeit muß „praedio utilis" sein, indem sie nicht bloß dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks für seine persönlichen Zwecke und Bedürfnisse, sondern dem Grundstück als solchem Vorteile bietet (§ 1019). Benachbarte Lage von praedium dominans und serviens ist aber nicht erforderlich. Es wäre daher möglich gewesen, das Kabelrecht als Grunddienstbarkeit für dasjenige Grundstück zu bestellen, auf dem das Elektrizitätswerk sein Kraftwerk hat. Man hat der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit den Vorzug gegeben, weil beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, die einer juristischen Person zustehen, ebenso wie der Nießbrauch unter gewissen Voraussetzungen übertragbar sind (§ 1092 1 1 i. V. mit §§ 1059a bis d). — Wenn es sich nicht bloß um Durchlegen von Kabeln, sondern um eigentliche „Bauwerke", wie Transformatorenhäuser, handelt, käme neben Grunddienstbarkeit und beschränkter persönlicher Dienstbarkeit auch die Bestellung eines Erbbaurechts, also einer vererblichen und übertragbaren Befugnis (§ i 1 ErbbVO vom 15. Januar 1919, R G B l 72), in Betracht. Dazu hätten aber sämtliche bestehenden Rechte dem neuen Recht den Vorrang einräumen müssen (§ i o 1 S. 1). —

Der Referendar: Bedarf es nicht des Nachweises der Vertretungsbefugnis der Herren Pohl und Schmidt für das Elektrizitätswerk ? Rechtspfleger: Der Nachweis der gesetzlichen Vertretungsbefugnis, insbesondere der in § 32 G B O bezeichnete Registerausweis, ist zwar im allgemeinen auch für solche Erklärungen erforderlich, die nicht sachliche Eintragungsunterlagen, sondern reine Verfahrenshandlungen sind. Der Nachweis erübrigt sich aber, wenn feststeht, daß der Eintragungsantrag von der Handelsgesellschaft herrührt, zu deren Gunsten die Eintragung erfolgen soll (Güthe-Triebel, § 32 Anm. 33 a.E.). Daran besteht hier kein begründeter Zweifel. — Die Berechtigung des Dr. Herbert Wolf, die OHG allein zu vertreten (§ 125 J ) wird durch die auf § 23 RNotO beruhende Bescheinigung des Notars bestätigt, die die gleiche Beweiskraft wie ein Zeugnis des Registergerichts hat. Es muß aber noch aufgeklärt werden, ob und welche Wechsel im Mitgliederbestande der O H G seit deren Eintragung als Eigentümerin des Grundstücks stattgefunden haben. Zwar wächst beim Ausscheiden einzelner Gesellschafter deren Anteil am Gesellschaftsvermögen und den dazu gehörenden Gegenständen den verbleibenden Gesellschaftern ohne Auflassung und Grundbuchumschreibung an (§§738 B G B , 1 0 5 1 1 HGB), und entsprechend erwerben neu eintretende Sozien ohne Eintragung einen Anteil. Das findet jedoch seine Grenze an dem Fall, daß sämtliche bisherigen Gesellschafter auf einmal aus- und an ihre Stelle neue eintreten. Alsdann liegt nämlich, trot2 Beibehaltung der Firma, keine Fortsetzung der früheren, sondern Begründung einer neuen Gesellschaft vor, und demgemäß ginge das Eigentum nicht von selbst auf die Gesellschaft in ihrem jetzigen Bestände über. Vgl. Güthe-Triebel 18—20 zu § 20 mit Rechtsprechung. Anwachsung gemäß § 738 B G B findet auch dann statt, wenn von zwei Gesellschaftern einer ausscheidet und der andere das Geschäft allein übernimmt. R G 65, 227; 68, 410. Die Anwachsung an neu eintretende Gesellschafter ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen, folgt aber für die O H G daraus, daß § 130 H G B offenbar die Einheit der Gesellschaft voraussetzt. Staub 3 zu § 130, 8 zu § 1 3 1 . Die Anwachsung durch Ausscheiden tritt auch bei BGB-Gesellschaften ein, dagegen muß bei ihnen der Eintritt neuer Gesellschafter immer als Abschluß eines neuen Gesellschaftsvertrages behandelt werden. — Die Fragen haben über das formelle Grundbuchrecht hinaus erhebliche Bedeutung: denn soweit es einer Auflassung und Umschreibung bedarf, muß das Verpflichtungsgeschäft gemäß § 3 1 3 B G B beurkundet werden, und es entsteht Grunderwerbsteuerpflicht, während in den Anwachsungsfällen alles das entfällt. R F H 12, 76 (Großer Senat).

Hierzu geht aus einem von dem Notar erforderten Registerauszug folgendes hervor: Am 3. Juli 1931 waren Friedrich Wilhelm Wolf und Wilhelm Martin Wolf die Gesellschafter. Im Oktober 1947 ist Dr. Herbert Wolf als dritter Gesellschafter eingetreten. Schließlich sind im Mai 1952 Friedrich Wilhelm Wolf und Wilhelm Martin

Grundbuchamt — Bezugnahme. Löschung lebenslänglicher Rechte

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Wolf ausgeschieden, während gleichzeitig Norbert Hirsch als neuer Gesellschafter eintrat. Da beim Ausscheiden der beiden ursprünglichen Gesellschafter Dr. Herbert Wolf in ihr verblieben war, ist trotz des Mitgliederwechsels die Kontinuität gewahrt. Dem Eintragungsantrag kann stattgegeben werden. E i n t ragung s Verfügung. „ i . Einzutragen in das Grundbuch von Lichterfelde Bd. i Blatt n , Abt. II: Sp. i : 8 Sp. 2: 4 Sp. 3: Die Märkisches Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft in Berlin ist berechtigt, auf dem Grundstück Kabelleitungen zu legen, die aber weder vorhandene Gebäude treffen noch die Bebauung gemäß dem bestehenden Fluchtlinienplan beeinträchtigen dürfen. Eingetragen am . . . November 1952."

Der Wortlaut der Eintragung soll in der Verfügung angegeben werden ( § 2 AusfVO). Man hätte nach § 874 B G B die Eintragung auch wie folgt fassen können: „Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Kabelleitungsrecht) für die Märkisches Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft in Berlin unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 14. eingetragen am . . . November 1952."

Wäre bei dieser zweiten Fassung der Eintragung das Wort „Kabelleitungsrecht" fortgelassen worden, so wäre die Eintragung inhaltlich unzulässig und gemäß § 5 3 1 S. 2 G B O von Amts wegen zu löschen. Denn im Grundbuch wäre nur die Art des Rechts (beschränkte persönliche Dienstbarkeit), nicht aber sein Inhalt eingetragen. Dieser Mangel wäre auch durch die Bezugnahme auf die Bewilligung nicht gedeckt. Denn nach § 874 B G B ist eine Bezugnahme nur zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechts zulässig. Der wesentliche Inhalt muß im Grundbuch selbst verlautbart sein, wenn auch nur stichwortartig durch Angaben wie „Wegerecht, Traufrecht, Wasserleitungsrecht". Nur bei Rechten, deren Inhalt im wesentlichen im Gesetz geregelt ist, wie beim Nießbrauch, Vorkaufsrecht, Erbbaurecht, Dauerwohnrecht usw. genügt diese Benennung ( K G JW 1936, 3477; O L G Hamm, DNotZ 1954, 207 mit Anm. Jansen). „2. Eintragungsnachricht an a) Eigentümerin, b) Elektrizitätswerk."

Auf die durch § 5 5 G B O vorgeschriebene Benachrichtigung können die Beteiligten verzichten. Siehe die folgenden Fälle. Löschung auf Lebenszeit beschränkter Berechtigungen „Eingegangen 19. November 1952, 1 2 % Uhr. Urkimd. An das Amtsgericht, Grundbuchamt, hier. Als eingetragene Eigentümer von Lichterfelde Band 1 Blatt 11 beantragen wir: die in Abt. II des Grundbuchs unter Nr. 3 eingetragene Belastung auf unsere Kosten zu löschen. Sterbeurkunde nach Anna Scholz wird beigefügt. Lichterfelde, den 19. November 1952. Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilh. Wolf Söhne." (Sterbeurkunde der Anna Scholz g e b- Wohlgemuth, f 15. November 1941.)

Bei der beantragten Eintragung handelt es sich nicht um eine rechtsändernde Löschung, sondern um eine Berichtigung des Grundbuchs; denn wenn der auf Le-

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Grundbuchamt — Hypothekenlöschung

benszeit Berechtigte verstorben ist und das Altenteil bis zu seinem Tod erfüllt wurde, so hat das Recht sein Ende gefunden, und das Grundbuch ist unrichtig geworden. Welche Unterlagen verlangt das formelle Grundbuchrecht für Berichtigungen ? 1. §§ 13, 19, 29 G B O gelten für rechtsändernde und berichtigende Buchungen in gleicher Weise. Demzufolge wird die Berichtigung in der Regel dadurch herbeigeführt, daß der Passivbeteiligte, d. h. der zu Unrecht als berechtigt Eingetragene, in beglaubigter Form in die Berichtigung willigt (oder rechtskräftig dazu verurteilt ist, § 894 ZPO) und der Berechtigte sie formlos beantragt. 2. Nach §§ 22, 29 G B O bedarf es der Bewilligung nicht, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs durch öffentliche Urkunden nachgewiesen wird. So trägt man z. B. den Erben des eingetragenen Hypothekengläubigers auf Grund seines formlosen Antrages und eines Erbscheins als Gläubiger ein. Die überreichte Sterbeurkunde weist nur den Tod der Auszüglerin nach, schließt dagegen nicht das Vorhandensein ungetilgter Rückstände aus. Um dieser Möglichkeit willen wäre eigentlich eine Löschungsbewilligung der Anna Scholzschen Erben nebst Nachweis ihres Erbrechts erforderlich. Aber § 2 3 ! bestimmt, daß die Löschung ohne Bewilligung zulässig wird, falls ein Jahr seit dem Tode abgelaufen ist und die Erben nicht inzwischen der Löschung beim Grundbuchamt widersprochen haben. Läßt man in das Grundbuch die Bestimmung eintragen, daß zur Löschung der Nachweis des Todes des Berechtigten genügt, so braucht nicht einmal die Jahresfrist abgewartet zu werden (§ 23 1 1 ). Verfügung. „ 1 . Einzutragen in das Grundbuch von Lichterfelde Bd. 1 Blatt 1 1 , Abt. II Sp. 6, 7: 3 Gelöscht am . . . November 1952. 2. Eintragung Abt. II Nr. 3 in Spalten 1 bis 5 rot unterstreichen. 3. Nachricht an Eigentümerin."

An sich haben die Erben als die von der Löschung Betroffenen Anspruch auf Löschungsnachricht gemäß §55. Mit Rücksicht darauf aber, daß der Tod der Berechtigten bereits lange Zeit zurückliegt, hat der Rechtspfleger die Ermittlung und Benachrichtigung der Erben für entbehrlich gehalten. Hypothekenlöschungen. Umstellung. Legitimationsfragen „Eingegangen 24. November 1952, 11 Uhr. Urkund. An das Amtsgericht, Grundbuchamt, hier. Zu den Grundakten von Lichterfelde Band 1 Blatt 11 überreichen wir beifolgend 4 beglaubigte Löschungsbewilligungen bzw. Quittungen, Erbschein nach Fritz Wohlgemuth, Bestätigung des Bankhauses Schilling, beglaubigte Abschrift der Bestallung des Nachlaßpflegers Ernst Walter, 3 Abtretungserklärungen sowie 3 Hypothekenbriefe. Wir nehmen auf die Fritz Reuterschen Testaments- und Nachlaßakten des hiesigen Amtsgerichts, Aktenzeichen 5 I V 87/43 bzw. 5 V I 33/48, Bezug und beantragen als Eigentümerin des oben bezeichneten Grundstücks: die Hypotheken Abt. III Nr. 2, 5, 6, 8 auf unsere Kosten im Grundbuch zu löschen. Den Hypothekenbrief Abt. III Nr. 8 können wir nicht vorlegen. Wir haben diese Hypothek, wie sich aus der löschungsfähigen Quittung des Nachlaßpflegers für die unbekannten Erben des Gläubigers Fritz Korn ergibt, bereits am 5. Januar 1943 an den Gläubiger bezahlt. Quittung und Hypothekenbrief befanden sich in den Büroräumen unserer Gesellschaft und sind dort am 6. Oktober 1943 bei einem Luftangriff vernichtet worden, wie sich aus der beiliegenden eidesstattlichen Versicherung des früheren Mitgesellschafters Friedrich Wilhelm Wolf ergibt. Wir bittenj

Grundbuchamt —- Löschungsbewilligung

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von der Beibringung eines Ausschlußurteils abzusehen und festzustellen, daß der Hypothekenbrief durch Kriegseinwirkung vernichtet worden ist. Den Erbschein erbitten wir zurück. Lichterfelde, den 23. November 1952. Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilh. Wolf Söhne. (Beglaubigungsvermerk und Vertretungsbescheinigung nach § 23 RNotO)." „Löschungsbewilligung. Im Grundbuch von Lichterfelde Band 1 Blatt 1 1 ist für den minderjährigen Schüler Richard Scholz ¡ n Heidau in Abt. III unter Nr. 2 eine aufgewertete Restkaufgeldforderung von 2000 G M (i. W.) nebst Zinsen hypothekarisch eingetragen. Als gesetzliche Vertreterin des Richard Scholz kraft elterlicher Gewalt bewillige ich, die verwitwete Gutspächter Martha Scholz geb. Fuhrmann in Heidau, die Löschung dieser Post im Grundbuch und verzichte auf Benachrichtigung von der erfolgten Löschung. Heidau, den 1. Oktober 1942. Martha Scholz geb. Fuhrmann. (Beglaubigungs vermerk)" „ Für mich, den Apotheker Max Busse in Lichterfelde, stehen im Grundbuch von Lichterfelde Band 1 Blatt 1 1 in Abt. III unter Nr. 5 2 kg (i. W.) Feingold Darlehen, mit 6% verzinslich, hypothekarisch eingetragen. Diese Forderung nebst den Zinsen seit dem 1. April 1934 trete ich an den Rentner und Hausbesitzer Alfred Frank in Lichterfelde unter Übergabe des Briefes ab und bewillige die Umschreibung auf den neuen Gläubiger im Grundbuch. Lichterfelde, den 28. März 1934. Max Busse. (Beglaubigungsvermerk)" „Hiermit trete ich, der Rentner und Hausbesitzer Alfred Frank in Lichterfelde, die mir gegen die Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilh. Wolf Söhne zustehende, im Grundbuch von Lichterfelde Band 1 Blatt 1 1 in Abt III unter Nr. 5 eingetragene Darlehnsforderung von 2 kg (i. W.) Feingold mit den 6% betragenden Zinsen seit dem 1. Oktober 1937 an den Kolonialwarenhändler Fritz Wohlgemuth in Lichterfelde ab. Lichterfelde, den 3. Oktober 1937. Alfred

Frank.

(Beglaubigungsvermerk) „Ausfertigung. Geschäftsnummer: 5 V I 135/39. Erbschein. Erbin des zu Lichterfelde, seinem Wohnsitz, am 30. März 1939 verstorbenen Kolonialwarenhändlers Fritz Wohlgemuth ist die verwitwete Kolonialwarenhändler Frieda Wohlgemuth geb. Pander in Lichterfelde. Für den Fall des Todes oder der Wiederverheiratung der Vorerbin Frieda Wohlgemuth sind die Abkömmlinge des Brauereibesitzers Franz Hopf in Hochberg aus seiner Ehe mit Susanne geb. Wilheltni als Nacherben eingesetzt. Die Vorerbin ist zur freien Verfügung über die Vorerbschaft berechtigt. Lichterfelde, den 10. Mai 1939. Das Amtsgericht, (gez.) Richter. (Ausfertigungs vermerk)'' 40

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Jansen)

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Grundbuchamt —• Löschungsfähige Quittung „ L ö s c h u n g s f ä h i g e Quittung. Mein Ehemann, der am 30. März 1939 verstorbene Kolonialwarenhändler Fritz Wohlgemuth, war Gläubiger der im Grundbuch von Lichterfelde Band 1 Blatt 11 in Abt. III unter Nr. 5 eingetragenen Darlehnsforderung von 2 kg (i. W.) Feingold. Als Erbin nach Fritz Wohlgemuth bekenne ich wegen Forderung, Zinsen und Kosten von der Grundstückseigentümerin, offenen Handelsgesellschaft Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilh. Wolf Söhne in Lichterfelde, befriedigt zu sein. Ich bewillige die Löschung der Post im Grundbuch und verzichte auf Benachrichtigung von der erfolgten Löschung. Lichterfelde, den 4. Oktober 1952. Frieda Wohlgemuth geb. Pander. (Beglaubigungsvermerk)" „Bankhaus Ferdinand Schilling.

Berlin, den 30. September 1952

Firma Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilh. Wolf Söhne Lichterfelde. Wir bestätigen Ihnen hierdurch, daß wir heute Zu Ihren Lasten der Vereinsbank Lichterfelde eGmbH. in Lichterfelde zugunsten des dort geführten Kontos der verw. Frau Frieda Wohlgemuth daselbst den Betrag von 558.— DM, val. 1. Oktober, überwiesen haben. Ferdinand Schilling." „Quittung und L ö s c h u n g s b e w i l l i g u n g , Als Testamentsvollstrecker des am 8. Juni 1948 verstorbenen Gemüsegroßhändlers Fritz Reuter aus Lankwitz bekenne ich, wegen der für den Erblasser im Grundbuch von Lichterfelde Band 1 Blatt 11 in Abt. III unter Nr. 6 hypothekarisch eingetragenen Bürgschaftsforderung von 5000 RM (i. W.) nebst Zinsen und Kosten von der Grundstückseigentümerin offene Handelsgesellschaft Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilh. Wolf Söhne in Lichterfelde befriedigt zu sein. Ich bewillige die Löschung der Post im Grundbuch und verzichte auf Benachrichtigung von der erfolgten Löschung. Berlin, den 1. Oktober 1952. Ernst Gumpert. (Beglaubigungs vermerk)" „Für mich, den Gärtner Traugott Scholz Lichterfelde, stehen im Grundbuch von Lichterfelde Band 1 Blatt 11 in Abt. III unter Nr. 8 10000 (i. W.) Goldmark Restkaufgeld, mit 6% verzinslich, eingetragen. Diese Forderung nebst den Zinsen seit dem 1. Juni 1942 trete ich unter Übergabe des Briefes an den Kaufmann Fritz Korn in Köln ab und bewillige die Umschreibung der Post auf den neuen Gläubiger im Grundbuch. Lichterfelde, den 27. Juni 1942. Traugott Scholz. (Beglaubigungs vermerk)" „ L ö s c h u n g s f ä h i g e Quittung. Als gerichtlich bestellter Nachlaßpfleger für die unbekannten Erben des am 5. Oktober 1951 in Köln, seinem Wohnsitz, verstorbenen Kaufmanns Fritz Korn bekenne ich, daß der Erblasser wegen der ihm gegen die Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilh. Wolf Söhne in Lichterfelde zustehenden, im Grundbuch von Lichterfelde Band 1 Blatt 11 in Abt. III unter Nr. 8 eingetragenen Restkaufgeldforderung von 10000 (i. W.) Goldmark nebst Zinsen durch die genannte Grundstückseigentümerin am 5. Januar 1943 befriedigt worden ist. Ich bewillige die Löschung der Post im Grundbuch und verzichte auf Löschungsnachricht. Köln, den 5. Oktober 1952. Ernst Walter. (Beglaubigungsvermerk)"

Grundbuchamt — Umstellung der Grundpfafldredite

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U m s t e l l u n g . A. G r u n d s ä t z e . Die Umstellung der auf RM, G M oder Feingold lautenden Grundpfandrechte und Reallasten auf „Deutsche Mark" richtet sich nach dem Währungsgesetz 1948, dem Umstellungsgesetz vom 20. Juni 1948 (WiGBl Beil. 5 S. 13) und der 40. DurchführungsVO zum Umstellungsgesetz (40. DVO/ UmstG). Für die Umstellung von Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden gelten grundsätzlich die Vorschriften über die Umstellung der durch das dingliche Recht gesicherten Forderung (§ i 1 40. DVO/UmstG). In der Regel findet also eine Umstellung im Verhältnis 1 0 : 1 nach § 16 1 UmstG statt, dagegen im Verhältnis 1 : 1 in den Fällen des § 18 1 UmstG. Für Grundpfandrechte kommt die bevorzugte Umstellung insbesondere in Betracht bei Verbindlichkeiten aus Altenteilen und Renten, die der Versorgung des Berechtigten dienen (§ 18 1 Nr. 1), Verbindlichkeiten aus einer Auseinandersetzung, deren Begriff von der Rechtsprechung weit ausgelegt wird (BGH N J W 1951, 921), sowie Verbindlichkeiten, die der Übernehmer eines Gutes oder Vermögens dem anderen Vertragsteil gegenüber zur Abfindung eines Dritten eingegangen ist (§ 18 1 Nr. 3). Restkaufgeldverbindlichkeiten gegenüber dem Veräußerer genießen also keinen Vorzug (anders in Westberlin, s. unten); als Rentenverbindlichkeiten können sie u. U. nach § 18 1 Nr. 1 im Verhältnis 1 : 1 umgestellt sein, wenn der Kaufpreis in regelmäßig wiederkehrenden Teilzahlungen zu tilgen ist, die der Versorgung des Verkäufers zu dienen bestimmt sind (BGH DNotZ 1955, 248). Nicht zu Sicherungszwecken bestellte Fremdgrundschulden werden entweder nach § 16 1 UmstG im Verhältnis 1 0 : 1 oder, wenn sie auf einem Rechtsverhältnis der in § 18 1 UmstG bezeichneten Art beruhen, im Verhältnis 1 : 1 umgestellt (§§ i 1 1 , 2 Nr. 6 a, 40. DVO/UmstG). Diese Regelung wird ergänzt durch § 2,40. DVO/UmstG, der in den Nr. 1—6 eine Reihe von Tatbeständen aufstellt, bei deren Vorliegen das dingliche Recht im Verhältnis 1 : 1 umgestellt wird, nämlich a) Nr. 1 : Grundpfandrechte, bei denen die gesicherte Forderung nicht dem Umstellungsgesetz unterliegt (z. B. eine Fremdwährungsforderung oder eine Wertschuld ist oder nach dem Währungsrecht der Sowjetzone umgestellt wird), oder nach den Vorschriften des Umstellungsgesetzes erlischt (§ 1 8 1 1 1 UmstG: Forderungen zwischen Geldinstituten im Währungsgebiet) oder nicht umgestellt wird (§ 14 UmstG: Verbindlichkeiten des Reichs usw.). b) Nr. 2: Höchstbetragshypotheken und ihnen wirtschaftlich gleichstehende Grundschulden, c) Nr. 3 : Grundpfandrechte, die beim Ablauf des 20. Juni 1948 dem Eigentümer zustanden oder gegen deren Geltendmachung ihm zu diesem Zeitpunkt eine nicht nur dilatorische Einrede zustand, d) Nr. 4 i.d.F. des § 102 des Gesetzes zur Durchführung des Abkommens über deutsche Auslandsschulden vom 24. August 1953 (BGBl I 1003): Grundpfandrechte, die beim Ablauf des 20. Juni 1948 Angehörigen der Vereinten Nationen zustanden oder an solche Personen verpfändet oder sicherungshalber abgetreten waren, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen. e) Nr. 5: Hypotheken über RM-Forderungen, die dem Gläubiger für eine auf ausländische Währung lautende Forderung Sicherheit bieten sollten (dazu K G N J W 1957, 1 o 5). f) Nr. 6: Nicht zu Sicherungszwecken bestellte Fremdgrundschulden, wenn sie auf einem Rechtsverhältnis der in § 18 1 UmstG bezeichneten Art beruhen oder wenn bei ihnen die Voraussetzungen vorliegen, unter denen eine RM-Verbindlichkeit erlischt oder nicht auf Deutsche Mark umgestellt wird (vgl. oben zu a). B. E r f a s s u n g d e s S c h u l d n e r g e w i n n s : § 1 6 1 1 1 U m s t G bestimmt, daß die Heranziehung der Schuldnergewinne zum Lastenausgleich der deutschen Gesetzgebung obliegt. Das geschah zunächst durch das Gesetz zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich vom 2. September 1948 ( W i G B l 87) i.d.F. des Gesetzes v o m 10. August 1949 ( W i G B l 232). Bei Umstellung des Grundpfandrechts im Verhältnis 1 0 : 1 entstand unmittelbar im Range danach in Höhe von 9/10 des RM-Betrages eine der Eintragung nicht bedürftige „Umstellungsgrundschuld" der öffentlichen Hand, die nicht den Charakter einer öffentlichen Last hatte, sondern als selbständige Belastung, nicht etwa als Teil40*

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Grundbuchamt — Eintragung der Umstellung

betrag des umgestellten Rechts, eine echte Grundschuld im Sinne des bürgerlichen Rechts war (BGH D N o t Z 1952, 365; BayObLG 1952, 311). Nach den Bestimmungen des § 1 3 1 1 S . 2 1. D V O / L A S G vom 7. September 1948 (WiGBl 88) und der §§ 12, 1 5 " . m 2. D V O / L A S G vom 8. August 1949 (WiGBl 233) war sie nur eintragungsfähig, wenn sie infolge Tilgung oder Ablösung oder Verzichts der grundschuldverwalteten Stelle auf den Eigentümer übergegangen war. Diese Regelung ist durch das Gesetz über den Lastenausgleich vom 14. August 1952 (BGBl 446) überholt. Danach sind die Umstellungsgrundschulden grundsätzlich mit dem 1. September 1952 (§ 120 1 L A G ) , in besonderen Fällen mit dem 31. März 1953 (§ 1 1 9 1 1 ) erloschen, soweit sie nicht vor dem Inkrafttreten des L A G auf den Eigentümer übergegangen sind. In diesem Falle bedürfen sie vom 1. April 1953 ab zu ihrer Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs der Eintragung (§ 120 1 1 ). — An die Stelle des Systems der Umstellungsgrundschulden ist die Hypothekengewinnabgabe getreten, die auch dann, wenn sie aus mehreren Grundpfandrechten entstanden ist, als einheitliche öffentliche Last auf dem Grundstück ruht, als solche nicht eintragungsfähig ist (§ 54 GBO) und nach § 1 0 ! Nr. 3 Z V G allen privatrechtlichen Grundstücksbelastungen im Range vorgeht. Jedoch decken sich die Fälle, in denen eine Umstellungsgrundschuld entstanden war, nicht immer mit den Fällen, in denen nach dem L A G eine öffentliche Last entsteht. Die Darstellung der Einzelheiten (vgl. dazu Henke-Mönch-Horber, GBO, 4. Aufl. Anhang zu § 22 Erl. 3) kann hier unterbleiben, da das Grundbuch nicht dazu bestimmt ist, über Bestehen und Höhe der öffentlichen Last Auskunft zu geben. — Eine gewisse Verbindung zwischen dem Grundbuch und der öffentlichen Last wird jedoch dadurch hergestellt, daß Grundpfandrechte ein Befriedigungsvorrecht vor der öffentlichen Last haben können. Kraft Gesetzes besteht ein solches Vorrecht vor allem für Grundpfandrechte, die vor oder im gleichen Range mit einer der Umstellungsgrundschulden, denen die öffentliche Last entspricht, Zu befriedigen gewesen wären, wenn die Zwangsversteigerung vor dem 1. September 1952 durchgeführt worden wäre (§ 1 1 3 1 S. 1 L A G ) . Auf Grund einer Bewilligung der mit der Verwaltung der Hypothekengewinnabgabe beauftragten Stelle ( § 1 3 9 L A G i. V. m. § 4 1 Nr. 8 der 4. AbgabenD VL A vom 8. Oktober 1952, B G B l I 662) kann das Befriedigungsvorrecht solchen Grundpfandrechten bewilligt werden, die der Sicherung eines Aufbaukredits dienen (§ 116 L A G ) . Beide Arten von Vorrechten sind eintragungsfähig, wenn auch nicht eintragungsbedürftig (§ 1 1 7 LAG). Das eingetragene Vorrecht genießt den Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs (§ 1 1 7 1 1 ) .

C. E i n t r a g u n g der U m s t e l l u n g in das G r u n d b u c h . Die Umstellung der Grundpfandrechte hat sich außerhalb des Grundbuchs kraft Gesetzes vollzogen. Es liegt daher hinsichtlich der Eintragung der Währungseinheit ein Fall der Unrichtigkeit des Grundbuchs vor (LG Berlin, N J W 1954, 1006; Henke-Mönch-Horber, a.a.O, Anhang zu § 22 Erl. 4; a.A. BayObLG N J W 1952, 506). Das Eintragungsverfahren ist in § 5 40. DVO/UmstG besonders geregelt. Danach bedarf es zur Eintragung des Umstellungsbetrages der Bewilligung des Gläubigers und des Eigentümers. Aus den auch hier anzuwendenden allgemeinen Vorschriften des Grundbuchverfahrens ergibt sich, daß diese Erklärungen öffentlich beglaubigt sein müssen (§ 29 1 S. 1), daß die Eintragung nur auf Antrag erfolgt (§ 13 J ) und daß bei Briefrechten der Brief vorzulegen ist (§ 41). Soll ein das regelmäßige Umstellungsverhältnis (10: 1) übersteigender Umstellungsbetrag eingetragen werden, so bedarf es nach § 5 1 S. 2, 40. DVO/ UmstG der Zustimmung des Finanzamts, an dessen Stelle gemäß § 139 L A G i. V. m. § 4 1 Nr. 1 1 , 4. AbgabenDV-LA die beauftragte Stelle, nämlich das mit der Verwaltung der Hypothekengewinnabgabe beauftragte Kreditinstitut, getreten ist. Die rechtliche Bedeutung dieser Zustimmung für das Grundbuchverfahren ist bestritten; teils wird angenommen, daß sie für das Grundbuchamt bindend sei (SchleswHolst O L G DNotZ 1950,134; BayObLG a.a.O.); richtigerweise wirdman mit demLGBerlin a.a.O. annehmen müssen, daß die Zustimmung als privatrechtliche Willenserklärung im Rahmen der Verwaltung des Finanzvermögens des Bundes (Lastenausgleichsfonds) die Bedeutung einer Berichtigungsbewilligung eines möglicherweise Betroffenen hat. Für das Verfahren des Grundbuchamts gelten daher auch hier die allgemeinen Grundsätze des Berichtigungsverfahrens. In der Berichtigungsbewilligung muß der Sachverhalt schlüssig dargelegt sein, aus dem sich die Unrichtigkeit des Grundbuchs

Grundbuchamt — Löschung von Hypotheken

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ergibt (Henke-Mönch-Horber, a.a.O., § 22 Erl. 4 A). Der Grundbuchrichter darf den auf die Berichtigungsbewilligung gestützten Antrag ablehnen, wenn er weiß (bloße Zweifel würden nicht genügen), daß die Erklärung den Tatsachen nicht entspricht und das Grundbuch durch die beantragte Eintragung unrichtig würde ( K G J 48,184). Besteht über die Umstellung des Grundpfandrechts oder der Forderung, nach der sie sich richtet, Streit oder Ungewißheit, so entscheidet auf Antrag eines Beteiligten ausschließlich das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück gelegen ist, im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§6, 40. DVO/UmstG). Die Entscheidung ist für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend (§ 6 1 1 1 S. 5). Sie ersetzt zugleich die Umstellungsbewilligung der Beteiligten und die Zustimmung der beauftragten Stelle, da der Nachweis der Unrichtigkeit im Sinne des § 22 1 S. 1 G B O durch die Entscheidung erbracht wird. In W e s t b e r l i n gilt eine im wesentlichen entsprechende Regelung auf Grund der UmstellungsV O vom 4. Juli 1948 (VOB1 374) und des Gesetzes über die Umstellung von Grundpfandrechten und über Aufbaugrundschulden (GUG) vom 9. Januar 1951 ( V O B 1 7 1 ) i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 15. Januar 1953 (GVB1 61); dazu Nehlert, Grundpfandrechte und Währungsumstellung, 1951, mit Nachtrag 1953. Die hauptsächlichen Abweichungen bestehen darin, daß in Höhe von 9/10 des RM-Nennbetrages eine sog. Aufbaugrundschuld entstanden war, die zunächst von Amts wegen in das Grundbuch eingetragen wurde, dem jeweiligen Eigentümer zustand (§ 1 der 1. D V O vom 2. Mai 1951, VOB1 334) und über die nur mit Genehmigung der öffentlichen Hand verfügt werden durfte. Ferner sind in Abweichung von § 18 1 Nr. 3 UmstG auch Restkaufgeldforderungen im Verhältnis 1 : 1 umgestellt, es sei denn, daß die Verbindlichkeit vor dem 1. September 1939 begründet worden oder durch Abtretung auf einen familienfremden Dritten übergegangen ist (§ 6 GUG). Für die Hypothekengewinnabgabe enthalten die §§ 142—160 L A G Sondervorschriften für Westberlin.

D. V e r ä n d e r u n g und L ö s c h u n g u m g e s t e l l t e r Rechte. Ein unmittelbarer gesetzlicher Zwang, die Eintragung der Umstellung herbeizuführen, besteht für die Beteiligten nicht. Mittelbar kann der Grundsatz der Voreintragung dazu nötigen (§39 GBO). Da nach dem Zweck dieser Bestimmung (oben S. 658) das Recht so eingetragen sein muß, wie es der materiellen Rechtslage und der sich anschließenden neuen Eintragung entspricht, erfordert die Eintragung einer Veränderung des umgestellten Rechts die vorherige Eintragung der Umstellung (BGH N J W 1955, 342 für Abtretung; im einzelnen Kosack, J R 1956, 42 und 83). Die Löschung dagegen erfordert die Voreintragung der Umstellung nicht (BGH N J W 1955, 1877), ebensowenig, die pfandfreie Abschreibung eines Grundstücksteils (BGH N J W 1955, 1878). Die mangelnde Voreintragung der Umstellung steht daher den Löschungsanträgen der Lichterfelder Dampfziegelei nicht entgegen. Zu den allgemeinen Eintragungsvoraussetzungen treten bei der Löschung von Hypotheken zwei weitere Erfordernisse. Einmal die Zustimmung des Grundstückseigentümers. Von dem Grundsatz, daß Grundstücksbelastungen durch einseitige Erklärung des Berechtigten nebst Eintragung aufgehoben werden (§ 875 B G B , vgl. auch § 928 1 ), gilt nämlich für Hypotheken, Grund- und Rentenschulden — sowohl Brief- wie Buchrechte — eine Ausnahme. Denn Grundpfandrechte können als Eigentümerhypotheken oder -grundschulden auf den Eigentümer übergehen (§§ 1 1 4 3 1 , 1 1 6 3 1 S. 2, 1168 1 , 1 1 7 0 1 1 , 1173, 1177, 1 1 8 2 , 1 1 9 2 1 ) . Dem Eigentümer soll die Möglichkeit, die Hypothek zu erwerben, erhalten bleiben. Deshalb schreibt das Gesetz vor, daß die rechtsgeschäftliche Aufhebung von Hypotheken, Grund- und Rentenschulden nur mit seiner Zustimmung geschehen darf. § § 1183 BGB. Nach formellem Liegenschaftsrecht ist darüber hinaus zu jeder auf eine Bewilligung des Gläubigers gestützten Löschung dieser Rechte die Zustimmung des Eigentümers erforderlich, auch wenn nach materiellem Recht der Löschung nicht die rechtsgeschäftliche Aufhebung, sondern die Unrichtigkeit

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Grundbuchamt — Ausnahmen vom Grundsatz der Voreintragung

des Grundbuchs zugrundeliegt, es sei denn, daß die Unrichtigkeit nachgewiesen wird (§ 27 GBO). Die Zustimmung ist jedoch nicht erforderlich, wenn die Löschung der Verteilung der Gesamthypothek durch den Gläubiger nach § 1 1 3 2 1 1 dient (RG 70, 93) oder wenn sie auf einem Verzicht des Gläubigers einer Gesamthypothek auf die Hypothek an einem der Grundstücke beruht (§ 1 1 7 5 1 S. 2, J F G 23, 322). Dem wird der Fall gleichgestellt, daß der Gläubiger die pfandfreie Abschreibung eines Grundstücksteils bewilligt (vgl. § 46 1 1 GBO, Löschung durch Nichtmitübertragung; K G JW 1937, 1553). — Der Löschungsantrag der Firma Wolf ist also nicht nur Verfahrensantrag, sondern er enthält zugleich eine zur Eintragung erforderliche Erklärung. Er bedurfte daher der öffentlichen Beglaubigung (§§ 27, 29, 30 GBO). Ferner bedarf es der Vorlegung der Briefe. Da Briefhypotheken, Grund- und Rentenschulden außerhalb des Grundbuchs durch schriftliche Abtretungserklärung und Briefübergabe abgetreten werden können, wird der Gläubiger durch seine Eintragung im Grundbuch allein nicht legitimiert. Zu jeder Eintragung, die „bei" einer Briefpost erfolgen soll, muß der Brief dem Grundbuchamt eingereicht werden, welches dann die erfolgte Eintragung auf dem Briefe vermerkt, um ihn in Übereinstimmung mit dem Grundbuch zu erhalten. Im Fall der Löschung ist der Brief unbrauchbar zu machen. §§ 41, 42, 62, 69, 70. U r k u n d l i c h e r N a c h w e i s nach § 1 1 5 5 B G B . Z w i s c h e n e i n t r a g u n g des E r b e n . B e w i l l i g u n g des b e f r e i t e n V o r e r b e n . Die Hypothek Abt. III Nr. 5 ist vom letzten eingetragenen Gläubiger Busse an Frank, von diesem an Wohlgemuth abgetreten, alsdann von Wohlgemuth auf seine Witwe vererbt worden. Nach der Regel des § 39 1 G B O (S. 658) müßten, damit dem Löschungsantrag stattgegeben werden kann, zunächst die Zwischenberechtigten eingetragen werden. Von dem Grundsatz der Voreintragung des Betroffenen bestehen aber zwei Ausnahmen: a) Bei Briefhypotheken, -Grundschulden oder -Rentenschulden wird die Eintragung des Bewilligenden dadurch ersetzt, daß sein Gläubigerrecht durch eine dem § 115 5 B G B entsprechende, auf einen eingetragenen Gläubiger zurückführende zusammenhängende Reihe mindestens öffentlich beglaubigter Erklärungen nachgewiesen ist und er sich außerdem im Besitz des Briefes befindet. § 39 1 1 GBO. Diese Befreiung gilt für Eintragungen jeder Art. b) Ferner ist die Zwischeneintragung des Erben entbehrlich, falls lediglich eine Übertragung des Rechts, die allerdings auch mit einer von den Erben bewilligten Inhaltsänderung verbunden sein kann ( K G J 36 A 241), oder die Löschung des Rechts eingetragen werden soll, während es für die Eintragung von Veränderungen (z.B. neuer Verzinsungs- und Kündigungsbedingungen, Umwandlung einer Grundschuld in eine Hypothek) oder abgeleiteter Rechte (Hypothekenbestellung, wenn der Erbe Grundstückseigentümer; Hypothekenverpfändung, wenn er der Hypothekengläubiger ist) bei dem Erfordernis der vorherigen Eintragung des Erben verbleibt. § 40 Die beiden Befreiungsfälle können, wie in unserem Falle, miteinander verbunden werden. R G 88,349; K G J 36 A 242. Anders ausgedrückt: in der Reihe der Urkunden nach § 115 5 B G B zählt auch der Erbschein oder sonstige grundbuchmäßige Nachweis der Erbfolge. F ü r Buchhypotheken gilt § 3 9 1 1 nicht. D o c h kann bei ihnen die Eintragung der Zwischenmänner aus anderem Grunde entfallen. A hatte eine ihm gehörende Sicherungshypothek in beglaubigter F o r m an B abgetreten, B trat in gleicher Form an C weiter ab, und C wurde eingetragen, ohne daß B jemals im Grundbuch gestanden hätte. Mangels Eintragung war B nicht Hypothekengläubiger geworden (arg. § 1 1 5 4 1 1 1 ) . E r hatte demnach als Nichtberechtigter über die Hypothek verfügt. A b e r Verfügungen eines Nichtberechtigten sind nach § 1 8 5 1 wirksam, falls sie mit Einwilligung des Berechtigten

Grundbuchamt — Verfügungen des Vorerben

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erfolgen, und in der Abtretungserklärung des A wurde seine Zustimmung zu allen weiteren Verfügungen des B gefunden! Mit dieser E r w ä g u n g läßt sich auch die Eintragung eines Eigentümers ersparen, indem bei einer Kette aufeinander folgender Auflassungen nur der letzte Erwerber als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wird. Sofern nicht im Einzelfalle besondere Umstände für das Gegenteil sprechen, wird in der ersten Auflassung die in § 1 8 5 1 vorgesehene, nach § 8 7 5 1 1 unwiderruflich bindende Einwilligungserklärung des eingetragenen Eigentümers dazu gefunden, daß der Erwerber als Nichteigentümer dem Dritten Eigentum überträgt. R G 54, 3 6 4 ; J W 29, 7 4 2 1 4 ; K G J

47. 158; 55, 145-

Der Erbschein weist Frau Wohlgemuth als befreite Vorerbin ihres Mannes aus. §§ 35 1 S. 1 GBO, 2 1 3 7 1 1 , 2363 B G B . Genügt ihre Bewilligung zur Löschung, oder muß die Zustimmung der Nacherben, d. h. des für die Hopfsche Deszendenz zu bestellenden Pflegers, in grundbuchmäßiger Form (§29 GBO) mit vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung beigebracht werden? Von den beiden in § 2113 B G B angeordneten Verfügungsbeschränkungen gilt die des Abs. I (Verfügung über Grundstücke oder Rechte an Grundstücken einschließlich Hypotheken, Grund- und Rentenschulden) nur für unbefreite, die des Abs. II (unentgeltliche Verfügungen mit Ausnahme von Anstandsschenkungen) auch für befreite Vorerben (arg. § 2136). Wenn also die Löschung eine unentgeltliche Verfügung darstellt, so braucht Frau Wohlgemuth dazu eine Genehmigung der Nacherben. Doch ist eine vom Vorerben ohne die gemäß § 2113 erforderliche Zustimmung des Nacherben vorgenommene Verfügung keineswegs nichtig, sondern lediglich bedingt, nämlich „im Fall des Eintritts der Nacherbfolge", und nur „insoweit, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde", also begrenzt, unwirksam. Ob der Nacherbfall überhaupt eintreten wird, läßt sich im voraus nicht übersehen; man denke an Nacherbfolge für den Fall der Wiederverheiratung der Vorerbin, oder an die Möglichkeit, daß die Nacherben die ihnen anfallende Erbschaft ausschlagen (§ 2142 1 1 ). Deshalb rechtfertigt das Fehlen der an sich notwendigen Zustimmung des Nacherben grundsätzlich nicht die Zurückweisung des Eintragungsantrags (S. 614). Vielmehr wird der Verfügung des Vorerben stattgegeben, aber gemäß § 51 G B O das Recht des Nacherben eintragen; dieser Vermerk bleibt bestehen und schützt dauernd die Rechte des Nacherben, da er einen etwaigen gutgläubigen Erwerb vom Vorerben ausschließt (vgl. § 2 1 1 3 1 1 1 BGB). Gerade im Fall der Löschung versagt aber dieser Ausweg, weil es grundbuchtechnisch unmöglich ist, das Recht zu löschen und den Nacherbenvermerk aufrecht zu erhalten. Folglich heißt hier die Alternative nicht: Eintragung ohne oder mit Aufrechterhaltung des Nacherbenvermerks, sondern: Löschung oder Ablehnung, und es hängt alles von der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit ab. Der Begriff der unentgeltlichen Verfügung ist nicht gleichbedeutend mit dem der Schenkung nach § 516 BGB. Insbesondere müssen Leistung und Gegenleistung nicht unbedingt objektiv gleichwertig sein; es genügt, wenn die Leistungen von den Beteiligten für die von ihnen verfolgten Zwecke einander gleichgestellt werden und die Maßnahme des Vorerben von ihm nach den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung (§§2120, 2130) verantwortet werden kann (RG 105, 248). Es ist also gleichzeitig ein objektiver und ein subjektiver Maßstab anzulegen. Nach feststehender Rechtsprechung liegt eine unentgeltliche Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand vor, wenn der Vorerbe — objektiv betrachtet — ohne gleichwertige Gegenleistung ein Opfer aus der Erbschaftsmasse bringt und — subjektiv betrachtet — entweder weiß, daß dem Opfer keine gleichwertige Gegenleistung an die Erbschaftsmasse gegenübersteht oder doch bei ordnungsmäßiger Verwaltung der Masse unter Berücksichtigung seiner künftigen Pflicht, die Erbschaft an den Nacherben herauszugeben, das Fehlen oder die Unzulänglichkeit der Gegenleistung hätte erkennen müssen (RG 125, 245; B G H 5, 174;

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Grundbuchamt — Testamentsvollstreckerausweis

7, 274). Dabei ist es unschädlich, wenn die ausbedungene Gegenleistung nicht dem Nachlaß, sondern dem Vorerben selbst zufließt, z. B. in Gestalt von Altenteilsleistungen als Gegenwert für die Veräußerung eines Grundstücks (BGH N J W 1955, 1354). Ein entgeltliches Rechtsgeschäft kann daher z. B. vorliegen, wenn der Vorerbe über ein streitiges Rechtsverhältnis einen Vergleich schließt, ja sogar, wenn er einen Grundstücksteil unentgeltlich als Straßenland veräußert, wenn durch die Anlegung der Straße für das Restgrundstück eine Werterhöhung zu erwarten ist (OLG 23, 340). Im Grundbuchverkehr ist der Nachweis der Entgeltlichkeit der Verfügung des befreiten Vorerben jedenfalls dann erbracht, wenn der Nacherbe in der Form des § 29 B G O die Entgeltlichkeit anerkennt oder seine Einwilligung erteilt (RG 65, 223). Die Notwendigkeit eines Nachweises entfällt aber, wenn die Unentgeltlichkeit durch die Natur der Sache oder die Sachlage ausgeschlossen wird (RG 69, 260; O L G München, J F G 18, 173). Dabei wird sich der Grundbuchrichter häufig an Stelle eines zwingenden Nachweises in freier Beweiswürdigung mit auf der allgemeinen Lebenserfahrung beruhenden Erwägungen begnügen können, um den Grundbuchverkehr nicht lahmzulegen oder zu erschweren. Der Amtsermittlungsgrundsatz ( § 1 2 F G G ) gilt aber auch hier, wie allgemein im Grundbuchantragsverfahren, nicht. Zum Ganzen BayObLG in N J W 1956, 992 mit guter Darstellung der Problemgeschichte. Nach diesen Grundsätzen braucht die Zustimmung der Fritz Wohlgemuthschen Nacherben nicht beschafft zu werden. Die Löschung erfolgt im Rahmen einer allgemeinen Ablösung der Belastungen, besondere Beziehungen zwischen dem Grundstückseigentümer und der Vorerbin, die den Verdacht nahelegen könnten, daß die Vorerbin die Hypothek ohne wirkliche Auszahlung löschen lassen und obendrein in der Löschungsbewilligung wahrheitswidrig den Empfang des Geldes bescheinigen könnte, sind nicht zu ersehen, und schließlich weist die Grundstückseigentümerin durch die (wenn auch unbeglaubigte) Bankbestätigung die Auszahlung des auf deutsche Mark umgestellten Betrages nach. Grundbuchmäßiger Testamentsvollstreckerausweis. Testamentsv o l l s t r e c k e r u n d N a c h e r b e . In den Reuterschen Testamentsakten finden wir das 1943 notariell errichtete Testament des Erblassers, welches lautet: „ § 1. Ich setze meine Tochter Manon Reuter, geboren am 3. Mai 1938, zu meiner alleinigen Erbin ein. § z. So lange meine Tochter nicht das 24. Lebensjahr vollendet hat, soll die Verwaltung des Nachlasses durch meinen Schwager, Hoteldirektor Ernst Gumpert in Berlin, als Testamentsvollstrecker geführt werden. § 3. Für den Fall, daß meine Tochter vor Erreichung des 24. Lebensjahres ohne Hinterlassung ehelicher Abkömmlinge versterben sollte, substituiere ich ihr als Nacherben: (folgt eine Reihe von Neffen und Nichten des Erblassers und seiner vorverstorbenen Ehefrau)."

Das Testament ist nach Reuters Tod eröffnet worden. Die Nachlaßakten enthalten folgende Erklärung: „ A n das Amtsgericht Lichterfelde. Der am 8. Juni 1948 zu Lankwitz, seinem Wohnsitz, verstorbene Gemüsegroßhändler Fritz Re ui er hat mich in seinem notariell errichteten, am 20. Juni 1948 vom Amtsgericht Lichterfelde eröffneten Testament vom 21. September 1943 zum Testamentsvollstrecker ernannt. Dieses Amt nehme ich hiermit an. Berlin, den 1. Juli 1948. Ernst Gumpert. (Beglaubigungs vermerk)''

Grundbuchamt — Verfügungen des Testamentsvollstreckers

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Ein Testamentsvollstreckerzeugnis ist noch nicht erteilt. Bekanntlich wird der Erbe gegenüber dem Grundbuchamt regelmäßig „nur" durch Erbschein, der Testamentsvollstrecker „nur" durch Testamentsvollstreckerzeugnis ausgewiesen. § 3 5 1 S. 1, Abs. II (erster Satzteil) GBO. Das Gericht kann sich aber nach seinem Ermessen für den Nachweis der Erbfolge auch mit einem öffentlichen Testament nebst Eröffnungsprotokoll begnügen (§ 35 1 S. 2), und diese Vorschrift findet auf den Nachweis der Befugnis des Testamentsvollstreckers „entsprechende" Anwendung (Abs. II, zweiter Satzteil). Um vom Testamentsvollstreckerzeugnis absehen zu können, muß darnach in erster Linie ein in öffentlicher Form errichtetes, inhaltlich klares und in seiner Rechtsgültigkeit unbedenkliches Testament nebst zugehöriger Eröffnungsverhandlung vorliegen. Wie wir wissen, beginnt aber das Vollstreckeramt erst mit dem Zeitpunkt, zu welchem der Ernannte die Annahme erklärt (S. 583). Mithin muß auch die Annahme in der allgemeinen grundbuchmäßigen Form des § 29 nachgewiesen sein. Die — vom materiellen Recht (§ 2202 BGB) nicht vorgeschriebene — Beglaubigung der Annahme und das öffentliche Testament ersparen mithin Gumpert die Beibringung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Zur Verwendung bei auswärtigen Grundbuchämtern stellen die Nachlaßgerichte dem Vollstrecker auf Antrag eine Bescheinigung über den Eingang der Annahmeerklärung nach Art. 31 P r F G G aus. War die Annahme unbeglaubigt erklärt, so kann das Nachlaßgericht trotzdem den Eingang der Annahmeerklärung des Testamentsvollstreckers bescheinigen, wenn es die Unterschrift kennt.

Der Referendar: Nach § 2205 S. 3 B G B darf der Testamentsvollstrecker keine unentgeltliche Verfügungen über den Nachlaß treffen. Wir müssen also denselben Entgeltlichkeitsnachweis verlangen, wie bei Verfügungen eines befreiten Vorerben. Gumpert hat zwar eine löschungsfähige Quittung ausgestellt, aber die Auszahlung der Hypothekensumme an ihn ist in keiner Weise nachgewiesen oder auch nur wahrscheinlich gemacht. Daher möchte ich diesen Teil des Löschungsantrags beanstanden, zumal die Zustimmung der Nacherben fehlt. Der Richter: Bezüglich des Entgeltlichkeitsnachweises haben Sie grundsätzlich recht. Für die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers gelten dieselben Grundsätze wie für den befreiten Vorerben. Nur ist zu beachten, daß eine unentgeltliche Verfügung des Testamentsvollstreckers schlechthin unwirksam ist und auch durch die Zustimmung des Erben nicht wirksam werden kann (RG 74, 218; O L G München, J F G 21, 243). Da der Nachweis der Entgeltlichkeit regelmäßig in der Form des § 29 1 nicht wird geführt werden können, hat der Grundbuchrichter unter eigener Verantwortung die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers selbständig zu prüfen. Die Rechtsprechung hat dafür folgenden Grundsatz aufgestellt: Eine entgeltliche Verfügung ist anzunehmen, wenn die dafür maßgebenden Beweggründe im einzelnen angegeben werden und verständlich und der Wirklichkeit gerecht werdend erscheinen und wenn begründete Zweifel an der Pflichtmäßigkeit der Verfügung nicht ersichtlich sind ( J F G 7, 284; 18, 1 6 1 ; O L G München J F G 21, 242). Hier besteht kein Anlaß, anzunehmen, daß Gumpert die löschungsfähige Quittung ohne Gegenleistung ausgestellt haben sollte. Wenn Sie aber die Zustimmung der Nacherben verlangen, so übersehen Sie, daß der Testamentsvollstrecker aus eigenem Recht und nicht im Namen des Erben verfügt. Wie es bei Vorhandensein eines mit Verwaltungsrecht ausgestatteten Vollstreckers keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung für minderjährige Erben bedarf (S. 545), so ist gegenüber dem Testamentsvollstrecker auch die Beschränkung des Erben durch Einsetzung von Nacherben ohne jede Bedeutung. — Zwischeneintragung der Erbin kommt selbstverständlich nicht in Betracht, da die Hypothek gelöscht werden soll (S. 630). Vgl. außerdem über die Befreiung von der Zwischeneintragung bei Verfügungen eines Testamentsvollstreckers S. 659.

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Grundbuchamt — Prüfung der Vertretungsmacht

P r ü f u n g der V e r t r e t u n g s m a c h t des g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r s . Der Referendar: Zu den Erklärungen des Nachlaßpflegers Walter betreffend die Hypothek Abt. III Nr. 8 fehlt noch die Genehmigung des Nachlaßgerichts. Der Richter: Ich fürchte nur, daß das Nachlaßgericht die Erteilung der Genehmigung ablehnen wird, weil schon der Erblasser selbst durch die Entgegennahme des Hypothekenkapitals im Jahre 1943 über die Forderung verfügt hat, eine genehmigungsbedürftige Verfügung des Nachlaßpflegers also nicht vorliegt. Der Nachlaßpfleger erklärt zwar am Schluß der Urkunde vom 5. Oktober 1952, daß er die Löschung der Hypothek bewillige. Eine solche Erklärung stellt, wenn sie für sich allein abgegeben wird (wie hier im Fall der Hypothek Abt. III Nr 2), materiellrechtlich eine Aufgabeerklärung nach § 875 B G B dar. Deshalb kann auch eine reine Löschungsbewilligung nur zur Löschung der Hypothek, nicht aber zu ihrer Umschreibung auf den Eigentümer führen. Wenn die Löschung aber im Anschluß an die Erklärung des Gläubigers, wegen seiner Forderung durch den Eigentümer befriedigt zu sein, bewilligt wird, ist die Bewilligung rechtlich bedeutungslos, weil das Empfangsbekenntnis des Gläubigers beweist, daß er jetzt nicht mehr Inhaber des Rechts ist, die Hypothek vielmehr gemäß den §§ 362 1 , 1 1 6 3 1 S. 2, 1 1 7 7 B G B auf den Eigentümer als Grundschuld übergegangen ist. Die Urkunde vom 5. Oktober 1952 kommt daher nur als Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne des § 22 1 G B O hinsichtlich der Person des Berechtigten in Betracht. Wir müssen also prüfen, ob durch die vorgelegte Quittung das Erlöschen der Forderung und damit der Übergang der Hypothek auf den Eigentümer nachgewiesen ist. Hätte der Nachlaßpfleger bekannt, daß die geschuldete Leistung an ihn bewirkt worden ist, so wäre allerdings die Genehmigung des Nachlaßgerichts nach den §§ 1962, 1915, 1812 B G B erforderlich gewesen. Zwar ist die Erteilung einer Quittung keine Verfügung im Sinne des § 1 8 1 2 B G B , sondern nur das Bekenntnis des Ausstellers über die Tatsache, daß er die Leistung empfangen hat, und damit ein Beweismittel (Staudinger, 9. Aufl. § 1812 Anm. 1 b; R G 108, 5 5). Der Genehmigung des Gegenvormundes oder des Vormundschaftsgerichts bedarf daher an sich nur die Annahme der geschuldeten Leistung durch den Vormund oder Pfleger. Diese Genehmigung liegt aber inhaltlich regelmäßig in der Genehmigung des Empfangsbekenntnisses ( K G J 50, 220). Die nachlaßgerichtliche Genehmigung zu der bloßen Quittung des Nachlaßpflegers wäre daher nicht erforderlich, wenn der Nachweis der Zahlung an den Erblasser in einer für das Grundbuchverfahren ausreichenden Form erbracht ist. Ein Nachweis in der Form des § 29 1 S. 2, also durch öffentliche Urkunden, kann hier nicht verlangt werden. Der Zeitpunkt des Erlöschens der Forderung ist nur eine Vorfrage dafür, ob die nachlaßgerichtliche Genehmigung erforderlich ist. Diese Frage aber ist nicht „eine andere Voraussetzung der Eintragung" im Sinne des § 29 1 S. 2 GBO. Denn diese Bestimmung ist einschränkend auszulegen. Sie bezieht sich nur auf solche Tatsachen, deren Beurkundung zur Zuständigkeit einer Behörde gehört und in einem behördlich geregelten Verfahren vorgesehen ist ( K G J 32 A 290). Nebenumstände, die die Wirksamkeit einer nach § 29 1 S. 1 nachzuweisenden Erklärung begründen sollen, fallen nicht darunter (Henke-Mönch-Horber, GBO, 4. Aufl. § 29 Anm. 2 C d). Insbesondere ist der Umfang der Vertretungsmacht eines gesetzlichen Vertreters und ihre Beschränkung durch das Erfordernis einer Genehmigung des Gegenvormundes oder des Vormundschaftsgerichts vom Grundbuchamt selbst zu prüfen (RG 108, 356; K G JW 1935, 55). Soweit es dabei auf tatsächliche Verhältnisse ankommt, hat der Grundbuchrichter in freier Würdigung aller ihm bekannten Tatsachen und unter Berücksichtigung allgemeiner Erfahrungssätze zu entscheiden. In dieser Weise, ohne also an die Formvorschrift des § 29 gebunden zu sein, hat er z. B. darüber zu befinden, ob eine nach den §§ 1641, 1804 B G B unwirksame Schenkung

Grundbuchamt — Hypothekenlöschung

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aus dem Mündelvermögen vorliegt ( J F G 16, 90), ob eine wirksam erteilte Vollmacht im maßgeblichen Zeitpunkt noch fortbestanden hat ( J F G 1, 328; 18, 248) oder ob ein genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft durch ein sog. Umgehungsgeschäft verdeckt werden soll ( K G JW 1938, 887; zum Ganzen K G DNotZ 1954, 470). Auch der Grundbuchrichter hat daher, wie wir schon bei den Verfügungen der befreiten Vorerbin und des Testamentsvollstreckers gesehen haben, trotz des § 29 G B O in nicht unerheblichem Umfange nach dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung zu entscheiden. In unserem Fall ist noch weiter der in der Rechtsprechung des K G aufgestellte Grundsatz zu beachten, daß Erklärungen eines von der Eintragung Betroffenen — das sind hier die von dem Nachlaßpfleger vertretenen unbekannten Erben als Buchberechtigte — die ihm ungünstig sind, mangels entgegenstehender Umstände des Einzelfalles die Richtigkeit ihres Inhalts beweisen, wenn sie in der Form des § 29 abgegeben sind ( K G J 36A 251; 40, 294; HRR 1933 Nr 199; JW 1935,713). Auf Grund der Erklärung des Nachlaßpflegers in Verbindung mit der eidesstattlichen Versicherung des Gesellschafters Wolf kann hier die Zahlung an den Erblasser unbedenklich als nachgewiesen angesehen werden. Das gleiche gilt für die Vernichtung des Hypothekenbriefes durch Kriegseinwirkung. Da die Hypothek gelöscht werden soll, wäre die Erteilung eines neuen Briefes, mit der der bisherige nach § 8 der V O vom 5. Oktober 1942 (RGBl I 573) kraftlos würde, eine überflüssige Maßnahme, da er sofort wieder unbrauchbar gemacht werden müßte. Es genügt daher die Feststellung des Grundbuchamts, daß der Brief durch Kriegseinwirkung vernichtet ist.

Verfügung. „ 1 . Einzutragen in das Grundbuch von Lichterfelde Bd. 1 Blatt 1 1 , Abt. III Sp. 8, 9, 10: 2. 2000 G M 5. 2 kg Feingold Gelöscht am . . . November 1952. 6. 5000 R M 8. 10000 G M 2. Eintragungen über die gelöschten Rechte in Sp. 1—7 rot unterstreichen. 3. Es wird festgestellt, daß der Hypothekenbrief Abt. III Nr. 8 durch Kriegseinwirkung vernichtet ist. 4. Die überreichten Briefe Abt. III Nr. 2, 5 und 6 sind unbrauchbar zu machen, die Schuldurkunden abzutrennen und an Eigentümerin zurückzugeben. (Beh.-Schein)."

§§69 GBO, 53 GBVf. Die Unbrauchbarmachung des Briefes geschieht, nachdem die Löschung auf dem Brief vermerkt ist, in der Weise, daß der Vermerk über die erste Eintragung des Rechts durchstrichen und der Brief mit Einschnitten versehen wird. Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefe, die durch Kriegseinwirkung vernichtet sind, können nach § 8 der V O vom 5. Oktober 1942 (RGBl I 573) ohne Aufgebotsverfahren durch das Grundbuchamt wieder hergestellt werden. Mit der Erteilung des neuen Briefes wird der bisherige Brief kraftlos. In einigen Gebieten ist dem § 8 ein Abs. 2 angefügt worden, nach welchem die Feststellung, daß der Brief durch Kriegseinwirkung vernichtet ist, genügt, wenn das Recht gelöscht oder die Erteilung eines Briefes nachträglich ausgeschlossen werden soll (BritZ V O vom 12. Mai 1947 ( V O B 1 B Z 52), Baden Ges. vom 7. Juli 1948 ( G V B 1 1 2 7 ) , Rheinland-Pfalz Ges. vom. 8. Oktober 1948 (GVB1 369), Württ.-Hohenzollem Ges. vom 6. August 1948 (RegBl. 93), West-Berlin Ges. vom 1 1 . Dezember 1952, G V B 1 1975). Hierauf beruht die Verfügung zu 3. „5. Nachricht an Eigentümerin. 6. Beglaubigte Abschrift des Erbscheins zu den Akten fertigen. Der Erbschein ist alsdann an Eigentümerin zurückzugeben. (Beh.-Schein.)"

Nach Ausführung der Verfügung stehen auf dem Blatt als Belastungen nur noch: die Grunddienstbarkeit Nr. 2, die kürzlich neu bestellte beschränkte persönliche Dienstbarkeit Nr. 8 sowie die Grundschuld Abt. III Nr. 9. Mit dieser „Bereinigung" des Grundbuchblatts ist die beabsichtigte Parzellierung vorbereitet.

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Grundbuchamt — Parzellierung

Parzellierung A n t r a g . Mit dem Eingangsvermerk des 2. Dezember 1954 werden dem Richter nachstehende Urkunden vorgelegt: Ausfertigung. Verhandelt Lichterfelde, den 22. November 1954Vor dem unterzeichneten Notar usw. erschienen: 1. der Kaufmann Norbert Hirsch aus Lichterfelde, Leerbeutelstraße 15, 2. der Bauunternehmer Emil Klose aus Lichterfelde, Herderstraße 101, 3. der Maurerpolier Johann Sobralla aus Lichterfelde, Gabelsbergerstraße 9, sämtlich dem Notar von Person bekannt. Sie erklärten — Herr Hirsch namens der offenen Handelsgesellschaft Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilh. Wolf Söhne, deren vertretungsberechtigter Gesellschafter er ist — folgende Auflassung: Wir nehmen auf die vom Katasteramt unter dem 12. November 1954 ausgefertigten Hauptund Nebenauszüge aus dem Liegenschaftsbuch nebst Karten Bezug. Wir sind darüber einig, daß das Eigentum an folgenden Trennstücken, welche bisher zu dem im Grundbuch von Lichterfelde Band 1 Blatt 11 unter laufender Nummer 4 verzeichneten Grundstück gehörten, auf die nachstehend bezeichneten Erwerber übergehen soll:

Gemarkung

Lichterfelde

Flu r buch Kar- Parten- zelle blatt 1

Ciröß e

Wirtschaftsart und Lage ha

auf

a

qm

275 237

Ackerstück Regerstraße Nr. 20

7

85

276

Ackerstück Regerstraße Nr. 22

8

04

usw.

Lichterfelde

1

237 usw.

Bauunternehmer Emil Klose in Lichterfelde, Herderstraße 101, Maurerpolier Johann Sobralla in Lichterfelde, Gabelsbergerstraße 9.

Ich, Norbert Hirsch, namens der Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilh. Wolf Söhne bewillige und wir, Klose und Sobralla, beantragen, daß die vorbezeichneten Erben als Eigentümer der ihnen aufgelassenen Trennstücke unter Anlegung je eines neuen Grundbuchblatts, auf welches die Trennstücke zu übertragen sind, im Grundbuch eingetragen werden. Der Auflassung an Herrn Klose liegt der Kaufvertrag vom 13., der Auflassung an Herrn Sobralla der Kaufvertrag vom 18. Oktober 1954 — Nr. 56; bzw. 573 der Urkundenrolle für 1954 des beurkundenden Notars — zugrunde. Die Herren Klose und Sobralla nehmen auf die in §§ 2, 6, 7 dieser Kaufverträge enthaltenen Hypothekenbestellungen Bezug und beantragen, die Hypotheken gemäß den Bewilligungen auf den ihnen nunmehr aufgelassenen Trennstücken einzutragen. Ferner beantragt Herr Hirsch namens der Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilh. Wolf Söhne unter Bezugnahme auf die von dem Kaufmann Julius Meyer II hinsichtlich der Last Abt. II Nr. 2, sowie auf die von dem Bankier Ferdinand Schilling hinsichtlich der Grundschuld Abt. III Nr. 9 unter dem 16. November 1954 abgegebenen Entpfändungserklärungen — Nr. 605 bzw. 606 der Urkundenrolle für 1954 des beurkundenden Notars —, die Last Abt. II Nr. 2 sowie die Grundschuld Abt. III Nr. 9 auf den aufgelassenen Parzellen Nr. 275 und Nr. 276 zu löschen. Die Herren Klose und Sobralla beantragen, auf die für sie neu anzulegenden Grundbuchblätter nur die beschränkte persönliche Dienstbarkeit Abt. II Nr. 8 zu übertragen, während im übrigen die beantragte Abschreibung der aufgelassenen Trennstücke lasten- und hypothekenfrei erfolgen soll. (Vorlesung und Genehmigung, Unterschriften, Ausfertigungsvermerk)."

Grundbuchamt — Restkaufgeld- und Baugeldhypothek

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Haupt- und Nebenauszug des Katasteramts sowie Katasterkarte sind mit überreicht. Darnach hat das Katasteramt die bisherige Parzelle Kbl. i Nr. 237 in die Parzellen Nr. 274, 275 und 276 zerlegt, von denen Nr. 274 den beim Stammgrundstück verbleibenden Rest darstellt. Alle 3 Parzellen sind als „usw.-Parzellen" mit dem Nenner „237 usw." bezeichnet (S. 602). In § 1 des Kaufvertrags Urk.-Rolle Nr. 563/54 verkauft die Firma Wolf an Klose: „aus dem ihr gehörenden, im Grundbuch von Lichterfelde Band I Blatt 1 1 verzeichneten Grundstück einen Bauplatz an der Regerstraße von 785 qm Flächeninhalt, dessen Grenzen sich aus der dieser Verhandlung beigefügten Zeichnung ergeben, zum Preise von 1 1 7 7 5 D M (i. W.)."

Die katasteramtliche Vermessung der abverkauften Baustellen und ihre Bezeichnung mit neuen Parzellennummern hat erst nach dem Kauf stattgefunden. Nun reicht zwar für den Kaufvertrag jede nachprüfbare Bestimmung der Grundstücksgrenzen, z. B. durch Bezugnahme auf eine dem Vertrag beigefügte Zeichnung aus. Dagegen muß in der grundbuchmäßigen Bewilligung das Trennstück entweder nach dem Grundbuch (z. B.: „Das auf B l a t t . . . unter lfd. Nr. der Grundstücke 1 verzeichnete Grundstück") oder mit einer katastermäßigen Parzellennummer bezeichnet sein. §§ 28 S. 1 GBO. Darum ist bei Parzellierungen die Aufnahme der Auflassung in den Kaufvertrag meist unmöglich, und eine gesonderte Auflassung erforderlich. Jedoch ist die Auflassung eines noch unvermessenen Trennstücks nicht unwirksam, wenn es zweifelsfrei bezeichnet werden kann; die Ubereinstimmung des aufgelassenen mit dem später vermessenen Trennstück ist dem Grundbuchamt dann durch eine beglaubigte Erklärung nachzuweisen (RG D R 1941, 2196). Der Vertrag mit Sobralla stimmt mit dem Kloseschen überein, nur sind hier die Zahlen 804 qm und 12060 DM. „ § 2. Der Kaufpreis wird dem Käufer gestundet und vom 1. Dezember 1954 an mit jährlich 5% (i. W.) in nachträglich zahlbaren Viertel)ahrsraten verzinst. E r kann mit Frist von drei Monaten, das erstemal zum 1. April 1959, gekündigt werden. (In § 5 leistet die Verkäuferin dem Käufer Gewähr dafür, daß er bis zum 1. Januar 1956 nicht zu außerordentlichen öffentlichen Lasten, wie Straßen- und Kanalisations-Anlagekosten, Beiträgen zu Brückenbauten oder Flußregulierungen herangezogen werden wird, in § 4 erklärt sie, daß auf dem Grundstück keine öffentliche Last für die Hypothekengewinnabgabeschuld ruht, worüber sie einen Freistellungsbescheid des Finanzamts nach § 1 2 5 1 1 1 L A G vorlegt.) § 5. Ohne Anrechnung auf den Kaufpreis übernimmt der Käufer die auf Lichterfelde Blatt 1 1 in Abt. II unter Nr. 8 eingetragene beschränkte persönliche Dienstbarkeit des Elektrizitätswerks. Die Grunddienstbarkeit Abt. II Nr. 2 sowie die Grundschuld Abt. III Nr. 9 sind auf dem Kaufgrundstück zur Löschung zu bringen. § 6. Der Käufer verpflichtet sich, auf dem Kaufgrundstück den Bau eines Wohnhauses im Landhausstil bis zum 15. Dezember 1954 zu beginnen und bis zum 15. August 1955 zu Ende zu führen. Erfüllt er diese Verpflichtung nicht, ohne durch allgemeine Streiks oder ähnliche unverschuldete Ereignisse verhindert zu sein, so kann die Verkäuferin die sofortige Zahlung des gestundeten Kaufpreises verlangen. § 7. Zur Sicherheit für das in §§ 1, 2 vereinbarte Kaufgeld bestellt der Käufer der Verkäuferin an dem verkauften Grundstück eine Hypothek. Die Hypothek soll an erster Stelle eingetragen werden, so daß ihr nur die zu übernehmende Belastung Abt. II Nr. 8 im Range vorgeht. Der Käufer behält sich jedoch das Recht vor, eine Baugeldhypothek von 40 000DM (i. W.) mit bis zu 8% (i. W.) jährlich verzinslich, mit dem Rang vor der Kaufgeldhypothek eintragen zu lassen. E r verpflichtet sich gegenüber dem jeweiligen Gläubiger der Kaufgeldhypothek, die Baugeldhypothek löschen zu lassen, wenn und soweit sie sich mit dem Eigentum in einer Person vereinigt, und wird bei Eintragung der Baugeldhypothek eine Vormerkung gemäß § 1 1 7 9 B G B zur Sicherung dieses Löschungsanspruchs eintragen lassen. Herr Klose bewilligt demgemäß für die Lichterfelder Dampfziegelei Fried. Wilh. Wolf Söhne

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Grundbuchamt — Rangvorbehalt und Löschungsvormerkung in Lichterfelde die Eintragung einer Kaufgeldhypothek von 1 1 7 7 5 D M (i. W . ) nebst 5 % jährlicher Zinsen seit dem 1. Dezember 1 9 5 4 auf dem Kaufgrundstück mit den in §§ 2, 6 und 7 dieses Vertrages angegebenen Verzinsungs- und RückZahlungsbedingungen und dem aus Vorstehendem sich ergebenden Rangvorbehalt, sowie die unmittelbare A u s händigung des zu bildenden Briefes an die Gläubigerin. (Es folgt die Kostenklausel, Vorlesungs- und Genehmigungsvermerk, Unterschriften, Ausfertigungsvermerk)."

Klose wie Sobralla gehören zur Klasse der Bauunternehmer, die ohne eigenes Geld bauen. Sie kaufen einen Bauplatz, bestellen dem Verkäufer für den Kaufpreis Hypothek und wollen sich das Baugeld ebenfalls auf Hypothek beschaffen. Der Baugeldgeber wird für seine Hypothek den ersten Rang, also den Vorrang vor der Wolfschen Kaufgeldhypothek, verlangen, und zwar mit gutem Recht: denn durch das Baugeld, welches ins Grundstück verbaut wird, erhöht sich der Wert des Grundstücks, während der im Kaufpreis ausgedrückte Baustellenwert bis zur tatsächlichen Bebauung eine fragwürdige Größe ist. Da Klose und Sobralla noch keinen Baugeldgeber gefunden haben, kommt die sofortige Einräumung des Vorrangs für die Baugeldhypothek nicht in Betracht, deshalb bestellen sie zunächst nur die Kaufgeldhypotheken und behalten sich gemäß § 881 B G B den Vorrang für die später aufzunehmenden Baugeldhypotheken vor. Die Verkäuferin Wolf will mit ihren Hypotheken gegen die Baugeldhypotheken zurücktreten, weil nur so die Bebauung und damit die Wertsteigerung des Grundstücks ermöglicht werden kann. Nicht aber will sie hinter Klose, Sobralla oder einen künftigen Grundstückseigentümer zurücktreten, falls die Baugeldhypotheken nicht oder nicht in voller Höhe valutiert oder teilweise vom Eigentümer zurückgezahlt (§ 1163) oder aus anderen Gründen zur Eigentümergrundschuld werden sollten. Darum verpflichten sich die Käufer für diesen Fall zur Löschung der Eigentümergrundschuld. Durch die Löschungsvormerkung aus § 1179 wird die Verpflichtung der Käufer — und damit das Aufrücken der Kaufgeldhypotheken —• gegen Verfügungen Kloses oder Sobrallas, gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ihrer Gläubiger, ja sogar gegen Verfügungen eines künftigen Grundstückseigentümers, der nicht in die Löschungsverpflichtung eingetreten ist, und Vollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger gesichert (§ 883). Obwohl die Hypothek, bei der die Löschungsvormerkung gebucht werden soll, noch nicht eingetragen ist, kann sich der Gläubiger der Kaufgeldhypothek (des Vorbehaltsrechts) bereits dinglich dagegen sichern, daß die Baugeldhypothek (das Vorrangsrecht) später nicht etwa ohne die Vormerkung eingetragen wird. Die Vereinbarung kann nämlich als inhaltliche Beschränkung des Rangvorbehalts bei dessen Eintragung vermerkt werden ( J F G 18, 40). Über die rechtliche Natur des Rangvorbehalts besteht Streit. N a c h der in der Rechtsprechung des K G entwickelten Auffassung ( K G J 40, 2 3 4 ; J F G 5, 3 4 0 ; J W 1 9 3 5 , 7 1 2 ) , der der B G H gefolgt ist ( B G H Z 1 2 , 245 = N J W 1954, 954), ist er anzusehen als ein „Stück vorbehaltenen Eigentumsrechts" mit der Wirkung der Beschränkung des v o m Vorbehalt betroffenen Rechts. Dagegen mit Recht WolffRaiser, Sachenrecht, 10. Bearb. § 43 2 . N a c h anderer Auffassung (Jansen, A r c h Z i v P r a x 1 5 2 , 508) ist er ein subjektivdingliches Gestaltungsrecht des Eigentümers, kraft dessen dieser das Recht hat, das Rangverhältnis zwischen dem Vorbehaltsrecht und dem Vorrangsrecht zu ändern; der Rangvorbehalt gilt bei dieser Beurteilung nach § 96 B G B als Bestandteil des Grundstücks. A u f der Annahme, der Rangvorbehalt sei „ T e i l des Eigentumsrechts" und „Zustandsrecht" beruht auch die Rechtsprechung des K G ( K G J 40, 2 3 4 ; J F G 5, 3 8 3 ; 6, 3 1 5 ; 8, 298), nach welcher der Rangvorbehalt nach dem E r löschen des Vorrangsrechts beliebig oft weiter ausgeübt werden kann. Sieht man ihn dagegen als Gestaltungsrecht an, so findet er in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre durch einmalige Ausübung seine Erledigung, es sei denn, daß bei seiner Bestellung rechtsgeschäftlich etwas anderes bestimmt worden ist.

Grundbuchamt — Auflassung

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Die Entpfändungen lauten: „ A u f dem Grundstück Lichterfelde Band I Blatt I i ist in Abt. II unter Nr. 2 zugunsten des jeweiligen Eigentümers von Lichterfelde Band III Blatt 89 eine Grunddienstbarkeit auf Benutzung der großen Kiesgrube („Meyer-Loch") eingetragen. Als Eigentümer des herrschenden 27 s Grundstücks Blatt 89 bewillige ich die Abschreibung der Parzellen Kartenblatt 1 Nr. —— 2 276 31 usw" und Nr. von dem Grundstück Blatt 1 1 ohne Mitübertragung der Belastung Abt. II Nr. 2. 237 usw. Lichterfelde, den 16. November 1954.

Julius Meyer II. (Beglaubigungs vermerk).'' „ A u f Lichterfelde Band I Blatt 1 1 haftet für mich in Abt. III unter Nr. 9 eine Grundschuld von 275 und

20 000 Deutschen Mark. Ich bewillige die Abschreibung der Parzellen Kartenblatt 1 Nr. Nr.

2 3 7 usw 276 ' von dem Grundstück Blatt 1 1 ohne Mitübertragung der Grundschuld Abt. III Nr. 9. 237 usw.

Berlin, den 16. November 1954.

Ferdinand Schilling. (Beglaubigungs vermerk)."

Der Grundschuldbrief liegt bei, ebenso die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Grunderwerbsteuerstelle nach § i89d I RAbgO sowie die Genehmigung nachdem Gesetz über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten vom 22. September 1933 (RGBl I 659), die zugleich die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Preisbehörde einschließt (oben S. 436). Entsprechende Bescheinigungen liegen für Sobralla vor. P r ü f u n g . Den in der Verhandlung vom 22. November 1954 gestellten mannigfachen Anträgen kann nur entweder im ganzen oder gar nicht stattgegeben werden. Das folgt aus der inneren Zusammengehörigkeit der Anträge, so daß ein stillschweigender Vorbehalt im Sinne des § 1 6 1 1 anzunehmen ist. Eine Umschreibung der aufgelassenen Parzellen auf Klose und Sobralla ohne gleichzeitige Eintragung der Kaufgeldhypotheken, oder die Eintragung der Hypotheken ohne gleichzeitige Entpfändung der Trennstücke, wäre wirtschaftlich sinnlos und könnte zu den schwersten Schädigungen der Beteiligten führen. Gesonderte Behandlung einzelner Anträge ist nur dann angängig, wenn die Antragsteller —• von vornherein oder auf Rückfrage des Gerichts — sich mit ihr einverstanden erklären. Aber auch wenn die Erledigung nur eines von mehreren in einer Urkunde gestellten Eintragungsanträgen beantragt wird, hat das Grundbuchamt zu prüfen, ob ein anderer Antragsteller die gleichzeitige Erledigung der Anträge vorbehalten hat ( K G JW 1937, 2121). 1. Eigentumswechsel: Für diesen Fall ist der Grundsatz der einseitigen Bewilligung des Passivbeteiligten (S. 621 f.) durchbrochen. Denn mit dem Erwerb des Eigentums sind Lasten öffentlich-rechtlicher, insbesondere polizeilicher und steuerlicher Art verbunden ( K G J 25 A 102). Darum wird zur Eintragung eines neuen Eigentümers der Nachweis der nach § 925 B G B erforderlichen Einigung des Berechtigten und des anderen Teils, d. h. der Auflassung, gefordert. § § 20, 29 GBO. Auch die Eintragung eines neuen Eigentümers im Wege der Berichtigung erfolgt nur mit Zustimmung des Einzutragenden, wobei eine öffentlich beglaubigte Erklärung zum Nachweis genügt. §§ 22 1 1 , 29 S. 1. Das Erfordernis der Zustimmung fällt jedoch fort, wenn die Grundbuchberichtigung von einem Gläubiger des Einzutragenden im Vollstreckungsinteresse betrieben oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen wird. § 22 1 1 . Im Fall der Erbfolge kann also das Grundbuch auf den formlosen Antrag nur eines der Miterben durch Eintragung der Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft berichtigt werden.

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Grundbuchamt — Entpfändung

Durch die Vorlegung nur öffentlich beglaubigter Erklärungen des Veräußerers und des Erwerbers könnte die Auflassung dem Grundbuchamt nicht nachgewiesen werden. Denn § 925 B G B erfordert die Abgabe der Einigungserklärungen bei gleichzeitiger (nicht notwendig persönlicher) Anwesenheit beider Teile vor einer zuständigen Stelle. Der dem Grundbuchamt nach § 20 G B O zu erbringende Nachweis dieser Tatsache kann nur durch eine gerichtliche oder notarielle Beurkundung geführt werden. Merkwürdige Rechtsverschiedenheiten bestehen in bezug auf Erbbaurecht und Wohnungseigentum. § 20 G B O erfordert den Nachweis der Einigung auch im Falle der Bestellung, Änderung des Inhalts oder Übertragung eines Erbbaurechts. Da aber für diese Einigung nicht § 925, sondern § 873 B G B gilt (§ 1 1 1 ErbbVO), die Einigung also sachlichrechtlich formlos gültig ist, kann sie dem Grundbuchamt durch entsprechende öffentlich beglaubigte Erklärungen beider Teile nachgewiesen werden. Anders beim Wohnungseigentum. Dessen Übertragung geschieht, da es mit dem Miteigentum an einem Grundstück verbunden ist, in den Formen der Auflassung nach § 925 B G B und verfahrensrechtlich unter Beachtung des § 20 GBO. Die Einigung der Miteigentümer über die Einräumung oder Aufhebung von Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung aber bedarf zwar sachlichrechtlich ebenfalls der für die Auflassung vorgeschriebenen Form (§ 4 1 1 S. 1 WEG). Hier fehlt es jedoch an einer dem § 20 GBO entsprechenden Vorschrift. Es gilt daher das formelle Konsensprinzip. § 20 G B O ist übrigens ebenso wie § 19 nur eine Ordnungsvorschrift, seine Verletzung hat also keine sachlichrechtlichen Folgen. Die eingereichte Auflassungsverhandlung ist in Ordnung. 2. Anlegung der neuen Grundbuchblätter: Das Verlangen, die aufgelassenen Parzellen auf neue Blätter zu übertragen, ist kein verfahrensrechtlicher Antrag, sondern nur eine Anregung, da das Grundbuchamt die Abschreibung von dem bisherigen und die Übertragung auf ein besonderes Blatt schon von Amts wegen vorzunehmen hat. Das folgt daraus, daß die bisherigen Teilstücke infolge der Veräußerung selbständige Grundstücke werden (s. S. 605) und deshalb nach § 3 1 S. 1 ein besonderes Blatt erhalten müssen, sowie aus § 4, der ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt nur für mehrere Grundstücke desselben Eigentümers zuläßt. Zur Teilung eines Grundstücks dagegen ohne gleichzeitige Veräußerung ist eine Teilungserklärung des Eigentümers in der Form des § 29 nebst Antrag erforderlich, da darin eine sachlichrechtliche Verfügung über das Grundstück liegt ( K G J W 1937, 896). Anders, wenn ein realer Grundstücksteil mit einem Rechte belastet werden soll. Dann ist er von Amts wegen abzuschreiben und als selbständiges Grundstück einzutragen (§7). 3. Hypothekenbestellung: Es hätte schon die grundbuchmäßige Bewilligung unter Angabe der in § 1 1 1 5 bezeichneten Merkmale in Verbindung mit dem formlosen Eintragungsantrag genügt. Der Ausstellung einer Schuldurkunde bedarf es nicht notwendig. Ist aber eine Schuldurkunde vorhanden, dann soll sie auch eingereicht und mit dem Brief verbunden werden, um zu verhindern, daß mißbräuchlich über die Hypothek und über die Forderung getrennt verfügt wird (§58 G B O ; K G J 53,226). 4. Entpfändung: a) Bezüglich der Grunddienstbarkeit Abt. II Nr. 2 liegt beglaubigte Entpfändungserklärung des Julius Meyer II vor, der, wie der Referendar aus dem Grundbuch feststellt, als Eigentümer des herrschenden Grundstücks Blatt 89 eingetragen ist, außerdem Löschungsantrag der Eigentümerin des belasteten Grundstücks. Zustimmungserklärungen von Hypothekengläubigern oder sonstigen dinglich Berechtigten des herrschenden Grundstücks (§ 876 BGB) sind nicht beigebracht. Der Referendar ermittelt aber weiterhin, daß die Dienstbarkeit im Bestandsverzeichnis des berechtigten Grundstücks nicht vermerkt ist. Nach § 21 G B O sind die Zustimmungserklärungen also entbehrlich. —

641

G r u n d b u c h a m t — Unschädlichkeitszeugnis

Der Referendar: Ich kenne die Örtlichkeit und weiß, daß das „Meyer-Loch" nicht an der Regerstraße, sondern in einem ganz anderen Teil von Lichterfelde liegt; wahrscheinlich gehört es überhaupt nicht zu Blatt n , sondern zum Nachbargrundstück Blatt 90, von welchem im Jahre 1907 die lfd. Nr. 2 der Grundstücke mit der Dienstbarkeit überschrieben wurde. Da nach § 1026 B G B bei dem belasteten Grundstück die Teile, auf die sich die Dienstbarkeit nicht bezieht, von selbst frei werden, hätte die lastenfreie Abschreibung doch wohl auch ohne besondere Bewilligung Meyers erfolgen können ? Der Richter: Die sachlichrechtliche Vorschrift des § 1026 ändert nichts an den in der G B O festgelegten Eintragungsgrundlagen. Ist der Tatbestand des § 1026 gegeben, so mag der Eigentümer der Flurstücke, auf denen die Dienstbarkeit erloschen ist, sich die Bewilligung Meyers nötigenfalls nach den §§ 894 B G B , 894 ZPO im Klageweg verschaffen. Allerdings wäre gemäß §§ 22 1 S. 1, 29 1 S. 2 G B O auch Nachweis durch öffentliche Urkunden denkbar, etwa durch Katasterzeichnungen, aus denen die genaue Lage des „Meyer-Lochs" und seine Nichtzugehörigkeit zu den abzuschreibenden Parzellen 275 und 276 einwandfrei hervorgeht. Referendar: Wäre ein Unschädlichkeitszeugnis möglich gewesen? Richter: Unschädlichkeitszeugnisse werden nur zu dem Zweck ausgestellt, die Bewilligung von Hypotheken-, Grundschuld-, Rentenschuld- oder Reallastgläubigern zur pfandfreien Abschreibung von Teilen des belasteten Grundstücks zu ersetzen. Auch ein selbständiges Grundstück kann auf Grund eines solchen Zeugnisses lastenfrei abgeschrieben werden, wenn die Belastungen, von denen es befreit werden soll, noch auf anderen Grundstücken desselben Eigentümers ruhen (für preußisches Recht: J F G 17, 266; für Bayern: Gesetz vom 28. April 1953, GVB1 48). Die Beseitigung von Grunddienstbarkeiten auf diesem Wege ist jedoch nicht vorgesehen (Art 120 E G B G B ; Art 20 PrAGGBO). b) Die Voraussetzungen der Entpfändung von der Grundschuld Abt. III Nr. 9, nämlich beglaubigte Bewilligung des Grundschuldgläubigers (§§ 19, 29 1 S. 1 GBO) und Vorlegung des Grundschuldbriefes (§§ 42, 41) sind erfüllt. Der beglaubigten Zustimmung des Eigentümers zur Entpfändung bedurfte es nicht (Ausnahme von § 27 GBO, oben S. 630). E i n t r a g u n g s v e r f ü g u n g . Die für Klose und Sobralla neu anzulegenden Blätter erhalten die nächsten fortlaufenden Nummern (§ 3 1 GBVf). Demgemäß wird verfügt: „1. Einzutragen in das G r u n d b u c h v o n Lichterfelde Band 1 Blatt 11: A. Bestandsverzeichnis: a) Spalten Abschreibungen 4

Übertragen sind v o n N r . 4 die Parzelle — — nach Band 12 Blatt 287, die Parzelle • — ^ ^ — 237 usw. 237 usw. nach Band 12 Blatt 288 dieses G r u n d b u c h s am . . . Dezember 1954. Rest v o n Nr. 4 laufende N r . 7. b) Spalten 1 bis 4: Rest von 4

221

Lichterfelde

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Jansen)

27

Acker im Mittelfelde

75 274

Ackerstücke Südender Straße

3

5

82

2

10

28

1

13

73

83

26

H o f r a u m mit G e b ä u d e n

75 223

23 7 usw. 41



Regerstraße N r . 8 Garten

75 222

N r . 17—29, Regerstraße N r . 10—18, 24—28

642

Grundbuchamt — Parzellierungsverfügung B. Z w e i t e Abteilung, Spalten Veränderungen: Laufende N u m m e r der Spalte i :

8

Nach Band 12 Blatt 287 und 288 zur Mithaft übertragen am . . . Dezember 1954."

V o n den bisherigen Belastungen des Blattes 11 wird nur Abt. II Nr. 8, nicht auch Abt. II Nr. 2 und Abt. III Nr. 9, auf die neuen Blätter übertragen. Nach § 48 G B O ist die Mitbelastung der beiden Blätter für die übertragenen Rechte von Amts wegen ersichtlich zu machen. Daß die abgeschriebenen Parzellen von der Grunddienstbarkeit und der Grundschuld entpfändet sind, die dingliche Haftung sich also auf den verringerten Bestand von Bl. 11 beschränkt, geht aus der Abschreibung der Parzellen im Bestandsverzeichnis und dem Fehlen eines Mithaftvermerks hervor. „ 2 . A l t e Eintragungen im Bestandsverzeichnis zur lfd. N r . der Grundstücke 4 rot unterstreichen.

75 - und - 76 - ist auf dem Grundschuld3. D i e pfandfreie Abschreibung der Parzellen • 237 usw. 237 usw. brief A b t . III N r . 9 zu vermerken. Brief sodann dem Gläubiger zurückgeben. (Beh.-Schein)." 2

2

Die pfandfreie Abschreibung der Parzellen ist Eintragung „bei" der Grundschuld und als solche auf dem Brief zu vermerken (§ 62), damit die Übereinstimmung von Brief und Grundbuch gewahrt wird. Im Grundbuch wird kein Löschungsvermerk eingetragen. Es handelt sich um einen Fall der Löschung durch Nichtmitübertragung (§ 46"). „4. Einzutragen in das G r u n d b u c h v o n Lichterfelde Band 12 Blatt 287 bzw. 288: A . Bestandsverzeichnis a) Spalte 1 — 4 Blatt 287 I



Lichterfelde

1

275

95



Ackerstück Regerstraße N r . 20

85

Ackerstück Regerstraße N r . 22

04

237usw.

Blatt 288 Lichterfelde

276

94

237 usw. b) Spalte Bestand und Zuschreibungen: V o n Band 1 Blatt 11 dieses Grundbuchs hierher übertragen am . . . Dezember 1954. Blatt 287

B. A b t . I S p . 1 — 4 :

D e r Bauunternehmer Emil Klose in Lichterfelde Blatt 288 D e r Maurerpolier Jobann Sobralla in Lichterfelde

Aufgelassen am 22. N o vember und eingetragen am . . . Dezember 1954.

C. A b t . II Sp. 1 — 3 : Blatt 287, 288 Die Märkisches Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft in Berlin ist berechtigt, auf dem Grundstück Kabelleitungen zu legen, die aber weder vorhandene Gebäude treffen noch die Bebauung gemäß dem bestehenden Fluchtlinienplan beeinträchtigen dürfen. Eingetragen am 18. N o v e m b e r 1952 auf Band 1 Blatt 11 und auf Blatt 287 und 288 zur Mithaft übertragen am . . . Dezember 1954."

Die Daten der ursprünglichen Eintragung und der Hinweis, daß es sich um eine Übertragung handelt, stellen den Vorrang der übertragenen Belastung vor den am gleichen Tage in Abt. III einzutragenden Kaufgeldhypotheken (D. der Verfügung) klar.

643

Grundbuchamt — Eintragung der Restkaufgeldhypothek „ D . A b t . III Sp. 1 — 4 : Blatt 287 1 1 7 7 5 D M Elftausendsiebenhundertfünfundsiebzig

Blatt 288 I 1 I 1 2 0 6 0 D M I Zwölftausendsechzig

Deutsche Mark Kaufgeld, v o m 1. Dezember 1 9 5 4 an mit fünf v. H. jährlich zu verzinsen, für die Lichterfelder Dampfziegelei Friedr. Wilh. Wolf Söhne in Lichterfelde. Der Eigentümer hat sich die Befugnis vorbehalten, mit dem Range v o r dieser Hypothek eine Baugeldhypothek v o n 40000 Deutschen Mark, bis zu 8 v. H . verzinslich, eintragen zu lassen unter gleichzeitiger Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Löschung der Baugeldhypothek, falls sie sich mit dem Eigentum in einer Person vereinigt. Unter Bezugnahme auf die Bewilligung v o m

13. Oktober 1 9 5 4

18. Oktober 1 9 5 4 . . . Dezember 1954.

eingetragen am

5. Uber die Eintragungen zu 4 D ist je ein Brief zu bilden und mit der Schuldurkunde zu verbinden."

Wem sollen die Briefe ausgehändigt werden? Entsprechend dem materiellen Rechtssatz, daß der Gläubiger Briefhypotheken und -grundschulden erst durch die Übergabe des Briefes (oder Übergabeersatz) erwirbt und die Rechte bis dahin dem Eigentümer zustehen (§§ 1 1 1 7 , 1 1 6 3 1 1 BGB), schreibt § 601 G B O als Regel die Aushändigung an den Eigentümer vor. Dieser kann sich damit bei der Valutierung der Hypothek sichern, indem er (bei Darlehnshypotheken) Zug um Zug gegen Auszahlung der Darlehnssumme dem Gläubiger den Brief übergibt. Bestimmt aber der Eigentümer in grundbuchmäßiger Form die alsbaldige Aushändigung an den Gläubiger, wie Klose und Sobralla es im Schlußsatz des § 7 der Kaufverträge getan haben, so ist dem zu entsprechen. §§ 60 1 1 , 29 1 S. 1. Das gleiche gilt bei Hypothekenabtretungen. Das Grundbuchamt hat den mit dem Vermerk der Abtretung versehenen Brief grundsätzlich dem bisherigen Gläubiger zurückzugeben, von welchem er eingereicht war, damit er in der Lage ist, den Brief und damit das Hypothekenrecht bis zur Auszahlung des Abtretungsentgelts zurückzuhalten. Anders, wenn der Zedent die Aushändigung an den Zessionar durch beglaubigte Erklärung bestimmt hat ( K G J W 1937, 114). — Der Richter verfügt also weiter: „6. Briefe dem Gläubiger aushändigen.

(Beh.-Schein).

7. Beglaubigte Abschriften der Schuldurkunden zu den Akten fertigen. 8. Nachricht von den Eintragungen an: a) Firma Wolf (sämtliche Eintragungen), b) Klose (betr. Bl. 287), c) Sobralla (betr. Bl. 288), d) Meyer — Eigentümer von Bl. 89 — und Schilling (betr. pfandfreie Abschreibung der Parzellen), e) Elektrizitätswerk (von den dieses betreffenden Eintragungen auf den neuen Blättern), f ) Katasteramt (Abschreibungen und Auflassung), g) Finanzamt. 9. Verweisungsvermerk zu den Grundakten Bd. 1 2 Bl. 287 und Bl. 2 8 8 . "

Die Eintragungsverfügung bleibt in den Grundakten des Stammgrundstücks Bl. 1 1 . In den Grundakten der neu angelegten Blätter muß daher angegeben werden, an welcher Stelle die Verfügung über Anlegung dieser Blätter und die ersten Eintragungen auf ihnen zu finden ist (§ 25 n> 1 1 1 GeschO). 4'*

644

Grundbuchamt — Hypothekenbrief

K o s t e n . Nach § 7 1 1 KostO soll die Erledigung von Geschäften, die auf Antrag vorzunehmen sind, davon abhängig gemacht werden, daß ein zur Deckung der Kosten hinreichender Vorschuß gezahlt oder sichergestellt wird. In Grundbuchsachen ist hiervon regelmäßig Gebrauch zu machen. Ausnahmen gelten, wenn dem Antragsteller das Armenrecht bewilligt ist, wenn ihm Gebührenfreiheit zusteht, wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Verzögerung einen schwer zu ersetzenden Schaden bringen würde oder wenn das Verlangen nicht angebracht ist, z. B. wenn die Berichtigung des Grundbuchs oder die Eintragung eines Widerspruchs beantragt wird. Die Abhängigmachung wird von dem Richter (Rechtspfleger) verfügt. Sie begründet bis zur Zahlung des Vorschusses ein Eintragungshindernis, das Anlaß zum Erlaß einer Zwischenverfügung nach §18 GBO gibt, in welcher die Höhe des Vorschusses zu bezeichnen ist und die zweckmäßig mit der etwaigen Erhebung weiterer Beanstandungen verbunden wird (JFG 15, 315). Der Vorschuß wird von dem Urkundsbeamten berechnet und von demZahl ungspflichtigen besonders eingefordert. — In unserem Falle erübrigte sich dieses Verfahren, weil die Kosten bei der Einreichung des Antrags durch Kostenmarken gedeckt worden waren. E x p e d i t i o n der H y p o t h e k e n b r i e f e : Der Wortlaut des auf den Grundschuldbrief zu setzenden Vermerks sowie der Briefe über die neuen Kaufgeldhypotheken muß aktenkundig gemacht werden. Das geschieht durch die vom Grundbuchführer zu entwerfende „Expedition": „Vermerk auf dem Grundschuldbrief Abt. III Nr. 9: 275

276

nach Band 12 Blatt 287, Parzelle nach usw. 2 3 7 usw. Band 12 Blatt 288 pfandfrei übertragen worden. Das belastete Grundstück besteht nur noch aus Von dem Grundstück ist Parzelle

237

den im Bestandsverzeichnis unter der lfd. Nr. 7 eingetragenen Parzellen Kbl. 1 Nr. 2 2 1 , Nr. Nr.

223

und Nr.

274

75

222 75

, Hofraum mit Gebäuden Regerstraße Nr. 8, Größe 5 a 82 qm; Garten,

75 2 3 7 usw. Größe 2 ha 10 a 28 qm; Acker im Mittelfeld, Größe 1 ha 13 a 73 qm; Ackerstücke Südender Straße Nr. 17—29, Regerstraße Nr. 10—18, 24—28, Größe 83 a 26 qm; Liegenschaftsbuch Nr. 3, Gebäudebuch Nr. 27. Lichterfelde, den . . . Dezember 1954.

(Siegel) Das Amtsgericht." Die Löschung der der Grundschuld im Range vorgesandten Belastungen der II. und III. Abteilung (S. 624, 635) gehört nicht ohne weiteres in den Vermerk, obgleich sie für den Wert der Grundschuld wesentliche Bedeutung hat. Denn diese Löschungen sind keine Eintragungen „bei" der Grundschuld im Sinne der §§ 41, 62 GBO, konnten deshalb auch ohne Vorlegung des Grundschuldbriefs bewirkt werden. Auf Antrag wird aber die Löschung als Ergänzung des Grundbuchauszugs (§ 57 111 ) a u f dem Brief vermerkt. Der Brief über die auf Blatt 287 einzutragende Kaufgeldhypothek lautet: „Deutscher Hypothekenbrief über die in dem Grundbuch von Lichterfelde Band 12 Blatt 287 Abteilung III Nr. 1 eingetragenen 11 775 Deutsche Mark.

I n h a l t der E i n t r a g u n g : Nr. 1: 11775 (i. W.) Deutsche Mark Kaufgeld, vom 1. Dezember 1954 an mit fünf v. H. jährlich zu verzinsen usw. Belastetes Grundstück: Das im Bestandsverzeichnis unter der laufenden Nr. der Grundstücke 1 verzeichnete, in der Gemarkung Lichterfelde belegene Ackerstück Regerstraße Nr. 20, Kartenblatt 1 Parzelle 275

7.37 usw.

, Liegenschaftsbuch Nr. 93. Größe: 7a 85 qm.

645

Grundbuchamt — Ausübung des Rangvorbehalts Eigentümer: Bauunternehmer Emil Klose in Lichterfelde.

V o r g e h e n d e oder gleichstehende E i n t r a g u n g e n : Abt. II Nr. i : ein Kabelleitungsrecht, im Range vorgehend. Es haften mit Band i Bl. u und Band 12 Bl. 288. Abt. III: keine. Lichterfelde, den . . . Dezember 1954. (Siegel)

Das Amtsgericht."

Die Schuldurkunde wird mit dem Hypothekenbrief durch Schnur und Siegel verbunden. §§58 GBO, 50 GBVf. Gezeichnet werden die Hypothekenbriefe sowie der Vermerk auf dem Grundschuldbrief vom Rechtspfleger und Urkundsbeamten. Beide tragen die Verantwortung für Richtigkeit der Urkunden, sie dürfen sich nicht auf die Richtigkeit der Expedition verlassen. RG 77, 423.

E i n t r a g u n g einer H y p o t h e k auf Grund Rangvorbehalts. Zwischenverfügung. Zwangshypothek A u s ü b u n g d e s R a n g v o r b e h a l t s . Z u den Grundakten des Grundstücks Lichterfelde Blatt 287, das seit den soben mitgeteilten Eintragungen keine Veränderung erfahren hat, geht nachstehendes Schriftstück ein: „ S c h u l d v e r s c h r e i b u n g und Hypothekenbestellung. Hierdurch bekenne ich, der unterzeichnete Bauunternehmer Emil Klose aus Lichterfelde, der Baugewerbebank eingetragenen Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht in Berlin ein Baugelddarlehn von 40000 DM (i. W.) zu schulden, welches vom 15. Dezember 1954 mit jährlich 6% (i. W.) in Vierteljahrsbeträgen nachträglich zu verzinsen und nach dreimonatiger Kündigung zurückzuzahlen ist. Die Kündigung kann, pünktliche Zinszahlung vorausgesetzt, von der Gläubigerin frühestens zum 1. Juli i960 erklärt werden. Für das vorstehend bezeichnete Darlehn von 40000 DM nebst Zinsen bestelle ich der Gläubigerin Hypothek an dem mir gehörenden Grundstück Lichterfelde Band 12 Bl. 287. Ich unterwerfe mich wegen des Darlehns nebst Zinsen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde sowohl in mein persönliches Vermögen wie in das Pfandgrundstück Lichterfelde Bl. 287. Die Zwangsvollstreckung soll gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein. Ich bewillige und beantrage die Eintragung der Hypothek und der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in das Grundbuch, und zwar mit dem Vorrang vor den in Abt. III unter Nr. 1 für die Lichterfelder Dampfziegelei Fried. Wilh. Wolf Söhne eingetragenen 11775 DM auf Grund des bei Nr. 1 für mich eingetragenen Rangvorbehalts. Ferner bewillige und beantrage ich die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs, der dem jeweiligen Gläubiger der Post Nr. 1 auf Löschung der neu einzutragenden 40 000 DM zusteht, wenn und soweit sie sich mit dem Eigentum in einer Person vereinigen. Lichterfelde, den 12. Dezember 1954. Emil Klose. (Beglaubigungs vermerk)." D u r c h die beantragte Hypothekenbestellung wird W o l f als Gläubiger der H y p o thek A b t . I I I N r . 1 betroffen: denn während diese Hypothek, abgesehen v o n der übertragenen Belastung der II. Abteilung, bisher die erste Rangstelle einnimmt — der eingetragene Rangvorbehalt ist noch keine H y p o t h e k ! — soll sie sich in Z u kunft das Recht der Baugewerbebank vorgehen lassen. E s liegt der G e d a n k e nahe, Wolf als Betroffenen zu behandeln und zwecks E i n t r a g u n g des Vorrangs f ü r die Baugeldhypothek eine v o n ihm auszustellende Bewilligung zu verlangen. A b e r durch

646

Grundbuchamt — Zwischenverfügung

die Einräumung des Rangvorbehalts, zu dessen Entstehung trotz des scheinbar entgegenstehenden Wortlauts des § 881 („vorbehalten") nach dem allgemeinen Grundsatz des § 873 1 Einigung zwischen dem Eigentümer und dem Gläubiger des Vorbehaltsrechts erforderlich ist, hat die Firma Wolf dem Eigentümer das (Gestaltungs-) Recht verliehen, das Rangverhältnis zwischen ihrem Recht und dem Vorrangsrecht zu ändern. Verfahrensrechtlich kommt es auf die Streitfrage nicht an, ob zur Ausübung des Rangvorbehalts materiell außer der Eintragung die einseitige Bestimmung des Eigentümers genügt oder ob Einigung zwischen ihm und dem vortretenden Berechtigten erforderlich ist. Der Brief des zurücktretenden Rechts braucht zur Eintragung der Ausübung des Rangvorbehalts nicht vorgelegt zu werden ( K G J 3 6A 222). Die Bewilligung Kloses ist jedoch nicht ordnungsgemäß. Regelmäßig genügt zwar Beglaubigung der Unterschrift (§ 29 S. 1). Geschäftsleute, die in Grundbuchsachen Bescheid zu wissen glauben, pflegen sich ihre Hypothekenbestellungen, -abtretungen, -löschungen usw. selbst auszuarbeiten und ziehen erst zur Beglaubigung den Notar zu, weil die bloße Beglaubigung geringere Kosten macht als der Entwurf durch den Notar. Die von Klose erklärte Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung erfordert aber öffentliche Beurkundung (§§794®, 800 ZPO). Dieser Formmangel—den der Notar nieiit zu beanstanden brauchte, da er mit der Prüfung der von ihm nicht entworfenen Urkunde nicht beauftragt war (S. 423) — steht der Eintragung entgegen. Z w i s c h e n v e r f ü g u n g . Sind Grundbuchanträge zu beanstanden, so wird nach § 18 G B O entweder der Antrag sofort zurückgewiesen, oder dem Antragsteller zur Behebung des Hindernisses eine Frist bestimmt. Die Zurückweisung macht dem Antragsteller Kosten und bringt ihn, falls vor Stellung eines neuen ordnungsmäßigen Antrags andere Rechte beantragt werden, um die Priorität. Ferner erhöht sie die Verantwortlichkeit des Gerichts, denn der Antragsteller hat nicht, wie im Fall der Zwischenverfügung, Gelegenheit, durch Einlegung der Beschwerde einer ungerechtfertigten Abweisung seines Antrags vorzubeugen. Die Wahl zwischen den beiden Verfahrensarten darf nicht willkürlich, sondern nur nach sachlichen Gesichtspunkten getroffen werden, indem das Gericht die verschiedenartigen Interessen abwägt. Handelt es sich um behebbare Mängel, so wird im allgemeinen Zwischenverfügung zu erlassen sein. Daß der Antragsteller sich der Mangelhaftigkeit oder Unvollständigkeit seines Antrags bewußt war, rechtfertigt nicht grundsätzlich die Zurückweisung (RG 126, 107). Die sofortige Zurückweisung des Antrags ist aber geboten: 1. wenn der Antrag keinesfalls zum Erfolge führen kann, z. B. weil der Antragsteller nicht antragsberechtigt ist oder dem Antrag eine absolute Verfügungsbeschränkung entgegensteht (Konkursvermerk, oben S. 615); weil der Antrag auf die Eintragung eines nicht eintragungsfähigen Rechts gerichtet oder weil ein Recht mit einem unzulässigen Inhalt eingetragen werden soll; anders, wenn nur eine Nebenbestimmung eines eintragungsfähigen Rechts nicht eintragungsfähig ist. 2. wenn nach dem Grundgedanken des § 1 8 der Rang der beantragten Eintragung auch durch eine spätere Behebung des Mangels nicht gewahrt werden kann. Das ist der Fall: a) wenn bei einer im Wege der Zwangsvollstreckung vorzunehmenden Eintragung die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung noch nicht vorliegen; denn für den Rang des Antrags darf nicht ein Zeitpunkt maßgebend sein, zu dem die Zwangsvollstreckung noch nicht beginnen durfte, b) wenn bei einem auf den Nachweis der Unrichtigkeit gestützten Antrag eine Unrichtigkeit des Grundbuchs noch nicht vorliegt, etwa wenn der Antrag auf Eintragung der Pfändung einer Briefhypothek gestellt wird, bevor der Brief in den Besitz des Pfändungsgläubigers gelangt ist (§ 83o 1 S. 1 ZPO), es sei denn, daß es nur an dem Nachweis dieser Tatsache fehlt ( J F G 14, 445). — Wird in den Fällen zu 2 der Antrag nicht zurückgewiesen, der Mangel aber später behoben, so gilt der Antrag im Sinne des § 17 erst als im Zeitpunkt der Behebung eingegangen ( J F G 14, 445).

Grundbuchamt — Antrag auf Zwangshypothek

647

Der Rechtspfleger erläßt am 14. Dezember die Zwischenverfügung: „ 1 . An Klose: In der Grundbuchsache pp stehen der Erledigung Ihres Antrags vom 12. d. M. folgende Hindernisse entgegen: a) Die sofortige Zwangsvollstreckung aus der Hypothek gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks setzt eine öffentlich beurkundete Erklärung des Grundstückseigentümers voraus (§§ 794®, 800 ZPO), während Ihre Hypothekenbestellung lediglich öffentlich beglaubigt ist. b) Die Erledigung des Antrags wird gemäß § 7 1 1 KostO von der Zahlung eines Kostenvorschusses im Betrage von 160,10 DM abhängig gemacht. Zur Behebung dieser Beanstandungen wird Ihnen gemäß § 18 G B O eine Frist von zwei Wochen gesetzt. (Zust.-Urk.). 2. Am 29. 1 2 . " A n t r a g auf

Zwangshypothek. „Eingegangen 18. Dezember 1954 11 Uhr 35 Minuten.

Urkund. An das Amtsgericht hier. In der Anlage überreiche ich vollstreckbare Ausfertigung des von mir gegen den Bauunternehmer Emil Klose und seine Ehefrau Hilde geb. Pät^old, beide in Lichterfelde, Herderstraße 101, am 10. Oktober d. J . beim hiesigen Amtsgericht erwirkten Urteils, Aktenzeichen 8 C 566/54, nebst Zustellungsurkunde und beantrage: auf dem Grundbuchblatt des dem Schuldner Emil Klose gehörenden Grundstücks Lichterfelde, Regerstraße Nr. 20, eingetragen im Grundbuch von Lichterfelde Band 12 Blatt 287, wegen der Urteilsforderung nebst Zinsen und Kosten eine Sicherungshypothek einzutragen. Ich bitte um Rückgabe des Schuldtitels. Bruno Preuß Tischlermeister." Die Formel des überreichten Urteils lautet: „Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, dem Kläger: a) 450,60 DM (i. W.) nebst 6% Zinsen seit dem 9. Februar 1954, b) 200 DM (i. W.) nebst 7 % % Zinsen seit dem 1. Oktober 1954 zu zahlen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar." A u f der vollstreckbaren Ausfertigung befindet sich der Vermerk: „Wegen der Urteilsforderung nebst Zinsen ist heute im Grundbuch des der Beklagten Hilde Klose gehörenden Grundstücks Charlottenburg Bd. 17 Blatt 418 in Abt. III unter Nr. 10 eine Sicherungshypothek eingetragen worden. Berlin-Charlottenburg, den 19. Oktober 1954 XJrkund J us tizobersekretär.'' Anträge auf Eintragung einer Z w a n g s - oder Arresthypothek (§§ 8 6 6 f . , 9 3 2 Z P O ) werden v o m Grundbuchrichter unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten geprüft. Einmal müssen die allgemeinen Grundlagen der Zwangsvollstreckung (vollstreckbarer Titel, Klausel, Zustellung usw.) erfüllt sein, denn es handelt sich um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung. Andrerseits sind auch die grundbuchrechtlichen Erfordernisse zu wahren, vor allem die Voreintragung des Betroffenen gemäß § 3 9 1 G B O . Durch den Titel wird die Bewilligung ersetzt, aber nicht in dem Sinne, daß sie (wie bei rechtskräftiger Verurteilung zur Abgabe v o n Willenserklärungen) als abgegeben gilt, sondern die Eintragung erfolgt als Vollstreckungsakt „auf Grund des

648

Grundbuchamt — Zwangshypothek

Schuldtitels" (§ 8 6 6 m S. z ZPO), und die Hypothek entsteht „mit der Eintragung" ohne fingierte Einigung. § 867 1 S. 2. Lehnt das Grundbuchamt ab, so sind Rechtsmittel und Instanzenzug der G B O (einfache Beschwerde, weitere Beschwerde bei Gesetzesverletzung) gegeben, nicht diejenigen der ZPO, weil die anzufechtende Verfügung Entscheidung in einer Grundbuchsache ist. Die gegenüber dem Preußschen Antrag zunächst auftauchenden Zweifel und Bedenken erweisen sich bei näherer Untersuchung als unbegründet: a) Daß Preuß die Hypothek in unbeglaubigter Form beantragt hat, entspricht dem § 30 GBO. Auch die Vollmacht eines Anwalts, der die Sicherungshypothek für den Gläubiger beantragt, bedarf keiner Beglaubigung. A u c h bei der zur Vermeidung der Gesamt-Zwangshypothek in § 8 6 7 1 1 Z P O vorgeschriebenen Verteilung der Forderung auf mehrere Grundstücke des Schuldners durch den Gläubiger bzw. seinen Bevollmächtigten handelt es sich um keine „zur Eintragung erforderliche E r k l ä r u n g " im Sinne des § 30 G B O , und demgemäß bedarf der Antrag keiner Beglaubigung. R G 7 1 , 3 1 2 . Der Gläubiger gibt nicht durch die Verteilung Rechte auf den Mehrbetrag an den einzelnen Grundstücken auf (die er ja noch gar nicht hat), sondern er stellt einen „reinen" Antrag.

b) Ebenso ist das zu belastende Grundstück durch die Angabe „Lichterfelde Band 12 Blatt 287" im Sinne des § 28 S. 1 G B O ausreichend bezeichnet, nämlich durch Hinweis auf das Grundbuchblatt. Dagegen hätte nur die Angabe der Straße und Hausnummer nicht genügt, sie wäre keine mit dem Grundbuch, also den Angaben im Bestandsverzeichnis „übereinstimmende" Bezeichnung gewesen ( J F G 1 1 , 328). Das Grundbuchamt soll nicht darauf verwiesen werden können, aus dem Eigentümerverzeichnis das gemeinte Grundstück zu ermitteln. c) Der Betrag der Forderung übersteigt die gesetzliche Mindestsumme von 300 D M (§§ 866"i S. 1 ZPO). d) Wird die Sicherungshypothek dadurch ausgeschlossen, daß Preuß schon eine Zwangshypothek auf dem Grundstück in Charlottenburg erwirkt hat? § 867 1 1 untersagt zwar die Gesamt-Zwangshypothek, aber doch nur auf „mehreren Grundstücken des Schuldners", d. h. desselben Schuldners. Haften dagegen mehrere Personen als Gesamtschuldner, so ist es zulässig, die ganze Urteilsforderung auf je einem Grundstück der Schuldner einzutragen. Besteht für die Forderung bereits eine rechtsgeschäftlich bestellte Hypothek, so ist die Eintragung der Forderung als Zwangshypothek auf einem anderen Grundstück des Schuldners unter Kenntlichmachung der Mithaft nach § 48 G B O zulässig, auch wenn die erste Hypothek eine Briefhypothek ist. R G 9 8 , 1 0 6 ; K G J W 1 9 3 8 , 2 8 4 7 . — A u s der rechtlichen Selbständigkeit der im Bestandsverzeichnis unter besonderer „laufender N u m m e r " verzeichneten Grundstücke (S. 605) ergibt sich, daß die Belastung aller oder mehrerer auf einem gemeinschaftlichen Grundbuchblatt verzeichneter Grundstücke mit einer Hypothek sich als Gesamthypothek darstellt. Die Zwangshypothek an derartigen Grundstücken muß also auf die verschiedenen laufenden Nummern gemäß § 8 6 7 1 1 Z P O verteilt werden. R G 84, 265. Wird das, wie nicht selten, übersehen, so ist die Zwangshypothek nach § 5 3 1 S. 2 G B O als inhaltlich unzulässig zu löschen ( R G 163, 125). Deshalb ist bei jedem derartigen Antrag das Bestandsverzeichnis auf Mehrheit von Grundstücken sorgfältig zu prüfen. Im Fall der Verteilung gilt die Mindestsumme von 300 D M nur für die Gesamtsumme, nicht für die einzelnen Teile. R G 84, 265.

e) Was die Kosten anlangt, so haftet das Grundstück für die dem Vollstreckungsschuldner zur Last fallenden Kosten der Eintragung, zu denen auch etwaige Anwaltskosten für Stellung des Eintragungsantrags gehören, kraft Gesetzes, desgleichen für die Kosten der künftigen, die Befriedigung aus dem Grundstück bezweckenden, dinglichen Rechtsverfolgung. §§ 8671 S. 3 ZPO, 1 1 1 8 B G B . Diese Beträge sind daher nicht eintragungsfähig ( K G J 35A 325). Dagegen nehmen die festgesetzten Kosten des Rechtsstreits, in welchem der Schuldtitel erwirkt wurde, und die Kosten einer

Grundbuchamt — Vormerkung aus § 18 G B O

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früheren Zwangsvollstreckung, über deren Erstattungsfähigkeit das Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan nach § 788 ZPO entscheiden kann, nur auf Grund ihrer Eintragung an der dinglichen Sicherung teil. V o r m e r k u n g aus § 18. Da die auf den Antrag vom 12. Dezember gestellte Frist noch läuft, muß gemäß § 1 8 1 1 S. 1 G B O bei Eintragung der Preußschen Zwangshypothek von Amts wegen für die Baugewerbebank eine Vormerkung eingetragen werden, und zwar mit dem Range vor der Zwangshypothek. Erst dadurch erlangt der Eingangsvermerk seinen vollen Wert. Die Vormerkung aus § 1 8 dient nicht dazu, einen privatrechtlichen Anspruch im Sinne des § 88} B G B , sondern den öffentlich-rechtlichen Anspruch des Antragstellers gegen das Grundbuchamt auf endgültige Bescheidung seines Antrags zu sichern ( J F G 23, 146). § 888 B G B ist daher nicht anwendbar. Deshalb lautet die Fassung der Vormerkung nicht: „Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Hypothek", sondern richtiger: „Vormerkung zur Sicherung der Eintragung einer Hypothek."

Diesmal verfügt der Richter selbst ( § 1 9 Buchst, a REntlV): „ 1 . Einzutragen in das Grundbuch von Lichterfelde Bd. 12 Bl. 287, Abt. III: a) Sp. 1—3, Sp. 4 linke Hälfte: 2 | 1 | 40 000 DM. Vormerkung zur Sicherung der Eintragung einer Hypothek im Betrage von vierzigtausend Deutschen Mark nebst sechs v. H. Zinsen jährlich für die Baugewerbebank eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht in Berlin, von Amts wegen eingetragen am . . Dezember 1954. b) Sp. 1—4: 3 | i | 650, 60 D M Sicherungshypothek von vierhundertfünfzig Deutschen Mark 60Pfennigen nebst 6 v. H. Zinsen seit dem 9. Februar 1954 und zweihundert Deutschen Mark nebst 7% v. H. Zinsen seit dem 1. Oktober 1954 für den Tischlermeister Bruno Preuß in Lichterfelde aus dem vollstreckbaren Urteil des Amtsgerichts in Lichterfelde vom 10. Oktober 1954. Das Grundstück Charlottenburg Bd. 17 Blatt 418 haftet mit. Im Wege der Zwangsvollstreckung eingetragen am . . . Dezember 1954. 2. Nachricht von der Eintragung zu b zu den Grundakten von Charlottenburg Bd. 17 Bl. 418."

Gemäß § 48 G B O soll der dortige Sachbearbeiter die Mithaft von Lichterfelde Bl. 287 von Amts wegen in seinem Grundbuch vermerken. „ 3 . Beglaubigte Abschrift des Urteils zu den Grundakten fertigen. 4. Urteil demnächst mit Vermerk über die Eintragung an Preuß zurückgeben. (Beh.-Schein)"

Der Vermerk (s. Beispiel S. 647) ist durch § 867 1 S. 1 ZPO vorgeschrieben. „5. Nachricht an: a) Eigentümer, b) Baugewerbebank, c) Preuß. 6. Vorlegung 29. 12. bleibt."

Wird der Antrag des Klose nach fruchtlosem Fristablauf zurückgewiesen, so muß die Vormerkung von Amts wegen gelöscht werden, so bald die Zurückweisung wirksam geworden ist, nämlich durch Bekanntmachung an Klose (§ 16 1 FGG). Wird die Beanstandung noch vor der Hinausgabe des zurückweisenden Beschlusses behoben, so darf das Grundbuchamt den Beschluß nicht mehr absenden. Der Referendar: Hätte die Eintragung der Vormerkung aus § 1 8 1 1 S. 1 nicht im vorliegenden Fall unterbleiben können, weil zugunsten der Baugewerbebank ohnehin der Rangvorbehalt besteht? Der Richter: Der Rangvorbehalt sichert nach seinem Inhalt der Bank nur den Vorrang vor der Wolfschen Kaufgeldhypothek. Nun hat diese Hypothek allerdings

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Grundbuchamt — Ausnutzung des Rangvorbehalts

den Rang vor der Zwangshypothek. Es gibt aber außer den absoluten Rangordnungen auch relative Rangverhältnisse, Abweichungen von der durch die Reihenfolge der Eintragung gegebenen „natürlichen" Rangordnung, die nur relativer Natur sind. Wenn wir die Preußsche Sicherungshypothek oder irgendein sonstiges Recht, das keinen Vorrang oder Rangvorbehalt zugunsten der Baugewerbebank bewilligt hat, eintragen, ohne die 40 000 D M der Baugewerbebank wenigstens vorzumerken, so würden diese zwar vor Wolf, aber hinter Preuß stehen. Vgl. § 8 8 i I v . E n d g ü l t i g e E i n t r a g u n g der H y p o t h e k . Am 21. Dezember geht mit dem erforderten Kostenvorschuß Ausfertigung einer notariellen Verhandlung ein, in welcher Klose die Hypothekenbestellung vom 12. Dezember wiederholt. Verfügung: „ 1 . Einzutragen in das Grundbuch von Lichterfelde Bd. 12 Bl. 287 in Abt. III: a) Sp. 4, rechte Hälfte, zur lfd. Nr. 2: Umgeschrieben in eine Hypothek für ein Baugelddarlehn der Baugewerbebank eingetragenen Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht in Berlin von vierzigtausend Deutschen Mark, vom 15. Dezember 1954 mit 6 v. H. verzinslich. Der jeweilige Eigentümer ist der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen. Unter Ausnutzung des Rangvorbehalts mit dem Range vor der Post Abt. III Nr. 1 unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 20. eingetragen am . . . Dezember 1954."

Die Unterwerfung muß im Grundbuch selbst eingetragen werden, Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung würde nicht genügen. § 8001 S. 2 ZPO. Erfolgt bei der Hypothek später eine Veränderung, die den Umfang des Rechts erweitert, z. B. eine Zinserhöhung, so ist (was häufig übersehen wird) abermals eine öffentliche Urkunde mit Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung aufzunehmen, und bei Eintragung der Veränderung die Unterwerfung zu vermerken. K G J 52, 190; K G DNotZ 1954, 199. „b) Sp. 5—7 1 | 11775 D M | Der vorbehaltene Vorrang vor diesem Recht ist der Post Abt. III Nr. 2 eingeräumt. Eingetragen am . . . . Dezember 1954." Die Eintragung über die Ausübung des Rangvorbehalts muß nicht nur zum Ausdruck bringen, daß das Recht den Vorrang vor dem Vorbehaltsrecht hat, sondern auch, daß es das Recht ist, welches den Vorbehalt in Anspruch nimmt. Der bloße Vermerk: „ . . . mit dem Range vor . . . " würde eine Rangänderung nach § 880 B G B bezeichnen und, wenn Zwischenrechte vorhanden sind, das Grundbuch unrichtig machen ( J F G 6, 309). Deshalb ist für die Eintragung bei beiden Rechten (§18 G B V f ) die vorstehende Fassung gewählt worden. ,,c) Sp. 5—7: 2 | 40 000 D M | Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Löschung der Post Nr. 2, wenn und soweit sie sich mit dem Eigentum in einer Person vereinigt, für den jeweiligen Gläubiger der Post Nr. 1 unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 20. eingetragen am . . . Dezember 1954. 2. Eintragung der Vormerkung Abt. III Nr. 2 in Sp. 4 linke Hälfte rot unterstreichen. 3. Über die Eintragung Abt. III Nr. 2 ist ein Brief zu bilden, mit der Schuldurkunde zu verbinden und dem Grundstückseigentümer Klose auszuhändigen. (Beh.-Schein)"

§ 60 1 GBO. Es war keine abweichende Bestimmung nach Abs. II getroffen. „4. Beglaubigte Abschrift der Schuldurkunde zu den Akten fertigen. 5. Nachricht . . . . " § 881 I V B G B : Infolge der Eintragung der Vormerkung und der rechtzeitigen Beseitigung des Eintragungshindernisses haben die 40 000 D M der Baugewerbebank den Vorrang nicht nur vor den 1 1 7 7 5 D M der Wolfschen Kaufgeldhypothek, sondern auch vor der Preußschen Zwangshypothek erhalten. Wie hätten sich die Rangverhältnisse gestaltet, wenn das Grundbuchamt den Antrag vom 12. Dezember sofort zurückgewiesen hätte, oder wenn die Frist der Zwischenverfügung von Klose nicht eingehalten worden wäre ?

Grundbuchamt — Rangvorbehalt und Zwangsvollstreckung

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In diesem Fall hätte Preuß die zweite Stelle endgültig für sich belegt, und die Eintragung der Baugeldhypothek wäre nur noch hinter Preuß möglich gewesen. Auch dann konnte der Baugeldhypothek auf Grund des Rangvorbehalts der Vorrang vor Nr. i beigelegt werden, doch durfte die Rangverschiebung zu keiner Benachteiligung des Preuß führen. In dem unterstellten Falle gehen also dem Preuß nur die 1 1 7 7 5 D M des Wolf im Range vor, weil er der Baugeldhypothek seinerseits den Vorrang nicht eingeräumt hatte. Reicht bei der Zwangsversteigerung der Erlös nicht für alle drei Hypotheken, so ist zunächst festzustellen, wie viel Preuß bekommen kann. Mehr als 1 1 7 7 5 D M braucht er sich nicht vorgehen zu lassen; er kommt also voll zur Hebung, sobald 12425,60 D M geboten werden. Sodann muß Wolf der über 40000 D M erzielte Erlös bis zu 51775 D M zugeteilt werden; denn er wollte sich auf Grund des Rangvorbehalts 40 000 DM, nicht mehr, vorgehen lassen (§ 88i I V ). Mithin geht die Preußsche Eintragung, wenn mehr als 1 1 7 7 5 DM, aber weniger als die zur vollen Deckung aller drei Hypotheken erforderlichen 52425,60 D M geboten sind, zu Lasten der Baugewerbebank. 1. Beispiel: Erlös 50000 DM. Preuß erhält 650,60, Wolf 10000, für die Bank bleiben 39349,40DM. 2. Beispiel: Erlös 10000 DM. Preuß erhält nichts, ebenso Wolf, die Bank 10000 DM. 3. Beispiel: Erlös 20000 DM. Preuß erhält 650,60, die Bank 19349,40 DM, Wolf geht leer aus. Die (bei einer wirklichen Zwangsversteigerung sehr ins Gewicht fallenden) Zinsen- und Kostenansprüche sind in diesen Berechnungen überall außer Betracht gelassen. Hätte Preuß beantragen können, seine Zwangshypothek in Ausübung des Rangvorbehalts mit dem Range vor der Wolfschen Hypothek einzutragen, unterstellt, der Rangvorbehalt sei noch nicht ausgenutzt gewesen ? Die Zulässigkeit dieses Verfahrens könnte mit der Erwägung begründet werden, daß der Schuldner grundsätzlich die Vollstreckung in sein gesamtes Vermögen, insbesondere auch in ein ihm gehörendes Grundstück ohne Einschränkung zu dulden habe, also auch in den einen Bestandteil seines Vermögens bildenden Rangvorbehalt, und daß er deshalb dem Gläubiger die bestmögliche Rangstelle zur Verfügung stellen müsse; seine Bewilligung werde durch das Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan ersetzt. Gleichwohl ist die Frage mit dem B G H ( B G H Z 12, 245 = N J W 1954, 954), Rosenberg, ZPO, 7. Aufl. § 2 0 6 " 2 und Wolff-Raiser, Sachenrecht, 10. Bearb. § 432 gegen Stein-Jonas-Schönke, ZPO, 18. Aufl. § 867 Anm. I V 2 und Staudinger-Seufert, B G B , 1 1 . Aufl. § 881 Anm. 15 d zu verneinen. Die Begründung der Entscheidung des B G H , in der im wesentlichen auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten abgestellt wird, befriedigt allerdings nicht und die Kritik von Staudinger-Seufert aaO ist deshalb, soweit sie sich gegen die Gründe des B G H richtet, nicht ungerechtfertigt. Durchschlagend sind jedoch folgende Erwägungen (vgl. Jansen, N J W 1954, 1291): Aus den §§ 857 1 , 810 ZPO, § 20 Z V G , § 93 B G B ist der Rechtssatz abzuleiten, daß Teile und Bestandteile eines Grundstücks nicht Gegenstand einer Sondervollstreckung sein können (Rosenberg aaO, § 189 II 1). Der zugrunde liegende Gedanke ist, daß eine wirtschaftliche Einheit nicht zerschlagen werden soll. Dieser Rechtssatz gilt auch für den Rangvorbehalt. E r steht nach § 8 8 i m B G B dem jeweiligen Eigentümer zu, ist also mit dem Eigentum am Grundstück verbunden. E r „gilt" daher nach § 96 B G B als Bestandteil des Grundstücks, d. h. unbeschadet seiner Natur als Recht, die trotz der Verbindung mit dem Grundstück gewahrt bleibt, ist er den für Grundstücksbestandteile geltenden Bestimmungen unterworfen (Wolff-Raiser, aaO, § 43 I ; Rosenberg, Sachenrecht, § 881 I V 3). Dies ist der tragende Grund dafür, warum der Rangvorbehalt im Wege der Sondervollstreckung nicht erfaßt werden kann, und zwar weder im Wege der Pfändung oder Hilfspfändung noch in Verbindung mit der Eintragung einer Zwangshypothek. Als Grundstücksbestandteil kann er vielmehr nur zusammen mit dem Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung erfaßt werden und geht mit dem Zuschlag auf den Ersteher über.

Umwandlung einer Höchstbetragshypothek in eine Grundschuld Auf dem Fabrikgrundstück der „Opta" Fernmeldeanlagen GmbH, ist in Abt. III unter Nr. 4 eingetragen: „120000 D M Sicherungshypothek zum Höchstbetrag von einhundertzwanzigtausend Deutschen Mark für den Bankier Rudolf Reich in Berlin wegen aller Forderungen aus der Geschäftsverbindung mit der „Opta" Fernmeldeanlagen Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Lichterfelde, eingetragen am 19. September 1952."

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Grundbuchamt — Höchstbetragshypothek

Dahinter unter Nr. 5 30000 D M Darlehnshypothek des Fräulein Margarete Loening. Am 15. Dezember 1955 sind vor dem Notar Siegel erschienen: „ 1 . der Prokurist Gustav Rodemaid aus Berlin, 2. der Ingenieur Direktor Paul Knebel, 5. der Prokurist Bernhard Aust, zu 2 und 5 aus Lichterfelde, 4. das Fräulein Margarete Loening aus Berlin. Die Persönlichkeit der Erschienenen Her Rodewald vertritt in dieser Verhandlung den Bankier Rudolf Reich aus Berlin auf Grund der ihm von Herrn Reich erteilten Prokura. Herr Knebel ist Geschäftsführer, Herr Aust Prokurist der „Opta" Fernmeldeanlagen Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Lichterfelde, die laut Gesellschaftsvertrag entweder durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten wird, und geben ihre Erklärungen namens der genannten Gesellschaft ab. Herr Reich und die „Opta" Fernmeldeanlagen Gesellschaft mit beschränkter Haftung vereinbarten folgendes: Die für Herrn Reich auf dem Grundstück der „Opta" Fernmeldeanlagen, Grundbuch von Lichterfelde Band 9 Blatt 221, in Abt. III unter Nr. 4 eingetragene Höchstbetragshypothek von 120 000 D M (i. W.) wird in eine Grundschuld zum gleichen Betrage umgewandelt, welche vom 1. Januar 1956 ab mit jährlich 8% verzinslich und drei Monate nach Kündigung fällig ist. Die „Opta" Fernmeldeanlagen Gesellschaft mit beschränkter Haftung unterwirft sich wegen der Grundschuld der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in das Grundstück. Die Zwangsvollstreckung soll gegen den jeweiligen Eigentümer zulässig sein. Die Eigentümerin willigt darein, daß dem Gläubiger jederzeit auf seinen einseitigen Antrag eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Verhandlung ohne den urkundlichen Nachweis der Tatsachen erteilt wird, von denen die Fälligkeit der Grundschuld abhängt. Die Grundschuld behält, auch wegen der Zinsen, den bisherigen Rang der Höchstbetragshypothek vor der unter Nr. 5 eingetragenen Darlehnshypothek von 30000 DM. Herr Reich bewilligt, die „Opta" Fernmeldeanlagen GmbH, bewilligt und beantragt die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch sowie die Aushändigung des zu bildenden Grundschuldbriefes an den Gläubiger. Fräulein Loening erklärt ihr Einverständnis mit der Eintragung hinsichtlich des Vorrangs der Grundschuldzinsen vor der ihr zustehenden Post Abt. III Nr. 5. Die Kosten übernimmt die „Opta" Fernmeldeanlagen GmbH. (Vorlesung, Genehmigung, Unterschriften)"

Der Notar überreicht Ausfertigung der Urkunde, den Brief über die Loeningsche Darlehenshypothek und zum Nachweis der Prokura des Rodewald ein Zeugnis des Registergerichts. Die in der Verhandlung über die Vertretungsverhältnisse der GmbH, gemachten Angaben werden durch das Handelsregister bestätigt. — Die Höchstbetragshypothek ist eine Unterart der Sicherungshypothek. Ihre Besonderheit liegt darin, daß nur der Höchstbetrag, bis zu dem das Grundstück haften soll, bestimmt und im übrigen die Feststellung der Forderung vorbehalten bleibt (§ 1190 1 ). Bis dahin ist die Last eine vorläufige Eigentümergrundschuld, die durch die Feststellung der Forderung auflösend bedingt ist (so Güthe-Triebel, § 22 Anm 14, 15), nach der Rechtsprechung allerdings schon durch die Entstehung der Forderung (RG GruchBeitr 58, 665; R G 125, 133; K G J F G 2, 443); jedoch erkennt auch das Reichsgericht an, daß die dem Eigentümer in Höhe des jeweils nicht ausgefüllten Teils der Hypothek zufallende Eigentümergrundschuld (§ 1 1 6 3 1 S. 2) wegen ihrer Bedingtheit nicht geltend gemacht werden kann, solange das Kreditverhältnis nicht endgültig gelöst ist (RG JW 1934, 1780). Bestimmt im Sinne des § 1 1 1 3 und des Bestimmtheitsgrundsatzes des Grundbuchrechts ist nur der Höchstbetrag der Geld-

Grandbuchamt — Höchstbetragshypothek

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summe, der nach § 1190 1 S. 2 in das Grundbuch eingetragen werden muß. Denn im Interesse der Gläubiger nachstehender Grundpfandrechte muß der Umfang der Belastung nach oben in jedem Falle feststehen. Die Forderung aber ist innerhalb des Höchstbetrages unbestimmt und im Rahmen des gesicherten Forderungskreises frei auswechselbar (§ ii9o I V ). Dadurch wird die Umständlichkeit einer Forderungsauswechselung nach § 1 1 8 0 durch Einigung und Eintragung vermieden. Dank dieser Elastizität eignet diese Hypothekenart sich gerade als Sicherheit für Kontokorrentkredite, bei denen ja die Forderungen täglich wechseln. Sie hat aber vom Standpunkt des Gläubigers Nachteile, welche Reich durch die Umwandlung beseitigen will: 1. Sie ist stets Sicherungshypothek (§ 1 1 9 0 1 1 1 ) . Dem Gläubiger kommt daher für seine actio hypothecaria die Grundbuchvermutung in Ansehung der persönlichen Forderung nicht zugute (§§ 891, 1138, 1 1 8 5 1 1 ) , vielmehr muß er die Höhe seiner Forderung besonders beweisen. 2. Die Zinsen werden in den Höchstbetrag eingerechnet (§ 1190 1 1 ). Auf die Höchstbetragshypothek von 120000 D M darf also Reich nur diejenige Summe kreditieren, die mit Hinzurechnung der bis zur Realisierung auflaufenden Zinsen 120000 D M ergibt. Dagegen haftet das Grundstück für die Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung auch bei der Höchstbetragshypothek über die eingetragene Hypothekensumme hinaus ( § 1 1 1 8 ) . 3. Die dingliche Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gemäß den §§794®, 800 ZPO ist regelmäßig nicht zulässig und nicht eintragungsfähig, weil die Forderung unbestimmt ist. Nur wenn innerhalb des Höchstbetrags die Forderung in Höhe einer Teilsumme bestimmt ist, kann für diesen Teilbetrag, nicht aber wegen des vollen Höchstbetrags, die Klausel eingetragen werden (BayObLG N J W 1954, 1808). Aus all diesen Gründen wird die Höchstbetragshypothek im Bankverkehr mehr und mehr durch die Grundschuld verdrängt. Die Grundschuld ist eine abstrakte Belastung des Grundstücks (§ 1 1 9 2 1 BGB), sie kann beliebig verzinslich (§ 1 1 9 1 n ) und vollstreckbar gemacht werden, gleichviel ob dem Gläubiger zur Zeit Forderungen gegen den Grundstückseigentümer in Höhe der Grundschuld zustehen oder nicht und ob diese Forderungen sich in Zukunft ändern werden. Die Banken lassen sich die Grundschuld als „verdeckte Höchstbetragsgrundschuld" bestellen, indem die Parteien für das Innenverhältnis vereinbaren, daß sie zur Sicherung aller Ansprüche aus der Geschäftsverbindung dienen soll. So erlangt die Bank eine dingliche Haftung des Grundstücks für ihre jeweiligen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung ohne die Mängel der Höchstbetragshypothek. Durch die Umwandlung wird also die bisher bestehende akzessorische Sicherheit (weitere Beispiele: Bürgschaft, Pfandrecht) in eine fiduziarische Sicherheit (weitere Beispiele: Sicherungsübereignung, Sicherungszession) verwandelt. Die a b s t r a k t e N a t u r d e r G r u n d s c h u l d bedeutet ebensowenig wie bei anderen abstrakten Rechtsverhältnissen eine völlige Loslösung v o m Kausalverhältnis. Hat der Eigentümer die Grundschuld ganz oder teilweise ohne rechtlichen Grund bestellt oder fällt der rechtliche Grund, nämlich der in der Sicherung der Forderung bestehende Leistungszweck, später weg, so kann er sie v o m Gläubiger nach § 8 1 2 kondizieren, und er kann die Kondiktion auch einredeweise gegenüber der dinglichen Grundschuldklage geltend machen. Im Verhältnis des Eigentümers zum ersten Grundschuldgläubiger bewirkt also die Abstraktheit des Rechts letzten Endes nur eine Umkehr der Beweislast. Der Zessionar der Grundschuld aber muß sich die exceptio doli entgegenhalten lassen, wenn er beim E r w e r b wußte, daß der Zedent keine Rechte aus der Grundschuld geltend machen konnte. R G 91, 2 1 8 . Man hat die Grundschuld den „Wechsel des Grundstücksverkehrs" genannt, und in der Tat entspricht die Behandlung der Einwendungen aus dem Kausalgeschäft durchaus dem Recht des Wechsels und der sonstigen Orderpapiere. Sogar „Gefälligkeits-Grundschulden", die eine vollständige Parallele zum Gefälligkeitsakzept und -giro darstellen, können wir im Rechtsverkehr beobachten. Gelangt das belastete Grundstück zur Zwangsversteigerung und beansprucht der Grundschuldgläubiger nur einen Teilbetrag, so hatte die Rechtsprechung früher angenommen, daß der Rest der

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Grundbuchamt — Grundschuld

Grundschuld „ins Leere falle", d. h. der Nachhypothekar aufrücke. R G 78, 60 lehnt diese Ansicht ab und führt die abstrakte Ausgestaltung der Grundschuld folgerichtig durch. Es muß also für den eingetragenen Gläubiger der volle Grundschuldbetrag eingesetzt werden (§ 1 1 4 Z V G ) , und dem Besteller der Grundschuld, dem Subhastaten also nur, wenn er mit diesem personengleich ist, steht lediglich ein Bereicherungsanspruch auf den Mehrbetrag zu, den er abtreten und der von seinen Gläubigern gepfändet werden kann. Unter Umständen entspricht aber die Erklärung des Gläubigers den Erfordernissen eines (teilweisen) Hypotheken Verzichts (§ 1168 BGB): alsdann geht der auf den verzichteten Teil entfallende Anteil am Versteigerungserlös mit dinglicher Wirkung auf den Subhastaten über. Der Verzicht kann auch zwischen dem Zuschlag und der Erlösverteilung erklärt werden und bedarf dann keiner Eintragung in das Grundbuch, weil die Grundschuld mit dem Zuschlag erloschen ist (§§ 52, 9 1 1 Z V G ; R G JW 1 9 3 1 , 2733). Das abstrakte Wesen der Grundschuld tritt ferner in dem Institut der E i g e n t ü m e r g r u n d s c h u l d zutage. Der romanistische Grundsatz, daß das Eigentum alle an der Sache denkbaren Befugnisse in sich schließe und deshalb dem Eigentümer an seiner Sache kein anderes dingliches Recht zustehen könne (nemini res sua servit), ist insoweit, als es sich um nachträgliches Erlöschen durch Konsolidation handelt, für Grundstücksrechte völlig aufgegeben (§ 889), für das Mobiliarpfandrecht eingeschränkt (§ 1256). Die Rechtsprechung hält auch nicht mehr daran fest, daß Rechte der zweiten Abteilung nur dann wirksam begründet werden könnten, wenn der Berechtigte und der Eigentümer des belasteten Grundstücks verschiedene Personen sind. Insbesondere ist es für zulässig erklärt worden, daß der Eigentümer zweier Grundstücke zugunsten des einen Grundstücks eine Grunddienstbarkeit an dem anderen bestellt (RG 142, 231). Daher kann die bei Parzellierungen oft notwendige Bestellung wechselseitiger Baubeschränkungen, Grenzmauer-, Wegerechte usw. für die Teilgrundstücke schon vor deren Umschreibung auf die Erwerber stattfinden. Was die Grundpfandrechte betrifft, so muß die Eigentümerhypothek des § 1163 B G B und der verwandten Bestimmungen zunächst für einen fremden Gläubiger eingetragen gewesen sein. Nur bei der G r u n d s c h u l d gestattet § 1196, daß sie von Anfang an für den Eigentümer bestellt wird. Diese Eigentümergrundschuld aus § 1196 ist sehr beliebt geworden, weil sie das Grundstück wirtschaftlich „mobilisiert" und dadurch Kreditoperationen erleichtert: im Brief der Eigentümergrundschuld verkörpert sich ein größerer oder geringerer Teil des Grundstückswertes, und es ist einfacher und billiger, mit der Grundschuld dingliche Sicherheit zu bestellen, als mit dem Grundstück selbst. Auch die Eigentümergrundschuld kann trotz des § 1 1 9 7 von Anfang an verzinslich und mit Unterwerfungsklausel eingetragen werden, denn die Beschränkungen des § 1197 können später wegfallen ( K G H R R 1928 Nr. 2318). Bis dahin gelten aber die Beschränkungen des § 1197 auch für den Vertragspfandgläubiger, dem die Eigentümergrundschuld verpfändet ist, denn er kann nicht mehr Rechte geltend machen als der Eigentümer.-Er kann aber die Umwandlung in eine Fremdgrundschuld dadurch herbeiführen, daß er nach dem Eintritt der Pfandreife den Anspruch auf Abtretung der Grundschuld an Zahlungsstatt geltend macht (§§ 1291, 1282 1 S. 3; K G J W 1938, 2494). Allerdings gilt er dann wegen seiner Forderung als befriedigt, selbst wenn er später in der Zwangsversteigerung einen Ausfall erleiden sollte. Dieselben Grundsätze gelten für den Pfändungspfandgläubiger (Horber, N J W 1955, 184). Einen ähnlichen rechtlichen Erfolg wie durch die Sicherungsgrundschuld hätte Reich auch erzielen können, wenn er sich eine Verkehrs-Briefhypothek für ein Darlehn in Höhe von 120000 D M hätte bestellen lassen, und wenn gleichzeitig im Innenverhältnis vereinbart worden wäre, daß das Darlehn durch die aus der Geschäftsverbindung erwachsenden Darlehns-, Vorschuß-, Provisionsusw. Forderungen valutiert wird. Dann wäre die dingliche Vollstreckungsklausel ebenfalls möglich gewesen (sog. verdeckte Höchstbetragshypothek, vgl R G 60,243; 1 5 2 , 2 i 9 ; B a y O b L G N J W 1954,1808).

Die Umwandlung der Höchstbetragshypothek in eine Hypothek von festem Betrag oder in eine Grundschuld ohne Zustimmung nachstehender Berechtigter entspricht dem Grundsatz der Auswechselbarkeit der Grundpfandrechtsformen (S. 619). Ebenfalls ohne Zustimmung der Nachhypothekare darf bei einer Festhypothek oder Grundschuld, die durch Umwandlung aus einer Höchstbetragshypothek entstanden ist, über den Höchstbetrag hinaus eine 5 %ige Verzinsung vereinbart werden, allerdings erst vom Tage der Eintragung der Umwandlung an (§ 1 1 1 9 1 , dazu R G 60, 243; K G J 40, 321). Da hier mehr als 5 % vereinbart worden sind, war die Zustimmung des Frl. Loening in grundbuchmäßiger Form und die Vorlegung ihres Briefes (§41 GBO) notwendig.

Grundbuchamt — Prokura und Grundbuch

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Reicht die Vertretungsmacht der auf beiden Seiten tätigen Prokuristen für die Umwandlung aus ? Nach § 49 H G B darf der Prokurist alle Arten von gerichtlichen oder außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen vornehmen, die der Betrieb irgendeines Handelsgewerbes mit sich bringt (hierzu können auch Grundstücksgeschäfte gehören), doch ist er zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken nur auf Grund besonderer Ermächtigung befugt. Das eingereichte Registerzeugnis enthält keine die gesetzlichen Befugnisse des Prokuristen erweiternde „Immobiliarklausel". Rodewald hat aber gar nicht Grundstücke veräußert oder belastet, sondern lediglich den Inhalt des seinem Vollmachtgeber zustehenden hypothekarischen Rechts abgeändert. Dagegen stelltdievondemProkuristen Aust zusammen mit dem Geschäftsführer Knebel für die „Opta" abgegebene Erklärung in der Tat eine durch § 49 nicht gedeckte Erweiterung der Grundstücksbelastung dar. Die Vertretung einer GmbH, durch einen Geschäftsführer und einen Prokuristen ist im Gesetz nicht vorgesehen, wird j edoch entsprechend den für andere Handelsgesellschaften maßgebenden § § 12 5 1 1 1 S. 1 HGB, 7 1 1 1 1 S. 1 AktG zugelassen. Wenn nun der Prokurist gewissermaßen zur Ergänzung der gesetzlichen Vertreter tätig wird, so muß seine Vertretungsmacht den gleichen Umfang haben wie diejenige eines Gesellschaftsorgans. Darum bleibt die Einschränkung des § 49 1 1 außer Anwendung. Staub 5 zu § 50; R G 134, 306. Eintragung in der Veränderungsspalte (5—7). „4. 120000 DM. Umgewandelt in eine vom 1. Januar 1956 an mit 8 v. H. verzinsliche und drei Monate nach Kündigung fällige Grundschuld. Die sofortige Zwangsvollstreckung ist gegen den jeweiligen Eigentümer zulässig. Eingetragen am . . . Dezember 1955."

Eines Vermerks über den Vorrang der 5 % übersteigenden Zinsen vor Nr. 5 bedarf es nicht, da die Eintragung der Veränderungsspalte im Zweifel den Rang der Haupteintragung teilt. R G 132, 106. Dagegen wäre, wenn Frl. Loening nicht eingewilligt hätte, bei Nr. 4 zu vermerken gewesen, daß die Mehrzinsen den Rang nach der Post Abt. III Nr. 5 haben. Unter keinen Umständen darf die Eintragung einer Zinserhöhung deshalb abgelehnt werden, weil die Vorrangseinräumung der nachstehenden Berechtigten fehlt. Umwandlung einer Eigentümergrundschuld in eine Hypothek. Tod des Vollmachtgebers Die dritte Hypothek des auf den Namen des Hüttendirektors Großkopf eingetragenen, jetzt seinen Erben gehörenden Geschäftsgrundstücks Ohlauerstraße 15 ist vom Gläubiger, Gutsbesitzer Wunderlich, zur Rückzahlung am 2. Januar 1956 (§193 BGB) gekündigt worden. Wunderlich hoffte, mit seiner Kündigung eine Zinssteigerung zu erzielen, doch hat der Grundstücksverwalter Redlich dies abgelehnt und in der Person des Photographen Schmeichel einen neuen Geldgeber gefunden, der die Hypothek zum unveränderten Zinssatz auf mehrere Jahre fest übernimmt. Jetzt soll die Hypothekenablösung durchgeführt werden. In der Regel werden derartige Fälle so erledigt, daß der bisherige Gläubiger gegen Zahlung des Hypothekenkapitals den Brief und eine auf den neuen Gläubiger lautende öffentlich beglaubigte Abtretungserklärung aushändigt. Wunderlich hat aber, ärgerlich über den Mißerfolg seines Kündigungsmanövers, abgelehnt, andere Erklärungen als diejenigen, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist, abzugeben. Er ist nur zur Ausstellung einer beglaubigten („löschungsfähigen") Quittung bereit. Ihn zur Ausstellung einer Abtretungsurkunde oder Umschreibungsbewilligung zu zwingen, fehlt die rechtliche Handhabe. Im Verhältnis zu Wunderlich erscheint die Zahlung, die Schmeichel an ihn leisten soll, als für Rechnung der Großkopfschen

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Grundbuchamt — Eigentümerhypothek und -grundschuld

Erben bewirkt. Daraus folgt gemäß §§ 362, 1 1 6 3 1 S. 2, 1 1 7 7 1 , daß Wunderlichs Darlehnsforderung erloschen und die Post als Grundschuld auf die Eigentümer übergegangen ist. Die von Wunderlich auszustellende beglaubigte Quittung weist gemäß § 2 2 1 S. 1 G B O die Großkopfschen Erben dem Grundbuchamt als Inhaber der Grundschuld aus, über die sie nunmehr zugunsten Schmeicheis weiter verfügen können. D a aber Schmeichel keine Grundschuld, sondern eine Hypothek wünscht, muß ein neues Darlehnsverhältnis begründet, und die Grundschuld in eine Hypothek für dieses Darlehn zurückverwandelt werden (§ 1 1 9 8 B G B ) . Welchen r e c h t l i c h e n I n h a l t haben E i g e n t ü m e r h y p o t h e k - und - g r u n d s c h u l d , und w i e w e r d e n sie v e r w i r k l i c h t ? Das Gesetz bestimmt nur negativ, daß der Eigentümer keine Zwangsvollstreckung zum Zwecke seiner Befriedigung betreiben kann (§ 1197 1 ) und daß ihm Zinsen grundsätzlich nicht zustehen (§ 1197 1 1 ). Positiv sind folgende Möglichkeiten von Bedeutung: 1. Der Eigentümer verfügt über das durch die E. repräsentierte, dem Eigentümer gegenüber verselbständigte begrenzte Recht am eigenen Grundstück, indem er es, wie hier, in eine Hypothek umwandelt und dann an einen Dritten abtritt. 2. Er tritt die E. ohne Umwandlung ab. Dann wird sie in der Hand des Zessionars Fremd-Grundschuld mit dem gewöhnlichen Inhalt. Handelt es sich nicht um eine von Anfang an für den Eigentümer eingetragene Eigentümergrundschuld (§ 1196), so richten sich Verzinsung, Fälligkeit usw. nach der früheren Forderung (§ 1 1 7 7 1 S. 2). 3. Wechselt das Grundstückseigentum ohne gleichzeitige Übertragung der E. auf den neuen Eigentümer, so verwandelt sie sich ebenfalls in eine Fremd-Grundschuld. 4. Wird in der — von einem anderen betriebenen — Zwangsversteigerung die E., die außerhalb des geringsten Gebots steht, durch das Meistgebot gedeckt, so hat der Eigentümer Anspruch auf den Kapitalbetrag der E. In der Regel machen Zessionare oder Pfändungsgläubiger des Eigentümers dieses Recht geltend. 5. In der von einem anderen betriebenen Zwangsverwaltung kann der Eigentümer Zinsen von der E. liquidieren (§ 1197 1 1 ), weil er die Nutzungen des Grundstücks nicht mehr zieht. Im übrigen hindert die E. vor allem das Aufrücken der Nachhypotheken. Die gesetzlichen Fälle der E. beruhen wesentlich auf dem Gedanken, daß die Post dem Gläubiger einerseits nicht mehr zustehen kann und daß es andrerseits ungerechtfertigt wäre, die Nachhypothekare — die vielleicht gerade wegen der ihnen vorgehenden Post hohe Zinsen und scharfe Kündigungsbedingungen gefordert und erhalten hatten — ohne jede Gegenleistung aufrücken zu lassen. Vgl. z. B. § 1170 B G B , § 868 ZPO. Der Unterschied, ob der Eigentümer die Hypothek mit oder ohne die Forderung erwirbt („Eigentümerhypothek" und „Eigentümergrundschuld" oder nach Dernburg: „forderungsbekleidete" und „forderungslose" Eigentümerhypothek), hat, solange die Vereinigung besteht, keine praktische Bedeutung. Im zweiten Fall „verwandelt" sich die Hypothek in eine Grundschuld, für deren Verzinsung usw. die für die Forderung getroffenen Bestimmungen „maßgebend bleiben" (§ 1177 1 ), im ersten bleibt sie Hypothek, aber die Rechte des Eigentümers „bestimmen sich" nach den für Eigentümergrundschulden geltenden Vorschriften (§ 1 1 7 7 1 1 ) . Forderungsbekleidet kann die EigentümerHypothek in der Regel nur sein, wenn der persönliche Schuldner nicht mit dem Eigentümer identisch ist. Anders aber z. B., wenn der Gläubiger den Eigentümer und persönlichen Schuldner beerbt hat und Nachlaßverwaltung angeordnet wird. Denn gilt die Vereinigung von Forderung und Schuld nach § 1976 als nicht eingetreten. Die durch die Nachlaß Verwaltung begründete Gütersonderung bewirkt, daß es so anzusehen ist, als seien Gläubiger und Eigentümer verschiedene Personen. Der Erbe kann also trotz des § 1197 die Zwangsversteigerung des Nachlaßgrundstücks betreiben. — Tritt der Eigentümer die forderungsbekleidete Hypothek ab, so gelten die §§ 1137, 1138. Folgende Urkunden werden aufgenommen und dem Grundbuchamt eingereicht: „Quittung. Für mich, den Gutsbesitzer Emil Wunderlich in Ochsdorf, haftet im Grundbuch von Lichterfelde Band 30 Blatt 750 in Abt. III unter Nr. 3 eine mit 8% verzinsliche Darlehnshypothek von 40 000 DM (i. W.). Ich bekenne, wegen Forderung und Zinsen von den Grundstückseigentümern, nämlich dem Gutsbesitzer Fritz Großkopf in Karolinenhof, Kreis Hameln, und dem volljährigen Fräulein Thea Großkopf in Bonn, heute befriedigt worden zu sein. Berlin, den 2. Januar 1956. Emil Wunderlich. (Beglaubigungsvermerk)"

Grundbuchamt — Vollmacht

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„Verhandelt Lichterfelde, den 2. Januar 1956. Vor dem unterzeichneten Notar usw. erschienen: 1. der Grundstücksverwalter Gotthard Redlich aus Lichterfelde, Ringstr. 47, 2. der Photograph Hermann Schmeichel aus Lichterfelde, Sandstr. 11. Die Persönlichkeit der Erschienenen Herr Redlich legte folgende Urkunde vor: „Vollmacht. Hierdurch bevollmächtige ich den Grundstücksverwalter Gotthard Redlich, alle mir im Bezirk des Amtsgerichts Lichterfelde gegenwärtig oder in Zukunft gehörenden Grundstücke, Rechte an Grundstücken und Wertpapiere zu verwalten und rechtsgeschäftliche Erklärungen aller Art bezüglich der vorbezeichneten Gegenstände für mich abzugeben, auch Rechtsstreitigkeiten über sie in meinem Namen zu führen. Mein Bevollmächtigter soll insbesondere befugt sein, grundbuchmäßige Bewilligungen und Eintragungsanträge aller Art bezüglich der Grundstücke und Grundstücksrechte zu erklären. Er kann Darlehen, die durch Eintragung auf einem mir gehörenden Grundstück gesichert werden sollen, in meinem Namen vereinbaren und entgegennehmen. Zur Erteilung von Auflassungen und zumVerkauf von Grundstücken ist er nicht berechtigt. Den Wert dieser Erklärung gebe ich auf 100000 DM an. zur Zeit Reichenhall, den 28. Juni 1953. Maximilian Großkopf. Die vorstehende, vor mir gefertigte Namensunterschrift des gegenwärtig in Bad Reichenhall, Sanatorium Quisisana, sich aufhaltenden Hüttendirektors Maximilian Großkopf aus Salzgitter beglaubige ich. Bad Reichenhall, den 28. Juni 195}. (Siegel) Huber, Notar. Er legte ferner den Erbschein nach Maximilian Groß köpf vom 19. August 1953, Geschäftszimmer 4 VI 63/53 des Amtsgerichts Salzgitter, vor und erklärte, daß er in dieser Verhandlung die Maximilian Großköpf sehen Erben, nämlich den Gutsbesitzer Frit% Großkopf in Karolinenhof, Kreis Hameln, und das volljährige Fräulein Thea Großkopf in Bonn, vertrete, für welche die Vollmacht vom 28. Juni 1953 fortbesteht. Hierauf erklärten die Erschienenen, Herr Redlich namens seiner Vollmachtgeber: Im Grundbuch von Lichterfelde Band 30 Blatt 750 — Ohlauerstraße 15 — ist in Abt. III unter Nr. 3 eine Darlehnshypothek von 40000 DM, zu 8% verzinslich, eingetragen, welche durch Zahlung auf die Erben des eingetragenen Eigentümers Maximilian Großkopf übergegangen ist. Die Großköpfsehen Erben haben von Herrn Schmeichel ein bares Darlehn von 40 000 DM (i. W.) erhalten, welches vom 1. Januar 1956 ab mit jährlich 8% (i. W.) in Vierteljahrszahlungen nachträglich zu verzinsen und drei Monate nach Kündigung zurückzuzahlen ist. Das Darlehn kann frühestens zum 1. Januar i960 gekündigt werden, jedoch ist der Gläubiger berechtigt, sofortige Rückzahlung zu fordern, wenn eine Zinsrate nicht bis zum fünften Tage nach Fälligkeit bezahlt sein sollte. Zur Sicherheit für das gewährte Darlehn treten die Großkopfschea Erben die durch Zahlung auf sie übergegangene Eigentümergrundschuld Abt. III Nr. 3 von 40000 DM unter Übergabe des Briefes an Herrn Schmeichel ab, indem sie im Einverständnis mit dem Gläubiger die Grundschuld in eine Hypothek für das Darlehn von 40 000 DM nebst 8 % Zinsen seit 1. Januar 1956 umwandeln. Die Großkopfschea Erben beantragen, sie im Grundbuch von Lichterfelde Band 30 Blatt 750 als Eigentümer einzutragen. Die Großkopfschea Erben sowie Herr Schmeichel bewilligen und beantragen, den Übergang der Hypothek als Grundschuld auf die Eigentümer, ihre Abtretung an Herrn Schmeichel und die Umwandlung in eine Darlehnshypothek in das Grundbuch einzutragen und den Brief dem Gläubiger Schmeichel unmittelbar auszuhändigen. Den Erbschein bitten sie Herrn Redlich zurückzugeben. Die Kosten übernehmen die Großkopfschea. Erben. (Vorlesungs- und Genehmigungsvermerk, Unterschriften.)" 42

L u x , Schulung. 4. Aufl

(Jansen)

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Grundbuchamt — Voreintragung des Betroffenen

Der gleichfalls überreichte Erbschein lautet: „Erbschein. Erben des zu Bad Reichenhall am zi. Juli 1 9 5 3 verstorbenen, zu Salzgitter wohnhaft gewesenen Hüttendirektors Maximilian Großkopf sind: 1. sein Sohn, Gutsbesitzer Fritz Großkopf in Karolinenhof, Kreis Hameln, 2. seine Tochter Thea Groß köpf in Bonn je zur Hälfte des Nachlasses. Salzgitter, den 19. A u g u s t 1 9 5 3 . Das Amtsgericht, (gez.) Richter. (Ausfertigungs vermerk)''

Der Hypothekenbrief liegt bei. — Die Einreichung der Redlichschen Vollmacht wird dadurch, daß der Notar ihren Inhalt in der Verhandlung wiedergegeben hat, ersetzt (RG 104, 361). Ihre im Protokoll bescheinigte Vorlegung begründet für Schmeichel den Schutz seines guten Glaubens, falls etwa die Vollmacht widerrufen sein sollte. Vgl. „Kraftloserklärung von Vollmachten" (16. Kap.). Ist die Vollmacht durch den Tod des Maximilian Großkopf erloschen ? Der Text der Urkunde besagt nichts darüber. Gemäß § 168 B G B kommt es auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis an. Ist dieses ein Auftrag oder, wie hier, ein Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungsinhalt (§§ 672, 675), so kann das Grundbuchamt grundsätzlich das Fortbestehen der Vollmacht über den Tod hinaus annehmen ( K G HRR 1934 Nr. 36). Die Erklärungen des Redlich sind so zu behandeln, als hätten die Erben selbst sie abgegeben. Der Fall einer „Bewilligung des Erblassers" (§ 40 1 GBO) liegt also nicht vor. Von der Zwischeneintragung der Erben könnte aber auch abgesehen werden, wenn es sich nur um eine Rechtsübertragung, verbunden mit einer Inhaltsänderung, handelte (S. 630). Die Erben wandeln zwar durch Redlich die Grundschuld in eine Hypothek um. Das ist aber nicht der Grund, weshalb auch die Eintragung der Maximilian Großkopfschen Erben als Eigentümer beantragt wird. Die Erben müßten nämlich gemäß § 39 1 zuvor als Gläubiger der aus der bisherigen Hypothek des Wunderlich entstandenen Eigentümergrundschuld auch dann eingetragen werden, wenn sie bereits als Eigentümer des Grundstücks in Abt. I verzeichnet wären. Das K G hat zwar in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß die Voreintragung des Eigentümers nicht erforderlich ist, wenn er über eine ihm als Eigentümergrundschuld zugefallene Hypothek verfügen will, weil der Eigentümer stets als m ö g l i c h e r eingetragener Inhaber der auf seinem Grundstück lastenden Hypotheken anzusehen ist ( K G J 45, 269; J F G 1, 487). Handelt es sich aber, wie hier, um die Umwandlung der zur Grundschuld gewordenen Hypothek nach § 1198 in Verbindung mit der Abtretung des dinglichen Rechts, so genügt nicht der Abtretungs- und Umwandlungsvermerk, sondern es muß auch gebucht werden, daß die Hypothek als Grundschuld auf den Eigentümer übergegangen ist, denn andernfalls wäre der Vermerk der Abtretung unter Umwandlung in eine Hypothek unverständlich, da es die Umwandlung einer Hypothek in eine Hypothek gleicher Art nicht gibt ( K G J 45, 285; K G J W 1933, 2010). D i e V o r e i n t r a g u n g d e s B e t r o f f e n e n verfolgt einen dreifachen Z w e c k : 1. Dem Grundbuchamt soll die Legitimationsprüfung erleichtert werden, da es grundsätzlich den Eingetragenen als den wahren Berechtigten ansehen kann (§ 891). 2. Die Eintragung des Berechtigten begründet für ihn einen gewissen Schutz dagegen, daß ein anderer unbefugt über das Recht verfügt. 3. Der Rechtsstand des Grundbuchs soll nicht nur im Endziel richtig, sondern in allen Entwicklungsstufen klar und verständlich wiedergegeben werden ( R G 1 3 3 , 3 8 3 ; B G H N J W 1 9 5 5 , 1877). Ist aber der durch die Eintragung Betroffene Erbe des eingetragenen Berechtigten und ist die Bewilligung v o m E r b -

Grundbuchamt — Teilabtretung einer Briefhypothek

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lasser erteilt, so braucht der Erbe nicht einmal dann eingetragen zu werden, wenn Veränderungen oder neue Rechte einzutragen sind (§ 40 J ). Die gleiche Vergünstigung genießen Bewilligungen eines Nachlaßverwalters oder sonstigen Nachlaßpflegers (§ 40 r ) oder Testamentsvollstreckers (§ 40 1 1 ), die gleichsam als Fortsetzung der vermögensrechtlichen Persönlichkeit des Erblassers erscheinen. Hätte Großkopf einen Testamentsvollstrecker bestellt, so wäte die Voreintragung der Erben (die nicht unerhebliche Kosten verursacht) wegen dieser Hypothekenablösung nicht notwendig gewesen. — Der Satz, daß die Bewilligung des Bevollmächtigten wie eine von den Erben selbst erklärte aufzufassen sei, bedeutet nicht etwa, daß bei Minderjährigkeit eines Erben vormundschaftsgerichtliche Genehmigung beigebracht werden müßte. Auf Grund der Erklärung des Erblassers besitzt der Bevollmächtigte (bis zum Widerruf) die Fähigkeit, Bewilligungen mit verbindlicher Wirkung für die Erben abzugeben. R G 88, 345; J F G 12, 274.

Eintragungen: „ A . Abt. I Sp. i—4: Sp. 1 : 2 Sp. 2: a) Gutsbesitzer Fri/z Großkopf in Karolinenhof, Kreis Hameln, b) Thea Großkopf in Bonn in ungeteilter Erbengemeinschaft. Sp. 3: i Sp. 4: Auf Grund des Erbscheins des Amtsgerichts Salzgitter vom 19. August 1953 — 4 V I 63/53 — eingetragen am . . . Januar 1956. B. Abt. III Sp. 5—7: 3. 40 000 DM. Als Grundschuld auf die Eigentümer übergegangen und unter Umwandlung in eine Hypothek für ein vom 1. Januar 1956 mit 8 v. H. verzinsliches Darlehn an den Photographen Hermann Schmeichel in Lichterfelde abgetreten. Eingetragen unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 2. am . . . Januar 1956."

Teilabtretung. Ordnungswidrig bewirkte Eintragungen Im Grundbuch von Lichterfelde Band 14 Blatt 403 ist seit Jahren eine Hypothek von 2 5 000 D M für den Privatmann Blum eingetragen. Während der Gerichtsferien hat Blum über einen dem Rest von 13 000 D M im Range vorgehenden Teilbetrag von 12000 D M beglaubigte Abtretungserklärung eingereicht. Eintragung in Sp. „Veränderungen". „ 3 a | 12000 D M | Zwölftausend Deutsche Mark nebst Zinsen seit dem 1. Oktober 1955, dem Rest im Range vorgehend, abgetreten an den Montagemeister Friedrich Stolpe in Lichterfelde. Eingetragen am 13. August 1955. Schnell.

Fahrig."

Als das Aktenstück bei späterer Gelegenheit dem Richter in die Hand kommt, stellt er fest, daß bei der Umschreibung vom 13. August 1955 kein Brief vorgelegen hat, obgleich das Grundbuch nichts über die Ausschließung der Brieferteilung besagt (§ 1 1 1 6 BGB), und auch tatsächlich ein Brief gebildet worden war. Wie ist die Rechtslage, und was soll geschehen? Die Umschreibung von Briefhypotheken im Grundbuch hat bekanntlich keine rechtsändernde Bedeutung. Nach § 115 4 ist sie zur Übertragung des Gläubigerrechts nicht notwendig, sondern es genügt Einigung über den Forderungsübergang (§ 398), schriftliche Abtretungserklärung und Übergabe des Briefes. Die Eintragung der Abtretung im Grundbuch ersetzt zwar die schriftliche Abtretungserklärung, nicht aber die Übergabe des Briefes (§ 1154 1 1 ). Sondervorschriften über T e i l a b t r e t u n g e n bestehen nicht. Es wird also darauf ankommen, ob eine Übergabe oder Ersatzübergabe des Briefes stattgefunden hat. Bei Teilabtretungen „kann" (§1152), nicht „muß", 42*

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Grundbuchamt — Bedeutung des Hypothekenbriefs

ein Teilbrief hergestellt und dem Zessionar ausgehändigt werden. Hat Blum den vorhandenen Brief über 2 5 000 D M an Stolze übergeben, so wäre die Abtretung durch Übergabe wirksam vollzogen. Hat Blum den Brief behalten und verabredet, daß er zugleich als unmittelbarer Besitzer den Brief für Stolze verwahre, so liegt darin ein zur Übertragung der Teilhypothek ausreichender Übergabeersatz durch Besitzkonstitut (§§ 1 1 5 4 1 S. 1, 1 1 1 7 1 S. 2, 930). Ja, vielleicht befindet sich sogar Stolze längst im Besitz eines ordnungsmäßigen Teilbriefes: denn Teilbriefe können, außer vom Grundbuchamt, von jedem Notar oder Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgefertigt werden. § 61 GBO. Denkbar wäre es aber auch, daß die Parteien irrtümlich eine Besitzübertragung für überflüssig hielten und die Sache mit der Umschreibung im Grundbuch für erledigt ansahen; dann wären die 12000 D M in Wahrheit nicht auf Stolze übergegangen, und das Grundbuch wäre unrichtig. Der in § 41 aufgestellte G r u n d s a t z .der B r i e f v o r l e g u n g verfolgt einmal den Zweck, die Legitimation des Bewilligenden klarzustellen (die Grundbucheintragung allein reicht hierzu nicht aus, weil der Eingetragene gemäß § 1 1 5 4 B G B außerhalb des Grundbuchs über die Post verfügt haben könnte). Außerdem soll im Interesse des geschäftlichen Verkehrs die dauernde Übereinstimmung von Brief und Grundbuch gewahrt werden, indem die bei der Hypothek bewirkte Eintragung alsbald vom Grundbuchamt auf dem Brief vermerkt wird. § 62 GBO. Ausnahmsweise bedarf es der Briefvorlegung nicht: 1. zur Eintragung gewisser Widersprüche (§ 4 1 1 S. 2), 2. wenn der Brief im Aufgebotsverfahren für kraftlos erklärt oder durch Ausschließung des Gläubigers kraftlos geworden ist; Löschungen erfolgen dann auf Grund des Ausschlußurteils, während zu sonstigen Verfügungen zunächst ein neuer Brief gebildet werden muß, wozu es eines Antrags bedarf, vgl. §§ 4 1 1 1 GBO, 1162, 1 1 7 0 1 1 S. 2, 1 1 7 1 1 1 S. 2 B G B , 1018 ZPO, 3. zur Löschung ausgefallener Hypotheken auf Ersuchen des Versteigerungsrichters ( § 1 3 1 Z V G ) , 4. zur Eintragung des Konkursvermerks auf Ersuchen des Konkursrichters (arg. § 1 1 3 2 KO). 5. zur Eintragung des allgemeinen Veräußerungsverbots im Konkurseröffnungsverfahren (§§ 106, 113) und Vergleichsverfahren (§§ 59, 61 VerglO) auf Ersuchen des Konkurs- bzw. Vergleichsgerichts, 6. nach Landesrecht bei Eintragungen auf Grund eines Unschädlichkeitszeugnisses. Die Umschreibung vom 13. August 1955 läßt sich durch keine Sondervorschrift rechtfertigen, sie stellt ein klares Versehen des Grundbuchamts dar. Z u r A u s n a h m e d e s § 4 1 1 S. 2 G B O : Das Gesetz befreit den Widerspruch nur dann von der Briefvorlegung, wenn er durch einstweilige V e r f ü g u n g angeordnet ist (nicht also den seltenen bewilligten Widerspruch), und wenn er sich darauf gründet, daß entweder die Hypothek oder die Forderung nicht bestehe oder einer Einrede unterliege oder daß die Hypothek unrichtig eingetragen sei. D e r Widerspruch muß sich also gegen die ursprüngliche Eintragung richten, während Widersprüche gegen nachträgliche Veränderungen bei Hypotheken (2. B. Umschreibungen, Rangänderungen) nicht bevorzugt sind. Z u r Eintragung von Vormerkungen bedarf es ausnahmslos des Briefes. Soweit zur Eintragung eines Widerspruchs oder einer Vormerkung der Brief gebraucht wird, ist seine Beschaffung Sache des an der Eintragung Interessierten. In der Regel wird er die Anordnung, daß der Gegner den Brief dem Grundbuchamt vorzulegen habe, durch einstweilige V e r f ü g u n g leicht erwirken können; für Widersprüche gibt § 896 B G B sogar einen besonderen Hilfsanspruch. Die Vollziehung der Anordnung bereitet freilich oft erhebliche Schwierigkeiten. Gegebenenfalls Offenbarungseid aus § 885 Z P O ! K a n n m a n s i c h a u f d e n I n h a l t d e s H y p o t h e k e n b r i e f s v e r l a s s e n ? Abweichungen zwischen Brief und Grundbuch kommen v o r : I. in den oben zu 1 bis 6 aufgeführten Fällen, II infolge von Versehen, sei es daß von vornherein wesentliche Angaben des Grundbuchs nicht in den Brief aufgenommen sind, oder daß man den Vermerk nach § 62 G B O vergessen oder unvollständig gemacht, oder endlich (wie in unserem Fall) zu Unrecht eine Grundbucheintragung ohne Briefvorlegung bewirkt hat. Endlich kann III. der Brief, auf den ein gutgläubiger Erwerber vertraut, nach den unter 2 aufgeführten Bestimmungen kraftlos geworden sein. Welches sind dann die Rechtsfolgen ?

Grundbuchamt — § 5 3 GBO

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a) Allerdings ist der Hypothekenbrief ein (sachenrechtliches) Wertpapier, denn die Geltendmachung des Rechts ist an die Innehabung des Papiers geknüpft (§§ 1154, 1160, 1 1 6 1 , 1144); er ist aber nicht Legitimationspapier, denn Eigentümer oder Schuldner können nicht ohne weiteres an den Inhaber mit befreiender Wirkung leisten, sondern müssen dessen Berechtigung prüfen. Der Hypothekenbrief ist also kein Inhaberpapier (anders der Inhabergrundschuldbrief, § 1195), sondern Rektapapier, d. h. das Recht aus dem Papier folgt nicht dem Recht am Papier, sondern die Übertragung des verbrieften Rechts zieht den Erwerb des Eigentums am Papier nach sich (§ 952). Er ist auch kein Wertpapier öffentlichen Glaubens. Nur das Grundbuch, nicht der Brief genießt öffentlichen Glauben. Aber der Brief ist geeignet, den öffentlichen Glauben des Grundbuchs zu zerstören. Die Berufung auf die Vorschriften der §§ 892, 893 ist ausgeschlossen, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs aus dem Brief oder einem auf ihn gesetzten Vermerk, z. B. einer Teilquittung (§§ H45 1 S. 2, 1150, 1167) hervorgeht oder wenn auf dem Brief ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs, der auch privaten Ursprungs sein kann, vermerkt ist (§§ 1140, 1157). In den Fällen I und II entscheidet also über die dingliche Rechtslage der Inhalt des Grundbuchs. Der kraftlose Brief (III) hat jede Wirkung verloren. Es gibt keinen Rechtssatz, der den guten Glauben an die Gültigkeit einer für krafdos erklärten Urkunde schützt. b) Staatshaftung gegenüber dem Geschädigten aus § 839 B G B , Art 34 G G kommt natürlich nur in Betracht, wenn die Nichtübereinstimmung des Briefes mit dem Grundbuch durch schuldhafte Außerachtlassung der Pflichten eines Grundbuchbeamten hervorgerufen war und nicht auf einem der Rechtsätze unter I oder III beruht. Hierbei entsteht die Frage, ob der Anspruch durch eigenes Verschulden des Geschädigten gemäß § 254 B G B ausgeschlossen wird, weil er ja aus dem Grundbuch die wahre Rechtslage hätte ersehen können. Mit Recht lehnt das R G in JW1929, 772"das mitwirkende Verschulden ab. Hypothekenbriefe haben den Zweck, die grundbuchrechtlichen Verhältnisse zweifelsfrei kundzutun und die Einsicht des Grundbuchs selbst für den Verkehrs entbehrlich zu machen. Daß ganz besonders vorsichtige Gläubiger vielleicht außer dem Brief auch das Grundbuch einsehen, muß außer Betracht bleiben. Wie wir v o n der Erbscheinseinziehung (S. 574) wissen, sind fehlerhafte A k t e der freiwilligen Gerichtsbarkeit v o n A m t s wegen rückgängig zu machen. F ü r o r d n u n g s w i d r i g z u s t a n d e g e k o m m e n e G r u n d b u c h e i n t r a g u n g e n ist § 53 G B O maßgebend, welcher zwei Gruppen von Fällen unterscheidet. Erweist sich die Eintragung als „nach ihrem Inhalt — in abstracto — unzulässig", so wird sie v o n A m t s wegen gelöscht. Dieser Tatbestand kann vorliegen, wenn a) die Eintragung ein überhaupt nicht eintragungsfähiges Recht verlautbart, z. B. ein Mietrecht (Grundsatz der geschlossenen Zahl der Sachenrechte) oder eine nicht eintragungsfähige öffentliche Last (§ 54 GBO) oder b) wenn das Recht nicht mit dem gesetzlich gebotenen Inhalt eingetragen ist, z. B. fehlende Angabe des Berechtigten, die auch durch Bezugnahme nicht gedeckt sein würde, Eintragung eines bedingten Eigentumsübergangs (§ 9 2 5 n ) , Eintragung eines Rechts ohne Angabe seines wesentlichen Inhalts (oben S. 623) oder c) wenn das Recht mit einem gesetzlich unzulässigen Inhalt eingetragen ist, z. B. eine Zwangshypothek als Gesamthypothek, Eintragung eines Erbbaurechts oder eines Heimstättenvermerks nicht zur ersten Rangstelle (OLG München J F G 21, 16). Im übrigen (bei den „versehentlichen" Eintragungen) findet lediglich die Eintragung eines Widerspruchs v o n A m t s wegen statt. Das hängt mit dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs zusammen. Einer an sich inhaltlich möglichen Eintragung kann niemand den Mangel ihres Zustandekommens ansehen: daher wird hier zunächst nur der Widerspruch eingetragen, um für die Zukunft gutgläubigen E r w e r b zu verhindern, und die endgültige Löschung dem späteren Antragsverfahren (Berichtigung auf Bewilligung des Betroffenen oder auf Grund eines gegen ihn ergangegen rechtskräftigen Urteils, § 894 Z P O ) vorbehalten. Bei den inhaltlich unzulässigen Eintragungen fällt diese Rücksichtnahme fort, weil durch sie ohnehin kein Gutgläubiger Rechte zu erlangen vermag, darum werden sie alsbald gelöscht. E s darf aber nicht übersehen werden, daß nunmehr der ursprüngliche Antrag noch unerledigt ist und die Eintragung nachgeholt werden muß, sofern der jetzige Grund-

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Grundbuchamt — Amtswiderspruch

buchstand es zuläßt, d.h. wenn der Bewilligende noch als Berechtigter eingetragen ist und unbeschadet inzwischen erworbener Rechte Dritter, also an jetzt bereitester Rangstelle. Die Eintragung eines Amtswiderspruchs setzt nach § 5 3 1 S. 2 voraus, daß das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung bewirkt hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Die Gesetzesverletzung muß objektiv feststehen. Sie muß für die Eintragung, wenn auch nicht für die Unrichtigkeit, ursächlich gewesen sein. Bei der Verschiedenartigkeit der Grundsätze, auf denen materielles und formelles Grundstücksrecht beruhen (S. 621), brauchen die beiden Voraussetzungen nicht zusammenzutreffen. Bisweilen wird ja das Grundbuch gerade durch Befolgung der Vorschriften der G B O mit Notwendigkeit unrichtig (z. B. § 21 G B O gegen § 876 B G B , oben S. 606, oder wenn die Briefhypothek für den Gläubiger eingetragen wird, obwohl er die Hypothek erst mit der Übergabe des Briefes erwirbt, § 1 1 1 7 1 ) . Umgekehrt bleibt das Grundbuch mit der materiellen Rechtslage im Einklang, wenn unter Verletzung des § 29 G B O auf unbeglaubigte Bewilligung eine Hypothek eingetragen wurde, die Beteiligten sich aber formlos gemäß § 873 B G B geeinigt hatten, oder wenn unter Nichtbeachtung des § 3 5 G B O einer Verfügung des richtigen Erben stattgegeben wurde, der nur durch eigenhändiges Testament ausgewiesen ist. In den allerwenigsten Fällen kann das Grundbuchamt mit Sicherheit wissen, wie die wirkliche Rechtslage ist. Da es sich um einen vorläufigen und dabei sehr eiligen Rechtsbehelf handelt, muß es zur Anwendung des § 5 3 schon genügen, daß das Grundbuchamt bei gewissenhafter Prüfung die Unrichtigkeit des Grundbuchs als glaubhaft ansieht. J F G 7, 253 ; K G DNotZ 1956, 195. Dabei hat es seine Ermittlungspflicht (§ 12 F G G ) auch darauf zu erstrecken, ob das Grundbuch nicht inzwischen durch einen möglicherweise vorliegenden gutgläubigen Erwerb richtig geworden ist ( K G JW 1933, 2709). Darnach wäre die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Umschreibung der 12 000 D M auf Stolze in Erwägung zu ziehen, wenn nicht der Amtswiderspruch ebenfalls unter der Regel der Briefvorlegung stände (§ 53 1 1 ). Der Widerspruch soll sich gegen die Eintragung einer Veränderung richten, zählt mithin nicht zu den Fällen des § 4 1 1 S. 2. Es kommt also alles darauf an, den Brief zur Stelle zu schaffen. Soweit in den Ausnahmefällen Widersprüche ohne Briefvorlegung einzutragen sind, hat das Grundbuchamt den Besitzer des Briefes durch Ordnungsstrafen, gegebenenfalls durch unmittelbaren Zwang, zur Vorlegung anzuhalten, damit die Eintragung nachträglich auf dem Briefe vermerkt werden kann. §§ 62 1 1 GBO, 33 F G G . Darf das gleiche Verfahren eingeschlagen werden, wenn das Grundbuchamt die SollVorschrift des § 4 1 1 S. 1 G B O übersehen hat? R G 83, 290 verneint, weil das Grundbuchwesen auf dem Parteibetrieb beruht und weil „die Interesssen fahrlässiger Antragsteller und unvorsichtiger Grundbuchbeamter die Anwendung staatlichen Zwanges nicht rechtfertigen können". Die Angelegenheit muß also auf dem Prozeßweg ausgetragen werden, und der Geschädigte sich äußerstenfalls an den Fiskus halten. Um weiterzukommen, bestellt der Richter Blum und Stolze, die beide am Ort wohnen, zur Rücksprache mit der Aufforderung, den Brief über die 25 000 D M mitzubringen : N a c h t r ä g l i c h e B i l d u n g des T e i l b r i e f s . Auf die Ladung erscheinen: „ i . der Privatmann August Blum, 2. der Montagemeister Friedrich Stolpe beide aus Lichterfelde, ausgewiesen durch

und erklären:

Der Brief über die in Abt. III unter Nr. 3 eingetragenen 2 5 000 DM befindet sich bis jetzt in alleiniger Verwahrung des Erschienenen zu 1 Blum. Eine Vereinbarung darüber, daß Blum den Besitz gleichzeitig für Herrn Stolpe ausübt, ist nicht getroffen worden.

Grundbuchamt — Teilhypothekenbrief

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Nunmehr beantragt Herr Blum, über die an Herrn Stolpe abgetretenen 12000 DM einen Teilbrief zu bilden und an Herrn Stolpe auszuhändigen. Er überreicht den Brief über 25 000 DM, den er nach Bildung des Teilbriefs an ihn zurückzugeben bittet, und übernimmt die Kosten. Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben: August Blum. Friedrich Stolpe." Beglaubigung des Antrags ist nicht erforderlich, weil der Teilbrief nicht zu den Voraussetzungen der Eintragung gehört und es sich daher u m einen „ r e i n e n " A n t r a g handelt (§ 30). E b e n s o w e n i g Z u s t i m m u n g des Grundstückseigentümers (§ 1 1 5 2 S. 1 BGB). — Verfügung: „ 1 . Teilbrief bilden, mit beglaubigter Abschrift der Schuldurkunde verbinden und an Stolpe aushändigen. 2. Bildung des Teilbriefs auf dem bisherigen Brief vermerken." § 6 1 1 1 1 G B O . K e i n V e r m e r k im G r u n d b u c h , obgleich der Teilbrief f ü r den abgetretenen T e i l an die Stelle des Stammbriefs tritt ( § 1 1 5 2 8 . 2 B G B ) . E r ist nicht „ n e u e r B r i e f " i m Sinne v o n § 6 8 m G B O ! „3. Stammbrief alsdann an Blum zurückgeben. (Beh.-Schein)." E x p e d i t i o n des Teilbriefs. „Deutscher Teilhypothekenbrief über 12000 DM Teilbetrag der im Grundbuch von Lichterfelde Band 14 Blatt 403 Abt. III Nr. } eingetragenen 25000 DM. Der bisherige Brief über die Hypothek von 25000 DM lautet wie folgt: Deutscher Hypothekenbrief über die im Grundbuch von Lichterfelde Band 14 Blatt 405 Abt. III Nr. 3 eingetragenen 25000 DM. Inhalt der E i n t r a g u n g : Nr. 3: 25000 (i.W.) Deutsche Mark Darlehn, mit sechs vom Hundert seit dem 1. Oktober 1948 zu verzinsen usw. bis: (Siegel)

Lichterfelde, den 28. September 1948 Das Amtsgericht. (gez.) Pfleger (gez.) Urkund.

Die vorstehende Abschrift stimmt mit der Urschrift überein. Von den 25000 DM sind 12000 DM (i.W.) mit den Zinsen seit 1. Oktober 1955, dem Rest im Range vorgehend, an den Montagemeister Friedrich Stolpe in Lichterfelde abgetreten. Die Abtretung ist am 13. August 1955 im Grundbuch eingetragen. Über die abgetretenen 12000 DM (i.W.) ist dieser Teilhypothekenbrief hergestellt worden. Die Herstellung ist auf dem bisherigen Briefe vermerkt. Lichterfelde, den 29. Dezember 1955. (Siegel) Das Amtsgericht." Auf den Stammbrief über 25 000 DM wird neben die Überschrift der Vermerk gesetzt: „Noch gültig für 13000 DM. Lichterfelde, den 29. Dezember 1955." Ferner hinter den letzten Vermerk: „Von den vorstehenden 25000 DM sind 12000 DM (i.W.) mit den Zinsen seit 1. Oktober 1955, dem Rest im Range vorgehend, an den Montagemeister Friedrich Stolpe in Lichterfelde abge-

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Grundbuchamt — Zinssatz treten. Die Abtretung ist am 13. August 1955 im Grundbuch eingetragen. Für den abgetretenen Betrag ist ein Teilhypothekenbrief hergestellt. Lichterfelde, den 29. Dezember 1955. (Siegel)

Das Amtsgericht."

Gleitender Zinssatz. Beschwerde. Antragsrücknahme. Rangvertauschung G l e i t e n d e r Z i n s s a t z . Z w i s c h e n v e r f ü g u n g . Eingang bei dem auf den Namen des Fuhrunternehmers Irrgang eingetragenen unbelasteten Grundstück Lichterfelde Blatt 671: S c h u l d v e r s c h r e i b u n g und H y p o t h e k e n b e s t e l l u n g . Als eingetragener Eigentümer des Grundstücks Lichterfelde Band 31 Blatt 671 bekenne ich, dem Rentner Paul Pechmann in Lichterfelde, Geranienstraße 17 ein Darlehn von 8000 D M (i.W.) zu schulden, welches vom 1. Januar 1956 an mit jährlich 6% v. H. (i.W.) in Vierteljahrsraten nachträglich zu verzinsen ist. Der Gläubiger ist jedoch berechtigt, durch schriftliche Erklärung mir gegenüber den Zinssatz von dem auf den Zugang der Erklärung folgenden Monatsersten an auf den Zinssatz zu erhöhen, den die Städtische Sparkasse in Lichterfelde für erststellige Hypotheken nimmt. Das Darlehn wird drei Monate nach Kündigung fällig. Die Kündigung kann beiderseits frühestens zum 1. Januar 1962 erklärt werden. Sollte eine Zinsrate am siebenten Tag nach Fälligkeit nicht bezahlt sein, so kann der Gläubiger sofortige Rückzahlung des Darlehns verlangen. Zur Sicherheit für die vorbezeichnete Darlehnsforderung von 8000 D M nebst Zinsen verpfände ich dem Gläubiger mein Grundstück Lichterfelde Blatt 671. Ich bewillige und beantrage die Eintragung der Darlehnshypothek im Grundbuch und die Aushändigung des zu bildenden Briefs an Herrn Pechmann. Lichterfelde, den 29. Dezember 1955. Wilhelm Irrgang. (Beglaubigungsvermerk)."

Zwischenverfügung des Rechtspflegers an Irrgang: „Die von Ihnen für Herrn Pechmann bestellte Hypothek von 8000 D M kann so, wie sie bewilligt und beantragt ist, nicht eingetragen werden. Nach § 1 1 1 5 1 B G B ist bei der Eintragung im Grundbuch der Zinssatz anzugeben. Hierzu genügt die Bestimmung des Zinssatzes durch eine Sparkasse nicht ( O L G Darmstadt, DNotZ 1936, 570). Auch ist die Bestimmung der Zinserhöhung in das Belieben des Gläubigers gestellt, was unzulässig ist (OLG Hamm, D N o t Z 1954, 604). Es muß daher ein fester Zinssatz angegeben werden. Zur Beseitigung des Hindernisses wird Ihnen gemäß § 1 8 G B O eine Frist von zwei Wochen seit dem Zugang dieser Verfügung bestimmt."

B e s c h w e r d e g e g e n eine R e c h t s p f l e g e r v e r f ü g u n g . „Lichterfelde, den 3. Januar 1956. A n das Amtsgericht, Grundbuchamt, Lichterfelde. In der Grundbuchsache von Lichterfelde Band 31 Blatt 671 lege ich gegen die Verfügung vom 30. Dezember 1955 hiermit Beschwerde ein und verlange Eintragung nach dem von mir ordnungsmäßig gestellten Antrag. Wilhelm Irrgang."

Das Rechtsmittel des Grundbuchrechts ist die einfache Beschwerde, der das Grundbuchamt, wenn es sie für begründet ansieht, abhelfen kann. §§ 71, 75 GBO. War die angefochtene Verfügung vom Rechtspfleger erlassen, wie in unserem Fall, so ist dagegen nicht die Beschwerde an das Landgericht gegeben, sondern es ist die Entscheidung des Grundbuchrichters nachzusuchen. Üblicherweise wird dieser

Grundbuchamt — Gleitender Zinssatz

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Rechtsbehelf als Erinnerung be2eichnet. Als eine solche ist auch die vorliegende Eingabe zu behandeln. Die unrichtige Bezeichnung als Beschwerde ist unschädlich. Der Rechtspfleger hat von seiner Befugnis, dem Verlangen nach Änderung stattzugeben, keinen Gebrauch gemacht und die Eingabe dem Richter vorgelegt (§ 3 1 d REntlVerf). Die Beschwerde ist erst gegen die Entscheidung des Richters gegeben, die dem Erinnerungsführer bekannt zu machen ist. Der Referendar: Ich kann nicht einsehen, warum § x 115 1 B G B der Eintragung der Verzinsung nach den Sätzen der Sparkasse entgegenstehen soll. Das Gesetz verlangt nur, daß „der Zinssatz" eingetragen wird. Aber nirgends ist bestimmt, daß es eine feste Zahl sein müßte. In dem sehr häufigen Fall der Strafzinsen (S. 45 5) begnügt man sich, im Grundbuch den Höchstbetrag anzugeben, etwa in der Fassung „mit 6%, unter Umständen mit 7 % verzinslich". Es ist deshalb unlogisch, gerade die Verzinsung nach den Banksätzen von der Eintragung im Grundbuch auszuschließen. Der für Hypothekenausleihungen der Sparkasse jeweils geltende Zinssatz läßt sich doch durch Nachfrage jederzeit leicht feststellen. Ich möchte die Entscheidung des Rechtspflegers abändern und die Hypothek antragsgemäß eintragen. Der Richter: Ihre Ausführungen haben einiges für sich. Die schwankende Lage auf dem Kapitalmarkt hat schon seit langem das Bedürfnis hervorgerufen, auch die Zinssätze für langfristige Beleihungen der jeweiligen Marktlage anzupassen. Letzten Endes dient eine solche Möglichkeit auch den Belangen des Schuldners, weil dadurch Kündigungen des Kapitals nur zum Zwecke der Zinserhöhung vermieden werden. Die Rechtsprechung hat sich daher schon wiederholt mit der Frage befassen müssen, ob das geltende Recht die Eintragung sog. gleitender Zinssätze in das Grundbuch gestattet. Hierfür kommt es darauf an, wieweit die Bedeutung des Bestimmtheitsgrundsatzes geht. Die Geldsumme, die zur Befriedigung aus dem Grundstück zu zahlen ist und die nach §1x13 „bestimmt" sein muß, wird begrenzt nicht nur durch den Geldbetrag der Forderung, sondern auch durch den Zinssatz, der deshalb nach § 1115 im Grundbuch eingetragen werden muß. Der Bestimmtheitsgrundsatz bezweckt in der Hauptsache, den Umfang, in welchem das Grundstück für das eingetragene Recht haften soll, für jeden Dritten, insbesondere für nachstehende Berechtigte, aus dem Grundbuch selbst erkennbar zu machen und so die durch das einzelne dingliche Recht eingenommene Rangstelle abzugrenzen. Deswegen muß in jedem Falle die obere Haftungsgrenze feststehen. Daran fehlt es in der Eintragungsbewilligung des Irrgang. Denn es ist zwar der zur Zeit geltende Zinssatz bestimmt, nicht aber die obere Grenze, bis zu der er erhöht werden darf. Gleichwohl dürfte aber die Zwischenverfügung des Rechtspflegers insofern nicht in vollem Umfange berechtigt sein, als sie die Angabe eines festen Zinssatzes verlangt. Denn eine Zwischenverfügung nach § 18 muß nicht nur das Hindernis bezeichnen, sondern auch die zu ihrer Beseitigung dienlichen Mittel richtig und vollständig angeben. Wir müssen daher prüfen, ob es nicht genügen würde, wenn die Bewilligung durch Angabe eines festen Höchstzinssatzes ergänzt wird. In der Rechtsprechung ist es zugelassen worden, daß innerhalb eines Höchst- und Mindestsatzes der jeweils geltende Zinssatz nach dem wechselnden Diskontsatz der Notenbank berechnet wird, z. B. „ 2 % über dem jeweiligen Reichsbankdiskontsatz, mindestens 5 %, höchstens 8 % " ( O L G Karlsruhe, J F G 7, 392; K G HRR 1928 Nr. 1106; 1931 Nr. 1863; JW 1938, 1257). Eine solche Regelung wurde für ausreichend erachtet, weil der maßgebende Zinssatz anhand des amtlich bekannt gemachten Diskontsatzes jederzeit sicher bestimmbar ist. Der Diskontsatz ist aber als Maßstab für langfristige Beleihungen nicht geeignet, weil er nicht im Hinblick auf den Realkredit festgesetzt wird. Es ist deshalb die Frage aufgetaucht, ob es zulässig ist, daß der Gläubiger selbst innerhalb eines bestimmten Rahmens durch seine Erklärung den jeweils geltenden Zinssatz bestimmt. Das O L G Stuttgart hat dies

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Grundbuchamt — Antragsrücknahme

in NJW1954,1646 für zulässig gehalten, wenn die Befugnis des Gläubigers eine allgemein eingetretene Änderung des Zinssatzes auf dem Kapitalmarkt zur Voraussetzung hat. Auch im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß die Bestimmung zwar nicht in das freie Belieben des Gläubigers gestellt sein dürfe, daß aber die Bindung des Gläubigers an die Kapitalmarktlage ein objektiv nachprüfbarer und deshalb ausreichender Maßstab sei (Riedel, DNotZ 1954, 562). Eine gefestigte Rechtsauffassung hat sich zu dieser Frage noch nicht gebildet. In unserem Falle kann man wohl Bedenken zurückzustellen, weil die Bestimmung des Gläubigers von einer Änderung der Zinssätze eines Kreditinstituts als Dritten, nämlich der Sparkasse, abhängig ist, die sich ihrerseits wieder nach der Kapitalmarktlage richten wird. Auch das K G hat es in JW 1938,1257 für zulässig erachtet, daß der Zinssatz der Hypothek an den Zinssatz einer Sparkasse angelehnt wird. Irrgang erhält folgenden Bescheid: „Ihre gegen die Verfügung des Rechtspflegers gerichtete Eingabe vom 3. d. M. ist dem unterzeichneten Richter zur Entscheidung vorgelegt worden. Es wird als ausreichend angesehen, wenn Sie die Verzinsung in Anlehnung an den Zinssatz der Sparkasse bestehen lassen und lediglich durch Angabe eines in das Grundbuch einzutragenden festen Höchstsatzes ergänzen. Mit dieser Maßgabe wird die Entscheidung des Rechtspflegers aufrecht erhalten. Die zur Beseitigung des Hindernisses bestimmte Frist wird bis zum 19. Januar einschließlich verlängert." Erfolgt die Eintragung in der vorgeschlagenen Weise, so können Gläubiger und Eigentümer ohne Zustimmung nachstehender Berechtigter an Stelle des gleitenden Zinssatzes eine feste Verzinsung bis zur Höchstgrenze vereinbaren, auch wenn der tatsächlich geltende Zinssatz die eingetragene Höchstgrenze noch nicht erreicht hatte ( K G DNotZ 1931, 282). — Ist in einem vollstreckbaren Titel ein gleitender Zinssatz vorgesehen (z. B. nach dem Gesetz über Wechsel- und Scheckzinsen vom 3. Juli 1925 — R G B l I 93), dann kann der Gläubiger den bei der Zwangshypothek einzutragenden Höchstzinssatz bestimmen (OLG Karlsruhe, J F G 7, 396).

A n t r a g s r ü c k n a h m e . Am 15. Januar erscheint Irrgang auf dem Gericht und erkundigt sich, ob und in welcher Form er den gestellten Eintragungsantrag zurücknehmen könne. Er wird lelehrt, daß die Rücknahme öffentlicher Beglaubigung bedarf ( § 3 1 GBO). Daraufhin geht am 18. Januar folgende Erklärung ein: „ A n das Amtsgericht, Grundbuchamt, Lichterfelde. In der Grundbuchsache von Lichterfelde Blatt 671 nehme ich den Eintragungsantrag vom 29. Dezember 1955 hiermit zurück. Lichterfelde, den 17. Januar 1956. Wilhelm Irrgang. (Beglaubigungs vermerk).''

Daß Eintragungsanträge bis zu ihrer vollständigen Erledigung vom Antragsteller beliebig zurückgenommen werden können, wird in der G B O nicht besonders ausgesprochen, sondern in § 31, der für die Rücknahme beglaubigte Form verlangt, als selbstverständlich vorausgesetzt. Es handelt sich um eine Frage des formellen Grundbuchrechts. Gleichgültig daher, ob Irrgang sich mit Pechmann über die Begründung der Hypothek geeinigt, ob er das Darlehn von ihm bereits ausgezahlt erhalten hatte, ob er durch Zurücknahme des Antrags vertragliche Verpflichtungen gegenüber seinem Geldgeber verletzt. Nach § 873 1 1 B G B wird die, an sich nicht formbedürftige, Einigung „bindend", wenn gewisse Formen gewahrt sind, unter denen die Aushändigung einer den Vorschriften der G B O entsprechenden Eintragungsbewilligung die wichtigste ist. Diese „Bindung" bedeutet aber nur, daß die sachlichrechtliche Wirkung der dinglichen Einigung nicht mehr durch einseitigen Widerruf beseitigt werden kann, während sie die Befugnis des Antragstellers zur Antragsrücknahme gegenüber dem Grundbuchamt nicht berührt. Der Grundbuch-

Grundbuchamt — Antragsrecht des Notars

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richter kann und braucht sich um derartige sachlichrechtliche Tatbestände nicht 2u bekümmern. Nur wenn Pechmann als Antragsteller oder Mit-Antragsteller aufgetreten wäre, wozu ihm § 1 3 1 1 G B O die Möglichkeit bot, wäre zur Zurücknahme des Eintragungsantrags auch seine (beglaubigte) Erklärung erforderlich gewesen. Welche Gefahren für den Erwerber daraus entstehen können, daß der Eintragungsantrag vom Betroffenen allein gestellt war und daß dieser zur Antragsrücknahme befugt ist, liegt auf der Hand. Die Rechtsprechung hilft, soweit möglich, wenigstens bei den durch Notare eingereichten Anträgen. Nach § 15 G B O gilt der Notar, der die zu einer Eintragung erforderliche Erklärung beurkundet oder beglaubigt hat, als ermächtigt, im Namen eines Antragsberechtigten die Eintragung zu beantragen. Der Notar hat also kein eigenes Antragsrecht, sondern er handelt als Bevollmächtigter eines Antragsberechtigten kraft gesetzlich vermuteter Vollmacht. Dieselbe Regelung besteht für Anmeldungen beim Registergericht in Handels-, Genossenschafts-, Vereins-, Güterrechts- und Schiffsregisterangelegenheiten (§§ 129, 147, 159, 161 F G G , § 25 SchiffsRegO; vgl. auch für Standesregistersachen § 71 F G G ) . Ein Vollmachtsnachweis kann in diesen Fällen nicht verlangt werden. Das Bestehen der Vollmacht ist allerdings formlos widerlegbar, z. B. durch einfache Erklärung des vertretenen Beteiligten gegenüber dem Grundbuchamt, im Gegensatz Zu der rechtsgeschäftlich erteilten Antragsvollmacht, deren Widerruf nach § 3 1 G B O der Form des § 29 bedarf ( K G J 24A 91). Macht der Notar von seiner Befugnis Gebrauch, so knüpfen sich daran erhebliche verfahrensrechtliche Wirkungen: Die auf seinen Antrag ergehenden Entscheidungen (Zwischenverfügung, Zurückweisung, Eintragung) sind dem Notar selbst, nicht dem von ihm vertretenen Antragsberechtigten bekanntzumachen (KG D N o t Z 1953, 372), und zwar auch dann, wenn dieser neben dem Notar den Antrag gestellt hatte; eine Bekanntmachung an den Antragsberechtigten wäre unwirksam (OLG München, J F G 18, 20). Der Notar, der auf Grund des § 15 den Eintragungsantrag für einen Antragsberechtigten gestellt hat, kann namens dieses oder eines anderen Antragsberechtigten Beschwerde einlegen (BayObLG 34, 1 2 1 ; K G J W 1938, 1834). E r kann schließlich formgerecht weitere Beschwerde einlegen, ohne einen Rechtsanwalt hinzuziehen zu müssen (§§ 80 1 S. 3 GBO, 29 1 S. 3 F G G ) . § 15 verschafft also dem Notar die Möglichkeit, das Verfahren bis zu seiner endgültigen Erledigung in der Hand zu behalten und seinen ordnungsgemäßen Ablauf im Interesse der Beteiligten zu überwachen. Der Notar sollte allerdings in seiner Eingabe deutlich zu erkennen geben, ob und für wen er den Eintragungsantrag stellen will. Die Befugnis dazu hat er auch dann, wenn ein Antragsberechtigter selbst den Antrag bereits in der überreichten Urkunde gestellt hat ( K G J 44, 172; BayObLG J F G 9, 201). Reicht der Notar den Antrag der Beteiligten „zur weiteren Veranlassung" ( K G J W 1937, 114) oder „zum Vollzuge" ( K G J 28 A 312) ein, so wird angenommen, daß er nur als Bote, nicht als Willensvertreter auftreten will. Unklare Wendungen wie „mit der Bitte, den gestellten Anträgen stattzugeben", über deren Auslegung Streit herrscht ( O L G München J F G 22, 30; K G D N o t Z 1933, 372) sind zu vermeiden. Mangels einer ausdrücklichen Angabe ist anzunehmen, daß der Notar den Antrag namens aller Antragsberechtigten gestellt hat ( K G J 38A 196). Den von ihm selbst gestellten Antrag kann der Notar in Abweichung von § 31 G B O in der erleichterten Form des § 2 6 1 1 1 RNotO durch eine mit seiner Unterschrift und dem Amtssiegel versehene Erklärung zurücknehmen. Daneben kann natürlich auch der Antragsberechtigte selbst den für ihn vom Notar gestellten Antrag in der Form des § 3 1 zurücknehmen. Hatte aber der Notar den Antrag für weitere Antragsberechtigte gestellt, so bleibt dieser Antrag trotz der Rücknahmeerklärung des anderen Antragsberechtigten bestehen. — Die Kehrseite dieses Verfahrens ist allerdings die Haftung aller Antragsteller für die Gerichtskosten nach § 2 Nr. 1 KostO. Zur größeren Sicherheit wird der Erwerber gut tun, lieber offen als Antragsteller aufzutreten, weil die sonst möglichen Schäden die Kostenlast bei weitem überwiegen. Andrerseits muß der Notar bei Einreichung der Urkunde vermeiden, eine Kostenhaftung des Erwerbers wider dessen Willen zu begründen. Bis zur Vollendung der dinglichen Rechtsänderung durch die Eintragung besteht ferner die Gefahr einer Verfügungsbeschränkung des Bewilligenden (z. B. durch Konkurseröffnung). § 878 B G B bestimmt, daß nachträgliche Verfügungsbeschränkungen unschädlich sind, wenn die Einigung bereits gemäß § 873 1 1 bindend geworden und der Eintragungsantrag beim Grundbuchamt gestellt war. Will also bei Hypothekenbestellungen, -abtretungen und -ablösungen der Geldgeber sicher gehen, so darf er •— abgesehen von dem Erfordernis der Briefübergabe (S. 643) — erst dann zahlen, wenn 1. ihm oder dem Notar als seinem Treuhänder die beglaubigte Bewilligung (und zwar eine solche, die nicht — wie bei Pechmann — zu berechtigten Beanstandungen führt) ausgehändigt, 2. der Eintragungsantrag auch vom Geldgeber gestellt ist. —

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Grundbuchamt — Rangvertauschung

Der Antrag vom 29. Dezember 1955 wird als erledigt zu den Akten geschrieben, die in der Zwischenverfügung bestimmte Frist gelöscht und die Einziehung der entstandenen Kosten angeordnet. H y p o t h e k e n e i n t r a g u n g e n . Der 19. Januar bringt zwei Eingänge. Zunächst vormittags 9 Uhr: „ A l s eingetragener Eigentümer von Lichterfelde Band 31 Blatt 671 bekenne ich, dem Lotterieeinnehmer Günther Glücksmann in Lichterfelde, Gartenstraße 22, den Betrag von 6000 D M (i. W . ) als Darlehn zu schulden. Ich verpflichte mich, das Darlehn v o m 1. Februar 1 9 5 6 ab mit jährlich 8 % % (i.W.) zu verzinsen und nach dreimonatiger, frühestens für den 1. Januar i960 zulässiger Kündigung zurückzuzahlen. Z u r Sicherheit für die bezeichnete Darlehnsforderung von 6000 D M nebst Zinsen bewillige und beantrage ich die Eintragung einer Hypothek im Grundbuch von Lichterfelde Blatt 6 7 1 und die Aushändigung des zu bildenden Briefes an den Gläubiger. Lichterfelde, den 18. Januar 1956. Wilhelm Irrgang. (Beglaubigungs vermerk).''

Sodann vormittags 11 Uhr eine am 17. Januar ausgestellte, ebenfalls notariell beglaubigte Urkunde, die mit der Schuldverschreibung vom 29. Dezember 1955 wörtlich übereinstimmt, bis auf die hinter „nimmt" eingefügten Worte: „höchstens aber auf insgesamt 7 % % (i.W.) jährlich."

Der Rechtspfleger verfügt die Eintragung in Abt. III, Sp. 1—4: „ 1 | 1 [ 6000 D M Sechstausend Deutsche Mark Darlehn, v o m 1. Februar 1 9 5 6 ab mit 8 % v . H . (i.W.) jährlich zu verzinsen, für den Lotterieeinnehmer Günther Glücksmann in Lichterfelde unter Bezugnahme auf die Bewilligung v o m 18. eingetragen am . . . Januar 1 9 5 6 . 2 | 1 | 8000 D M Achttausend Deutsche Mark Darlehn, v o m 1. Januar 1956 ab mit 6 % v . H . (i.W.), unter Umständen 7 % v. H . (i.W.) jährlich zu verzinsen, für den Kleinrentner Paul Pechmann in Lichterfelde unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 17. eingetragen am ...Januar 1 9 5 6 . "

Glücksmann hat, entsprechend dem früheren Eingang des zu seinen Gunsten gestellten Antrags, den Vorrang erhalten. §§ 879 1 S. 1 B G B , 17, 45 GBO. R a n g v e r t a u s c h u n g . Am Tage, nachdem die Briefe und Nachrichten hinausgegangen sind, erscheinen beim Richter Irrgang und Pechmann mit dem Inhaber des Detektiv-, Inkasso- und Immobilieninstituts „Sirius", Kroker, der die Beleihung vermittelt hat, und teilen in großer Aufregung mit, daß vereinbarungsgemäß Pechmann die erste, Glücksmann die zweite Rangstelle zugedacht gewesen sei. Darum sei auch die Glücksmannsche Hypothek höher verzinslich und früher kündbar. Es gehe nicht an, daß Pechmann jetzt die ungünstigeren Bedingungen und den schlechteren Rang habe. Der Richter: Die Sache ist sehr bedauerlich, aber wir konnten nicht anders eintragen, da die Glücksmannsche Hypothekenbestellung zwei Stunden vor der Pechmannschen eingegangen ist. Hätten Sie, Herr Irrgang, nicht den Antrag vom 29. Dezember zurückgenommen, sondern eine Nachtragserklärung über den Höchstsatz der Verzinsung eingereicht, wie es das Grundbuchamt verlangt hatte, so wäre vor der Hypothek für Herrn Glücksmann zunächst eine Vormerkung für Herrn Pechmann eingetragen und ihm dadurch der Rang gewahrt worden. Jetzt können Sie das gewünschte Rangverhältnis nur noch dadurch herstellen, daß beide Gläubiger mit Ihrer Zustimmung (§ 880 11 S. 2 B G B ) in grundbuchmäßiger Form einen Rangtausch vereinbaren. Ob Herr Glücksmann zur Bewilligung der Vorrangseinräumung auf

Grundbuchamt — Unkenntnis unerledigter Anträge

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Grund der mit ihm getroffenen Abreden oder etwa durch eine, von Herrn Irrgang unverzüglich zu erklärende, Anfechtung der Hypothekenbestellung wegen Irrtums über den Inhalt der Erklärung gezwungen werden kann, entzieht sich meiner Beurteilung. R G 89, 29 läßt bei Rangvertauschung die Irrtumsanfechtung zu, vorausgesetzt, daß der Eigentümer die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte. Aber welche Erklärung soll Irrgang anfechten? Die Hypothekenbestellung vom 18. Januar entsprach seinem wahren Willen, lediglich die verkehrte Einreichung der beiden Urkunden, also ein rein tatsächlicher Vorgang, enthält das Irrtumsmoment. Außerdem erscheint es unbillig, die Hypothek dem Glücksmann, der wahrscheinlich bereits Valuta für sie bezahlt hat, wieder zu entziehen.

Kroker: Eine Anfechtung wird nicht nötig sein. Am 21. Januar kurz vor 1 1 Uhr vormittags habe ich gemeinschaftlich mit Herrn Pechmann in der Geschäftsstelle das Grundbuch eingesehen und festgestellt, daß das Grundbuchblatt vollkommen unbelastet war. Erst daraufhin hat Herr Pechmann die 8000 D M ausgezahlt. Das kann ich jederzeit beeiden. Pechmann muß also mindestens nach § 892 B G B den Vorrang bekommen, weil er hinsichtlich der Glücksmannschen Hypothek in gutem Glauben war. Richter: Gegenüber einer bereits beantragten Eintragung versagt jede Berufung auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs. Sie hätten nicht nur das Grundbuch, sondern auch die Grundakten einsehen sollen. Dann wäre Ihnen der kurz vorher eingereichte Antrag für Glücksmann nicht entgangen, und Sie hätten daraus ersehen, daß Glücksmann die Priorität hat. Die Einrichtung des Grundbuchs beruht darauf, daß im Verhältnis zwischen den Beteiligten der Zeitpunkt, zu welchem der Antrag in den Mechanismus des Grundbuchs eintritt, der Eingangsvermerk, der vollzogenen Eintragung gleichgesetzt wird: §§ 17, 18, 45 G B O , 878, 892 1 1 B G B . Könnte sich eine Partei darauf berufen, daß, als sie während des Schwebens eines unerledigten Antrags ihrerseits Anträge stellte, das früher beantragte Recht noch nicht im Grundbuch eingetragen war, so hätte nicht der frühere, sondern der spätere Antrag immer den Vorzug und das ordnungsmäßige Funktionieren des Grundbuchs wäre in Frage gestellt. Folglich ist § 892 dahin einzuschränken, daß die Unkenntnis des späteren Antragstellers von einem älteren Antrag, der nach den Regeln des formellen Grundbuchrechts vorher erledigt werden muß, nicht geschützt wird. R G 62, 377. Nicht im Widerspruch zu diesem Rechtsgrundsatz steht R G 57, 277: das Grundbuchamt hatte die in §§ 17, 45 G B O vorgeschriebene zeitliche Reihenfolge nicht beachtet, und es wurde nachher der Versuch gemacht, das der ordnungsmäßigen Behandlung entsprechende Ergebnis durch Annahme einer Bösgläubigkeit des zweiten Antragstellers zu begründen. Hier wurde ausgesprochen, daß es für den guten Glauben auf das Grundbuch selbst, nicht auf das Eingangsregister bzw. auf schwebende Anträge ankommt.

Kroker: Glücksmann ist aber jedenfalls nach den Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung (§812 BGB) zur Vorrangseinräumung verpflichtet, denn er hat den besseren Rang ohne rechtlichen Grund auf Pechmanns Kosten erlangt. Richter: Hierüber zu entscheiden, ist nicht Aufgabe des Grundbuchamts. § 812 setzt voraus, daß der eine Teil „auf Kosten" des anderen „etwas" „ohne rechtlichen Grund" erlangt hat. In dem hier nicht vorliegenden Fall, daß die Rangvertauschung auf einer Verletzung der §§ 17, 45 G B O durch das Grundbuchamt beruht, könnte ein solches „etwas" eine durch § 45 G B O rechtlich gesicherte Anwartschaft auf Eintragung des Rechts an bereitester Rangstelle sein. Allerdings ist das Merkmal der unmittelbaren Vermögensverschiebung zwischen den Parteien, welches das Gesetz mit den Worten „auf Kosten" bezeichnet, nicht unzweifelhaft. Der zu Unrecht bevorzugte Hypothekengläubiger hat seinen guten Rang nicht aus dem Vermögen des Benachteiligten, sondern von dem Eigentümer erworben. Aber die Anwartschaft für den Zurückgesetzten, die mit dem Eingang des Antrags beim Grundbuchamt entstand, ist ihm verloren gegangen, und zwar unmittelbar durch dasselbe Ereignis, das dem anderen Teil die bessere Rangstelle verschaffte, nämlich

670

Grundbuchamt —• Eintragungsersuchen von Behörden

durch die Eintragung. Jedoch wird in der Rechtsprechung angenommen, daß die Verschiebung nicht „ohne rechtlichen Grund" eingetreten sei. Die Rechtsfolge des § 879 B G B stelle einen die Bereicherung ausschließenden Rechtsgrund dar. R G 69, 246; 88, 287; B G H N J W 1956, 1314. Dagegen mit beachtlichen Gründen Röwer und Lent, N J W 1957, 177. In unserem Fall können schuldrechtliche Beziehungen zwischen Irrgang als Eigentümer und Glücksmann bestehen, kraft deren dieser in die Rangänderung zu willigen hat (Staudinger-Seufert, B G B , 1 1 . Aufl. § 879 Anm. 8d).

Auflassungsvormerkung E i n t r a g u n g a u f E r s u c h e n des

Prozeßgerichts.

„Eingegangen 30. November 1955 13 Uhr 50 Minuten. Urkuncl. Geschäftsnummer: 8 G 148.55.

Lichterfelde, den 30. November 1955.

Zu den Grundakten von Lichterfelde Band 4 Blatt 97 wird gemäß § 941 Z P O Ausfertigung des in Sachen Strietzel gegen Ganter ergangenen Beschlusses vom heutigen Tage übersandt mit dem Ersuchen um Eintragung der darin angeordneten Vormerkung. Es wird gebeten, von dem Geschehenen hierher Nachricht zu geben. (Siegel)

Das Amtsgericht. Richter." „Ausfertigung.

Beschluß. In Sachen des Bäckermeisters Adolf Strietzel in Lichterfelde, Hopfenweg 38, Antragstellers, Prozeßbevollmächtigter: R A . Schwarz i n Lichterfelde, gegen den Textilgroßhändler Robert Ganter in Lichterfelde, Karlstraße 56, Antragsgegner, wird im Wege der einstweiligen Verfügung angeordnet: 1. Im Grundbuch von Lichterfelde Band 4 Blatt 97 — Hopfenweg 38 — ist eine Vormerkung zur Sicherung des dem Antragsteller aus dem Kaufvertrag vom 17. November 1955 zustehenden Anspruchs auf Übertragung des Eigentums an dem Grundstück einzutragen. 2. Das Grundbuchamt soll um die Eintragung der Vormerkung ersucht werden. 3. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen. Gründe. Lichterfelde, den 30. November 1955. Das Amtsgericht, (gez.) Richter. (Ausfertigungs vermerk)."

Auflassungsvormerkungen werden meist auf Grund einer vom Verkäufer erteilten Bewilligung (als „konsentierte" Vormerkung) eingetragen. Strietzel hat es offenbar unterlassen, sich eine solche Bewilligung von seinem Verkäufer geben zu lassen. Nachträglich ist er wegen der Wahrung seiner Rechte ängstlich geworden und hat den Weg der einstweiligen Verfügung beschritten. Da einstweilige Verfügungen, welche eine Vormerkung oder einen Widerspruch anordnen, ohne Glaubhaftmachung eines Arrestgrundes erlassen werden (§§ 885 1 S. 2, 899 1 1 S. 2 B G B ) , brauchte er hierzu nur den Kaufvertrag vorzulegen, um den Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem Grundstück (§ 883 1 S. 1) dem Prozeßgericht glaubhaft zu machen. Grundsätzlich erfolgt die Vollziehung von Arresten und einstweiligen Verfügungen im Parteibetrieb. Das Prozeßgericht kann jedoch bei einstweiligen Verfügungen, die Eintragungen in das Grundbuch, Schiffsregister oder Schiffsbauregister anordnen, zur Abkürzung des Verfahrens das Grundbuchamt (Registergericht) unmittelbar um

Grundbuchamt — Auflassungsvormerkung

G71

die Eintragung ersuchen ( § 9 4 1 Z P O ) , unbeschadet der Befugnis des Antragstellers, die Eintragung auf Grund der einstweiligen V e r f ü g u n g selbst zu beantragen. V o n dieser Möglichkeit ist hier Gebrauch gemacht worden. In den Fällen des Ersuchens wird „auf G r u n d des Ersuchens der Behörde" eingetragen (§ 38 G B O ) , d.h. die Rechtmäßigkeit des Ersuchens ist v o m Grundbuchamt nicht nachzuprüfen, vielmehr trägt die ersuchende Behörde hierfür die alleinige Verantwortung. Das im Rahmen der Zuständigkeit der Behörde liegende, formell ordnungsgemäße Ersuchen ersetzt für das Grundbuchamt Antrag und Bewilligung. Sonstige Erfordernisse der Eintragung — Voreintragung des Betroffenen, Vorlegung des Hypothekenbriefs (soweit nicht gerade für Eintragungen auf Ersuchen Befreiungen bestehen, S. 660), Nachweis des Erbrechts gemäß § 3 5 — bleiben unberührt. Nach J F G 7, 328 bedarf es keiner Voreintragung des Erben, wenn eine vom Erben bewilligte (oder gegen ihn durch einstweilige Verfügung angeordnete) Auflassungsvormerkung eingetragen werden soll. Das entspricht nicht dem Wortlaut, wohl aber dem Sinn des § 40 1 : denn die Vormerkung hat nur vorläufigen Charakter, und die durch sie vorbereitete endgültige Eintragung — die Umschreibung des Grundstücks auf den Käufer — ist als einfache Rechtsübertragung von der Voreintragung befreit. Abgesehen von § 941 ZPO finden sich Eintragungen auf Ersuchen hauptsächlich im Zwangsversteigerungs-, Zwangsverwaltungs-, Konkurs- und Vergleichsverfahren. Die Eintragung von Zwangs- und Arresthypotheken (§§ 867, 932 ZPO) geschieht nicht auf Ersuchen, sondern, wie wir bereits gesehen haben (S. 647), auf Antrag des Gläubigers. Ebenso natürlich Eintragungen auf Grund fingierter Bewilligung (§§ 894/5, oben S. 613). Die im Verwaltungszwangsverfahren vorkommenden Eintragungen nähern sich der Eintragung auf Ersuchen insofern, als das Erfordernis des vollstreckbaren Schuldtitels fortfällt, doch handelt es sich formell um „Anträge" der Vollstreckungsbehörde (§ 372 AbgO, § 7 der Justizbeitreibungsordnung vom 1 1 . März 1937 (RGBl I 298), § 5 des Verwaltungs-VollstreckungsG vom 27. April 1953 (BGBl I 157), § 51 pr. VO vom 15. November 1899, GS 545, dazu § 1 des Gesetzes über die Zulässigkeit des Verwaltungszwangsverfahrens vom 12. Juli 1933 (GS S. 252). Die dritte Gruppe neben den auf Antrag und auf Ersuchen stattfindenden bilden die Eintragungen von Amts wegen. Hauptfälle: Veränderungen im Bestandsverzeichnis auf Grund der Fortschreibungsverhandlungen des Katasteramts (S. 602), Vormerkung und Widerspruch im Fall des § 18 GBO (S. 649), Löschung und Amtswiderspruch bei ordnungswidrig zustande gekommenen Eintragungen gemäß § 53 (S. 661), die „Nebenbuchungen" bei Mithaftung anderer Grundstücke, Vorerbschaft, Testamentsvollstreckung (§§48, 51, 52) und gewisse Buchungen im Berichtigungszwangsverfahren (§ 82 a) und zur Löschung gegenstandsloser Eintragungen (§ 84). — Ganter ist als Eigentümer des Grundstücks eingetragen. A b t . II weist nur eine belanglose nachbarrechtliche Eintragung, Abt. III zwei Hypotheken v o n zusammen 4 3 0 0 0 D M auf. Die prozessualen Voraussetzungen für die Vollziehung der einstweiligen V e r f ü g u n g sind in Ordnung. Die Vormerkung wird in A b t . II Sp. 1 — 3 des Grundbuchs mit nachstehendem Wortlaut eingetragen: „2 | 1 | Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums aus dem Kaufvertrag vom 17. November 1955 für den Bäckermeister Adolf Striet^elin Lichterfelde auf Grund der einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts Lichterfelde vom 30. November 1955 eingetragen am 2. Dezember 1955." Eintragung von bewilligten und Zwangshypotheken. K o n k u r s v e r m e r k . N a c h Eintragung der Vormerkung gehen in kurzem Abstand zwei H y p o thekeneintragungsanträge ein, der erste auf Grund einer Bewilligung Ganters, der andere aus einem gegen ihn vollstreckbaren Schuldtitel. Alle erforderlichen Unterlagen der Eintragung sind vorhanden. W i e wir bereits wissen (S. 614), steht die Strietzelsche Auflassungsvormerkung den beantragten Eintragungen nicht entgegen. In Abt. III Sp. 1 — 4 wird daher vermerkt:

672

Grundbuchamt — Auflassungsvormerkung im Konkurs „; | i | zoooo D M

4 j 1 | 26000 D M

Zwanzigtausend Deutsche Mark Darlehn, vom i. Januar 1956 an mit 7Y 2 v.H. (i.W.) jährlich zu verzinsen, für die offene Handelsgesellschaft August Georg Roland & Co. in Aachen unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 4. eingetragen am 6. Januar 1956. Sicherungshypothek von sechsundzwanzigtausend Deutschen Mark nebst 7 v.H. (i.W.) Zinsen seit dem 3. September 1955 für die .Textilia' Aktiengesellschaft in Bielefeld auf Grund des Urteils des Landgerichts in Bielefeld vom 8. Dezember 1955 im Wege der Zwangsvollstreckung eingetragen am 8. Januar 1956."

Eingang vom 10. Januar: „Amtsgericht. Geschäftsnummer: 7 N 1/56.

Lichterfelde, den 9. Januar 1956.

Zu den Grundakten von Lichterfelde Band 4 Blatt 97 wird in der Anlage beglaubigte Abschrift des Beschlusses übersandt, durch welchen das Konkursverfahren über das Vermögen des Textilgroßhändlers Robert Ganter in Lichterfelde, Karlstr. 5 6 am heutigen Tage eröffnet worden ist. W i r ersuchen u m E i n t r a g u n g des Konkurs Vermerks gemäß § 1 1 }

KO.

Auf richterliche Anordnung: (Siegel)

Urkund als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle."

Darauf verfügt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, der hierfür als solcher, nicht in seiner etwaigen Eigenschaft als Rechtspfleger, zuständig ist (§ 4 1 1 Buchst, c AusfVO), die Eintragung in Abt. II Sp. 1—3: „3 | 1 | Über das Vermögen des Textilgroßgändlers Robert Ganter in Lichterfelde ist das Konkursverfahren eröffnet. Eingetragen am 10. Januar 1956."

Von allen Eintragungen erhält auch Strietzel Nachricht, da seine Vormerkung durch sie „betroffen" wird (§55 GBO). — Strietzel hat das Grundstück von Ganter für 75 000 D M gekauft, wovon 43 000 D M durch Übernahme der beiden alten Hypotheken belegt werden, 17000 D M bereits gezahlt sind, 15 000 D M als Restkaufgeld gegen Hypothek stehen bleiben sollen. Die Last Abt. II Nr. 1 hat er ohne Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen. Jetzt beträgt die Hypothekenbelastung 89000 DM. Gelingt es Strietzel nicht, die Hypotheken von Roland und „Textilia" zur Löschung zu bringen und seine Anzahlung zu retten, so würde ihn, selbst bei gänzlichem Wegfall der Kaufgeldhypothek, das Grundstück 106000 D M kosten! Nun unterliegen die beiden neuen Hypotheken möglicherweise der Anfechtung des Ganterschen Konkursverwalters aus §§ 30 f. K O . Dagegen könnte Strietzel — ohne die Vormerkung — aus eigenem Recht ihre Beseitigung nicht herbeiführen, weil zur Zeit der Eintragung Ganter Eigentümer und in der Verfügung über sein Vermögen noch nicht beschränkt war, während Strietzel lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übereignung besaß. Ebenso wäre Strietzel, wenn wir von der Vormerkung absehen, außerstande, den Konkursverwalter zur Erteilung der Auflassung zu zwingen: der Kaufvertrag vom 17. November 1955 stellt sich konkursrechtlich als ein noch von keiner Seite vollständig erfüllter gegenseitiger Vertrag dar, so daß der Verwalter gemäß § 17 das Wahlrecht zwischen Erfüllung und Nichterfüllung hat. Entscheidet er sich, wie zu erwarten, für Nichterfüllung, so erhält Strietzel weder die Auflassung, noch sind ihm die angezahlten 17000 D M aus der Masse zurückzugewähren, sondern er muß den ihm durch Nichterfüllung des Kaufs entstehenden Schaden —• Anzahlung, Kaufkosten und, falls der vereinbarte Preis hinter dem wirklichen Wert zurückbleibt, den Wertunterschied — als gewöhnliche Konkursforderung (§26) anmelden und darauf die Quote nehmen.

Grundbuchamt — Wirkung der Vormerkung

673

Wie wirkt die Vormerkung auf diese Rechtslage ein ? Nachträgliche Verfügungen sind insoweit unwirksam, als sie den vorgemerkten Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würden (§ 883 1 1 S. 1 BGB). Folglich ist die Rolandsche Hypothek zu beseitigen, denn Strietzels Anspruch geht auf Verschaffung des Eigentums an dem mit nicht mehr als 43000 D M belasteten Grundstück. Das gleiche gilt von der Zwangshypothek der „Textilia" als „Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung" (§ 883 1 1 S. 2). Auch Verfügungen, die etwa Ganters Konkursverwalter über das Grundstück trifft (Auflassung an einen Dritten, neue Hypothekenbestellungen) müßten gelöscht werden (§ 883 1 1 S. 2: „Verfügung durch den Konkursverwalter"). Weiterhin schreibt § 24 K O vor, daß der Vorgemerkte vom Konkursverwalter die Befriedigung seines Anspruchs durch Einräumung des ihm zustehenden dinglichen Rechts verlangen kann. Damit wird sowohl das Wahlrecht des Verwalters aus § 17, wie die in § 69 vorgesehene Umwandlung der nicht auf Geld gerichteten Ansprüche („Individualansprüche") der Konkursgläubiger in Geldforderungen ausgeschlossen. Der Verwalter muß den Auflassungsanspruch Strietzels erfüllen und dabei die angezahlten 17000 D M sich anrechnen lassen. Endet aber der Gantersche Konkurs durch Zwangsvergleich, so braucht sich Strietzel die Herabsetzung seiner Ansprüche auf die Vergleichsquote nicht gefallen zu lassen, sondern dank der Vormerkung behält er auch gegenüber dem vormaligen Gemeinschuldner seinen Anspruch auf Eigentumsverschaffung gemäß den Bedingungen des Kaufvertrages (§ 193 S. 2). Entsprechend für den Zwangsvergleich im Vergleichsverfahren § 8 2 " VerglO. W i r k u n g der V o r m e r k u n g . Mit der Eintragung des Konkursvermerks ist das Grundbuch gegen Eintragungen auf Bewilligung des Gemeinschuldners oder aus einem gegen ihn ergangenen Schuldtitel gesperrt. Dieser in der Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz (RG 71, 38) läßt sich mit der grundbuchmäßigen Behandlung anderer relativer Verfügungsbeschränkungen (S. 614) schwer in Einklang bringen, hat jedoch den praktischen Vorzug, daß einer Verwirrung der GrundbuchVerhältnisse durch Eintragungen, die den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam wären (§ 7 1 KO), vorgebeugt wird. Sogar wenn eine vor der Konkurseröffnung zwischen Ganter und Strietzel vollzogene Auflassung jetzt eingereicht würde, dürfte das Grundbuchamt daraufhin nicht eintragen. Das entspricht der sachlichrechtlichen Regelung des § 878 B G B (S. 667): die Erklärung der zweiseitigen Einigung zu notariellem Protokoll ist zwar eine der vier Formen, durch welche die Einigung nach § 873 1 1 „bindend" wird, aber es fehlt das weitere Erfordernis der Einreichung des Eintragungsantrags vor Konkurseröffnung. Der Verwalter gibt das Grundstück aus der Masse frei, weil es angesichts der Vormerkung Strietzels keinen Zweck hätte, Anfechtungsprozesse gegen Roland und „Textilia" zu führen. Auf Ersuchen des Konkursrichters ( § 1 1 4 KO) Eintragung in Abt. II Sp. „Löschungen": „Gelöscht am 17. April 1956."

Strietzel klagt jetzt gegen Ganter auf Erteilung der Auflassung und läßt sich, nachdem Ganter aufgelassen hat, als Eigentümer eintragen. Außerdem muß er gegen Roland und die „Textilia"-Aktiengesellschaft Prozesse auf Zustimmung zur Löschung ihrer Hypotheken führen, da es nicht Aufgabe des Grundbuchrichters sein kann, die in § 883 1 1 B G B angeordnete relative Unwirksamkeit der Eintragungen von sich aus nachzuprüfen, vielmehr der Bewilligungsgrundsatz des § 1 9 G B O maßgebend bleibt. Die Grundlage der Klage Strietzels gegen die beiden Hypothekengläubiger ist § 888 BGB. Die Hypothekengläubiger können gegen den durch die Vormerkung gesicherten Anspruch alle Einwendungen erheben, die dem Schuldner zustehen, selbst wenn 4;

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Jansen)

674

Grundbuchamt — Vormerkung

er darauf verzichtet hat: Formmangel, wucherische Ausbeutung der Notlage des Verkäufers, Rücktritt wegen Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen usw. Daß Ganter selbst zur Erteilung der Auflassung rechtskräftig verurteilt ist, ändert nichts: denn Roland und die „Textilia" sind in Ansehung des Anspruchs aus § 888 nicht Ganters „Rechtsnachfolger" (§ 325 ZPO). R G 53, 28; 1 1 3 , 403. I s t die V o r m e r k u n g ein d i n g l i c h e s R e c h t ? Außer den oben S. 673 festgestellten hat die Vormerkung noch die Wirkung, daß sie den Rang wahrt (§ 8 8 3 1 1 1 BGB), beim Tode des Vormerkungsschuldners den Vorgemerkten vor der beschränkten Erbenhaftung schützt (§ 884) und in der Zwangsversteigerung wie ein endgültig eingetragenes dingliches Recht behandelt wird (§48 Z V G ) . Trotzdem kommt ihr die Eigenschaft eines dinglichen Rechts, auch eines bedingten dinglichen Rechts, nicht zu. Sie begründet auch kein „Recht zur Sache" (ius ad rem) nach dem Vorbild des preußischen Rechts, denn sie gewährt gegen den Dritten kein Forderungsrecht auf Sachleistung. Nach R G Z 129, 184 ist sie ein besonders geartetes Sicherungsmittel, das dem geschützten Recht in gewissem Umfange dingliche Wirkung verleiht. Die Wirkungen der Vormerkung macht am besten verständlich ihre Kennzeichnung als n e g a t i v e s H e r r s c h a f t s r e c h t , dessen Wesen darin besteht, daß der ihm Unterworfene etwas nicht tun k a n n , nämlich die Rechtsstellung des Berechtigten nicht mehr beeinträchtigen kann (Wolff-Raiser, Sachenrecht, 10. Bearb. §48 V I I 2). Die Gefahr, der man durch Eintragung der Vormerkung begegnen will und um derentwegen es der Glaubhaftmachung eines besonderen Arrestgrundes nicht bedarf (§ 885 1 S. 1 BGB), liegt darin, daß der Gläubiger vorläufig nur einen persönlichen Anspruch hat und der Schuldner dinglich voll berechtigt ist. Infolge der Vormerkung aber kann die Erfüllbarkeit dieses Anspruchs nicht mehr gefährdet werden. Wegen der verschiedenen Einordnungsversuche vgl. im übrigen Staudinger-Seufert, B G B , 1 1 . Aufl. § 883 Anm. 39. Aus der Ablehnung der dinglichen Rechtsnatur der Vormerkung ergeben sich als Folgerungen: 1. Die Abtretung des vorgemerkten Anspruchs unterliegt nicht den Formen des § 873, sondern geschieht formlos; die Rechte aus der Vormerkung gehen als Nebenrecht von selbst auf den Zessionar über (arg. § 401). 2. Ein vorgemerkter Anspruch kann verjähren (§ 886 gegen § 902 1 S. 1). 3. Erweist sich der vorgemerkte Anspruch als nicht bestehend, so verwandelt sich die Vormerkung nicht — wie die Zwangshypothek in dem verwandten Fall des § 868 Z P O — in ein Eigentümerrecht, sondern sie ist zu löschen, und die Nacheingetragenen rücken auf. K G J F G 13, 418. 4. Die Möglichkeit, wirksame Vormerkungen durch die Bewilligung eines eingetragenen Nichtberechtigten zu erwerben, läßt sich nicht aus § 892 B G B herleiten („Recht an einem Grundstück"). Trotzdem erkennt die Rechtsprechung diese Möglichkeit an, weil die Bestellung der Vormerkung eine Verfügung über das Grundstück im Sinne des § 893 enthalte. R G 1 1 8 , 230; Staudinger-Seufert, aaO, § 883 Anm. 56. Für das Zusammentreffen eines Antrags auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung mit einer durch einstweilige Verfügung angeordneten Verfügungsbeschränkung bietet ein lesenswertes Beispiel im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 878 B G B BayObLG in N J W 1954, 1120. Besondere Bedeutung hat die Auflassungsvormerkung, wenn die Auflassung ausnahmsweise nicht unmittelbar im Anschluß an den Kaufvertrag erfolgt. Aber auch bei alsbaldiger Erklärung der Auflassung kann die Vormerkung zur Sicherung des Käufers notwendig sein, besonders wenn dieser eine Anzahlung geleistet hat: Denn zwischen die Auflassung und ihre Einreichung beim Grundbuchamt schiebt sich häufig wegen Beschaffung der Grunderwerbsteuerbescheinigung, der behördlichen Genehmigung, der Entscheidung über das Vorkaufsrecht des Siedlungsunternehmens usw. ein kürzerer oder längerer Zeitraum. Die Zulässigkeit der Vormerkung nach erklärter Auflassung steht fest, nur muß dann als gesichert nicht ein Anspruch auf Auflassung, sondern „auf Übertragung des Eigentums" bezeichnet werden. J F G 7, 328. Anerkannt ist auch, daß es zur Eintragung von Auflassungsvormerkungen keiner Genehmigung nach dem Wohnsiedlungsgesetz ( J F G 14, 123), keiner Devisengenehmigung ( K G J W 1 9 3 8 , 1037; a.A. BayObLG D N o t Z 1952, 578, dagegen Hieber ebenda S. 581) oder einer solchen nach dem K R G 45, keiner Grunderwerbsteuerbescheinigung und keiner katastermäßigen Parzellenbezeichnung für das veräußerte Trennstück bedarf. Mit Recht wird dem Notar die Verpflichtung auferlegt, bei Abschluß des Kaufvertrags die Beteiligten über Möglichkeit und Zweckmäßigkeit der Auflassungsvormerkung zu belehren, wenn sonst eine naheliegende Gefährdung des Käufers zu besorgen wäre. R G J W 1928, 1862 16 , dazu Oberneck ebenda S. 2127 6 .

ij. Kapitel.

Beim Registergericht Einzelfirma. Registerzwang. Prokura O r d n u n g s s t r a f v e r f a h r e n . Die Industrie- und Handelskammer zeigt gemäß § 126 F G G an: „daß der Kaufmann und Schneider Igna% Schick in Lichterfelde, Gartenstraße 57, ohne im Handelsregister eingetragen zu sein, unter der Firma Igna% Schick ein Handelsgewerbe betreibt, welches nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert."

Wie die Grundstücksrechte im Grundbuch, so werden die Rechtsverhältnisse der Unternehmen des Handelsstandes im Handelsregister aufgezeichnet. Aber während im Grundbuchrecht auf Grund des dort herrschenden Eintragungsgrundsatzes (S. 599) Rechtsänderungen regelmäßig nur im Wege einer r e c h t s b e g r ü n d e n d e n (konstitutiven) Eintragung zustande kommen können, so daß die Beteiligten im eigenen Interesse darauf angewiesen sind, zur Herbeiführung der Eintragung die erforderlichen Anträge zu stellen und die Unterlagen zu beschaffen, kennt das Registergericht nur eine verhältnismäßig geringe Zahl rechtsbegründender Buchungen. Der weitaus größte Teil der Eintragungen ist r e c h t s b e z e u g e n d e r (deklaratorischer) Art. Um die Eigenschaft eines Kaufmanns zu erlangen, eine Firma zu führen, Prokura zu erteilen und zu entziehen, offene Handels- und Kommanditgesellschaften zu errichten, die Vorstände von Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu wechseln, bedarf es im allgemeinen nicht der Eintragung dieser Tatsachen in das Register. Die Beteiligten haben nicht immer Anlaß, sie von sich aus zur Eintragung zu bringen. Femer ist das Handelsregister — ebenfalls ein wesentlicher Unterschied zum Grundbuchwesen — öffentlich: es soll dem geschäftlichen Verkehr eine sichere Grundlage geben, indem es die Rechtsverhältnisse der Unternehmen des Handelsstandes in zuverlässiger Weise zusammenstellt, und zwar zur Einsicht für jedermann und ohne den sonst nach § 34 F G G erforderlichen Nachweis eines berechtigten Interesses (§ 9 1 ). Deshalb werden die Eintragungen auch von Amts wegen bekanntgemacht ( § 1 0 HGB). Die Rücksichtnahme auf den Verkehr erfordert mithin, daß die Übereinstimmung des Registers mit der wirklichen Rechtslage nötigenfalls zwangsweise herbeigeführt wird. Das Gesetz legt daher den Beteiligten die Pflicht auf, Firmen, Prokuren, Gesellschaften usw. zwecks Eintragung zum Register anzumelden, und § 14 weist dem Registergericht neben seiner eigentlichen registrierenden Tätigkeit die rechtpolizeiliche Aufgabe zu, die Anmeldung durch Ordnungsstrafen zu erzwingen, sobald es durch Handelskammer, Polizei, Gemeinde- oder Steuerbehörden oder in sonstiger Weise von solchen Fällen erfährt, insbesondere durch die gewissen Behörden sowie den Notaren durch 5125 a 1 F G G auferlegte Mitteilungspflicht. Auch sonst hat das Registergericht — meist von Amts wegen, bisweilen auf Antrag — in mannigfacher Weise bei der Aufrechterhaltung der kaufmännischen Rechtsordnung und der Gestaltung der handelsrechtlichen Verhältnisse mitzuwirken. Vgl. das Einschreiten gegen unbefugte Firmenführung; Erzwingung der Einreichung von Schriftstücken, z. B. der Niederschrift über die Hauptversammlung bei der A G ( § i i i v

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676

Registergericht — Ordnungsstrafverfahren

A k t G ) ; der Bekanntmachung des Jahresabschlusses bei der A G (§ 143 11 A k t G ) und, soweit dort vorgeschrieben (§ 4 1 I V GmbHG), bei der GmbH und der Genossenschaft (§ 3 3 1 1 1 GenG); Entscheidung über den Widerspruch gegen die Auswahl der Abschlußprüfer bei der A G (§ 156 1 1 1 A k t G ) ; Einreichung der Bescheinigung des Prüfungsverbandes, daß die Prüfung stattgefunden hat, bei der Genossenschaft (§§ 591, 89 GenG); die gerichtliche Ernennung und Abberufung von Liquidatoren und die weiteren, in §§ 145, 148 F G G zusammengestellten Fälle. Eine allgemeine Disziplinaroder Aufsichtsgewalt über die Kaufleute seines Bezirks ist dem Registergericht nicht beigelegt. Der Rechtspfleger verfügt: „ 1. A n Schick: Es ist zur Kenntnis des Registergerichts gelangt, daß Sie in Lichterfelde, Gartenstraße 57, unter der Firma Ignaz Schick ein Handelsgewerbe betreiben, welches nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Nach § 29 H G B sind Sie verpflichtet, Ihre Firma zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden und zur Aufbewahrung bei dem Gericht zu zeichnen. Hierzu wird Ihnen eine Frist von 2 Wochen bestimmt. 2. Nach 2 Wochen."

Der Form nach erfolgt die Eintragung auf „Anmeldung", also auf Antrag. In unserem und in vielen anderen Fällen wird aber der Kaufmann zur Anmeldung vom Gericht genötigt, so daß die Freiwilligkeit eine nur scheinbare ist. In Wahrheit handelt es sich um ein verkleidetes Amtsverfahren. Nach Fristablauf wiederholt der Rechtspfleger seine Aufforderung. Schick rührt sich nicht. Nunmehr wird die Sache, da der Rechtspfleger Ordnungsstrafen nicht androhen oder verhängen kann (§ 4 1 S. 5 REntlV), dem Richter vorgelegt. Verfügung: „ 1 . A n Schick: Gemäß den §§ 14, 29 H G B , 132 F G G wird Ihnen aufgegeben, bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe von 50 D M (i.W.) innerhalb von 2 Wochen seit der Zustellung dieser Verfügung die Firma, unter der Sie Ihr Handelsgewerbe betreiben, und den Ort Ihrer Niederlassung zur Eintragung in das Handelsregister bei dem unterzeichneten Gericht anzumelden und die Firma zur Aufbewahrung bei dem Gericht zu zeichnen, oder die Unterlassung mittels Einspruchs gegen diese Verfügung zu rechtfertigen. 2. Zustellen. 3. 2 Wochen nach Zustellung."

Beschwerde ist gegen die Verfügung nicht gegeben (§ 132 11 F G G ) . Vielmehr bleibt die Sache, wenn Schick den Einspruch einlegt, in der Instanz, damit der Registerrichter, der seine Verfügung auf Grund einseitiger Angaben der Handelskammer erlassen hatte, ihre Berechtigung nachprüft. Denn die Verfügung setzte nur „glaubhafte Kenntnis" von einem das Einschreiten rechtfertigenden Sachverhalt voraus (§ 132 1 F G G ) . Läßt Schick die Einspruchsfrist verstreichen, so wird die Ordnungsstrafe gegen ihn festgesetzt und dieses Verfahren so oft wiederholt, bis er entweder sich zur Anmeldung bequemt oder Einspruch einlegt ( § 1 3 3 FGG). Schick erhebt rechtzeitig Einspruch, wird zur Erörterung der Sache mit dem Hinweis vorgeladen, daß im Fall seines Nichterscheinens nach Lage der Sache entschieden werden könne (§ 134 11 ), und erklärt im Termin: „Ich betreibe mein Schneidergeschäft in Lichterfelde seit ungefähr 13 Jahren als HerrenMaßgeschäft, nachdem ich vor dem Krieg in Wien und anderen österreichischen Städten gearbeitet hatte. Zeitweise habe ich ohne Gehilfen, nur mit einem Lehrling gearbeitet. Seit 1948 beschäftige ich ständig mindestens 6 Gehilfen und 2 Lehrlinge. Seit 1950 handle ich mit Stoffen und Futterartikeln, die ich teils an meine Maßkundschaft, teils an kleinere Schneider abgebe. V o n der Kundschaft gelieferte Stoffe verarbeite ich nur noch selten. Im Jahre 1954 habe ich dreimal, im Jahre 1955 einmal größere Posten Herrenkonfektion an rheinische Warenhäuser geliefert; diese hatte ich teils während der stillen Geschäftszeit in meiner Werkstatt, teils durch 8 bis 10

Registergericht —• Minderkaufleute

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Heimarbeiter anfertigen lassen. Bei den Maßkunden nehme ich meist selbst Maß und schneide zu, beschäftige aber auch einen Gehilfen mit dem Zuschneiden. Mein jährlicher Umsatz betrug 1953 48000 D M , 195469000 D M , 1955 78000 DM. Die entnommenen Waren bezahle ich in der Regel mit Dreimonatswechseln. Meine Kundschaft bezahlt teils in bar oder durch wöchentliche Abzahlungen (Maßkunden), teils in Wechseln (Warenhäuser und Käufer der Stoffe und Futterartikel), welche ich meinen Lieferanten weitergebe. Ich halte mein Geschäft für ein handwerksmäßiges, welches einen kaufmännischen Betrieb, insbesondere eine kaufmännische Buchführung, nicht erfordert. Ich führe nur ein Kassenbuch und notiere mir die ein- und ausgehenden Wechsel sowie die Zahlungen der Abzahlungskunden in einem Buche. Bisweilen arbeitet bei mir die Stundenbuchhalterin Ellen Feder, besonders zur Vorbereitung zu Steuererklärungen. Vom hiesigen Finanzamt bin ich zuletzt mit einem Betriebsvermögen von 15 000 D M und nach einem Jahreseinkommen von 1 1 5 0 0 D M veranlagt worden. Ich beantrage: die angefochtene Verfügung aufzuheben."

Warum mag Schick sich gegen seine Eintragung so sehr sträuben ? Bisweilen versuchen umgekehrt Geschäftsleute, die keine Vollkaufleute sind, aus Gründen des geschäftlichen Prestiges ihre Firma eintragen zu lassen. Schick scheut die Eintragung wohl wegen der damit verbundenen Mehraufwendungen und Rechtsnachteile: 1. Gerichtsgebühren der Registereintragungen ( § 7 2 KostO), dazu die nicht unbeträchtlichen Kosten der jedesmaligen Bekanntmachung als Auslagen, 2. Nach dem Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956 (BGBl I 920) sind jetzt zwar auch die zur Gewerbesteuer veranlagten Minderkaufleute kammerzugehörig, jedoch haben sie nur einen Grundbeitrag, keine Umlage zu leisten. 3. Buchführungspflicht (§§ 38f., 4 1 HGB), deren Verletzung nach Eintritt des Konkurses oder der Zahlungseinstellung zur Bestrafung wegen betrügerischen (§ 2394 KO) oder einfachen (§ 240 3 ) Bankerotts führen kann, 4. kein Recht, die Herabsetzung übermäßig hoher Vertragsstrafen zu verlangen (§§343 B G B , 348, 351 HBG), 5. Fortfall der Einrede der Vorausklage (§§ 349, 351), 6. Verbindlichkeit mündlicher Bürgschaften, Schuldversprechen und Schuldanerkenntnisse (§§ 3 5°, 351), 7- „Termingeschäftsfähigkeit" (§ 53 1 S. 2 BörsG). Weitere U n t e r s c h i e d e z w i s c h e n V o l l - und M i n d e r k a u f l e u t e n , die man nicht unbedingt als Nachteile ansehen kann: Der Minderkaufmann führt keine Firma, kann keine Prokura erteilen, und eine Vereinigung von Minderkaufleuten stellt keine O H G oder Kommanditgesellschaft, sondern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts dar (§ 4 1 . 1 1 HGB). Soweit nicht vorstehend Ausnahmen aufgeführt sind, gelten alle handelsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere der erhöhte gesetzliche Zinsfuß von 5 % (§ 352 H G B ) und die Rügepflicht des § 377, auch für Minderkaufleute. Ihre Prozesse können vor die Kammer für Handelssachen gebracht werden (§95 G V G ) . Ihre kaufmännischen Angestellten sind Handlungsgehilfen (§ 59 HGB).

Für das Gericht sind die Wünsche des Beteiligten natürlich weder im einen noch anderen Fall maßgebend, vielmehr hat es den Sachverhalt gemäß § 1 2 F G G von Amts wegen zu erforschen und darnach seine Entscheidung zu treffen. Hierbei kommt ihm die Auskunftspflicht der Steuerbehörden nach § 125 a 1 1 F G G zustatten. Schick scheint einer jener Handwerker zu sein, die es verstehen, Umfang und Art ihres Geschäfts zu erweitern, und die so allmählich in die Kategorie der „kleinkapitalistischen Unternehmer" hineinwachsen. Soweit Schick Maß- oder Konfektionsarbeit aus selbst eingekauften Stoffen herstellt, betreibt er ein Grundhandelsgeschäft und ist ohne Rücksicht auf den Umfang seines Betriebes Kaufmann kraft dieser Betätigung nach § 1 1 1 1 ; soweit er für seine Kunden Lohnarbeit verrichtet, wird die Kaufmannseigenschaft nur begründet, sofern das Gewerbe nicht handwerksmäßig betrieben wird (§ i 1 1 2 ) . Aber auch der erste offenbar durchaus überwiegende Teil seiner Tätigkeit macht ihn erst unter der Voraussetzung zum registerpflichtigen Vollkaufmann, daß sein Gewerbebetrieb „nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb" erfordert (§ 4 1 ). Liegt diese Voraussetzung vor, so besteht die

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Registergericht — Minderkaufleute

Registerpflicht seit der Änderung der § § 1 , 2 und 4 H G B durch das Gesetz über die Kaufmannseigenschaft von Handwerkern vom 31. März 1953 (BGBl I 106) auch dann, wenn der Inhaber Handwerker ist. Auch wenn nur Lohnarbeit handwerksmäßig verrichtet wird und deshalb keine Grundhandelsgeschäfte betrieben werden (§ i 1 1 2 ) , das Erfordernis eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebes aber erfüllt ist, besteht Registerpflicht nach § 2 H G B (sog. „Registerkaufmann", mit Rücksicht auf den nach § 2 S. 2 auch hier ausgeübten Eintragungszwang besser als „Sollkaufmann"). Im Fall des § 2 haben wir das Beispiel einer rechtsbegründenden Eintragung: Erst die Eintragung macht den Inhaber zum Kaufmann, das Gewerbe zum Handelsgewerbe. Folgen wir Schicks eigenen Angaben, so hat er sowohl nach dem Umfang wie nach der Art der Geschäftsführung die Grenzen der Registerfreiheit bereits überschritten. Die ordnungsmäßige Abwicklung seiner Geschäfte erfordert eine kaufmännische Betriebsart (dazu Groschuff, JW 1934, 3033). Ausschlaggebend ist vor allem der nicht unbedeutende Wechsel- und Abzahlungsverkehr, welcher — entgegen der von Schick vertretenen Auffassung — ohne ordnungsmäßige kaufmännische Buchführung und Organisation nicht zuverlässig ablaufen kann. Seine gegenwärtige primitive Buchführung wäre niemals imstande, eine schnelle und richtige Übersicht über den Vermögens stand zu vermitteln, besonders wenn einmal eine Reihe geschäftlicher Maßnahmen nicht glatt verläuft und es zu Wechselprotesten, Prozessen usw. kommt. Auf die Höhe des Umsatzes allein kommt es allerdings nicht an. Auch ein Handlungsagent mit einem Jahreseinkommen von 50000 DM ist nicht eintragungspflichtig, wenn sein Geschäftsbetrieb in seiner Art so einfach ist, daß Buchführung, Hilfskräfte, Büroeinrichtung nicht erforderlich sind ( K G JW 1936, 1684). „Beschluß: 1. Der Einspruch wird verworfen. 2. Gemäß § 1 3 5 1 1 S . 2 F G G wird von der Festsetzung der angedrohten Ordnungsstrafe abgesehen. 3. Dem Kaufmann und Schneider Igna% Schick wird nach den §§ 14, 29 H G B , 132, 1 3 5 1 1 1 F G G aufgegeben, bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe von 150 D M (i.W.) innerhalb von 2 Wochen seit der Rechtskraft der heute beschlossenen Verwerfung seines Einspruchs die Firma, unter der er sein Handelsgewerbe betreibt, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (usw. wie S. 676). Gründe: (folgt Begründung)."

Gegen die Verwerfung seines Einspruchs hat Schick die sofortige Beschwerde (§ 1 39), über welche die Kammer für Handelssachen entscheidet (§ 30 1 S. 2 FGG). F i r m e n a n m e l d u n g und - e i n t r a g u n g . Schick gibt jetzt seinen Widerstand auf. Er erscheint vor dem Registerführer und erklärt zu Protokoll (§ 128 FGG). „ Z u r Eintragung in das Handelsregister melde ich an, daß ich unter der Firma , Wiener Moden Ignaz Schick' in Lichterfelde ein Handelsgewerbe betreibe, nämlich das Herrenmaß- und -Konfektionsgeschäft sowie den Handel mit Stoffen und Futterartikeln. Ich zeichne meine Firma wie folgt: Wiener Moden Ignaz Schick. Die Geschäftsräume befinden sich Gartenstraße 57. Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben. Ignaz Schick. Geschlossen: Urkund, Justizobersekretär."

Der Referendar: Die angemeldete Firma ist eine Sachfirma und widerspricht daher dem „Grundsatz der Firmenwahrheit", der für Einzelkaufmann, O H G und K G die

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Registergericht — Firmenanmeldung und -eintragung

Personenfirma, für A G , K G auf Aktien und Genossenschaft die Sachfirma vorschreibt. §§ 18, 19 H G B , 4, 220 A k t G , 3 GenG (GmbH-Firma s. unten S. 693). Der Rechtspfleger: Die Worte „Wiener Moden" machen Schicks Firma nicht zur Sachfirma. Sie stellen lediglich einen unterscheidenden Zusatz im Sinne des § 18 1 1 H G B dar. A u f den Gedanken, daß es sich um die Sachfirma einer Kapitalgesellschaft handle, kann man schon deshalb nicht kommen, weil Kapitalgesellschaften kraft zwingender Vorschrift die Gesellschaftsform („Aktiengesellschaft" usw.) in der Firma angeben müssen. § § 4 , 220 A k t G , 4 G m b H G usw. Auch sonst wird durch den von Schick gewählten Zusatz zu seinem Namen nicht die Gefahr einer Täuschung der Öffentlichkeit begründet. Da Schick in Wien und anderen österreichischen Städten gearbeitet hat, entspricht es der Übung, daß er sich als „Wiener" Schneider bzw. sein Geschäft als „Wiener" Moden bezeichnet. Der Grundsatz der Firmenwahrheit ist somit nicht verletzt. Beispiele für täuschende Firmenbestandteile: K G NJW 1955, 1426; B G H NJW 1956, 1873. Auch der Grundsatz der Ausschließlichkeit und Unterscheidbarkeit der Firma (§ 30 HGB) ist gewahrt, da es, wie ich mich überzeugt habe, hier keine gleich oder ähnlich lautende Firma gibt. — Nachdem die Handelskammer von der Anmeldung Kenntnis erhalten und keinen Widerspruch gegen sie erhoben hat, verfügt der Rechtspfleger die Eintragung: „ 1 . E i n z u t r a g e n in das H a n d e l s r e g i s t e r A b t . A unter n ä c h s t e r offener B l a t t n u m m e r : Sp. 1 :

1.

Sp. 2 : a) Wimer Moden Ignaz

Schick,

b) Lichterfelde, S p . 3: Ignaz Schick, K a u f m a n n u n d S c h n e i d e r in L i c h t e r f e l d e . "

Maßgebend für Einrichtung und Führung des Handelsregisters ist die Handelsregisterverfügung (HRV) d. R J M v o m 12. August 1937 (DJ 1251). Sie ist auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung des § 125 1 1 1 F G G ergangen und enthält allgemeinverbindliche Rechtsvorschriften ( K G JW 1938, 2282). Danach besteht das Handelsregister aus zwei Abteilungen. In Abteilung A werden eingetragen Einzelkaufleute, die juristischen Personen der §§ 33, 36 H G B , O H G und K G ; in Abteilung B: A G , K G auf Aktien, G m b H und V V a G (§ 3 HRV). Ein Handblatt (entsprechend dem Handblatt des Grundbuchamts) ist für jedes Registerblatt der Abt. B zu führen (§ 9 1 1 1 HRV). Für die Abt. A kann der Oberlandesgerichtspräsident die Führung von Handblättern anordnen (§ 24 11 AktO). „2. Öffentliche Bekanntmachung."

Die Bekanntmachungen erscheinen im Bundesanzeiger und mindestens einem anderen Blatt, das jährlich im Dezember vom Gericht bezeichnet wird (§§ 10, 11 HGB). „ 3 . N a c h r i c h t a n a) Schick, b) Industrie- u n d H a n d e l s k a m m e r , c) F i n a n z a m t . "

Vgl. § 130 11 F G G , § 37 H R V . Nachdem der Registerführer die Verfügung ausgeführt hat, sieht das neue Registerblatt folgendermaßen aus: „Abteilung A

Nummer der Eintragung 1 1

N u m m e r der F i r m a : H R A

a) Firma b) Ort der Niederlassung (Sitz der Gesellschaft) c) Gegenstand des Unternehmens (bei juristischen Personen)

Geschäftsinhaber Persönlich haftender Gesellschafter Vorstand Abwickler

2 a) Wiener Moden Igna^ Schick

b) Lichterfelde

Prokura

4 Ignaz Schick,

Kauf-

mann und Schneider in Lichterfelde

Rechtsverhältnisse

8251

a) Tag der Eintragung und Unterschrift b) Bemerkungen 6 a) 16. Juli 1956 Urkunde

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Registergericht — Firma

Nach § 17 1 H G B ist die Firma der Name, unter dem der Kaufmann im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Sie ist also nicht, wie Kaufleute vielfach meinen, eine besondere, vom Jnhaber verschiedene Rechtspersönlichkeit. Das Vermögen des Kaufmanns, gleichviel ob er es im Geschäft oder woanders angelegt hat, bildet für das bürgerliche Recht eine Einheit, und seine Gläubiger — Geschäfts* wie Privatgläubiger — können sich unterschiedslos sowohl an das Geschäftswie an das Privatvermögen halten. Steuerrechtlich ist dagegen die Unterscheidung von „ B e t r i e b s " - ( G e s c h ä f t s - ) und P r i v a t v e r m ö g e n von Wichtigkeit. Wertveränderungen des Betriebsvermögens rechnen nämlich bei Steuerpflichtigen mit kaufmännischer Buchführung als Einkommen bzw. als Einkommensminderung, während Wertveränderungen des Privatvermögens für die Ermittlung des Einkommens belanglos sind. § § 4, 5 E i n k S t G . E s gibt Vermögensstücke, die notwendig zum Betriebsvermögen, und solche, die (wie Schmuck, Wäsche, Einrichtungsgegenstände, selbst wenn sie aus Geschäftsmitteln angeschafft sind) notwendig zum Privatvermögen gehören. Im übrigen, z. B. bei Miethäusern oder Wertpapieren eines Warenkaufmanns, ist die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen relativ, von der Aufnahme in die geschäftliche Buchführung und somit v o m Willen des Geschäftsinhabers abhängig (gewillkürtes Betriebsvermögen). Bei O H G und K G deckt sich das Betriebsvermögen mit dem Gesellschaftsvermögen im bürgerlichrechtlichen Sinne.

Darauf, daß die Firma lediglich ein zweiter Name ist, beruht ihre Behandlung im Grundbuch (S. 608) und im Zivilprozeß (3. Kap. „Warenklage"). Alles das gilt freilich nur von der Firma des Einzelkaufmanns. Eine erhöhte Bedeutung besitzen die Gesellschaftsfirmen der OHG und K G , weil diese Gesellschaften Vereinigungen zur gesamten Hand sind und ihr Vermögen als Gesamthandsvermögen vom Privatvermögen der Gesellschafter rechtlich gesondert ist. Anders als unter der Firma kann die Gesellschaft überhaupt nicht im Rechtsverkehr auftreten. Über die Bedeutung eines bloßen Namens geht auch die Wirkung hinaus, welche die Fortführung einer (Einzel- oder Gesellschafts-) Firma auf die Haftung für die früher von anderen unter der Firma begründeten Verbindlichkeiten hat (S. 687). Die Eintragung Schicks soll nicht rechtsbegründend sein, sondern nur den Rechtszustand zum Ausdruck bringen, der nach Ansicht des Registergerichts ohnehin gegeben war. Eintragungen in Abteilung A haben nur in seltenen Fällen gewollte rechtsbegründende Wirkung wie die rechtsändernde Grundbucheintragung: Eintragung des „Registerkaufmanns" („Sollkaufmanns"), der kein Handelsgewerbe nach § 1 H G B betreibt und daher nicht schon kraft seiner Betätigung Kaufmannseigenschaft besitzt ( § 2 ) ; Eintragung eines „Kann-Kaufmanns" ( § 3 ) ; Entstehung einer O H G oder K G , die kein Grundhandelsgewerbe betreibt, durch Eintragung nach §§ 2, 6 1 . Hat sich nun das Gericht bei der Eintragung Schicks geirrt und war er in Wahrheit überhaupt nicht Kaufmann oder nur Minderkaufmann, so gilt er jetzt gleichwohl als Vollkaufmann und kann sich nicht mehr darauf berufen, daß er Minderkaufmann sei (§ 5). Die zunächst nur rechtsbezeugende Eintragung hätte dann in gewissem Sinne ähnliche Wirkungen wie eine rechtsbegründende. Nur in zwei Punkten kann sich der zu Unrecht ins Register eingetragene Minderkaufmann noch darauf berufen, daß ihm die sachlichen Voraussetzungen der Vollkaufmannseigenschaft fehlen: hinsichtlich seiner Fähigkeit zum Abschluß von Börsentermingeschäften und in einem Strafverfahren wegen einfachen oder betrügerischen Bankerotts, begangen durch unterlassene oder nicht ordnungsmäßige Buchführung. Ersteres ist in § 5 3 1 S. 2 BörsG bestimmt, letzteres folgt daraus, daß der Strafrichter die materielle Wahrheit zu erforschen hat. -—• Der Referendar: Wie kann Schick aus dem Handelsregister wieder herauskommen ? Der Rechtspfleger: In der Regel durch Anmeldung, etwa weil er sein Geschäft aufgegeben oder weil es durch Zurücksinken auf den Umfang des Kleingewerbes die

Registergericht — Unbefugte Firmenführung

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Eintragungsfähigkeit verloren hat. §§ 14, 3 1 1 1 S. 1 HGB. Ist ein Geschäftsbetrieb eingegangen, so erweist sich der Zwang zur Anmeldung oft als undurchführbar, und dann kann die Firma von Amts wegen gelöscht werden. § 3 1 1 1 S. 2. Schließlich gibt es eine Amtslöschung solcher Eintragungen, die wegen des Mangels einer wesentlichen Voraussetzung der Eintragung von Anfang an unzulässig waren ( § 1 4 2 F G G , entsprechend für das Genossenschafts-, Vereins-, Güterrechtsregister: §§ 147, 159, 161 1 ). Dieses Verfahren ist auch anwendbar, wenn die Eintragung erst nachträglich unzulässig geworden ist (RG 169, 147). In seiner Bedeutung ist es der Einziehung eines Erbscheins (S. 574) und dem Verfahren nach § 53 G B O (S. 661) vergleichbar. Daß die in der G B O gemachte Unterscheidung zwischen der Eintragung eines Widerspruchs und der Löschung als unzulässig hier wegfällt, hängt mit dem Fehlen einer positiven Funktion des öffentlichen Glaubens der Registereintragungen (S. 682) zusammen. Einschreiten gegen unbefugte Firmenführung. „ A n das Amtsgericht, Abt. für Registersachen hier. Das Gericht bitte ich um Schutz in folgender Angelegenheit. Ich betreibe seit 18 Jahren am hiesigen Platze unter der Firma , Wiener Chic' ein Herrenschneidergeschäft. Seit einiger Zeit versendet mein Konkurrent, der Schneider Schick, Prospekte, welche außer seiner handelsgerichtlich eingetragenen Firma , Wiener Moden Igna% Schick' in großen roten Buchstaben die Worte , WienerSchick' tragen. E r will dadurch im Publikum den Anschein erwecken, als ob er mein bekanntes und angesehenes Geschäft erworben hätte. Sein Verhalten ist um so ungerechtfertigter, als Schick gar nicht von Wien, sondern von Nikolsburg in Mähren gebürtig ist und nicht einmal die Meisterprüfung bestanden hat. Lichterfelde, den 10. Oktober 1956. Karl Nadel, Schneidermeister in Firma Modenhaus Wiener Chic."

Nadel selbst steht nicht im Register, betrachtet sich wohl als Handwerker. Die Worte „Wiener Chic" können also nicht als Firma (§ 4 1 HGB), sondern höchstens als besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts (§16 UWG, sog. „Etablissementsname") geschützt werden. Gegen mißbräuchliche Führung von Firmen und sonstigen Geschäftsbezeichnungen sind drei Rechtsbehelfe gegeben. Nach §§ 3 7 1 1 H G B , 1, 3, 16 UWG, 24, 25 W Z G , 823 B G B kann der Verletzte 1. Unterlassung, 2. bei Verschulden auch Schadensersatz verlangen, und 3. hat das Registergericht nach § 37 1 H G B von Amts wegen durch Ordnungsstrafen einzuschreiten. In dem letzten Fall wird, entsprechend dem rechtspolizeilichen Charakter des Verfahrens, nur ein nach dem öffentlichen Firmenrecht der §§ 17 f. unbefugter Firmengebrauch verfolgt. Ein solcher läge z. B. vor, wenn Schick nicht der wirkliche Inhaber des Geschäfts und lediglich seines Namens wegen vorgeschoben wäre. Dagegen machen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch vor der formell rechtmäßig erworbenen Firma nicht halt, wenn deren Benutzung die Gefahr der Verwechslung mit älteren Firmen oder Etablissementsnamen begründet oder sonst eine Unlauterkeit darstellt. Nach der umstrittenen Rechtsprechung (RG 110, 234; m , 66; 116, 209; JW 31, 46s 42 ; dazu Breit J W 28,321) kann bei Verwechslungsgefahr sogar die Aufnahme des eigenen Familiennamens in eine Gesellschaftsfirma objektiv widerrechtlich und daher unstatthaft sein, weil sie hier ohne zwingenden Grund geschieht: sog. „Enteignung des Firmennamens". Anders beim Einzelkaufmann, dem der Grundsatz der Firmenwahrheit den Gebrauch seines Familiennamens als Firma ja sogar zur Pflicht macht (§ 18). Aber

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Registergericht — Prokura

auch hier besteht nach Wettbewerbsrecht die Pflicht, alles Erforderliche und Zumutbare zu tun, um die durch Gleichnamigkeit hervorgerufene Verwechselungsgefahr möglichst einzudämmen (BGH 4, 96). Nadel wird vom Richter beschieden, daß auf Grund seines Vorbringens kein Anlaß zur Einleitung eines Ordnungsstrafverfahrens besteht. Hat Nadel ein Beschwerderecht? Es kommt darauf an, ob durch die angefochtene Verfügung ein „Recht" Nadeis beeinträchtigt wird (§ 20 1 F G G , oben S. 5 81). Nun könnte ein etwaiges Ordnungsstrafverfahren gegen Schick seinen Grund nicht in einer Schädigung der Rechte des Nadel, sondern nur in der Ordnungswidrigkeit der Firmenführung Schicks haben. Der Unterlassungsanspruch des Wettbewerbers begründet kein Beschwerderecht, wie in R G 132, 3 1 1 für einen Fall entschieden worden ist, in welchem der Konkurrent beanstandete, daß von einem Unternehmen mittleren Umfangs die irreführende Firma Eisen-,,Werke" geführt wurde. — In Handelssachen sind die Organe des Handelsstandes (Handelskammern) und, soweit es sich um die Eintragung von Handwerkern handelt, die Organe des Handwerksstandes, im Rahmen ihrer Pflicht zur Unterstützung des Registergerichts beschwerdeberechtigt ( § 1 2 6 F G G ) .

Prokura. „ A n das Amtsgericht, Abt. für Registersachen hier. Ich, der unterzeichnete Kaufmann und Schneider Igna% Schick, bin im Handelsregister des hiesigen Amtsgerichts Abt. A Nr. 8251 als Inhaber der Firma Wiener Moden Igna^ Schick eingetragen. Ich habe der Buchhalterin Fräulein Ellen Feder in Lichterfelde Prokura erteilt. Fräulein Feder wird die Firma und ihre Unterschrift wie folgt zeichnen: Wiener Moden Ignaz Schick ppa. Feder. Gemäß § y 3 H G B melde ich die Erteilung der Prokura hiermit zur Eintragung in das Handelsregister an. Lichterfelde, den 8. November 1956. Ignaz Schick (Beglaubigungsvermerk zu Firmenzeichnung und Unterschrift, vgl. S. 453)."

Der Referendar erinnert sich eines Rechtsstreits, in welchem ein von Frl. Feder bereits im September gezeichneter Wechsel eine Rolle spielte, und wundert sich, daß die Erteilung der Prokura erst jetzt angemeldet wird. Der Rechtspfleger: Die in § 53 H G B vorgeschriebene Anmeldung der Prokura hat keine rechtsbegründende Wirkung. Erteilt wird die Prokura, wie alle rechtsgeschäftlichen Vertretungsverhältnisse („Vollmachten"), entweder durch Erklärung gegenüber dem Bevollmächtigten oder gegenüber dritten Personen oder gegenüber der Öffentlichkeit. §§ 1 6 7 , 1 7 1 B G B . Beider Prokura tritt nur die Besonderheit hinzu, daß sie einer ausdrücklichen Erklärung bedarf (§48 HGB). Es ist also sehr wohl möglich, daß Frl. Feder schon im September Prokura hatte. Auch der Widerruf einer Prokura erfolgt nach bürgerlichem Recht durch Erklärung gegenüber dem Prokuristen oder dem Dritten oder der Öffentlichkeit (§ 168 S. 3 BGB), und die Registereintragung (§ 5 3 1 1 1 H G B ) ist lediglich rechtsbezeugend. Sie hat aber infolge des ö f f e n t l i c h e n G l a u b e n s des R e g i s t e r s hier weit größere Tragweite als bei der Erteilung. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs (§ 892 B G B ) besitzt eine positive und eine negative Seite: man darf sich auf die Richtigkeit und auf die Vollständigkeit der Eintragungen, auf das Reden und auf das Schweigen des Grundbuchs verlassen. Dem Handelsregister fehlt die positive Funktion gänzlich. Nur dem S c h w e i g e n des Registers darf man trauen. § 1 j behandelt in Abs. 1 die Wirkung der Nichteintragung einer Tatsache, in Abs. 2 die Wirkung der Eintragung einer richtigen Tatsache, er behandelt aber nicht die Wirkung einer unrichtigen Eintragung. Auf die Richtigkeit einer Eintragung kann sich also ein Dritter nicht verlassen. Wird also eine wegen Geschäftsunfähigkeit nichtige Prokura eingetragen, so genießt derjenige, der sich auf die Richtigkeit des Registers verlassen hatte,

Registergericht —• öffentlicher Glaube des Handelsregisters

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grundsätzlich keinen Schutz. Anders, wenn die Prokura widerrufen, der Widerruf aber nicht im Handelsregister eingetragen war. Dann kann der Dritte sich auf § 1 5 1 H G B berufen. Denn das Erlöschen der Prokura ist eine einzutragende Tatsache (§ 5 3 1 1 1 HGB). Dies gilt auch dann, wenn die Erteilung der Prokura selbst gar nicht eingetragen war, da die Prokura auch ohne Eintragung wirksam wird. — Anders als im Grundbuch ist zur Wirkung einzutragender Tatsachen gegenüber Dritten außer der Eintragung die Bekanntmachung erforderlich, es sei denn, daß der Dritte die Tatsache ohnehin kennt. R G 125, 228 schützte den gutgläubigen Erwerber einer Hypothek an einem OHG-Grundstück, die von einem auf Grund Scheinvertrags zu Unrecht ins Handelsregister als Gesellschafter Eingetragenen bestellt war, mit der Begründung: die Angabe der wirklichen Gesellschafter gehöre zu den nach § 1 5 1 H G B ins Register einzutragenden Tatsachen, darum dürfe sich die Gesellschaft gegenüber dem Gutgläubigen nicht darauf berufen, daß andere als die wahren Gesellschafter eingetragen gewesen seien. Diese Begründung war nicht haltbar. Aus dem Satz, daß die Gesellschaft keinem Gutgläubigen entgegenhalten kann, die wahren (nicht eingetragenen) Gesellschafter seien Gesellschafter (§ 1 5 f o l g t nämlich noch nicht, daß sie die im Handelsregister Eingetragenen als Gesellschafter gegen sich gelten lassen muß. Das träfe nur dann zu, wenn das Handelsregister auch in dem Sinne öffentlichen Glauben genösse, daß die positiven in ihm eingetragenen Tatsachen Dritten gegenüber als wahr gelten. In R G 142, 105 ist deshalb die Entscheidung R G 125, 228 aufgegeben worden; gleichwohl war sie im Ergebnis, aber mit anderer Begründung, richtig: Wer eine unrichtige Eintragung im Handelsregister veranlaßt oder ihre Beseitigung unterläßt, muß sich auf Grund dieser an die Öffentlichkeit gerichteten Erklärung nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei die eingetragene Tatsache richtig (Flechtheim und Jacobi, JW 1929, 2945). — Wird im Handelsregister für einen minderjährigen Geschäftsinhaber eine Prokura eingetragen, der die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung (oben S. 509) fehlt, so versagen derartige Erwägungen: die Prokura ist trotz guten Glaubens unwirksam. R G 127, 154. Zur Eintragung des E r l ö s c h e n s der P r o k u r a genügt Anmeldung durch den Firmeninhaber in beglaubigter Form (§ 5 3 1 1 1 HGB). Zu Registereintragungen bedarf es nicht, wie im Grundbuch, der beglaubigten Bewilligung bzw. Anmeldung des von der Eintragung Betroffenen. Außerdem sind Prokuren, gleichviel welches Rechtsverhältnis ihnen zugrunde liegt, jederzeit für den Geschäftsherm frei widerruflich, unbeschadet natürlich des Anspruchs auf die vertragliche Vergütung (§ 52 1 ). — Die Verschiedenheit der Unterlagen von Grundbuch- und Registereintragung zeigt sich ferner, wenn Geschäftsführer einer GmbH abberufen worden sind und die Nachfolger eingetragen werden sollen: hier genügt Anmeldung durch die neuen Geschäftsführer unter Beifügung der Urschrift oder einer öffentlich beglaubigten Abschrift der (nicht formbedürftigen) Niederschrift über die Gesellschafterversammlung, in der die Veränderung beschlossen wurde (§ 39 1 1 GmbHG). Nicht einmal die ordnungsmäßige Einberufung der Versammlung ist dem Registergericht nachzuweisen. Sind die in der Niederschrift aufgeführten Gesellschafter mit den Gründen nicht personengleich, so bedarf es gegenüber dem Registergericht keines Nachweises, wie die neuen Gesellschafter ihre Geschäftsanteile erworben haben. Das gilt sogar bei Anmeldung und Eintragung satzungsändernder Beschlüsse ( K G J 39 A 122). Ausnahme für die Einmann-GmbH: Staub-Hachenburg 14 zu § 54, 9 zu § 16.

Eintragungsverfügung: „ 1 . Einzutragen in das Handelsregister Abt. A Nr. 8251: Sp. 1 : 2. Sp. 4: Der Buchhalterin Ellen Feder in Lichterfelde ist Prokura erteilt. 2. öffentliche Bekanntmachung. 3. Nachricht an: a) Schick, b) Frl. Feder."

Zweigniederlassung. Umschreibung auf den Erben Zweigniederlassung. Der Kaufmann und Schneider Ignaz Schick erscheint, begleitet von seiner Prokuristin Ellen Feder, auf der Geschäftsstelle des Registergerichts und erklärt zur Niederschrift des Registerführers (§128 F G G ) : „Als Inhaber der im Handelsregister des Amtsgerichts Lichterfelde, Abteilung A Nr. 8251, eingetragenen Firma Wiener Moden Igna^ Schick melde ich zur Eintragung in das Handelsregister

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Registergericht — Zweigniederlassung

an, daß ich in Hannover eine Zweigniederlassung unter der Firma Wiener Moden Ignaz Schick, Filiale Hannover, errichtet habe. Die Geschäftsräume der Zweigniederlassung befinden sich in Hannover, Ringstr. 12. Geschäftszweig ist das Herrenkonfektionsgeschäft sowie der Handel mit Stoffen. Ich zeichne die Firma zur A u f b e w a h r u n g bei dem Gericht der Zweigniederlassung wie folgt: Wiener Moden Igna^ Schick. Die Prokuristin Ellen Feder zeichnet die Firma und ihre Unterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gericht der Zweigniederlassung wie folgt: (wie S. 6 8 2 ) . "

Die Zweigniederlassung eines Kaufmanns (einer Handelsgesellschaft) ist ein von der Hauptniederlassung räumlich getrennter Geschäftsbetrieb, der mit den erforderlichen äußeren Einrichtungen (Geschäftsräume, Buchführung) versehen ist und in dem auf eine gewisse Dauer im wesentlichen gleichartige Geschäfte wie in der Hauptniederlassung unter einem Leiter mit der Befugnis zu selbständiger Entschließung in nicht nur ganz untergeordneten Dingen abgeschlossen werden. Die Zweigniederlassung hat keine eigene Rechtspersönlichkeit und keine besonderen gesetzlichen Vertreter. Träger des Vermögens und der Verbindlichkeiten ist der Inhaber des Unternehmens. Die Rechtsverhältnisse und Eintragungen im Handelsregister der Hauptniederlassung, wie die Prokura des Frl. Feder, erstrecken sich ohne weiteres auf die Zweigniederlassung. Abweichungen zwischen Haupt- und Filialfirma sind zulässig. S o könnte Schick, wenn er in Hannover das selbständige Geschäft des Kaufmanns A u g u s t Müller mit Firmenrecht erworben und zu seiner Zweigniederlassung gemacht hat, dort firmieren „Wiener Moden Ignaz Schick, Z w e i g niederlassung Hannover, vormals A u g u s t Müller". Sogar bei Handelsgesellschaften — die doch grundsätzlich nur eine einzige Firma führen dürfen — sind derartige Filialfirmen möglich. R G 1 1 3 , 2 1 3 , dazu Breit J W 26, 1 9 6 1 4 . Notwendig ist ein Zusatz zu der Firma der Hauptniederlassung, wenn der Grundsatz der Unterscheidbarkeit (§ 3 0 1 1 1 ) dies erfordert oder wenn eine Filialprokura erteilt werden soll (§ 5 0 1 1 1 ) . Der Kaufmann kann wegen der Geschäfte der Zweigniederlassung unter deren Firma klagen und verklagt werden, letzteres auch im besonderen Gerichtsstand der Niederlassung ( § 2 1 Z P O ) , und eine solche Klage kann ihm auch in den Geschäftsräumen der Zweigniederlassung zugestellt werden ( B G H 4, 65).

Zweigniederlassungen entstehen nicht erst durch Eintragung, sondern durch tatsächliche Errichtung. Erst nachträglich sind sie zur rechtsbekundenden Eintragung bei dem Gericht der Hauptniederlassung (des Sitzes) anzumelden, das die Eintragung beim Registergericht der Zweigniederlassung vermittelt. Dieses prüft unter Anhörung der Industrie- und Handelskammer, ob die Zweigniederlassung errichtet und § 30 beachtet, d. h. die Firma „ f r e i " ist (§ 13), verfügt, wenn insoweit keine Beanstandungen zu erheben sind, die Eintragung, veranlaßt ihre Veröffentlichung und teilt sie dem Gericht der Hauptniederlassung von Amts wegen mit. Dieses vermerkt, ebenfalls von Amts wegen, die Errichtung der Zweigniederlassung in Sp. 1, 2b: „ 3 . In Hannover ist eine Zweigniederlassung unter der Firma

errichtet."

Eine Bekanntmachung dieses Vermerks, der keine Eintragung im Sinne des § 1 0 H G B darstellt, findet nicht statt. Für die mit der Zweigniederlassung getätigten Geschäfte kommt es ausschließlich auf die Eintragungen des dortigen Registers an (§ 1 5 1 1 1 ) . In Zukunft müssen alle registerpflichtigen Vorgänge beim Gericht der Hauptniederlassung angemeldet werden, welches die Prüfung, Eintragung und Veröffentlichung in vollem Umfange übernimmt (Grundsatz der Zentralisierung), dem Gericht der Zweigniederlassung unter Mitteilung der Nummer des Bundesanzeigers, in der die Bekanntmachung erfolgt ist, Nachricht von der Eintragung im Register der Hauptniederlassung (des

Registergericht — Umschreibung auf den Erben

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Sitzes) gibt und die notwendigen Unterlagen beifügt. Das Gericht der Zweigniederlassung übernimmt die Eintragung ohne jede Nachprüfung in sein Handelsregister (§ 1 3 a ; im einzelnen vgl. Groschuff und Lenz, J W 1 9 3 7 , 2425, 2632). Umschreibung

auf den

Erben.

„Mein Ehemann, der Kaufmann und Schneider Igna\ Schick, Inhaber der im Handelsregister A des hiesigen Amtsgerichts unter Nr. 8251 eingetragenen Firma „Wiener Moden Ignaz Schick" mit Zweigniederlassung in Hannover, ist am 9. Februar d. J. verstorben und laut seinem in den Akten j IV 38/57 des hiesigen Amtsgerichts verkündeten eigenhändigen Testament von mir beerbt worden. Ich habe die Erbschaft angenommen und werde das Geschäft unter unveränderter Firma fortführen. Dies melde ich zur Eintragung an. Ich werde die Firma, wie folgt, zeichnen: „Wiener Moden Ignaz Schick." Von der Beibringung eines Erbscheins bitte ich wegen der damit verbundenen Kosten Abstand zu nehmen. Lichterfelde, den 22. März 1957. Hedwig Schick geb. Enke. (Beglaubigungsvermerk bezüglich Firmenzeichnung und Unterschrift)." Was die verfahrensrechtliche Seite des Falles anlangt, so müssen nach § 1 2 1 1 Vollmachten, die als Grundlage v o n Eintragungen gebraucht werden, immer beglaubigt sein, und Rechtsnachfolger sich „soweit tunlich" durch öffentliche Urkunde ausweisen. A n den Nachweis der Erbfolge sind also weniger strenge Anforderungen als in § 3 5 G B G gestellt. Der Richter kann sich mit anderen Nachweisen begnügen. Was er für genügend hält, bleibt seinem pflichtmäßigen Ermessen überlassen. Nach Schlegelberger, HGB, 3. Aufl. § 12 Anm. 18 muß der Registerrichter, wo öffentliche Urkunden zum Nachweis der Rechtsnachfolge beigebracht werden können, ihre Vorlegung verlangen. Nur dann, wenn ihre Beschaffung auf Schwierigkeiten stößt und ein Aufschub der Eintragung erhebliche Nachteile für die Beteiligten befürchten läßt, soll der Registerrichter sich mit anderen Nachweisen begnügen dürfen. — Die Vorlegung von Urkunden wird ersetzt durch Bezugnahme auf die Akten desselben Gerichts, in denen sie enthalten sind ( K G J 20 A 289; O L G München J F G 20, 373). Die Eintragung lautet: „Sp. 1 : 4. Sp. 3: Die Kauffrau Hedwig Schick geb. Enke in Lichterfelde." Der Name des verstorbenen Firmeninhabers wird rot unterstrichen. Die Eintragung der Veränderung im Register der Zweigniederlassung veranlaßt das Gericht von A m t s wegen gemäß § 13 a 1 1 1 . Die Prokura des Frl. Feder wird durch den Todesfall nicht berührt (§ 5 2 1 1 1 HGB), deshalb erübrigt sich eine Eintragung in der Prokurenspalte ( K G JW 1939, 565). Dagegen erlischt nach herrschender Meinung die Prokura bei Veräußerung des Geschäfts unter Lebenden oder Umwandlung einer Einzelfirma in eine OHG oder K G , sofern nicht der Erwerber ausdrücklich das Weiterbestehen der Prokura erklärt. Man nimmt sogar an, daß selbst im letzten Fall die alte Prokura gelöscht und eine neue eingetragen werden müsse. O L G 1 1 , 378 (KG); 34, 332 (BayObLG); Staub 15 zu § 52; a. A. BaumbachDuden 4 b zu § 52. Persönliche Haftung der Erbin für die unter der Firma begründeten Verbindlichkeiten: S. 687. Sind mehrere Erben vorhanden, so entsteht nach feststehender Rechtsprechung durch die gemeinschaftliche Fortführung des Handelsgeschäfts nicht ohne weiteres eine OHG. Denn die Fortführung gehört zu der nach § 2038 1 S. 1 B G B den Erben gemeinschaftlich obliegenden Verwaltung des Nachlasses. Es bedarf vielmehr auch in diesem Fall des Abschlusses eines Gesellschaftsvertrages ( K G in st. Rspr., insbes. J F G 19, 82; 21, 168; Wertpapier-Mitt. 1956, 583; BayObLG J F G 7, 160; B G H N J W 1951, 312). Bei Fortführung des Geschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft haften aber die

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Registergericht — Kommanditgesellschaft

Erben für die von ihnen selbst begründeten neuen Verbindlichkeiten als „Nachlaß-Eigenschulden" unbeschränkbar mit Nachlaß und Eigenvermögen ( K G JW 1937, 2599). Hatte der Erblasser Testamentsvollstreckung angeordnet, so ist es unzulässig, daß der Testamentsvollstrecker kraft seines Vollstreckeramtes das Handelsgeschäft in der Weise fortführt, daß die Erben als Inhaber und die Testamentsvollstreckung als Beschränkung in das Handelsregister eingetragen werden. Denn der Testamentsvollstrecker kann durch seine Geschäfte die im Handelsverkehr unerläßliche persönliche Haftung der Erben als Geschäftsinhaber nicht begründen ( K G aaO.; vgl. aber oben S. 468).

Kommanditgesellschaft U m w a n d l u n g e i n e r E i n z e l f i r m a in e i n e K o m m a n d i t g e s e l l s c h a f t . Anmeldung bei der Firma „Globus-Lichtspiele Artur Rauch", Inhaber Artur Rauch: „ I n das Geschäft sind der Kaufmann Bruno Nebel aus Berlin als persönlich haftender Gesellschafter und die verwitwete Frau Laura Pohl geb. Lorenz aus K ö l n als Kommanditistin mit einer Einlage von 20000 D M (i.W.) eingetreten. Die Firma wird unverändert weitergeführt. Die Gesellschaft ist eine Kommanditgesellschaft mit dem Sitz in Lichterfelde und hat ihre Geschäfte am 1. Januar 1957 begonnen. Die Geschäftsräume befinden sich in Lichterfelde, Markt 1. Herr Nebel und Herr Rauch zeichnen die Firma und ihre Namensunterschrift wie folgt: G/oÄaj'-Lichtspiele Artur Rauch Bruno Nebel. GYete-Lichtspiele Artur Rauch Artur Rauch. Lichterfelde, den 16. Januar 1957. Artur Rauch. Bruno Nebel. Laura Pohl geb. Loren (Beglaubigungs vermerk)."

V g l . §§ 106, 108, 162 1 . Die Kommanditistin meldet mit an, reicht aber keine Firmenzeichnung ein, weil sie nicht zur Vertretung der Kommanditgesellschaft berechtigt ist (§§ 164, 170). Die Gesellschaft konnte ihre Geschäfte schon v o r der A n meldung und Eintragung eröffnen, weil Kommanditgesellschaften, die ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe betreiben, ebenso wie offene Handelsgesellschaften durch Abschluß des Gesellschaftsvertrages und nicht durch Eintragung entstehen. Nach § 176 gilt aber bis zur Eintragung die Gesellschaft im Verhältnis zu gutgläubigen Dritten als offene Handelsgesellschaft, so daß der verfrühte Geschäftsbeginn der Kommanditistin leicht verhängnisvoll werden kann. Die Eintragung der Kommanditgesellschaft ist insofern, als sie der sonst gegenüber gutgläubigen Geschäftsfreunden bestehenden unbeschränkten Haftung des Kommanditisten ein Ende macht, rechtsändernd. Eintragung auf dem alten Registerblatt der Firma Rauch: „Sp. 1: 3. Sp. 3: Bruno Nebel, Kaufmann in Berlin. Sp. 5: Kommanditgesellschaft. Die verwitwete Frau Laura Pohl geb. Lorenz in K ö l n ist Kommanditistin mit einer Einlage von 20000 D M . Die Gesellschaft hat am 1. Januar 1957 begonnen."

V o n der öffentlichen Bekanntmachung sind der Name des Kommanditisten und der Betrag der Kommanditeinlage ausgeschlossen. § 162 1 1 . Die Veröffentlichung lautet also nur:

Registergericht — Anfechtung des Gesellschaftsvertrages

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„In das Geschäft sind der Kaufmann Bruno Nebel in Berlin als persönlich haftender Gesellschafter und ein Kommanditist eingetreten. Die Firma ist eine Kommanditgesellschaft, die am i. Januar 1957 begonnen hat." A n f e c h t u n g des

Eintritts. „Köln, den 10. März 1957.

An das Registergericht Lichterfelde. Am 1. Januar d. J . bin ich in die Firma Globus-Lichtspiele Artur Rauch als Kommanditistin mit einer Einlage von 20000 DM eingetreten. 10 000 DM habe ich sofort gezahlt, dann sollte ich 5000 DM bis 1. April 1957, den Rest nach Bedarf zahlen. Jetzt hat mich die Film-Verleih- und Kino-Apparate GmbH in Berlin-Halensee auf Zahlung von 16200 DM verklagt, welche aus der Geschäftsverbindung Rauchs vor meinem Eintritt herrühren und in den mir s. Zt. vorgelegten Handelsbüchern nicht als Schuld aufgeführt waren. Rauch hat mich also arglistig getäuscht. Ich habe den Gesellschaftsvertrag und meinen Eintritt in die Firma sofort nach Entdeckung des Betrugs angefochten. Zur Glaubhaftmachung überreiche ich Ich bitte: mich sofort im Handelsregister zu löschen, damit ich nicht gezwungen bin, die mir von Rauch verschwiegenen alten Schulden zu bezahlen. Laura Pohl geb. Lorenz" Der Referendar entwirft die V e r f ü g u n g : „Eilt! 1. Urschriftlich mit Anlagen Herrn Prozeßrichter für „ R " zur weiteren Erledigung. 2. An Frau Pohl: Auf die Eingabe vom 10. d. M. Ihre Löschung im Handelsregister kann nur erfolgen, wenn entweder sämtliche Beteiligten, also auch Rauch und Nebel, Ihr Ausscheiden in öffentlich beglaubigter Form angemeldet haben, oder ein vollstreckbares Urteil, zum mindesten eine einstweilige Verfügung, vorliegt. §§ 12, 16 HGB. Für die einstweilige Verfügung ist die Kammer für Handelssachen des hiesigen Landgerichts als Prozeßgericht zuständig. Außerdem kann, allerdings nur bei Dringlichkeit, das Amtsgericht eine einstweilige Verfügung erlassen unter gleichzeitiger Bestimmung einer Frist, innerhalb welcher zur Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung vor das Prozeßgericht geladen werden muß. § 942 ZPO. Da sich Ihre Eingabe auch als Gesuch um Erlaß einer einstweiligen Verfügung auffassen läßt, haben wir sie wegen der Dringlichkeit der Sache kurzerhand an die Prozeßabteilung abgegeben. Wir machen jedoch darauf aufmerksam, daß zweifelhaft sein kann, ob das Gesuch nach den bisherigen Unterlagen begründet ist, und daß es sich bei der Schwierigkeit und der Bedeutung des Falles für Sie empfehlen dürfte, einen Rechtskundigen zuzuziehen." Aller Voraussicht nach hat Frau Pohl ihr Geld verloren. A n die Übernahme v o n Handelsgeschäften knüpft das H G B eine Haftung für die Schulden des bisherigen Inhabers, ausgehend v o n dem Gedanken, daß der neue Geschäftsinhaber sich der Öffentlichkeit gegenüber 2u den Verpflichtungen der Firma bekannt hat: 1. Bei Übernahme des Geschäfts eines Einzelkaufmanns wird die Haftung durch Fortführung der Firma — mit oder ohne „Nachfolgezusatz" — begründet. Sie kann durch Vereinbarung ausgeschlossen werden, doch wirkt der Ausschluß nur, wenn er in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder dem Gläubiger besonders mitgeteilt war ( § 2 5 ) . I m übrigen trifft den Geschäftsübernehmer, der auf diese A r t die unbeschränkte Haftung vermieden hat, die unabdingbare beschränkte Haftung aus § 4 1 9 B G B , wenn das Handelsgeschäft das ganze oder nahezu ganze Vermögen des Veräußerers ausmacht. 2. Führt der E r b e das Geschäft des Erblassers unter der bisherigen Firma (ebenfalls mit oder ohne Nachfolgezusatz) fort, so haftet

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Registergericht — Haftung bei Geschäftsübergang

er für die Geschäftsschulden persönlich und unbeschränkt. Ausschluß durch Vereinbarung kann nach Lage der Sache hier nicht in Betracht kommen; wohl aber kann der Erbe in entsprechender Anwendung des § 2 5 1 1 durch einseitige Erklärung und unverzügliche Eintragung in das Handelsregister nebst Bekanntmachung die unbeschränkte Haftung für die Geschäftsschulden des Erblassers ausschließen ( K G D R 1940, 2007). Ferner wird die Haftung durch Einstellung des Geschäftsbetriebs binnen drei Monaten seit Kenntnis vom Erbfall beseitigt (§ 27HGB). Wer also ein überschuldetes Geschäft geerbt und die Ausschlagungsfrist versäumt hat, kann während weiterer sechs Wochen die Haftung für die Geschäftsschulden abwenden, indem er das Geschäft schließt. Nach Ablauf der drei Monate nützt ihm die Beschränkung der Erbenhaftung nur noch gegenüber den Nicht-Geschäftsgläubigern des Nachlasses. 3. Wird eine Einzelfirma durch Hinzutritt anderer Gesellschafter zu einer O H G oder K G erweitert, so haftet die Gesellschaft für die alten Geschäftsschulden auch, wenn sie die Firma nicht fortführt. Ausschluß durch Vereinbarung und Registereintragung bzw. Mitteilung möglich (§ 28). In diesem Fall greift auch die Haftung aus § 419 B G B nicht ein, weil OHG oder K G als Gesamthandsgemeinschaften nicht „das Vermögen" übernehmen (BGH B B 54, 700); anders bei der Einbringung des Vermögens in eine Kapitalgesellschaft (RG 148, 257). 4. Wenn endlich in eine bereits bestehende O H G oder K G ein neuer Gesellschafter eintritt, so ist die Haftung ebenfalls von der Beibehaltung der Firma unabhängig; eine Ausschließung der Haftung wird für diesen Fall überhaupt nicht vorgesehen (§§ 130, 1 6 1 n ) . Die von Frau Pohl behauptete arglistige Täuschung vermag hieran nichts zu ändern. Die Rechtsprechung des R G hat zwar zunächst die Anfechtung des Gründungsvertrages einer Personengesellschaft wegen Willensmängel im Innenverhältnis zugelassen, ihr jedoch nach dem Vollzuge der Gesellschaft die Wirkung nach außen gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft versagt, weil die Eintragung in das Handelsregister eine an die Öffentlichkeit gerichtete Erklärung ist, aus welcher der Eintretende im Hinblick auf § 28 H G B selbständig haftet (RG 51, 39; 76, 441). In R G 89, 335 wurde sodann ausgesprochen, daß ein Rücktritt vom Gesellschaftsvertrage, wenn die Gesellschaft ins Leben getreten ist, durch die Sonderbestimmung des § 1 3 3 H G B ausgeschlossen wird. Später wurde auch der Anfechtung die rückwirkende Kraft überhaupt versagt und ihr nur noch die Wirkung einer Kündigung aus wichtigem Grunde beigelegt, die die Gesellschaft für die Zukunft auflöst, so daß sie sowohl im Innen- wie im Außenverhältnis bis zur Kündigung als fortbestehend gilt (RG 165, 199; 170, 98; B G H 3, 385). Der Verkehrsschutz geht so weit, daß sogar der in das überschuldete Geschäft eines Geisteskranken eingetretene Gesellschafter an seiner Haftung für die alten Geschäftsschulden festgehalten wird: die Nichtigkeit der Willenserklärung des Geschäftsunfähigen aus §§ 104, 105 ist unerheblich, weil es allein auf die von dem Eintretenden abgegebene Erklärung an die Öffentlichkeit ankommt ( R G 89, 98). Beim Eintritt in das Geschäft des Geisteskranken wird dem Getäuschten unter U m ständen insofern geholfen, als aus Rechtsgeschäften des alten Firmeninhabers, sofern er bei ihrem Abschluß bereits geschäftsunfähig war, natürlich keine Vertragshaftung entsteht und der neue G e sellschafter daher nur auf die Bereicherung haftet ( R G 93, 228). A u c h bei den Kapitalgesellschaften führt der Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes und der Kundgabe an die Öffentlichkeit dazu, daß der Gesellschaft nach ihrer Eintragung im Handelsregister die Kapitalgrundlage nicht durch A n fechtung der Gründungs- und Beitrittserklärungen entzogen werden darf ( R G 82, 3 7 5 ; 1 2 7 , 1 9 1 ) . Das gleiche gilt für die Genossenschaft ( R G 57, 2 9 7 ; 69, 368).

Frau Pohl muß daher die Forderung der Film-Verleih- und KinoapparateGmbH als Schuld der Kommanditgesellschaft gelten lassen. Bis zur Höhe seiner Einlage haftet der Kommanditist den Gesellschaftsgläubigern unmittelbar; soweit er die Einlage geleistet hat, ist die Haftung ausgeschlossen. § 1 7 1 1 HGB. Da von der

Registergericht — Haftung des Kommanditisten

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Kommanditeinlage von 20000 D M 10000 D M bezahlt sind, wird Frau Pohl zu 10000 D M verurteilt werden, während die Mehrforderung von 6200 D M abzuweisen ist. Einstweilige Verfügungen und ähnliche Maßnahmen können nur verhüten, daß Rauch in Zukunft durch weitere Geschäftsführung das Gesellschaftsvermögen schädigt und entwertet. Die Gläubigerin wird allerdings von ihrem Standpunkt aus gut daran tun, sich auf den unmittelbaren Anspruch gegen die Kommanditistin aus § 1711 allein nicht zu verlassen, sondern außerdem den Anspruch der Gesellschaft gegen die Kommanditistin auf Leistung der Pflichteinlage zu pfänden. Denn da die Leistung der Einlage an die Gesellschaft von der Haftung aus § 1711 befreit und dieser Fall auch nach der Klagerhebung eintreten kann, könnte der Klage nachträglich die Grundlage entzogen werden, wenn Frau Pohl den Rest ihrer Einlage an die Gesellschaft oder an einen anderen Gläubiger zahlt, für den der Anspruch der Gesellschaft auf die Pflichteinlage gepfändet worden ist (vgl. Fritze, N J W 1956, 975). Frau Pohl (und in gleicher Weise Nebel) hätten sich nach dem hier anzuwendenden § 28 dadurch schützen können, daß die Haftung für die Schulden des Rauch ausgeschlossen und dies ins Register eingetragen und bekannt gemacht worden wäre. Wird der Ausschluß der Haftung zur Eintragung angemeldet, aber vom Gericht nicht eingetragen oder bekanntgemacht, so ist ein Ersatzanspruch gegen den Justizfiskus gegeben (§ 839 BGB, Art. 34 GG). Jedoch entfällt der Anspruch auf Grund des § 839 111 BGB, falls der neue Firmeninhaber aus der ihm zugegangenen Nachricht des Registergerichts hätte ersehen können, daß nur der Eintritt in die Firma, nicht der Haftungsausschluß eingetragen war (RG J W 1931, 1186). Man muß also in Registersachen sorgfältig prüfen, ob Eintragungsnachricht und Anmeldung sich decken. Noch besser wäre es gewesen, wenn Frau Pohl sich als s t i l l e G e s e l l s c h a f t e r i n , statt Kommanditistin, beteiligt hätte. Denn der stille Gesellschafter wird von den Gläubigern der Firma niemals unmittelbar in Anspruch genommen (§ 33 5 11 HGB), und im Konkursfall kann er sogar unter gewissen Voraussetzungen Ansprüche als Konkursgläubiger geltend machen (§ 3411), was beim Kommanditisten eine rechtliche Unmöglichkeit wäre. Bisweilen lassen sich stille Gesellschafter zu ihrer größeren Sicherheit Vermögensgegenstände der Firma übereignen und haben dann •— vorausgesetzt, daß die Abmachung keiner Anfechtung unterliegt — sogar ein Widerspruchsrecht. Will der Geldgeber, gleichviel ob Kommanditist oder stiller Gesellschafter, sich vollen Einblick in die Verhältnisse des Geschäfts verschaffen, so kann er sich nebenher zum Prokuristen bestellen lassen (RG 31» 39)> w a s übrigens auch beim Kommanditisten zugelassen wird (BGH 17, 394), während die Bestellung eines von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossenen OHG-Gesellschafters (§§ 114, 125) zum Prokuristen streitig ist (Staub 3 zu § 48, 4 zu § 125).

E i n t r a g u n g auf G r u n d g e r i c h t l i c h e r E n t s c h e i d u n g . „Als Gesellschafter der Kommanditgesellschaft in Firma ,, G/ofow-Lichtspiele Artur Rauch" in Lichterfelde melden wir zur Eintragung in das Handelsregister an: Der Gesellschafter Artur Rauch ist durch vollstreckbares Urteil des Landgerichts Berlin, II. Kammer für Handelssachen, vom 31. Mai 1957 von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen. Berlin, , 2. . — den — Juni 1957. Köln, Bruno Nebel.

3. Laura Pohl geb. Loren

(Beglaubigungs vermerk).''

Das in vollstreckbarer Ausfertigung mit Zustellungsurkunde beigefügte, auf Klage des Nebel und der Frau Pohl gegen Rauch ergangene Urteil lautet: „Der Beklagte wird von der Vertretung der Kommanditgesellschaft in Firma „ GlobusLichtspiele Artur Rauch" in Lichterfelde ausgeschlossen und verurteilt, dies zur Eintragung in das Handelsregister bei der genannten Firma anzumelden. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar." 44

L u x , Schulung. 4. Aufl. (Jansen)

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Registergericht —• Eintragung auf Grund Urteils

Die Entziehung der Vertretungsbefugnis aus „wichtigem Grunde" erfolgt durch richterliches Urteil (§ 127), welches rechtsgestaltend ist und daher erst mit der Rechtskraft in Wirksamkeit tritt. Nach § 16 1 S. 1 wird jedoch die Anmeldung zum Handelsregister schon durch die vollstreckbare Verurteilung eines Beteiligten ersetzt, also auch durch ein vorläufig vollstreckbares Urteil, ja sogar durch eine einstweilige Verfügung, selbst wenn es sich um eine erst mit der Rechtskraft wirksam werdende rechtsgestaltende Entscheidung handelt (RGRKom H G B , 2. Aufl. § 16 Anm. 3, 4). Wenn die übrigen Beteiligten anmelden und sich dadurch mit dem Spruch des Prozeßgerichts einverstanden erklären, muß der Registerrichter die Anmeldung des Beklagten als durch das vollstreckbare Urteil ersetzt ansehen (Schlegelberger, H G B , 3. Aufl. § 16 Anm. 8). Eintragungsverfügung: „Sp. 1 : 4. Sp. 5: Durch vollstreckbares Urteil des Landgerichts Berlin, II. Kammer für Handelssachen, vom 31. Mai 1957 ist der Kaufmann Artur Rauch von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen."

Gläubiger-GmbH. Gesellschaftsvertrag. „Verhandelt Lichterfelde, den 8. Januar 1957. Vor dem unterzeichneten Notar usw. erschienen: 1. der Architekt Hugo Friese, 2. der Bankier Ferdinand Schilling, 3. der Ziegeleibesitzer Robert Heckner, 4. der Ingenieur Detlev Dinier, 5. der Direktor Emil Fischer, 6. das volljährige Fräulein Anna Friese, sämtlich aus Lichterfelde, dem Notar von Person bekannt. Herr Dinter legte beglaubigte Vollmacht der offenen Handelsgesellschaft Josef Claudius & Co. Eisenhandlung in Freistadt vom 20. Dezember 1956, Urkundenrolle Nr. 555/56 des Notars Urban in Freistadt, vor und erklärte, daß er in dieser Verhandlung als Vertreter der Firma Claudius auftrete. Hierauf schlössen die Erschienenen — Herr Dinter namens der offenen Handelsgesellschaft Josef Claudius n ) . Und wenn auch Anträge der Prozeßbeteiligten zur Schuld- und Straffrage ohne bindende Wirkung sind, so müssen sich doch die Urteilsgründe nach Maßgabe des § 2 6 7 1 1 » 1 1 1 mit

Einzelrichter — Wilderei

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ihnen auseinandersetzen. Bringt die Verhandlung Taten des Angeklagten, die vom Eröffnungsbeschluß nicht umfaßt werden, zur Kenntnis des Gerichts, so können sie auf Nachtragsanklage der Staatsanwaltschaft und unter Zustimmung des Angeklagten mit zum Gegenstand der Aburteilung gemacht werden, wenn das Gericht für sie zuständig ist (§ 266'). Einen Tatbestand nach Art des Zivilprozesses (§ 3 1 3 3 ZPO) kann das Strafurteil nicht haben, weil es hier keinen „Sach- und Streitstand" gibt. An den Anfang der Urteilsgründe gehören vielmehr nach § 267 1 S. 1 StPO die Tatsachen, welche das Gericht als festgestellt ansieht; daran schließt sich die rechtliche Würdigung. Wird, wie in unserem Fall, der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert, so sollen (nicht: müssen) nach § 267 1 S. 2 auch die Indizien mitgeteilt werden. Dagegen genügt es in einfachen Fällen, den vom Gericht als erwiesen angesehenen Sachverhalt in direkter Rede zu erzählen, wobei die übliche schematische Einleitung: „die Hauptverhandlung hat folgenden Sachverhalt ergeben" oder „auf Grund der Hauptverhandlung ist folgendes für erwiesen erachtet worden", im Hinblick auf §§ 261, 264 1 selbstverständlich und daher entbehrlich ist. Die Gründe gehen jetzt zur rechtlichen Würdigung über, und zwar — da prozessuale Gesichtspunkte nicht zu erörtern sind — alsbald zur materiell-rechtlichen Prüfung der Tat: „Fasanen sind jagdbare Tiere (§ 2 1 2 des Bundesjagdges. vom 29. November 1 9 5 2 , B G B l I 780). Daß der Angeklagte nicht berechtigt war, die J a g d im Tannensteiner Forst auszuüben, steht außer Zweifel. Der Forst ist, wie gerichtsbekannt, vollständig eingehegt; am E i n - und Austritt der Tannenstein-Hertwigswaldauer Landstraße befinden sich Gattertore, die von den Passanten jedesmal geöffnet werden müssen und infolge einer Gewichtsregulierung automatisch wieder zufallen. E s entsteht daher die Frage, ob der Forst als .Tiergarten* im Sinne des § 960 1 S. 2 B G B aufzufassen ist. Wäre dies der Fall, so käme, da nach § 6 S. 3 des Bundesjagdgesetzes Tiergärten nicht unter die Vorschriften dieses Gesetzes fallen, eine Verletzung fremden Jagdrechts, wie sie § 292 S t P O erfordert, nicht in Betracht, die Tat des Angeklagten wäre vielmehr als Diebstahl zu würdigen."

(Wie oben ausgeführt, darf eine Verurteilung auf Grund eines im Eröffnungs beschluß nicht angeführten Strafgesetzes nur unter Beachtung des § 265 StPO erfolgen.) O b ein Wald von fast 600 ha überhaupt noch Tiergarten sein kann, ist streitig (vgl. MitzschkeSchäfer, K o m m . z. Reichsjagdges. 3. Aufl. A n m . 1 0 zu § 1). Diese Frage kann aber hier dahingestellt bleiben, denn jedenfalls werden Fasanen durch die Einhegung nicht in ihrer natürlichen Freiheit behindert."

Nach richtiger Auffassung ist als Tiergarten ein zur Festhaltung von Wild dauernd und vollständig umschlossener Raum anzusehen, der nach seiner Flächengröße das Einfangen oder Ergreifen und Töten des Wildes jederzeit ohne Bejagung im eigentlichen Sinn ermöglicht (vgl. die angeführte Kommentarstelle sowie Mitzschke-Schäfer, Komm. z. Bundesjagdges. [2] 4 zu § 7); eingefriedete Reviere, die so groß sind, daß das Fangen und Erlegen des Wildes im allgemeinen eine Jagdausübung im eigentlichen Sinn erfordert (Ausmachen usw.), sind lediglich sog. Gatterreviere oder „Tierparks" ohne jagdrechtliche Besonderheit. Die vom R G (insbes. in RGSt 60, 273 und zuletzt in H R R 1935 Nr. 398) vertretene abweichende Auffassung würde zu der mit den Grundgedanken des Bundesjagdges. nicht zu vereinbarenden Folgerung führen, daß dem Wild in eingehegten großen Wäldern ohne Beachtung der Schonzeitvorschriften, aber auch ohne Beachtung der eine Veredelung des Waidwerks und den Schutz des Wildes bezweckenden sonstigen Jagdausübungsbeschränkungen (§§ 39f. B J G ) nachgestellt werden könnte. — Nicht zweifelhaft ist, daß da, wo ein Tiergarten

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Einzelrichter — Aufbau der Urteilsgründe; Einziehung

vorliegt, der Ausschluß der Anwendbarkeit des B J G sich nur auf solche (größeren) Tiere erstreckt, die durch die Einfriedigung am Verlassen des Reviers verhindert werden können. „Danach ist der Angeklagte schuldig, am 5. September 1956 unter Verletzung fremden Jagdrechts Wild erlegt zu haben. Vergehen gegen §§ 292, 295 S t G B . "

An dieser Stelle des Urteils wird vielfach gesagt: „ E s war daher tatsächlich festzustellen, daß der A n g e k l a g t e . . . . " , „es war nicht tatsächlich festzustellen, daß der A n g e k l a g t e . . . . " . Es handelt sich aber gar nicht um tatsächliche Feststellungen, sondern um eine — im Gesetz nicht vorgeschriebene, aber zur Erhöhung der Übersichtlichkeit des Urteils zu empfehlende — rechtliche Würdigung des Verhandlungsergebnisses in schematischer Form durch Zusammenfassung der abstrakten und konkreten Tatbestandsmerkmale. Wenn z. B. in der Revisionsinstanz geprüft wird, ob die „tatsächlichen Feststellungen" des Vorderrichters seine Entscheidung rechtfertigen, so kommt es dabei nicht auf die sog. tatsächliche Feststellung am Ende des Urteils an, sondern auf die vorher festgestellten konkreten Einzeltatsachen. — Notwendig ist die Angabe des Strafgesetzes (§ 2 6 7 1 1 1 S. 1 StPO). „ D a der Angeklagte nach dem Strafregisterauszug B1 d. A . wegen einschlägiger Vergehen noch nicht bestraft und der von ihm angerichtete Schaden gering ist, so kann der Strafzweck durch eine Geldstrafe erreicht werden. Unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse erschien eine Geldstrafe von 50 D M angemessen und ausreichend."

Vgl. § 2 6 7 1 1 1 S. 1 (Zwang zur Begründung der Strafzumessung). Zur Strafzumessung vgl. noch Nr. 249 1 RiStV 195 3: „Die Jagdwilderei ist, nicht zuletzt wegen der Gefahren, die dem Jagdschutzberechtigten von Seiten der Wilderer drohen, streng zu verfolgen". — Das Gericht hat das „dreiste" Ableugnen der Tat in der Hauptverhandlung nicht straferhöhend verwertet. Das war richtig. „Uneinsichtiges" Leugnen wird grundsätzlich nur dann straferhöhend in Betracht kommen, wenn es bei der Art der Tat und bei der Persönlichkeit des Angeklagten auf Rechtsfeindschaft, auf Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen läßt; andernfalls läge eine dem Gesetz unbekannte Lügenstrafe vor (vgl. Leipz. Komm. [Jagusch] [8]B/VIbAbs. 3 vor § 13 StGB). — Der Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe bedurfte es nicht (§ 29™ StGB). „Ferner war gemäß § 295 StGB, auf Einziehung des beschlagnahmten Jagdgewehrs, das der Angeklagte bei der Jagdwilderei bei sich geführt hat, zu erkennen."

Von der allgemeinen Einziehungsvorschrift des § 40 weicht § 295 nach zwei Richtungen ab: die Einziehung ist grundsätzlich z w i n g e n d vorgeschrieben und sie findet nicht nur gegen den Täter oder Teilnehmer, sondern ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse statt, jedoch mit Milderungsmöglichkeit nach § 295 n . Vorschriften, wie die des § 2951, die die Einziehung zwingend vorschreiben und sie auch gegenüber dem tatunbeteiligten Eigentümer vorschreiben oder zulassen (sog. unterschiedslose Einziehung), finden sich in zahlreichen Gesetzen, besonders im Nebenstrafrecht. Nebenstrafe — wie sie es im Fall des § 40 StGB ist — kann die Einziehung in solchen Fällen nicht sein, denn dem tatunbeteiligten Eigentümer gegenüber gibt es keine Strafe. Eine polizeiliche Sicherungsmaßnahme, die die Einziehung gegenüber jedermann rechtfertigen würde, aber kann die unterschiedslose Einziehung nur dann sein, wenn der Gegenstand der Einziehung an sich gefährlich ist (vgl. z. B. § § 1 5 2 , 245 a 1 1 1 , auch § 86 1 — s. dazu B G H S t 6, 62 —), nicht aber, wo der Gegenstand vom Täter oder Teilnehmer nur in gefährlicher Weise gebraucht wurde, bei einer Rückgabe an den unbeteiligten Dritteigentümer Gefahren aber nicht mehr drohen. Die neuere Rechtsprechung geht davon aus, daß eine Haftung des tatunbeteiligten Eigentümers für die Schuld des Täters oder Teilnehmers durch Eröffnung der Einziehbarkeit seines Eigentums aus Gründen der Gerechtigkeit und Billigkeit nur dann vertretbar ist, wenn er für den Verlust seines Eigentums entschädigt wird oder wenn ein die Ein-

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Einzellichter — Einziehung. Strafverfügung

Ziehung rechtfertigender Grund deshalb vorliegt, weil er um die Tat, bei der sein Eigentum verwendet wurde, vor ihrer Begehung wußte oder wissen mußte, oder wenn er nach der Begehung von der Tat einen Vorteil gehabt hat, dessen Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung erkennbar war. Diese Grundsätze sind für das Gebiet des Ordnungsunrechts jetzt in den §§ i8ff. des Ges. über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952 (BGBl. 1 1 7 7 ) niedergelegt und gelten auch für die unterschiedslose Einziehung im Strafverfahren (näheres Dalcke[-Schäfer] [36] 7 zu § 40 StGB). Mit der Rechtskraft der die Einziehung anordnenden Entscheidung geht das Eigentum an dem Gegenstand kraft Gesetzes auf den Staat über, dem das erstinstanzliche Gericht angehört (§ 60 StVollstrO, § 22 OWiG). Rechte Dritter erlöschen, unbeschadet eines etwaigen Entschädigungsanspruchs. Voraussetzung ist aber, daß der Einziehungsgegenstand in der Entscheidung genügend deutlich bezeichnet ist (RG JW 1935, 949). Ist der Gegenstand in behördlicher Verwahrung, so genügt ein Hinweis darauf („das beschlagnahmte Jagdgewehr"). Ist dies aber nicht der Fall, so müßte eine Bezeichnung nach anderen Merkmalen, z. B. durch Angabe eines Beschußzeichens, einer Fabriknummer usw. erfolgen. Ein Urteil, das nur auf „Einziehung des bei der Tat geführten Jagdgewehrs" lautete, wäre unvollziehbar, da es den Vollstreckungsorganen keine genügende Grundlage zur Durchführung der Vollstreckung böte; eine Nachholung der genaueren Bezeichnung durch eine das Urteil ergänzende Entscheidung wäre verfahrensrechtlich nicht mehr möglich. Auch die Kostenentscheidung bedarf der Begründung im Urteil: „Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte nach § 4651 StPO zu tragen, weil er zu Strafe verurteilt ist. Richter. Urkmd."

Richterliche Strafverfügung Das Amtsgericht in Bad Nauheim hat folgende Strafverfügung erlassen: Geschäftsnummer: 5 Es 137/56. „Strafverfügung. Sie sind am 23. September 1950 in Bad Nauheim in der Frankfurter Straße, in der die Geschwindigkeit auf 30 km je Stunde beschränkt ist, auf einem Motorrad mit mehr als 30 km Stundengeschwindigkeit gefahren und zwar so übermäßig schnell, daß Sie auf der belebten Straße nicht in der Lage waren, Ihren Verpflichtungen im Verkehr jederzeit Genüge zu leisten. Die Übertretung wird bewiesen durch das Zeugnis des Geschäftsführers Ewald Knopf in Bad Nauheim. Auf Grund der §§ 1, 4 1 , 9, 49 der Straßenverkehrs-Ordnung i. d. F. vom 29. März 1956 (RGBl I 271, 327), § 413 StPO wird deshalb gegen Sie eine Geldstrafe von 50 DM (i. W.) festgesetzt, an deren Stelle, wenn sie nicht beizutreiben ist, eine Haftstrafe von 5 (fünf) Tagen tritt. Zugleich werden Ihnen die Kosten des Verfahrens auferlegt. Diese Strafverfügung wird vollstreckbar, wenn Sie nicht binnen einer Woche nach der Zustellung bei dem unterzeichneten Gericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch erheben. Die Geldstrafe von 50 DM und die unten bezeichneten Kosten von 2,50 DM, zusammen 52,50 DM, sind an die hiesige Gerichtskasse binnen einer Woche nach Eintritt der Vollstreckbarkeit zu zahlen; andernfalls muß Zwangsvollstreckung erfolgen. Es wird ersucht, bei der Zahlung diese Strafverfügung vorzulegen oder durch Angabe Ihres Namens und der oberstehenden Geschäftsnummer genau zu bezeichnen. An den Buchhalter Herrn Joseph Hindemith in Gießen, Laurentiusstraße 29.

Bad Nauheim, den 24. September 1956. Amtsgericht Richter"

Vgl. § 413 1 » " > I V , § 409 1 , §§ 4Ö4 1 ,465; Hess. Ges. vom 27. März 1951 ( G V B 1 1 3 ) ; §§ 5 2 " , s j i G K G .

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Einzelrichter — Verwaltungsstrafverfahren

i. Die amtsrichterliche Strafverfügung, die eine beschleunigte Erledigung von Ü b e r t r e t u n g e n ermöglicht, ist erst durch das Rechtsvereinheitlichungsges. vom 12. September 1950 (BGBl 455) geschaffen worden. Vordem standen für eine summarische Ahndung von Übertretungen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: der amtsrichterliche Strafbefehl, der aber nur erlassen werden kann, wenn die Staatsanwaltschaft es beantragt (§407!; s. S. 822)unddie p o l i z e i l i c h e Strafverfügung. §413 a.F. StPO gestattete den Ländern, die Polizeibehörden zur Ahndung von Übertretungen durch die gesetzlich angedrohten Geld- oder Haftstrafen durch eine schriftliche Strafverfügung (im Volksmund auch „Strafmandat" oder „Protokoll" genannt) zu ermächtigen. Diese Strafverfügung konnte der Beschuldigte durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung (durch den Amtsrichter als Einzelrichter) anfechten; das Landesrecht konnte dem Beschuldigten aber auch die Befugnis einräumen, statt des Antrags auf gerichtliche Entscheidung die Beschwerde an die Polizeiaufsichtsbehörde zu wählen, die dann ohne Beteiligung der Strafgerichte endgültig entschied. Von der Möglichkeit der polizeilichen Strafverfügung hatten die meisten Länder, insbesondere Preußen, Gebrauch gemacht. Nachdem in der Zeit nach dem 8. Mai 1945 die polizeiliche Strafverfügung schon weithin durch Anordnung der damaligen Besatzungsbehörde beseitigt worden war, wurde durch das erwähnte Ges. vom 12. September 1950 das polizeiliche Strafverfügungsrecht allgemein aufgehoben, weil man davon ausging, daß die Verhängung von K r i m i n a l s t r a f e n grundsätzlich nur dem Richter zustehen könne; übrigens würden, da Freiheitsstrafen nach Art. 1 0 4 1 1 G G nur der Richter verhängen kann, polizeiliche Strafverfügungen nur noch unter Beschränkung auf die Festsetzung von Geldstrafen möglich gewesen sein, wobei auch die Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe nur durch den Richter hätte erfolgen können. Folgerichtig durchgeführt hätte die Erwägung, von der sich der Gesetzgeber bei der Behandlung der polizeilichen Strafverfügung hat leiten lassen,, dazu führen müssen, schlechthin die summarische Festsetzung von Kriminalgeldstrafen durch Verwaltungsbehörden zu beseitigen. Diese Folgerung hat der Gesetzgeber aber nicht gezogen, sondern für gewisse Rechtsgebiete, bei denen man auf die Mitwirkung der sachkundigen Verwaltungsbehörden nicht glaubte verzichten zu können, in beschränktem Umfang das summarische Verwaltungsstrafverfahren beibehalten, nämlich in Poststrafsachen (§§ 34fr. des Postges. vom 28. Oktober 1871, RGBl. 347), bei gewissen Zuwiderhandlungen gegen die SeemannsO vom 2. Juni 1902 (RGBl. 175, § 122) in Verbindung mit der V O betr. das Strafverfahren vor den Seemannsämtern vom 13. März 1903 (RGBl 42), vor allem aber in Steuer-, Zoll- und (auch kommunalen) -Abgabestrafsachen (§§ 421 ff. RAbgO in Verb, mit § 6 Abs. 2 Nr. 2 EGStPO i.d.F. von Art. 3 Nr. 206 des Ges. vom 12. September 1950, B G B l 45 5). In diesen Fällen können die dazu ermächtigten Verwaltungsbehörden (in Steuerstrafsachen die Finanzämter) Geldstrafen festsetzen und die Einziehung von Gegenständen aussprechen, vorbehaltlich des Rechts des Beschuldigten, dagegen die Entscheidung des Strafrichters (durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung) anrufen oder statt dessen Beschwerde an die höhere Verwaltungsbehörde einzulegen. Es fehlt freilich nicht an Stimmen, die diesen Rest der Verwaltungsstrafgerichtsbarkeit als grundgesetzwidrig bezeichnen, weil er mit Art. 92 G G (Ausübung der rechtsprechenden Gewalt durch die Gerichte) unvereinbar sei. Mindestens sei er durch Art. 6 der Menschenrechtskonvention, der die Bundesrepublik beigetreten ist (Ges. vom 7. August 1952 u. Bek. vom 15. Dezember 1953, B G B l II 1952, 685, 953; 1954, 14) aufgehoben; nach letzterer Vorschrift haben nur unabhängige Gerichte über strafrechtliche Anklagen zu entscheiden. Die durchaus h.M. teilt diese Bedenken aber nicht, weil nach der historischen Entwicklung das Rechtsprechungsmonopol der Gerichte auch dann als gewahrt angesehen wird, wenn der Beschuldigte das Recht hat, gegen eine sum-

Einzelrichter — Strafverfiigungsverfahien

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marische (vorläufige) Straffestsetzung der Verwaltungsbehörde die Entscheidung des ordentlichen Strafrichters herbeizuführen (vgl. Löwe-Rosenberg-Schäfer [20], Anm. 2 ff. zu § 13 GVG). Auch in diesen Fällen aber ist nicht nur die Festsetzung von Freiheits-, sondern auch von Ersatzfreiheitsstrafen gem. Art. 104 1 1 G G den Verwaltungsbehörden entzogen und nur dem Strafrichter vorbehalten. Der tiefere Grund dafür, den Polizeibehörden das summarische Bestrafungsrecht bei Übertretungen zu entziehen, lag nicht in den aus dem Rechtsprechungsmonopol der Gerichte (Art. 92 G G ) hergeleiteten Bedenken, sondern im Zug der Entkriminalisierung des sog. Polizeiunrechts (s. darüber S. 851). Die durch den erhöhten Anfall von ÜbertretungsSachen infolge des Wegfalls der polizeilichen Strafverfügung entstehende Mehrbelastung der Strafjustizbehörden einigermaßen auszugleichen ist der Sinn der Schaffung der amtsrichterlichen Strafverfügung. Sie unterscheidet sich von dem Strafbefehl lediglich dadurch, daß sie a) nur bei Übertretungen (nicht auch, wie der Strafbefehl, bei Vergehen) zulässig ist und b) daß die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft bei der Erwirkung der Strafverfügung wegfällt. Die summarische Aufklärung des Sachverhalts ist Sache der Polizeibehörde. Sie hat den Beschuldigten zu vernehmen (§ 4 1 3 1 „nach Vernehmung des Beschuldigten"), ebenso etwaige Zeugen und sonstige Ermittlungen anzustellen. Hält sie nach dem Ergebnis dieser Ermittlungen eine Ahndung durch Strafverfügung für möglich und angezeigt, so übersendet sie die Vorgänge — abweichend von der Regel des § 1 6 3 1 1 1 — nicht der Staatsanwaltschaft, sondern legt sie unter Bezeichnung der Beweismittel und der anzuwendenden Strafvorschriften sowie mit einem Vorschlag zum Strafmaß unmittelbar dem Amtsrichter vor. Voraussetzung für das amtsrichterliche Strafverfügungsverfahren ist, daß Landesgesetz auf Grund der Ermächtigung in § 4 1 3 1 es gestattet; das ist in allen Ländern geschehen (vgl. die Aufzählung in Dalcke[-Fuhrmann] [36] 1 zu § 4 1 3 ; für Hessen s. das oben angeführte Gesetz, für Bayern Art. 3 BayAGStPO vom 17. November 1956, GVB1 254 = SaBl. 1227). Das Gegenstück zur amtsrichterlichen Strafverfügung des Erwachsenenrechts ist im Jugendstrafverfahren die jugendrichterliche Verfügung (vgl. S. 893). Der Amtsrichter ist weder an die rechtliche noch an die tatsächliche Beurteilung der Polizei gebunden noch braucht er — anders als beim Strafbefehl, wo er sich nicht über den Antrag der Staatsanwaltschaft zum Strafmaß hinwegsetzen kann, § 408 1 1 S. 2 u. S. 822 — auf den Strafbemessungsvorschlag der Polizei Rücksicht zu nehmen, denn die Angaben und der Vorschlag der Polizei sollen ihm nur die Prüfung bei Erlaß der Strafverfügung erleichtern. Hat der Amtsrichter Bedenken, ohne Hauptverhandlung zu entscheiden oder hält er noch weitere Ermittlungen für nötig, zeigt sich also, daß es nicht möglich ist, die Sache summarisch ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft zu erledigen, so übersendet der Amtsrichter die Akten der Staatsanwaltschaft (§ 4 1 3 m ) , die dann — so als sei ihr die Sache von der Polizeibehörde nach § 1 6 3 1 1 1 zugeleitet worden — nach den allgemeinen Vorschriften das Verfahren einstellen, Strafbefehl beantragen oder Anklage erheben kann. Der Amtsrichter ist jedoch befugt, selbst das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen (§ § 4 1 3 v , 153 1 ), eine Befugnis, die ihm sonst erst nach Erhebung der Anklage und dann auch nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft zusteht (§ 1 5 3 1 1 1 ) 1 ) . Auch muß ihm das Recht zustehen, das Verfahren wegen eines nicht behebbaren Verfahrenshindernisses —• Amnestie, Verjährung, fehlender Strafantrag — in entsprechender Anwendung des § 206a StPO einzustellen; dann x

) Streitig ist, ob der Amtsrichter auch dann noch befugt ist, das Verfahren ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft wegen Geringfügigkeit einzustellen, wenn er eine Strafverfügung erlassen und der Angeklagte dagegen Einspruch eingelegt hat (vgl. Rasehorn N J W 1955, 899 und Hess N J W 1956, 92). Nach richtiger Auffassung ist die Frage zu verneinen.

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Einzelrichter — Gebührenpflichtige Verwarnung durch die Polizei

muß er aber die Staatsanwaltschaft vorher hören (§33) und diese kann gegen einen solchen Einstellungsbeschluß sofortige Beschwerde einlegen (§ 206a 11 ). Unbeschadet des Rechts des Amtsrichters, eine von der Polizei vorgelegte Übertretungssache wegen Geringfügigkeit einzustellen, kann schon die Polizei in leichteren Übertretungsfällen von einer Übersendung der Akten nach § 4 1 3 1 absehen und statt dessen eine gebührenpflichtige polizeiliche Verwarnung erteilen, wenn Bundes- oder Landesrecht dies vorsieht. Nach § 22 Abs. 1 des Straßenverkehrsges. vom 19. Dezember 1952 (BGBl I 837) sind dazu ermächtigte Polizeibeamte befugt, den bei leichteren V e r k e h r s Übertretungen auf frischer Tat betroffenen Täter zu verwarnen und eine Gebühr bis zu 2 D M zu erheben. Dieses Verfahren ist aber nur zulässig, wenn der Täter darüber belehrt ist, daß er die Entgegennahme der gebührenpflichtigen Verwarnung verweigern könne — wer sich unschuldig fühlt, darf in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt werden —, sich mit der Verwarnung einverstanden erklärt und zur sofortigen Zahlung der Gebühr bereit ist. Nach der Zahlung kann gem. § 2 2 1 1 die Zuwiderhandlung nicht mehr als Übertretung verfolgt werden; die Strafklage ist also insoweit konsumiert. Die L ä n d e r haben für sonstige Übertretungen meist entsprechende Vorschriften erlassen (vgl. die Aufzählung bei LöweRosenberg-Schäfer [20] Anm. 4c zu § 13 G V G ; neben den dort genannten ist an neueren Vorschriften noch § 31 des Bad.-Württ. Polizeiges. vom 21. November 1955, G B l 249 = SaBl 1368, zu erwähnen); doch ist in den Landesgesetzen der Zahlung der Gebühr keine konsumierende Wirkung beigelegt. Die Zulässigkeit solcher Landesvorschriften ist anfänglich mit der Begründung angezweifelt worden, daß es dem Landesrecht nicht zustehe, dem Richter und der Staatsanwaltschaft die ihnen bundesgesetzlich (§§ 153 1 , 4 1 3 v ) zugewiesene Prüfung über die Voraussetzungen einer Einstellung zu entziehen; dem ist aber entgegenzuhalten, daß das in § 15 3 1 ausgesprochene Verbot, geringfügige Übertretungen zu verfolgen, wenn nicht ein öffentliches Interesse an der Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung besteht, sich auch an die Polizeibehörden und -beamten als Hilfsorgane der Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) richtet. Am 30. September erhebt Hindemith Einspruch. „Die Beschuldigung ist unbegründet. Ich bin nur mit 22—25 km Geschwindigkeit gefahren. Ich beantrage: zum Termin meine Braut, die Modistin Frl. Mathilde Pupke, Gießen, Alexanderstraße }8, die hinter mir auf dem Soziussitz meines Rades gesessen hat, als Zeugin vorzuladen. Joseph Hindemith.'

Der Amtsrichter setzt Hauptverhandlungstermin an, läßt Knopf und Frl. Pupke als Zeugen laden und einen vollständigen Strafregisterauszug über Hindemith einholen. Die Staatsanwaltschaft ist von jetzt ab am Verfahren beteiligt (§ § 4 1 3 I V , 411*). „5 E s 137/56.

Bad Nauheim, den 15. Oktober 1956.

öffentliche Sitzung des Amtsgerichts. Gegenwärtig:...

In der Strafsache gegen Hindemith wegen Übertretung, erschien bei Aufruf: der Angeklagte.

E s wurden die Zeugen aufgerufen. E s meldeten sich: 1. Geschäftsführer Knopf aus Bad Nauheim, 2. Modistin Pupke aus Gießen."

Wenn der Angeklagte weder persönlich erscheint — es sei denn mit genügender Entschuldigung — noch einen bevollmächtigten Verteidiger entsendet, muß sein

Einzelrichter — Fahrlässigkeit bei Übertretungen

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Antrag auf gerichtliche Entscheidung ohne Beweisaufnahme durch Urteil verworfen werden (§ 4 1 3 ™ , § 4 1 2 B i s zum Beginn der Hauptverhandlung kann der A n g e klagte den Einspruch zurücknehmen; ist aber das Gericht einmal in die Verhandlung eingetreten, so ist es an den Ausspruch der Strafverfügung nicht mehr gebunden, hat also unter Umständen über die dort festgesetzte Strafe hinauszugehen (§§ 4 i 3 I V , 41 ii, i " ) . Der Richter belehrt Hindemith über diese Gefahr: Nach dem Strafregisterauszug sind sie schon einmal wegen vorsätzlicher und einmal wegen fahrlässiger Körperverletzung bestraft. Wenn Sie verurteilt werden, ist erhebliche Verschärfung der Strafe möglich. Hindemith: Mein Tachometer hat keine 30 km gezeigt. Ich muß freigesprochen werden. Richter: Vielleicht hat Ihr Geschwindigkeitsmesser nicht genau angezeigt. Außerdem befinden Sie sich im Irrtum, wenn Sie glauben, bei Einhaltung der 30 km-Grenze unter allen Umständen straffrei zu sein. A n erster Stelle steht die Pflicht des Fahrers, seine Geschwindigkeit und sein Verhalten so einzurichten, daß er jederzeit in der L a g e bleibt, den an ihn plötzlich herantretenden Anforderungen Genüge zu leisten und das Fahrzeug nötigenfalls rechtzeitig anhalten zu können ( § 9 S t V O ) . Danach kann eine Geschwindigkeit unter3okm mit Rücksicht auf die Beschaffenheit der Straße, den Verkehr usw. unzulässig sein. Andrerseits wird Überschreitung des 30 km-Tempos in der vonlhnen befahrenen Straße immer bestraft. Schließlich wäre es denkbar,daß Sie schneller als 30 km gefahren sind, ohne es zu bemerken, während Sie es bei A n wendung der erforderlichen Sorgfalt hätten bemerken und auch darauf achten müssen, weil die Geschwindigkeitsbegrenzung durch das aufgestellte Verkehrszeichen angezeigt war (§ 4 I V S t V O ) . § 49 StVO bedroht ausdrücklich auch fahrlässige Verkehrsübertretungen. Der heutigen Gesetzestechnik entspricht es, bei Ubertretungsstrafdrohungen deutlich auszusprechen, ob nach der inneren Tatseite Vorsatz erforderlich ist oder Fahrlässigkeit genügt. In älteren Vorschriften wird aber die erforderliche Schuldform häufig nicht genannt. Es muß dann nach der Natur der einzelnen Übertretungen und dem Zweck, den der Gesetzgeber mit der Strafvorschrift erkennbar verfolgt, geprüft werden, ob auch der fahrlässige Gesetzesverstoß strafbar sein soll (vgl. Dalcke[-Schäfer] [36] *d vor § 360 StGB). Daß zur Bestrafung mindestens Fahrlässigkeit erforderlich ist, ist auch da, wo das Gesetz über die Schuldform schweigt, selbstverständlich, denn eine Strafe ohne Schuld gibt es nicht; auch ein u n v e r s c h u l d e t e r V e r b o t s i r r t u m schließt bei Übertretungen—nicht anders als bei Vergehen und Verbrechen — die Zurechenbarkeit und damit die Schuld aus (vgl. S. 863). Das Schweigen des Gesetzgebers über die erforderliche Schuldform, das den Richter zur Auslegung zwingt, birgt die Gefahr der Unsicherheit der Rechtshandhabung in sich. Deshalb hat für das Gebiet der O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n der Gesetzgeber eine klare Regelung getroffen, indem nach § n 1 OWiG eine Ordnungswidrigkeit nur bei vorsätzlichem Handeln geahndet wird, es sei denn, daß durch G e s e t z , also ausdrücklich im Gesetzeswortlaut, etwas anderes bestimmt ist (vgl. S. 857). Auf dem Gebiet des S t r a f rechts fehlt es aber z. Z. noch an einer solchen Vorschrift. Bei Delikten „polizeilichen Charakters" wird Fahrlässigkeit für ausreichend angesehen, falls — und das ist meist der Fall — die „polizeiliche" Strafbestimmung ihren Zweck verfehlen würde, wenn sie nur auf vorsätzliche Zuwiderhandlungen Anwendung finden könnte. — Dabei deckt sich der Begriff des „Polizeidelikts" nicht mit dem der Übertretung. Man versteht darunter die sittlich indifferenten Verstöße gegen solche Vorschriften, die nur der guten äußeren Ordnung des Gemeinlebens, dem reibungslosen Funktionieren dienen, im Gegensatz zu den sittlich verwerflichen Angriffen auf strafrechtlich geschützte Rechtsgüter. Es gibt also auch Vergehen „polizeilichen Charakters". Im einzelnen, namentlich bei den sog. abstrakten „Gefährdungsdelikten" ist die Grenze schwer zu ziehen. Gerade das ist der Grund, warum die neue Gesetzgebung sich bemüht, durch formale Kriterien das bloße „Ordnungsunrecht" vom echten Kriminalunrecht (der materiellen Rechtsgutverletzung) abzuscheiden (vgl. S. 852). J3

L u x , Schulung 4. Aufl. (Schafer)

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Einzelrichter — Zeugenvereidigung in Übertretungssachen

Hindemith: Ich bestehe auf der Verhandlung. „Die Zeugen wurden entfernten sich wieder aus dem Sitzungssaal" (usw. wie S. 823, es folgen die Vernehmung des Angeklagten zur Person, die Verlesung der Strafverfügung und die Erklärung zur Sache) Die Zeugen wurden hierauf einzeln vorgerufen und in Abwesenheit der später zu verhörenden Zeugen, wie folgt, vernommen: 1. Zeuge Knopf Z. P.: Z. S.: Ich bin selbst Motorradfahrer und stelle manchmal mit Hilfe meiner Stoppuhr fest, ob Motorradfahrer, die durch Bad Nauheim durchkommen, mit der festgesetzten Höchstgeschwindigkeit von 30 km fahren. Der Angeklagte ist, wie ich genau beobachtet habe, mit 37,5 km die Frankfurter Straße heruntergerast und hat auf die übrigen Verkehrsteilnehmer keinerlei Rücksicht genommen.

Nach § 62 werden in Übertretungssachen (ebenso wie im Privatklageverfahren) Zeugen nur ausnahmsweise, nämlich nur dann vereidigt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage für notwendig hält. Ausschlaggebend ist eine Aussage, wenn das Gericht sein Urteil allein auf die Aussage stützt. Unterbleibt die Vereidigung, weil das Gericht einen solchen Ausnahmefall nicht für gegeben hält, so ist gemäß § 64 als Grund im Protokoll anzugeben, daß das Gericht den Regelfall des § 62 für gegeben hält ( B G H N J W 1957, 550). 2. Zeugin Pupke Z. P.: Ich heiße Mathilde Pupke, bin 23 Jahre alt, Modistin in Gießen, mit dem Angeklagten verlobt, wegen Meineids nicht bestraft. Das mir zustehende Zeugnisverweigerungsrecht ist mir bekannt. Ich will aussagen. Z. S.: Ich habe gesehen, daß der Geschwindigkeitsmesser weniger als 30 km zeigte, ich glaube 22 oder 23 km. Ich weiß das darum so genau, weil ich das erstemal mit meinem Bräutigam ausfuhr und in meiner Angst immerfort auf die Uhr gesehen habe, so daß er mich auslachte und sagte: ,Auf den Apparat kannst du dich so wie so nicht verlassen, der ist kaputt.' Auf Befragen: Wir fuhren wohl ziemlich schnell, vielleicht kam es mir aber bloß deshalb so vor, weil ich das Motorradfahren noch nicht gewöhnt war. Als wir die alte Frau anfuhren, sind wir bestimmt schon langsamer gefahren, als wie vorher bei der Knopjsehen Fabrik und Villa."

Richter: Was ist das für eine Geschichte mit der alten Frau? Zeugin: „Als wir an der Stelle vorbeifuhren, wo die Straße vom Bahnhof von links einbiegt, kam ein großes Auto von dort gefahren. Um nicht zusammenzustoßen, mußte mein Bräutigam ganz weit nach rechts bis an den Rand des Fahrdamms ausbiegen und riß dabei eine alte Frau um, die auf dem Fußgängerwege stand und nicht rechtzeitig wegspringen konnte."

Knopf bestätigt, daß damals eine Frau Kern aus Gohlau von einem Motorradfahrer angefahren worden sei, beim Fallen einen Rippenbruch erlitten habe und nach wenigen Tagen im Krankenhaus verstorben sei. Danach erscheint die Tat Hindemiths nicht mehr als bloße Übertretung verkehrspolizeilicher Vorschriften, sondern als fahrlässige Körperverletzung oder gar Tötung (§ 230 bzw. 222 StGB), Fahrerflucht (§ 142) und als vorsätzliche oder fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung (§ 315 a 1 4 , § 3 1 6 1 1 ) , während umgekehrt eine Bestrafung nach § 49 StVO infolge der in ihm enthaltenen Subsidiaritätsklausel („wenn die Tat nicht nach anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist") entfällt ( B G H S t 6,

Einzelrichter — Verbrauch der Strafklage

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25). D a m i t entfällt die Z u s t ä n d i g k e i t des E i n z e l r i c h t e r s nach § 25 N r . 1 G V G ; a u c h die n a c h § 25 N r . 2 b ist nicht g e g e b e n . D i e S t a a t s a n w a l t s c h a f t k a n n jetzt aber a u c h nicht m e h r eine Z u s t ä n d i g k e i t nach § 25 N r . 2 c b e g r ü n d e n . Z w a r ist, w e n n d e r B e s c h u l d i g t e E i n s p r u c h g e g e n die S t r a f v e r f ü g u n g e r h o b e n hat, die S t e l l u n g d e r Staatsanw a l t s c h a f t die gleiche w i e nach E i n s p r u c h g e g e n einen S t r a f b e f e h l ; in dieser L a g e des V e r f a h r e n s k a n n sie d e n A n t r a g nach § 25 N r . 2 c G V G n o c h bis z u m B e g i n n d e r H a u p t v e r h a n d l u n g n a c h h o l e n ( v g l . L ö w e - R o s e n b e r g - S c h ä f e r [ 2 0 ] 5 b zu § 24 G V G ) . B i s zu d i e s e m Z e i t p u n k t a b e r k a m ein A n t r a g nach § 25 N r . 2 c nicht in B e t r a c h t , da ja die Z u s t ä n d i g k e i t des E i n z e l r i c h t e r s nach § 25 N r . 1 g e g e b e n w a r . U n z u l ä s s i g w ä r e a u c h die E r h e b u n g einer N a c h t r a g s a n k l a g e nach § 266 S t P O , d e n n eine „ w e i t e r e S t r a f t a t " i. S. dieser V o r s c h r i f t ist n u r eine solche, die m i t der i m E r ö f f n u n g s b e s c h l u ß (hier: in d e r S t r a f v e r f ü g u n g ) g e n a n n t e n in T a t m e h r h e i t ( § 7 4 S t G B ) steht, w ä h r e n d hier, v o n d e r Subsidiarität des § 49 S t V O a b g e s e h e n , z . T . T a t e i n h e i t i n B e t r a c h t k o m m t u n d i m ü b r i g e n setzt die A n w e n d b a r k e i t des § 2 6 6 1 v o r a u s , daß das G e r i c h t f ü r die w e i t e r e S t r a f t a t z u s t ä n d i g ist u n d das ist eben nicht der Fall. D e r A m t s r i c h t e r m u ß also die Sache nach § 270 d u r c h einen B e s c h l u ß , der d e n E r f o r d e r n i s s e n eines E r ö f f n u n g s beschlusses e n t s p r e c h e n m u ß , an das S c h ö f f e n g e r i c h t v e r w e i s e n , e t w a m i t der F o r m e l : „Das Amtsgericht erklärt sich für unzuständig und verweist die Sache an das Schöffengericht zu Bad Nauheim, weil der Angeklagte hinreichend verdächtig erscheint, zu Bad Nauheim am 23. September 1956: 1. durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen, der Frau Kern aus Gohlau, verursacht zu haben, 2. durch dieselbe Handlung die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt zu haben, daß er in grob verkehrswidriger und rücksichtsloser Weise an einer Straßeneinmündung zu schnell fuhr und dadurch fahrlässig eine Gemeingefahr, nämlich eine Gefahr für das Leben der Frau Kern, verursacht zu haben. 3. durch eine weitere selbständige Handlung sich nach einem Verkehrsunfall der Feststellung seiner Person und der Art seiner Beteiligung an dem Unfall vorsätzlich durch Flucht entzogen zu haben, obwohl nach den Umständen in Frage kam, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalles beigetragen hat, Vergehen gegen §§ 222, 316, 142, 73, 74, StGB. Innerhalb einer Frist von 2 Wochen kann der Angeklagte die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen. Untersuchungshaft wird nicht angeordnet." N e bis in i d e m : Wir sahen, daß der Tod der Frau Kern nur zufällig zur Kenntnis des Gerichts gelangte. Würde Hindemith, wenn er es bei der Strafverfügung belassen hätte oder wenn er vom Richter lediglich wegen Übertretung abgeurteilt worden wäre, vor einer Anklage wegen fahrlässiger Tötung oder Straßenverkehrsgefährdung geschützt sein ? Ein rechtskräftiges U r t e i l bewirkt einen Verbrauch der Strafklage, d. h. eine erneute Aburteilung derselben Tat unter dem gleichen oder einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt ist ausgeschlossen (Art. 1 0 3 1 1 1 GG). Was dabei unter „derselben Tat" zu verstehen ist, ergibt sich aus § 264: es ist der im Eröffnungsbeschluß bezeichnete geschichtliche Vorgang, wie ihn das Gericht nach verfahrensrechtlich zulässiger Umgestaltung (ggbf. nach Verweisung vor das sachlich zuständige höhere Gericht) zum Gegenstand der Urteilsfindung machen konnte. Grundsätzlich gilt, daß eine Verurteilung einen Strafklageverbrauch wegen aller tateinheitlich konkurrierenden Gesetzesverstöße bewirkt (vgl. Löwe-Rosenberg-Kohlhaas [20] Vorbem. 23a vor § 151), und zwar ohne Rücksicht auf die Schwere des vom Urteil nicht gewürdigten Gesetzesverstoßes und ohne Rücksicht darauf, ob wesentliche Umstände des Sachverhalts zwar im Verfahren hervorgetreten waren, aber versehentlich unverwertet blieben oder ob solche Umstände dem Gericht unbekannt waren und ob dies auf unzulängliche Aufklärung durch Strafverfolgungsbehörde und Gericht beruht oder nicht. Die strenge Durchführung dieses Grundsatzes kann zu Ergebnissen führen, die mit dem Rechtsgefühl unver53*

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Einzelrichter — Beschränkte Rechtskraftwirkung bei Strafbefehl und Strafverfügung

einbar sind. Bekannte Schul- und Schreckbeispiele, die sich glücklicherweise in dieser Zuspitzung in der Praxis nicht verwirklicht finden: Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung zu geringer Vergehensstrafe, während sich nachträglich herausstellt, daß vollendeter Mord vorliegt, oder: Verurteilung zu Übertretungsgeldstrafe wegen Schießens an bewohnten Orten — § 3 6718 StGB —, während nachträglich offenbar wird, daß der Schuß des Täters einem Menschen galt und Mordversuch vorliegt. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens kommt nur unter den sehr engen Voraussetzungen des § 3 62 1 - 3 in Betracht; selbst ein nachträgliches Geständnis würde eine Wiederaufnahme nicht ermöglichen, da es nicht von einem (völlig) Freigesprochnen abgelegt ist (§ }Ö24). Es handelt sich hier um einen Konflikt zwischen zwei sich widersprechenden Prinzipien: Die R e c h t s s i c h e r h e i t gebietet, die Voraussetzungen, unter denen ein durch Urteil abgeschlossenes Verfahren zuungunsten des Verurteilten erneuert werden kann, so eng wie möglich zu gestalten, die m a t e r i e l l e G e r e c h t i g k e i t dagegen drängt darauf, eine der wirklichen Rechtslage nicht entsprechende Verurteilung, die der Gerechtigkeit grob widerstreitet, durch ein neues Urteil ersetzen zu können. Zwischen diesen widerstreitenden Interessen den richtigen Ausgleich zu finden, ist eine schwierige gesetzgeberische Aufgabe, und die Lösung fällt verschieden aus, je nachdem welche Bedeutung dem einen oder dem anderen Prinzip beigelegt wird. Die Gesetzgebung des „Dritten Reichs" hatte geglaubt, der „materiellen Gerechtigkeit" uneingeschränkt den Vorrang einräumen zu müssen. Dem Oberreichsanwalt wurde das Recht zugesprochen, N i c h t i g k e i t s b e s c h w e r d e gegen ein rechtskräftiges Urteil zu erheben, „wenn die Entscheidung wegen eines Fehlers bei der Anwendung des Rechts ungerecht ist oder wenn erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der in der Entscheidung festgestellten Tatsachen oder gegen den Strafausspruch bestehen" (Art. 7 § 2 der VO vom 13. August 1942, RGBl I 508). Ferner wurde durch die VO vom 29. Mai 1943 (RGBl I 342) die Wiederaufnahme zuungunsten eines Verurteilten zugelassen, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht wurden, die geeignet waren, eine „wesentlich strengere Ahndung" zu begründen; doch sollte die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten nur zulässig sein, wenn die neue Verfolgung „zum Schutze des Volkes notwendig ist". Die Nachkriegsgesetzgebung sah umgekehrt in einer so weitgehenden Durchbrechung der Rechtskraft eine unerträgliche Zurückdrängung der Rechtssicherheit; das Rechtsvereinheitlichungsgesetz vom 12. September 1950 (BGBl 455) kehrte zu dem früheren Recht mit seinen engen Voraussetzungen einer Verfahrenswiederaufnahme zuungunsten des Verurteilten zurück und die Betonung des (bisher ungeschriebenen) Rechtssatzes „ne bis in idem" als eines tragenden Grundsatzes eines rechtsstaadichen Strafverfahrens erschien so bedeutsam, daß dieser Grundsatz zum Verfassungssatz erhoben wurde (Art. 103111 GG). Weniger weitgehend als bei einem Urteil ist indessen die Konsumtionswirkung beim rechtskräftigen Strafbefehl und bei der rechtskräftigen amtsrichterlichen Strafverfügung. Beide Entscheidungen erlangen zwar, wenn nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist, die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils (§§410, 413 IV ). Auch findet gemäß ausdrücklicher Vorschrift (§ 373a) gegen einen rechtskräftigen Strafbefehl die Wiederaufnahme in gleicher Weise wie gegen ein rechtskräftiges Urteil statt. Für die Strafverfügung fehlt es an einer entsprechenden Vorschrift, und ob auf sie § 373 a e n t s p r e c h e n d anzuwenden ist, ist streitig (vgl. Löwe-Rosenberg-Kohlhaas [20] Vorbem. zc vor § 359). Die Rechtsprechung hat aber, weil in dem summarischen Strafbefehlsverfahren die Sachaufklärung nicht in dem Umfang stattfindet und möglich ist wie in der einem Urteil vorausgehenden Hauptverhandlung, von jeher die Auffassung vertreten, daß die materielle Rechtskraft des Strafbefehls beschränkt sei und sich nicht auf solche im Strafbefehl nicht gewürdigte Gesichtspunkte erstrecke, die eine e r h ö h t e Strafbarkeit begründen (RGSt 65, 295). Daß der rechtskräftige Strafbefehl die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils erlangt, bedeutet danach nur, daß der Strafbefehl einen Vollstreckungstitel bildet und daß seine Rechtskraft bei gleichbleibendem Sachverhalt einer erneuten Aburteilung entgegensteht. An diesem Grundsatz hält auch die heutige Rechtsprechung fest (BGHSt 3, 11; BGH MDR 1956, 310; BVerfG NJW 1954, 69). Bei nachträglichem Hervortreten eines tateinheitlich Konkurrierenden schwereren Delikts, wonach sich z. B. die im Strafbefehl als Übertretung gewürdigte Tat als Vergehen oder Verbrechen darstellt, schließt also die Rechtskraft des Strafbefehls eine erneute Verfolgung nicht aus; erforderlichenfalls ist eine schon verbüßte Strafe auf die neue anzurechnen und eine gezahlte Geldstrafe, wenn demnächst nur auf Freiheitsstrafe erkannt wird, zurückzuzahlen (RGSt 52, 183; 69, 97; BGH NJW 1951, 894). Das alles gilt entsprechend für die rechtskräftige amtsrichterliche Strafverfügung.

Einzelrichter — Sühneattest des Schiedsmannes

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Privatklagesache w e g e n Beleidigung Privatklage. „An das Amtsgericht hier.

Wiesbaden, den 4. Oktober 1956.

Privatklage der Ehefrau Edith Müller geb. Krämer in Wiesbaden, Nachtigallenweg 37,

Privatklägerin, gegen die Ehefrau Alice Schulz geb- Mehnert in Hannover, Wahlstätterstraße 84, Beschuldigte. Am 4. Januar d. J . hat die Beschuldigte an den Seifenfabrikanten Metzger, Vorsitzenden des Theater- und Literaturvereins ,Faust', einen Brief gerichtet, durch den sie mich schwer beleidigt und in bezug auf mich unwahre Tatsachen behauptet und verbreitet, die mich verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet sind und zwar wider besseres Wissen. Der Brief wird zu den Gerichtsakten überreicht. Ich erhebe nach §§ 185, 187 StGB beim Amtsgericht Wiesbaden Privatklage und beantrage die Eröffnung des Hauptverfahrens. Von der Beibringung eines Sühneattestes bitte ich abzusehen, da die Privatbeklagte in Hannover wohnt. 2 Abschriften der Privatklage sowie 15 DM Gebührenvorschuß in Gerichtskostenmarken anbei. Edith Müller." „Wiesbaden, den 4. Januar 1956. Herrn Otto Metier z. Zt. Brückenberg, Gasthof zum Riesen. Lieber Herr Metzger \ Mit Vergnügen gedenke ich der schönen Abende, die ich in ihrem Verein bei den Aufführungen und anschließenden geselligen Zusammenkünften verlebt habe. Sie wissen, daß ich immer eine begeisterte Anhängerin Ihrer Bestrebungen war. Deshalb möchte ich Sie dringend warnen, Frau Edith Müller aufzunehmen, die, wie ich gehört habe, sich um die Mitgliedschaft bewirbt. Wer den zweifelhaften Vorzug hat, die Dame näher zu kennen, wird ihr schauspielerische Begabung nicht absprechen, vor allem für das Fach der jugendlichen Liebhaberin, das sie vor ihrer Verheiratung mit wechselnden Partnern eifrig studiert hat (alle Mitbewohner ihres Hauses kennen die Namen). Sie müssen aber doch in erster Linie auf das gesellschaftliche Niveau Ihres Vereins achten und dürfen sich nicht mit einer solchen minderwertigen Person belasten. Falls Sie nähere Auskünfte wünschen, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. Wir siedeln übrigens Ostern nach Hannover über, wohin mein Mann versetzt ist. Vorher wird hoffentlich noch einmal Gelegenheit sein, in Wiesbaden mit Ihnen zusammenzukommen. Gute Erholung wünschend, bin ich mit besten Grüßen Ihre Alice Schulz" V o r Z a h l u n g des in §§ 6 0 1 , 83 G K G bezeichneten Vorschusses soll in Privatklagesachen keine gerichtliche Handlung v o r g e n o m m e n werden, es sei denn, daß dem Privatkläger das Armenrecht bewilligt ist oder Gebührenfreiheit zusteht oder glaubhaft gemacht w i r d , daß ihm die V e r z ö g e r u n g einen nicht oder nur schwer zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Hätte F r a u Müller nicht die 15 D M beigefügt, so w ü r d e ihr zunächst eine Zahlungsfrist bestimmt w o r d e n sein mit dem Hinweis, daß nach deren A b l a u f die Privatklage kostenpflichtig zurückgewiesen werde (§ 379a). fc A u ß e r den Formalien der §§ 379a, 380, 3 8 1 , 200 S t P O umfaßt die P r ü f u n g bei E i n g a n g einer Privatklage die Zuständigkeit des Gerichts sowie die Schlüssigkeit der K l a g e , w o b e i Verjährungs- und Antragsfrist im V o r d e r g r u n d stehen. Eines schiedsmännischen Sühneattestes (§ 380) bedarf es nach Maßgabe landesrechtlicher Vorschriften nicht, wenn die Partei zur Zeit der Klageerhebung nicht im selben Gemeindebezirk wohnen. §§ 3 8 0 ™ StPO.

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Einzelrichter — Tatort; Strafantragsfrist

Nach 36 pr. SchiedsmO vom 5. Dezember 1924 (GS 747) = § 36 Hess. Ges. über das Schiedsmannswesen vom 12. Oktober 1955 (GVB1 165) kann das Gericht auf Antrag des Privatklägers Befreiung von dem Erfordernis der Beibringung des Sühneattestes wegen distantia loci gewähren. Zuständig für das Sühneverfahren ist der Schiedsmann, in dessen Bezirk der beschuldigte Teil wohnt ( § 3 5 S. 1). Das Gericht kann auf den Sühneversuch verzichten, wenn die Entfernung so erheblich ist, daß dem Privatkläger unter Berücksichtigung seiner Verhältnisse und nach den Umständen des Falles nicht zugemutet werden kann, zur Verhandlung zu erscheinen. Statt dessen kann das Gericht den Privatkläger auch ermächtigen, sich in dem auswärtigen Sühnetermin vertreten zu lassen (§ S. 2). Soweit der erfolglose Sühneversuch die Vorbedingung für Erhebung der Privatklage bildet, muß der Antragsteller (also der künftige Privatkläger) immer persönlich zum Sühnetermin erscheinen, während es der Anwesenheit des Gegners nicht bedarf (§§ 38 1 1 , 40 1 ). Doch kann der Schiedsmann den Antragsgegner durch Ordnungsstrafe zum Erscheinen zwingen (§ 39 11 )Ist bis zur Erhebung der Privatklage der erforderliche Sühneversuch unterblieben, so muß die Privatklage zurückgewiesen werden; eine Nachholung ist nicht möglich (OLG Hamburg N J W 1956, 222; str.). Ist allerdings trotz des Fehlens das Hauptverfahren eröffnet worden, so verliert der Mangel seine Bedeutung.

Die Zuständigkeit des Wiesbadener Gerichts ist gegeben, freilich nicht aus § 8 StPO (forum domicilii), weil es auf den Wohnsitz z. Zt. der Erhebung der Klage, nicht z. Zt. der Begehung der Tat, ankommt, sondern aus § 7 (forum delicti commissi). Dieser Gerichtsstand, in welchem die überwiegende Mehrzahl aller strafbaren Handlungen verfolgt wird, besteht nach § 3 1 1 1 S t G B an jedem Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder im Fall des Unterlassens hätte handeln sollen oder an dem der Erfolg eingetreten ist oder (beim Versuch) eintreten sollte. Tatort ist also z.B. bei brieflich begangenem Betrug oder schriftlicher Erpressung der Absendungs- wie der Bestimmungsort, wo der Brief zur Kenntnis der Person gelangte, auf deren Willen einzuwirken er bestimmt war. Als Begehungsort der hier zur Anklage stehenden brieflichen Beleidigung gilt demgemäß außer Brückenberg, w o Metzger Kenntnis vom Inhalt des Briefes nahm, auch Wiesbaden als Ort der Abfassung und Absendung. Dagegen sind Orte, an denen Metzger der Privatklägerin oder dritten Personen den Inhalt des Briefes weitererzählt hat, nicht mehr Begehungsorte, denn mit der Kenntnisnahme durch Metzger in Brückenberg war die Tat bereits abgeschlossen. Zweifelhaft erscheint die Wahrung der Antragsfrist. Verfügung: „ 1 . An Privatklägerin: Strafantrag wegen Beleidigung kann nur innerhalb von 3 Monaten, nachdem der Berechtigte von der strafbaren Handlung und der Person des Täters Kenntnis erlangt hat, gestellt werden (§ 61 StGB). Da der Brief der Beschuldigten volle 9 Monate zurückliegt, wollen Sie unter Angabe von Beweismitteln darlegen, wann Sie zuerst Kenntnis von dem Brief erlangt haben, fiierzu wird Ihnen gemäß § 3 9 1 1 1 StPO eine Frist von zwei Wochen bestimmt, nach deren fruchtlosem Ablauf die Einstellung des Verfahrens ausgesprochen werden wird. 2. Abschrift der Privatklage der Beschuldigten zur Erklärung mit Frist von 2 Wochen. 3. Zu 1 und 2 zustellen. 4. Am 23. Oktober."

Vgl. § 382. Einer Mitteilung an die Staatsanwaltschaft, wie sie früher vorgeschrieben war, bedarf es nicht. Das Gericht legt ihr aber die Akten vor, wenn es die Übernahme der Verfolgung durch sie für geboten erachtet (§ 377 1 S. 2). Das kann z.B. auch der Fall sein, wenn der Privatkläger die ihm zugefügte Beleidigung darin erblickt, daß der Beschuldigte behauptete, der Privatkläger habe ein Offizialdelikt begangen. Dann leitet die Staatsanwaltschaft zunächst wegen der dem Privatkläger vorgeworfenen strafbaren Handlung ein Verfahren ein. Das Privatklageverfahren wird nach § 191 S t G B ausgesetzt, und wenn das Offizialverfahren gegen den Privatkläger zur rechtskräftigen Verurteilung geführt hat, so gilt damit für den Beleidigungsprozeß

Einzelrichter — Verleumdung; üble Nachrede

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der Wahrheitsbeweis endgültig als geführt, während durch einen Freispruch des Privatklägers der Wahrheitsbeweis nur ausgeschlossen wird, wenn der Freispruch v o r der Aufstellung oder Verbreitung der beleidigenden Äußerung erfolgte (§ 190). Die Notwendigkeit der Aussetzung besteht übrigens auch bei Verfahren wegen falscher Anschuldigung (trotz des „ s o l l " in § i Ö 4 V I : B G H S t 8, 1 3 3 ) ; dort bindet aber das Urteil, welches im Prozeß über das behauptete Delikt ergeht, den über die falsche Anschuldigung erkennenden Richter nicht. — Frau Müller erfüllt die ihr v o m Gericht gemachte Auflage: Wiesbaden, den 17. Oktober 1956.

„An das Amtsgericht, hier.

In der Privatklagesache Müller gegen Schulz, 5 B s 109/56, überreiche ich die mir von der Privatklägerin erteilte Vollmacht und führe zufolge der Verfügung vom 6. Oktober 1956 folgendes an: Von dem Brief vom 4. Januar 1956 hat die Privatklägerin ungefähr am 20. Januar durch M e t i e r Kenntnis erhalten. Beweis: M e t i e r . Anfang April wollte sie Privatklage erheben. In der Rechtantragsstelle des Amtsgerichts von dem diensttuenden Urkundsbeamten über das Erfordernis des vorgängigen Sühneversuchs belehrt, begab sie sich zu dem für die Beschuldigte, die damals noch in Wiesbaden wohnte, zuständigen Schiedsmann Friede, der ihr aber sagte, daß es bis zur Durchführung des Sühneverfahrens mehrere Tage dauern werde und daß es wahrscheinlich nicht möglich sein würde, auf diese Weise die Antragsfrist zu wahren. Auf Rat des Schiedsmannes stellte deshalb die Privatklägerin am 17. April 1956 bei der Staatsanwaltschaft gegen Frau Schulz schriftlich Strafantrag, der unter dem 22. April dahin beschieden wurde, daß kein öffentliches Interesse vorliege. Beweis: die Akten gegen Schulz 7 J s 37 2 -56 der hiesigen Staatsanwaltschaft. Inzwischen war die Beschuldigte nach Hannover verzogen, so daß sich die Erhebung der Privatklage verzögerte. Für die Privatklägerin: Schwarz,

Rechtsanwalt."

Die alsbald herangezogenen staatsanwaltschaftlichen Akten bestätigen die Darstellung der Privatklägerin. In der Regel enthält die Privatklage, ausdrücklich oder dem Sinne nach, zugleich den Strafantrag. Der Strafantrag kann aber auch in anderer Weise gemäß § 15 8 1 1 S t P O gestellt werden. A n die Dreimonatsfrist des § 61 S t G B ist der Strafantrag, nicht die Privatklage, gebunden, während das Erfordernis des schiedsmännischen Sühneversuchs bloß für die Privatklage gilt. Tatsächlich hat Frau Müller durch ihren bei der Staatsanwaltschaft erfolglos gestellten Strafantrag die Antragsfrist gewahrt (natürlich unter der Voraussetzung, daß sie die Beleidigung nicht vor dem 17. Januar 1 9 5 6 erfahren hatte) und hätte mit ihrer Privatklage bis unmittelbar vor Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist (§ 6 7 1 1 ) warten können. G e g e n e r k l ä r u n g . W i d e r k l a g e . Für Frau Schulz meldet sich R A Weiß mit Vollmacht und beantragt: „die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen. I. Die Beschuldigte bestreitet nicht, den Brief vom 4. Januar 1956 an Metzger geschrieben zu haben. Die in dem Brief angestellten Behauptungen entsprechen jedoch in allen Punkten der Wahrheit. (folgt eine Reihe von Skandalgeschichten aus dem Leben der Privatklägerin mit Angabe von Zeugen.) Die Zeugen werden auch bekunden, daß sie der Beschuldigten die angegebenen Vorfälle erzählt haben. Die Beschuldigte hat also an die Richtigkeit ihrer Behauptungen fest geglaubt.

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Einzelrichter — Wahrnehmung berechtigter Interessen

Das Gelingen des Wahrheitsbeweises schützt Flau Schulz nicht unbedingt vor Verurteilung. Allerdingst liegt dann weder „verleumderische Beleidigung" (§ 187 noch „üble Nachrede" (§ 186) vor. Es kann aber auch die Mitteilung wahrer Tatsachen als Beleidigung — und zwar als sog. „Formalbeleidigung" (§ 185) — strafbar sein, wenn sie sich als absichtliche Kundgebung der Mißachtung darstellt; dabei kommen für das „Vorhandensein", d. h. die Absicht der Beleidigung, Form und Umstände der Mitteilung in Betracht (§ 192). Die Wahrheit zu sagen, ist eine allgemeine Freiheit, doch macht man sich strafbar, wenn die Äußerung in unpassender Form oder bei unpassender Gelegenheit erfolgt. Wer einem Jubilar vor versammelter Festgesellschaft seine vor Jahren erlittene Bestrafung vorhält, wer für eine die Öffentlichkeit nicht berührende ehrenrührige Angelegenheit die Presse benutzt (J W1928,2049 19 ) macht sich strafbar. Auf das Strafmaß wird der Wahrheitsbeweis in jedem Fall von Einfluß sein. Kann Frau Schulz nicht die von ihr behaupteten Tatsachen, sondern bloß ihre eigene Gutgläubigkeit beweisen, so würde die verleumderische Beleidigung fallen, nicht hingegen die (mit geringerer Strafe bedrohte) üble Nachrede. Diese setzt nämlich lediglich voraus, daß die verbreiteten Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Die Nichterweislichkeit gehört nicht zum gesetzlichen Tatbestand im Sinn des § 59, auf den sich der Vorsatz beziehen muß, ist vielmehr eine objektive Bedingung der Strafbarkeit. RGSt 65, 425 (vgl. den ähnlichen Fall des § 1 1 3 oben S. 781, 820). Zum Vorsatz der üblen Nachrede gehört nichts als das Bewußtsein, daß die behaupteten Tatsachen geeignet sind, den anderen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. II. Außerdem hat die Beschuldigte den Brief in Wahrnehmung berechtigter Interessen geschrieben, so daß ihr der Schutz des § 193 StGB zur Seite steht. Wie Metzger als Zeuge bekunden wird, ist sie mit ihm und vielen anderen Mitgliedern des Vereins .Faust' seit Jahren freundschaftlich bekannt. Sie wollte deshalb Metzger in seinem und des Vereins Interesse warnen."

§ 195 ist ein Ausdruck des allgemeinen aus der Regelung des Notstandes hergeleiteten Rechtssatzes, daß bei einer Rechtsgüter- oder -pflichtenkollision die Verwirklichung eines Straftatbestandes gerechtfertigt oder doch wenigstens entschuldigt sein kann, wenn bei einer gewissenhaften Abwägung der Güter und Pflichten der Täter die von ihm wahrgenommenen Belange als höherrangig ansah. Im Widerstreit steht hier das Interesse des Täters an der Aufdeckung der von ihm behaupteten Tatsachen gegen das des Beleidigten am Schutz seiner Ehre. Ein berechtigtes Interesse an der Aufdeckung i. S. des § 193 liegt vor, wenn sich das Interesse bei billiger verständiger Beurteilung der Sachlage als ein gerechtfertigtes darstellt. Wenn sich Rechte und Interessen nicht ohne Verletzung fremder Ehre wahren lassen, so muß der Richter dann die einander entgegenstehenden Interessen beider Teile abwägen und besonders sorgfältig prüfen, ob die Verletzung der Ehre des Angegriffenen auch wirklich ein durch die Umstände gebotenes und angemessenes Mittel der Interessenwahrnehmung war. Geht aber aus Form oder Umständen der Interessen Wahrnehmung das „Vorhandensein" (d. h. wiederum die Absicht) der Beleidigung hervor, so schließt die Wahrung berechtigter Interessen die Strafbarkeit der Beleidigung nicht aus: der Täter hat dann eben nicht „ i n " , sondern nur „bei Gelegenheit" der Wahrung berechtigter Interessen beleidigt. Vgl. dazu RGSt 59,414; 60, 335; R G J W 19 3 6,1909. Bei einer V e r l e u m d u n g , die Frau Schulz begangen haben soll, gibt es grundsätzlich keine Berufung auf § 193 (RG D J 1936, 517 und 825), ausnahmsweise aber z. B. dann, wenn ein Angeklagter durch Leugnen von Tatsachen, ohne gegen § 164 StGB zu verstoßen, andere verleumdet (RGSt 63, 94; H R R 1940 Nr. 1180).

Einzelrichter — Widerklage

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Die Beschuldigte will aber mit ihrem Brief nicht eigene Interessen, sondern solche des Metzger und des Vereins „Faust" wahrgenommen haben. Nach dem, unserem § 193 entsprechenden, § 824 B G B ist es gleichgültig, ob derjenige, der eine unwahre Tatsache behauptet, damit seine eigenen Interessen oder diejenigen des Empfängers der Mitteilung verfolgt. Die Rechtsprechung zu § 193 StGB steht auf einem anderen Standpunkt. Sie hält den Eingriff in das Rechtsgut der Ehre des Verletzten um fremden, privaten oder öffentlichen ( = allgemeinen) Interesses willen bloß dann für erlaubt, wenn so nahe persönliche Beziehungen des Täters zu den von ihm wahrgenommenen fremden oder allgemeinen Interessen bestehen, daß es nach billiger und vernünftiger Beurteilung der Verhältnisse als gerechtfertigt erscheint, sich zu ihrem besonderen Verfechter aufzuwerfen (RGSt 63, 229). Beispiele: wenn der Täter mit dem, dessen Interessen er wahrnimmt, nah verwandt oder eng befreundet ist, wenn er kraft Berufs fremde Interessen zu vertreten hat wie der Anwalt, der in Verfolgung der Rechte seiner Partei über den Prozeßgegner objektiv beleidigende Behauptungen aufstellt, oder das Auskunftsbüro, das auf Anfrage eine ungünstige Auskunft erteilt, um dadurch den Interessen seines Auftraggebers zu dienen. Wegen der Bedeutung des § 193 für die Presse s. S. 933 und über die Frage, inwieweit jeder Staatsbürger unter dem Gesichtspunkt ihn nahe angehender öffentlicher Interessen befugt ist, Mängel bei Behörden zu kritisieren, Verfehlungen von Beamten oder im öffentlichen Leben stehender Personen bekannt zu geben war, vgl. Dalcke[-Schäfer] [36] 3c zu § 1 9 3 . „III. Sollte gleichwohl eine strafbare Handlung der Beschuldigten angenommen werden, so ist doch jedenfalls ihre Schuld gering und die Folgen der Tat unbedeutend. Gemäß § 3 8 3 1 1 wird deshalb das Verfahren einzustellen sein."

Die Vorschrift beruht auf dem gleichen Gedanken wie der für öffentliche Klagen geltende § 1 5 3 StPO (S. 746 zu 2). Der Einstellungsbeschluß bedarf hier weder der Zustimmung der Staatsanwaltschaft noch derjenigen des Privatklägers, dafür wird dem Privatkläger sofortige Beschwerde gegeben. Der Privatklagerichter hat in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, ob eine Einstellung des Verfahrens geboten erscheint. Sogar in zweiter Instanz kann aus diesem Grunde noch eingestellt werden (§ 390 v ). „ I V . A m 10. Oktober 1955 hat die Privatklägerin bei einem Geburtstagskaffee die Beschuldigte als .neidische alte Ziege' bezeichnet. Das ist der Beschuldigten im Dezember 1955 von der nachbenannten Zeugin erzählt worden. Beweis: Ehefrau Elfriede Zenker in Wiesbaden, Kirchgasse 8. Namens der Beschuldigten erhebe ich Widerklage wegen Beleidigung aus § 185 StGB. Ich beantrage: die Eröffnung des Hauptverfahrens. Für die Beschuldigte: Weiß, Rechtsanwalt."

Widerklagen in Privatklagesachen sind bis zum Beginn der Schlußvorträge des ersten Rechtszuges zulässig. Sie erfordern weder einen besonderen Sühneversuch noch Vorschußzahlung (§ 83 1 S. 3 G K G ) , sondern bloß Gegenseitigkeit und „Zusammenhang" des Widerklagedelikts — das ein Privatklagedelikt beliebiger Art sein kann — mit dem den Gegenstand der Klage bildenden Vergehen. § 388 1 StPO. Der Zusammenhang ist hier unbedenklich, da Frau Schulz ihren Brief an Metzger im frischen Ärger über die ihr soeben erst bekannt gewordene abfällige Äußerung der Privatklägerin geschrieben haben dürfte.

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Einzelrichter — Eröffnung des Hauptverfahrens

Löwe-Rosenberg [19] (2a zu § 388) hält keinen inneren (ursächlichen) Zusammenhang von Privatklage und Widerklagedelikt für notwendig, sondern will sich mit einem „engen tatsächlichen" Zusammenhang begnügen, der „durch die Identität der Personen sowie von Ort und Zeit" begründet werden könne. Für einen Minderjährigen übt die Befugnis zur Erhebung der Privatklage sein gesetzlicher Vertreter aus (§ 3 7 4 I n ) ; der Minderjährige ist dann selbst Partei und kann demgemäß nicht Zeuge sein. G e g e n Jugendliche ist eine Privatklage nicht zulässig; hier verfolgt die Staatsanwaltschaft unter den Voraussetzungen des § 801 J G G die Verfehlung auch dann, wenn ein öffentliches Interesse an der Verfolgung nicht besteht. Dagegen ist gegen einen jugendlichen Privatkläger auch Widerklage möglich (§ 80 11 ). Gegen Heranwachsende ist stets Privatklage zulässig; zuständig ist der Jugendrichter (§§ 108 11 , 109 J G G ) .

§ 198 S t G B verlängert für wechselseitige Beleidigungen die Antragsfrist. Der Teil, gegen den zuerst Strafantrag gestellt war, muß den Antrag auf Bestrafung des Gegners v o r Schluß der Verhandlung erster Instanz stellen, ist hierzu aber auch dann berechtigt, wenn „ z u jenem Zeitpunkt die dreimonatliche Frist bereits abgelaufen w a r " . L e g t man die Vorschrift nach ihrem Wortlauf aus, so dürfte Frau Schulz, einzig und allein durch die Verjährungsfrist eingeschränkt, jede Beleidigung zur Widerklage stellen, die Frau Müller jemals gegen sie begangen hat. Das ist jedoch nicht der Sinn des Paragraphen. Frau Schulzens Strafantragsrecht muß vielmehr noch bestanden haben, als sie die den Gegenstand der K l a g e bildende Beleidigung beging. Wenn die Zeitangaben des Schriftsatzes zutreffen, so würde das Erfordernis hier gewahrt sein. Die ihr im Dezember 1955 zu Ohren gekommene beleidigende Äußerung der Privatklägerin zu verfolgen, hat Frau Schulz vielleicht gerade deshalb unterlassen, weil sie erwartete, die Privatklägerin würde wegen des Briefes v o m 4. Januar 1956 das Gleiche tun. Nachdem sich ihre Annahme als unrichtig erwiesen hat, ist ihr, an sich im Februar erloschenes, Antragsrecht wieder aufgelebt. Es lebte aber nicht auf bezüglich solcher Beleidigungen, die sie am 4. Januar nicht mehr zur Strafverfolg u n g bringen konnte. R G S t 44, 161. Übrigens wäre Frau Schulz nicht genötigt, den Antrag in der F o r m der Widerklage zu stellen, denn § 198 S t G B setzt nicht voraus, daß über die wechselseitigen Beleidigungen gleichzeitig entschieden werden kann ( O L G Düsseldorf N J W 1954, 123). E r ö f f n u n g des H a u p t v e r f a h r e n s , V o r b e r e i t u n g lung.

der

Hauptverhan-

„5 Bs 109.56. Beschluß. A u f die Privatklage der wird gegen die das Hauptverfahren vor dem Amtsrichter hier eröffnet. Sie erscheint hinreichend verdächtig, am 4. Januar 1956 zu Wiesbaden durch den Brief B l a t t . . . . der Akten die Privatklägerin beleidigt und durch dieselbe Handlung wider besseres Wissen in Beziehung auf die Privatklägerin unwahre Tatsachen behauptet und verbreitet zu haben, die diese verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet sind, Vergehen gegen §§ 185, 187, 75, 194, 61 StGB. A u f die Widerklage wird in gleicher Weise das Hauptverfahren gegen die Privatklägerin eröffnet. Sie ist hinreichend verdächtig, die Angeklagte am 10. Oktober 1955 bei einem Geburtstagskaffee als „neidische alte Z i e g e " bezeichnet zu haben. Vergehen gegen § 185, 194, 198 StGB. Das persönliche Erscheinen der Privatklägerin und der Angeklagten wird angeordnet. Wiesbaden, den 24. Oktober 1956. Amtsgericht. Richter."

Einzelrichter — Ausbleiben in der I lauptverhandlung

843

§§ 383, 203, 207, 3 8 7 1 1 1 StPO. Das Privatklageverfahren kennt ein Ermittlungsverfahren im eigentlichen Sinn nicht. E s ist zwar dem Gericht nicht verwehrt, v o r der Eröffnung des Hauptverfahrens einzelne Beweise zu erheben, namentlich wenn aus tatsächlichen Gründen Bedenken gegen die Eröffnung bestehen (Nr. 1 5 4 R i S t V 195 3). Im allgemeinen fehlt es aber an vorausgegangenen Ermittlungen, die ein Urteil über das voraussichtliche Gelingen des Schuldbeweises gestatten würden; daher legt man der Entscheidung über die Eröffnung die ungeprüften Behauptungen des Privatkläges zugrunde und spricht, nicht ganz zutreffend, v o n „hinreichendem Verdacht" auch dann, wenn der Privatkläger für seine v o m Angeklagten bestrittenen Behauptungen erst Beweis angetreten hat. Nicht selten wird übrigens die Eröffnung wegen Geringfügigkeit (S. 841), auf Grund des § 193 S t G B , wegen Ablaufs der Antragsfrist oder aus sonstigen Rechtsgründen abgelehnt. Dann steht dem Privatkläger nach §§ 390, 2 1 0 1 1 S t P O die sofortige Beschwerde zu. — Auch auf die Widerklage ist ein Eröffnungsbeschluß nötig, wenn dies auch im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen ist ( L G Duisburg M D R 195 3, 633; Str.). In der Praxis wird vielfach ein kurzer „ Z u l a s sungsbeschluß" gefaßt, den das Gericht, wenn die Widerklage erst in der Hauptverhandlung erhoben war, im Termin verkündet. Der Beschluß wird den Parteien zugestellt. D e r Richter bestimmt den Hauptverhandlungstermin und läßt Parteien und Zeugen laden. Die beiden Ehemänner — denen nach § 149 1 das Recht zusteht, in der Hauptverhandlung als Beistand zugelassen zu werden — brauchen nicht geladen zu werden. D o c h sollen ihnen nach § 149 1 S. 2 Ort und Zeit der Hauptverhandlung mitgeteilt werden, sobald sie ihren Wunsch auf Zulassung mitgeteilt haben. Versäumnis

der

Privatklägerin.

Wiedereinsetzung

„Öffentliche Sitzung des Amtsgerichts. Gegenwärtig:

Wiesbaden, den 15. November 1956.

In der Privatklagesache Müller gegen Schulz erschienen bei Aufruf der Sache: 1. für die Privatklägerin RA. Schwarz, 2. die Angeklagte und RA. Weiß als Verteidiger, 3. nachbenannte Zeugen: Die Privatklägerin war nicht erschienen. Es wurde festgestellt, daß ihr die Ladung zum heutigen Termin sowie der das persönliche Erscheinen anordnende Beschluß vom 24. am 27. Oktober 1956 zugestellt worden sind."

R A . Schwarz erklärt, daß die Privatklägerin noch am letzten Nachmittag zur Besprechung der Sache bei ihm gewesen sei, daß sie nicht im Entferntesten daran gedacht habe, das Verfahren aufzugeben und daß sie durch etwas Unvorhergesehenes am pünktlichen Erscheinen verhindert sein müsse. Dagegen triumphiert die Angeklagte: Frau Müller sei nicht gekommen, weil sie den Wahrheitsbeweis und die Widerklage fürchte. Dem Strafprozeß, der auf der Offizialmaxime beruht, ist die Einrichtung des Versäumnisurteils fremd. Erscheint der Angeklagte nicht, so wird er zwangsweise zur Verhandlung gestellt (§ 2 3 0 1 1 ) ; in gewissen leichteren Fällen darf ausnahmsweise in seiner Abwesenheit, aber unter voller Erhebung aller Beweise, verhandelt werden (§ 232). Auch das nach § 282a förmlich als „Abwesenheitsurteil" zu kennzeichnende Urteil im Verfahren gegen Abwesende (§§ 27Öff.) ergeht, wie sich aus § 282 ergibt, nur, wenn die erhobenen Beweise ein Urteil über die Schuld trotz der Abwesenheit des Angeklagten ermöglichen und rechtfertigen; gegen ein solches Urteil kann der

844

Einzelrichter — Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

später ergriffene oder sich freiwillig stellende Verurteilte unter erleichterten Voraussetzungen die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen (§ 282c). Versäumnisfolgen gegen den ohne genügende Entschuldigung nicht erschienenen Angeklagten läßt die StPO nur eintreten, wenn bereits eine seine Schuld bejahende Entscheidung vorliegt, nämlich: a) wenn er die erste Berufungsverhandlung versäumt (§ 329, dazu RGSt 61, 278), b) nach vorangegangenem amtsrichterlichen Strafbefehl oder Strafverfügung (§§ 412I, 413IV oben S. 823), c) nach vorangegangenem Finanzamts-Strafbescheid (§ 465 1 1 AbgO). Anwesenheit eines bevollmächtigten Verteidigers genügt zu b und c ohne weiteres, zu a nur in den Fällen, in denen Vertretung durch einen Verteidiger überhaupt zulässig ist. In erheblich weiterem Umfange gibt es Versäumnisfolgen gegen den Privatkläger: a) Einstellung des Verfahrens, wenn der Privatkläger eine ihm unter entsprechender Androhung vom Gericht gesetzte Frist (z. B. zum Nachweis der Rechtzeitigkeit des Strafantrags, oben S. 745, zur Beibringung des Schiedsmannsattestes usw.) verstreichen läßt (§ 3 9 1 1 1 StPO). b) Einstellung des Verfahrens, wenn der Privatkläger in der erstinstanzlichen oder — nach Berufung seitens des Angeklagten — in der Berufungs-Hauptverhandlung entweder gänzlich unvertreten oder, wie Frau Müller, trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nur durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten ist; Androhung dieses Rechtsnachteils in der Ladung ist im Gesetz nicht vorgeschrieben, aber in der Praxis üblich (§ 391 I J ). Hat der Privatkläger Berufung eingelegt, ist sie unter den vorbezeichneten Voraussetzungen zu verwerfen (§ 3 9 1 m ) . c) Nichteinhaltung der Vorschußfrist, oben S. 837. Das Allerverdrießlichste für Frau Müller ist, daß sie durch ihr Ausbleiben zwar die eigene Privatklage, nicht hingegen Frau Schulzens Widerklage zu Falle bringt. Infolge des Ausbleibens der Privatklägerin „gilt" nämlich die Privatklage als „zurückgenommen", was im Erlaß eines Einstellungsbeschlusses seinen prozessualen Ausdruck findet (Löwe-Rosenberg [19] i d , 7 zu § 391). Nun bestimmt § 388 IV , daß die Zurücknahme der Klage auf die Widerklage, falls diese einmal wirksam erhoben war, keinen Einfluß mehr hat. Das gilt auch für die fingierte Rücknahme des § 391 Die Versäumniswirkungen im Strafprozeß sind schärfer als die im Zivilprozeß, denn sie können nicht durch Einlegung des keiner besonderen Begründung bedürfenden Einspruchs wieder gutgemacht werden, sondern bloß unter den strengen Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. §§ 235, 329 1 1 , 39i I V , 4 I 2 1 1 , 4 i 3 I V StPO. Auch gegen die Versäumung der Gebührenvorschußfrist (§ 379a) gibt es Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Wenn das Gesetz so schwere Verwirkungsfolgen an das Nichterscheinen knüpft, soll das Gericht die Vorschrift nicht formalistisch anwenden. Man behandelt den ausgebliebenen Privatkläger bzw. Angeklagten nicht schon deshalb als „ausgeblieben", weil er sich bei Aufruf der Sache nicht sofort gemeldet hat. RGSt. 61, 17. Das Gericht wartet also einige Zeit, läßt Frau Müller auf den Korridoren, in denen sie sich verirrt haben könnte, im Anwaltszimmer usw. suchen und stellt schließlich die Sache zurück. Aber auch nach einer halben Stunde ist die Privatklägerin nicht erschienen: „ E s wurde der Beschluß verkündet: Das Verfahren wird, soweit es sich auf die erhobene Privatklage bezieht, auf Kosten der Privatklägerin eingestellt.

Einzelrichter — Einstellung des Verfahrens

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Zur Verhandlung über die Widerklage wird neuer Hauptverhandlungstermin auf den 8. Dezember 1956 vormittags 10 Uhr bestimmt, zu welchem Frau Zenker als Zeugin geladen werden soll. Das persönliche Erscheinen der Privatklägerin und der Angeklagten wird angeordnet. Über die Vorführung der Privatklägerin zu dem neuen Termin soll nach einer Woche Entscheidung getroffen werden. Richter.

Urkmd."

Der Richter will abwarten, ob und wie Frau Müller ihr Nichterscheinen aufklären wird. Schon am zweiten T a g nach dem Termin geht der Wiedereinsetzungsantrag des R A . Schwarz ein: „Die Privatklägerin hat sich am Morgen des Terminstages zu ihrer Freundin Frl. Felicitas Fechner, hier, Rheinstraße 30 begeben, um sie zur Hauptverhandlung abzuholen. Als sie gemeinsam mit Frl. Fechner deren Wohnung verlassen und nach dem Gericht gehen wollte, erlitt sie auf der Treppe plötzlich einen so heftigen Anfall von Gallensteinkob'k, daß sie schleunigst bei Frl. Fechner zu Bett gebracht und ein Arzt geholt werden mußte. Infolge der Aufregung vergaß man ganz, das Gericht von dem Vorfall zu benachrichtigen. Zur Glaubhaftmachung überreiche ich eidesstattliche Versicherung des Frl. Fechner und Attest des Facharztes für innere Krankheiten Dr. Unblutig. Da die Privatklägerin hiernach durch einen unabwendbaren Zufall am Erscheinen verhindert worden ist, beantrage ich gemäß §§ 591 I V , 44 StPO: der Privatklägerin gegen die Folgen ihres Nichterscheinens im Hauptverhandlungstermin am 15. November ds. Js. Wiedereinsetzung in dm vorigen Stand zu gewähren, den erlassenen Einstellungsbeschluß aufzuheben, den auf den 8. Dezember 1956 angesetzten Hauptverhandlungstermin auch zur Verhandlung und Entscheidung über die Privatklage zu bestimmen und die für diese erheblichen Zeugen zu laden." V g l . §§ 45, 46. Über das Wiedereinsetzungsgesuch entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitig erfolgter Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre (§ 46 1 ). In den Fällen der Terminsversäumnis ist das immer der Richter, gegen dessen auf dem Ausbleiben der Partei beruhende Entscheidung die Wiedereinsetzung sich richtet (auch wenn diese Entscheidung, wie z. B. in § 4 1 2 1 , ein Urteil war). Nach Anhörung der Angeklagten wird die Wiedereinsetzung bewilligt. Der Beschluß ist unanfechtbar (§ 46 n ) . Was hätte Frau Müller wegen der ihr angetanen Beleidigung noch unternehmen können, wenn kein Wiedereinsetzungsgrund gegeben gewesen wäre ? 1. Erfolgt Einstellung wegen Nichteinhaltung einer dem Privatkläger aus § 3 9 1 1 1 gesetzten Frist (S. 844 zu a) und will er geltend machen, daß die Fristsetzung nicht gerechtfertigt gewesen sei, so ist eine Beschwerde (§ 304 1 ) am Platze; denn das höhere Gericht hat die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Fristsetzung nachzuprüfen. Bei Einstellung wegen Terminsversäumnis hilft die Beschwerde nichts, weil die Nachprüfung der Beschwerdeinstanz sich auf die formalen Voraussetzungen des § 3 9 1 1 1 beschränken würde, die in unserem Falle gar nicht zu bestreiten sind (Entsprechendes gilt für die Berufung gegen ein aus § 412 1 , die Revision gegen ein aus § 329 1 erlassenes Urteil). 2. Die Privatklage, ihre Erhebung und Zurücknahme sind als prozessuale Akte von der Stellung und Zurücknahme des eine materiell-rechtliche Voraussetzung der Strafbarkeit bildenden Strafantrags zu unterscheiden. Es gibt ja Privatklagedelikte, die keinen Strafantrag voraussetzen (z. B. § 374" StPO, vgl. § 241 StGB) und Antragsdelikte, die mit öffentlicher Klage verfolgt werden müssen (z. B. §§ 182, 236, 237 StGB). Im allgemeinen wird freilich in der Klageriicknahme, besonders wenn sie auf Grund eines Vergleichs erfolgt, die Antragsrücknahme liegen (Parallele bei Erhebung der Privatklage; oben S. 839). Es gibt aber auch eine Rücknahme der Privatklage, die nicht zugleich Antragsrücknahme ist, z. B. wenn sie lediglich zwecks Kostenersparnis erfolgt, und gegenüber der bloß fiktiven Klagerücknahme des § 3 9 1 1 1 StPO wäre es im höchsten Maße unbillig, sie als Antragsrücknahme aufzufassen. Ergebnis: der von Frau Müller gestellte Strafantrag hat seine Kraft behalten,

846

Einzelrichter — Ausschluß der Öffentlichkeit

und falls es ihr gelingt, die Staatsanwaltschaft nachträglich vom Vorhandensein eines öffentlichen Interesses zu überzeugen, würde der ergangene Einstellungsbeschluß kein Hindernis für eine neu zu erhebende öffentliche Klage bilden. 3. Äußersten Falls muß es Frau Müller im Zivilprozeß mit einer „ v o r b e u g e n d e n U n t e r l a s s u n g s k l a g e " versuchen. Diesen Rechtsbehelf hat die Praxis einerseits aus §§ 825 f., 249 B G B , andrerseits aus der Analogie der negatorischen Unterlassungsklage (§§ 12, 1004 usw.) entwickelt. E r setzt voraus: 1. Verletzung eines der in §§ 823f. geschützten Rechtsgüter, zu denen die Ehre gehört, 2. die Gefahr künftiger weiterer Verletzungen (Wiederholungsgefahr). Früher verlangte die Rechtsprechung, wenn die unerlaubte Handlung zugleich strafbar war, ein besonderes „Rechtsschutzinteresse", das verneint wurde, sobald und so lange dem Verletzten strafrechtliche Mittel, insbesondere die Privatklage, zu Gebote stehen. Diese Einschränkung ist später nicht mehr aufrecht erhalten worden (vgl. R G Z 1 1 6 , 1 5 1 ; 138, 219; 156, 377); sie würde in unserem Fall auch bedeutungslos sein, nachdem Frau Müller ihr Privatklagerecht verloren hat. Selbstverständlich kann der Unterlassungsanspruch der vorbeugenden Unterlassungsklage durch einstweilige Verfügung gesichert werden.

Streitige H a u p t v e r h a n d l u n g . A u s s c h l u ß der Ö f f e n t l i c h k e i t . Verg l e i c h . Im Termin am 8. Dezember sind nicht bloß sämtliche Zeugen (deren Ladung der Richter bei Bewilligung der Wiedereinsetzung angeordnet hat), sondern auch die beiden Parteien erschienen. Ein Vergleichsversuch des Gerichts, den es an sich in geeigneten Fällen möglichst frühzeitig (vor Eröffnung des Hauptverfahrens oder doch vor Eintritt in die Hauptverhandlung) machen soll, Nr. 155 RiStV 1953, scheitert, weil Frau Müller eine schriftliche Ehrenerklärung verlangt, welche Frau Schulz nicht abgeben will. Es muß daher in die Verhandlung eingretreten werden. „Die Angeklagte gab zur Person an: Die Privatklägerin und Widerbeklagte gab zur Person an: Der Beschluß vom 24. Oktober 1956 über die Eröffnung des Hauptverfahrens wird verlesen. R A . Weiß beantragte: die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Sittlichkeit auszuschließen und über diesen Antrag in nicht-öffentlicher Sitzung zu verhandeln. Hierauf wurde in nicht-öffentlicher Sitzung über die Frage der Ausschließung der Öffentlichkeit verhandelt und nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit der Beschluß verkündet: Die Öffentlichkeit wird für die Verhandlung ausgeschlossen, weil sie eine Gefährdung der Sittlichkeit besorgen läßt. Nach Verkündung dieses Beschlusses wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen und in nichtöffentlicher Sitzung weiter verhandelt."

Vgl- §§ J72> I 7 4 I GVG. Bei den im Gesetz für den Ausschluß der Öffentlichkeit zugelassenen 3 allgemeinen Gründen — Gefährdung der öffentlichen Ordnung, insbesondere der Staatssicherheit, der Sittlichkeit und wichtiger Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse — sowie in den 3 Spezialfällen der Ehe- und Entmündigungssachen und der Unterbringung des Beschuldigten in einer Heil-oder Pflegeanstalt (§§ 170 bis 172a GVG) ist das Verfahren das gleiche. Bei Gefährdung der Staatssicherheit oder eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses kann aber das Gericht weiterhin den anwesenden Personen ein Schweigegebot auferlegen, dessen Übertretung mit Strafe belegt wird (§ 174 1 1 GVG, Art. II Ges vom 5. April 1888 RGBl 133), während Mitteilungen aus Gerichtsverhandlungen, in denen die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Sittlichkeit ausgeschlossen war, nur dann strafbar sind, wenn sie öffentlich und in einer Ärgernis erregenden Weise gemacht werden; ein besonderes Schweigegebot ist für diese Fälle nicht vorgesehen (§ 184b StGB). Ausschluß der Öffentlichkeit in Jugendsachen: S. 896. „Die Angeklagte, befragt, ob sie etwas auf die Beschuldigung erwidern wolle, e r k l ä r t e : . . . . "

Einzelrichter — Vergleich im Privatklageverfahren

847

Auf die sachlichen Erklärungen der Angeklagten und (wegen der Widerklage) der Privatklägerin folgt die Beweisaufnahme. Es ergibt sich, daß Frau Müller am 19. oder 20. Januar 1956, Frau Schulz im Dezember 1955 von der begangenen Beleidigung Kenntnis erhalten hat. Die Zeugen der Angeklagten bekunden, daß die Privatklägerin als junges Mädchen viel getanzt habe, daß eine frühere Verlobung mit einem Studienreferendar von diesem aufgelöst worden sei und daß man davon gesprochen habe, sie sei abends in den Anlagen in Umarmung mit einem jungen Manne gesehen worden. „ D i e Angeklagte wurde gemäß § 265 StPO daraufhingewiesen, daß die Verurteilung auch aus § 186 S t G B erfolgen könne."

Im Eröffnungsbeschluß waren § 186 und sein gesetzlicher Tatbestand nicht aufgeführt, weil die Bestimmung erst dann in Betracht kommt, wenn das Gericht nicht aus dem in erster Linie geltend gemachten § 187 verurteilt. „ D i e Parteien und ihre Anwälte erhalten zu ihren Ausführungen das Wort. R A . Schaarz beantragte: gegen die Angeklagte auf Gefängnis zu erkennen und Freisprechung auf die Widerklage. R A . Weiß beantragte: Freisprechung auf die Privatklage, Verurteilung auf die Widerklage."

Der Richter empfiehlt den Parteien nochmals dringend einen Vergleich. Frau Schulz ist jetzt zur Abgabe der Ehrenerklärung bereit unter der Bedingung, daß Frau Müller sich ebenfalls entschuldige. Nachdem hierüber sowie über die Formulierung der Erklärungen durch Vermittlung des Richters eine Verständigung erzielt ist, kommt es zu einem neuen Streit wegen der Kostenfrage. Schließlich sieht Frau Schulz ein, daß die von ihr begangene Beleidigung schwerer wiegt: „Hierauf schlössen die Parteien folgenden Vergleich: Die Angeklagte nimmt die in ihrem Brief vom 4. Januar 1956 gemachten beleidigenden Ausdrücke und die darin aufgestellten tatsächlichen Behauptungen mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück. Sie verpflichtet sich, den Brief gegenüber dem Gesamtvorstand des Theaterund Literaturvereins .Faust' innerhalb von 10 Tagen schriftlich zu widerrufen und in dem Widerruf der Privatklägerin eine Ehrenerklärung auszustellen. Die Privatklägerin nimmt die den Gegenstand der Widerklage bildende Äußerung mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück. Privatklage und Widerklage und die von beiden Parteien gestellten Strafanträge werden zurückgenommen. Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt die Angeklagte. Hierauf wurde die Öffentlichkeit wiederhergestellt und in öffentlicher Sitzung der Beschluß verkündet: Das Verfahren wird, nachdem Privatklage und Widerklage und die Strafanträge zurückgenommen sind, eingestellt. Die Kosten des Verfahrens sowie die der Privatklägerin entstandenen notwendigen Auslagen hat die Angeklagte zu tragen. Richter.'

Urkund."

Der Vergleich in Strafsachen ist in der StPO nicht geregelt. Daraus ergeben sich eine Reihe von Zweifeln (vgl. dazu F. Härtung D R i Z 1953, 225). Fest steht, daß Privatklagen in jeder Lage des Verfahrens zurückgenommen'werden können (§ 3 9 1 1 StPO). Die Zurücknahme ist also noch in der Revisionsinstanz zulässig (vgl. aber § 3 9 1 1 S. 2) und es macht keinen Unterschied, ob die Vorinstanz verurteilt oder freigesprochen hat. Man „konstruiert" deshalb Privatklage-Vergleiche vielfach durch Zurücknahme der Privatklage und -Widerklage. Ein Zivilprozeß würde mit der Aufnahme des Vergleichs zu gerichtlichem Protokoll beendet sein. Für das Privatklageverfahren ist streitig, ob auf Grund des Vergleichs noch ein besonderer Einstellungs-

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Einzelrichter — Vergleich in Privatklagesachen

beschluß (vgl. § 3 9 1 n ) erlassen werden muß. Zulässig ist die Einstellung jedenfalls (Löwe-Rosenberg [19] l e zu § 391). Nun bietet das Gesetz aber bei einer Beschränkung auf die Zurücknahme der Privatklage keine Handhabe, um die Kostenregelung des Vergleichs in den Einstellungsbeschluß aufzunehmen. Denn § 4 7 1 1 1 sieht grundsätzlich eine automatische Kostenregelung vor und die Voraussetzungen des § 4 7 1 1 1 1 für eine Kostenverteilung nach freiem Ermessen sind nicht gegeben, auch nicht Nr. 3, wo an den Fall der Entscheidung über die Widerklage gedacht ist. Eine von der Regelung des § 4 7 1 1 1 abweichende vergleichsweise Vereinbarung bindet zwar die Parteien im Innenverhältnis, begründet auch nach § 792 G K G die Kostenschuldnerschaft gegenüber der Staatskasse, würde aber den Inhalt der vorgeschriebenen Kostenentscheidung nicht beeinflussen können. Hier bringt indessen § 470 Satz 2 Abhilfe, wonach bei Verfahrenseinstellung wegen Zurücknahme eines Strafantrags zwar grundsätzlich der Antragsteller die Verfahrenskosten trägt, diese aber dem zur Übernahme bereiten Angeklagten, evtl. sogar der Staatskasse auferlegt werden können. Bei Zurücknahme der Privatklage wird deshalb hier die (zulässige, vgl. § 194 StGB) Zurücknahme der gestellten Strafanträge ausgesprochen. Da sich Frau Schulz zur Übernahme der Kosten, die in dem Verfahren auf Privatklage entstanden sind, bereit erklärt hat, und sie die durch das Verfahren auf den eignen Antrag (die Widerklage) entstandenen Kosten gemäß § 470 S. 1 selbst trägt, so bestehen keine Bedenken, ihr in dem Einstellungsbeschluß die gesamten Verfahrens kosten aufzuerlegen. Zu beachten ist aber, daß die Rücknahme des Antrags, abweichend von der Rücknahme der Privatklage, nur bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urteils statthaft ist (§ 64 1 ), also durch eine erstinstanzliche Verurteilung endgültig ausgeschlossen wird; in solchen Fällen erscheint § 479 S. 2 e n t s p r e c h e n d anwendbar. Die Verkündung des Einstellungsbeschlusses in öffentlicher Sitzung ist im Gesetz nicht vorgeschrieben, aber zweckmäßig. Damit keine falschen Gerüchte entstehen, hat der Richter nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit auch den Wortlaut des Vergleichs bekannt gegeben. Die Damen im Zuhörerraum, die in der Hoffnung, bei Verkündung der Urteilsgründe (§ 268 1 S. 2) pikante Einzelheiten zu erfahren, während der langen nicht-öffentlichen Sitzung geduldig vor dem Sitzungssaal gewartet haben, kommen nicht auf ihre Rechnung. Für die Verkündung von U r t e i l e n ist die Wiederherstellung der Öffentlichkeit zwingend vorgeschrieben (§ 1 7 3 1 G V G ) , doch kann gemäß § 1 7 3 1 1 die Bekanntgabe der Gründe in geheimer Sitzung geschehen. Das Protokoll lautet dann beispielsweise: „Nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit wurde das Urteil durch Verlesung der Urteilsformel dahin verkündet: Ferner wurde der B e s c h l u ß verkündet: Für die Verkündung der Urteilsgründe wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, weil sie eine Gefährdung der Sittlichkeit besorgen läßt. Die Öffentlichkeit wurde daraufhin wieder ausgeschlossen und sodann in nicht-öffentlicher Sitzung der wesentliche Inhalt der Urteilsgründe verkündet. (folgt die Rechtsmittelbelehrung und die Unterschriften)." A u ß e r g e r i c h t l i c h e r V e r g l e i c h in P r i v a t k l a g e s a c h e n : E s besteht Streit, ob ein Vergleich, wonach Privatklagen (oder Widerklagen) zurückgenommen oder überhaupt nicht erhoben werden sollen, unmittelbar auf das Strafverfahren einwirkt und ob er auch dann zu berücksichtigen ist, wenn die Privatklage, der Abrede zuwider, dennoch erhoben bzw. aufrecht erhalten wird. Da die Privatklage in den Fällen des § }8o einen erfolglos vorgenommenen schiedsmännischen Sühneversuch voraussetzt, wird man annehmen müssen, daß der vor dem Schiedsmann geschlossene bedingungslose Vergleich das Privatklagerecht des Verletzten sofort tilgt. Dasselbe dürfte vom gerichtlichen Vergleich gelten. Für den (nicht vor dem Schiedsmann abgeschlossenen) außergerichtlichen

Einzelrichter — Vergleich in Privatklagesachen

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Vergleich geht die herrschende Meinung dahin, daß das Rücknahmeversprechen des Privatklageberechtigten für das Strafrecht bis zur tatsächlichen Zurücknahme bedeutungslos sei, daß aber die Abmachung die Parteien obligatorisch binde, so daß der Angeklagte aus dem Vergleich auf Zurücknahme der Privatklage klagen kann (vgl. Löwe-Rosenberg [19] 7a zu § 380; Dalcke[-Fuhrmann] [36] 2 zu § 391). Das ergehende Urteil dürfte nicht nach § 888, sondern nach § 894 Z P O zu vollstrecken sein, weil die Rücknahme eine dem Gericht gegenüber abzugebende Willenserklärung darstellt und solche Erklärungen unter § 894 fallen (§ 896). Vgl. Stein-Jonas-Schönke I 2 zu § 894; a. M. R G Z 42, 60. Behauptet der Angeklagte in der Hauptverhandlung einen derartigen mit dem Privatkläger außergerichtlich abgeschlossenen Vergleich, so ist der dafür angebotene Beweis als unerheblich abzulehnen. Dagegen könnte man entsprechend § 262 1 1 StPO das Verfahren aussetzen und die Verhandlung vertagen, damit der Angeklagte in der Zwischenzeit im Zivilprozeßweg die Rücknahme der Privatklage erzwingt. Für den entsprechenden Fall, daß Rücknahme einer Zivilklage außergerichtlich vereinbart worden ist, ist streitig, ob es einer besonderen Klage auf Zurücknahme bedarf oder ob nicht der Fortsetzung des Prozesses ohne weiteres die Einrede der prozessualen Arglist entgegensteht (vgl. Baumbach-Lauterbach [24] 2 B zu § 271 ZPO), die zur Abweisung der vertragswidrig aufrecht erhaltenen Klage führt. Für den Strafprozeß kommt letzterer Rechtsbehelf nicht in Frage. D u r c h f ü h r u n g des V e r g l e i c h s : Wird das Privatklageverf. durch Urteil oder Einstellungsbeschluß abgeschlossen, sofindeteindem Zivilprozeß entsprechendes Kostenfestsetzungsverfahren beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle statt (§ 464 1 1 StPO). Auch hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten sind die Vorschriften der Z P O vorbildlich (§§ 4 7 1 v S. 2 StPO, 9 1 " ZPO). Vorbedingung dafür ist, daß das Urteil zu Lebzeiten der Parteien volle Rechtskraft erlangt; denn vorher bildet es keinen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel im Sinne von § 1 0 3 1 Z P O (§ 465 1 1 StPO). Ob ein gerichtlicher Vergleich, in dem die Parteien den Kostenpunkt geregelt haben, unabhängig von der Kostenentscheidung in einem Einstellungsbeschluß einen vollstreckbaren Titel bildet, auf Grund dessen Kostenfestsetzung stattfinden könnte, ist streitig (vgl. Schwarz [19] 4 zu § 4 7 1 ; Härtung D R i Z i 9 5 3 , 2 2 5 ) . Hätten die Parteien einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen und zahlte Frau Schulz die Kosten nicht gutwillig, so müßte selbstverständlich Frau Müller aus dem Vergleich Klage im Zivivilprozeß erheben. Häufig kommt es vor, daß sich in einem gerichtlichen Privatklagevergleich der Angeklagte außer zur Kostentragung zur Zahlung einer Buße zu gemeinnützigen Zwecken verpflichtet, die Verpflichtungen aber später nicht erfüllt. Ob es möglich ist, einen Zwang zur Erfüllung in der Weise auszuüben, daß die Zurücknahme der Privatklage unter der aufschiebenden oder gar auflösenden Bedingung (Widerruf) der Erfüllung des Vergleichs ausgesprochen wird, erscheint zweifelhaft, denn Prozeßhandlungen sind grundsätzlich bedingungsfeindlich. Will man also allen Weiterungen vorbeugen, so ist folgendes Verfahren anzuraten (s. auch Nr. 157 RiStV 1953): der Vergleich wird mit Verpflichtung zur Kostentragung und Bußzahlung und zur Zurücknahme der Privatklage, aber ohne die Rücknahmeerklärung selbst, protokolliert, und die Sache auf kurze Zeit vertagt. Sind bis zum neuen Termin die Kosten bezahlt, so erfolgt nunmehr die formelle Rücknahme der Privatklage und die Sache ist erledigt. Andernfalls wird verhandelt. Wenn Frau Schulz die versprochene Ehrenerklärung nicht abgibt, muß Frau Müller auf ihre Abgabe im Zivilprozeß klagen. Die Zulässigkeit einer solchen Klage steht fest ( R G 87, 80). Vollstreckung des Urteils nach § 888 ZPO., da der Widerruf keine Willenserklärung darstellt. Eine solche Klage gehört vor das Landgericht, weil es sich um eine nicht-vermögensrechtliche Streitigkeit handelt (§§ 23 1 , 7 1 I G V G ) . V e r g l e i c h b e i ö f f e n t l i c h e r K l a g e : Ist wegen eines Antragdelikts, bei dem der Antrag zurückgenommen werden kann (z. B. §§ 1 2 3 1 1 1 , 194, 2 3 2 1 1 StGB), öffentliche Klage erhoben, so wird die vergleichsweise Beilegung der Sache in der Weise durchgeführt, daß die Beteiligten sich über die Bedingungen, unter denen der Verletzte seinen Antrag zurücknehmen will, verständigen und hierauf die Rücknahme erklärt wird. Es gilt dann § 470. Bei Offizialdelikten oder wenn die Antragsrücknahme nach § 64 StGB ausgeschlossen ist, hilft § 15 3 StPO (S. 746 zu 2). Der Umstand, daß Angeklagter und Verletzter sich über die Schadloshaltung verständigen, kann vom Gericht dahin gewürdigt werden, daß „die Folgen der Tat unbedeutend" sind. Dagegen ist es nicht zulässig, die Einstellung davon abhängig zu machen, daß der Beschuldigte sich zur Tragung der durch das Verfahren der Staatskasse erwachsenen Auslagen bereit erklärt (vgl. Nr. 7 5 1 1 1 RiStV 1953). 54

L u x , Schulung 4. Aufl. (Schäfcr)

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Einzelrichter — Bußgeldbescheid Gerichtliche N a c h p r ü f u n g eines Bußgeldbescheids Der Landrat Gesch.-Nr

Fulda, den i. März 1956.

Bußgeldbescheid. Ich setze hiermit eine Geldbuße von 150 (i. W.) DM gegen Sie fest, weil Sie am 24. Februar 1956 gegen § 38 Nr. 9 des Hessischen Ausführungsgesetzes vom 24. März 195} (GVB1 27) zum Bundesjagdgesetz vom 29. November 1952 (BGBl I 780) verstoßen haben. Sie haben an dem genannten Tag Ihre beiden Schäferhunde in dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Gemeinde Sontra unbeaufsichtigt umherlaufen lassen, indem Sie nicht verhinderten, daß die frei in dem Hof Ihres Anwesens in Sontra umherlaufenden Hunde durch eine Lücke in der Umzäunung des Hofes das Freie gewannen, wo sie dem Wilde nachstellten und ein Reh rissen. Die Zuwiderhandlung wird bewiesen durch das Zeugnis des Jagdpächters Emil Müller in Sontra, Geinhäuserstraße 9, und durch Ihre eigene Einlassung. Gegen diesen Bußgeldbescheid können Sie binnen zwei Wochen nach seiner Zustellung schriftlich oder mündlich zur Niederschrift bei dem hiesigen Landratsamt Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Zur Wahrung der Frist genügt es auch, wenn Sie den Antrag rechtzeitig bei dem Amtsgericht in Fulda einreichen. Sie können innerhalb dieser Frist zugleich beantragen, daß das Amtsgericht auf Grund einer mündlichen Verhandlung entscheidet. Ich weise Sie darauf hin, daß, auch wenn Sie keinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen, die Staatsanwaltschaft nach den §§ 58fr. des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 28. März 1952 (BGBl I 177), § 38 1 1 Hess.AusfGes. binnen zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids eine gerichtliche Überprüfung beantragen kann, ob die dem Bußgeldbescheid zugrunde liegende Handlung als Straftat gerichtlich zu verfolgen ist. Ich ersuche Sie, sobald dieser Bußgeldbescheid vollstreckbar geworden ist, die Geldbuße von 150 DM nebst den nachstehend berechneten Kosten des Verfahrens, die Sie zu tragen haben, an die Amtskasse des Landratsamts unter Vorlage dieses Bußgeldbescheides oder unter Angabe des oben angeführten Aktenzeichens einzuzahlen. Falls dies nicht binnen einer Woche nach Eintritt der Vollstreckbarkeit geschieht, müßte der Betrag zwangsweise beigetrieben werden. Dr. Müller. An Herrn Viehkaufmann Peter Esser in Sontra, Kostenberechnung: Bahnhofstraße 8. 1. Gebühr 7,50 DM 2. Zustellungskosten . 0,75 DM § 71 des Ges. über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952, § 3 8 " Hess.Ausf.Ges. V g l . §§ 4 4 " , 48, 52. 53ff-> 57, 10, 71 O W i G . D e r Bußgeldbescheid ist dem Betroffenen Esser am 3. M ä r z 1 9 5 6 durch die Post zugestellt w o r d e n . Gleichzeitig ist der Staatsanwaltschaft in Fulda eine A u s f e r t i g u n g des Bußgeldbescheids unter B e i f ü g u n g der A k t e n übersandt w o r d e n ( § 5 3 O W i G ) . Diese A k t e n bestehen aus einer schriftlichen Anzeige des Jagdpächters Müller v o m 25. Februar 1956, die am 26. Februar in A b s c h r i f t dem Betroffenen mit dem A n h e i m geben einer Ä u ß e r u n g mitgeteilt w u r d e , u n d aus einer schriftlichen E r k l ä r u n g des Betroffenen v o m 28. Februar, er sei sich keiner Schuld b e w u ß t , die Hunde müßten durch eine Lücke im Zaun, die er erst jetzt entdeckt habe, entwichen sein. D i e Staatsanwaltschaft hat die V o r g ä n g e am 6. M ä r z dem Landratsamt mit der E r k l ä r u n g zurückgesandt, daß sie nach P r ü f u n g des Sachverhalts keinen A n l a ß zu M a ß n a h m e n gefunden habe (vgl. § 62 O W i G ) . A m 7. M ä r z 1956 geht beim Landratsamt folgender Brief Essers ein: „Gegen den Bußgeldbescheid vom 1. Februar 1957 beantrage ich gerichtliche Entscheidung. Wie ich Ihnen neulich schon schrieb, trifft mich keine Schuld, daß die Hunde durch das Loch im Zaun entwichen sind. Ich habe das Loch erst entdeckt, als ich nach Erhalt Ihres Schreibens vom

Einzelrichter — Bußgeldverfahren

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26. Februar Nachforschungen anstellte, wie es überhaupt möglich war, daß die Hunde trotz des 2 m hohen Zauns entweichen konnten. Ich muß noch erwähnen, daß ich den Zaun, weil er an einigen Stellen schadhaft war, erst am 20. Februar 1956 durch den Tischlermeister Meyer von hier habe ausbessern lassen; ich habe ihm ausdrücklich gesagt, er solle den Zaun gründlich in Ordnung bringen, auf ein paar Mark mehr käme es mir nicht an. Damit habe ich alles, was an mir liegt, getan; man kann doch nicht verlangen, daß ich die Arbeit eines Fachmannes noch nachprüfe. Dazu läßt mir mein Beruf auch wirklich keine Zeit, ich bin vom frühen Morgen bis zum späten Abend unterwegs. Ich bin, trotzdem ich 60 Jahre alt bin, noch nie bestraft worden; das wäre meine erste Strafe. So kann man gegen einen unbescholtenen Staatsbürger und Steuerzahler nicht vorgehen. Schließlich wäre es mit einer Verwarnung genug gewesen, wenn mir wirklich ein kleiner Vorwurf gemacht werden könnte." Der Landrat hat mit Verfügung v o m 10. März 1956 die Vorgänge dem Amtsgericht Fulda übersandt: „U. mit Akten dem Amtsgericht, hier zur Entscheidung vorgelegt. Zu den Ausführungen des Betroffenen in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nehme ich wie folgt Stellung: Die Angaben, daß er den Zaun erst kürzlich habe reparieren lassen, mögen zutreffen, auch ist bekannt, daß Esser durch sein gutgehendes Geschäft zeitlich sehr in Anspruch genommen ist. E r kann aber die ihm als Hundehalter obliegende Verantwortung nicht einfach auf den Tischlermeister abwälzen, sondern hätte sich dessen Arbeit ansehen müssen. Wenn er dazu keine Zeit hatte, so hätte er seine Frau oder seine bei ihm im Haus wohnende erwachsene Tochter damit beauftragen können." Soweit der Betroffene meine Ermessensausübung bemängelt, erübrigt sich eine Stellungnahme, da sie nicht Gegenstand der dortigen Nachprüfung ist. Ich bemerke daher nur kurz, daß mir in letzter Zeit zahlreiche Klagen über Rehwildverluste durch wildernde Hunde zugegangen sind und ich deshalb zu energischem Durchgreifen gezwungen bin." V g l . § 5 4 1 1 1 O W i G („mit ihrer Stellungnahme"). Der Referendar: Ich werde heute zum ersten Mal praktisch mit dem O W i G befaßt und habe es mir genauer angesehen, ich habe auch die Äußerungen in der Literatur 1 ) über seine allgemeine Bedeutung durchgelesen. Danach ist die Sache so: Das O W i G bezweckt, das echte Kriminalunrecht von dem bloßen Ordnungsunrecht abzuscheiden; es will — namentlich wegen der großen und ständig wachsenden Zahl v o n sog. strafrechtlichen Nebengesetzen — verhindern, daß jeder geringfügige G e setzesverstoß v o r den Strafrichter oder wenigstens den Staatsanwalt gebracht werden muß. E s soll dabei einmal vermieden werden, daß die Strafjustiz durch die Überschwemmung mit Bagatellsachen v o n ihrer Aufgabe, schwererwiegende Gesetzeszuwiderhandlungen, also „echtes Kriminalunrecht" rasch und nachdrücklich zu verfolgen, abgezogen wird, aber auch, daß der Respekt v o r der echten Kriminalstrafe sinkt und der Gedanke, daß eine Straftat etwas ethisch Verwerfliches ist, schwindet, weil zahllose Gesetzesverstöße, die als ethisch indifferent empfunden werden, mit Strafe bedroht sind. Dieser Gedanke ist an sich nicht neu; es gab schon vorher eine Reihe v o n Gesetzen, die für bestimmte Verstöße nur Ordnungsstrafen androhen, die — unter Ausschluß des Strafrichters — v o n Verwaltungsbehörden festgesetzt werden. A u f breiterer Grundlage hat das preuß. Polizeiverwaltungsgesetz v o m 1. Juni 1 9 3 1 ( G S S. 77) den Gedanken verwirklicht, in dem es in § 33 Zuwiderhandlungen gegen Polizeiverordnungen, die nach früherem Recht Übertretungen i. S. des § 1 S t G B waren, mit Zwangsgeld bedrohte, dessen Festsetzung den Polizeibehörden oblag. A l s Rechtsbehelf gegen eine solche Zwangsgeldfestsetzung sah das p r P V G die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde und gegen deren Entscheidung die Anrufung !) Vgl. z . B . Rotberg, Komm. z. OWiG (1952); Dalcke [-Schäfer] [36] 391fr.; Kohlhaas in Erbs, Strafrechtl. Nebengesetze O 187 [1957]. 54*

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Einzelrichter — Kriminalunrecht und Ordnungsunrecht

der Verwaltungsgerichte vor (§ 57). Das OWiG unterscheidet sich von diesen Lössungsversuchen dadurch, daß nicht Verstöße gegen einzelne bestimmt bezeichnete Gesetze oder bestimmte Gruppen von Gesetzesverstößen (wie die Zuwiderhandlungen gegen Polizeiverordnungen) aus dem Bereich des Kriminalunrechts herausgenommen werden, sondern daß ganz allgemein die geringfügige, die ethisch indifferente Gesetzesverletzung nicht mehr Kriminalunrecht sein soll. Nun gibt es aber kein exaktes Kriterium dafür, wann ein Gesetzesverstoß nur die äußere Ordnung des Gemeinwesens in wenig fühlbarer Weise berührt und wann er wichtige Belange der Allgemeinheit ernsthaft verletzt oder gefährdet, so daß das Gebiet des sittlich Verwerfbaren erreicht wird und der Spruch des Strafrichters ein ethisches Unwerturteil darstellt. Denn im Einzelfall gehen oft die Auffassungen über Wert und Bedeutung des vom Gesetz geschützten „Rechtsguts" auseinander. Das OWiG hat deshalb ein formales Unterscheidungsmerkmal gewählt: bloßes Ordnungsunrecht ist das, was der Gesetzgeber dafür erklärt, indem er als Reaktion auf den Gesetzesungehorsam nicht Kriminalstrafe, sondern „Geldbuße" androht; wo dagegen Strafe angedroht ist, ist die Zuwiderhandlung eine „Straftat" (§ 1 OWiG). Das OWiG enthält also gewissermaßen eine Anweisung an den Gesetzgeber, bei jedem neuen Gesetz zu prüfen, ob, wenn es überhaupt der Androhung einer Sanktion für die Verletzung der darin ausgesprochenen Gebote und Verbote bedarf, die Androhung von Geldbuße genügt oder die von Strafe erforderlich ist. Die Aufgabe, die Masse der z. Z. bestehenden, nur Strafe androhenden Gesetze darauf hin zu prüfen, wo die Umwandlung der Strafe in eine Geldbuße geboten ist, ist der Zukunft vorbehalten. Die Geldbuße soll auch „ahnden" (§ 2), d. h. sie hat den Charakter einer Sühne für begangenen Ungehorsam; in erster Linie soll sie aber ein fühlbarer Ruf zur Ordnung, ein Appell zu künftigem gesetzmäßigem Verhalten sein. Sie ist deshalb auch gegenüber Jugendlichen, falls sie einsichtsfähig sind, uneingeschränkt zulässig (§ 13). Die Entscheidung über die Festsetzung einer Geldbuße ist in die Hand der Verwaltungsbehörde gelegt, die dabei — anders als früher die Polizeibehörde im polizeilichen Strafverfügungsverfahren und als jetzt noch die Postbehörde, das Seemannsamt, das Finanzamt im Strafbescheidsverfahren (vgl. S. 8 30) — nicht Kraft delegierter Justizhoheit, sondern Kraft ursprünglicher Verwaltungshoheit tätig wird. Für sie gilt nicht das grundsätzlich für die Strafverfolgungsbehörden und die Strafgerichte maßgebende Legalitätsprinzip, sondern das Opportunitätsprinzip (§ 7), das auch sonst die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden beherrscht, wenn auch das Ermessen in § 7 1 1 . 1 1 1 durch gewisse, aber sehr allgemein gehaltene Richtlinien begrenzt ist. Die Festsetzung der Geldbuße erfolgt also in einem reinen Verwaltungsverfahren (Bußgeldverfahren) und durch einen reinen Verwaltungsakt (Bußgeldbescheid). Als „beschwerender Verwaltungsakt" müßte der Bußgeldbescheid nach den insoweit übereinstimmenden landesrechtlichen Vorschriften der Anfechtungsklage des Betroffenen unterliegen, über die die Verwaltungsgerichte zu entscheiden hätten. Diesen Weg ist aber das OWiG nicht gegangen, sondern hat die Rechtsbehelfskontrolle den ordentlichen Strafgerichten übertragen: gegen den Bußgeldbescheid kann der Betroffene Antrag auf gerichtliche Entscheidung (durch den Amtsrichter als Einzelrichter) stellen (§§ 54, 55) und gegen die Entscheidung des Amtsrichters kann sowohl der Betroffene als auch die Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hatte, Rechtsbeschwerde (auf die Rüge von Gesetzesverletzung beschränkte Beschwerde) an das Oberlandesgericht einlegen (§ 56). Materiell ist hiermit den Strafgerichten die Ausübung von Verwaltungsrechtspflege übertragen worden; sie handeln nicht etwa in Ausübung originärer Strafjustizhoheit. Diese Aufgabenverlagerung ist erfolgt, um die besondere Sachkenntnis und Erfahrung der Strafgerichte bei der Feststellung des äußeren und inneren Tatbestandes eines Gesetzesverstoßes und bei der Bemessung einer gerechten Unrechts-

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folge nutzbar zu machen. Aus diesem Grunde ist auch — allerdings in sehr beschränktem Umfang •— die Staatsanwaltschaft am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Sie hat zwar kein Rechtsbeschwerderecht. Im Verfahren vor dem Amtsrichter ist sie überhaupt nicht beteiligt (§ 5 5 I V S. 2); im Rechtsbeschwerdeverfahren wird sie aber „angehört" (§ j 6 I V S. 1), d. h. sie hat Gelegenheit, sich zu der Rechtsbeschwerde zu äußern. Grundsätzlich ist jedoch die Vertreterin des öffentlichen Interesses im Nachprüfungsverfahren vor dem Amtsrichter wie im Rechtsbeschwerdeverfahren die Verwaltungsbehörde (§§ 5 5 I V S. 1, 5 6 1 1 1 S. i , I V S. 1). Daraus folgt, daß sie Rechtsbeschwerde auch zugunsten des Betroffenen einlegen und daß auf ihre zuungunsten des Betroffenen erhobene Rechtsbeschwerde das Oberlandesgericht auch zu dessen Gunsten abändern kann (BayObLG MDR 1954, 376). Daß auch im Stadium der gerichtlichen Nachprüfung des Bußgeldbescheids das Verfahren ein Verwaltungsverfahren bleibt, zeigt sich insbesondere in folgendem: geht das summarische S t r a f bescheidsverfahren bei der Verwaltungsbehörde durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung in das gewöhnliche gerichtliche Strafverfahren über, so ersetzt der Strafbescheid zwar die Anklage und den Eröffnungsbeschluß, verliert aber völlig seine Bedeutung als vorangegangene Entscheidung; das Urteil lautet nunmehr auf Freispruch, Verurteilung usw. so, als sei das gerichtliche Verfahren durch die Erhebung einer Anklage in Gang gebracht. Ganz anders im gerichtlichen Stadium des Bußgeldverfahrens: ergibt nach Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Nachprüfung, daß der Bußgeldbescheid der Sach- und Rechtslage entspricht, so lautet die Entscheidung (die auch nach mündlicher Verhandlung — § 5 5 1 1 1 — in Form des Beschlusses ergeht) auf „Aufrechterhaltung des Bußgeldbescheids" (§ 5 5 v S. 1). Der Bußgeldbescheid kann auch geändert, z. B. die festgesetzte Geldbuße herabgesetzt werden. Erweist sich aber der Bußgeldbescheid als unbegründet, weil der innere oder äußere Tatbestand eines Geldbuße androhenden Gesetzes nicht verwirklicht ist, weil die Tat nicht rechtswidrig oder wegen unverschuldeten Verbotsirrtums (vgl. S. 863) nicht zurechenbar ist, so wird der Betroffene nicht „freigesprochen", sondern lediglich der Bußgeldbescheid „als unbegründet aufgehoben" (§ 5 5 v S. 3). In gleicher Weise lautet die Entscheidung des Amtsrichters, wenn der Bußgeldbescheid auf Verfahrensverstößen beruht oder wenn Verfahrenshindernisse (Verjährung, Amnestie usw.) einer Sachentscheidung entgegen standen, nicht auf Aufhebung und Zurückverweisung oder auf Einstellung des Verfahrens, sondern lediglich auf Aufhebung des Bußgeldbescheids als unzulässig. Der rechtspolitische und konstruktive Grundgedanke des OWiG ist mir danach klar. Aber eines habe ich noch nicht recht begriffen. Auf der einen Seite hat der Gesetzgeber das Recht der Polizei, Strafverfügungen wegen Übertretungen zu erlassen, beseitigt, weil die Ausübung von Strafgewalt dem Richter vorbehalten sei und die Strafbescheidsbefugnis der Verwaltungsbehörde wollen manche als grundgesetzwidrig oder doch als durch den Beitritt der Bundesrepublik zur Menschenrechtskonvention beseitigt ansehen (vgl. S. 830). Auf der anderen Seite dagegen ist die Befugnis der Verwaltungsbehörden, wenn auch unter einer anderen Bezeichnung, enorm erweitert worden. Das Höchstmaß der Geldstrafe bei Übertretungen ist stets 150 DM, das der Geldbuße dagegen grundsätzlich 1000 DM, es kann aber im Einzelfall überschritten werden (§§ 5, 6) und es gibt einzelne Gesetze, die Geldbußen von mehr als 10000 DM, ja über 100000 D M hinaus androhen. Ist das nicht ein innerer Widerspruch? Dem Betroffenen wirdes recht gleichgültig sein, ob eine Übertretungsstrafe von 20 D M eine Kriminalstrafe, eine Geldbuße von 500 D M dagegen „nur" eine nicht kriminelle Ahndung ist; ihm kommt es doch wohl entscheidend darauf an, daß er wegen eines Gesetzesverstoß zahlen muß und vor allem, wie hoch der zu zahlende Betrag ist. Er wird auch eine Übertretungsgeldstrafe nicht als „Vorstrafe" empfinden,

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denn sie wird ja weder im Strafregister noch im polizeilichen Führungszeugnis vermerkt (vgl. S. 784) und er kann sich deshalb genau so als unbestraft bezeichnen, wie wenn er „nur" mit einer Geldbuße belegt ist. Auch scheint es mir vom Standpunkt des Betroffenen aus praktisch wenig wichtig zu sein, daß die Strafjustizbehörden unter dem Legalitätsprinzip, die bußgeldbefugten Verwaltungsbehörden unter dem Opportunitätsprinzip handeln, denn das Legalitätsprinzip ist ja gerade bei Übertretungen weitgehend aufgehoben (§ 15 3 1 StPO, vgl. S. 746) und das Opportunitätsprinzip in § 7 1 1 durch die Rücksichtnahme auf das öffentliche Interesse beschränkt. Auf der anderen Seite scheint mir das Bußgeldsystem Bedenken zu erwecken: die Verwaltungsbehörde betreibt die Ermittlungen (§§ 35 ff.) und hat zugleich das Recht zur Entscheidung (§§ 46, 48), ist also Ankläger und Richter in einer Person. Der Leiter der Behörde oder sein allgemeiner Vertreter, die zur Unterzeichnung des Bußgeldbescheids befugt sind, brauchen nicht die Befähigung zum Richteramt zu haben (§ 48 r ); nur ein sonstiger Verwaltungsangehöriger muß, wenn ihm der Erlaß von Bußgeldbescheiden übertragen ist, diese Befähigung oder die zum höheren Verwaltungsdienst besitzen, während die Strafverfügung über die kleinste Übertretungsstrafe vom Richter erlassen werden muß (§ 4 1 3 1 StPO). Auch möchte ich meinen, daß die Verwaltungsbehörde, die ja so eine Art „Hausgerichtsbarkeit" erhält, dazu neigen kann, die Belange ihres Aufgabenbereichs zu überschätzen und so auf eine überhöhte Geldbuße zu erkennen oder eine Geldbuße festzusetzen, wo ein Ahndungsbedürfnis nicht gegeben ist, während der Strafrichter durch seine Befassung mit Gesetzesverstößen aus allen Lebensgebieten eher ein ausgleichendes Urteil über die Bedeutung einer Tatbestandsverwirklichung für die Gesamtheit der öffentlichen Belange haben wird. Andrerseits kann bei der Verwaltungsbehörde eher die Gefahr bestehen, daß von persönlichen Rücksichtnahmen beeinflußte Erwägungen für ihre Entscheidung maßgebend sind als bei dem unabhängigen Richter. Der Richter: Sie haben ganz recht mit Ihrer Auffassung, daß das Nebeneinanderbestehen von Übertretungen und Ordnungswidrigkeiten mit dem Grundgedanken einer Trennung des Kriminalunrechts vom Ordnungsunrecht nicht vereinbar ist. Aber das ist eine Übergangserscheinung. Denn nach dem heutigen Stand der Vorarbeiten für eine allgemeine Strafrechtsreform kann damit gerechnet werden, daß es künftig Übertretungen i. S. des § 1 1 1 1 StGB nicht mehr geben wird und daß allgemein Verstöße gegen bloße Ordnungsvorschriften Ordnungswidrigkeiten sein werden, während nur Gesetzesverstöße von erheblicherer Bedeutung dem eigentlichen Kriminalunrecht zugeordnet werden (vgl. die Beschlüsse der Großen Strafrechtskommission S. i i 2 , 341 der „Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission" Bd. I, Bonn 1956). Die Vergehensgeldstrafe und die Geldbuße aber unterscheiden sich sehr wesentlich dadurch, daß nur die erstere im Fall der Uneinbringlichkeit in Form einer Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden kann, während bei Uneinbringlichkeit einer Geldbuße nach § 69 OWiG allenfalls die Anordnung von Erzwingungshaft in Betracht kommt, wenn begründeter Anlaß zu der Annahme besteht, daß der Betroffene sich der Zahlung der Geldbuße zu entziehen sucht. Ferner wird nur die Vergehensgeldstrafe, nicht auch die Geldbuße, im Strafregister vermerkt und macht den Verurteilten zum Vorbestraften. Was aber Ihre allgemeinen Bedenken gegen das Bußgeldverfahren betrifft, so muß doch folgendes berücksichtigt werden, wenn man zu einer gerechten Beurteilung kommen will: Die Zahl der Strafvorschriften außerhalb des Strafgesetzbuchs war jahrzehntelang verhältnismäßig klein. Einem Gesetz ohne Strafdrohungen Gehorsam zu verschaffen, war den Verwaltungsbehörden überlassen, die im Einzelfall befugt waren, ihre Anordnungen mit den Mitteln des Verwaltungszwangs (Erzwingungsstrafen, unmittelbare Ausführung, Ersatzvornahme) durchzusetzen. Erst die letzten Jahrzehnte, in denen die Gesetzgebung in

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steigendem Maße dazu überging, ein Lebensgebiet nach dem anderen ordnend zu erfassen, haben zu der gewaltigen Zahl von „Nebengesetzen" geführt, wobei sich die meisten Gesetze nicht mehr damit begnügten, die Erzwingung der Befolgung dem behördlichen Verwaltungszwang im Einzelfall zu überlassen, sondern generell Verstöße mit Strafe bedrohten. Dadurch erst entstand das Bedürfnis, die Folge einer massenhaften Verwirkung von Strafen wieder abzuschwächen, indem das Legalitätsprinzip durchbrochen (siehe vor allem § 15 3 1 StPO), die gebührenpflichtige Verwarnung eingeführt (s. S. 832) oder indem die Verfolgung von einem Strafantrag oder einem „Verlangen" der sachlich beteiligten Behörde abhängig gemacht wurde. Auch die Wandlung der Rechtsprechung in der Frage des Verbotsirrtums (S. 863) ist zu einem guten Teil auf das ständige Anwachsen der Zahl der Strafdrohungen zurückzuführen. Die Schaffung des Bußgeldverfahrens bedeutet demgegenüber die Einschlagung eines neuen Wegs zur Durchsetzung von Gesetzesbefehlen: es bleibt zwar dabei, daß generell der Ungehorsam mit einer Unrechtsfolge — eben der Geldbuße — bedroht wird, aber die Unrechtsfolge soll, entsprechend dem Einsatz des Verwaltungszwangs mit Beuge- oder Erzwingungsstrafen, nur da verwirklicht werden, wo es der Verwaltungsbehörde nach pflichtmäßigem Ermessen im Einzelfall zur Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Zwecke erforderlich erscheint. Anders ausgedrückt: es werden gewissermaßen die Mittel des Verwaltungszwangs um die Geldbuße vermehrt. Dieser Gedankengang führt zwangsläufig zur Aufgabe des Legalitätsprinzips und die Bedenken, die dagegen erhoben werden könnten und die Sie vorhin andeuteten, laufen im Grunde darauf hinaus, das Opportunitätsprinzip aus dem Bereich der Verwaltungstätigkeit zu verbannen. Das hat wohl noch niemand befürwortet und wäre auch schlechterdings undurchführbar. Das OWiG ist ein gesetzgeberischer Versuch, ein Problem mit neuen Mitteln zu lösen. Darüber, ob der Versuch in vollem Umfang geglückt ist, wird man vielleicht noch nicht abschließend urteilen können. Immerhin erscheint mir beachtlich, daß, soweit ich unterrichtet bin, wesentliche Klagen über Mängel des Bußgeldverfahrens nicht der Öffentlichkeit unterbreitet wurden. Die Klagen aus den Kreisen derer, die an der Durchführung eines Gesetzes interessiert sind, gehen mitunter in Einzelfällen dahin, daß die Verwaltungsbehörde von der Verhängung einer Geldbuße abgesehen habe, obwohl ein Einschreiten geboten gewesen sei. In solchen Fällen gibt es allerdings kein Erzwingungsverfahren nach Art der §§172 StPO — das übrigens bei Übertretungen nach § 1 7 2 1 1 S. 3 ausgeschlossen ist — und es bleibt nur der Weg der Dienstaufsichtsbeschwerde bei der vorgesetzten Behörde (BayObLG N J W 1954, 354). — Wir können uns jetzt wohl unserem Fall zuwenden. Der Referendar: Verfahrensmäßig ist der Bußgeldbescheid in Ordnung. Das OWiG findet keine unmittelbare Anwendung, denn es gilt nur, wenn bun des gesetzlich ein Gesetzesverstoß mit Geldbuße bedroht ist (§ 3). Das Bundes)agdgesetz vom 29. November 1952 ist ein sog. Rahmengesetz, da nach Art. 75 Nr. 3 G G der Bund auf dem Gebiet des Jagdwesens nur Rahmenvorschriften erlassen darf und deren Ausfüllung im einzelnen der Landesjagdgesetzgebung überlassen muß. Deshalb sind in § 39 B J G nur einige wenige Gesetzesverstöße von Bundeswegen mit Geldbuße bedroht. Den Ländern steht aber, soweit sie Gesetzgebungsbefugnis haben, das Recht zu, Verstöße gegen die von ihnen erlassenen Vorschriften mit Strafe oder mit Geldbuße zu bedrohen (§42 BJG). Sie könnten, soweit sie letzteres tun, das Bußgeldverfahren frei ohne Rücksicht auf die Vorschriften des OWiG regeln. Wo aber die Länder bisher Ordnungswidrigkeitstatbestände geschaffen haben, haben sie durchweg die materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften des OWiG für anwendbar erklärt. Insbesondere ist dies bei den Ordnungswidrigkeitsbeständen geschehen, die die Landesjagdgesetze rahmenausfüllend aufgestellt haben (vgl. Mitzschke-Schäfer, B J G

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Einzelrichter — Jagdrechtliche Ordnungswidrigkeiten

[2] II zu § 42). Gegenstand landesjagdrechtlicher Regelung ist auch das unbeaufsichtigte Umherlaufenlassen von Hunden und Katzen in einem Jagdrevier. Das hier anwendbare Hess. AusfGes. vom 24. März 1953 bestimmt in § 38: (1) „Eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 1 des Bundesgesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 2 5. März 1 9 5 2 . . . begeht, w e r . . . 9. Hunde und Katzen unbeaufsichtigt in einem Jagdbezirk laufen läßt. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des zweiten Buches des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten." Damit ist also in vollem Umfang auf den Tatbestand des § 3 8 1 9 kraft landesrechtlicher Inbezugnahme das OWiG anwendbar. Zuständige Verwaltungsbehörde ist nach § 73 OWiG in Verb, mit § 25 der 1. D V O z. Hess. AusfGes. die untere Jagdbehörde und das ist nach § 3 2 1 1 1 Hess AusfGes in Landkreisen der Landrat als Behörde der Landesverwaltung (nicht: der kommunalen Kreisverwaltung). Das Amtsgericht Fulda ist zuständig für die Nachprüfung, weil der Landrat, der den Bußgeldbescheid erlassen hat, im Amtsgerichtsbezirk seinen Sitz hat (§ 35 1 S. 3). Der Betroffene Esser ist im Bußgeldverfahren gehört worden (§ 44 1 1 OWiG); der Bußgeldbescheid entspricht auch den Anforderungen der §§ 48 1 , 5 2 OWiG. Er enthält insbesondere auch den in § 5 2 S. 3 vorgeschriebenen Hinweis auf die Möglichkeit der gerichtlichen Zuständigkeitsüberprüfung nach §§ 58—64 OWiG. Der Richter: Hat dieser Hinweis hier irgendeine praktische Bedeutung ? Der Referendar: Nein. Nach § 5 3 1 1 1 wird von jedem Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft unter Beifügung der Akten eine Ausfertigung übersandt. Die Staatsanwaltschaft hat dann zu prüfen, ob der dem Bußgeldbescheid zugrunde liegende Sachverhalt eine (Kriminal-)Straftat darstellt, die von den ordentlichen Strafjustizbehörden zu verfolgen und abzuurteilen ist. Das kann einmal der Fall sein bei den sog. M i s c h t a t b e s t ä n d e n (§ i 1 1 1 OWiG), bei denen die Handlung nach ihren äußeren abstrakten Tatbestandsmerkmalen sowohl Straftat wie Ordnungswidrigkeit sein kann und die Zuordnung zu der einen oder anderen Gruppe von der Erfüllung bestimmter gesetzlicher Abgrenzungsmerkmale abhängt (Beispiel: ein Gesetz bedroht einen Gesetzesverstoß mit Geldbuße, wenn er aber aus Gewinnsucht begangen wird oder einen schweren Schaden herbeigeführt hat, mit Kriminalstrafe). Ferner kommt der Fall in Betracht, daß dieselbe Handlung sowohl eine Ordnungswidrigkeit wie eine Straftat darstellt, also Tateinheit besteht; dann ist nur das Strafgesetz anzuwenden (§ 4 1 OWiG; Beispiel: der Hund, den sein Herr unbeaufsichtigt im Jagdbezirk umherlaufen läßt, beißt einen Menschen, so daß fahrlässige Körperverletzung — § 230 StGB •— in Betracht kommt). Ist nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die dem Bußgeldbescheid zugrunde liegende Handlung eine Straftat, so kann sie beim Landgericht eine gerichtliche Überprüfung des Bußgeldbescheides beantragen; sieht dieses eine Straftat als gegeben an, so hat die Staatsanwaltschaft Anklage zu erheben, und wenn daraufhin eine Verurteilung erfolgt, so wird der Bußgeldbescheid im Urteil aufgehoben (§§ 58, 59, 61 1 ). Hier kommt etwas derartiges nicht in Betracht. Da aber die Verwaltungsbehörde nicht übersehen kann, zu welchem Ergebnis die Staatsanwaltschaft bei Prüfung des Bußgeldbescheides kommt, so hat sie nach § 5 3 S. 3 den Betroffenen in jedem Fall auf die Überprüfungsmöglichkeit hinzuweisen, um ihn vor dem Irrtum zu bewahren, als werde der Bußgeldbescheid schon dadurch endgültig, daß er keinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellt. Der Richter: Warum wird der Betroffene zur Zahlung der Geldbuße und Verfahrenskosten nach Eintritt der „Vollstreckbarkeit" des Bußgeldbescheids aufgefordert ? Strafurteile werden grundsätzlich erst mit Eintritt der Rechtskraft vollstreckbar (§ 449 StPO; s. S. 782). Gilt bei Bußgeldbescheiden etwas anderes?

Einzelrichter — Umfang der Nachprüfung des Bußgeldbescheids

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Der Referendar: ja. Hier zeigt sich wieder der Unterschied zwischen der Geldbuße als einem Mittel zur Durchsetzung eines Gesetzesbefehls in der Hand der Verwaltungsbehörde und der Kriminalstrafe. Im Strafverfahren haben alle Rechtsmittel die Rechtskraft hemmende Wirkung; im Bußgeldverfahren dagegen ist nur dem Antrag auf gerichdiche Entscheidung, nicht auch der Rechtsbeschwerde aufschiebende Wirkung beigelegt; doch kann das Oberlandesgericht im Einzelfall die Aussetzung der Vollstreckung des Bußgeldbescheides anordnen (§ 57 OWiG). Der Richter: Und wie denken Sie über die materiell-rechtliche Seite der Sache ? Der Referendar: Der Betroffene will zunächst darauf hinaus, die Verwaltungsbehörde hätte bei richtiger Ermessensausübung eine Geldbuße nicht festsetzen dürfen. Damit kann er aber nicht gehört werden; die Ermessensfrage, ob die Festsetzung einer Geldbuße angezeigt oder geboten war, ist der gerichtlichen Nachprüfung entzogen Wohl aber hat der Richter nachzuprüfen, ob die Verwaltungsbehörde den § 7 1 1 1 verletzt hat, wonach von einer Geldbuße abzusehen ist, wenn eine Ordnungswidrigkeit unter Berücksichtigung aller Umstände ohne Bedeutung ist (vgl. Dalcke [-Schäfer] [36] 17 zu § 55 OWiG). Von einer Bedeutungslosigkeit der dem Betroffenen vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit kann aber — selbst wenn er Recht haben sollte, daß seine Schuld gering ist — keine Rede sein, denn die Auswirkung des Gesetzesverstoßes, der Verlust eines Rehes, ist nicht unbedeutend (vgl. Dalcke [-Schäfer] 3 zu § 7). Auch scheint mir, daß Fahrlässigkeit zu bejahen ist; ich meine, daß man bei dem Halter eines Schäferhundes mit Rücksicht auf die schweren Gefahren, die aus unbeaufsichtigten Umherlaufen des Hundes in einem Jagdbezirk dem Wild drohen, strenge Anforderungen an seine Sorgfaltspflicht stellen muß. Esser, der ja wußte, daß der Zaun schadhaft war, hätte nachprüfen müssen, ob er richtig wieder instand gesetzt war oder hätte damit einen zuverlässigen Hausgenossen beauftragen müssen. Der Richter: Wenn Fahrlässigkeit genügte, ließe sich darüber reden. Aber sie genügt nicht. § 38 HessAusfGes enthält keine Vorschrift über die zur Ahndung mit Geldbuße erforderliche Schuldform. Also bewendet es bei § 1 1 1 OWiG, wonach eine Ordnungswidrigkeit nur bei vorsätzlichem Handeln geahndet werden kann, sofern nicht durch das Gesetz (d. h. durch eine a u s d r ü c k l i c h e Vorschrift eines Geldbuße androhendes Gesetzes, vgl. S. 8 3 3) etwas anderes bestimmt ist. Der im Strafrecht — wenigstens für die Auslegung älterer Gesetze — geltende Grundsatz, daß bei sog. Polizeidelikten, wenn der Gesetzgeber über die Schuldform schweigt, Fahrlässigkeit genügt, falls sonst der Zweck des Gesetzes nicht erreicht würde, gilt also keinesfalls für das Ordnungsunrecht. Übrigens hätte der Hess. Gesetzgeber, wenn er auch die Fahrlässigkeit hätte treffen wollen, nach der neueren Gesetzestechnik für sie einen milderen Geldbußerahmen festsetzen müssen als für die vorsätzliche Begehung. Daß der Hess. Gesetzgeber nicht an die Einbeziehung der Fahrlässigkeit dachte, ergibt sich auch daraus, daß von allen Landesjagdgesetzen, die für das Umherlaufenlassen von Hunden und Katzen Geldbußen androhen, nur das von Schleswig-Holstein das fahrlässige Umherlaufenlassen im Tatbestand erwähnt (vgl. Mitzsche-Schäfer [2] 9a zu § 25 B J G ) . „Gesch.-Nr. 2 Gs (B) 5/57. Beschluß. In dem Bußgeldverfahren gegen den Viehkaufmann Peter Esser in Sontra, Bahnhofstr. 8 wegen Verstoßes gegen § 38 Nr. 9 des Hess. Ausführungsgesetzes vom 24. März 1953 (GVB1 27) zum Bundesjagdgesetz wird der Bußgeldbescheid des Landrats in Fulda vom 1. Februar 1957 — Gesch.-Nr — als unbegründet aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

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Einzelrichter — Aufhebung des Bußgeldbescheids Gründe: Am 24. Februar 1956 ließ der Betroffene seine beiden Schäferhunde in dem umzäunten Hof seines Anwesens in Sontra frei herumlaufen. Durch eine Lücke in der Umzäunung, die dem Betroffenen nicht bekannt war, entwichen die Hunde in die Flur und rissen in dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Gemeinde Sontra ein Reh. Wegen dieses Sachverhalts, den der Betroffene nicht in Abrede stellt, hat der Landrat in Fulda durch Bußgeldbescheid vom 1. März 1956 gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 150 DM festgesetzt. Gegen diesen, ihm am 5. März 1956 zugestellten Bußgeldbescheid hat der Betroffene mit Schreiben vom 6. März, eingegangen beim Landratsamt am 7. März 1956 gerichtliche Entscheidung beantragt. Der Antrag ist frist- und formgerecht gestellt; er mußte zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen. Der Landrat hat nämlich das Verschulden des Betroffenen darin erblickt, daß er von dem Loch in der Umzäunung, durch das die Hunde entwichen, zwar nichts gewußt habe, daß er aber davon hätte wissen können, wenn er sich vergewissert hätte, ob die kurz vorher an dem schadhaften Zaun vorgenommenen Ausbesserungen sachgemäß ausgeführt wurden. Damit wird dem Betroffenen ein fahrlässiger Verstoß gegen § 38 Nr. 9 HessAusfGes z. B J G vorgeworfen. Als Ordnungswidrigkeit nach dieser Vorschrift ist indessen nur ein vorsätzlicher Verstoß ahndbar. Denn (wird ausgeführt wie oben). Der Bußgeldbescheid war demgemäß nach § 55 v OWiG als unbegründet aufzuheben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 70 1 OWiG. Fulda, den 15. März 1956. Das Amtsgericht Richter Amtsgerichtsrat."

2o. K a p i t e l

Beim Schöffenrichter Eröffnungsverfahren. Versuchte Erpressung. Sachverhalts- und Verbotsirrtum Die Staatsanwaltschaft klagt den bisher unbestraften Kolonialwarenhändler und Bezirksvorsteher Krautwald in Hannover an, er habe „in Hannover am 28. August 1956 versucht, einen anderen rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung zu nötigen und dadurch dem Vermögen des Genötigten Nachteil zuzufügen, um sich zu Unrecht zu bereichern. E r hat nämlich dem Waffenhändler Schwerdtfeger gedroht, ihn in die Zeitung zu bringen, wenn er nicht den von dem Sohn des Angeschuldigten, Elektrotechnikerlehrling Paul Krautwald, bei Schwerdtfeger gekauften Revolver gegen Herauszahlung des Kaufpreises zurücknähme, Vergehen gegen §§ 253, 43, 44 S t G B . "

Nach § 200 1 hat die Anklageschrift die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat „unter Hervorhebung ihrer gesetzlichen Merkmale und des anzuwendenden Strafgesetzes" zu bezeichnen. Die gesetzlichen Merkmale müssen nicht notwendig in vollem Umfang mit den Worten des Gesetzes wiedergegeben werden. Sie können vielmehr, wo es die Verständlichkeit der Anklageschrift erfordert und zuläßt, durch einfache gesetzliche Begriffe (z. B. Versuch) ersetzt werden (RiStV 1953 Nr. 89 1 1 2 ). Auf diese Art können Satzungetüme, wie sie sich früher vielfach in Anklageschriften fanden, vermieden werden (es ist also nicht zu formulieren: „ . . . wird angeklagt, den Entschluß, einen anderen rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung zu nötigen und dadurch dem Vermögen des Genötigten Nachteil zuzufügen, um sich zu Unrecht zu bereichern, durch Handlungen betätigt zu haben, die einen Anfang der Ausführung dieses beabsichtigten, aber nicht vollendeten Vergehens enthalten, indem e r . . . " ) . Das Hauptverfahren soll vor dem Schöffengericht eröffnet werden. Voruntersuchung hat nicht stattgefunden. Das Ermittlungsergebnis lautet: „ A m 25. August 1956 feierte der Sohn des Angeschuldigten, Elektrotechnikerlehrling Paul Krautwald, seinen 17. Geburtstag. Aus diesem Anlaß schenkte ihm der Gastwirt Erwin Hielscher aus Grünberg, ein Bruder der verstorbenen Ehefrau des Angeschuldigten, 50 D M mit den Worten : ,Gib sie für etwas aus, worauf Du besonders Lust hast'. Der Angeschuldigte war hierbei zugegen. A m folgenden Tag ging Paul Krautwald in den Laden des Waffenhändlers Schwerdtfeger und kaufte dort einen gebrauchten Revolver für 28,50 DM, den er mit dem von Hielscher geschenkten Geld bezahlte. A m Abend des 27. August fragte der Angeschuldigte seinen Sohn, was er mit den 50 D M gemacht habe. Als dieser bekannte, den Revolver gekauft zu haben, geriet der Angeschuldigte in große Erregung, ließ sich den Revolver geben und sagte: ,Das ist ja unerhört von Schwerdtfeger, dem Jungen das Geld für solch unnützes Zeug aus der Tasche zu ziehen. Gleich gehe ich morgen früh hin und er muß den Revolver zurücknehmen'. A m 28. August begab sich der Angeschuldigte in Begleitung seines Sohnes in den Laden Schwerdtfegers und verlangte die Zurücknahme des Revolvers und Herauszahlung der 28,50 D M mit der Begründung, daß sein Sohn noch minderjährig, außerdem der Revolver ohne Waffen-

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Schöffengericht — Erpressung

schein abgegeben und der Kauf daher ungültig sei. Scbwerdtfeger erwiderte: ,Das werden Sie doch selbst nicht glauben. Was Ihr Sohn mit seinem Taschengeld macht, geht Sie nichts an, und wenn ich jemandem einen Revolver ohne Waffenschein verkaufe, ist das gerade so, als ob Sie während der Sonntagsruhe Milch abgeben, oder beim Drogisten etwas einkaufen, was eigentlich bloß der Apotheker führen darf. Im übrigen hat Ihr Sohn bei mir schon einmal für seinen Meister einen Revolver mit Waffenerwerbsschein gekauft und da glaubte ich, der vorgestern gekaufte Revolver ginge auf den damaligen Waffenschein'. Der Angeschuldigte erwiderte darauf: ,Das ist mir ganz gleich. Entweder Sie nehmen den Revolver zurück, oder ich bringe Sie in die Zeitung, damit die ganze Stadt Ihre Geschäftsgrundsätze kennen lernt*. Scbwerdtfeger erwiderte: ,Tun Sie, was Sie nicht lassen können'. Der Angeschuldigte hat dann den ,Hannoverschen Neuesten Nachrichten' eine Darstellung des Falles übersandt, die jedoch nicht zum Abdruck gebracht, sondern von der Schriftleitung als zur Veröffentlichung ungeeignet zurückgesandt wurde."

Als Beweismittel ist (außer den eigenen Angaben des Angeschuldigten) das Zeugnis des Scbwerdtfeger, seiner Verkäuferin, des Paul Krautwald und des Hielscher angeführt. Nachdem Krautwald die Anklageschrift gemäß § 201 1 StPO zugestellt erhalten hat und die Erklärungsfrist verstrichen ist, hält der Referendar dem Richter über die Sache Vortrag und votiert dafür, das Hauptverfahren antragsgemäß zu eröffnen: „Die Erpressungshandlung besteht in der rechtswidrigen Nötigung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung, begangen durch das Mittel der Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel, in der dadurch bewirkten Zufügung eines Nachteils für das Vermögen des Genötigten oder eines anderen, begangen in der Absicht, sich oder einen Dritten zu Unrecht Zu bereichern. 1. Krautwald hat bei seiner verantwortlichen Vernehmung angegeben, er habe die Ablehnung seiner Forderung durch Scbwerdtfeger als unabänderlich betrachtet und habe durch seine Worte dem Scbwerdtfeger lediglich mitteilen wollen, was er nunmehr zu tun beabsichtige, eine Einwirkung auf den Willen Scbwerdtfegers habe ihm ferngelegen. Wäre das richtig, so würde keine Nötigungshandlung vorliegen. Der von Scbwerdtfeger und seiner Verkäuferin übereinstimmend bekundete Wortlaut der Äußerung mit dem kategorischen .entweder — oder' beweist jedoch, daß der Angeschuldigte die Verhandlung noch nicht als beendigt ansah, sondern einen letzten Versuch gemacht hat, den Widerstand Scbwerdtfegrs zu beugen. 2. Als Drohung kommt nach § 253 StGB nicht bloß die Ankündigung einer strafbaren oder rechtswidrigen Handlung, sondern das Inaussichtstellen jedes empfindlichen Übels in Betracht; auch ein an sich erlaubtes Verhalten kann zum Inhalt der Drohung gemacht werden. Die öffentliche Erörterung des Vorfalles in der Zeitung war für Scbwerdtfeger in jedem Fall unangenehm, und der Angeschuldigte hat überdies zum Ausdruck gebracht, daß die Leser von Scbwerdtfeger und seiner Geschäftshandhabung einen ungünstigen Eindruck haben sollten. 3. Als eine zu Unrecht erfolgende Bereicherung ist jede Verbesserung der Vermögenslage anzusehen, wenn diese dem Rechtsempfinden der Allgemeinheit als Unrecht erseneint, gleichgültig, ob und wie das im Bürgerlichen Recht zum Ausdruck kommt. Wer lediglich das erstrebt, was der andere ihm zu leisten verpflichtet ist, will sich nicht zu Unrecht bereichern. Trotz fehlenden Rechtsanspruchs kann es sein, daß der erstrebte Vorteil dem Recht nicht zuwiderläuft. Objektiv ist der vom Angeschuldigten als gesetzlichen Vertreter seines Sohnes geltend gemachte Anspruch auf Rückerstattung der 28,50 D M gegen Rückgabe der Waffe unbegründet, denn die Rechtsgültigkeit des Revolverkaufs ist nicht zu beanstanden: a) Infolge der Minderjährigkeit des Paul Krautwald war der Vertrag zunächst von der Genehmigung des Angeschuldigten abhängig, .schwebend unwirksam' (§ 108 BGB). Der Angeschuldigte hat nicht genehmigt. Da aber der Minderjährige ihn mit Mitteln erfüllte, die ihm von seinem Onkel unter Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zu freier Verfügung überlassen waren, ist der Vertrag nach dem .Taschengeld'-§ 1 1 0 nachträglich mit rückwirkender Kraft verbindlich geworden.

Schöffengericht — Nichtigkeit von Rechtsgeschäften wegen Verstoßes gegen Strafgesetze

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b) Beide Parteien haben bei dem Rechtsgeschäft objektiv gegen die Strafvorschriften des Waffengesetzes verstoßen; ob Schwerdtfeger sich damit entschuldigen kann, er habe g e glaubt, der Waffenerwerb erfolge auf den Waffenerwerbschein des Meisters des Jungen Krautwalds, kann m. E . dahingestellt bleiben. N a c h § 1 1 1 des Waffengesetzes v o m 18. März 1 9 3 8 ( R G B l I 265), das nach allgemeiner Auffassung jetzt wieder — und zwar als Landesrecht — gilt, nachdem die früheren besatzungsrechtlichen Vorschriften, die in der Nachkriegszeit seiner A n w e n d u n g entgegenstanden, am 5. Mai 1955 aufgehoben wurden, dürfen Faustfeuerwaffen (Pistolen und Revolver) nur gegen Aushändigung eines behördlich ausgestellten Waffenerwerbsscheins überlassen oder erworben werden. Nach § 1 3 des Ges. dürfen Jugendlichen unter 18 Jahren Schußwaffen und Munition nicht entgeltlich überlassen werden. W e r vorsätzlich oder fahrlässig entgegen den gesetzlichen Bestimmungen Waffen und Munition .erwirbt' oder .überläßt', ist gemäß § 26 zu bestrafen. § 1 1 richtet sich also gegen beide Teile, Kaufer und Verkäufer, und man kann nicht — wie in manchen anderen Fällen —• die Nichtigkeit aus § 1 3 4 B G B mit der Begründung ablehnen, daß nur das Verhalten der einen Partei und nicht ,das Rechtsgeschäft' (d. h. der Vertrag) als Ganzes gegen das Gesetz verstoße. N a c h § 1 3 4 tritt aber keine Nichtigkeit ein, .wenn sich aus dem Gesetz ein anderes ergibt'. A u c h bei beiderseitiger Verletzung v o n Strafgesetzen kann sich aus dem Z w e c k des Strafgesetzes ergeben, daß der Verstoß nicht die zivilrechtliche Nichtigkeit des strafgesetzwidrig abgeschlossenen Rechtsgeschäfts zur Folge haben soll; das gilt namentlich dann, wenn die Strafvorschrift offensichtlich nicht Veränderungen im Privatrechtskreis der Beteiligten treffen, sondern die öffentliche Ordnung schützen soll (Soergel [8] 6 b zu § 134). E i n Fall dieser A r t scheint mir hier gegeben zu sein."

An diesen Ausführungen ist so viel richtig, daß die Rechtsprechung in der Tat die Tendenz zeigt, die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nicht ohne weiteres daraus herzuleiten, daß bei seinem Abschluß gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen wurde. So wird in der Regel ein Rechtsgeschäft als gültig angesehen, wenn sich die verletzte Strafvorschrift nur gegen das Verhalten einer Partei richtet ( R G Z 104, 107). Dieser Gesichtspunkt rettet z. B. in den früher preuß. Gebietsteilen obligatorische Abmachungen über das Nichtbieten bei Versteigerungen, weil § 270 des preuß. StGB von 1851 bloß denjenigen mit Strafe bedroht, der durch Gewährung oder Versprechen vom Bieten abhält, nicht die Partei, die sich vom Bieten abhalten läßt (§ 270 ist in Kraft geblieben, denn er betrifft eine im allgemeinen StGB nicht geregelte Materie, vgl. § 2 1 E G zum StGB). — Daß Überschreitung der Polizeistunde keine Nichtigkeit des zwischen Gastwirt und Gast geschlossenen Vertrages herbeiführt, begründet R G 103, 263 mit der zutreffenden Erwägung: die Einrichtung der Polizeistunde wende sich nicht gegen den Abschluß privatrechtlicher Verträge, sie verfolge vielmehr den Zweck, die öffentliche Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, in Zeiten der Kohlenknappheit auch Licht und Heizung zu sparen. Die von Schwerdtfeger dem Angeschuldigten entgegengehaltenen Beispiele der Verletzung der Sonntagsruhe und des Apothekermonopols sind ebenfalls durchaus richtig (Soergel a. a. O.). — Bei Verstoß gegen Preisvorschriften nimmt die Rechtsprechung, soweit es sich um bewegliche Sachen handelt, seit langem an, daß zwar die Vereinbarung des unzulässigen Preises nichtig ist, das Gesamtgeschäft jedoch gültig bleibt, wobei an die Stelle des unzulässigen der zulässige Preis tritt (Palandt [16] 3 b zu § 134; dieser Rechtsgedanke hat bei Veräußerung von Grundstücken in der V O vom 7. Juli 1942 (RGBl I 451) in gewissem Umfang gesetzliche Anerkennung gefunden (über den derzeitigen Rechtszustand insoweit vgl. Palandt, Anh. zu §313). — Die Nichtigkeit nach § 134 erfaßt auch Umgehungsgeschäfte. Hierher gehören z. B. die Fälle, in denen zur Ausübung eines Berufs oder Gewerbes eine persönliche behördliche Erlaubnis erforderlich ist und der Erlaubnisinhaber versucht, den Betrieb versteckt auf einen anderen zu übertragen. Bei den sog. „Kastellanverträgen" oder Bierzapfverträgen z. B.—deren Zweck die Ausübung einer Schankkonzession für Rechnung eines anderen ist, der nach

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Schöffengericht •— Sachverhalts- und Verbotsirrtum

außen hin bloß als Vertreter und Angestellter des Konzessionsinhabers auftritt — nimmt die Praxis nicht bloß Nichtigkeit der Abmachungen zwischen dem Konzessionsinhaber und dem „Kastellan", sondern unter Umständen des über das Lokal geschlossenen Mietvertrags, ja sogar von Warenlieferungsverträgen an (Kommentare zu §§ 134/138). Bei Schmuggelgeschäften ist Nichtigkeit aus § 134 gegeben, sobald Vorschriften des deutschen Rechts verletzt sind; kommt lediglich Hinterziehung des ausländischen Einfuhrzolls in Frage, so ist der Vertrag nicht aus § 134, gegebenenfalls aber aus § 1 3 8 1 nichtig (vgl. Soergel [8] D 19 zu § 138). Überhaupt muß, wenn Nichtigkeit nach § 134 nicht gegeben ist, stets untersucht werden, ob etwa ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt und daher die Nichtigkeit aus § 13 8 1 eintritt. „ N a c h alledem hat der Angeschuldigte, wenn er Rückzahlung der 28,50 D M an seinen Sohn verlangte, diesen (,oder einen Dritten') objektiv zu Unrecht bereichern wollen. Die .Bereicherung' wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Angeschuldigte den Revolver zurückgeben will. Denn im allgemeinen ist die Vermögenslage bei wirtschaftlicher Betrachtung günstiger, wenn jemand bares Geld erhält, als wenn er eine Sache behält, die nicht jederzeit ohne weiteres zu einem ihrem Wert entsprechenden Kaufpreis weiterveräußert werden kann. Was den subjektiven Tatbestand betrifft, so sind nach § 5 9 * S t G B dem Täter solche ,Tatumstände* nicht zur Schuld zuzurechnen, deren Vorhandensein ihm bei Begehung der Tat unbekannt war. Z u den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen des § 2 5 3 gehört, daß eine Bereicherung objektiv zu Unrecht erstrebt wird. W e r also infolge Irrtum nicht erkennt, daß er den V o r teil ,zu Unrecht' erlangen will, weil er glaubt, einen Rechtsanspruch darauf zu haben, kann wegen Fehlens des erforderlichen Vorsatzes nicht aus § 255 bestraft werden ( B G H N J W 1 9 5 3 , 834). Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Nichtkenntnis auf einem Irrtum über tatsächliche Umstände oder auf falscher Würdigung der Rechtslage beruht. Denn die Unterscheidung zwischen Tatirrtum und Rechtsirrtum, die die Rechtsprechung früher bei der Auslegung des § 59 S t G B machte, ist heute aufgegeben. Glaubte also der Angeschuldigte infolge Irrtums, daß Schwerdtfeger zur Herauszahlung der 28,50 D M gegen Rückgabe des Revolvers verpflichtet sei, so würde sein Vorsatz ausgeschlossen sein."

Der Referendar nimmt auf den Wandel der Rechtsprechung in der Irrtumsfrage Bezug. Hierzu ist folgendes zu sagen: § 5 9 regelt den Irrtum über „Tatumstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören". Die Merkmale, aus denen sich der gesetzliche Tatbestand zusammensetzt, können sehr verschiedener Art und demzufolge kann auch der Irrtum verschiedenartig sein. Sie können so beschrieben sein, daß in der Regel für niemanden ein Zweifel aufkommen kann, was darunter zu verstehen ist. Das ist z. B. der Fall, wenn das Gesetz das Tatbestandsmerkmal „Mensch" (oder auch „ein anderer") verwendet. Der Jäger, der auf einen Menschen schießt und ihn tötet oder verletzt, weil er glaubt, ein Stück Wild oder einen wildernden Hund vor sich zu haben, kann niemals wegen vorsätzlicher Tötung (§ 212) oder Körperverletzung (§§ 223, 223a), sondern allenfalls — wenn sein Irrtum verschuldet ist (§ 59 1 1 ) — wegen fahrlässiger Tötung (§ 222) oder fahrlässiger Körperverletzung (§ 230) bestraft werden. Andere Tatbestandsmerkmale sind dadurch gekennzeichnet, daß ihre Bedeutung erst durch eine gewisse rechtliche, wenn auch im allgemeinen verhältnismäßig einfache Wertung erkennbar wird. Wenn zum Tatbestand des Diebstahls eine f r e m d e Sache gehört, so bemißt sich die Fremdheit danach, ob sie nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts im Eigentum des Täters oder im Eigentum eines anderen steht. Andere Tatbestandsmerkmale gehören zwar der Sinnenwelt an, aber ihre genaue Bedeutung ist nur dem Rechtskundigen bekannt, weil ihre begriffliche Bestimmung auf komplizierten rechtlichen Überlegungen beruht, deren der „Laie" gar nicht fähig ist. So fallen z. B. unter den Begriff der Urkunde i. S. des § 267 StGB das Loch in der Steckuhr, der Korken mit Korkbrand, oder der Bierfilzdeckel, den der Kellner zur Kennzeichnung des Verzehrs des Gastes mit Strichen versehen hat. Schließlich gibt es Tatbestandsmerkmale, die ganz der Rechtswelt angehören, wie

Schöffengericht — Sachverhalts- und Verbotsirrtum

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das „zu Unrecht" in § 253. Noch bunter wird das Bild durch den Hinzutritt sog. n e g a t i v e r Tatumstände, d. h. von Umständen, die den Täter zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes berechtigen, sofern der Täter über einen solchen Rechtfertigungsgrund irrt. Auch ein solcher Irrtum kann sich auf dem Gebiet des Tatsächlichen oder der rechtlichen Bewertung vollziehen: wenn A bei B nur einen harmlosen „Budenzauber" verüben will, B aber, A's Absichten verkennend, glaubt, A wolle ihn bestehlen oder überfallen und den vermeintlichen Angriff abwehrt, indem er A niederschlägt, so liegt der Irrtum des B auf tatsächlichem Gebiet (Putativnotwehr). Wenn aber A einem fremden ungezogenen Kind, das ihm durch einen Schneeballwurf die Kleidung verunreinigt hat oder das Laternenscheiben einwirft, eine Ohrfeige versetzt, weil er glaubt, die Rechtsordnung gestatte ihm, anstelle des abwesenden Erziehungsberechtigten die verdiente Züchtigung vorzunehmen, so hat er über den rechtlichen Bestand eines solchen Züchtigungsrechts geirrt. Endlich kann es bei der Fülle von sog. strafrechtlichen Nebengesetzen vorkommen, daß jemand das Gesetz, dessen Tatbestand er verwirklicht, überhaupt nicht kennt oder zwar weiß, daß es einmal erlassen worden ist, aber irrtümlich annimmt, es sei inzwischen wieder außer Kraft getreten. Darüber, inwieweit ein Irrtum nach den vorbezeichneten Richtungen die Strafbarkeit der Tatbestandsverwirklichung berühre, hatte die Rechtsprechung des R G feste Grundsätze entwickelt. Sie unterschied zwischen Tatirrtum und Rechtsirrtum. T a t i r r t u m war der Irrtum über diejenigen Tatbestandsmerkmale, die „tatsächlicher" Natur sind einschl. des tatsächlichen Irrtums über negative Tatumstände; R e c h t s i r r t u m jeder Irrtum über Rechtssätze und -begriffe (d. h. über Bestand und Auslegung). Bei dem Rechtsirrtum war wiederum zu unterscheiden zwischen S t r a f r e c h t s i r r t u m — Irrtum über das im Strafgesetz enthaltene Verbot, irrige Annahme eines gesetzlich nicht bestehenden Rechtfertigungsgrundes, Irrtum über die r e c h t lichen Grenzen eines im Strafgesetz geregelten Rechtfertigungsgrundes — und dem a u ß e r s t r a f r e c h t l i c h e n Irrtum, d. h. dem Irrtum über solche Tatbestandsmerkmale, die auf Rechtsbeziehungen und Rechtsverhältnisse des Zivil-, Staats-, Verwaltungs- usw. -rechts verweisen (z. B. Fremdheit der Sache, § 242, oder „gesetzliche Unterhaltspflicht", § 170b). Als vorsatzausschließend i. S. des § 59 1 sah das R G nur den Tatsachenirrtum und den außerstrafrechtlichen (Rechts-)Irrtum an. Den Strafrechtsirrtum erklärte es für unbeachtlich, einen Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Tat (soweit die Rechtswidrigkeit nicht ausnahmsweise ausdrücklich als Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes in das Gesetz aufgenommen war) für bedeutungslos. Der grundsätzliche Wandel der Rechtsprechung, der von dem vielzitierten Beschluß des Großen Strafsenats des B G H vom 18. März 1952 (BGHSt 2, 194) seinen Ausgang genommen hat, besteht darin, daß zwischen Sachverhalts- und Verbotsirrtum zu unterscheiden ist. Nach der diesem Beschluß zugrunde liegenden sog. S c h u l d t h e o r i e ist das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit, soweit diese allgemeines Verbrechensmerkmal und nicht ausnahmsweise besonderes Tatbestandsmerkmal ist, ein vom Vorsatz getrenntes selbständiges Element der zur Bestrafung erforderlichen strafrechtlichen Schuld. Vorsätzlich handelt, wer mit Wissen und Willen die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands verwirklicht; wegen vorsätzlicher Begehung bestraft wird aber nur, wer entweder das Unrecht (die Vorwerfbarkeit) dieser Tatbestandsverwirklichung kennt oder bei der ihm zumutbaren Sorgfalt und Anspannung seines (sittlichen oder rechtlichen) Gewissens hätte erkennen können. Wer das Unrecht nicht erkennt, aber hätte erkennen können (unentschuldigter Verbotsirrtum), wird wegen vorsätzlicher Begehung bestraft, doch kann die Strafe nach den bei Versuch, Beihilfe oder verminderter Zurechnungsfähigkeit geltenden Vorschriften (§§ 4411» m , 49 1 1 , 5 1 1 1 ) gemildert werden. War der Verbotsirrtum unverschuldet

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Schöffengericht — Sachverhalts- und Verbotsirrtum

(entschuldbarer Verbotsirrtum), so bleibt der Täter trotz vorsätzlicher Begehung straflos. Der Vorsatz ist also von der Zurechenbarkeit nicht mehr abhängig (s. S. 95 7). Der Vorsatz wird durch Sachverhaltsirrtum ausgeschlossen. Sachverhaltsirrtum i. S. des § 59 ist aber jezt jeder Irrtum über ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands, gleichviel ob das Merkmal rein tatsächlicher Natur ist oder (auch oder nur) Rechtsbeziehungen und Rechtsverhältnisse zum Gegenstand hat. Freilich gehört bei diesen letzteren Merkmalen zum Vorsatz nicht etwa eine richtige rechtliche Subsumtion — sonst müßte z. B. der Täter in der Regel (wenn er nicht gerade Jurist ist) freigesprochen werden, wenn er unwiderlegt geltend macht, er habe nicht gewußt, daß falsches Stechen der Kontrolluhr eine Urkundenfälschung sei —, vielmehr genügt eine richtige „Parallelwertung in der Laiensphäre" (vgl. S. 924). Beim Irrtum über negative Tatumstände liegt nach § 59 zu beurteilender Sachverhaltsirrtum vor, wenn der Irrtum sich auf die t a t s ä c h l i c h e n Grundlagen des Rechtfertigungsgrunds bezieht, Verbotsirrtum dagegen bei einem Irrtum über die r e c h t l i c h e n Voraussetzungen und Grenzen des irrig angenommenen Rechtfertigungsgrundes (BGHSt 3,105, 196, 271). Diese für das allgemeine Strafrecht entwickelten Grundsätze haben inzwischen für das Gebiet des Ordnungsrechts in § 12 des Ges. über Ordnungswidrigkeiten vom 25. März 1952 (BGBl I 177) gesetzliche Anerkennung gefunden. Nach wie vor gilt der Grundsatz, daß der Vorsatz sich nicht auf die sog. objektiven Bedingungen der Strafbarkeit zu beziehen braucht, ein Irrtum über ihr Vorhandensein also bedeutungslos ist. Der praktisch wichtigste Fall einer solchen Strafbarkeitsbedingung ist die Rechtsmäßigkeit der Amtsausübung beim Widerstand gegen die Staatsgewalt, § 1 1 3 StGB (vgl. S. 820). Über Einzelheiten der hier nur in ihren Umrissen dargestellten Irrtumslehre s. etwa Schröder-Schönke [7] I X , LeipzKomm. [8] II B, Dalcke [-Schäfer] [36] 1, alle zu § 59. „ A u f Zweifel, die etwa in dieser Richtung bestehen könnten, braucht jedoch nicht eingegangen zu werden. Denn zur vorsätzlichen Begehung genügt es grundsätzlich, wenn der Täter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat, d. h. zwar nicht alle Tatbestandsmerkmale oder Folgen seiner Handlung positiv kannte, aber sich der Möglichkeit ihres Vorhandenseins oder Eintretens bewußt war, und sie für den Fall des Eintritts billigend in seinen Willen aufgenommen hat. Der Angeklagte hat auf die zutreffenden rechtlichen Darlegungen Schwerdtfegers erwidert: ,Das ist mir ganz gleich'. Damit brachte er zum Ausdruck, daß er mit der Möglichkeit, im Unrecht zu sein, gerechnet und trotzdem die Handlung gewollt hat. Bezüglich der unrechtmäßigen Bereicherung liegt also zum mindesten dolus eventualis vor. Bei den sonstigen Tatbestandsmerkmalen des Delikts kann der Vorsatz Krautwald«, nicht zweifelhaft sein. Schließlich hat der Angeschuldigte auch rechtswidrig gehandelt. Nach § 2 5 3 1 1 ist die Tat rechtswidrig, wenn die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn es dem allgemeinen sittlichen Empfinden, den Auffassungen der anständigen, billig und gerecht denkenden Mitbürger widerstrebt, mit einer solchen Drohung einen Druck auszuüben. Der Gesetzgeber will damit zum Ausdruck bringen, daß es nicht als Erpressung strafbar sein soll, wenn jemand eine Bereicherung, auf die er keinen Rechtsanspruch hat, mit verkehrsüblichen (.sozialadäquaten') Mitteln zu erreichen sucht. Wenn ein Kaufmann dem Fabrikanten, von dem er Ware bezieht, erklärt, er werde künftig seine Ware nicht mehr bei ihm beziehen, wenn er ihm nicht ein Zahlungsziel einräume, so will er sich zwar ,zu Unrecht bereichern', denn er will seine Vermögenslage verbessern, weil er über seine Mittel in der Zwischenzeit verfügen kann, und er hat auf diese Bereicherung keinen Anspruch, während umgekehrt dem Vermögen des Fabrikanten, der nicht über die Summe verfügen kann, durch die Kreditierung Nachteil zugefügt wird. Die Drohung, einen Kunden zu verlieren, ist auch eine solche mit einem empfindlichen Übel, Aber eine solche Drohung ist, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, nicht rechtwidrig; sie ist nicht verwerflich, weil es dem Kaufmann freisteht, künftig seine Ware da zu beziehen, wo er die günstigsten Zahlungsbedingungen findet, und im kaufmännischen Leben die Benutzung dieses Druckmittels bei der Gestaltung der Vertragsbeziehungen als erlaubt angesehen wird. So liegt es in unserem Fall aber nicht. Gewiß hat jeder das Recht,

Schöffengericht — Innerer Tatbestand der Erpressung

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seine Meinung überall frei zu äußern (Art. 5 G G ) . Aber wenn jemand androht, Beschwerden an die Presse zu bringen, dann weiß er, daß der andere eine, wenn auch nicht falsche, so doch eine unvollständige oder eine in bestimmter Weise zu seinem Nachteil gefärbte Darstellung befürchtet, auch wenn der Androhende an eine falsche oder entstellende Darstellung selbst nicht denkt. Das geht über die Androhung eines verkehrsmäßigen Übels weit hinaus. Ich möchte mich deshalb dem O L G Frankfurt N J W 1953, 136} anschließen, das in der Androhung, eine Angelegenheit in die Presse zu bringen, eine rechtswidrige Drohung i. S. des § 1 1 4 S t G B angenommen hat (a.M. L G Hannover N J W 1953, 1 3 6 2 ; O L G Bremen N J W 1957, 151). Darnach sind — unter der Voraussetzung, daß die Hauptverhandlung von den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht abweicht — alle Merkmale der versuchten Erpressung erfüllt."

Der Richter: Gegen Ihr Ergebnis habe ich erhebliche Bedenken. Zunächst bin ich der Meinung, daß Krautwald objektiv ein Rückforderungsrecht hatte. § 1 1 des Waffengesetzes will wegen der Gefahren, die daraus unmittelbar für die Allgemeinheit entstehen können, verhindern, daß die leicht verbergbaren Faustfeuerwaffen in die Hände von Personen gelangen, deren Zuverlässigkeit nicht geprüft und durch Erteilung eines Waffenerwerbsscheines anerkannt ist. Jugendlichen darf überhaupt kein Waffenerwerbsschein erteilt werden (§ 1 5 1 1 1 Waffenges). Das Gesetz mißbilligt also nicht nur, wie etwa beim Verkauf von Ware unter Verletzung der Vorschriften über die Sonntagsruhe, die Umstände, unter denen der dem Inhalt nach unbedenkliche Kaufvertrag abgeschlossen wird, sondern es richtet sich gerade gegen die Überlassung selbst. Kann aber kein Eigentum gültig übertragen werden, so ist der Kaufvertrag auf eine unmögliche Leistung gerichtet und nichtig (§ 306 BGB). Ob der Verkäufer an dem Geld Eigentum erworben hat, kann dahingestellt bleiben; jedenfalls hatte der Angeschuldigte als gesetzlicher Vertreter seines Sohnes einen Bereicherungsanspruch1). Aber selbst wenn Sie in diesem Punkt Recht hätten, könnte ich den Vorsatz bezügl. der zu Unrecht erstrebten Bereicherung nicht als gegeben ansehen. Aus den Worten Krautwalds: „Das ist mir ganz gleich" kann ich nicht entnehmen, daß ihn Schwerdtfegers rechtliche Darlegungen überzeugt hätten oder daß er auch nur von der Möglichkeit ihrer Richtigkeit ausgegangen wäre. Viel näher liegt doch die Annahme, daß er die aussichtslose Unterredung abbrechen und zum Ausdruck bringen wollte, er sei nach wie vor von seinem Rückforderungsrecht überzeugt. Man muß doch auch bedenken, daß Erpressung ein häßliches Delikt ist. Krautwald scheint ein ordentlicher und anständiger, in rechtlichen Dingen aber sicher wenig geschulter Mensch zu sein,der schon wegen seiner Aufregung gar nicht in der Lage war, halbwegs objektiv die Argumente des Gegners zu prüfen. Einen solchen einfachen Mann auf eine Redewendung festzunageln, wäre eine lebensfremde Rechtsprechung. Ich kann mich also nicht überzeugen, daß er die Rückzahlung der 28,50DM als etwas ihm nicht Zustehendes erkannt oder auch bloß mit dieser Möglichkeit gerechnet hat. Der Referendar: Augenblicklich handelt es sich doch bloß darum, ob „hinreichender Verdacht" für die Eröffnung des Hauptverfahrens besteht. Ich würde es für unrichtig halten, durch Ablehnung des Hauptverfahrens der Aufklärung des erkennenden Gerichts, was Krautwald mit seiner Äußerung sagen wollte, vorzugreifen und dem Ankläger die Möglichkeit, zweifelhafte Tat- und Rechtsfragen im Instanzenzuge des Spruchverfahrens entscheiden zu lassen, endgültig zu entziehen. Der Richter: Ihr Standpunkt wäre vielleicht noch berechtigt, wenn das Hauptverfahren auf Privatklage oder wegen einer belanglosen Übertretung, die den Angeklagten nicht diffamiert, eröffnet werden sollte. Ehe wir aber einen unbescholtenen l ) § 817 S. 2 B G B steht nicht entgegen: nur die Überlassung der Pistole, nicht die Leistung des Gegenwerts verstieß gegen ein gesetzliches Verbot; auch war sich der Leistende eines Verstoßes nicht bewußt.

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L u x , Schulung 4. Aufl. (Schäfer)

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Schöffengericht — Bedenken gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens

angesehenen Mann unter einer so schweren Beschuldigung, wie es versuchte Erpressung ist, auf die Anklagebank bringen und ihn den damit verbundenen wochenund monatelangen Aufregungen aussetzen, müssen wir strenger prüfen. Daß das Schöffengericht wegen Erpressungsversuchs verurteilen würde, halte ich für ausgeschlossen. — Mit der Verneinung des hinreichenden Verdachts der versuchten Erpressung ist im übrigen unsere Aufgabe nicht erledigt. Denn „iura novit curia", und das Gericht ist an die Anträge und Ansichten der Staatsanwaltschaft bei Eröffnung des Hauptverfahrens nicht gebunden (§ 206 StPO). Liegt hinreichender Verdacht einer anderen strafbaren Handlung vor ? Der Referendar: Wird die Absicht, sich zu Unrecht zu bereichern, aus subjektiven Gründen verneint, so kommt versuchte Nötigung (§ 240 StGB) in Betracht. Bei diesem Delikt sind die Absichten des Täters gleichgültig. Auch hier genügt Drohung mit einem empfindlichen Übel, und dieses Tatbestandsmerkmal halte ich für gegeben. Der Richter: Dann müßten wir aber prüfen, ob Krautwald nicht in entschuldbarem Verbotsirrtum gehandelt hat. Wenn schon, wie Sie richtig ausführten, die Auffassungen der Gerichte darüber auseinandergehen, ob die Drohung, die Sache „in die Zeitung zu bringen", ein adäquates Mittel ist, kann man dann dem einfachen Mann zumuten, er habe die Vorwerfbarkeit seines Tuns erkennen können ? Der Referendar: Ich möchte annehmen, daß in diesem besonderen Fall eine rechtswidrige Drohung vorliegt und der Angeschuldigte das Vorwerf bare seines Tuns auch hätte erkennen können. Er warf Schwerdtfeger vor, er habe eine Straftat begangen und gerade das wollte er, so verstehe ich seine Drohung und so mußte sie auch Schwerdtfeger verstehen, öffentlich bekannt machen. Die öffentliche Mitteilung einer Straftat aber bedeutet eine schwere Bloßstellung mit schwer wiegenden Folgen. Diese Wirkung hätte der Angeschuldigte um so mehr berücksichtigen müssen, als er sah, daß Schwerdtfeger sich auf die rechtliche Zulässigkeit seines Verhaltens berief. Ich würde es als eine adäquate und deshalb nicht rechtswidrige Drohung ansehen, wenn Krautwald mit einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gedroht hätte, um seinen Rückgabeanspruch durchzusetzen. Der B G H (N J W1954,565) hat aber ausgesprochen, daß es rechtswidrig sei, statt einer solchen Strafanzeige die Bloßstellung durch öffentliche Mitteilung der Straftat anzudrohen. Das halte ich für überzeugend. Der Richter: Darin stimme ich Ihnen zu. Ich bin aber nicht sicher, ob die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hätte, wenn Sie unsere Bedenken gegen die Eröffnung wegen versuchter Erpressung gekannt und ob sie nicht vielleicht dann das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt hätte (§ 15 3 1 1 StPO). Es ist wohl richtiger, daß ich zunächst die Akten in diesem Sinn der Staatsanwaltschaft vorlege. Wenn die Eröffnung eines Hauptverfahrens abgelehnt wird, so wird beschlossen und verfügt: „ 1 . B e s c h l u ß : In Sachen weil

wird die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, (folgt kurze Begründung).

Die Kosten des Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last. Hannover, den 10. Oktober 1956. Amtsgericht. Richter Amtsgerichtsrat. 2. Beschluß dem Angeschuldigten zustellen. 3. Vorzulegen dem Herrn Oberstaatsanwalt hier. 4. nach 2 Wochen."

Schöffengericht — Beschleunigtes Verfahren

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Vgl. § § 2 0 4 m , 464 1 , 3 6 " , 41 S. I StPO. Innerhalb einer Woche seit der Bekanntmachung (Präsentat der Vorlegung, § 41 S. 2!) kann die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde an die Strafkammer erheben, deren Entscheidung endgültig ist. §§ 2 I 0 1 1 , 3 1 0 1 1 . Hat das Gericht die Eröffnung durch einen nicht mehr anfechtbaren Beschluß abgelehnt, so tritt nach § 2 1 1 zugunsten des Angeschuldigten die gleiche begrenzte Rechtskraftwirkung ein wie im Falle des § 1 7 4 1 1 (vgl. S. 762). Von der Nichteröffnung soll der Staatsanwalt den Verletzten, der die Anzeige erstattet hat, kurz benachrichtigen (Nr. 93 I V RiStV 1953). Beschleunigtes Verfahren („Schnellverfahren"). Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Hehlerei, Vortäuschung einer Straftat. Gerichtliche Aussetzung der Strafvollstreckung Die Hausangestellte Schönhals ist am 1. April 1956 bei dem Lotterieeinnehmer Glücksmann in Stellung getreten. Im Laufe des Mai oder Juni hat sie verschiedene ihrer Herrschaft gehörige Schmucksachen und Wäschestücke entwendet und in ihrer Stube verwahrt. Mitte September trat die Familie eine mehrwöchige Autoreise durch Süddeutschland und die Schweiz an, übergab Wohnungs-, Zimmer- und Schrankschlüssel der Schönhals und ließ die Wohnung in ihrer Obhut. Während der Abwesenheit ihrer Herrschaft hat das Mädchen alle Gold- und Silbersachen, mehrere Kleider, seidene Wäsche und einen Persianermantel an sich genommen, in einen großen und einen kleinen Koffer verpackt und die Koffer zu ihrer 68 jährigen halbblinden Tante nach Brockdorf geschafft. Darauf hat sie Schränke und Zimmer in künstliche Unordnung gebracht, ist auf zwei Tage zu Verwandten nach Hamburg gefahren und hat bei der Rückkehr Hausbewohner und Polizei alarmiert, daß während ihrer Abwesenheit eingebrochen worden sei. Einige der gestohlenen Schmuckstücke hat sie in dem Juweliergeschäft von Goldhelm verkauft und den Erlös in Höhe von 150 D M ihrem Verlobten, Kaufmann Liebrecht, geschenkt. Ihre Absicht ging dahin, nach und nach die ganze Beute — bis auf einige Stücke, die sie für den eigenen Gebrauch zurückbehalten wollte — zu verkaufen und den Erlös ihrem Bräutigam zur Verfügung zu stellen, damit dieser in der Lage sei, die zur Übernahme einer Geschäftsfiliale erforderliche Kaution zu leisten und sie zu heiraten. Die Familie Glücksmann hat keinen Verdacht geschöpft. Am 14. Oktober hat die Verkäuferin Glofke, eine Freundin der Schönhals, die in den ganzen Sachverhalt eingeweiht war, sich mit ihr entzweit und der Kriminalpolizei Anzeige erstattet. Die Sachen sind bei der Tante beschlagnahmt, die Schönhals und Liebrecht am 15. Oktober polizeilich festgenommen worden. Beide haben ein volles Geständnis abgelegt. Sie versichern, daß Liebrecht weder die Schönhals angestiftet noch sich mit Rat oder Tat an der Wegnahme und späteren Fortschaffang und Veräußerung der Sachen beteiligt habe. Dagegen gibt Liebrecht zu, sich bei Empfang der 150 D M gedacht zu haben, daß das Geld wohl auf unredliche Weise erworben sein dürfte. Goldhelm hat die Schmuckstücke an Glücksmann herausgegeben. Der Sachverhalt ist also außerordentlich klar und einfach, und deshalb beschließt der Staatsanwalt, dem die Akten noch am 15. Oktober zugeleitet worden sind, im Interesse der verhafteten Beschuldigten den Fall im beschleunigten Verfahren ( § 2 1 2 StPO) vor das am 16. Oktober tagende Bereitschafts-Schöffengericht zu bringen. Das „Schnellverfahren" ist nur vor dem Einzelrichter und vor dem Schöffengericht zulässig. E s kann — unter der Voraussetzung, daß der Sachverhalt einfach und die sofortige Aburteilung möglich ist — in allen Sachen durchgeführt werden, die in die Zuständigkeit des Amtsrichters oder des Schöffengerichts fallen, doch soll auch das Schöffengericht (wegen des Einzelrichters vgl. § 25 Nr. 2C, 3 G V G ) die Aburteilung im beschleunigten Verfahren ablehnen, wenn eine höhere Strafe als Gefängnis von einem Jahr zu erwarten ist. Stellt sich die Tat in der Hauptverhandlung schwerer dar, 55*

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Schöffengericht — Erhebung der Anklage im beschleunigten Verfahren

als angenommen, so kann die Aburteilung noch bis zur Verkündung des Urteils abgelehnt werden. Das Gericht kann aber auch die Hauptverhandlung durchführen, darf dann aber zwar eine ein Jahr überschreitende Gefängnisstrafe, jedoch nicht Zuchthaus oder eine Maßregel der Sicherung und Besserung — außer Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 42 m StGB) — verhängen (§ 212 b). Daß der Beschuldigte sich freiwillig stellt oder nach vorläufiger Festnahme vorgeführt wird, ist nicht Voraussetzung des beschleunigten Verfahrens. Gegenüber Jugendlichen ist das Schnellverfahren ausgeschlossen (§ 79 1 1 J G G ) ; bei diesen gibt es das vereinfachte Jugendverfahren (§§ 76—78 J G G ) . Abgesehen v o m Wegfall des Erfordernisses der Anklageschrift und des Eröffnungsbeschlusses vollzieht sich das Schnellverfahren in den sonstigen Formen. Insbesondere gilt für die Hauptverhandlung, gleichviel ob sie sich im Gerichtsgebäude, Polizeipräsidium oder anderswo abspielt, der Öffentlichkeitsgrundsatz: „ 1 1 (7) Ms 37.56. Öffentliche Sitzung des Schöffengerichts. Gegenwärtig: 1. Amtsgerichtsdirektor Richler als Vorsitzender, 2. Schlossermeister Hartmann, 3. Oberschwester Weichmann als Schöffen, Staatsanwalt Scharf als Beamter der Staatsanwaltschaft, Justizsekretär Urkund als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle.

Hannover, den 16. Oktober 1956.

In der Strafsache gegen Schönhals und Genossen wegen Diebstahls usw. erschienen, auf Grund vorläufiger Festnahme vorgeführt:

1. die Beschuldigte Lisheth Schönhals, Hausangestellte in Hannover, Gartenstraße 22, geboren am 23. September 1926 in Leuthen, Kreis Neumarkt (Schlesien), nicht bestraft, 2. der Beschuldigte Heinz Liebrecht, Kaufmann in Hannover, Rhedigerstraße 49, geboren am 3. Oktober 1920 in Breslau, wegen Eigentumsvergehen nicht bestraft. Ferner erschien R A . Weiß als Verteidiger für beide Beschuldigten." Die Schönhals und Liebrecht sind „vorläufig festgenommen". A u c h im Schnellverfahren darf die vorläufige Festnahme nicht über die Fristen des § 128 S t P O ausgedehnt werden. K a n n also das Urteil nicht mehr am T a g e der Vorführung ergehen, so hat sich das Gericht zunächst über den Erlaß eines Haftbefehls schlüssig zu machen (vgl. oben S. 800). Über das E n d e der Hauptverhandlung hinaus darf man die Beschuldigten auf Grund der vorläufigen Festnahme keinesfalls zurückhalten; daraus erklärt sich der später v o m Staatsanwalt gestellte Antrag auf Haftbefehl (S. 870). Gegen die Verteidigung der zwei Beschuldigten durch einen Verteidiger bestehen in unserem Fall keine Bedenken, da beide über die Beteiligung Liebrechts die gleichen Angaben machen (§ 146). „Die Verhandlung begann mit dem Aufruf der Zeugen und Sachverständigen. Es meldete sich als Zeugin: Verkäuferin Glofke von hier. Die Zeugin wurde (usw. wie S. 823). Die Staatsanwaltschaft klagte die Erschienenen zu 1 und 2 durch Verlesung der Anlage an." Die ihrem wesentlichen Inhalt nach ins Protokoll aufzunehmende (§ 2 1 2 a 1 1 S. 2) Anklageformel wird, wie dies auch N r . 1 2 9 1 1 R i S t V 1953 empfiehlt, üblicherweise v o n der Staatsanwaltschaft schriftlich ausgearbeitet, verlesen und als Protokollanlage überreicht. Damit ist die Anklage erhoben. Die Angeklagten haben kein Recht, dem Schnellverfahren zu widersprechen, dagegen kann das Gericht, auch noch nach begonnener Hauptverhandlung, bis zur Verkündung des Urteils durch unanfechtbaren Beschluß die Aburteilung im beschleunigten Verfahren ablehnen, falls sich zeigt, daß

Schöffengericht — Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren

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die Sache zur Verhandlung in diesem Verfahren ungeeignet ist. Das geschieht von A m t s wegen und hat die Wirkung, daß die öffentliche K l a g e als nicht erhoben gilt (§ 2 1 2 b ) . Die Ladungsfrist, die im gewöhnlichen Verfahren 1 Woche beträgt (§ 2 1 7 1 StPO), ist im Schnellverfahren auf 24 Stunden herabgesetzt (§ 2 1 2 a 1 1 1 ) , die zwischen Zustellung und Beginn der Hauptverhandlung liegen müssen (Löwe-RosenbergKohlhaas [20] 8 zu § 2 1 2 a). Bei Nichteinhaltung der Frist hat ein Angeklagter bis zur Verlesung des Eröffnungsbeschlusses — im Schnellverfahren bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache — das Recht, Vertagung zu fordern; auf dieses Recht ist er v o m Vorsitzenden hinzuweisen (§§ 2 1 7 1 1 , 2 2 8 1 1 1 StPO). Wenn aber der Angeklagte sich freiwillig zur Hauptverhandlung stellt oder, wie hier, vorgeführt wird, findet gar keine Ladung statt und es entfällt das Vertagungsrecht. — Der Staatsanwalt klagt die beiden Beschuldigten an: „zu Hannover im Jahre 1956 durch mehrere selbständige Handlungen: A. die Schönbals : 1. fremde bewegliche Sachen, nämlich a) eine goldene Armbanduhr mit Brillanten, b) , sämtlich dem Lotterieeinnehmer Günther Glücksmann in Hannover gehörig, diesem in der Absicht weggenommen zu haben, sich die Sachen rechtswidrig zuzueignen, 2. fremde bewegliche Sachen, die sie in Besitz oder Gewahrsam hatte und die ihr anvertraut waren, nämlich a) komplettes Tafelsilber für 10 Personen, b) , sämtlich dem Lotterieeinnehmer Günther Glücksmann in Hannover gehörig, sich rechtswidrig zugeeignet zu haben, 3. in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil, nämlich die ungestörte Verwertung der Beute des zu 2 bezeichneten Diebstahls, zu verschaffen, das Vermögen des Glücksmann dadurch beschädigt zu haben, daß sie durch Vorspiegelung der falschen Tatsache, es sei ein Einbruch in die Glücksmannsche Wohnung erfolgt, einen Irrtum erregte, 4. in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil, nämlich 150 DM, zu verschaffen, das Vermögen des Juweliers Goldhelm in Hannover dadurch beschädigt zu haben, daß sie ihm durch die Vorspiegelung, sie sei Eigentümerin, zum Ankauf folgender der zu 1) bezeichneten Schmuckstücke gegen Zahlung von 150 DM veranlaßte, B. Liebrecbt: seines Vorteils wegen Sachen, von denen er wußte oder den Umständen nach annehmen mußte, daß sie mittels einer strafbaren Handlung erlangt waren, nämlich 150 DM bares Geld, an sich gebracht zu haben, Vergehen gegen §§ 242, 246, 265, 74, 259 StGB. Es wird Aburteilung im beschleunigten Verfahren durch das Schöffengericht beantragt." Ein Eröifnungsbeschluß wird nicht gefaßt, sondern alsbald in der Verhandlung fortgefahren. Zunächst sind die Angeklagten nach § § 2 4 3 1 1 1 3 6 S t P O zu vernehmen: „Die Angeklagten, über ihre persönlichen Verhältnisse vernommen, erklärten: 1. Schönhals : 2. Liebrecbt: Die von der Staatsanwaltschaft überreichte anliegende Bescheinigung des Bundesstrafregisters betreffend die Angeklagte Scbönhals sowie die, ebenfalls von der Staatsanwaltschaft überreichte, anliegende telegraphische Auskunft des Bundesstrafregisters über den Angeklagten Liebrecbt1) wurden verlesen. Der Angeklagte Liebrecht erkannte die Auskunft als richtig an. Die Angeklagten, befragt, ob sie etwas auf die Beschuldigung erwidern wollen, erklärten: I. Schönbals: Auf den Gedanken, meiner Herrschaft Sachen wegzunehmen, kam ich dadurch, daß mein Bräutigam mir gesagt hatte, er könnte eine Filiale bekommen, wenn er 1500—2000 D M Kaution hätte. E r hat aber nichts von meiner Absicht gewußt. Die goldene Armbanduhr u n d . . . . habe ich abends, als Herr und Frau Glücksmann ausgegangen waren, aus der offenen Schublade an mich genommen. Als dann die Familie verreist war und ich die ganzen Schlüssel unter mir hatte, oben S. 784, 797.

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Schöffengericht — Diebstahl und Unterschlagung konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, auch das Tafelsilber und wegzunehmen. Mein Bräutigam sagte, als ich ihm die beim Juwelier erlösten 150 D M gab: ,Die sind doch sicher gestohlen'. Ich erwiderte: .Nimm nur.' 2. Liebrecht: Daß die 150 DM von einem Diebstahl herrührten, habe ich mir gedacht, aber nichts Näheres darüber gewußt."

Die Beweisaufnahme (§ 2 4 4 1 ) besteht lediglich in der Vernehmung der Zeugin Glofke: „Die Zeugin wurde hierauf vorgerufen und wie folgt vernommen: Zeugin Glofke Z. P.: Z. S.: Die Schönhals hat es mir von Anfang an so dargestellt, daß Liebrecht von der ganzen Sache nichts wisse. Die Zeugin leistete den Zeugeneid. Die Vereidigung mußte erfolgen, da bloße Mitwisserschaft v o n der T a t ohne eine Pflicht zur Verhinderung oder Anzeige (§ 1 3 9 ) nicht strafbar ist und die Anwendbarkeit des § 60 N r . 3 S t P O nicht begründet ( R G S t 57, 186). Die Angeklagte Schönhals wurde darauf hingewiesen, daß wegen der in der Anklage als Betrug gewerteten Vortäuschung eines Einbruchs auch eine Bestrafung nach § 145 d StGB in Betracht komme. Es wurde ihr Gelegenheit zur Verteidigung gegeben (§ 265 r ). Nach der Vernehmung der Zeugin oder eines Mitangeklagten sowie nach der Verlesung eines jeden Schriftstücks wurden die Angeklagten befragt, ob sie etwas zu erklären haben." E s folgen die Schlußvorträge (§ 258): „Die Staatsanwaltschaft und sodann die Angeklagten und der Verteidiger erhielten zu ihren Ausführungen das Wort. Die Staatsanwaltschaft beantragte: gegen Scbönhals z Monate Gefängnis wegen Unterschlagung, 8 Monate Gefängnis wegen Diebstahls, 4 Monate Gefängnis wegen Betruges, zusammenzuziehen in eine Gesamtstrafe von einem Jahr Gefängnis, sowie Erlaß des Haftbefehls, gegen Liebrecht 300 DM Geldstrafe an Stelle einer verwirkten Gefängnisstrafe von 2 Monaten wegen Hehlerei. Der Verteidiger beantragte: Freisprechung der Scbönhals von der Betrugsanklage, milde Bestrafung wegen Unterschlagung, Diebstahls und Vortäuschung einer Straftat, alsbaldige Freilassung, Freisprechung des Liebrecht. Der Verteidiger hatte das letzte Wort. Die Angeklagten, befragt, ob sie selbst noch etwas Zu ihrer Verteidigung auszuführen haben, erklärten: das selbe wie der Verteidiger." Unterschlagung ist die rechtswidrige Zueignung fremder Sachen, die der Täter in seinem „Besitz oder Gewahrsam" hat; Diebstahl liegt vor, wenn der Täter fremde Sachen aus dem Gewahrsam eines anderen in Zueignungsabsicht wegnimmt. G e wahrsam bedeutet tatsächliches Herrschaftsverhältnis oder tatsächliche Verfügungsgewalt. „ G e w a h r s a m " ist nicht dasselbe wie Besitz i. S. des B G B (§§ 854fr.). Wenn § 246 v o n „Besitz oder G e w a h r s a m " spricht, so handelt es sich dabei nicht um verschiedene Begriffe; gemeint ist vielmehr auch in § 246 nur der Gewahrsam im Sinne der tatsächlichen Verfügungsgewalt. Der fingierte Besitz des Erben (§ 857) ist, da es an der tatsächlichen Verfügungsgewalt fehlt, strafrechtlich ebenso bedeutungslos wie der durch Traditionspapiere vermittelte und der bloß mittelbare Besitz (§ 868). O b Haus- und Geschäftspersonal — dem zivilrechtlich „Besitzdiener"stellung zukommt (§ 855), Gewahrsam an dem Eigentum des Hausherrn oder Geschäftsinhabers hat, hängt davon ab, ob letzterer trotz Lockerung der räumlichen Beziehung zur Sache und trotz der Einschaltung des Besitzdieners nach der Anschauung des täglichen

Schöffengericht — Betrug, Vortäuschung einer Straftat

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Lebens noch die Herrschaftseinwirkung auf die Sache hat (RGSt 60, 272; B G H N J W 1953, 1 2 7 1 ; O L G Hamburg MDR 1947, 35). So behält z. B. der Geschäftsinhaber, wenn sein Kraftfahrer am Sitze des Geschäfts Waren nach Anweisung abfährt, mindestens Mitgewahrsam, folglich begeht der Fahrer durch Zueignung einen Diebstahl. Dagegen liegt Unterschlagung vor, wenn der Fahrer die Waren nach auswärts oder unter Abweichung von dem ihm vorgeschriebenen Wege abfährt oder wenn es sich um abgeholte Waren handelt, denn hier hat der Fahrer den alleinigen Gewahrsam. Waren und Kasse von Ladengeschäften stehen regelmäßig unter der Herrschaft des Geschäftsinhabers (RGSt 77, 37). An den einem Dienstboten übergebenen Sachen hat die Herrschaft Gewahrsam; verreist sie aber auf nicht kurze Zeit und übergibt sie der in der Wohnung zurückgelassenen Hausangestellten sämtliche Schlüssel, so liegt darin die Einräumung einer so weitgehenden Selbständigkeit unter Wegfall der eigenen Einwirkungsmöglichkeit, daß vom Gewahrsam der Herrschaft nicht mehr die Rede sein kann. — Der Staatsanwalt hat also zutreffend die Wegnahme der Armbanduhr und der Schmucksachen und Wäschestücke im Mai oder Juni als Diebstahl, die Aneignung des Silbers usw. während der Reise Glücksmanns als Unterschlagung angesehen. „Gesindediebstahl" (§ 247 *), der nur auf Antrag verfolgt wird, liegt nicht vor, da die gestohlenen Sachen keinen unbedeutenden Wert hatten. Auch die Annahme zweier selbständiger Handlungen ist zutreffend. Einmal hat die Schönhals nach ihrer eigenen Darstellung den Entschluß zu der Entwendung vom September selbständig gefaßt (vgl. S. 869); im übrigen ist, da es sich um verschiedenartige Delikte handelt, ein Fortsetzungszusammenhang zwischen Diebstahl und Unterschlagung nicht möglich (RGSt 5 8, 229). Die Staatsanwaltschaft hat in der Vortäuschung eines Einbruchs und der Alarmierung von Polizei und Hausgenossen einen vollendeten Betrug gesehen. Das ist jedoch rechtsirrig. Zum Betrug gehört, daß der Getäuschte eine V e r m ö g e n s v e r f ü g u n g vornimmt und daß durch diese Vermögensverfügung eine Vermögensschädigung eintritt, wobei Getäuschter und Geschädigter verschiedene Personen sein können. Eine Vermögensverfügung aber kann grundsätzlich nur vornehmen, wer eine tatsächliche Verfügungsgewalt über das Vermögen hat, und die hatten weder die Polizei noch die Hausbewohner. Selbst wenn die Schönhals der zurückgekehrten Herrschaft die Geschichte vom Einbruchsdiebstahl aufgetischt hätte, um einen Verdacht, der sich sonst gegen sie gerichtet hätte und entsprechende Nachforschungen mit dem Ziel der Rückgewinnung der Sachen abzuwenden, läge darin kein Betrug. Denn die Vermögensschädigung war bereits (durch Diebstahl und Unterschlagung) eingetreten und die durch täuschende Handlungen bewirkte Aufrechterhaltung dieses Zustandes war weder eine (neue) Vermögensschädigung für die Geschädigten noch eine (neue) Bereicherung für die Täterin. Wohl aber hat die Schönhals, indem sie der Polizei von dem angeblichen Einbruchsdiebstahl Anzeige erstattete, eine Dienststelle des Staates über die Person eines an einer Straftat Beteiligten (nämlich über die Täterschaft des von ihr verübten Diebstahls) zu täuschen gesucht und sich nach § 145 d StGB strafbar gemacht. Gesetzgeberischer Grund: es liegt nicht lediglich eine (straflose) Selbstbegünstigung vor, sondern die Polizei sollte auf eine falsche Fährte gelockt werden, so daß die Gefahr einer Verfolgung unschuldiger Personen entstand. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft mit Recht in dem Verkauf der gestohlenen Schmuckstücke im Juweliergeschäft von Goldhelm Betrug erblickt. Zwar ist die Verwertung der Diebsbeute durch den Dieb als solche nicht mehr strafbar (straflose Nachtat). Dagegen ist die Verwertungshandlung als neue selbständige Tat strafbar, wenn sie in strafbarer Weise in Rechtsgüter anderer Personen als des Bestohlenen eingreift. Hier hat die Schönhals sich dem Juwelier gegenüber als Eigentümerin des Schmuckes ausgegeben, und ihn um den Kaufpreis betrogen, da er an der gestohlenen Sache nicht

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Schöffengericht — Hehlerei

gutgläubig Eigentum erwerben kann und dem Eigentumsanspruch des Bestohlenen ausgesetzt bleibt (§935 B G B ; vgl RGSt 54, 80; 60, 371; R G H R R 1933 Nr. 550). Selbst dann, wenn jemand von ihm unterschlagene Sachen einem Gutgläubigen unter Täuschung über die Herkunft verkauft, nimmt die neuere Rechtsprechung (RGSt 73, 6 1 ; BGHSt 3, 370) mit Recht Betrug an, weil der Käufer zwar kraft guten Glaubens Eigentum erwirbt, eine Vermögensschädigung (Vermögensgefährdung) aber darin zu erblicken ist, daß er einem mit Opfern an Zeit, Geld und Nervenkraft verbundenen Rechtsstreit ausgesetzt und an der Verwertung des Gegenstandes gehindert ist. — Natürlich kann auch der Bestohlene selbst mit Hilfe der gestohlenen Sache betrogen werden, etwa wenn der Dieb sie so zurechtmacht, daß der Bestohlene sein Eigentum nicht wiedererkennt und sie dem Dieb abkauft; auch das ist keine straflose Nachtat, sondern ein selbständiger neuer Betrug. Hat Liebrecht sich der Hehlerei schuldig gemacht? Hier erhebt sich die sehr umstrittene Frage nach der Strafbarkeit der sog. Ersatzhehlerei. § 259 StGB nennt als Gegenstand der Hehlerei die „mittels einer strafbaren Handlung erlangte Sache". Daraus hat die Rechtsprechung gefolgert (vgl. z.B. RGSt 26, 318; O L G Braunschweig N J W 1952, 557; B G H N J W 1 9 5 5 , 586), daß nur die gestohlene Sache selbst, nicht der durch ihren Verkauf erzielte Erlös gehehlt werden könne, während im Schrifttum z.T (vgl. Nachweise bei Dalcke [- Schäfer] [36] 4 zu § 259) der Standpunkt vertreten wird, daß diese enge, zu unbefriedigenden Ergebnissen führende Auslegung durch den Wortlaut nicht geboten sei, dem Sinn des § 259 vielmehr die Erstreckung auf solche Ersatzsachen entspreche, die zeitlich, örtlich und nach den sonstigen Umständen in so naher Beziehung zu der Straftat stehen, daß sie (wie der Erlös aus der Veräußerung der Diebsbeute) noch mit dem gleichen Makel wie die strafbar erlangte Sache selbst behaftet sind. Die Frage der Ersatzhehlerei kann indessen offenbleiben. Denn die 15 o,— DM, die die Schönhals dem Liebrecht geschenkt hat, sind hier unmittelbar durch eine strafbare Handlung, nämlich durch den von der Schönhals gegenüber dem Juwelier begangenen Betrug erlangt. Liebrecht hat sich, wie er zugibt, gedacht, daß sie aus einem Diebstahl stammten, er hat also — was genügt, RGSt 39, 6; BGHSt 2, 118 — mit bedingtem Vorsatz hinsichtlich der strafbaren Erlangung der 150,— D M gehandelt; die in §259 aufgestellte gesetzliche — widerlegbare — Vermutung des Wissens, wenn Umstände vorliegen, die den strafbaren Erwerb für jeden Einsichtigen erkennbar machen („oder den Umständen nach annehmen muß") spielt hier keine Rolle. Die konkrete strafbare Handlung des Vortäters braucht der Hehler nicht zu kennen (OLG Dresden L Z 1931, 794). Strafbar erlangte Sachen i. S. des § 259 sind nur solche, bei denen die Vortat mit der Verletzung der V e r m ö g e n s r e c h t e eines anderen verbunden ist. Daher gibt es z. B. keine Hehlerei an den durch Betteln erlangten Sachen oder an dem vom Jagdausübungsberechtigten unter Verletzung der Schonzeitvorschriften erlegten Wild (RGSt. 6, 218; 7, 9 1 ; 70, 385). Hätte Goldhelm die ihm verkauften Stücke weiterverkauft, so hätte Glücksmann sie, weil sie ihm unfreiwillig abhanden gekommen sind (§ 935), von jedem (auch gutgläubigen) Erwerber vindizieren können, falls er v o r Ablauf der Ersitzungszeit (§§ 9 3 7 , 9 4 1 , 943) ausfindig gemacht werden konnte. Glücksmann hätte aber auch v o n dem Juwelier den durch Weiterveräußerung erzielten Kaufpreis aus § 8 1 6 1 S. 1 beanspruchen können, indem er die Weiterveräußerung genehmigte. Außerdem hätten ihm natürlich die Schönhals und Liebrecht für allen Schaden gehaftet. Die gesamte Diebesbeute ist hier zur Stelle, da Goldhelm die Stücke herausgegeben und die Polizei alles andere als Beweismittel beschlagnahmt hat (S. 766); diese Sachen werden nach Abschluß des Strafverfahrens ohne förmliches Verfahren an Glücksmann herausgegeben ( § 1 1 1 StPO).

Bei Bemessung der Strafe für die Schönhals ist strafmildernd zu berücksichtigen, daß sie bisher unbestraft ist, ferner, daß sie, nachdem sie schon lange verlobt ist und

Schöffengericht — Strafzumessung, Rechtsmittelverzicht

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wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten ihres Verlobten keine Aussicht zum Heiraten gesehen hatte, in dem Bestreben handelte, die Möglichkeit der Verheiratung zu schaffen; schließlich, daß dem Bestohlenen kein Schaden entstanden und der dem Juwelier entstandene Schaden verhältnismäßig gering ist. Andrerseits hat sie gegen Glücksmann einen groben Vertrauensbruch begangen und durch Vortäuschung des Einbruchs erhebliches verbrecherisches Raffinement bewiesen. Darum erkennt das Gericht wegen des Diebstahls auf 2, wegen der Unterschlagung auf 5 Monate, wegen des Betrugs auf 1 Monat Gefängnis und wegen des Vergehens nach § 145 d auf 100 D M Geldstrafe, ersatzweise 10 Tage Gefängnis. Die Freiheitsstrafen nach § 74 StGB zu einer Gesamtstrafe von 6 Monaten zusammengezogen, deren Vollstreckung mit der Auflage, den durch die Tat dem Goldhelm verursachten Schaden wieder gut zu machen, zur Bewährung ausgesetzt wird. Liebrecht erhält an Stelle einer verwirkten Freiheitsstrafe von 2 Wochen eine Geldstrafe von 175 D M (§§ 27b, 27c Abs. 2 StGB). „ E s wurde das Urteil durch Verlesung der Urteilsformel und Eröffnung der Urteilsgründe durch mündliche Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts dahin verkündet: Die Angeklagte Schönhals wird wegen eines Diebstahls, einer Unterschlagung, eines Betrugs und wegen einer Vortäuschung einer Straftat zu einer Gesamtstrafe von 6 Monaten Gefängnis und zu einer Geldstrafe von 100 D M , an deren Stelle im Nichtbeitreibungsfall 10 Tage Gefängnis treten, verurteilt. Die Vollstreckung der Gefängnisstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte Liebrecht wird wegen Hehlerei anstelle einer verwirkten Strafe von 2 Wochen Gefängnis zu einer Geldstrafe von 175 D M verurteilt. Die Kosten des Verfahrens fallen den Angeklagten zur Last. E s wurde ferner folgender Beschluß verkündet: Die Bewährungszeit für die Angeklagte Schönhals wird auf 3 Jahre festgesetzt. E s wird ihr zur Auflage gemacht, den dem Juwelier Goldhelm in Hannover zugefügten Schaden wiedergutzumachen und zwar durch Zahlung von 150 D M an Goldhelm. Die Zahlung hat in monatlichen Raten von 20 D M , beginnend mit dem 1. des auf den Eintritt der Rechtskraft des Urteils folgenden Monats zu erfolgen. Die Angeklagten wurden über die gegen das Urteil zustehenden Rechtsmittel belehrt. Die Angeklagte Schönbals wurde weiter über die Bedeutung der Strafaussetzung zur Bewährung, die Bewährungszeit und die Bewährungsauflagen belehrt. Es wurde die sofortige Freilassung beider Angeklagten angeordnet. Richter

XJrkund."

„ U m 1 1 Uhr 35 Minuten vormittags verzichteten die Angeklagten auf Einlegung eines Rechtsmittels. Urkund."

Wegen der Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung vgl. S. 776, wegen der im Jugendstrafverfahren S. 894, wegen der verfahrensrechtlichen Behandlung S. 900. Die Rechtsmittelbelehrung erstreckt sich nur auf die Anfechtung des Urteils, nicht auf die des nach 5305 a StPO mit der einfachen Beschwerde anfechtbaren Beschlusses über die Dauer der Bewährungszeit und die Bewährungsauflage (vgl. § 3 5 a StPO: Rechtsmittelbelehrung nur bei Entscheidungen, die durch ein befristetes Rechtsmittel angefochten werden können). Der Rechtsmittelverzicht ist schriftlich oder zu Protokoll eines Urkundsbeamten zu erklären (Löwe-Rosenberg-Jagusch [20] 4a zu § 302.) Er hat die Wirkung, daß vom Zeitpunkt des Verzichts ab die Haft des in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten unverkürzt auf die erkannte Freiheitsstrafe angerechnet wird (§ 450 StPO). Verzichtet auch die Staatsanwaltschaft auf Berufung, so kann der Richter das Urteil nach § 2Ö7IV StPO als „Kurz-Urteil" absetzen.

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Schöffengericht — Urteil in einer Bestechungssache

Das Schnellverfahren entspricht dem volkstümlichen Justizideal, dem Angeklagten spart es Untersuchungshaft und ist auch für ihn besonders eindrucksvoll. Doch darf es nicht überstürzt angewandt werden. V o r allem darf unter dem Streben nach Beschleunigung die Verteidigung des Beschuldigten nicht leiden (Nr. 1 2 9 1 R i S t V 1953). Akteneinsichtsrecht des Verteidigers im Schnellverfahren: oben S. 805. Daß das Schnellgericht die erforderlichen Feststellungen — zur Schuld- und Straffrage — mit gleicher Sorgfalt zu treffen hat, wie der Richter des ordentlichen Verfahrens, versteht sich v o n selbst.

Urteil in einer Beamtenbestechungssache. „Geschäftsnummer: 1 1 (7) Ls 69/56. I m N a m e n des V o l k e s ! In der Strafsache gegen 1. den Lademeister Ludwig Holm in Hannover , geboren in Bunzlau am 1. März 1915, 2. den Kaufmann Peter Edlicb in Hannover , geboren in Marienburg am 28. August 1918, wegen Bestechung hat das Schöffengericht in Hannover in der Sitzung vom , an welcher teilgenommen haben: 1. Amtsgerichtsrat Richter als Vorsitzender, 2. Schlossermeister Hartmann | als Schöffen, 3. Oberschwester Weichmann Staatsanwalt Scharf als Beamter der Staatsanwaltschaft Justizsekretär Urktmd als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle für Recht erkannt: Die Angeklagten werden freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last. Gründe. Der Angeklagte Edlich ist Mitinhaber der Firma Koch &• Edlich, Getreide- und FuttermittelGroßhandlung in Hannover, welche auf der Briegerstraße einen Speicher mit eigenem Gleisanschluß an den Güterbahnhof Hannover-Ost besitzt. Die Firma hat in ihrem Geschäftsbetrieb andauernd die Verladung ganzer Waggons auszuführen, bei der es sehr auf pünktliche Erledigung ankommt. Dabei hat sie ständig mit dem Angeklagten Holm, der auf dem Güterbahnhof Hannover-Ost, und zwar im Verladeabschnitt III, das Amt eines Lademeisters versieht, dienstlich zu tun. Holm hat nun am 10. Dezember 1954, 27. Januar, 5. April, 17. Juli und 29. November 1955 von der Firma Koch eV Edlich je einen Sack Weizenmehl „Bäckerblume" von 50 kg geliefert erhalten. Nach den ordnungsmäßig geführten Büchern der Firma und den im Umschlag B1 der Akten befindlichen Quittungen hat er dafür 0,70 D M für das kg, also 55 D M für jeden Sack, in Wochenraten von 2 DM gezahlt. Der Kleinhandelspreis für solches Mehl schwankte z. Z. der Lieferungen zwischen 0,90 und 0,92 D M für das kg, bei Abnahme ganzer Säcke bis 2 Pfennige weniger. Im Großhandel wurden 0,75 bis 0,76 DM gerechnet und zu diesem Preise haben Koch 5 5 1 1 Z V G interveniert. Vgl. S. 275/6. — Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob eine Verfallklausel eingetreten ist oder ein „wichtiger Grund" zur sofortigen Kündigung des Vertragsverhältnisses vorliegt, wird eingehend erörtert, obgleich die ordentliche Kündigung unstreitig erklärt und die Kündigungsfrist abgelaufen ist. Nunmehr wird das V o t u m über die Höhe des Anspruchs disponiert: „Diese hat der Kläger sowohl konkret nach dem öffentlichen Deckungsverkauf vom 21. Dezember 1955 wie abstrakt nach dem Marktpreis berechnet. Für beide Berechnungen ist die Frage von Bedeutung, welche Summe als Vertragspreis bei der Schadensfeststellüng eingesetzt werden soll (I). Es folgt die Nachprüfung der konkreten (II) und der abstrakten (III) Berechnung. Der besseren Übersicht halber prüfe ich unter I und II gleichzeitig, ob und wieweit das abweichende Vorbringen der Beklagten erheblich ist. Unter einem besonderen Punkt (IV) folgt schließlich die Untersuchung, ob und inwieweit die von der Beklagten behauptete Tatsache, daß Wiedmann vorgeschobene Person für Gebr. Böttcher gewesen sei, Einfluß auf den konkreten oder abstrakten Schaden haben kann." Der Richter: Sie weichen damit von dem schulgerechten A u f b a u eines Gutachtens ab. Immerhin ist das übliche Schema nicht unumstößlich. Besonders bei sog. Punktensachen (unten S. 1 1 0 8 ) empfiehlt sich der besseren Übersicht halber oft ein abweichender Aufbau. Ich will daher gegen Ihren A u f b a u grundsätzlich nichts einwenden, sofern dadurch die Darstellung übersichtlicher wird. Jedoch empfiehlt es sich, zu Beginn kurz eine Rechtfertigung für den abweichenden A u f b a u zu geben, damit der Prüfer sieht, daß Sie sich der „Originalität" des Vorgehens bewußt sind. I m übrigen warne ich vor zu originellem Vorgehen. „I. Bei der Schadensberechnung ist das Landgericht von den vereinbarten 11,30 DM für 100 kg als Vertragspreis ausgegangen. Aber nach Behauptung der Beklagten wurde am 20. Oktober 1955, zugleich mit dem Aufschub der Erfüllung bis zum Wiederaufbau der Baumbachschen Mühle die Ermäßigung des Preises um 0,40 DM vereinbart. Die Ermäßigung würde dadurch, daß die Hinausschiebung der Vertragserfüllung gegenstandslos geworden ist (oben zu B II 2), nicht berührt werden. Denn so lange, bis der Umbau der Baumbachsehen Mühle für Weizenund Roggenmehlproduktion offenkundig wurde, hat die Vertragserfüllung tatsächlich geruht, und Gebr. Böttcher haben den Vorteil gehabt, auf den es ihnen bei der Abrede augenscheinlich ankam. Daher ist die Vereinbarung vom 20. Oktober auch für die Höhe des Anspruchs erheblich.

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Oberlandesgericht — Betrag des Anspruchs

II. K o n k r e t e B e r e c h n u n g : Durch den öffentlichen Deckungs verkauf vom 21. Dezember 1955 wird der Klageanspruch in Höhe der Differenz zwischen 11,30 DM — falls die Vereinbarung vom 20. Oktober nachgewiesen wird: 10,90 D M — und 8.50 DM für je 100 kg, sowie wegen 299,40 D M Kosten des öffentlichen Verkaufs schlüssig dargetan. Der Zinsanspruch steht dem Kläger in Höhe von 5% seit dem 22. Dezember 1955, dem Tage der Zahlungsaufforderung, nach §§ 284, 2881 BGB, 352 HGB, in Höhe der mehr beanspruchten 3% als Verzugsschaden nach § 288 11 B G B zu, da bei den bestehenden Geldverhältnissen und üblichen Zinssätzen ohne weiteres anzunehmen ist, daß der durch die Vorenthaltung des Geldes entstandene Schaden mindestens 8% beträgt." V g l . oben S. 124. „Die Beklagte trägt demgegenüber vor: 1. Der Verkauf hätte am Ablieferungsort Kleve und nicht in Köln erfolgen müssen. An sich ist das richtig. Aber wie bereits das Landgericht dargelegt hat, bestehen für das Deckungsgeschäft in dem hier vorliegenden Falle keine formellen Vorschriften, und die Beklagte kann von der Wahl des anderen Versteigerungsortes nur Nutzen gehabt haben, da in Köln mehr Kaufreflektanten vorhanden sind als in Kleve. 2. Leim Deckungsverkauf sei .gesundes, helles, rheinisches Lupinenmehl' ohne den Zusatz .möglichst Fabrikat Baumbach' verkauft und dadurch der Preis gedrückt worden. Dem Landgericht ist darin beizutreten, daß der Wegfall dieser Worte angebracht war, wenn Baumbachsches Mehl seit dem Brande vom 28. August vom Markt verschwunden und die Absicht Baumbachs, seine Mühle für andere Zwecke umzubauen, am Tage des Selbsthilfeverkaufs allgemein bekannt war. Nachdem aber jetzt behauptet wird, daß diese Tatsache erst später unter den Interessenten verbreitet worden sei (oben zu B II 2), kann die abweichende Fassung der Kaufbedingungen bei der öffentlichen Versteigerung von Bedeutung sein. Denn grundsätzlich mußten diese Bedingungen mit denen des Schlusses vom 12./14. Mai 1955 übereinstimmen, und wenn infolge willkürlicher Abweichungen das Ergebnis der Versteigerung niedriger ausgefallen sein sollte, würden Gebr. Böttcher nach § 254 B G B diesen Teil des ihnen entstandenen Schadens selbst zu tragen haben. Darum ist auch erheblich, ob Baumbacbsches Mehl sich besonderer Beliebtheit erfreute. 3. Adolf Böttcher hätte den Kauflustigen bei der Versteigerung ein minderwertiges Muster gezeigt. Wenn auch die Versteigerung nicht „nach Muster" erfolgt, so ist es doch möglich, daß die Auslegung eines Musters von schlechter Qualität die Höhe des erzielten Erlöses ungünstig beeinflußt hat. Die Behauptung ist daher aus dem gleichen Grunde wie die zu 2 erheblich. 4. Außer in der Qualitätsbezeichnung des versteigerten Mehls (zu 2) weichen die Bedingungen des Selbsthilfeverkaufs von denen des Schlusses noch insofern ab, als die Beklagte .lieferbar Juni—September 1955 auf Abruf' und .Kasse gegen Frachtbriefduplikat* gekauft hatte, während bei der Versteigerung die Erfüllungszeit .lieferbar auf Abruf' schlechthin lautete und bezüglich der Zahlungsweise nichts Besonderes bestimmt war. Eine Untersuchung über die Zulässigkeit der Abweichungen und ihren Einfluß auf das Versteigerungsergebnis erübrigt sich indessen, weil die Beklagte nicht geltend gemacht hat, daß die Versteigerung gerade aus diesem Grunde ungünstiger ausgefallen sei." Der Richter: Die Ausführungen zu 4 fallen völlig aus dem Rahmen der Ausführungen zu 1 — 3 . E s handelt sich nicht um ein Vorbringen der Beklagten, wie Sie zum Schluß selbst bemerken. Außerdem sprechen Sie nunmehr im Indikativ. Das hätte Sie veranlassen müssen, diese Ausführungen an anderer Stelle zu bringen, nämlich zu Beginn dieses Abschnitts (II) bei Prüfung der Frage, ob die konkrete Schadensberechnung des Klägers schlüssig ist. Denn es handelt sich um eine unstreitige Tatsache, die somit zum Vortrag des Klägers gehört. Die Berücksichtigung der bei dem Deckungsgeschäft gemachten Fehler beruht auf § 254 B G B . Das mitwirkende Verschulden ist nach herrschender Ansicht von amtswegen zu berücksichtigen, sofern die hierfür erforderlichen Tatsachen sich aus dem eigenen Vortrag des Geschädigten ergeben, s. Enneccerus-Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 1 5 . Aufl. 195 8, § 16 V . V g l . auch Berg, Gutachten und Urteil S. 60 zu 2 b. Die Frage des mitwirkenden V e r -

Oberlandesgericht — Abstrakte Schadensberechnung

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schuldens durfte somit nicht offen bleiben. Jedoch bin ich der Auffassung, daß der von Ihnen zu 4 geschilderte Sachverhalt kein mitwirkendes Verschulden im Sinne des § 254 B G B rechtfertigt. Bei der Lieferzeit handelt es sich um eine bloß scheinbare Abweichung, denn am T a g e des Selbsthilfeverkaufs war die ursprüngliche Lieferzeit längst abgelaufen, und das Restquantum war auf einmal abzunehmen. Die Weglassung der Klausel „ K a s s e gegen Frachbriefduplikat" — bei welcher der Käufer, abweichend von der gesetzlichen Regelung (S. 1032), zahlen muß, ohne die Ware gesehen zu haben — bedeutete geradezu eine Erleichterung für den Käufer und konnte daher den durch den Deckungsverkauf ausgewiesenen Schaden höchstens verringern. „III. A b s t r a k t e B e r e c h n u n g : Es fragt sich, ob die Behauptung des Klägers, der Marktpreis für gesundes, helles rheinisches Lupinenmehl habe am 21. Dezember 195 5 keinesfalls 8,50 D M für 100 kg überstiegen, eine ausreichende Substanziierung des Schadens nach abstrakter Berechnungsweise darstellt. Die Rechtsprechung läßt dem Gläubiger die Wahl, ob er bei abstrakter Berechnung des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung im Falle des Verzuges von dem bei Eintritt des Verzuges maßgebenden Marktpreis ausgehen will (der Schuldner muß ihn so stellen, wie wenn der Vertrag rechtzeitig erfüllt worden wäre), oder vom Preise z. Z. des Ablaufs der Nachfrist (denn dies ist der späteste Zeitpunkt, zu welchem der Gläubiger noch Anspruch auf die Vertragserfüllung besaß, § 326 1 S. 2, zweiter Satzteil). Wird der Schadensersatz wegen Nichterfüllung aus positiver Vertragsverletzung des Schuldners, z. B. Erfüllungsverweigerung, hergeleitet, so behält der Gläubiger den Erfüllungsanspruch so lange, bis er dem Schuldner erklärt, daß er sein Verhalten als Grund betrachte, die Erfüllung des Vertrages abzulehnen; nur darf er mit seiner Entscheidung nicht übermäßig lange warten, nicht wider Treu und Glauben die Situation ausnutzen, um auf Kosten des Schuldners zu spekulieren. R G 91, 99 c. cit. Da der Kläger keine Rechte aus positiver Vertragsverletzung gegen die Beklagte hat (oben zu B I 2), kommt in unserem Falle nur der Eintritt des Verzuges (1. Oktober 1955) oder das Ende der Nachfrist in Betracht. Die Nachfrist ist mit dem 15., wenn aber die Ansicht der Beklagten über die Länge der angemessenen Frist (oben zu B I 1) zutrifft, mit dem 18. Dezember abgelaufen. Der Kläger kann daher in keinem Falle den 21. Dezember zugrunde legen. Wahrscheinlich hat der Kläger den 21. Dezember nur versehentlich angegeben und meint in Wahrheit den Ablauf der Nachfrist. Ich rate daher — obwohl zweifelhaft sein kann, ob die Voraussetzungen des § 139 ZPO zutreffen — den Kläger zu befragen. Ändert er seine Behauptung dahin ab, daß der Marktpreis am 15. und 18. Dezember 8,50 D M betragen habe, so ist sie erheblich. Behauptet er den Marktpreis von 8,50 DM bloß für den 15. Dezember, so ist die Behauptung erheblich. Die in der Klagesumme enthaltenen 299,40 DM Kosten des öffentlichen Verkaufs können als abstrakter Schaden nicht gefordert werden. IV. Nach der in der Berufungsinstanz neu aufgestellten Behauptung der Beklagten soll Wichmann, der Meistbietende des öffentlichen Verkaufs vom 21. Dezember 1955, die Ware als vorgeschobene Person für Gebr. Böttcher erworben und im Januar 1956 zu mehr als 11,50 DM weiter verkauft haben. Hieraus folgert die Beklagte, daß der Zedentin des Klägers ein Schaden aus der Nichterfüllung des Vertrags nicht erwachsen sei. Nach der Darstellung des Klägers soll Wiebmann sein Gebot für eigene Rechnung abgegeben haben und erst nachträglich an Gebr. Böttcher mit der Anfrage herangetreten sein, ob sie sich am Weiterverkauf der Ware zur Hälfte beteiligen wollten, dann soll der Verkauf als gemeinschaftliches Geschäft von beiden durchgeführt worden sein. Den hierbei erzielten über dem Vertragspreis liegenden Preis von 11,50 DM stellt der Kläger nicht in Abrede. Bei der Würdigung dieses Vorbrigens sind abstrakte und konkrete Berechnungsweise auseinanderzuhalten: 1. Der abstrakte Schaden beruht beim Verkäufer auf der Vermutung, daß er, wenn der Käufer erfüllt hätte, in der Lage gewesen wäre, sich die Ware zum billigeren Marktpreis zu beschaffen und sie zum höheren Vertragspreis an den Käufer abzusetzen (beim Käufer: daß er die Ware vom Verkäufer zum niedrigeren Vertragspreis geliefert erhalten und zum höheren Marktpreis weiterverkauft haben würde). Wird die Vermutung durch den besonderen Sachverhalt entkräftet, so entfällt die Möglichkeit der abstrakten Berechnung. Unter diesem Gesichtspunkt wurde z. B. dem Militärfiskus, Kommunalverbänden und Behörden als Käufern nicht ge-

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Oberlandesgericht — Behandlung theoretischer Streitfragen im Gutachten

lieferter Waren, die sie im Falle der Lieferung zum Selbstkostenpreis an die Mannschaften bzw. die Bürgerschaft abgegeben hätten, in manchen Fällen der abstrakte Schaden versagt. R G 90,423; 99, 49; 100, 1 1 2 ; IOI, 217; 105, 287. Was der Verkäufer mit der Ware, die er infolge der Nichterfüllung des Verkäufers behalten hat, später anfängt, interessiert nicht: denn die abstrakte Berechnung sieht ja gerade von der tatsächlichen Gestaltung der Dinge ab (RG 89, 282). Verdient also der Verkäufer später beim anderweiten Verkaufe, so beeinträchtigt das seinen abstrakten Schadensersatzanspruch nicht. 2. Für die entsprechende Frage beim konkreten Schaden werden in Rechtsprechung und Literatur drei Meinungen vertreten: Manche wollen das Mitbieten des nichtsäumigen Teils bei dem zur Berechnung des Schadens aus § 326 B G B in Form öffentlicher Versteigerung vorgenommenen Deckungsgeschäft in gleicher Weise zulassen, wie das Gesetz dies für das Deckungsgeschäft im Falle des Handelsfixkaufs (§ 376 1 S. 1 HGB), den Selbsthilfeverkauf (§ 373™ HGB), Pfandverkauf und Versteigerung gepfändeter Mobilien (§§ 1239 B G B , 8i6 I V ZPO) ausdrücklich vorschreibt und wie Börsen- und Schlußscheinbedingungen der Großhandelsverbände es in der Regel gestatten. Erhält der Veranstalter der Versteigerung den Zuschlag, so soll das Deckungsgeschäft für die Schadensberechnung unbedingt maßgebend sein. R G im Recht 16 Nr. 646. Die gegenteilige Ansicht erklärt ein Deckungsgeschäft mit sich selbst außerhalb der gesetzlich besonders anerkannten Fälle für unzulässig. Erhalte der Verkäufer, der die Ware zur öffentlichen Versteigerung gestellt habe, den Zuschlag, so liege kein Deckungsgeschäft sondern „lediglich der fehlgeschlagene Versuch eines solchen" vor, und der Zuschlag sei für das Verhältnis zum Käufer bedeutungslos. O L G Hamburg .Recht' 17 Nr. 22); v. Tuhr J W 25, 1278 1 1 . Andere erkennen den Deckungsverkauf mit Selbsteintritt des Verkäufers im Prinzip an, schränken jedoch seine Bedeutung ein. Der Verkäufer könne in einem solchen Falle .nicht ohne weiteres* den Unterschied zwischen Vertragspreis und Versteigerungserlös fordern, müsse sich vielmehr den Einwand entgegenhalten lassen, daß er im Besitz der Ware verblieben und daher imstande gewesen sei, sie zum ursprünglichen Vertragspreis an einen Dritten zu veräußern (RG 110, 155; RGR-Kommentar 5 " vor § 249, i a 1 1 1 zu § 325; Staub 1 3 b zu § 373, 30 Anh. zu § 374). Oder es wird dem ,bloß auf dem Papier stehenden' Deckungsgeschäft, das keine Vermögensverschiebung zur Folge gehabt hat, die Wirksamkeit abgesprochen; darnach muß der Käufer, der bei einem von ihm veranstalteten Deckungskauf den Zuschlag erhalten hat, sich für die Ware effektiv eindecken, der Verkäufer (wenn er bei seinem Deckungsverkauf Meistbietender geblieben ist) sie weiter verkaufen (RG in LeipzZtschr. 20, 484°). Falsch wäre es, die Zulässigkeit und Erheblichkeit des Selbsteintritts von vornherein aus juristisch-konstruktiven Gesichtspunkten zu verneinen. Allerdings faßt das Gesetz die Versteigerung — mit Ausnahme der in Form einer gerichtlichen Verhandlung und eines gerichtlichen Staatsakts gekleideten Immobiliarversteigerung — als Vertrag, und zwar als Kauf auf (arg. §§ 155, 456/7. 461 BGB). Zum Vertrag gehören begrifflich zwei Partner. Es liegt daher das argumentum e contrario nahe, daß, abgesehen von den gesetzlich besonders zugelassenen Fällen, der Zuschlag an den Veranstalter der Versteigerung wirkungslos sein müsse. Nun stellen die Fälle, in denen der Selbsteintritt vom Gesetz (oder den maßgebenden Geschäftsbedingungen) gestattet wird, theoretisch zwar eine Ausnahme, praktisch aber die überwiegende Mehrzahl aller überhaupt vorkommenden Versteigerungen dar. Es fehlt an einem inneren Grunde, warum eine Voraussetzung, die das Gesetz für die wichtigsten Anwendungsfälle ausschaltet, in einem verhältnismäßig seltenen Fall die Bedeutung eines notwendigen Begriffsmerkmals haben soll. Der kaufmännischen Auffassung ist ein solch fundamentaler Gegensatz zwischen den beiden Gruppen öffentlicher Versteigerungen fremd. Es wäre ein unbefriedigendes Ergebnis, wenn der Verkäufer statt der Fristsetzung den Weg des Angebots der Ware mit anschließendem Selbsthilfeverkauf nach § 373 H G B beschreiten müßte (wie v. Tuhr aaO es ihm tatsächlich empfiehlt), um sich die Möglichkeit eines Extragewinns zu verschaffen, der beim Deckungsverkauf gemäß § 326 B G B für unstatthaft erklärt wird. Der Verkehr verlangt bei Versteigerungen lediglich Unparteilichkeit und Uninteressiertheit des Versteigerers und seiner Gehilfen (§§ 456/7 BGB), dagegen spielt die Person des Meistbietenden keine Rolle. Wenn jeder bieten darf, besteht kein Anlaß, gerade den Veranstalter der Versteigerung auszuschließen. Man wird daher aus § 373 I V H G B usw. per analogiam folgern müssen, daß auch bei einer lediglich zur Berechnung des konkreten Schadens bewirkten Versteigerung Verkäufer und Käufer als vollwertige Mitbieter gelten.

Oberlandesgericht — Behandlung theoretischer Streitfragen

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Auf der anderen Seite läßt sich nicht verkennen, daß der Verkäufer — falls nicht der Käufer oder ein von ihm beauftragter Geschäftsfreund mitbietet und den Preis treibt — die Ware oftmals weit unter dem wirklichen Wert zugeschlagen erhält, weil die übrigen Angehörigen der Branche trotz der öffentlichen Bekanntmachung sich nicht genügend an der Versteigerung beteiligt haben. Das beruht bisweilen darauf, daß die besonderen Bedingungen hinsichtlich Menge, Lieferzeit und -ort, Zahlungsweise usw., die das Deckungsgeschäft entsprechend dem ursprünglichen Kauf aufweist, unbequem sind. Oder man will nicht gern in einen Schluß eintreten, der schon einmal zu Differenzen geführt hat. Bisweilen ist die allgemeine Passivität darauf zurückzuführen, daß man weiß, der Verkäufer wünsche selbst den Zuschlag zu bekommen, und daß man ihm aus Kollegialität diesen Vorteil gönnt. Die Rechtsprechung hat stets daran festgehalten, daß meistbietende Deckungsgeschäfte der hier in Rede stehenden Art für die Ermittlung des Schadens nicht bindend sind, sondern nur die Bedeutung eines Elements der Schadensberechnung besitzen. RG 53, 14; 57, 107; 11 o, 155. Besteht also im Einzelfall ein besonderse Mißverhältnis zwischen Zuschlagspreis und wirklichem Wert, so steht nichts im Wege, den Schaden des Verkäufers entsprechend zu kürzen. Ob man das als Vorteilsausgleichung" — vgl. über diese S. 108, 318 „bezeichnen will (so RGR-Komm. 5 vor § 249), oder als freie Würdigung der Schadensmomente (so für verwandte Fragen bei der abstrakten Berechnung RGR-Komm. 3 zu § 252), soll dahingestellt bleiben. Wichtig ist aber folgendes: a) Der geschäftliche Verkehr verlangt eine gewisse Erleichterung und Schematisierung des Schadensnachweises. Deshalb wird der Schaden des Verkäufers durch einen öffentlichen Deckungsverkauf, bei dem er selbst den Zuschlag erhalten hat, prima facie ausgewiesen, und der Käufer hat die besonderen Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, daß ein Schaden nicht vorhanden oder daß er geringer sei. b) Nicht der vom Verkäufer beim Weiterverkauf schließlich erzielte Preis, sondern der Wert der ihm zugeschlagenen Ware z. Z. der Versteigerung kommt in Betracht (so auch RG 110, 155). Der hierüber hinausgehende Verdienst des Verkäufers verbleibt ihm, ebenso wie das anerkanntermaßen der Fall ist, wenn der Verkäufer die Ware beim Selbsthilfeverkauf nach § 373 HGB zurückgekauft hat (Staub 33 zu § 373). c) Der dem Verkäufer entgegengehaltene höhere Wert darf kein theoretisch geschätzter oder errechneter, sondern er muß ohne besondere Schwierigkeiten realisierbar sein. In diesem Sinne legt RG 110, 155 aE. Gewicht darauf, daß in dem dort entschiedenen Fall zwischen Vertragsabschluß und Versteigerung die maßgebenden Konventionspreise sich nicht geändert hatten und daß um die Zeit der Versteigerung herum Verkäufe zu Konventionspreisen tatsächlich erfolgt waren. d) Weiter ist zugunsten des Verkäufers zu berücksichtigen, daß im Zurückkaufen der Ware ein Risikomoment enthalten ist. Man kann nicht wissen, ob die Preise sich nach oben oder nach unten entwickeln werden, ob der Käufer, den man später für die Ware findet, zahlungsfähig sein wird usw. Außerdem braucht der Verkäufer, um den Weiterverkauf abzuschließen und durchzuführen, seinen geschäftlichen Apparat. Vgl. OLG Hamburg (SeuffArch. 71 S. 219 Nr. 129): Gelang es dem Verkäufer, die Ware alsbald oder später mit Gewinn zu verkaufen, so kann man das nicht als eine Folge der Nichtabnahme durch den Käufer ansehen, es wurde vielmehr lediglich durch das Bestehen eines kaufmännischen Betriebes verursacht, in welchem Waren dieser Art hergestellt und verkauft wurden.' Dem Verkäufer ist daher über den .Wert' der Ware im eigentlichen Sinne hinaus ein angemessener Betrag als Ausgleich für Risiko und allgemeine Handlungsunkosten zu belassen. Auf die Frage der Anerkennung eines bloß auf dem Papier stehenden Deckungsgeschäfts braucht hier nicht eingegangen zu werden, da die Beklagte diesen Fall nicht behauptet sondern im Gegenteil geltend macht, daß Gebr. Böttcher das Lupinenmehl im Januar 1956 durch Wichmann mit Gewinn weiterverkauft haben." Die ausführliche Behandlung juristischer Streitfragen beginnt am besten mit Formulierung der in Rechtsprechung und Literatur bisher vertretenen Meinungen und (in knapper Zusammenfassung) ihrer Begründungen. Darnach legt man die eigene

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Oberlandesgericht — Beweisbedürftige Punkte

Ansicht dar und widerlegt die Gegenansichten. Oder der Bearbeiter widerlegt zunächst die Argumente der Gegner, um daraus seine eigene Meinung aufzubauen. Sind die Gründe, die er als entscheidend ansieht, bereits von anderen erschöpfend dargelegt, so genügt es, sie als fremden Gedankengang mitzuteilen und nachher zu bemerken, daß man sich anschließe. Niemals aber darf es vorkommen, daß die Arbeit sich auf Wiedergabe der Anschauungen Dritter ohne persönliche kritische Stellungnahme des Verfassers beschränkt. V g l . Berg, Gutachten und Urteil S. 167. „Die Beklagte kann also mit ihrem Einwand nur gehört werden, wenn sie behauptet, der Wert des versteigerten Lupinenmehls habe am 21. Dezember 1955 8,50 DM erheblich überstiegen. Der hohe Preis, den Gebr. Böttcher bzw. Wichmann im Januar 1956 erzielt haben, ist als solcher unerheblich. Er beweist auch nichts dafür, daß schon im Dezember 1955 der Wert der Ware so hoch gewesen sei; denn starke und plötzliche Preisschwankungen sind bei Lupinenmehl nichts Ungewöhnliches. Ein Anlaß zur Ausübung des richterlichen Fragerechts besteht nicht." Damit ist die rechtliche Prüfung des Parteivorbringens abgeschlossen. Erst jetzt läßt sich feststellen, ob der Prozeß ohne Beweisaufnahme entschieden werden kann. Denn wenn auch die Untersuchung des Grundes des Anspruchs ergab, daß die Klage schlüssig, und das Vorbringen der Beklagten teilweise erheblich ist, so wäre es doch möglich gewesen, daß die Nachprüfung der Höhe dazu geführt hätte, den ganzen Anspruch wegen Fehler in der Berechnung oder wegen der Unzulässigkeit des Rückkaufs zu verneinen. „D. E r g e b n i s . Auf Grund des Parteivorbrigens ist eine Entscheidung ohne Beweisaufnahme nicht möglich, vielmehr kommt es auf eine Anzahl streitiger Tatsachen an: die Abmachung vom 20. Oktober 1955 (B II 2 und C I): für Grund und Betrag, das Bekanntsein der dauernden Einstellung der Lupinenmehlfabrikation durch Baumbach