Schnitte: Konstruktion und Raum 9783035615234, 9783035615494

Neben Grundriss und Ansicht ist der Schnitt die wichtigste architektonische Zeichnung zur Darstellung und Erfassung von

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Schnitte: Konstruktion und Raum
 9783035615234, 9783035615494

Table of contents :
Inhalt
Der Vertikalschnitt
Schnittarten und ihre Funktion
Auszüge aus der Geschichte des Schnitts
Extrusion
Extrusion
Schichtung
Verformung
Versatz
Hohlraum
Schräge
Verschachtelung
Hybridformen

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Schnitte

Schnitte

Konstruktion und Raum

Paul Lewis  Marc Tsurumaki  David J. Lewis

Birkhäuser Basel

Anhang Übersicht Gebäudehöhe 186 Übersicht Architekten 188 Der Schnitt bei LTL Architects 189 Abbildungsnachweis 206

Schnitte

Essays

Kategorien 43

Der Vertikalschnitt 6

Extrusion 45

Schnittarten und ihre Funktion 12

Schichtung 53

Auszüge aus der Geschichte des Schnitts 27

Verformung 67 Versatz 87 Hohlraum 103 Schräge 119 Verschachtelung 133 Hybridformen 157

Der Vertikalschnitt Einführung

Abb. 1

In diesem Buch werden die Grundlagen erläutert, um die vielschichtige und wichtige Rolle, die dem Schnitt sowohl im architektonischen Entwurf als auch in der Praxis zukommt, verstehen zu können. Im Architekturstudium und in der architektonischen Praxis wird der Schnitt bestimmter Gebäude häufig diskutiert und erörtert. Und dennoch gibt es kein einheitliches Rahmenwerk, anhand dessen sich Schnitte definieren oder bestimmen lassen. Welche Schnittarten gibt es, und wozu dienen sie? Wie werden solche Schnitte erstellt? Warum entscheidet man sich für diese statt für jene Schnittart? Das vorliegende Buch geht diesen Fragen nach und bietet einen konzeptionellen, materiellen und instrumentellen Rahmen, der das Verständnis für den Schnitt als architektonisches Gestaltungsmittel schärft. Unsere tiefe Überzeugung, dass der Schnitt maßgeblich zu Innovationen in der Architektur beitragen kann, hat uns zu diesem Buch inspiriert. Angesichts der Herausforderungen, denen sich die Architekturpraxis im 21. Jahrhundert in Bezug auf Ökologie und Baustoffe stellen muss, bietet der Schnitt vielfältige und noch wenig erforschte Möglichkeiten, die Schnittpunkte der konstruktiven, thermischen und funktionalen Wirkgrößen auf innovative Art neu zu gestalten. Noch dazu ist der Schnitt die Darstellungsart, in der sich Raum, Form und Material mit menschlicher Erfahrung vereinen und dabei am deutlichsten die Beziehung zwischen Körper und Gebäude sowie das Zusammenspiel zwischen Architektur und ihrem Kontext herstellen. Uns Lehrenden und Praktizierenden ist der Schnitt als Darstellungsart ebenso wichtig wie als Mittel für räumliche und materielle Innovationen. In diesem Buch stellen wir eine klare heuristische Struktur vor, die einen fundierten Diskurs über den Schnitt in der Architektur ermöglicht und eine gemeinsame Gesprächsbasis für eine forschende und experimentelle Architektur schafft. Neu erstellte Schnittperspektiven von 63 bedeutenden Bauwerken, unterteilt in sieben verschiedene Schnittarten, sollen Studierenden, Architekten und dem geneigten Leser als Grundlage für die Weiterentwicklung des Schnitts dienen. Was ist ein Schnitt?

Abb. 2 – 5

Beginnen wir mit der scheinbar offensichtlichen Frage: „Was ist ein Schnitt?“. Bezogen auf eine Architekturzeichnung bezeichnet dieser Begriff normalerweise die Darstellung eines Baukörpers entlang einer Schnittebene, die senkrecht zur Horizontlinie verläuft. In einer Schnittzeichnung wird ein Objekt oder Gebäude, meist entlang einer Hauptachse, vertikal durchtrennt. Der Schnitt stellt die inneren und äußeren Profile, den Innenraum und den Baustoff, die Membran oder Wand dar, die den Innen- vom Außenbereich trennt, und bietet eine Sicht auf das Objekt, die sonst nicht möglich ist. Dieser Darstellungsart liegen diverse Formen und grafische Konzepte zugrunde, die jeweils entwickelt wurden, um verschiedene architektonische Informationen darzustellen; angefangen bei Gebäudeschnitten, die mit einer kompakten Füllungen oder einer einheitlich schraffierten Schnittfläche das Profil des Baukörpers unterstreichen, bis hin zu Konstruktionsdetails, die mittels Linien und grafischen Konventionen bestimmte Materialien darstellen. In einem Senkrechtschnitt werden zudem die sichtbaren Oberflächen des Innenraums in der Ansicht dargestellt, wohingegen mit den Mitteln der perspektivischen Projektion eine Kombination aus Schnitt und Perspektive entsteht, die die Tiefe des Innenraums veranschaulicht.

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1 LTL Architects, Park Tower, 2004

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Da in einer Schnittzeichnung jene Dinge sichtbar gemacht werden, die nicht direkt sichtbar sind, ist sie im Gegensatz zu Fotos und Bildern, die viel häufiger zur Visualisierung von Architektur herangezogen werden, eine abstrahierte Darstellungsform. Schnitte enthalten einzigartige Fakten, die zwangsläufig das Hauptaugenmerk vom Aussehen auf die Funktion lenken oder auch von der Oberfläche auf die Schnittebene zwischen Konstruktion und Materialität, die die tektonische Stringenz eines Bauwerks ausmacht. Zugleich stellt ein Schnitt die Wechselwirkung zwischen verschiedenen Aspekten der verkörperten Erfahrungen und des architektonischen Raums dar und zeigt deutlich die Verbindung zwischen Maßstab und Proportion, Ansicht und Aussicht, Einfluss und Wirkung, die sich in der vertikalen Dimension erschließt (jedoch nicht beim Blick von oben nach unten). In einem Schnitt werden die Höhen von Wänden und Flächen offengelegt, und er vereint – zu Prüfungs- und Untersuchungszwecken – Konstruktion und Zierelemente, Außenhülle und Innenraum. Grundrisse und Schnitte sind einander ähnliche gegenständliche Darstellungsformen und besitzen eine wichtige Gemeinsamkeit: Beide stellen eine Beziehung zwischen der Masse und dem Volumen eines Gebäudes dar, die das menschliche Auge nicht direkt erfassen kann. Beide basieren auf Schnittebenen – einer horizontalen und einer vertikalen. Die horizontale Schnittebene eines Grundrisses verläuft hauptsächlich durch Wände und nicht durch Fußböden. Vertikalschnitte jedoch können sowohl Wände als auch Böden durchdringen und den Raum zu einer darin stehenden Person in Relation setzen. Meist gelten Grundrisse als Domäne der Entwurfsbüros, wohingegen Schnitte als Möglichkeit betrachtet werden, die Auswirkungen des Grundrisses auf Tragwerk und Gebäudehülle darzustellen. Im Vergleich zu Grundrissarten, die anhand ihrer raumplanerischen Folgen unterschieden werden, differenziert man Schnittarten gewöhnlich anhand ihres Maßstabs in Geländeschnitte, Gebäudeschnitte, Wandschnitte und Detailschnitte. Wand- und Detailschnitte heben technische Details hervor, wozu definierte Linienarten in unterschiedlichen Strichstärken, Schraffuren und Farben verwendet werden, und sie stellen die Materialien und den tektonischen Aufbau dar. Geländeschnitte bilden die Kubatur eines Bauwerks und deren Verhältnis zum Gelände ab; die Innenräume spielen hier eine untergeordnete Rolle. Der Gebäudeschnitt hingegen enthält zahlreiche wesentliche Elemente, darunter die formalen, sozialen, organisatorischen, politischen, räumlichen, konstruktiven, thermischen und technischen Einflussfaktoren.

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Zeitgenössischer Diskurs über den Schnitt

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2 Ottavio Bertotti Scamozzi nach Andrea Palladio, Teatro Olimpico, 1796 3 Thomas Ustick Walter, Kuppel des Kapitols in Washington, D.C., USA, 1859 4 Le Corbusier, Unité d’habitation, 1952 5 Affonso Eduardo Reidy, Museu de Arte Moderna do Rio de Janeiro, 1967

Abb. 6 – 8

Der Schnitt ist nicht ausschließlich eine Darstellungsmethode. Heutzutage werden Schnitte auch häufig zur Illustration, Prüfung und Analyse architektonischer Entwürfe herangezogen. Im Schnitt offenbart sich das Wechselspiel zwischen der Gebäudestruktur und dem von Fundament und Dach umfassten Raum. Die Eigenlasten der Konstruktion verlaufen in vertikaler Richtung nach unten, Windlasten greifen horizontal an den Seiten eines Gebäudes an. Die Anforderungen an die Baustoffe sowie die erforderliche bauliche Durchbildung, um diese Lasten auf kreative Weise abzuleiten, lassen sich am besten anhand architektonischer Schnittzeichnungen untersuchen und darstellen. Da die Bedeutung energetischer und ökologischer Aspekte in der Architektur zunimmt, wird auch die Schnittzeichnung immer wichtiger, denn darin lässt sich die Wirkung thermischer Kräfte darstellen. Kalte Luft ist schwerer

8 und sinkt ab, warme Luft steigt auf. Am Morgen geht die Sonne über dem Horizont auf und abends wieder unter. Um ein innovatives, nachhaltiges Gebäude zu entwerfen, ist die vertikale Kalibrierung des Raums unerlässlich. Die Architekten müssen Dachüberstände und Öffnungen so planen, dass eine optimale Sonneneinstrahlung erzielt wird; Innenräume sollten so angeordnet sein, dass die freie Konvektionslüftung maximiert wird; Dachneigungen sind an die effizienteste Ausrichtung der Solarelemente anzupassen; Wandstärken ergeben sich aus Berechnungen des Dämmungsbedarfs, und vieles mehr. Meist möchten Architekten und Ingenieure bestimmte Zertifizierungskriterien für nachhaltiges Bauen erfüllen und beweisen anhand von Schnittzeichnungen, in denen Pfeile die thermodynamischen Kräfte darstellen, dass die thermischen Leistungsanforderungen erfüllt sind. Mit diesem Fokus auf der thermischen Effizienz werden die planerischen Vorzüge des Schnitts in den Vordergrund gestellt, aber paradoxerweise wird zugleich dessen räumliches und experimentelles Potenzial eingeschränkt, weil sich die innovative Querschnittgestaltung ausschließlich an funktionalen Kriterien orientiert. Doch trotz der Bedeutung des Schnitts als Zeichnungsart und als Schlüsselmethode zur Optimierung der Raumqualität, des baulichen Entwurfs und der thermischen Leistung, sind kritische Schriften oder Diskussionen über den Schnitt relativ selten zu finden. Zur Historie und Bedeutung des Grundrisses sind diverse Werke bekannt, aber es gibt bislang kein einziges Buch über die Geschichte, Entwicklung und Verwendung des Schnitts in der Architekturpraxis. Es wurden nur einige Essays dazu veröffentlicht, von denen die beiden am häufigsten zitierten mehr als 25 Jahre alt sind: zum einen „Das Raumbild in der italienischen Architekturzeichnung der Renaissance“1 von Wolfgang Lotz und zum anderen „The Archaeology of Section“2 von Jacques Guillerme und Hélène Vérin. Interessanterweise weisen beide Essays Parallelen auf, die über die Weiterentwicklung und Beschreibung des architektonischen Schnitts hinausgehen. Die fehlende direkte Auseinandersetzung mit dem Schnitt könnte aus der unklaren Funktion dieser Darstellungsart resultieren. Er wird häufig als reduzierender Zeichnungstyp angesehen, der am Ende des Entwurfsprozesses erstellt wird, um die konstruktiven und materiellen Gegebenheiten aufzuzeigen und damit einen Teil des Bauauftrags zu erfüllen, anstatt ihn bereits im Entwurfsprozess zur Untersuchung der Bauwerksform heranzuziehen. Obwohl wir uns für die Darstellungsmöglichkeiten des Schnitts interessieren, behaupten wir, dass das Entwerfen mittels Schnittzeichnungen zunächst einen Diskurs über den Schnitt erfordert, der diesen Zeichnungstyp als innovatives Hilfsmittel begreift. Heuristische Gliederung der Schnitte

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Abb. 9 – 16

Eine sinnvolle und verständliche Diskussion über Schnitte wird durch den Umstand erschwert, dass es keine einheitliche Terminologie gibt, die einen gemeinsamen Bezugsrahmen bieten würde. Aus diesem Grund haben wir die Schnitte in sieben Kategorien eingeteilt: Extrusion, Schichtung, Versatz, Verformung, Hohlraum, Schräge und Verschachtelung. Die Mehrheit der Schnitte lässt sich in eine oder mehrere dieser Kategorien einteilen. Diese sind absichtlich vereinfacht worden, damit sie leichter erkennbar sind, jedoch sind sie nur selten in ihrer reinen Form anzutreffen. Bei genauerem Hinsehen ist keiner der Schnitte nur einer Schnittart zuzuordnen, da meist Aspekte von zwei oder mehr Arten enthalten sind. Doch wenn die Kriterien einer Schnittart dominieren, wird deren Bezeichnung gewählt.

8 6 Candilis Josic Woods, Verschattungsskizze, 1968 7 Foster + Partners, Commerzbank Tower, 1997 8 Bucholz McEvoy Architects, Limerick County Council, 2003

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Allerdings wollen wir diese Kategorien nicht als neues platonisches Ideal definieren, das isoliert anzuwenden ist. Die Tatsache, dass der Schnitt eines Gebäudes sich einer der Kategorien zuordnen lässt, verleiht ihm nicht automatisch eine bestimmte Signifikanz oder Bedeutung. Voller Hochachtung vor dem Potenzial von Architektur stellen wir hingegen dieses heuristische Rahmenwerk der Schnittarten zur Verfügung, um einen Diskurs über die Schnittzeichnung, in der sich Material, Kultur und Natur vereinen, anzuregen. Unser Ziel ist es, mehr darüber zu erfahren, wie die verschiedenen Schnittarten allein oder in Kombination verwendet werden können und wie dieses Wissen der Architektur dienen kann. Wir gehen davon aus, dass sich jede Schnittart für bestimmte Zwecke eignet: von der Schaffung eines gemeinschaftlichen Raumgefühls bis zur Darstellung des wärmetechnischen Verhaltens, von der Etablierung räumlicher Hierarchien bis hin zur Optimierung des Wechselspiels zwischen Innen und Außen. Die folgenden Begriffe und Definitionen werden im anschließenden Essay detaillierter erläutert: Extrusion: das direkte Extrudieren eines Grundrisses bis zu einer Höhe, die sich für die geplante Nutzung eignet.

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Schichtung: die lagenweise Anordnung von Geschossen direkt übereinander – ein extrudierter Schnitt, der sich mit oder ohne Variation wiederholt. Verformung: die Deformation einer oder mehrerer der primären horizontalen Ebenen eines Gebäudes, um dem Raum die gewünschte Form zu verleihen. Versatz: das Einfügen einer Art Fuge entlang der horizontalen oder vertikalen Achse eines Gebäudes , um eine Verschiebung im Schnitt zu generieren. Hohlraum: Öffnungen in Geschossplatten (variabel in Anzahl und Größe), durch die sich die Geschossfläche reduziert, die jedoch Vorteile im Gebäudeschnitt bieten. Schräge: die Neigung einer horizontalen Ebene, wodurch aus dem Grundriss ein Schnitt wird.

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12 9 Charles de Wailly, Comédie-Française, 1770 10 Jacques-Germain Soufflot, Pantheon, Zeichnung von Alexandre-Théodore Brongniart, ca. 1796 11 Henry Bessemer, Dampfschiff mit Schwingsalon, 1874 12 Louis-Auguste Boileau, System aus ineinandergreifenden Bögen, gezeichnet von Tiburce-Sylvain Royol, ca. 1886

Verschachtelung: die Erzeugung räumlicher Effekte im Schnitt durch das Ineinanderfügen oder die Überlappung separater Volumina. Den Hauptteil dieses Buches bilden 63 Schnittzeichnungen von Bauprojekten in Zentralperspektive. Diese wurden ausgewählt, weil sie unterschiedliche Herangehensweisen an die Erzeugung eines Schnitts verdeutlichen und damit den Grundstock für die weitere Erforschung, Entwicklung und Untersuchung legen. Einige Projekte sind klar und deutlich einer Schnittart zuzuordnen. Andere basieren auf komplexen und kreativen Herangehensweisen und bestehen häufig aus zwei oder mehr Schnittarten in vielerlei neuen Kombinationen, die weit über eine einzelne Kategorie hinausgehen. Sämtliche Projekte stammen aus der Zeit um die letzte Jahrtausendwende oder später; einer Zeit, in der das Bauen immer stärker standardisiert und industrialisiert wurde. Das führte zu einer Standardisierung und damit zur Schichtung identischer Geschosse und machte den Schnitt zu einem wichtigen Werkzeug zur Erforschung und Entwicklung neuer Varianten. Wir haben ausschließlich Projekte ausgewählt, die auch realisiert wurden, damit genügend Belegmaterial vorhanden ist, um die tektonische Stringenz des Schnitts aufzuzeigen und zu beweisen, dass die Komplexität des Schnitts die Umsetzbarkeit nicht beeinträchtigt hat. Zwar wurden die 63  hier ausgewählten Projekte bereits in diversen Publikationen analysiert und bewertet, doch meist zerteilte man sie dafür in viele einzelne, leicht

10 verdauliche Häppchen. Dieser reduzierende Ansatz legt nahe, dass man der Komplexität eines Gebäudes nur auf den Grund gehen kann, wenn man die Konzepte isoliert voneinander betrachtet. Unser Ansatz geht vom Gegenteil aus: Wir wollen anhand einer einzigen detaillierten Zeichnung die ganze Bandbreite miteinander verflochtener Themen darstellen, die Architektur so faszinierend machen. Die Schnittperspektive vereint die objektiven, messbaren Informationen eines Schnitts mit der subjektiven visuellen Logik der Perspektive. Folglich geben die Zeichnungen in diesem Buch zwar Fakten wieder, bieten dem Betrachter aber auch ein besonderes räumliches Erlebnis. Die Zeichnungen sind abstrakt und eindringlich, analytisch und anschaulich zugleich. Sie knüpfen an die lange Geschichte dieser Darstellungsmethode an, die aus so unterschiedlichen Quellen schöpft wie den akkuraten Zeichnungen der Pariser École des Beaux-Arts, den analytischen technischen Zeichnungen des Industriezeitalters, den Linienzeichnungen komplexer Strukturen von Paul Rudolph und dem vom Atelier Bow-Wow praktizierten hybriden Mix aus einer detaillierten Konstruktionszeichnung und dem Skizzieren des Geschehens im Gebäudeinneren. Da jedes Projekt mittels einer einzigen Schnittperspektive mit einheitlichem Betrachtungswinkel vorgestellt wird, lassen sich die Projekte miteinander vergleichen. Für die Erzeugung der Zeichnungen haben wir ein digitales Modell entwickelt und einen Schnitt entsprechend der Seitenausrichtung vorgenommen, jedoch weder schräg noch perspektivisch. Anschließend haben wir einen Fluchtpunkt gesetzt und die Perspektive so angepasst, dass Innen- und Außenflächen sichtbar werden, wodurch eine visuelle Beziehung entsteht zwischen der Schnittebene und den vertikalen Flächen, aus denen sich das Projekt zusammensetzt. Basis jedes Modells ist eine zweidimensionale Zeichnung, die in einem vektorbasierten Zeichenprogramm angepasst und ausgearbeitet wurde. Die so entstandenen Skizzen folgen den Zeichenkonventionen für Schnitte, wonach beispielsweise die äußere Schnittlinie, die die Grenze zwischen einer massiven Fläche und der Umgebung darstellt, am dicksten ist, während die dünneren Linien sekundäre Materialunterschiede innerhalb eines geschnittenen, festen Körpers veranschaulichen oder die Details einer Fläche illustrieren, die sich hinter der Schnittebene befindet. Unsere Zeichnungen unterscheiden sich von den Skizzen archäologischer Ruinen, deren Schnitt sich dem Beobachter durch den Verfall des Gebäudes offenbart. Da wir selbstverständlich nicht direkt durch ein Bauwerk schneiden können, basieren unsere Darstellungen auf den Informationen, die wir anderen Zeichnungen und Bildern bezüglich der verwendeten Materialien entnehmen konnten. Weil diese anderen Zeichnungen oft vor der Ausführung entstanden sind und damit unter Umständen nicht den gebauten Zustand dokumentieren, ergeben sich interessante Fragen bezüglich der historischen Genauigkeit und des Wissensaufbaus. Dieses Buch basiert auf Fotografien, Zeichnungen, Beschreibungen und, sofern vorhanden, auf archivierten Originalbauzeichnungen und/oder digitalen Dateien, die uns von Architekturbüros zur Verfügung gestellt wurden. Die Zeichnungen in diesem Buch sind, angesichts der verfügbaren Unterlagen und der Unmöglichkeit absoluter Präzision, die dem Schnitt als Darstellungsmethode innewohnt, so präzise wie irgend möglich. Neben den 63 Schnittperspektiven haben wir auch eine Auswahl historisch bedeutsamer oder anderweitig faszinierender Schnittzeichnungen aus der gesamten Architekturgeschichte zusammengestellt, die die Essays in diesem Buch illustrieren. Darunter befinden sich auch einige nicht

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13 McKim, Mead & White, Kraftwerk der Interborough Rapid Transit Company, 1904 14 Jacques Hermant, Société Générale, 1912

11 realisierte Bauwerke, da die große Bandbreite an Möglichkeiten, wie sich Schnitte zur Darstellung und Erzeugung architektonischer Formen nutzen lassen, aufgezeigt werden soll. Ein Kapitel über die Verwendung des Schnitts als Entwurfswerkzeug in unserem Büro LTL Architects ergänzt die 63  vorgestellten Projekte. Darin werden zusätzliche Überlegungen zur Kombination von Schnitt und Perspektive, in denen der Schnitt selbst ins rechte Licht gerückt wird, sowie fiktive Projekte, in denen der Schnitt Ausgangspunkt eines Wechselspiels von Raum und Nutzung ist, vorgestellt.

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15 Paul Rudolph, Yale Art and Architecture Building, 1963 16 Atelier Bow-Wow, Bow-Wow House, 2005

Schnittarten und ihre Funktion Extrusion, Schichtung, Versatz, Verformung, Hohlraum, Schräge und Verschachtelung sind unterschiedliche Primärmethoden zum Erstellen von Schnitten. Der Übersichtlichkeit halber werden sie hier als separate Kategorien präsentiert, sind aber in der Praxis selten isoliert anzutreffen. Die komplexesten und raffiniertesten Gebäude entstehen dann, wenn sie miteinander kombiniert werden. Doch nur durch die klare Abgrenzung der verschiedenen Schnittarten lässt sich erklären, wie ein architektonischer Schnitt erzeugt wird, und verstehen, welche Auswirkungen er hat. 17

Extrusion

Abb. 17 – 25

Die Extrusion eines Grundrisses bis zu einer Höhe, die für die geplante Nutzung benötigt wird, ist die grundlegendste Art des Schnittes. Ein extrudierter Schnitt weist in vertikaler Richtung wenig bis keine Variation auf. Auf diesem Prinzip basiert die Mehrheit aller Gebäude, einschließlich der meisten eingeschossigen Bürogebäude, Geschäfte, Supermärkte, Fabriken, eingeschossigen Häuser und Wohnungen. In der Regel aus ebenen Betonplatten und geradlinigem Stahl- oder Holzrahmen konstruiert, entsteht so die maximale Nutzfläche bezogen auf das Gebäudevolumen. Die Ausarbeitung komplexerer Querschnittseigenschaften liegt diesem Paradebeispiel an Effizienz fern, denn kompliziertere Schnitte reduzieren die wertvolle Fläche einer Immobilie. In extrudierten Schnitten wird der Raum größtenteils durch den Grundriss und weniger durch den Aufriss aktiviert. Anhand dieses einfachen Basistyps lassen sich andere Entwicklungen oder Schnittarten nachvollziehen. Im Grunde zeichnet sich die Extrusion durch keinerlei unverwechselbare Eigenschaften aus, und doch kann sie in einigen Fällen, in denen die Extrusion nicht den klassischen Effizienzmustern entspricht, bei Menschen beklemmende Zustände wie Klaustrophobie oder Agoraphobie, auslösen. So gibt es etwa Extrusionen mit extrem niedrigen Räumen – wie die halbhohen Etagen in Spikes Jonzes Film Being John Malkovich – oder aber mit extrem hohen Räumen, wie im Falle der großzügigen Innenräume im Palazzo del Lavoro von Pier Luigi Nervi. In extrudierten Schnitten ist die Decke aufgrund der konstruktiven Gliederung und ihrer großen Fläche meist ein besonderes Gestaltungselement. Da eine geradlinige Extrusion nur selten ein bemerkenswertes Ergebnis liefert, basieren nur wenige Beispiele in diesem Buch ausschließlich auf diesem Prinzip. Entscheidend sind bei einem extrudierten Schnitt die Konstruktionselemente zwischen Boden und Decke beziehungsweise Dach. So legt das Glass House von Philip Johnson ein besonderes Augenmerk auf die Stahlstützen, die in regelmäßigen Abständen aus der Grundplatte emporragen. Durch die Wände aus Glas verwandelt sich der Aufriss in einen Schnitt. Eine Besonderheit dieses Entwurfs ist die Kombination aus Nasszelle und Kamin, die dem Wunsch geschuldet ist, alle Wasser- und Heizungsrohre in einem Kern aus Ziegelsteinen zu verstecken, um die klare Struktur des Schnitts zu bewahren. Während Johnson die Stützen entlang der Fensterflächen außerhalb der Nutzfläche platziert, tut Junya Ishigami beim Kanagawa Institute of Technology Workshop das genaue Gegenteil: Er verteilt oder gruppiert seine Stützen so, dass der Raum gefüllt und gerahmt und dadurch für unterschiedliche Zwecke nutzbar wird. Der extrudierte Schnitt verstärkt nach Ishigamis Auffassung den Kontrast zwischen der massiven Betonbodenplatte, aus der die zahlreichen dünnen Stützen nach oben ragen, und der stark gegliederten Stahldecke, deren Raster die Bauzeichnung geradezu dekorativ wirken lässt. Beide Beispiele haben eher konventionelle Deckenhöhen, aber

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17 Ralph Rapson und Eero Saarinen, Demountable Space, 1942 18 Ludwig Mies van der Rohe, Farnsworth House, 1951 19 Ludwig Mies van der Rohe, Chicago Convention Center, 1954 20 Arne Jacobsen, Dänische Nationalbank, 1978 21 Renzo Piano, Menil Collection Museum, 1986

13 der Palazzo del Lavoro von Pier Luigi Nervi in Turin weist riesige pilzförmige Säulen auf, die diese Ausstellungshalle gigantisch erscheinen lassen. Der 21 Meter hohe Raum wird von 16 gleichartigen Bauelementen definiert. Wenn er auch auf pragmatischen Überlegungen hinsichtlich Baugeschwindigkeit und -effizienz basiert, so macht dieser extrem hohe Raum, belebt durch ein Raster aus massiven, sich nach oben verjüngenden Säulen, den extrudierten Schnitt zu einem beeindruckenden Erlebnis. 22

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22 Le Corbusier, Maison Dom-Ino, 1914 23 Antonin Raymond und Ladislav Rado, Prototyp eines Kaufhauses, 1948 24 OMA, Center for Art and Media Technology, 1989 25 Simon Ungers, T-House, 1992

Schichtung

Abb. 26 – 29

Beim Schichten werden zwei oder mehr Geschosse oder Räume übereinandergelegt, sind dabei jedoch voneinander weitestgehend unabhängig. Durch die Schichtung lässt sich der Wert einer Immobilie auf einem Grundstück steigern, weil sich bei gleichbleibender Grundfläche die Wohn- und Nutzfläche des Hauses vergrößert. Daher sind die damit verbundenen finanziellen Vorteile auch einer der Hauptgründe für das Schichten in der Architektur. Die Schichtung leitet sich aus dem wiederholten Übereinanderstapeln eines extrudierten Schnitts ab und wird in der Höhe lediglich durch Bauvorschriften, Kosten oder die Standsicherheit der Konstruktion beschränkt. Alternativ dazu können auch sehr unterschiedliche Geschossarten und -formen übereinandergestapelt werden. Das Schichten selbst hat auf den Innenraum keine Auswirkungen. In Büro- oder Wohngebäuden können beispielsweise Etagen hinzugefügt werden, ohne dass dies Einfluss auf die darunter befindlichen Geschosse hat, abgesehen von der Menge der benötigten vertikalen Versorgungsleitungen. Doch durch genau diese Möglichkeit der problemlosen Vervielfältigung wird jegliche Variation vereitelt; die Effizienz basiert auf der Homogenität des Schnittes. Es ist preiswerter, mehrfach die gleiche Etage zu bauen, als Varianten davon; das Prinzip des Taylorismus bleibt bestehen, angefangen bei den Zeichnungen über die Schalung bis hin zum Bauablauf. In Gebäuden mit einheitlichen Raumprogrammen gibt es von einer Etage zur nächsten kaum Variationen in der Extrusion. Dennoch können Architekten durch unterschiedliche Höhen der extrudierten, geschichteten Etagen eine Nutzungsvielfalt erzeugen. Ein sehr bekanntes Beispiel dafür ist der Downtown Athletic Club von Starrett & Van Vleck, der sich aus 35 Ebenen mit 19 unterschiedlichen Geschosshöhen zwischen 1,8 Metern für Stockwerke mit Schlafräumen und 7,2 Metern für die Sporthalle zusammensetzt. In einer wegweisenden Analyse dieses Bauwerks erläutert Rem Koolhaas in seinem Manifest Delirious New York die „Kultur des Staus“, die sich in der beabsichtigten Überbelegung des Gebäudes widerspiegelt, in dem jede der „übereinandergeschichteten Plattformen“ bestimmten Zwecken, Räumen oder Erlebnissen vorbehalten ist. Die Kraft des Gebäudes liegt in der Autonomie jedes Stockwerks im Schnitt; der geschichtete Schnitt wirkt auf seine Art sehr verlockend. „Im phantastischen Übereinander ihrer Aktivitäten sind die Stockwerke des Clubs eigenständige Fortsetzungen einer völlig unvorhersehbaren Handlung, die der bedingungslosen Unterwerfung unter die definitive Instabilität des metropolitanen Lebens huldigt.“3 Ein entscheidender Punkt ist die Tatsache, dass der Schnitt des Downtown Athletic Club weder optisch noch synchron erfasst werden kann. Vielmehr dient der Fahrstuhl als diachrones Werkzeug, das die programmatische und räumliche Separierung der Stockwerke begreifbar macht. Der Downtown Athletic Club ist ein außerordentliches Projekt, weil hier Nutzung und Schnitt so präzise aufeinander abgestimmt sind. Denn da Turnhallen, Schwimmbäder, Handball- und Squashfelder jeweils

14 unterschiedliche Raumhöhen benötigen, steht jeder dieser Sportarten aufgrund der relativ kleinen Gebäudegrundfläche eine eigene Etage zur Verfügung.4 Während sich der abwechslungsreiche Schnitt des Downtown Athletic Club hinter einer dezenten Fassade verbirgt, wurde die Geschossvariation in einem geschichteten Schnitt bei anderen Gebäuden als Erkennungsmerkmal eingesetzt, beispielsweise beim niederländischen Pavillon für die Expo 2000 von MVRDV. Ähnlich wie bei mehrstöckigen Torten platziert das Architekturbüro MVRDV hier vollkommen unterschiedliche architektonische Räume übereinander, von einer mit Bäumen bepflanzten Säulenhalle bis hin zu einer Grotte aus Gussbeton, und überspannt alles mit einem Fachwerkbinderdach, auf dem Windräder installiert sind. Jede Etage ist einzig- und andersartig. Im Schnitt zeigt sich in komprimierter Form, auf welch unterschiedliche Arten sich Umweltsysteme in die Architektur integrieren lassen. Lediglich die Treppen und eine Aufzugsanlage, die von außen an die Konstruktion angebracht wurden, stellen eine Verbindung zwischen den geschichteten Etagen her und verstärken die Eigenständigkeit jeder Zone. Da die Schichtung auf Vervielfältigung beruht, besteht eine weitere Variante darin, lediglich die Geschosshöhen zu verändern. Durch unterschiedliche Geschosshöhen und Beibehaltung des Deckenprofils schuf SANAA mit dem Dior-Flagship-Store in Tokio ein unverwechselbares Gebäude, das seine Attraktivität der Eleganz der architektonischen Ausführung verdankt. Im Gegensatz dazu werden die einzelnen Ausstellungsebenen im Kunsthaus Bregenz von Peter Zumthor als separate Volumina betrachtet, die mit denselben Abständen zwischen den Geschossdecken gestaffelt und übereinandergeschichtet wurden. Haustechnik und Beleuchtung sind in den horizontalen Deckenzwischenräumen zwischen den Ausstellungsebenen untergebracht, und das gesamte Ensemble wird von einer doppelwandigen Glashülle umschlossen. Ludwig Mies van der Rohe lässt in seinem Entwurf für die S. R. Crown Hall, dem Hauptgebäude des Illinois Institute of Technology in Chicago, den geschichteten Schnitt hinter einer singulären architektonischen Form verschwinden. In Wahrheit tragen die monumentalen sichtbaren Balken, die das Erscheinungsbild des Gebäudes prägen, nur die Decke des Hauptgeschosses. Darunter liegt ein Versorgungsgeschoss, das halb in den Boden eingelassen ist und von tragenden Wänden gestützt wird. Die mit durchgehenden vertikalen Stahlelementen versehene Vorhangfassade verhüllt den geschichteten Schnitt und verstärkt den Eindruck eines ungeteilten Raumvolumens. Die Schichtung beeinträchtigt jedoch die thermodynamische Bewegung von Luft und Wasser. Um ein Gebäude damit versorgen zu können, muss beides durch Rohrleitungen in die oberen Etagen gepumpt werden. Der Entwurf von Louis I. Kahn für das Salk Institute schöpft diesen isolierenden Aspekt bis zum Äußersten aus. Um die zahlreichen Haustechnikleitungen, die in Forschungslaboren benötigt werden, unterzubringen und die Räume dennoch stützenfrei zu halten, platzierte Kahn über jedem Labor ein Zwischengeschoss ausschließlich für die Versorgungsleitungen und ließ die Rohre durch ein offenes Tragwerk aus VierendeelTrägern hindurch verlegen. Der geschichtete Schnitt dieses Gebäudes besteht folglich aus drei aufeinanderfolgenden Kombinationen aus Labor- und Haustechnikgeschoss.

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26 SANAA, Christian Dior Omotesando, 2003 27 Will Alsop, Ontario College of Art and Design, 2004 28 Christian Kerez, Schule in Leutschenbach, 2009 29 GLUCK+, Tower House, 2012

15 Verformung

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Pantheon, 128 n. Chr. Andrea Palladio, Villa Foscari, 1560 Eladio Dieste, Kirche Cristo Obrero, 1952 Eero Saarinen, Flughafen Dulles, 1962 Hans Scharoun, Berliner Philharmonie, 1963 Kenzo Tange, Nationale Sporthalle Yoyogi, 1964

Abb. 30 – 41

Als Verformung wird die Modulation eines Raums durch die Veränderung der Form einer oder mehrerer durchgehender horizontaler Flächen bezeichnet. Sie kann am Boden, an der Decke oder an beidem erfolgen und erzeugt im Schnitt ein besonderes Volumen beziehungsweise eine besondere Form. Verformungsschnitte können unterschiedlichste Topografien aufweisen.5 Die Decke ist häufiger Ziel einer solchen Modulation als der Boden, da ihre Veränderung die Funktionalität des Grundrisses nicht beeinträchtigt. Kathedralen aus tragendem Mauerwerk, überdachte Stadien, Iglus und Zelte weisen verformte Schnitte auf. Tragwerk und Schnitt greifen in solchen Bauwerken häufig sehr eng ineinander. Meist enthalten sie Gewölbe, Schalen, Kuppeln oder Seiltragwerke mit Membranbespannung, die in ihrer Form dem Verlauf der Lastabtragung folgen und in ihrer Länge den Spannweiten entsprechen. Viele Arbeiten von Félix Candela zeigen im Schnitt sehr deutlich, wie sich Schnittkräfte und Formgebung überschneiden, so auch in seinem Entwurf für das Restaurant „Los Manantiales“ mit dem dünnwandigen Betonschalendach in Form von hyperbolischen Paraboloiden. Im Grunde ist dieses Gebäude die physische Manifestation eines Momentendiagramms. Die Bibliothek von Marcel Breuer für das Hunter College in New York ist ein weiteres Beispiel für eine Bauform, die auf ein sich wiederholendes Querschnittselement, hier eine blütenförmige Säule, zurückgreift. Ein etwas konventionelleres Rahmentragwerk aus Kanthölzern verwendet Rudolph M. Schindler für das Wochenendhaus von Gisela Bennati, wobei er die Holzträger in Dreiecksform anordnet und damit eines der ersten A-Rahmenhäuser errichtet. Diese Form hat eine effiziente Statik, und erzeugt einen weitläufigen Wohnbereich im unteren und einen etwas engeren Schlafbereich im oberen Geschoss. Noch dazu erfüllt die Dreiecksform die lokalen Bauvorgaben bezüglich einer Außenansicht, die sich in die Berglandschaft einfügt. Da das vergangene Jahrhundert von Flachbauten dominiert wurde, kommt diese Schnittart nicht mehr so häufig vor, denn durch die Trennung von Tragwerk und Gebäudehülle, wie in Le Corbusiers Musterhaus Maison Dom-Ino, wurde der Raum nicht mehr im Schnitt, sondern im Grundriss geformt. So stellt auch Colin Rowe im Buch Die Mathematik der idealen Villa hinsichtlich Le Corbusiers Villa Stein ironisch fest: „Es ist der freie Schnitt gegen den freien Grundriss ausgetauscht.“6 Verformte Schnitte sind in Gebäuden anzutreffen, in denen das gesellschaftliche Miteinander gefördert werden soll; dazu zählen auch die meisten Gotteshäuser. In Kirchen und Synagogen kann an der Decke ein Fokus für den gesamten Raum gesetzt werden. Das Pantheon und Le Corbusiers Kapelle Notre-Dame du Haut sind zwei Sakralbauten mit verformtem Schnitt, der eine konkav, der andere konvex. Beide setzen den Schnitt ein, um das natürliche Lichtspiel im Raum zu beeinflussen, und in beiden ist der Querschnitt der Decke in unterschiedlichem Maße an das Tragwerk angepasst. Im weltlichen Kontext einer Bibliothek im finnischen Seinäjoki hat Alvar Aalto durch eine komplexe, verformte Decke die Lesbarkeit der Nutzungsbereiche innerhalb eines großen offenen Raums optimiert und das einfallende Tageslicht gezielt gelenkt. Zusätzlich treppte er den Boden ab und setzte den Lesesaal in der Raummitte um ein halbes Geschoss nach unten, wodurch er den Lesenden mehr Ungestörtheit und den Mitarbeitern an der Ausleihtheke dennoch den Überblick ermöglichte. Eine modulierte Decke ist gewöhnlich nur in eingeschossigen Gebäuden oder im obersten Stockwerk anzutreffen, da der Raum darüber ohne speziellen Bodenaufbau oder

16 eine Zwischendecke nur schwer als Wohnraum nutzbar ist. Der Wunsch, den Innenraum vor Umwelteinflüssen zu schützen und dafür das Äußere eines Bauwerks zu verändern, kann ausschlaggebend für die Wahl dieser Schnittart sein und hat meist Einfluss auf die Dachform. Ganz deutlich zeigt sich die Verformung im Schnitt an der zweischaligen Dachkonstruktion der Kirche in Bagsværd von Jørn Utzon, bei der die komplexe, mehrfach gewölbte Decke des Innenraums von einem einfachen Rechteckdach umgeben ist. Im Schnitt offenbart sich das Potenzial der losen Verbindung zwischen der äußeren Form, die den Anforderungen an einen Witterungsschutz genügen muss, und der Innenraumgestaltung, mit einer Decke, die Licht, Klang und Raum moduliert, sodass sie einem Gotteshaus gerecht werden. Das verformte Dach der Cité de l’Océan, einem Projekt von Steven Holl, entstand aus einem völlig anderen Grund, denn es dient als begehbarer Außenbereich, der mit seiner Form die Wellen beim Surfen symbolisieren soll. Wenn der Boden eine Verformung aufweist, die einen Bruch in der horizontalen Ebene zur Folge hat, dient diese Verformung oft Versammlungszwecken. Dies ist insbesondere in Theatern, Auditorien und Kirchen der Fall. Typisch für diese Gebäudetypen sind auch Anpassungen an der Decke zur Verbesserung der Akustik. Im Fall der Kirche Sainte-Bernadette du Banlay von Claude Parent und Paul Virilio wird in der Literatur zwar fast ausschließlich der geneigte Fußboden thematisiert, doch im Schnitt ist erkennbar, dass auch das Dach modelliert und am Boden ausgerichtet wurde, um das Raumgefühl in diesem schräg platzierten Raumkörper zu verstärken. Auf ähnliche Weise überlagert SANAA im Entwurf für das Rolex Learning Center die wellenförmigen Boden- und Deckenplatten miteinander, umgibt diese jedoch nicht mit einer orthogonalen Gebäudehülle. Der Raum zwischen Gebäudeunterseite und Erdreich ist sichtbar und aktiv eingebunden. Das Gebäude ist eine ungewöhnliche Kombination aus einem extrudierten und einem verformten Schnitt, der durch Hohlräume aktiviert wird; ein Beispiel für ein Hybridprojekt, das mehrere Schnittarten in sich vereint. Im Opernhaus in Taichung von Toyo Ito wird die Verformung ebenfalls mit anderen Schnittarten kombiniert. Jedoch dominieren hier die modellierten Betonformen, die einen Kontrast zu den repetitiv geschichteten Geschossdecken bilden und Auswirkungen auf den Schnitt haben. Durch sie entstehen die wichtigsten Räume im gesamten Komplex. Man sollte allerdings beachten, dass verformte Geschossdecken und komplexe Topografien im Schnitt unterschiedliche Veränderungen erzeugen. In Großprojekten wie dem Yokohama Fährterminal vom Büro Foreign Office Architects oder dem Olympic Sculpture Park von Weiss / Manfredi orientiert sich das Schnittprofil an der umgebenden Landschaft, wohingegen sich die Topografie des Geländes nicht unbedingt auf die Gestaltung des Innenraums auswirkt. Je größer diese Projekte werden und/ oder je mehr sie sich in die topografischen Gegebenheiten des Grundstücks einpassen, umso weniger werden sie im Schnitt als verformte Flächen wahrgenommen, sondern eher als Erweiterung oder Transformation der Landschaft. Versatz

Abb. 42 – 49

Ein Versatz erfolgt entlang einer Fuge oder eines Einschnitts parallel zur horizontalen oder vertikalen Schnittachse. Die genaue Angabe, ob es sich um einen vertikalen oder horizontalen Versatz handelt, ist unerlässlich, da je nach Schnittachse völlig unterschiedliche Effekte erzeugt werden können.

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36 Johannes Hendrik van den Broek, Aula der TU Delft, 1966 37 Louis I. Kahn, Kimbell Art Museum, 1972 38 OMA, Agadir Convention Center, 1990 39 Frank Gehry, Experience Music Project, 2000 40 Weiss / Manfredi, Seattle Art Museum: Olympic Sculpture Park, 2007 41 Ryue Nishizawa, Teshima Art Museum, 2010

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Frank Lloyd Wright, Unity Temple, 1906 Le Corbusier, Villa Baizeau, 1928 A. J. Rynkus, Split-Level House, 1958 Paul Rudolph, Penthouse am Beekman Place, 1973

Ein vertikaler Versatz, bei dem die Geschossdecken geschnitten und die Geschosse in der Vertikalen verschoben werden, bedeutet, dass die Diskontinuität im Grundriss neue Kontinuitäten im Schnitt erzeugt. Besonders effektiv ist der vertikale Versatz, wenn es darum geht, in extrudierten oder geschichteten Schnitten optische, thermische oder akustische Verbindungen herzustellen, ohne die tektonische Effizienz der Wiederholung zu stark zu beeinträchtigen. Dieser faszinierende Aspekt lässt sich für verschiedene Zwecke nutzen. Beispielsweise sind in Split-Level-Häusern die Blickbeziehungen und der fließende Übergang zwischen den Geschossen ausgeprägter als in einem zweistöckigen Haus. Meist ist der Eingangsbereich mit Küche und Esszimmer auf halber Höhe zwischen der Garage im Erdgeschoss und dem darüber befindlichen Wohnzimmer angeordnet, und die Schlafzimmer befinden sich direkt über dem Eingang. Der Treppenaufgang in einem Split-Level-Haus stellt nicht nur die Verbindung zwischen den Stockwerken her, sondern kann auch als Bestandteil der einzelnen Geschosse angesehen werden, wodurch das Haus wie eine Erweiterung der Treppe wirkt. In Herman Hertzbergers Entwurf für die Apollo-Schulen entstehen durch den vertikalen Versatz mehr Sichtbezüge zwischen Klassenzimmern und Fluren, was eine gewisse dramatische soziale Dynamik erzeugt. Zugleich wird der Großteil der Klassenzimmer von diagonalen Einblicken abgeschirmt. Dies schafft „die richtige Balance zwischen Aussicht und Abgeschiedenheit“7, wie es Hertzberger beschreibt. Durch einen vertikalen Versatz können extremere Gegenüberstellungen von Grundriss und Schnitt intensiviert werden. Diller Scofidio + Renfro setzen den vertikalen Versatz beim Perry and Marty Granoff Center for the Creative Arts der Brown University ein, um den visuellen Dialog zwischen den ansonsten räumlich getrennten Nutzungsprogrammen anzustoßen, indem nur ein sehr kleiner Teil jedes Raumes abgeschottet wird oder verborgen bleibt. Diese Intensivierung der optischen Trennung von Nutzungen wird durch eine entlang der Versatzlinie platzierte Glaswand erkennbar, die dem Schallschutz dient. Nicht nur um ein Gebäude herum, sondern auch ober- und unterhalb der Versatzachse kann ein vertikaler Versatz raffinierte Beziehungen zwischen innen und außen erzeugen, weil sich auch die Staffelung der Ebenen von unten nach oben durch das Gebäude zieht. Für einen vertikalen Versatz sind nur wenige Änderungen an der Grundfläche oder dem Verlauf der Außenwände nötig und sie wird häufig auf kleinen Grundstücken eingesetzt, um abwechslungsreiche Innenräume zu generieren. Bei einem horizontalen Versatz bleiben der Grundriss als solcher und die Logik der extrudierten Geschossplatten in gewisser Weise erhalten, jedoch entstehen durch das Wechselspiel aus Vor- und Zurückspringen neue Räume. Während ein vertikaler Versatz das Gebäudeinnere direkt verändert, hat der horizontale Versatz einen größeren Einfluss auf das Äußere. Doch es gibt noch zwei andere Faktoren, die sich auf Gebäude mit horizontalem Versatz auswirken: zum einen das Maß des systematischen und regelmäßigen Versatzes jeder Etage. Zum anderen, und dieser Faktor bezieht sich meist direkt auf den ersten, die Ähnlichkeit zwischen den einzelnen Geschossplatten. Die Terrassenhäuser von Henri Sauvage, deren anschaulichstes Beispiel das Gebäude 13 Rue des Amiraux in Paris ist, weisen sowohl einen konstant wiederkehrenden horizontalen Versatz als auch relativ ähnliche Geschossplatten auf, wodurch eine gestufte Terrassenlandschaft erzeugt wird. Eine Seite des Gebäudes öffnet sich somit der Sonne und dem Himmel, während auf der anderen zwischen den Auskragungen und dem Boden ein schattiger Bereich entsteht. Sauvage platzierte zwei Terrassenhäuser mit den Rückseiten zueinander und legte im Schattenbereich

18 ein Schwimmbad an. So konnte er mit dieser besonderen Schnittführung die Vorzüge für den Einzelnen (Terrasse) mit Vorteilen für die Gemeinschaft (Schwimmbad) verknüpfen. Eine solche Konfiguration war insbesondere für den Wohnungsbau sehr attraktiv, weil sie das Musterbeispiel eines geschichteten Hochhauses inmitten eines Parks zusätzlich mit den Vorzügen optimaler Sonnenbestrahlung, bestem Ausblick und einem Raum für die Gemeinschaft ausstattete. Die Wiederholung wurde eingesetzt, um Unterschiede zu erzeugen. Darüber hinaus wurden dadurch neue Beziehungen zwischen dem Ganzen und seinen Teilen erkennbar und so mehr Kontinuität zwischen Landschaft und Gebäude möglich. Der horizontale Versatz wurde in vielen Projekten und Bauwerken angewendet, darunter beim Wohnberg von Walter Gropius (Entwurf von 1928), dem Projekt Durand von Le Corbusier (1933, Algier), dem Lower Manhattan Expressway von Paul Rudolph (Entwurf von 1972), den Wohnheimen der University of East Anglia (1962, Norwich, Großbritannien) und dem Christ’s College (1966, Cambridge, Großbritannien) von Denys Lasdun, dem Hotel Camino Real von Ricardo Legorreta (1981, Mexiko-Stadt) sowie den Mountain Dwellings von BIG/JDS (2008, Kopenhagen). Das Projekt Mountain Dwellings setzt eine von Sauvages Skizzen, die schon ein Jahrhundert alt sind, in die Realität um. Darin befindet sich ein Parkhaus, das von einem pyramidenförmigen Wohnkomplex überlagert wird. Dass die Mountain Dwellings mehr Parkplätze enthalten als die Bewohner benötigen, zeigt, dass ein Sockel mit großem Fassungsvermögen entstehen kann, wenn der Neigungswinkel steiler gewählt und für jede Wohnung ein größerer Außenbereich generiert wird. Indem mehrere Terrassen zu einem einzigen offenen Volumen zusammengefasst werden, können durch horizontalen Versatz Gemeinschaftsbereiche entstehen. So setzt das Diana Center im Barnard College von Weiss / Manfredi den Horizontalversatz auf intelligente Weise ein, um innerhalb dieses mehrstöckigen Universitätsgebäudes mehrere öffentliche Lounge-Bereiche zu erzeugen. Dadurch entsteht in der Diagonale eine visuelle Kontinuität durch den urbanen Campus. Im Nederlands Instituut voor Beeld en Geluid der Architekten Neutelings Riedijk wird die räumliche Kontinuität, die durch den Horizontalversatz entsteht, ebenfalls in vollem Umfang ausgenutzt. Der Versatz erfolgt hier oberund unterirdisch in einem Winkel von 90 Grad. Die Eingangshalle stellt eine visuelle Verbindung zum abgetreppten Archivbereich in den Untergeschossen des Gebäudes her. Die geschichteten Etagen darüber sind im rechten Winkel dazu verschoben. Sie öffnen den Hauptraum für das Tageslicht, das durch das Oberlicht fällt, und lassen einen mehrgeschossigen Ausstellungsraum im oberen Teil entstehen. Die Gebäudemasse bildet gewissermaßen einen Hohlraum in Form einer Stufenpyramide. Der wiederholte horizontale Versatz selbstähnlicher Geschossplatten erzeugt gestufte Außenbereiche, und die Auskragungen kommen der Stabilität zugute. Durch den unterschiedlich stark ausgeprägten horizontalen Versatz entstehen um das gesamte Gebäude herum Schnittmomente, die häufig einen zentralen Kern zur Stabilisierung erforderlich machen. Diese Momente treten im Gegensatz zu einem repetitiven gestuften Schnitt nur lokal und eher in Form von Plattformen, Balkonen, Auskragungen und Oberlichtern auf als in Form von Gemeinschaftsbereichen. Fallingwater von Frank Lloyd Wright ist ein gutes Beispiel für unterschiedlich große, gegeneinander verschobene Geschossplatten, die außen am Gebäude Effekte im Schnitt erzeugen. Sie sind rings um das Gebäude herum angeordnet und bewirken den Eindruck, es würde nach oben wachsen oder sich nach unten ergießen. Das Gebäudeinnere ist sehr komprimiert, wobei der Raum horizontal, nicht vertikal verschoben wurde.

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46 Walter Gropius, Entwurf für den Wohnberg, 1928 47 Denys Lasdun, Wohnheime, University of East Anglia, 1968 48 Paul Rudolph, Entwurf für den Lower Manhattan Expressway, 1972 49 John Andrews, Gund Hall, Harvard Graduate School of Design, 1972

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50 Marie-Gabriel Veugny, Cité Napoléon, 1853 51 OMA, Très Grande Bibliothèque, 1989 52 Jean Nouvel und Emmanuel Cattani & Associates, Galeries Lafayette, 1996 53 Steven Holl Architects, Simmons Hall, MIT, 2002

Abb. 50 – 58

Der Hohlraum, ein pragmatisches und häufig verwendetes Hilfsmittel im Schnitt, entsteht durch eine Öffnung oder Durchdringung in einer Geschossplatte. Zwar reduziert sich dadurch die Geschossfläche, jedoch entstehen Vorteile für den Gebäudeschnitt. Hohlräume sind räumliche Elemente, die zugunsten vertikaler Effekte strategisch eingesetzt werden können. Sie variieren in Größe und Anzahl – von einzelnen kleinen Öffnungen zwischen zwei Etagen bis hin zu mehrgeschossigen Atrien, die ganze Gebäude gliedern. Kleine Hohlräume beherbergen Versorgungsleitungen wie Steigrohre, Kabelkanäle und Installationsleitungen und sind meist nicht groß genug, um die Statik der Geschossplatte zu beeinträchtigen. Aufzugsschächte und Feuertreppen hingegen dienen der Aussteifung der gesamten Konstruktion, und ihre massiven Wände nehmen Querkräfte auf. Sie werden genau aus dem Grund in vertikale Hohlräume integriert, weil diese nicht dafür ausgelegt sind, eine visuelle Kontinuität zwischen den Etagen herzustellen.8 Kleine Öffnungen in einzelnen Geschossplatten können strategisch ganz nach den Bedürfnissen des Grundrisses angeordnet werden. Größere Hohlräume in mehrgeschossigen Gebäuden haben größere Auswirkungen und erzeugen eine räumliche Kontinuität zwischen den Etagen. Sie dienen dem visuellen Austausch und erzeugen im Gebäude eine Durchgängigkeit für Licht, Schall, Geruch und Wärme. Hohlräume sind sekundäre Veränderungen in ein- oder mehrfach geschichteten Schnitten. Ein einfaches, eindeutiges Beispiel für einen Hohlraum von der Größe eines Raums ist im Haus Citrohan von Le Corbusier zu finden, das 1927 in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart im Rahmen einer Ausstellung errichtet wurde. Das zentrale, das Haus strukturierende Element ist ein zweigeschossiger Raum, der durch eine Verkürzung der Geschossplatte im zweiten Obergeschoss entstanden ist. Hier können sich nicht nur Licht, Blicke und Schall frei ausbreiten, sondern dieser Hohlraum etabliert zudem Hierarchien zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten, Figur und Grund, den Teilen und dem Ganzen. Der zweigeschossige Schnitt des Hohlraums besticht durch Klarheit und Schlichtheit. Ein neues Tragwerk ist dafür nicht erforderlich; die vorhandene Konstruktion wird lediglich an einigen Stellen zurückgebaut. Diese Art von Hohlraum beeinflusst die Bedeutung und Hierarchie der ihn umgebenden Räume, etwa indem formelle zweigeschossige Räume entstehen. Solche nutzungsspezifisch skalierten Hohlräume werden beispielsweise für Lobbys, zentrale Treffpunkte, Innenhöfe und Wohnzimmer eingesetzt.9 Atrien verstärken die Wirkung kleinerer Hohlräume sowohl in der Breite als auch hinsichtlich der Geschosszahl und steigern ihren Effekt. Diese verstärkende Wirkung ermöglicht die effektive Verteilung des Tageslichts (häufig durch Oberlichter) und der Luft und wertet die Rolle des Innenraums auf. Im Bürogebäude für die Firma Larkin von Frank Lloyd Wright dient das zentrale Atrium dazu, die Büroräume zu organisieren und zu bündeln; es lässt Tageslicht in das Gebäudeinnere und trägt zur mechanischen Luftverteilung bei. In diesem großen Gebäude, das wohlweislich vom Lärm und Ruß des benachbarten Bahngeländes abgeschirmt wurde, liegt der Fokus auf dem Atrium und nicht auf der äußeren Umgebung. In dieser Größe ist das Atrium weniger als Öffnung in den Geschossplatten zu verstehen denn als Raum, um den herum die Etagen angeordnet sind; etwas, das Louis I. Kahn mit der ausgefeilten Gestaltung des sichtbaren Tragwerks im Atrium der Bibliothek der Phillips Exeter Academy explizit

20 thematisierte. Kevin Roche John Dinkeloo and Associates legten das Atrium im asymmetrisch konzipierten Hauptsitz der Ford Foundation als klimatisierten Vierjahreszeitengarten an, der sich nach Süden und Osten dem Sonnenlicht öffnet. Gen Norden und Westen ist es von Büros umschlossen, wobei im Bereich der untersten und der obersten Geschosse eine Terrassierung durch horizontalen Versatz entstand. John Portman hat die Nutzung von Atrien bis zum Äußersten getrieben und Hotels entworfen, die sich durch die radikale Dichotomie zwischen ihrem konventionellen Äußeren und ihrem spektakulären Inneren auszeichnen. Seine gewaltigen Atrien scheinen sich in unendliche Höhen zu erstrecken; dieser Eindruck wird durch exponierte gläserne Aufzüge verstärkt, die an geschichteten, offenen Gängen und Galerien entlangfahren. Das Atrium in Portmans New York Marriott Marquis Hotel ist von 37 Etagen eingerahmt, die in Blöcken von je fünf übereinandergeschichteten Geschossen horizontal versetzt angeordnet sind. Die reizvolle Erscheinung und der spektakuläre Raumeindruck sind der Grund, warum Atrien in Konsumtempeln, insbesondere in Warenhäusern wie den Pariser Galeries Lafayette von 1912 oder dem Entwurf von Jean Nouvel für dasselbe Unternehmen in Berlin vom Ende des 20. Jahrhunderts so häufig eingesetzt werden. Hohlräume sind auch das Schlüsselelement der Mediathek in Sendai von Toyo Ito, wo sie ein faszinierendes Gleichgewicht zwischen den Auswirkungen auf den Grundriss und der Lesbarkeit des Schnitts schaffen. Das Gebäude ist um 13 Hohlräume herum organisiert, die alle sieben Geschossplatten durchdringen. Sie dienen der Erschließung, als technische Schächte, als Leitungsbahnen für Strom, Luft, Licht und Schall durch die Geschossplatten hindurch und paradoxerweise auch als Tragwerk. Diese hohlen, begehbaren Röhren aus Stahlgitterwerk bilden nicht nur den Schnitt heraus, sondern sind auch elementare Bestandteile des Grundrisses, weil sie das Raumprogramm in jeder Etage inszenieren. Die von dem Gebäude umschlossenen Hohlräume der Sendai Mediatheque erfüllen einen Entwurf mit Leben, der andernfalls lediglich aus einer Reihe von unabhängigen, geschichteten Etagen bestünde. Schräge

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Schrägen sind geneigte Bodenflächen, die meist verschiedene Ebenen miteinander verbinden. Sie verändern den Winkel einer Nutzfläche und verwandeln dadurch den Grundriss in einen Schnitt. Denn im Gegensatz zu Schichtung, Versatz und Hohlraum lassen sie die Grenze zwischen Grundriss und Schnitt verschwimmen. Für das Spiel mit dem Schnitt mithilfe von Schrägen muss keine Geschossfläche geopfert werden. Wie beim Hohlraum ist auch ihr Einfluss auf den Schnitt von ihrer Größe abhängig; Schrägen können sich auf schmale Rampen beschränken, sie finden sich aber auch in zur Gänze geneigten Geschossen oder in einer ganzen Siedlung, wie es sich Claude Parent und Paul Virilio in ihrer Theorie Vivre à l’Oblique, des Lebens auf der Schräge, ausmalten. Le Corbusier prägte den Begriff der promenade architecturale, womit er eine Reise durch den Raum bezeichnete, die auf der Kontinuität der Horizontalen dank Rampen basiert. In der Villa La Roche-Jeanneret wurde diese Idee 1923 erstmals baulich umgesetzt, indem ein Galerieraum von einer Rampe durchschnitten wurde. Die Schräge ist in diesem Maßstab eher ein Objekt innerhalb eines zweigeschossigen Raums als ein vollständig artikuliertes Element des Gebäudeschnitts. Dort, wo ihre Krümmung eine Ausbuchtung in der Wand betont, wirkt sich die Rampe stärker auf den Grundriss aus.

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54 Le Corbusier, Villa Savoye, 1931 55 Tecton, Penguin Pool, 1934 56 Vilanova Artigas, Wohnhaus von Heitor de Almeida, 1949 57 Le Corbusier, Palais des Congrès, 1964 58 Claude Parent und Paul Virilio, Habitable Circulation, 1966

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Vilanova Artigas, Architekturfakultät in São Paulo, 1969 OMA, Zwei Bibliotheken in Jussieu (Detail), 1992 OMA, Educatorium, 1997 Alberto Campo Baeza, Museo de la Memoria de Andalucía, 2009 Henning Larsen Architects, Konzert- und Konferenzzentrum Harpa, 2011

Im Vergleich dazu ist die Schräge in der Villa Savoye viel funktionaler, wenn es darum geht, das Gebäude im Sinne einer promenade architecturale zu organisieren und zu nutzen. Sie verbindet Räume in und auf den beiden Geschossplatten sowie durch sie und über sie hinaus und gipfelt in einem Dachgarten auf dem Haus. Der vertikale Raum des Schnitts wird jedoch durch die Tatsache beschnitten, dass auf beiden Etagen Raum benötigt wurde, um die Rampe unterzubringen. Darüber hinaus wandert die Rampe von innen nach außen und ist im Inneren der Villa, wo Le Corbusier zugunsten des Schnitts die Rampe an einer durchgehenden Wand entlang einfügte, räumlich abgetrennt. Diese Lesart wird durch die Schnittzeichnung der Villa Savoye aus Le Corbusiers Œuvre complète untermauert, die aus einem früheren Entwurf stammt, in dem diese Wand noch eine Etage höher reichte. Ironischerweise führt eine schmale Rampe wie die in der Villa Savoye im Grundriss eher zu Diskontinuität als zu Kontinuität. Zwar ist sie nur 1,20 Meter breit, benötigt aber eine Länge von 9,75 Metern, um den Abstand zwischen den Geschossen zu überbrücken.10 Entlang des Weges auf der Rampe sorgt die Schräge für Kontinuität im Schnitt, die jedoch ihren Preis hat. Um die Etagen miteinander zu verbinden, muss die Schräge in den Grundriss der Villa eingreifen und kreiert dadurch eine räumliche Diskontinuität. Die Rampe der Villa Savoye teilt den Grundriss in zwei Teile; sie trennt die Garage von der Eingangshalle und die Außenterrasse von den Schlafzimmern, und sie ermöglicht zugleich den Einfall von Tageslicht sowie diagonale Blickbezüge. Dieses Paradoxon einer Schräge, demzufolge Kontinuität im Schnitt nur durch Diskontinuität im Grundriss erzeugt werden kann, wurde von Frank Lloyd Wright in zwei unterschiedlichen Projekten eingehender erforscht. Im V. C. Morris Gift Shop windet sich im Atrium eine schmale Rampe empor, die die Blickbezüge durch den Schnitt verstärkt und die durch Versatz entstandenen räumlichen Brüche reduziert. Die Bewegung nach oben und – viel wichtiger noch – entlang der spiralförmigen Schräge intensiviert das Shopping-Erlebnis. Während die Schräge in der Villa Savoye ein autonomes Element ist, das das Stützenraster unterteilt und alle Geschosse durchdringt, wirkt die Schräge im Morris Gift Shop, als hinge sie von der Balustrade des oberen Stockwerks herab und führe im Erdgeschoss auf die Rampe und um sie herum. Da der Morris Gift Shop in ein bestehendes Bauwerk integriert wurde, waren Wright in seinem Spiel mit der Schräge Grenzen gesetzt, aber beim Entwurf für das Solomon R. Guggenheim Museum tauchte er tiefer in dieses Thema ein. In dem berühmten, spiralförmig angelegten Museumsbau lässt Wright Schräge und Atrium miteinander verschmelzen und verwandelt die Hauptebenen der Galerie in eine einzige durchgehende Promenade; Seitengalerien und Betriebsräume haben ebene Böden und befinden sich etwas abseits. Da sich alle Etagen quasi auf einer Ebene vereinen, steht der Besucher nicht vor der Frage, in welcher Reihenfolge er die Bilder betrachten, sondern wo er beginnen soll. Wright hat bekanntlich darauf gedrungen, dass alle Besucher zunächst mit dem Fahrstuhl ganz nach oben fahren, um dann wie bei einem gemütlichen Spaziergang auf der Rampe nach unten zu flanieren – doch die Kuratoren hielten sich bei ihrer Ausstellungsinszenierung nicht immer an diese Vorgabe. Wrights Arbeit am Guggenheim weist Parallelen zum nicht realisierten Projekt Gordon Strong Automobile Objective auf, einem Aussichtspunkt und Planetarium, in dem eine Doppelspirale für den Autoverkehr nach oben und unten vorgesehen war. Tiefbau- und Parkhausprojekte haben die Schräge schon immer als notwendiges Mittel zur Optimierung des Verkehrsflusses eingesetzt. Mit Rampen

22 ausgestattete Parkhäuser verwenden Schrägen auf zweierlei Art: entweder als Verbindungsglieder zwischen den übereinander geschichteten Parkebenen oder aber als durchgehend geneigte Flächen, die den ruhenden mit dem fließenden Verkehr vereinen. Während das Guggenheim mit letzterem Motiv spielt, loten Herzog & de Meuron im Gebäude 1111 Lincoln Road das kreative Potenzial der ersten Variante aus, indem sie das Parkhaus durch die Variation der Geschosshöhen in einen geselligen Ort verwandeln, zu dem auch ein Wohnbereich mit versetzten Ebenen auf dem Dach gehört. Im Gegensatz zu Wright, der das Paradoxon der Diskontinuität überwindet, indem er in das Guggenheim Museum ein zentrales Atrium einfügt, setzt OMA die Schräge ein, um eine größere programmatische Dichte zu erzeugen und visuelle Gegenüberstellungen zu schaffen. Die Kunsthal Rotterdam von OMA ist eine Rampe von der Größe eines ganzen Gebäudes. Der Versatz zwischen zwei geneigten Flächen ist hier stark überzeichnet und ruft Nutzungsverschiebungen hervor: Beispielsweise führen ein Gang im Gebäudeinneren und ein Gehweg draußen über dieselbe Rampe, beide sind nur durch eine Glaswand voneinander getrennt. Der Gehweg befindet sich zwar im Freien, verläuft aber mitten durch das Gebäude hindurch. Die Begrenzungen dieser Rampe sind nach außen verschoben und als Erhebungen zu erkennen. Das nicht realisierte Bibliotheksprojekt von OMA für Jussieu (1992) ist um eine durchgehende Schräge herum organisiert, die wie im Guggenheim die Separierung der einzelnen Etagen aufhebt. Aber im Gegensatz zum Guggenheim variiert die Breite der Rampe und nutzt die durch Einschnitte, Falten und Versprünge entstehende Diskontinuität aus, um einer Vielzahl von Räumen und Nutzungsmöglichkeiten auf derselben durchgängigen Fläche Platz zu bieten. Obwohl mit einer durchgehenden geneigten Fläche das Ziel verfolgt wird, den Schnitt zu beleben, entsteht daraus nicht unbedingt ein interessanter vertikaler Raum. Das liegt daran, dass eine geneigte Fläche meist einfach in die entgegengesetzte Richtung geklappt wird, sodass ein geschichteter Schnitt mit geneigten Böden und zickzackförmigem Verlauf entsteht. In den besprochenen Projekten wurde der Raum vertikal erweitert, indem Teile des Bodens zurückgeschoben oder entfernt wurden, wie im Atrium des Guggenheim Museums oder bei den vertikalen Schächten der Kunsthal oder in der Bibliothek von Jussieu.11 Durchgehende geneigte Flächen gehen häufig mit Versatz einher und benötigen Hohlräume für die visuelle Kontinuität. Dies zeigt sich deutlich am Moesgaard Museum von Henning Larsen, dessen Form durch sein geneigtes Gründach vorgegeben wird. Während die Schräge von außen offensichtlich ist, ist sie im Inneren primär nur dann erkennbar, wenn der Blick durch den großen Hohlraum fällt, der dem überdimensionalen Treppenaufgang vorbehalten ist. Verschachtelung

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Verschachtelungen werden durch das Ineinanderfügen und die Überschneidung mehrerer Volumina erzeugt. Während Schichtung, Versatz, Hohlraum und Schräge hauptsächlich mit ebenen Platten arbeiten, werden für eine Verschachtelung dreidimensionale Körper ineinandergefügt. Die Häuser von Adolf Loos aus dem frühen 20. Jahrhundert weisen oft Verschachtelungen auf; dabei werden Räume auf verschiedenen Ebenen geschichtet und es entstehen komplexe Raumabfolgen, die als Raumplan bezeichnet werden. Die räumliche, konstruktive oder ökologische Leistung einer Verschachtelung ist gewöhnlich größer als die

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64 Cedric Price, Fun Palace, 1964 65 Le Corbusier, Heidi Weber Museum, 1967 66 Buckminster Fuller und Norman Foster, Climatroffice, 1971 67 Jean Nouvel und Philippe Starck, Opernhaus Tokio, 1986 68 Bernard Tschumi, Kunstzentrum Le Fresnoy, 1992 69 FAR frohn&rojas, Wall House, 2007

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70 Richard Rogers, Justizpalast Bordeaux, 1998 71 MVRDV, Eyebeam Museum of Art and Technology, 2001

der Einzelräume selbst. Wesentlich für diesen Denkansatz ist die Funktionalität des Zwischenraums und dessen Beziehung zur Gebäudehülle. Zwar gibt es für die Verschachtelung im Schnitt zahlreiche Möglichkeiten, doch an einer Handvoll Beispiele sollen zwei signifikante Varianten erläutert werden. Für den Entwurf des Kunstzentrums Centro de las Artes in der spanischen Stadt La Coruña haben die Architekten vom aceboXalonso Studio mehrere äußerst spezifische Veranstaltungsräume als unabhängige und doch miteinander verbundene Kuben innerhalb einer mehrlagigen Hülle angeordnet. Das Innere des Gebäudes besteht aus einem komplexen vertikalen Raum, der sich um die Kuben legt. Die einzelnen Räume sind spezifischen Nutzungen zugeordnet, während der Bereich dazwischen unbestimmt, fließend und nicht definiert ist. Dort, wo die Kuben der Tanzsäle die Außenwand berühren, ist die zweischalige Fassade unterbrochen. Dadurch ist von außen die Verschachtelung der Volumina im Schnitt gut erkennbar. Das Kulturzentrum Effenaar von MVRDV basiert auf einem pragmatischeren Ansatz: Räume von individueller Größe und mit unterschiedlicher Funktion sind hier entlang der Außenwände des Bauwerks angeordnet und verstärken damit die Dicke dieser Wände. Im Schnitt betrachtet, wirkt das Gebäude wie ein Donut, in dessen Mitte sich die große Konzerthalle befindet, die mit allen anderen Räumen verbunden ist. Während für aceboXalonso ein großer Rahmen als Ausgangspunkt diente, in den kleinere Volumina hineingeschoben wurden, setzte MVRDV die einzelnen Räume so zusammen, dass ein großes Ganzes entsteht. Die vertikale Erschließung in diesen und anderen Beispielen des Verschachtelungstyps ist eine entwurfstechnische Herausforderung, da Treppen die dichte Komposition von Volumina durchkreuzen könnten. In den Entwürfen von Loos wurden die Treppen zwischen und entlang der Raumkuben eingeflochten, sodass sie entweder Teil der vertikal gestapelten Kuben oder in den Zwischenräumen verstaut waren. Im Kulturzentrum Effenaar hat MVRDV die Erschließungswege und die Fluchttreppenhäuser einfach nach außen verlegt, wo sie als unabhängige Räume an das Gebäude geheftet sind. Der Entwurf von MVRDV für das Eyebeam Institute von 2001 ist eine differenziertere und komplexere Verschachtelung. Die unterschiedlichen Nutzungen sind wie in Effenaar über den Gebäudequerschnitt verteilt, jedoch wurden sie hier räumlich voneinander separiert. Zwischen den einzelnen Räumen entstand ein komplexer Hohlraum, der von den Volumina der Räume unterbrochen wird. Darüber hinaus setzt sich die Gebäudehülle, die gleichzeitig als Tragwerk dient, im Gebäude fort und legt sich um die Räume herum, sodass diese miteinander verbunden sind und die gesamte Konstruktion ausgesteift wird. Dort, wo die Raumvolumina von innen an die Gebäudehülle stoßen, ersetzen Öffnungen in der Fassade die tragende Außenhaut. Die Besonderheit dieser verschachtelten Raumprogramme ist von außen erkennbar, doch innerhalb des riesigen Gebäudes bleibt sie dem Auge verborgen. Wie schon bei den beiden vorigen Projekten, ist für den Zwischenraum keine spezielle Nutzung vorgesehen. Stattdessen ergeben sich aus der räumlichen Stimulation eines offenen, faszinierenden Schnitts ungeahnte Nutzungsmöglichkeiten. In den obigen drei Beispielen werden einzelne Volumina nebeneinander platziert, um einen Zwischenraum entstehen zu lassen. Für eine andere Form der Verschachtelung werden einzelne Volumina ineinandergefügt. Auch wenn es bei dieser Art der Verschachtelung unmöglich erscheint, daraus einen Schnitt zu entwickeln, kann diese Redundanz, sofern sie intelligent eingesetzt wird, die programmatische

24 Beziehung zwischen den Volumina intensivieren. Zudem kann sie, basierend auf der komplexen Beziehung zwischen Außenraum und klimatisierten Innenräumen, neue Formen zur Optimierung der Wärmeleistung hervorbringen. Ein Beispiel kleineren Maßstabs ist das Wohnhaus von Charles Moore in Orinda, Kalifornien (USA), aus dem Jahr 1962, in dem die Volumina von Wohnbereich und Dusche, jeweils gekennzeichnet durch vier Säulen und ein Oberlicht, von der Hülle des kleinen Hauses eingefasst sind. Diese „Ädikulä“ brechen mit herkömmlichen Mustern sowohl in Bezug auf das Tragwerk als auch auf die Lage des Badezimmers, das hier nach allen Seiten offen ist. Die verschachtelten Volumina werden zur primären Tragkonstruktion des Hauses, sodass die Gebäudeecken, gebildet aus Glasschiebetüren, aufgelöst werden können. Erstaunlicherweise sorgt diese Art der Verschachtelung für mehr Offenheit und eine stärkere Verbindung des privaten Hausinneren mit der Außenwelt. Von einer ganz anderen Verschachtelungsstrategie zeugt die Kirche San Paolo Apostolo im italienischen Foligno, entworfen vom Studio Fuksas. Durch große Hohlkästen wird die äußere Gebäudehülle mit dem zweiten Kubus im Inneren verbunden. An ihnen scheint der innere, nach unten offene Kubus aufgehängt zu sein, und sie leiten das Sonnenlicht in den Innenraum. Der Kontrast sowohl im Volumen als auch in der Beleuchtung des Schnitts verstärkt die dramatische Wirkung der Kirche. Die Verschachtelung ist eine besonders hilfreiche Methode, um den Tageslichteinfall durch mehrlagige Wände zu gewährleisten und zu steuern; eine Technik, die Gordon Bunshaft vom Büro Skidmore, Owings & Merrill in der Beinecke Library eingesetzt hat. Dort schützt ein Kubus aus lichtdurchlässigen Marmorplatten seltene Bücher vor direkter Sonneneinstrahlung und präsentiert sie im Inneren des Gebäudes zugleich sehr wirkungsvoll in ihrer eigenen, integrierten Glasvitrine. Das House N von Sou Fujimoto ist das Paradebeispiel einer Verschachtelung. Die drei rechteckigen Kuben, aus denen das Haus besteht, sind weiß gestrichen und enthalten ähnliche rechteckige, gerahmte Öffnungen an allen fünf Seiten; nur die Wandstärke nimmt von außen nach innen etwas ab. Doch da die Wände des mittleren Kubus als thermische Hülle dienen und die des äußeren Kubus bis an die Grundstücksgrenzen gerückt wurden, verleiht Fujimoto dem Gebäude eine überraschend komplexe Homogenität, die althergebrachte Unterschiede zwischen innen und außen, privat und öffentlich verschwimmen lässt. Obwohl alle Kuben sich ähneln, haben sie unterschiedliche Funktionen: Der äußere markiert die Grundstückgrenze, der mittlere reguliert die Raumtemperatur, und der innere grenzt den Schlaf- vom Wohnbereich ab. Jeder Kubus wäre für sich genommen zu durchlässig, aber zusammen sorgen sie für das richtige Maß an Ein- und Ausblicken. Allerdings tragen die einzelnen Kuben wenig zur Energieeffizienz des Hauses bei, da nur der mittlere Kubus eine dämmende Funktion hat. Im Gegensatz dazu nutzt die von Jourda Architectes entworfene Akademie Mont-Cenis in Herne die mehrfache Verschachtelung, um die Wärmeleistung zu verbessern. Innerhalb eines gewaltigen Holztragwerks befinden sich zwei unauffällige lineare Gebäude. Die Außenhaut ist eine Klimahülle, deren Fassadenelemente aus Glas und Fotovoltaikmodulen bestehen. Sie nutzt passive Solarenergie und Belüftung, um Wetterextreme auszugleichen, wodurch innerhalb der Hülle, um die innenliegenden Baukörper herum, ein gemäßigtes Mikroklima entsteht. Dieser Raum, der weder komplett im Freien noch komplett im Inneren liegt, ist in konzeptioneller und funktioneller Hinsicht mit dem Scheibenzwischenraum eines Isolierglasfensters vergleichbar. Ferner erzeugt die Verschachtelung einen Temperaturgradienten, der direkt mit dem komplexen Wechselspiel

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72 Karl Friedrich Schinkel, Altes Museum, 1830 73 Charles Garnier, Opéra de Paris, 1875 74 Adler & Sullivan, Chicago Auditorium Building, 1889 75 Frank Lloyd Wright, Gordon Strong Automobile Objective, 1925 76 Erik Gunnar Asplund, Stadtbibliothek von Stockholm, 1928

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zwischen Raum, Material und thermodynamischen Kräften im Schnitt verknüpft ist. Die Akademie Mont-Cenis ist raffinierter ausgearbeitet, als es die Klima-Utopien von Buckminster Fuller waren. Sei es sein Entwurf für eine Kuppel über Manhattan oder der Pavillon der USA auf der Expo ’67 in Montreal: Fuller setzte wiederholt verschachtelte Schnitte ein, um kontrollierte thermische Umgebungen zu schaffen. Diese großformatigen verschachtelten Schnitte waren das Ergebnis seiner Forschung und Innovationen im Bereich der räumlichen Rahmentragwerke, die den Bau großer Hüllen sowie die Realisierung von Haus-in-Haus-Konzepten ermöglichten. Hybridformen

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77 Alvar Aalto, Kunstmuseum in Bagdad, 1958 78 James Stirling, James Gowan und Michael Wilford, Gebäude der Ingenieurfakultät an der Leicester University, 1963 79 Arata Isozaki, Präfekturbibliothek von Oita, 1966 80 John Portman, Hyatt Regency Hotel in San Francisco, 1974 81 Denys Lasdun, Royal National Theater, 1976

Abb. 72 – 85

Extrusion, Schichtung, Verformung, Versatz, Hohlraum, Schräge und Verschachtelung sind Primärmethoden zum Erstellen von Schnitten. Der Übersichtlichkeit halber wurden sie hier einzeln vorgestellt, sie sind aber selten isoliert anzutreffen. Hohlraum und Versatz können beispielsweise nur zur Anwendung kommen, wenn extrudierte Geschosse oder geschichtete Bereiche vorhanden sind. Verformungen sind meist mit geschichteten Platten verknüpft, um ausreichend Standsicherheit zu gewährleisten und genügend Technikräume unterbringen zu können. Die komplexesten und raffiniertesten Gebäude entstehen in der Tat dann, wenn die Schnittarten miteinander kombiniert werden. In diesem Buch sind daher auch Projekte zu finden, die beispielhaft für innovative Kombinationen von Schnittarten und kreative Spannung stehen. Wenn keine Schnittart dominiert, haben wir diese Projekte jeweils als Hybrid bezeichnet. Bei Hybridformen werden Schnittarten auf vielfältige Weise kombiniert. Die grundlegendste ist wohl die Überlagerung zweier Arten, wobei keine der beiden dominiert. So wurden im Fall von Michael Maltzans Entwurf für die Star Apartments Schichtung und Verschachtelung kombiniert. Der Sockel aus Beton und die darüberliegenden Wohnetagen deuten darauf hin, dass die Schichtung als Schlüsselkonzept für die Schnittgestaltung diente. Doch der modulare Aufbau der einzelnen Wohneinheiten weist für den oberen Bereich eine Verschachtelung innerhalb der Schichtung aus. Andere Hybridprojekte lassen die Schnittarten so unauffällig miteinander verschmelzen, dass sie nur bei intensiver Betrachtung erkennbar werden. Die Villa Girasole – mit ihrem leichten rotierenden Oberbau, platziert auf einem unbeweglichen Rustika-Sockel und verbunden durch einen achtgeschossigen Turm mit Wendeltreppe – weist übereinander angeordnete Verschachtelungen, geschichtete Etagen im Haus und im Sockel sowie einen beachtlichen Hohlraum im Bereich der Wendeltreppe auf. Das gesamte Gebäude ist durch die Landschaft horizontal versetzt, und der im Atrium beginnende Treppenturm gewährleistet die Kontinuität zwischen der oberen und der unteren Parkanlage. Im VitraHaus von Herzog & de Meuron sind verformte Volumenkörper ineinander verschachtelt, übereinandergeschichtet und schließlich horizontal versetzt, um ein Atrium im Freien zu erschaffen. Das zweifellos futuristischste Projekt, das mehrere Schnittarten miteinander kombiniert, ist das Rolex Learning Center von SANAA, bei dem eine einfache Extrusion kontinuierlich verformt wurde, sodass Schrägen entstanden. Außerdem wird das Bauwerk von mehreren Hohlräumen durchkreuzt, in denen sich der verformte Schnitt offenbart. Es ist kaum verwunderlich, dass mehrstöckige Gebäude, die vertikal organisiert sind, häufig als Fallstudien für die kreative Schnittgestaltung dienen. Angefangen beim

26 Prada Flagship-Store Aoyama von Herzog & de Meuron bis hin zum Asakusa Culture and Tourism Center von Kengo Kuma & Associates wird die grundlegende Strategie der vertikalen Schichtung durch neue Ideen der Schnittgestaltung beeinflusst und erschwert. In die geschichteten Ebenen des Prada-Shops wurden verformte Volumina eingeschoben, in denen die Umkleiden untergebracht sind, und das Gebäude selbst ist ebenfalls ein verformter Kubus. Kuma stapelte in seinem Entwurf individuelle verformte Volumina, die wiederum ineinander verschachtelte Baukörper mit geneigten Geschossdecken enthalten. Häufig weisen komplexe öffentliche Gebäude oder Kulturbauten komplizierte Schnitte auf. Sie beinhalten meist eine Kombination aus nutzungsspezifischen Räumen, für die einzelne Volumina in eine vorgegebene Gebäudehülle integriert werden müssen. Theater, Konzerthäuser und andere Veranstaltungsorte besitzen Bühnen und rückwärtig ansteigende Zuschauerräume, die zusätzliche Erschließungswege und Hohlraumböden benötigen, wie im Falle des Konzerthauses Casa da Música von OMA. Lehrgebäude und öffentliche Bauten wie die Knowlton School of Architecture von Mack Scogin Merrill Elam Architects, die Seattle Central Library von OMA, das Museum der Iberê Camargo Foundation von Álvaro Siza, das Projekt 41 Cooper Square von Morphosis, die Melbourne School of Design von NADAAA, das Museu da Imagem e do Som von Diller Scofidio + Renfro sowie das Fakultätsgebäude der Università Luigi Bocconi von Grafton Architects nutzen den Schnitt ebenso, um originelle Bauwerke zu erschaffen, die eine Lösung für die Vereinigung unterschiedlichster Nutzungen unter einem Dach bieten. Durch den Einsatz mehrerer Schnittarten innerhalb eines Gebäudes stellen diese Projekte eine ergiebige Erkenntnisquelle dar, die es zu studieren und zu untersuchen gilt. Zwar wurden die in diesem Buch dargestellten Projekte ausgewählt, weil sie jeweils exemplarisch für einen Ansatz stehen, doch sie veranschaulichen nicht in jedem Fall das räumliche Wechselspiel des Hybridtyps. Das Zusammenspiel von zwei oder mehr Schnittarten gibt den Architekten die Möglichkeit, nicht nur komplexe Raumprogramme unterzubringen, sondern auch vielschichtige Projekte zu entwickeln. Allerdings bedeutet dies nicht, dass alle Projekte, die mehr als eine Schnittart einsetzen, automatisch interessante und ansprechende Bauwerke sind. Vielmehr zeigt der Blick auf die Vielfalt und die Komplexität der Hybridformen die unglaublichen Möglichkeiten für die heuristische Gliederung der Schnittarten auf. Diese Klassifizierung soll den architektonischen Diskurs nicht einschränken, sondern vielmehr anregen.

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82 Charles Correa, Kanchanjunga Apartments, 1983 83 Steven Holl Architects, Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin, 1989 84 Mecanoo Architecten, Bibliothek der Technischen Universität Delft, 1997 85 Neutelings Riedijk Architects, Museum aan de Stroom, 2010

Auszüge aus der Geschichte des Schnitts Obwohl der Schnitt in der heutigen Architekturpraxis sehr intensiv genutzt wird, tauchte er überraschend spät in der Geschichte der Architekturzeichnung auf. Zwar gab es bereits im frühen 15. Jahrhundert vereinzelte Schnittzeichnungen, doch in den europäischen Architekturhochschulen und -wettbewerben setzte er sich erst Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts durch und vervollkommnete das Triumvirat aus Grundriss, Aufriss und Schnitt.12 Es würde den Rahmen dieses Essays sprengen, die umfassende Geschichte des architektonischen Schnitts in der westlichen Welt über die letzten Jahrhunderte abzubilden; dennoch sollen die wichtigsten Stationen in der Konzeption und Verwendung des Schnitts vorgestellt werden. Nachfolgend wird eine Reihe von Ereignissen beschrieben, die zu mehreren Kernideen geführt haben. Diese Momentaufnahmen hängen nicht direkt zusammen und sind unvollständig, aber sie zeigen das Potenzial und die Widersprüche des Schnitts auf. Dazu zählt zu allererst einmal die Zweideutigkeit des Begriffs „Schnitt“. Wenn wir von einem Schnitt sprechen, meinen wir sowohl eine Darstellungsform als auch eine Reihe von Methoden in der Architektur, die sich auf die vertikale Organisation von Häusern und ähnlichen architektonischen und städtebaulichen Konstruktionen beziehen. Beides hängt sowohl historisch als auch fachlich zusammen. Obwohl die beiden Bedeutungen des Begriffs oft synonym verwendet werden und fließend ineinander übergehen, möchten wir diesen Zusammenhang erklären, um die historische Entwicklung des Schnitts von seinen Anfängen als Darstellungsform bis hin zu seiner Nutzung als Entwurfswerkzeug, das Auswirkungen auf die Raumgestaltung, Konstruktion und Leistung hat, zu beleuchten. Der analytische Schnitt: Archäologie und Anatomie

Abb. 86 – 92

Der Ursprung des Schnitts als Darstellungsart ist zwar unklar, wird aber normalerweise mit seiner Fähigkeit assoziiert, die verborgenen Mechanismen eines Gebäudes oder Körpers aufzuzeigen – meist retrospektiv oder analytisch. Die ältesten überlieferten zaghaften Versuche, einen architektonischen Schnitt darzustellen, sind die Studien mittelalterlicher Kirchen von Villard de Honnecourt aus dem 13. Jahrhundert.13 Unter den 33 Pergamentblättern mit seinen Zeichnungen, die ein breites Themenspektrum umfassen, befindet sich die Andeutung eines Schnitts durch die Außenwand der Kathedrale von Reims, gleich neben einer Zeichnung, die in erster Linie die Anordnung von Strebebögen im Aufriss darstellen soll. Zwar ist Honnecourts Zeichnung orthogonal und mit präzisen Linien angefertigt, doch der Schnitt ist zaghaft und unvollständig. Er fungiert vornehmlich als Randnotiz für die Darstellung der konstruktiven Komplexität, die sich mit den architektonischen Vorzügen einer gotischen Kathedrale vereint. Dennoch kündigt dieses frühe Beispiel bereits einen der häufigsten Verwendungszwecke der Schnittzeichnung an: als Mittel zur Analyse und Darstellung der statischen und konstruktiven Beziehungen, die nur durch das Skizzieren der vertikalen Anordnung eines Gebäudes sichtbar werden. Während Honnecourts Zeichnungen vermuten lassen, dass der Schnitt schon vor der Renaissance in Architektenkreisen nicht völlig unbekannt war, steht sein Aufstieg zu einer kodifizierten Darstellungsform in direktem Zusammenhang mit zwei verwandten Frühformen, die mit Architektur nichts zu tun haben: zum einen der Betrachtung archäologischer Ruinen und zum anderen der anatomischen Darstellung des menschlichen Körpers.14 In beiden Fällen

28 wird der Schnitt explizit mit dem optischen und physischen Sezieren eines Körpers gleichgesetzt; sei es ein gebauter oder ein organischer Körper. Folglich diente der Schnitt in erster Linie als Dokumentation einer beobachteten stofflichen Beschaffenheit und erst in zweiter Linie als Darstellungsform. In ihrem Artikel „The Archaeology of Section“ verfolgen Jacques Guillerme und Hélène Vérin den Ursprung der Architekturzeichnung zurück bis zur Betrachtung und anschließenden Darstellung römischer Ruinen und zu den physischen Bruchkanten und Fehlstellen in verfallenen Bauten.15 Diese fragmentierten Monumente boten einen Anblick, der dem reisenden Architekten oder Künstler ihr Inneres und Äußeres zugleich offenbarte. Nach Meinung von Guillerme und Vérin hat die Dokumentation dieser noch erhaltenen Monumente in ihrem Zustand des romantischen Verfalls allmählich dazu geführt, dass sich der Schnitt als bewusste Projektion der architektonischen Absicht herauskristallisierte und damit die Betrachtung archäologischer Überreste zu einer Betrachtung von Bauzeichnungen machte. Dass der Schnitt als fiktive Durchtrennung eines ansonsten massiven Gebäudes oder als Mittel zur Darstellung eines künftigen Gebäudes verstanden wird, ist auf die Dokumentation der Ruinen zurückzuführen, in der erkennbar ist, was andernfalls verborgen geblieben wäre. Dieser Bedeutungswandel erforderte ein konzeptionelles Umdenken weg von der tatsächlichen Abbildung eines verfallenen Gebäudes hin zu einer abstrakteren Ebene: der gedachten Schnittebene. Die konventionelle Art dieser Transformation zeigt sich in den vielfältigen Techniken, die den Schnittvorgang verdeutlichen sollen, von der Darstellung neuer oder geplanter Gebäude in ruinenhafter Form bis zur Schwärzung geschnittener Teile des Tragsystems, die die massive Bausubstanz eines Hauses verdeutlicht. Weitere Vorläufer der Schnittzeichnung sind in Kunst und Wissenschaft zu finden, in Darstellungen des menschlichen Körpers und der inneren Organe, die beim Sezieren menschlicher Überreste im Rahmen anatomischer Untersuchungen angefertigt wurden, wie sie im 15. Jahrhundert aufkamen. Wie auch beim architektonischen Schnitt setzte man hier sehr originelle Visualisierungstechniken ein, um deutlich zu machen, dass es sich um einen Schnitt handelte. Am häufigsten werden in diesem Zusammenhang Leonardo da Vincis obsessive Studien des menschlichen Körpers angeführt, einschließlich seiner Schädelskizzen, die Elemente aus Grundriss, Aufriss und Schnitt in einer Schnittperspektive vereinen. Da Vincis Schädelzeichnung hatte große Ähnlichkeit mit seiner Zeichnung der Kuppel einer kreisrunden Bibliothek, die er zeitgleich untersuchte. In beiden Fällen war der Schnitt unerlässlich, um die äußeren und inneren Gegebenheiten des Körpers beziehungsweise des Gebäudes in nur einer Zeichnung darstellen zu können. In De Humani Corporis Fabrica von Andreas Vesalius (1543), dem wohl berühmtesten der frühen Werke zur Medizin, sind die gehäuteten Körper wie lebendige Menschen dargestellt. Die Holzschnitte sind sehr detailliert und illustrieren nicht nur den Aufbau der Muskeln und inneren Organe, sondern sollen außerdem das Schneiden selbst sowohl als physischen Akt und als auch als Darstellungsform zeigen. Die Figuren nehmen Haltungen ein, in denen das behandelte anatomische Teilsystem gut erkennbar ist. Aber sie wirken dadurch auch, als nähmen sie auf fantasievolle Weise aktiv an ihrer eigenen Sektion und Offenlegung ihres Körpers teil. Auch wenn es schwierig ist, einen kausalen Zusammenhang zwischen diesen anatomischen Skizzen und der Architekturpraxis herzustellen, kann man doch Ähnlichkeiten erkennen. So scheint es in Bezug auf Zeichentechniken

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86 Villard de Honnecourt, Kathedrale in Reims, ca. 1230 87 Donato Bramante, Römische Ruinen, ca. 1500 88 Giuliano da Sangallo, Tempel von Portumnus und Vesta, 1465 89 Leonardo da Vinci, Studium kirchlicher Zentralbauten, ca. 1507

29 und Darstellungsarten einen Austausch gegeben zu haben, denn Techniken, die in dem einen Fachgebiet angewendet wurden, sind auch in dem anderen zu finden. Allerdings legen sowohl die anatomischen als auch die archäologischen Darstellungstechniken den Schluss nahe, dass der Schnitt anfangs als retrospektives und nicht als prospektives Werkzeug eingesetzt wurde und damit eher der Analyse diente als dem Entwurf von etwas Neuem. Vielleicht ist dieser Ursprung in der Dokumentation und Offenlegung von etwas Bestehendem der Grund dafür, dass der Schnitt als Entwurfswerkzeug nur langsam Einzug in die Architekturpraxis hielt. Die Entstehung des Architekturschnitts: Maßstab und Wahrnehmung

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90 Leonardo da Vinci, Schädel, 1489 91 Andreas Vesalius, Skizzen aus De Humani Corporis Fabrica, 1543 92 Bernardo della Volpaia, Pantheon aus dem Codex Coner, ca. 1515

Abb. 93 – 101

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erschien die Schnittzeichnung erstmals als explizit architektonische Technik in den Werken italienischer Architekten. Zu jener Zeit keimte einerseits das Interesse an der Dokumentation antiker Ruinen wieder auf, andererseits wurden mithilfe des Schnitts Vermutungen über Konstruktion und Materialität der noch intakten antiken Gebäude angestellt sowie neue Bauten und Projekte beschrieben. Das unter Kaiser Hadrian 128 n. Chr. erbaute Pantheon war häufig Gegenstand solcher Spekulationen, oft begleitet von spekulativen Schnittzeichnungen, die in der Hoffnung angefertigt worden waren, die der Konstruktion und Proportion zugrundeliegende Logik entschlüsseln zu können, die es so lange hatten überdauern lassen.16 Aufgrund der kreisrunden Öffnung am Scheitelpunkt der Kuppel, durch die Licht in den Innenraum fällt, bot dieses Bauwerk Architekten ein interessantes Studienobjekt. Anstelle einer geschlossenen Kuppel besaß das Pantheon einen markanten Hohlraum, der den Innen- und den Außenraum auf eine Weise miteinander verband, die normalerweise nur in einer Schnittzeichnung erkennbar wäre. Frühe Sammlungen von Renaissance-Zeichnungen (wie der Codex Coner, der Codex Barberini oder die Skizzen von Baldassarre Peruzzi) enthalten zahlreiche Schnitte, einschließlich verschiedener Interpretationen des Pantheons sowie Ansichten von anderen kirchlichen Zentralbauten der damaligen Zeit. In diesen Zeichnungen wurde versucht, das äußere und innere Wandprofil entlang einer gedachten Schnittlinie aufzuzeichnen, um so die Beziehung zwischen der Gebäudehülle und dem Raum, den sie umschließt, zu visualisieren. Der Status des Schnitts als Form der Architekturdarstellung war selbst in diesen frühen Zeichnungen fraglich, da das Abbilden der Wandbeschaffenheit nur einen Teil der gesamten Zeichnung ausmachte. In seinem Essay „Das Raumbild in der italienischen Architekturzeichnung der Renaissance“ gab Wolfgang Lotz zu bedenken, dass sich die Schnittzeichnung nicht separat als kodifizierte Form entwickelte, sondern aus mehreren neuen Verfahren hervorging, die miteinander kombiniert wurden.17 Lotz interessierte sich weniger für den Stellenwert des Schnitts an sich als vielmehr für die Rolle, die diese Art der Darstellung bei der Innenraumgestaltung oder der Dokumentation von baulichem Maßstab und Proportionen spielte. Im Codex Coner, einer Sammlung von Zeichnungen aus dem frühen 16. Jahrhundert, die Bernardo della Volpaia zugeschrieben wird, sind die geschnittenen Wände in Zentralperspektive dargestellt. Dieser künstlerische Ansatz vernachlässigt die Maßgenauigkeit zugunsten der Darstellung einer Szene, die sich hinter der Schnittebene abspielt. Im Gegensatz dazu weisen einige Schnitte im Codex Barberini (von Giuliano da Sangallo) sowie die Pantheon-Zeichnung von Peruzzi einen

30 Hang zur parallelperspektivischen Darstellung auf, bei der der Raum hinter der Schnittebene ohne Fluchtpunkt oder perspektivische Verzerrung im Aufriss dargestellt ist. Die Schnittperspektiven aus dem Codex Coner sind zwar eindeutig räumlich, stellen den Raum jedoch auf ganz besondere Weise dar, die teils der Logik dieser Art der Darstellung folgt und zum anderen davon geprägt ist. Der Architekturhistoriker und -kritiker Robin Evans hat behauptet, dass die der Schnittzeichnung inhärente Logik vor allem spiegel- und achsensymmetrischen räumlichen Anordnungen zugutekommt, weil diese sich mit dieser Technik problemlos abbilden lassen.18 Zudem implizieren die zentralisierten und frontalen Schnitte im Codex Coner, dass der Raum als Volumen, aber auch aus der Perspektive eines statischen Beobachters wahrgenommen wird, der die Architektur als Bildkomposition begreift. In diesem Verständnis bekräftigt der perspektivische Schnitt die Wahrnehmung der Architektur als optisches Phänomen, das an einen festgelegten Betrachterstandpunkt gebunden ist. In den später entstandenen Zeichnungen des Codex Barberini und den Arbeiten von Peruzzi und Antonio da Sangallo dem Jüngeren verliert der Betrachter infolge der Konventionen in der orthogonalen Schnittdarstellung mehr und mehr an Bedeutung. Diese Zeichnungen verzichten auf die fluchtpunktperspektivische Darstellung, was dazu führt, dass bei dieser Technik die subjektive zugunsten der objektiven Genauigkeit aufgegeben wird. Dies kann man als notwendige Entwicklung der Schnittzeichnung hin zu einem qualifizierten und valablen Dokument verstehen, das in der Lage sein muss, die maßlichen und geometrischen Informationen, die der Baumeister benötigt, unmissverständlich zu vermitteln. Es ist bezeichnend, dass dieser Übergang sich zu der Zeit vollzog, als Sangallo und Peruzzi in der fabbrica des Petersdoms unter der Leitung von Raffael arbeiteten und neue Hierarchien im Bauwesen eingeführt wurden, die eine disziplinäre Trennung zwischen Architekt und Baumeister zur Folge hatten. Nach Meinung von Lotz führte dieser Wandel auch zu komplexeren, dynamisch wirkenden Räumen, weil die Beschränkung durch den einen statischen Betrachtungspunkt, wie noch im Codex Coner üblich, entfiel. Lotz zufolge liegt der Entwicklung von den ersten perspektivischen Darstellungen hin zum streng orthogonalen Schnitt eine Zweckbestimmung zugrunde. Der perspektivische Schnitt ist im Prinzip ein anschauliches Verfahren, das die Attraktivität eines Bildes steigert sowie das Profil und den Raum in einem abbildet, wodurch es das Messbare mit dem Wahrnehmbaren kombiniert. Der zweidimensionale orthogonale Schnitt hingegen dient der Angabe von Maßen und ist eng mit der Entwicklung kodifizierter Baudokumente verbunden. Für maximale Präzision ist jedoch eine Vielzahl von Zeichnungen vonnöten, um die Informationen zu vermitteln, die für das Verständnis komplexer Räume und architektonischer Entwürfe erforderlich sind, da durch die fehlende perspektivische Tiefe die räumlichen Bezüge schwerer zu erkennen sind. Diese zunehmende Unterscheidung zwischen orthogonalem und perspektivischem Schnitt fällt zeitlich mit der zunehmenden Abspaltung der Architektur von den anderen feinen Künsten im 16. Jahrhundert zusammen, wie an den Werken von Sebastiano Serlio zu erkennen ist. Die vermehrte Verwendung des maßgenauen orthogonalen Schnitts, inklusive der Angaben zu baulichen Abläufen, findet parallel zur Entwicklung des Berufsbildes des Architekten statt, das sich von dem des Baumeisters abspaltet. Während Aufrisse das Aussehen und die Komposition von Architektur beschreiben, ist der Schnitt eine Anleitung, die dem Handwerker zeigt, wie und womit gebaut werden soll. Von den drei elementaren orthogonalen Darstellungsarten – Grundriss,

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93 Bernardo della Volpaia, Tempietto aus dem Codex Coner, ca. 1515 94 Giuliano da Sangallo, Zentralbau aus dem Codex Barberini, ca. 1500 95 Antonio da Sangallo der Jüngere, Petersdom, ca. 1520

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96 Baldassarre Peruzzi, Pantheon, 1531–35 97 Sebastiano Serlio, Projekt Nr. 13 aus seinem sechsten Buch Delle habitationi di tutti li gradi di uomini, ca. 1552 98 Andrea Palladio, La Rotonda, ca. 1570

Aufriss und Schnitt – ist der Schnitt diejenige mit den meisten Informationen bezüglich Konstruktion und Materialien. Der klassische orthogonale Schnitt ist in vielerlei Hinsicht die ausgereifteste Technik, da er zwei Darstellungsformen in einer Zeichnung kombiniert: das sichtbare Profil, das die Schnittebene und die Ansicht dessen, was dahinter liegt, kennzeichnet und den Raum beschreibt, der dank der dargestellten Wand entsteht.19 Als 1570 I quattro libri dell’architettura (dt. Die vier Bücher zur Architektur) von Andrea Palladio erschienen, hatte sich der Schnitt im Standardrepertoire der orthogonalen Darstellungsarten etabliert.20 In Palladios Werk wurden Gebäudeschnitte mit Aufrissen kombiniert, wobei beide Zeichnungsarten jeweils nur eine Hälfte des Gebäudes abbildeten und aufgrund der nicht-räumlichen Darstellung zusammen lesbar sind. Auf Innenperspektiven, die das Bauwerk nachvollziehbarer gemacht hätten, wurde zugunsten messbarer Fakten verzichtet und somit das Bild vom Architekten als Meister der Geometrie gefestigt. Die für Palladios Bauwerke typische Symmetrie ermöglichte diese Effizienz, die die Anzahl an Zeichnungen, die zur Darstellung eines Gebäudes erforderlich sind, deutlich reduziert. Palladio kombiniert Außenansicht, Innenansicht und Schnitt in einer Zeichnung, wobei der Schnitt dazu dient, das Zusammenspiel von Gebäudehülle und innerer Gliederung offenzulegen. In Palladios Werk kommen Unterschiede und Ähnlichkeiten von Schnitt und Aufriss voll zur Geltung. Der Aufriss gibt nicht nur die Form des Gebäudes wieder, er stellt auch dessen Komposition und Säulenordnung dar – Relikte, die belegen, dass die Architektur einmal Teil der schönen Künste war. Der Schnitt illustriert, welche Materialien für die Errichtung des Bauwerks benötigt werden – architekturspezifisches Wissen, das auf das Bauhandwerk zurückgeht. Palladios Mischform aus Schnitt und Aufriss ist beispielhaft für die zwei Gesichter der Architektur als Kunstform und als Handwerk, und sie zeigt, dass die Hauptaufgabe des Architekten die Schaffung einer Synthese aus Äußerem und Innerem ist. Es gilt zu beachten, dass die lastabtragende Funktion der Wand für Palladio und seine Zeitgenossen bedeutete, dass die Form von Wand, Boden und Decke der des Tragwerks entsprach. Doch wenn man Grundriss und Schnitt vergleicht, wird dieselbe Wand vollkommen unterschiedlich dargestellt. Im Grundriss sind Wände schraffiert oder mit einer Farbe gefüllt, um die Aufteilung der Räume, die in der Zeichnung nicht gefüllt werden, besser erkenntlich zu machen. Im Schnitt sind die Wände weiß und liegen als Hohlräume zwischen den gestalteten Oberflächen der Innenräume. Der Grundriss ist die bevorzugte Architekturzeichnung, bei der die Verbindung zwischen Wand und Raumkonzept stark ausgeprägt ist. Auf einem Zeichenblatt dominiert der Grundriss, der die wesentlichen Punkte in Bezug auf die architektonische Gestaltung eines Gebäudes festlegt. Im Gegensatz dazu wird die Wand im Schnitt als Hohlraum dargestellt, quasi als Lücke oder Fuge zwischen den Räumen. Während der Grundriss den Raum organisiert, erfordert der Schnitt die Abstimmung von Form, Umriss und Anordnung der geschnittenen Materialien sowie des Raums, den sie umschließen. Decken sind gewölbt, damit sie in großen Räumen die Lasten besser abtragen können; der nicht sichtbare Dachstuhl erhält dieselbe optische Gewichtung wie die Beletage, und Proportion und Größe eines Bauwerks sind im Schnitt am deutlichsten ablesbar. Die besondere Zweckdienlichkeit des Schnitts macht es möglich, Form und Wirkung zeitgleich zu erfassen. Damit ist der Schnitt ein einzigartiges Instrument, um die komplexe Interaktion von Material und Raum zu untersuchen, zu prüfen und zu verstehen.

32 Étienne-Louis Boullée: Form und Wirkung

Abb. 102 – 104

Fast 200 Jahre nach Palladio wurde der Schnitt zur umfassenden Darstellung der Wirkung von Architektur immer wichtiger, obwohl die konstruktiven Anforderungen die gleichen blieben. Im unverwirklichten Entwurf von ÉtienneLouis Boullée für das Kenotaph für Isaac Newton aus dem Jahr 1784 kommen alle Möglichkeiten des Schnittes zum Einsatz. Er ist ein Beispiel für das Potenzial dieser Darstellungsart, mit der sich die Beziehung zwischen Architektur, Mensch und Standort inszenieren lässt. Obwohl Boullée für seinen Entwurf Grundriss, Aufriss und Schnitt anfertigte, sind es die Schnittzeichnungen, die die gewaltige Kraft des Projekts vermitteln. Zwei Schnitte, von denen einer den Zustand bei Tag und der andere den bei Nacht zeigt, fangen die erlebbare Inversion, die der Entwurf vermitteln soll, vollumfänglich ein. Am Tag dringt das Licht durch kleine Schlitze in der Außenwand in das Innere der riesigen Kugel, sodass beim Besucher des Gebäudes der Eindruck entsteht, unter dem nächtlichen Sternenhimmel zu stehen. Bei Nacht jedoch wird der Innenraum von einer riesigen Lampe taghell ausgeleuchtet. Nur durch die Schnittzeichnungen ist der zeitliche Kontrast zwischen der gebauten Welt innerhalb der Kugel und der realen Welt außerhalb erkennbar. Auch wenn nicht bekannt ist, aus welchem Material das Gebäude bestehen sollte, wechselt die farbliche Gestaltung des Fundaments, der Wände und der Außenhaut je nach Darstellungszweck des jeweiligen Schnitts. Durch den hellen Farbton im Schnitt bei Tag werden konische Schlitze erkennbar, die die massive Konstruktion durchdringen, um im Inneren den nächtlichen Sternenhimmel zu simulieren, während der dunkle Farbton in der Nachtdarstellung die Wände mit dem Abendhimmel verschmelzen und sie aus Rücksicht auf die Bedeutung der künstlichen Lichtquelle quasi in den Hintergrund treten lässt. Auch ohne perspektivische Projektion ist Boullées Schnittdarstellung eindeutig in der Lage, in erster Linie das Raumerlebnis zu transportieren – und erst dann die konstruktiven Fakten zu vermitteln. Dies entspricht auch seiner Überzeugung, dass Architektur nicht durch Auflagen eingeschränkt werden sollte, sondern dass sie dem Ausdruck von Ideen dient. Paradoxerweise wurde der Schnitt, also die Darstellungsform, in der heutzutage die Informationen zur Materialität eines Bauwerks zu finden sind, von Boullée in der gegenteiligen Absicht verwendet und dokumentierte damit prägnant sein großes Potenzial. Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc: Tragwerk und Ausdruck

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Abb. 105 – 108

Bis zum 17. Jahrhundert bestanden Bauwerke größtenteils aus einem Raum, umrahmt von Mauerwerk, woraus sich ein Schnitt ergab, in dem das Außenprofil und der Innenraum durch die Dicke der geschnittenen Wand eng miteinander verbunden waren. Doch im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts wurde die massive Wand aus tragendem Mauerwerk von einem immer stärker geschichteten Aufbau abgelöst, der möglich wurde, weil neue Materialien wie Guss- und Schmiedeeisen andere Bauweisen zuließen. In diesem Zuge gewann der Schnitt zunehmend an Bedeutung, da mit seiner Hilfe die architektonische Form als direkter Ausdruck statischer Kräfte effektiv beschrieben und analysiert werden konnte. Besonderen Stellenwert besitzen in diesem Zusammenhang die Schriften und Zeichnungen des französischen Architekten und Architekturtheoretikers Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc, der anhand des Schnitts die wechselseitige Abhängigkeit von Form und Tragwerk

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99 Andrea Palladio, Baptisterium des Konstantin, 1570 00 Étienne-Louis Boullée, Kenotaph für Isaac Newton, 1784 1 101 Étienne-Louis Boullée, konisches Kenotaph, ca. 1780

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02 Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc, Gewölberaum, 1872 1 103 Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc, mittelalterliche und moderne Verfahren zur Abstützung eines auskragenden Laufgangs, 1872 104 Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc, Tragwerksystem, 1872

aufzeigte, die nicht nur elementar für seine Ideen war, sondern als wesentlicher Grundsatz in der Entwicklung der modernen Architektur einging. Viollet-le-Duc verfolgte mit seinen Arbeiten einen völlig anderen Ansatz als die École des Beaux-Arts, die sich in ihren Lehren auf die Komposition und den Grundriss konzentrierte. In seinem Werk Entretiens sur l’architecture erläuterte Viollet-le-Duc sein Ziel, die seiner Meinung nach beispielhafte konstruktive Effizienz gotischer Architektur auf die neuen Werkstoffe und baulichen Möglichkeiten seiner Zeit zu übertragen.21 Die Entretiens sind eine Sammlung von Grundregeln aus der Baupraxis früherer Epochen, illustriert mit Schnittzeichnungen in Form von Stichen. Anstatt die Gebäude per se zu beschreiben, präsentierte Viollet-leDuc diese Stiche als eine Reihe von Fallstudien, in denen die von Mauerwerk dominierten Baustile der Vergangenheit in zeitgenössische Ausdrucksformen übertragen wurden. Viollet-le-Ducs zeichnerische Gegenüberstellung von mittelalterlichen und modernen Methoden zur Abstützung einer auskragenden Galerie in „Entretien XII“ stellt beispielsweise dar, wie steinerne Kragbalken durch Eisenstreben ersetzt werden können. Die Wirksamkeit dieser Methodik wird in der Sprache von Effizienz und Ökonomie ausgedrückt, wenn er schreibt: „Wir können dadurch die Kosten reduzieren und erhalten ein Gebäude, das sicherer und weniger wuchtig ist und eine bessere Luftzirkulation im Erdgeschoss bietet.“22 Gestützt werden Viollet-le-Ducs Überlegungen vom didaktischen Charakter des Schnitts und dessen Fähigkeit, die Dynamik von Lasten und Kräften, von der Ableitung des Regenwassers bis hin zu Windlasten, sowie deren Auswirkungen auf die Gestalt des Gebäudes in kompakter Form zu vermitteln. Eine ähnliche Zeichnung von Viollet-le-Duc aus demselben Abschnitt der Entretiens zeigt „eine neuartige Methode, die Schubkraft aus einem Gewölbe aufzunehmen“ und ist ein weiteres Beispiel für den Schnitt als didaktisches und planerisches Instrument. Was das Problem der Strebebögen angeht, so ersetzt Viollet-le-Duc den gemauerten gotischen Stützpfeiler durch ein System aus schrägen Eisenstreben, -stangen und -platten, die den nach außen gerichteten Schub der darüberliegenden Mauerwerksbögen ableiten. Die Zeichnung zeigt nicht nur die tatsächliche Gestalt der neuen Mischkonstruktion, sondern bildet auch die statischen Abhängigkeiten in geometrischer Form ab. Damit fasste Viollet-le-Duc sowohl das Materielle als auch das Immaterielle in einer Zeichnung zusammen und wies so die Isomorphie von konstruktiver Logik und architektonischem Ausdruck nach. Bezeichnenderweise zeigt Viollet-le-Duc bei keinem dieser Beispiele einen Grundriss, da sich die Grundregeln, um die es ihm geht, in erster Linie auf die vertikale Dimension beziehen, in der die Lastabtragung und statischen Abhängigkeiten von Bedeutung sind. Viollet-le-Ducs Zeichnungen profitieren auch davon, dass der Schnitt es vermag, die Konstruktion eines Gebäudes als Zusammenspiel seiner Einzelteile offenzulegen. Nur mit dem Schnitt konnte er die neuen Gegebenheiten in der Architektur visualisieren, für die er eintrat: „Wir haben nicht mehr nur massive und homogene Baukörper wie in der römischen Architektur, sondern eher eine Art Organismus, in dem nicht nur jedes Einzelteil einen besonderen Zweck erfüllt, sondern in dem es auch eine unmittelbare Wirkung hat.“23 Diese Abkehr von einer Architektur, die auf Masse beruht, und der Schritt hin zu einer, bei der jedes Teil einzeln angepasst wird, kündet vom Einfluss der industrialisierten Produktion und von der durch neue Technologien realisierbaren baulichen Effizienzsteigerung im 20. Jahrhundert. Dieses Verständnis von Architektur lässt sich durch den Schnitt sehr wirkungsvoll darstellen. Da Tragwerke vor

34 allem in vertikaler Richtung wirken, vom Fundament über die Stütze und das Gewölbe bis zum Dach, bildet der Schnitt diese Kraftübertragungswege und die zugehörigen Bauteile am transparentesten ab. Die Schnittzeichnung dokumentiert für Viollet-le-Duc die Notwendigkeit architektonischer Formen, die sich aus den statischen Eigenschaften neuer Materialien ergeben. Durch das Aufkommen maschineller Konstruktionstechniken und industriell hergestellter Baustoffe änderte sich die Baupraxis grundlegend. Stützensysteme und Weitspanntragwerke aus Eisen und Stahl befreiten die Außenwand von ihrer tragenden Funktion. Paradoxerweise führten dieselben technologischen Fortschritte, die diese von Viollet-le-Duc beschriebene gegenseitige Abhängigkeit von Tragwerk und Form ermöglichten, letztlich zur Loslösung von diesen Technologien in der Moderne. Die Effizienz von Tragwerken aus Stahl (und später auch aus Beton), die ein Funktionieren unabhängig von der äußeren Form und vom Innenraum ermöglichte, bedeutete für den Schnitt sowohl als Darstellungsform als auch als Entwurfsinstrument eine Befreiung und stürzte ihn zugleich in eine Krise. Nicht länger beschränkt durch statische Notwendigkeiten, konnte der Schnitt eine neue Rolle in der Gestaltung von Räumen übernehmen. Durch die Verbreitung repetitiver Stützensysteme und Betonplatten, die alle Projekte (außer die mit großen Spannweiten) der Auflage enthob, die Eigenlasten im Entwurfselement Schnitt abzubilden, wurde gleichzeitig die Bedeutung des Schnitts infrage gestellt. Aus dem Wegfall der statischen und konstruktiven Notwendigkeiten, die zuvor Grundlage des Schnitts waren, ergab sich eine neue Freiheit in der Formgebung. Die Stadt im Querschnitt

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Abb. 109 – 115

Mit dem Wachstum der Großstädte im Zuge der rasch voranschreitenden Industrialisierung wurde der Schnitt zu einem wichtigen Hilfsmittel zur Darstellung eines immer komplexeren Schichtengebildes aus Gebäuden, Transportund Leitungssystemen. Die städtische Dichte verlangte nach einem Netzwerk miteinander verbundener Systeme, um die moderne Stadt versorgen zu können. Während der verfügbare Raum mithilfe von Flächennutzungsplänen aufgeteilt wurde, auf deren Grundlage beispielsweise das Schachbrettmuster Manhattans entstand und die Neugestaltung der Pariser Straßen, Boulevards und Parks erfolgte, konnte man mittels eines Querschnitts durch die Stadt nicht nur die zunehmend wichtigeren, wenn auch dem Auge verborgenen Versorgungssysteme sichtbar machen, sondern diese auch planen und damit die politische Kontrolle ausweiten. Wenn ein solcher Querschnitt durch eine Straße nicht der Dokumentation des Vorhandenen dient, sondern ein mögliches Bild der Zukunft zeichnet, zeigt sich die enorme Bedeutung dieser Art der Darstellung für die Planung und Abstimmung der verschiedenen Systeme, weil sie konzeptionell und räumlich neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet. Die Zeichnungen des portugiesischen Ingenieurs Eugénio dos Santos und des französischen Ingenieurs Pierre Patte gelten als die frühesten Beispiele, in denen der Schnitt zum Organisieren und Erfassen der Großstadt mit ihren vernetzten Infrastruktursystemen verwendet wurde.24 Aufgrund der einflussreichen Rolle Pattes bei der Neugestaltung von Paris sind seine Arbeiten besser bekannt. Seine in den 1760er-Jahren erstellten Pläne und Skizzen enthielten Vorschläge für eine städtebauliche Umgestaltung: In die Schnitte waren Illustrationen des Innenlebens der Gebäude eingebunden, und zukünftige infrastrukturelle Optimierungen

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05 Phillipe Bauche, Schnitt der Stadt Paris, 1742 1 106 Eugénio dos Santos, Querschnitt einer Straße, 1758 107 Pierre Patte, Querschnitt einer Straße, 1769 108 Eugène Hénard, Bild der „Straße der Zukunft“, 1911

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109 Grand Central Terminal, New York, veröffentlicht in Scientific American, 1912 110 Harvey Wiley Corbett, City of the Future, 1913 111 Peter Cook / Archigram, Plug-in City, Zone höchster Dichte, 1964 112 Verkehrsplanungsstudie für das Stadtzentrum von Chicago, 1968

sollten unterhalb der Straßen stattfinden.25 Im Schnitt wurden die Versorgungsleitungen freigelegt und organisiert sowie der Anschluss der Gebäude an ein weiträumiges Entsorgungsnetz dargestellt. Pattes Zeichnungen stellen eine Verbindung zwischen den städtischen Wasserwerken und den benachbarten Wohnhäusern dar und plädieren dabei für eine enge Beziehung zwischen dem Leben und Wohnen des Einzelnen und der Sanitärinfrastruktur, die alle Bürger an die großen städtischen Netze anschließt. Einzig und allein durch den Schnitt lassen sich diese beiden divergierenden Aspekte der Stadt als ein einziges System verstehen und visualisieren, da in der Zeichnung die Grenzen zwischen Eigentum und städtischer Zuständigkeit verschwimmen. Patte legte größten Wert darauf, dass die Entwässerung von Gebäuden und Straßen über ein Sammelrohr erfolgte, und achtete besonders auf die Tiefe und das Material der Abwasserrohre, damit sie eine ausreichende Haltbarkeit sowie die geeignete Neigung und Durchflussmenge gewährleisten. In den Zeichnungen sind allerdings die Geschosse oberhalb des Kellers nicht ausgearbeitet, gleichsam leer, sozusagen Platzhalter für die zukünftige Nutzung. Auf das Denkmal am Ende der Straße wird in der Zeichnung größeres Augenmerk gelegt als auf die geschnittenen Gebäude, die die Straße säumen. Damit dokumentiert Pattes Gestaltungskonzept die beiden unterschiedlichen Entwicklungswege des Schnitts durch die Stadt; einer stellt die zunehmende Komplexität und Überlagerung von Ebenen in der Stadt dar und der andere die Dichte, die durch repetitives Schichten möglich wird. Eugène Hénards Beitrag zur Londoner Stadtplanungskonferenz von 1910, „The Cities of the Future“ (Die Städte der Zukunft), knüpft unmittelbar an das von Patte entwickelte Konzept an.26 Auch Hénard verwob im Schnitt sichtbare und nicht sichtbare Elemente. Da er ahnte, welchen Herausforderungen sich Städte angesichts der Verheißungen und des Potenzials neuer Transportsysteme würden stellen müssen, entwickelte er ein Konzept, in dem ein Netz aus Tunneln, Gleisen und Hochbahnen die Stadt bildete, das mittels Schnitten verdichtet werden konnte. In seinen Zeichnungen illustrieren Kohlewagen die Verbindungen zwischen einzelnen Gebäuden und Energieversorgungsstrukturen. Inmitten visionärer Vorstellungen zur Zukunft der Stadt, wie etwa von vertikalen Schächten zur Beförderung von Fahrzeugen und Fluggeräten, finden sich in Hénards Schnitten eine Reihe gewöhnlicher Wohnbauten, bestehend aus repetitiv geschichteten Geschossen, die lediglich deshalb in der Höhe beschränkt sind, damit sie die Nachbargebäude nicht verschatten. Für die Denkweise von Planern und Architekten der Moderne wie Hénard waren Schnittzeichnungen unerlässlich, weil sich damit der städtische Boden in das Fundament einer vielschichtigen, dichten Metropole verwandeln ließ, das die neuen, häufig miteinander konkurrierenden Transport- und Kommunikationsmittel in verschiedenen Ebenen aufnehmen konnte. Der Schnitt war für die Konzeption der Stadt der Zukunft unentbehrlich. Ob Corbetts „City of the Future“ (1913), der Entwurf für das Grand Central Terminal in New York (1912) oder die „Ville radieuse“ von Le Corbusier (1924) – all diese Zukunftsvisionen basieren auf einem mehrschichtigen Konzept, sodass man die Möglichkeiten des Schnitts, Vergleiche oder auch Gegensätze in einer Darstellung zusammenzufassen, voll ausschöpfen konnte.

36 Die führende Rolle der Schichtung

Abb. 116 – 117

Während die Komplexität der städtischen Infrastruktur, bei der im 18. Jahrhundert Hygiene- und Gesundheitsvorkehrungen und im 20. Jahrhundert Transportwege, Stromversorgung und Kommunikationsleitungen im Vordergrund standen, stetig steigt, nimmt der Schnitt noch immer eine bedeutende Stellung in der Planung des städtischen Lebens ein. Mit dem zunehmenden Wachstum der Bevölkerung, die auf immer engerem Raum zusammenlebte, wurde der Schnitt zu einem Instrument, das der Organisation und Kontrolle der Stadtentwicklung dient, denn er bildet all die Ebenen ab, die für den Bau und Unterhalt städtischer Infrastruktursysteme nötig sind. Da unbebaute Grundstücke immer teurer werden, wird die Stadt im Querschnitt zunehmend vielschichtiger, und die Schichten werden immer stärker umkämpft – bieten sie doch den Nährboden für originelle, zukunftsfähige Entwürfe. Die Infrastruktur industrialisierter Städte im späten 19. und 20. Jahrhundert mit ihren U-Bahn-Linien, Abwasserleitungen, Bunkern und Zivilschutzräumen wurde mittels Schnittprojektionen konfiguriert. Die hohe Bevölkerungsdichte moderner Großstädte wird durch die einfachsten Formen des architektonischen Schnitts überhaupt erst ermöglicht, was zur Folge hat, dass der Schnitt auch zur Umsetzung städteplanerischer Ziele und zur Kartierung über- und unterirdischer Systeme herangezogen wird. Die zeitgenössische Stadtplanung mittels Bebauungsplan (einschließlich Zurückstaffelung in den oberen Geschossen und Höhenbeschränkungen) bremst die unkontrollierte Ausdehnung der Stadt durch Wiederholung im Schnitt. Sie greift in erster Linie in den Schnitt ein, sei es durch Vorgaben zu Geschossflächenzahl, Höhenbeschränkungen oder das Planen mit der sogenannten „Sky Exposure Plane“, die in US-amerikanischen Großstädten sicherstellen soll, dass ausreichend Tageslicht in die Straßen gelangt. Häufig haben Bebauungsvorschriften in der Architektur zu neuen Geboten in der Schnittgestaltung geführt. Die New Yorker Bebauungsrichtlinie von 1916 war der Ursprung der charakteristischen Wolkenkratzer der 1930er-Jahre mit ihren Rückstufungen der Fassade im oberen Bereich. Durch diese Form konnte bei maximaler Gebäudehöhe die Auflage erfüllt werden, dass das Tageslicht bis zur Straße durchdringt. Aufgrund solcher Verordnungen entstanden Gebäude, deren Schnitte versetzt und gestaffelt waren; „Setback“-Hochhäuser, deren Gebäudehülle mit zunehmender Höhe immer weiter zurücksprang, um den Auflagen zu genügen und gleichzeitig ein Maximum an Raumvolumen zu schaffen. Gegenwärtige Regelungen, denen zufolge die Geschossflächenzahl nur in bestimmten Bereichen beschränkt werden muss, haben zu sehr originellen Schnitten geführt, in denen Zwischengeschosse, Hohl- und Lufträume geschickt eingesetzt werden, um die Rendite solcher Anlageobjekte deutlich zu steigern. Für neue städtische Gebäudearten dient der Schnitt mehr und mehr der Dokumentation der zahlreichen Versorgungsleitungen, Erschließungswege und Nutzungen, die in Kaufhäusern, Theatern, Hotels oder Bahnhöfen zu finden sind. Je ausgereifter die Gebäudetechnik wurde, dank der unterschiedlichste Nutzungen in einem Häuserblock untergebracht werden konnten, umso häufiger wurden Schnitte herangezogen, um zuvor nicht zusammengehörige Elemente in einer Hülle oder einem Baukörper unterzubringen. Bei solchen, meist öffentlichen, Großprojekten wird die komplexe technische Infrastruktur der Stadt in ein einziges Bauwerk eingebaut – ganz anders als bei der Standardisierung des Schnitts im Rahmen privater Investorenprojekte. Doch im Grunde sind alle Hochhäuser

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115 13 William Le Baron Jenney, Fair Store, 1891 1 114 A. B. Walker, Karikatur im Life Magazine, März 1909 115 Pier Luigi Nervi, Hauptsitz der UNESCO, 1958

37 von Fahrstühlen und anderen mechanischen Systemen abhängig, ohne die derart vielseitige Gebäude mit unterschiedlichen Ebenen nicht nutzbar wären. Für die Entwicklung des Schnitts spielten effiziente Baumethoden, die zur städtischen Verdichtung beitrugen, eine zentrale Rolle. Von der Skelettbauweise der Chicagoer Schule bis zum „Dom-Ino“-System nach Le Corbusier folgen moderne Vertikalbauweisen der kapitalistischen Maxime, auf einem vorhandenen Grundstück ein Maximum an vermarktbarer Fläche zu den geringstmöglichen Kosten zu errichten. Diese mittlerweile zur Norm gewordenen und kaum je hinterfragten Muster der Effizienz sind mit der Notwendigkeit, komplexere Raumtypen zu schaffen, die den verschiedenen Nutzungs- und Leistungsanforderungen Rechnung tragen, schwer vereinbar und lassen das große Potenzial, das innovativere Ansätze der Schnittgestaltung bergen, ungenutzt. Standardisierte Geschosse mit ihren undifferenzierten Räumen sind nicht für jede menschliche Tätigkeit und jedes Gebäude die beste Lösung. Gerade weil sich der Schnitt so gut dazu eignet, alternative Möglichkeiten der Raumgestaltung zu entwickeln, ist er ein wichtiges Instrument, wenn es darum geht, den vorherrschenden Bauweisen sowie Raumanordnungen, die auf ökonomische Beweggründe zurückgehen, die Stirn zu bieten. Da der Preis hoch ist, den Natur und Mensch heute für das unaufhörliche Profitstreben in der gebauten Umwelt zahlen müssen, besteht mit Sicherheit ein breites gesellschaftliches und politisches Interesse, das Potenzial komplexerer Schnittgestaltungen auszuloten. Der Schnitt in der Gegenwart

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116 Foreign Office Architects, Passagierterminal im Hafen von Yokohama, 2002 117 Diller Scofidio + Renfro, Eyebeam Museum of Art and Technology, 2004

Abb. 118 – 124

Die im Zuge der Industrialisierung erzielten Fortschritte in der Entwicklung von Materialien und im Bereich der Tragwerksysteme haben, zusammen mit den ökonomischen Geboten des Kapitalismus, die Architektur des 20. und 21. Jahrhunderts in Bezug auf den Schnitt polarisiert. Einerseits verlangt das Wirtschaftlichkeitsstreben nach Standardisierung und Gleichförmigkeit; andererseits ermöglichen die Baustoffe und Bauweisen, die immer komplexere Anforderungen erfüllen müssen, durch ihre Formbarkeit ein viel breiteres Spektrum der Schnittgestaltung, als es früher mit einfachen tragenden Wänden möglich war. Im aktuellen Architekturdiskurs ist das Konzept des Schnitts wesentlich durch die Wechselwirkung zwischen Standardisierung und Komplexität geprägt; zugleich hat auch die grundlegende Umstellung auf digitale Technologien innerhalb der letzten 30 Jahre ihren Anteil daran. Die Möglichkeit des raschen Kopierens und Einfügens in computergestützten Zeichenprogrammen spielt der standardisierten Gestaltung in die Hände. Gleichzeitig hat die 3-DModellierungssoftware eine räumliche, formale und materielle Vielschichtigkeit ermöglicht, die bis dahin schwer oder gar nicht darstell- und umsetzbar war, wodurch sich heute äußerst komplexe Schnitte anfertigen lassen. Dass man nun in Windeseile einen Schnitt auf der Basis eines dreidimensionalen Modells erzeugen kann, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Schnitt auch als Entwurfswerkzeug genutzt wird. Während Architekten mit der Software komplexe Formen entwerfen und visualisieren können, ist es Ingenieuren damit möglich, deren Standsicherheit zu ermitteln, weil sie schnell und sicher Lasten und Kräfte berechnen können. Die unkomplizierte Schnitterstellung ermöglicht es wiederum, den digitalen Raum in eine physische Form zu übersetzen. Beispielsweise werden größere Formen und Räume häufig mithilfe von direkt nebeneinander angeordneten, parallelen Schnitten in einzelne Teile aufgebrochen,

38 die zugeschnitten, gedruckt oder gebaut und dann wieder zu einem Ganzen zusammengesetzt werden können. Diese Methode ist in der Praxis weit verbreitet, und diese Art des Schnitts hat sich zu einer besonderen Ästhetik mit fast klischeehaftem Wiedererkennungswert entwickelt.27 Dennoch wird der Schnitt viel zu selten als Entwurfswerkzeug genutzt. Das liegt zum Teil daran, dass er nur als einer von vielen Softwarebefehlen innerhalb eines Computerprogramms wahrgenommen wird. Statt den Entwurfsprozess innovativ zu bereichern, wird er zu einem reinen Endprodukt – einem Nebenerzeugnis der Visualisierung. Im Architekturdiskurs zu Beginn des 21. Jahrhunderts waren jedoch in Bezug auf den Schnitt eindeutig Trends auszumachen, die in Richtung „formale Komplexität“ gingen. Entwürfe, in denen sich diese Tendenzen wiederfinden, resultieren häufig aus der Notwendigkeit, den immer komplexeren Leistungs- und Nutzungsanforderungen der Projekte gerecht zu werden, was zum Teil erst durch immer leistungsfähigere Computerprogramme möglich ist. Ein Weg zur Erzeugung einer architektonischen Form ist das Schichten verschachtelter, nutzungsspezifischer Volumina oder Räume (anstatt ganzer Geschosse). Solche Entwürfe nutzen die Vormachtstellung der Schichtung als Entwurfskatalysator. Ein solcher spielerischer, wie aus Bauklötzen errichteter Entwurf ist die Markthalle in Rotterdam von MVRDV, bei der geschichtete Wohneinheiten mithilfe des horizontalen Versatzes in eine Bogenform gebracht wurden, die einen öffentlichen Bereich mit Läden und Parkhaus überspannt. Das Büro Höweler + Yoon Architecture kombiniert die Verschachtelung und den vertikalen Versatz so, dass Wohnungen auf kreative Weise miteinander verflochten und in die örtlichen Gegebenheiten eingepasst werden. Andernorts haben sich Architekten mit dem Schichten skulpturaler, verschachtelter Formen auseinandergesetzt, die nicht genau ineinanderpassen. Der aus diesem Ansatz resultierende Schnitt zeigt eine Ansammlung von Baukörpern, die sich gegenseitig verspannen, wobei die Form jeder Einheit erkennbar bleibt, wie in den Entwürfen „Nature-City“ von WORKac oder „Tokyo Apartment“ von Sou Fujimoto. In beiden Beispielen ist die Ansammlung von Innenräumen mit ihren jeweiligen Eigenschaften deckungsgleich mit der äußeren Form. In der Schnittdarstellung mit Schrägen gibt es zwei Richtungen, von denen die eine eher das Innere, die andere das Äußere betrifft. Im Schnittmodell mit Innenschrägen versuchen Architekten, den geneigten Boden so zu erweitern, dass er sich in die Form des gesamten Projekts einpasst. Solche Entwürfe verwandeln die bekannte Verschmelzung von geneigtem Boden und Wand mittels organisch geformter Ausrundungen in ein Gesamtkonzept, bei dem komplexe Topografien alle Flächen umhüllen und einbeziehen. Die Funktion der Schräge wird hier mit einer durchgehenden dreidimensionalen Form kombiniert. Aufgrund der Kosten und des Aufwands, die diese Projekte mit sich bringen, kommt eine solche Herangehensweise meist nur beim Entwurf bedeutender kultureller Einrichtungen zum Einsatz – wie dem Opernhaus in Taichung von Toyo Ito oder dem Center for Performing Arts in Abu Dhabi von Zaha Hadid. Hier wird der Schnitt dazu verwendet, Gebäude und Landschaft miteinander zu verschmelzen, wobei der geneigte Boden übertrieben geformt ist, um den fließenden Übergang hervorzuheben.28 Im Vanke Center von Steven Holl, dem Opernhaus in Oslo von Snøhetta und der Ewha Womans University in Seoul von Dominique Perrault gehen Teile des Gebäudedachs in die Landschaft über und erschweren dadurch die Differenzierung zwischen beiden.

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18 Höweler + Yoon Architecture, Building 2345, 2008 1 119 Sou Fujimoto, Tokyo Apartment, 2009 120 WORKac, Nature-City, 2012

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21 MVRDV, Markthalle in Rotterdam, 2014 1 122 Zaha Hadid Architects, Center for Performing Arts in Abu Dhabi, 2008 123 Snøhetta, Opernhaus in Oslo, 2008 124 Steven Holl Architects, Vanke Center, 2009

Mit diesem Buch möchten wir eine ergebnisoffene und flexible Annäherung an den Schnitt wagen, die als Grundlage für die Erforschung und die kritische Auseinandersetzung mit diesem bislang unzureichend untersuchten architektonischen Entwurfswerkzeug dienen kann. Durch den Einblick in die Geschichte des Schnitts und die Definition der wesentlichen Unterschiede zwischen den Schnittarten mithilfe eines Klassifizierungssystems lässt sich der Schnitt besser begreifen und auf kreativere Weise erforschen. In der zeitgenössischen, durch Computerprogramme organisierten und transformierten Architekturpraxis besteht ein besonders großer Bedarf an Werkzeugen, mit denen sich Schnitte studieren und untersuchen lassen. Der Schnitt ist ein wichtiges Instrument, um die gesellschaftlichen, ökologischen und materiellen Fragen dieses Jahrhunderts zu erörtern. Wenn der Entwurfs- und Denkprozess auf dem Schnitt basiert, entsteht augenblicklich eine Beziehung zwischen architektonischer Form, Innenraum und Umgebung, bei der die Folgen einer Maßstabsänderung spürbar und intuitiv erkennbar werden. Auch die Umgebung und die Natur werden in die Schnittdarstellung einbezogen, darin beschrieben und erkundet. Die Wechselwirkung zwischen neuen Materialien und Statik schafft im Schnitt die Voraussetzungen für die Gestaltung des Raumes und dessen Nutzung. Der Schnitt stellt etwas dar, das andernfalls nicht sichtbar wäre, und verkörpert damit Neuland, Raum für weiterführende architektonische Experimente und das Erkunden unserer gegenwärtigen Zukunft.

40 Bibliografie

Endnoten 1 Wolfgang Lotz: „Das Raumbild in der italienischen Architekturzeichnung der Renaissance“, 1953/56, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, Bd. 7, S. 193–226 2 Jacques Guillerme und Hélène Vérin: „The Archaeology of Section“, 1989, in: Perspecta 25, S. 226–257 3 Rem Koolhaas: „Delirious New York: Ein retroaktives Manifest für Manhattan“, 2006, Verlag Arch+ 4 Das Gebäude wurde 2003 in Eigentumswohnungen umgewandelt. Die Diskrepanz zwischen einer Wohnanlage, bei der die maximale Ausnutzung der Geschossfläche oberste Priorität hat, und diesem eigenwilligen Schnitt – der nun seiner nutzungsspezifischen Motivation beraubt, aber dennoch baulich offensichtlich war – erzeugte interessante Anomalien, die durch die denkmalgeschützte Fassade verstärkt wurden. 5 Für eine detailliertere Darstellung verformter Deckenquerschnitte siehe: Farshid Moussavi: „The Function of Form“, 2009, Actar und Harvard University Graduate School of Design 6 Colin Rowe: „Die Mathematik der idealen Villa“, 1998, In: Die Mathematik der idealen Villa und andere Essays, Birkhäuser Verlag, Basel – Berlin – Boston, S. 26. Es ist strittig, aus welchem Grund Rowe die Villa Malcontenta von Palladio zu den freien Schnitten zählt beziehungsweise, was er unter einem freien Schnitt versteht, da er in seinem Essay nur wenig ins Detail geht und ihn lediglich mit volumetrischer Modellierung assoziiert. 7 Übersetzt nach Herman Hertzberger: „Lessons for Students in Architecture“, 1991, Verlag 010, Rotterdam, S. 202 8 Die Begeisterung der Filmemacher aus Hollywood, in diesen Räumen Actionfilme spielen zu lassen – siehe Stirb langsam, Mission Impossible, Die Lautlosen, Speed, Salt und Inception –, spricht für deren verführerische Optik, da sie ein Schwindelgefühl erzeugen und Bereiche sichtbar machen, die in den meisten Gebäuden normalerweise nicht zugänglich sind. 9 Der berühmte Schnitt zu Le Corbusiers Entwurf der Unité d’habitation entstand durch das Schichten des Haustyps Citrohan. Dieses wird mehrmals vertikal gespiegelt, wodurch in jedem dritten Geschoss ein Hohlraum entsteht, der einen Flur für die je zwei Wohnungen auf den drei Etagen bildet. 10 Trotz Le Corbusiers Behauptung in seinem Œuvre complète, dass die Villa Savoye eine sanft ansteigende Rampe besäße, die fast mühelos ins Obergeschoss führte, ist die Neigung dieser Rampe mit 1:12 steiler als in heutigen Baunormen festgelegt. Dieses Steigungsverhältnis bedeutet, dass auf 120 bzw. auf 65 Metern Länge, wenn eine zweiteilige, gegenläufige Rampe mit Zwischenpodest geplant ist, 10 Höhenmeter überwunden werden.

11 Vor diesem Hintergrund kann die weite Verbreitung von Projekten, in denen schräge Flächen über Kehlen von Böden auf Wände übertragen werden, als eine Möglichkeit betrachtet werden, die Kontinuität sichtbarer zu machen, obwohl diese größtenteils rhetorischer Natur ist. 12 Vgl. Anmerkung 2 13 James S. Ackerman: „Origins, Imitations, Conventions“, 2002, MIT Press, Cambridge (Massachusetts). Siehe auch James S. Ackerman: „Villard de Honnecourt’s Drawings of Reims Cathedral: A Study in Architectural Representation“, 1997, in: Artibus et Historiae 18, Bd. 35, S. 41–49 14 Robin Evans: „The Projective Cast: Architecture and Its Three Geometries“, 2000, MIT Press, Cambridge (Massachusetts), S. 118 15 Vgl. Anmerkung 2 16 Tod A. Marder: „Bernini and Alexander VII: Criticism and Praise of the Pantheon in the Seventeenth Century“, 1989, in: Art Bulletin 71, S. 628–645 17 Vgl. Anmerkung  1 18 Vgl. Anmerkung 14 19 Mehr über die Beziehung zwischen Aufriss, Schnitt und Perspektive in Evans: „The Projective Cast“, vgl. Anmerkung 14 20 Andrea Palladio: „Die vier Bücher zur Architektur“, 1993, nach der Originalausgabe „I quattro libri dell’architettura“, Venedig, 1570 21 Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc: „Entretiens sur l’architecture“, Bd. 2, 1872. Siehe auch Robin Middleton: „The Iron Structure of the Bibliothèque Sainte-Geneviève as the Basis of a Civic Decor“, 2000, in: AA Files 40, S. 33–52 22 Übersetzt nach Viollet-le-Duc: Entretiens sur l’architecture, vgl. Anmerkung 21, S. 56 23 Übersetzt nach Viollet-le-Duc: Entretiens sur l’architecture, vgl. Anmerkung 21, S. 58 24 Andrew J. Tallon: „The Portuguese Precedent for Pierre Patte’s Street Section“, 2004, in: Journal of the Society of Architectural Historians 63, Nr. 3, S. 370–377 25 Vgl. Anmerkung 24. Tallon behauptet, dass Patte von dem Ingenieur Eugénio dos Santos beeinflusst wurde, der als erster den Schnitt einer Stadt entworfen hatte. 26 Eugène Hénard: „The Cities of the Future“, im Tagungsband der Town Planning Conference in London, 10.–15. Oktober 1910, Royal Institute of British Architecture, 1911, S. 345–367 27 Lisa Iwamoto: „Sectioning“, in: Digital Fabrications: Architectural and Material Techniques, 2009, Princeton Architectural Press, New York, S. 17–41 28 Stan Allen und Marc McQuade (Hrsg.): „Landform Building“, 2011, Verlag Lars Müller, Baden

– Ackerman, James S.: „Architectural Practice in the Italian Renaissance“, 1954, in: Journal of the Society of Architectural Historians 13, Nr. 3, S. 3–11 – Ackerman, James S.: „Villard De Honnecourt’s Drawings of Reims Cathedral: A Study in Architectural Representation“, 1997, in: Artibus et Historiae 18, Nr. 35, S. 41–49 – Allen, Stan, und Marc McQuade (Hrsg.): „Landform Building“, 2011, Verlag Lars Müller, Baden – Ashby, Thomas: „Sixteenth-Century Drawings of Roman Buildings Attributed to Andreas Coner“, 1904, in: Papers of the British School of Rome 2, S. 1–88 – Carlisle, Stephanie, und Nicholas Pevzner: „The Performative Ground: Rediscovering the Deep Section“, 2012, abgerufen am 15. Oktober 2014, http://scenariojournal.com/ article/the-performative-ground/ – Chapman, Julia: „Paris: The Planned City in Section“, 2009, Bachelorarbeit, Princeton University – Emmons, Paul: „Immured: The Uncanny Solidity of Section“, 2011, Vortrag vor der Association of Collegiate Schools of Architecture, Montreal (Quebec, Kanada) – Evans, Robin: „The Projective Cast: Architecture and Its Three Geometries“, 2000, MIT Press, Cambridge (Massachusetts) – Guillerme, Jacques, und Hélène Vérin: „The Archaeology of Section“, 1989, Perspecta 25, MIT Press, Cambridge (Massachusetts) – Hénard, Eugène: „The Cities of the Future“, 1911, im Tagungsband der Town Planning Conference in London, 10.–15. Oktober 1910, Royal Institute of British Architecture, S. 345–367 – Iwamoto Lisa: „Digital Fabrications: Architectural and Material Techniques“, 2009, Princeton Architectural Press, New York – Koolhaas, Rem: „Delirious New York: Ein retroaktives Manifest für Manhattan“, 2006, Verlag Arch+ – Lewis, Paul, Marc Tsurumaki und David J. Lewis: „Lewis.Tsurumaki. Lewis: Intensities“, 2013, Princeton Architectural Press, New York – Lewis, Paul, Marc Tsurumaki und David J. Lewis: „Lewis.Tsurumaki. Lewis: Opportunistic Architecture“, 2008, Princeton Architectural Press, New York – Lotz, Wolfgang: „Das Raumbild in der italienischen Architekturzeichnung der Renaissance“, 1953/56, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, Bd. 7, S. 193–226 – Machado, Rodolfo, und Rodolphe el-Khoury: „Monolithic Architecture“, 1995, Prestel Verlag, New York – Magrou, Rafaël: „The Glories of the Architectural Section“, 2012, in: Harvard Design Magazine 35, S. 34–39 – Marder, Tod A.: „Bernini and Alexander VII: Criticism and Praise of the Pantheon in the Seventeenth Century“, 1989, in: Art Bulletin 71, S. 628–645

– Moussavi, Farshid: „The Function of Form“, 2009, Actar und Harvard University Graduate School of Design, Barcelona – O’Neill, John P. (Hrsg.): „Leonardo Da Vinci: Anatomical Drawings from the Royal Library Windsor Castle“, 1983, Metropolitan Museum of Art, New York – Palladio, Andrea: „Die vier Bücher zur Architektur“, 1993, Birkhäuser Verlag, nach der Originalausgabe „I quattro libri dell’architettura“, Venedig, 1570 – Rohan, Timothy M.: „The Architecture of Paul Rudolph“, 2014, Yale University Press, New Haven – Rosenfeld, Myra Nan: „Serlio on Domestic Architecture“, 1978, Dover Publications, Mineola (New York) – Serlio, Sebastiano: „Von der Architectur Fünff Bücher“, 1609, Basel – Tallon, Andrew J.: „The Portuguese Precedent for Pierre Patte’s Street Section“, 2004, in: Journal of the Society of Architectural Historians 63, Nr. 3, S. 370–377 – Tsukamoto, Yoshiharu, und Momoyo Kaijima: „Graphic Anatomy: Atelier Bow-Wow“, 2007, Verlag TOTO, Minato City, Tokio – Tsukamoto, Yoshiharu, und Momoyo Kaijima: „Graphic Anatomy 2: Atelier Bow-Wow“, 2014, Verlag TOTO, Minato City, Tokio – Viollet-le-Duc, Eugène Emmanuel: „Dictionnaire Raisonné De L’Architecture Française Du XIe Au XVIe Siècle“, 1858–1868, 8 Bände, Verlag Morel, Paris – Viollet-le-Duc, Eugène Emmanuel: „Entretiens sur l’architecture“, Bd. 1, 1863–1872, Verlag Morel, Paris – Viollet-le-Duc, Eugène Emmanuel: „Entretiens sur l’architecture“, Bd. 2, 1863–1872, Verlag Morel, Paris

Schnitte

Kategorien

Extrusion

Hohlraum

Das Extrudieren eines Grundrisses bis zu einer Höhe, die für die geplante Nutzung benötigt wird, ist die grundlegendste Art des Schnitts. Ein extrudierter Schnitt weist in vertikaler Richtung wenig bis keine Variation auf. Auf diesem Prinzip basiert die Mehrheit aller Gebäude, einschließlich Einkaufszentren und großer Supermärkte, Fabriken, eingeschossiger Häuser, der meisten Bürogebäude und Läden sowie mehrgeschossiger Wohnhäuser.

Hohlräume sind ein pragmatisches und häufig verwendetes Hilfsmittel im Schnitt. Sie variieren in Größe und Anzahl von einzelnen kleinen Öffnungen zwischen zwei Etagen bis hin zu mehrgeschossigen Atrien, die ganze Gebäude gliedern. Durch Hohlräume reduziert sich zwar die Geschossfläche, jedoch entstehen Vorteile für den Gebäudeschnitt. Hohlräume sind räumliche Elemente, die zugunsten vertikaler Effekte strategisch eingesetzt werden können.

44

Schichtung 52

Durch Schichtung kann der Wert einer Immobilie auf einem Grundstück gesteigert werden, da sich bei gleichbleibender Grundfläche die Nutzfläche vergrößern lässt und die Nutzungsmöglichkeiten erweitert werden können. Dies ist einer der Hauptgründe für die Verwendung geschichteter Schnitte in der Architektur. Eine Schichtung entsteht durch das mehrfache Stapeln eines extrudierten Schnitts. Das Schichten selbst hat auf den Innenraum keine Auswirkungen.

Verformung 66

Die Modulation einer flachen Ebene im Schnitt wird als Verformung bezeichnet. Sie kann am Boden, an der Decke oder an beidem erfolgen und erzeugt im Schnitt ein besonderes Volumen. Die Decke ist häufiger Ziel einer solchen Modulation als der Boden, da ihre Veränderung die Funktionalität des Grundrisses nicht beeinträchtigt. Verformte Schnitte werden häufig für große, kollektiv genutzte Gebäude verwendet.

Versatz 86

Ein Versatz erfolgt entlang einer Trennfuge oder eines Einschnitts parallel zur horizontalen oder vertikalen Schnittachse. Insbesondere in extrudierten oder geschichteten Schnitten lassen sich mithilfe des Versatzes visuelle, thermische oder akustische Verbindungen herstellen, ohne dass die tektonische Effizienz der Wiederholung, auf der Extrusion und Schichtung basieren, zu stark beeinträchtigt wird.

102

Schräge 118

Schrägen überführen eine horizontale Ebene in den Schnitt, indem deren Neigungswinkel verändert und dadurch die Ebene aus der Horizontalen heraus gedreht wird. Im Gegensatz zu Schichtungen, Versatz und Hohlraum lassen Schrägen die Grenze zwischen Grundriss und Schnitt verschwimmen. Für das Spiel mit dem Schnitt mithilfe von Schrägen muss keine Geschossfläche geopfert werden.

Verschachtelung 132

Verschachtelungen werden durch das Ineinanderfügen und die Überschneidung mehrerer Volumina erzeugt. Während Schichtung, Versatz, Hohlraum und Schräge hauptsächlich mit ebenen Platten arbeiten, werden für eine Verschachtelung dreidimensionale Körper ineinandergefügt. Die räumliche, konstruktive oder ökologische Leistung einer Verschachtelung ist gewöhnlich größer als die der Einzelräume selbst.

Hybridformen 156

Extrusion, Schichtung, Verformung, Versatz, Hohlraum, Schräge und Verschachtelung sind Primärmethoden zum Erstellen von Schnitten. Der Übersichtlichkeit halber wurden sie hier einzeln vorgestellt, sind aber selten isoliert anzutreffen. Die komplexesten und raffiniertesten Gebäude entstehen in der Tat dann, wenn die Schnittarten miteinander kombiniert werden.

43

45

Extrusion Glass House Philip Johnson 47

Palazzo del Lavoro Pier Luigi Nervi 49

Kanagawa Institute of Technology Workshop Junya Ishigami + Associates 51

Das erste von 14 Gebäuden, die Philip Johnson auf seinem Anwesen errichten ließ, war das Glass House, dessen 3,2 Meter hohe Deckenkonstruktion aus Stahlträgern auf acht Stützen aufliegt. Diese Stützen sind im Ziegelfußboden verankert und setzen in den gläsernen Außenwänden besondere Akzente. Die horizontalen Dachträger wurden in die Decke integriert, damit sie im Innenraum nicht sichtbar sind. Lediglich ein dünnes Stahlprofil, das die Fensterfronten umrahmt, ist zu sehen. Halbhohe Holzschränke und ein raumhoher Backsteinzylinder deuten die verschiedenen Nutzungsbereiche des Hauses an. Die Schränke schirmen das Bett vom offenen Wohnbereich ab, und in dem gemauerten Zylinder, der wie ein vertikaler Kern aus dem Backsteinboden nach oben ragt, befinden sich das Badezimmer und der Kamin.

Die Glaswände ermöglichen in diesem extrudierten Schnitt Blickbeziehungen zwischen dem Gebäudeinneren und der weitläufigen Parklandschaft, die diesen Pavillon umgibt. Licht, Reflexionen, Wetter und der Wechsel der Jahreszeiten lassen das Gebäude lebendig wirken. In diesem Fall erzeugt der Schnitt horizontale statt vertikale visuelle Effekte.

Glass House   Philip Johnson

1949

New Canaan, Connecticut, USA

Extrusion Verschachtelung

47

Dieses riesige Ausstellungsgebäude und Schulungszentrum mit 25.000 Quadratmetern Grundfläche wurde unter anderem im Hinblick auf die beschleunigten Bauabläufe in einem Wettbewerb entworfen: In nur elf Monaten war es erbaut. 16 pilzähnliche Formen bilden das 25 Meter hohe Dach, das von 20 Meter hohen, aus Ortbeton gegossenen Stahlbetonsäulen getragen wird; darüber liegt eine 40 Quadratmeter große Stahldachkonstruktion. Da die einzelnen Module nacheinander errichtet wurden, konnten der Innenausbau und die gläserne Hülle bereits vor dem Dach fertiggestellt werden. Die riesigen Betonsäulen verjüngen sich nach oben hin und gehen von einer 5 Meter breiten Kreuzform in einen Kreis mit 2,5 Metern Durchmesser über, an dem zwanzig kreisförmig abgehende Stahlträger befestigt sind, auf denen das Dach

aufliegt. Zwischen den Deckenelementen sorgen durchgehende gläserne Oberlichtbänder für natürliche Belichtung und machen die Autonomie jedes Moduls deutlich. Eine Reihe externer Stahlrippen strukturiert die Glasfassade zwischen dem umlaufenden Zwischengeschoss und dem Dach und steift sie aus. Die schiere Höhe und die Proportionen zeichnen dieses Projekt aus und machen aus diesem extrudierten Schnitt einen beeindruckenden und spektakulären öffentlichen Raum.

Palazzo del Lavoro   Pier Luigi Nervi

1961

Turin Italien

Extrusion

49

Im Grundriss wirkt dieser eingeschossige Raum wie ein leicht verformtes Quadrat mit einer Kantenlänge von 46 Metern. Insgesamt 305 Stahlstützen sind darin in unterschiedlich dichten Gruppen angeordnet und bilden so unterschiedlich große Werkstatträume für angehende Ingenieure. Die Stützen sind im Durchmesser zwischen 1,6 mal 14,5 Zentimeter und 6,3 mal 9,0 Zentimeter breit und weiß lackiert. 42 dieser Stahlstützen sind druckbeansprucht, wohingegen 263 mit nachträglichem Verbund vorgespannt wurden, um Querkräfte aufnehmen zu können. Das Dach in 5 Metern Höhe besteht aus einem Gitterraster mit 20 Zentimeter hohen Bindern. Die in zahlreichen Fundamenten gesicherten Stützen verankern das Dach in der Bodenplatte aus Beton. Im Gegensatz zu den extrudierten Schnitten von Supermärkten, wo die

Stützenzahl zugunsten der Effizienz und Flexibilität des Grundrisses reduziert wird, verwandelt dieser Entwurf die vertikale Konstruktion von einer Ansammlung einzelner Stützen in ein komplexes Feld, lässt die Grenzen zwischen Raum und Tragwerk verschwimmen und sorgt damit für Variation anstelle von Eintönigkeit. Der Raum dieses extrudierten Schnitts wird auf eine Weise gegliedert, die mit den Erwartungen in Bezug auf Effizienz und Hierarchie spielt.

Kanagawa Institute of Technology Workshop   Junya Ishigami & Associates 2010

Kanagawa Japan

Extrusion

51

53

Schichtung Downtown Athletic Club Starrett & Van Vleck 55

S. R. Crown Hall Ludwig Mies van der Rohe 57

Salk Institute for Biological Studies Louis I. Kahn 59

Museu de Arte de São Paulo Lina Bo Bardi 61

Kunsthaus Bregenz Peter Zumthor 63

Niederländischer Pavillon für die Expo 2000 MVRDV 65

Auch wenn die zurückgestufte Fassade des Downtown Athletic Clubs auf Bebauungsrichtlinien zurückgeht, ergeben sich die dadurch entstandenen vertikalen Blöcke aus der Nutzung im Inneren des Gebäudes. Im breitesten Block in den unteren Geschossen befinden sich Lobbys, Büros und Billardräume. In den Geschossen darüber sind die Sporträume untergebracht, wobei für jede Sportart eine Etage reserviert ist. Oberhalb dieses Gebäudeabschnitts leitet eine Zone mit Lounges und Gastronomie über in den schmalsten Block in der Spitze des Turms, in dem sich kleine Schlafräume befinden. Stahlträger mit großen Spannweiten ermöglichen stützenfreie Bereiche an der Südseite jeder Etage, und in einem durchgehenden Gebäudekern auf der Nordseite ist die vertikale Erschließung untergebracht.

Die 35 Etagen besitzen 19 unterschiedliche Geschosshöhen zwischen 1,8 Metern in den Schlafräumen bis zu 7,2 Metern in der Sporthalle. Diese Unterschiede sind an der Fassade nicht ablesbar, sondern offenbaren sich nur beim Benutzen der Fahrstühle und Treppen. Da der geschichtete Schnitt die Autonomie jeder Etage bewahrt und dabei die Nutzfläche vervielfacht, können auch auf einem engen Grundstück mitten in der Stadt eine Vielzahl von Nutzungen untergebracht werden, wobei die Räume noch dazu die für die jeweilige Sportart erforderliche Deckenhöhe besitzen.

Downtown Athletic Club   Starrett & Van Vleck

1930

New York, New York USA

Schichtung

55

Die Crown Hall ist das zentrale Gebäude auf dem von Mies van der Rohe entworfenen Campus des Illinois Institute of Technology. Die Flächen im oberen Geschoss sind für die Ateliers und Ausstellungen der Architekturfakultät konzipiert, im Sockelgeschoss sind Büros, Werkstatt- und Seminarräume untergebracht. Die Dach- und Deckenkonstruktion wurde von vier 1,8 Meter hohen, geschweißten Vollwandbindern abgehängt, die auf acht Stützen aufliegen, die außerhalb des Innenraums entlang der Fassade verteilt angeordnet sind. Dank dieser Bauweise war die stützenfreie Gestaltung der Halle im oberen Geschoss mit einer Grundfläche von 67,1 auf 36,6 Meter möglich. Der offene Innenraum mit 5,5 Metern Deckenhöhe ist lediglich von zwei vertikalen Installationsschächten und einigen hölzernen Trennwänden durchzogen.

Zur Regulierung des Tageslichteinfalls und der Blickbeziehungen mit der Außenwelt bestehen die Glasfassaden bis auf eine Höhe von 2,4 Metern aus Milchglas; die Klarglasscheiben darüber lassen sich mithilfe von Jalousien verdunkeln. Lüftungsschlitze am Fenstersockel sorgen für eine natürliche Belüftung. Die weitläufige Halle in diesem extrudierten Schnitt stellt zwar das eigentliche Highlight dieses Entwurfs dar, konnte jedoch nur entstehen, weil die technische Gebäudeausstattung in dem darunterliegenden Sockelgeschoss mit Wänden aus Betonsteinen untergebracht wurde, wo sich auch Seminarräume, Technikräume und die vertikale Erschließung befinden. Die Crown Hall ist ein Beispiel für einen großzügigen extrudierten Schnitt, der auf einem funktionalen Gebäudesockel ruht.

S. R. Crown Hall   Ludwig Mies van der Rohe

1956

Chicago, Illinois USA

Schichtung Hohlraum

57

Der zentrale Innenhof des Salk Institute wird von zwei Reihen aus je fünf Gebäuden flankiert. Am äußeren Ende beider Reihen schließt jeweils ein Laborgebäude an. Die Labore sind stützenfreie Räume mit einer Grundfläche von 19,8 mal 74,7 Metern und einer Höhe von 3,4 Metern. Sie werden von Vierendeel-Trägern aus Ortbeton überspannt, die über den Laboren einen Zwischenboden schaffen, in dem die Gebäudetechnik untergebracht ist. Auch wenn es nur drei Laboretagen gibt, wird das Gebäude wegen der im Schnitt deutlich erkennbaren Versorgungsgeschosse meist als sechsgeschossig bezeichnet. Aufgrund einer lokalen Beschränkung der Bauhöhen liegt ein Drittel des Bauwerks unter der Erde. Beidseits der Laborgebäude lassen große Lichtschächte das Tageslicht in die Untergeschosse fallen. Die Proportionen

dieser Laborgebäude mit geschichtetem Schnitt harmonieren mit denen der Lehrgebäude, in denen die Studierzimmer auf gleicher Höhe liegen wie die Versorgungsgeschosse, um die der Lehre vorbehaltenen Räume von den Laboren zu trennen.

Salk Institute for Biological Studies   Louis I. Kahn

1965

La Jolla, Kalifornien USA

Schichtung Hohlraum

59

Dieses Kulturzentrum setzt sich aus drei geschichteten Volumenkörpern zusammen: Der erste hängt in 8 Metern Höhe in der Luft, der zweite ist in den Boden versenkt und der dritte stellt die Verbindung zwischen ihnen her – eine Art Aussichtspunkt auf Straßenniveau. Der 74,1 Meter lange obere Quader, in dem sich zwei Geschosse befinden, ist an zwei Paar vorgespannten Stahlbetonbügeln von 2,5 mal 3,5 Metern aufgehängt. Im unteren Geschoss sind Büros, eine Bibliothek und ein zentraler Ausstellungsraum untergebracht; die Erschließungsgänge verlaufen direkt unterhalb der Betonträger. Die beiden oberen Träger liegen außerhalb des Gebäudes, wodurch im oberen Geschoss ein völlig offener Ausstellungssaal entstanden ist, der ringsherum von einer Vorhangfassade umschlossen ist. Die außerhalb des Gebäudes

angebrachte Treppe und der Aufzug verbinden den aufgehängten Baukörper mit dem darunter befindlichen Platz, der Stadthalle, den Auditorien, dem Theater, der Bibliothek, dem Restaurant und den Technikräumen im Untergeschoss. Dieser geschichtete Gebäudekomplex schöpft die Topografie seines innerstädtischen Standorts voll aus und scheint paradoxerweise zugleich unter der Erde zu liegen und zu schweben; er tarnt sich und ist zugleich monumental, wirkt komprimiert und ist doch ausladend.

Museu de Arte de São Paulo   Lina Bo Bardi

1968

São Paulo Brasilien

Schichtung Hohlraum

61

Der komplexe Schnitt dieses monolithischen Bauwerks wird durch seine gleichmäßige, vorgehängte transluzente Glasfassade verhüllt. Das quadratische Gebäude besteht aus einem Tragwerk innerhalb eines Tragwerks. Eine Stahlkonstruktion nimmt sowohl die äußeren Glaspaneele als auch die innere geschossübergreifende Wandmembran auf. Der 91 Zentimeter breite Raum zwischen den Glasschichten dient als Wärmepuffer und streut das einfallende Tageslicht. Im Inneren schafft eine separate Betonkonstruktion über dem ebenerdigen Foyer drei Ausstellungsgeschosse. In zwei Untergeschossen sind Vortragsraum, Archiv und Technikräume untergebracht. Drei nach innen versetzte Wände tragen jeweils die Geschossdecken, ermöglichen stützenfreie Ausstellungsräume und trennen zugleich die vertikalen Erschließungszonen ab.

Ähnlich wie beim Salk Institute wird über einen großen Zwischenraum oberhalb jeder Etage das einfallende Tageslicht sowie künstliches Licht durch geätzte Deckenplatten aus Glas in die Ausstellungsräume geleitet. Nur zwei der fünf öffentlich zugänglichen Etagen weisen dieselbe Deckenhöhe auf. Durch die Kombination von Verschachtelung und Schichtung erzeugt der Schnitt dieses Projekts außen wie innen besondere Lichteffekte.

Kunsthaus Bregenz   Peter Zumthor

1997

Bregenz Österreich

Schichtung Verschachtelung

63

statt. An den Außenseiten des Gebäudes angeordnete Treppen und Aufzüge dienten der vertikalen Erschließung. Die Gleichförmigkeit dieser Erschließungselemente stand in direktem Kontrast zur abwechslungsreichen Gestaltung der einzelnen Geschosse. Da es nur wenige Außenwände gab, offenbarte sich von der Seite auf einen Blick der Schnitt des Gebäudes, und die deutliche Trennung zwischen den Etagen wurde zum Markenzeichen dieses Bauwerks. Bei diesem Projekt diente die Schichtung nicht dazu, ein standardisiertes Geschoss mehrfach übereinanderzustapeln, sondern hier sollten die Unterschiede zwischen den ansonsten gleich großen Ebenen hervorgehoben werden.

%

In diesem temporären Pavillon wurden sechs typische niederländische Landschaften beispielhaft übereinandergestapelt. Über die Büroräume in den Untergeschossen gelangte der Besucher zu Sanddünen, Gewächshäusern, überdimensionierten Pflanzgefäßen, einem Wald und Poldern. Das Gebäude war als verdichtete Darstellung bewohnbarer Gegenden zu verstehen. Es glich einer vertikalen Parklandschaft, die von einer Etage zur nächsten mit extremen ästhetischen, konstruktiven, programmatischen und ökologischen Gegensätzen aufwartete. Die Deckenhöhen variierten zwischen 2,6 und 11,8 Metern. Amorphe Betonblasen wechselten sich mit schiefen Baumstämmen und konventionellen, standardisierten Balkenanordnungen ab. Jede Etage war autonom; im Schnitt fand kaum direkter physischer oder räumlicher Austausch

Niederländischer Pavillon für die Expo 2000   MVRDV

2000

Hannover Deutschland

Schichtung Verformung

65

67

Verformung Haus Bennati Rudolph M. Schindler 69

Notre-Dame du Haut Le Corbusier 71

Restaurant „Los Manantiales“ Félix Candela 73

Bibliothek am Hunter College Marcel Breuer 75

Bibliothek in Seinäjoki Alvar Aalto 77

Kirche Sainte-Bernadette du Banlay Claude Parent und Paul Virilio 79

Kirche von Bagsværd Jørn Utzon 81

Cité de l’Océan Steven Holl Architects 83

Opernhaus von Taichung Toyo Ito & Associates 85

Dieses Ferienhaus mit drei Zimmern ist ein frühes Exemplar des A-Rahmen-Hauses. Es besteht aus 14 gleichseitigen Holzdreiecken mit 7,3 Metern Kantenlänge, die im Abstand von 1,2 Metern aufgestellt wurden. Das Dach reicht bis zur Bodenplatte und ist nicht auf rechteckige Wände aufgesetzt, wie es für ein Holzrahmenhaus üblich ist. Die Gemeinschaftsbereiche befinden sich auf der größeren unteren Ebene; die beiden Schlafzimmer sind im schmaleren Obergeschoss untergebracht. An jedem Dachsparren von 7,6 mal 15,2 Zentimetern sind paarweise Horizontalbalken mit einem Querschnitt von 5,1 mal 20,3 Zentimetern befestigt, die den Zwischenboden tragen und die Schubbewegung des Dachs aufnehmen. Vertikale Fenster, die den Innenraum horizontal erweitern, sowie maßgefertige Möbel, die in den Dreiecksrahmenbau

integriert wurden, machen selbst die unteren Bereiche der Dachschräge nutzbar. Das Holzhaus ist auf einem Steinfundament verankert, das die Unebenheiten im Gelände ausgleicht und sich in Form des Kamins vertikal durch das Haus zieht. Eine mit Sperrholz verkleidete Treppe führt am Kamin empor. Dieser Schnitt generiert nicht nur eine effiziente Form für eine Holzkonstruktion, sondern ordnet auch die Bereiche im Haus und erfüllt zudem die lokalen Bauvorgaben, die eine Außenansicht fordern, die sich in die Berglandschaft einfügt.

Haus Bennati   Rudolph M. Schindler

1937

Lake Arrowhead, Kalifornien, USA

Verformung

69

Der Schnitt von Le Corbusiers berühmter Wallfahrtskapelle offenbart Widersprüche hinsichtlich Material und Konstruktion. Die südliche Wand und das Dach wirken massiv, sind aber Hohlkörper. Die Decke ist an einigen Stellen mehr als 2,1 Meter dick. Ihre Form verdankt sie gebogenen Betonträgern und parallelen Pfetten, die sich dazwischen aufspannen. Diese Konstruktion lässt eine konvex gewölbte Decke entstehen, die den Innenraum der Kirche definiert und das Regenwasser zu einem Wasserspeier auf der Westseite leitet. Die Südwand ist in Schottenbauweise mit innenliegendem Stahlbetontragwerk errichtet; die pyramidenförmigen Wandöffnungen sind dünn mit Spritzbeton ausgekleidet. Im Gegensatz dazu sind die anderen Außenwände massiv ausgeführt, obwohl sie weniger massig wirken. Sie bestehen aus Betonstützen

und Steinen, die von der zuvor am selben Ort stehenden Kirche stammen. Ein 20,3 Zentimeter breiter Lichtgaden aus Glas vermittelt in der Fuge zwischen Südwand und gebogener Decke, wodurch letztere beleuchtet wird und über der Südwand frei zu schweben scheint. Der Topografie des umgebenden Geländes folgend, fällt der Boden in Richtung des Altars leicht ab. Statt wie in anderen religiösen Bauten mit einer konkaven Decke einen zentralen Fokuspunkt im Innenraum zu schaffen, drückt der konvexe, verformte Deckenschnitt in Ronchamp gegen die Gebäudeperipherie und geht gleichzeitig in drei kleinere Kapellen seitlich des Kirchenschiffs über.

Notre-Dame du Haut   Le Corbusier

1954

Ronchamp Frankreich

Verformung Schichtung

71

Das Restaurant „Los Manantiales“ ist eine von Félix Candelas bekanntesten dünnwandigen Betonschalenkonstruktionen. Die Form des Gebäudes entspricht vier hyperbolischen Paraboloiden, die sich gegenseitig durchdringen und deren Flächen doppelt gekrümmt sind. Diese Form lässt sich mit einer Vielzahl von geraden Schalbrettern herstellen. An den Punkten in den Tälern, an denen sich die Flächen überschneiden, sind die V-Träger mit zusätzlichem Bewehrungsstahl verstärkt und steifen so die Widerlager der Kreuzgewölbe aus. An der Außenkante der Konstruktion ist die 4,1 Zentimeter dünne Schale erkennbar, die in einem Parabelbogen 32,3 Meter überspannt und eine Grundfläche mit einem Durchmesser von 42,4 Metern überdeckt. In der Mitte ist die Schale 5,8 Meter hoch, und am höchsten äußeren

Punkt sind es 9,9 Meter. Sie liegt auf umgekehrt schirmförmigen Fundamenten auf, die die Lasten in den weichen Grund ableiten. Die Form und die gesamte Architektur dieses Gebäudes werden durch sein Tragwerk bestimmt. Obwohl das Innere ein großer Raum ist, schafft das Dach voneinander getrennte Sitzbereiche am äußeren Rand des Grundrisses. Eine Glasfassade schließt die acht Erker nach außen ab. Sie bietet einen Panoramablick auf die umgebenden Kanäle und den Park und zeichnet an den Stellen, wo sie auf die Schale trifft, die Hyperbelbögen nach.

Restaurant „Los Manantiales“   Félix Candela

1958

Mexiko-Stadt Mexiko

Verformung

73

Diese Bibliothek gehört zu einem zweiteiligen Gebäudekomplex, in dessen anderem Teil Büros und Seminarräume untergebracht sind. Das Obergeschoss der Bibliothek ist einem 36,6 Meter breiten und 54,9 Meter langen Lesesaal vorbehalten. Im zum Teil in das Erdreich hineingebauten Tiefgeschoss befinden sich Büchermagazine, Büros und Technikräume. Der rechteckige Grundriss wird von einer Konstruktion aus sechs umgekehrten Schirmen überspannt, die mit einem Mittenabstand von je 18,3 Metern angeordnet sind und vom Fuß bis zur Dachoberkante 10,8 Meter messen. Diese blütenkelchförmigen Dachelemente sind zur Queraussteifung miteinander verbunden, tragen die gläsernen Außenwände und bestimmen das Raumvolumen des Lesesaals. Darüber hinaus sammelt sich das Regenwasser darin und wird

im Inneren der kreuzförmigen Stützen abgeleitet. Die Schirme haben die Form eines hyperbolischen Paraboloids und bestehen aus einer dünnen Betonschale, geformt von einer Schalung aus Bauholz. An der abgehängten Rasterdecke aus Aluminium sind geradlinige Lampen angebracht, die einen Kontrapunkt zur geschwungenen Decke setzen. Die östliche und südliche Wand ist mit einem externen Sonnenschutz aus Hohlziegeln aus Terrakotta versehen. In diesem verformten Schnitt ergibt sich die Topografie der Deckenkonstruktion unmittelbar aus der Geometrie der tragenden Gebäudehülle. Sie belebt den Rechteckgrundriss mit einem in Wellen verlaufenden Raumvolumen.

Bibliothek am Hunter College   Marcel Breuer

1960

New York, New York USA

Verformung

75

Diese Bibliothek gehört zu einem städtischen Hochschulzentrum. Der Grundriss setzt sich zusammen aus einem orthogonalen Riegel von Seminar- und Betriebsräumen, der in einen fächerförmigen Raum übergeht, in dem sich die Büchermagazine und Lesebereiche befinden. Dort, wo die beiden Volumina aufeinandertreffen, ist die Ausleihtheke positioniert. Die Decke und der Boden aus Ortbeton wurden im Schnitt so angepasst, dass sie das Licht modulieren und Blicke durch den Innenraum erleichtern. Am äußeren Ende des Fächers streut die konkave Decke das aus Süden in die Bibliothek fallende Licht, während eine leicht geneigte Decke das durch einen Lichtgaden über der zentralen Theke eindringende Nordlicht im Raum verteilt. Ein abgesenkter Lesebereich, typisch für Aaltos Bibliotheksentwürfe, bietet eine Rückzugsmöglichkeit

inmitten der Bücherregale und ist doch von der Ausleihe her gut einsehbar. Die kontemplative Stimmung wird durch den dunkleren Mittelteil der Decke verstärkt, auf dessen konkave Oberfläche nur wenig Tageslicht trifft. Die Form des Innenraums ist von außen nicht erkennbar, weil zwischen Decke und Schrägdach ein großer Hohlraum liegt. Dort sind auch die Balken versteckt, die die wellige Decke halten. In diesem verformten Schnitt wurde sowohl der Boden als auch die Decke moduliert, um eine neue Raumqualität zu schaffen und eine optimale Funktionalität zu gewährleisten.

Bibliothek in Seinäjoki   Alvar Aalto

1965

Seinäjoki Finnland

Verformung

77

Das höhlenartige Kirchenschiff dieser kleinen Kirche befindet sich über dem Erdgeschoss, in dem Unterrichts- und Technikräume untergebracht sind. Was von außen monolithisch wirkt, als sei es vor Ort in Beton gegossen worden, entpuppt sich im Schnitt als Konstruktion aus zwei dünnen Betonschalen, die sich um ein Tragwerk aus 13 parallel angeordneten Rahmen legen. Der schwebende Kirchenraum, der weit über den Gebäudesockel auskragt, ist über eine Treppe zugänglich, die in der Mitte des Raums emporführt. Mit dem zum Altar hin abfallenden und wieder ansteigenden Boden ist diese Kirche einer der wenigen realisierten Entwürfe für das „Leben auf der Schräge“. Diese Theorie von Claude Parent und Paul Virilio, auch Vivre à l’oblique genannt, übt Kritik am modernen Grundriss und will dazu anregen, in der Zukunft soziale Beziehungen

zu schaffen, die ihren Ausgang im Leben auf der Schräge nehmen. Virilios archäologische Arbeiten zu Bunkern aus dem Zweiten Weltkrieg hatten einen großen Einfluss auf den Entwurf dieser Kirche mit ihren zwei konvexen, schrägen, im Grundriss versetzten Volumina; die Fuge zwischen beiden Gebäudeteilen markiert ein zentrales Oberlicht, das über die gesamte Breite des Kirchenschiffs reicht. Diese zentral positionierte Lichtquelle, der direkte Zugang zum Kirchenraum vom Erdgeschoss und der schräge Boden stellen die Konventionen westlicher Kirchen in Bezug auf die räumliche Anordnung im Schnitt auf den Kopf.

Kirche Sainte-Bernadette du Banlay   Claude Parent und Paul Virilio

1966

Nevers Frankreich

Verformung / Schräge Verschachtelung

79

Im Grundriss ist die Kapelle der Kirche von Bagsværd das zentrale Objekt in einem rechteckigen Ensemble aus Räumen und Innenhöfen, umgeben von Gängen, die zur Erschließung des Kirchengeländes dienen. Tageslicht gelangt hauptsächlich durch ein großes Oberlicht, das sich zwischen den beiden Faltungen am Scheitelpunkt der mehrfach gewölbten Decke befindet, sowie durch die Glasdecken der umlaufenden Gänge ins Kircheninnere. Die Decke im Kirchenschiff ist im Eingangsbereich am niedrigsten, verdichtet den Raum oberhalb der Sitzreihen, wölbt sich im Altarbereich gen Himmel und lenkt die Blicke über die Sakristei hinaus. Eine Reihe von miteinander verbundenen Bögen, die an Wolkenfelder erinnern, bildet die Querschnittsgeometrie der Decke, bestehend aus dünnen Betonschalen, die sich von einem Seitengang zum

anderen über 19,4 Meter erstrecken und das äußere Metalldach tragen. Decke und Dach stehen in einer konstruktiven Beziehung zueinander, die die klassische Hierarchie, der zufolge die Bauteile im Inneren von der äußeren Konstruktion gehalten werden, ins Gegenteil verkehrt. In diesem verformten Schnitt steht die dynamische Raumqualität im Inneren im deutlichen Kontrast zu den unmodulierten Oberflächen der äußeren Hülle.

Kirche von Bagsværd   Jørn Utzon

1976

Kopenhagen Dänemark

Verformung

81

Der architektonische Ansatz, der diesem Museum für Meereskunde und Surfgeschichte zugrunde liegt, ist von den nahe gelegenen Stränden von Biarritz und der umgebenden Landschaft inspiriert. Die konkave Dachfläche aus 80 Zentimeter dicken Hohlbetonelementen wölbt sich aus dem Gelände empor, lässt eine öffentlich zugängliche Dachterrasse entstehen und bildet zugleich die Decke des darunter befindlichen Museums. Von Gras überwuchertes Kopfsteinpflaster bedeckt diesen Platz unter freiem Himmel. Ein „Skate-Pool“ und zwei Glaskuben, in denen sich ein Restaurant und ein Surf-Kiosk befinden, machen ihn zu einem Treffpunkt. Unterhalb der hochgezogenen Dachränder betreten die Besucher den großen zweigeschossigen Ausstellungsraum, der von Servicebereichen, Büros und einem Auditorium

eingefasst ist. Die einfach verformte, schräge Dachfläche generiert im Inneren zwei sehr unterschiedliche Räume: einen oben und einen unten; einen inneren und einen äußeren; einen weitläufigen, der sich dem Himmel öffnet, und einen geschützten, der sich unter der konvexen Wölbung des massiven Dachs verbirgt. An der dem Atlantik abgewandten Seite erzeugt der gewölbte Schnitt des begehbaren Dachs eine ausgeprägte Kante, während sich das Gebäude meeresseitig mit seinem geneigten Dach nahtlos in das umgebende Gelände einfügt. Durch die Materialität der Dachterrasse verbindet sich der dynamische Raum dieses verformten und verschachtelten Schnitts mit der Umgebung, wo er als öffentlicher Weg und Park in Richtung Meer führt.

Cité de l’Océan   Steven Holl Architects

2011

Biarritz Frankreich

Verformung Verschachtelung

83

Dieses Opernhaus, das einen großen Theatersaal mit 2000 Sitzplätzen, einen kleinen mit 800 Sitzplätzen und ein Experimentaltheater mit 200 Sitzplätzen beherbergt, wird durch ein durchgehendes topologisches Raster aus dreidimensionalen Wölbungen definiert, das es unmöglich macht, zwischen horizontalen und vertikalen Flächen zu unterscheiden. Die raumbildende Hauptkonstruktion ist nur an wenigen Punkten horizontal ausgerichtet. Sie besteht aus 58 verschiedenartig abgerundeten, kurvenreich ineinander übergehenden Wänden. Um die komplexen Formen zu erzeugen, wurde Spritzbeton auf das Stahltragwerk aufgebracht. Zwischen den gewölbten Wandstrukturen sind geschichtete horizontale Geschosse eingeschoben, über die sich die unterschiedlichen Nutzungen verteilen. Die Verformungen der gewölbten

Flächen sind daher im Schnitt als Wände oder Decken oder auch als Begrenzung der Erschließungswege oder der Hohlräume der Atrien, aber selten als Böden sichtbar. Die Fassaden wirken wie Schnitte durch die Bauzeichnung. Die etwa 30,5 Zentimeter starken selbsttragenden Wölbungen dieser Schnittkombination sind mit einer Glasfassade geschlossen, mit grobporigem Spritzbeton gefüllt oder bleiben als Öffnungen bestehen und machen diese so zu einem Teil des Außenraums.

Opernhaus von Taichung   Toyo Ito & Associates

2016

Taichung Taiwan

Verformung / Schichtung Hohlraum / Verschachtelung

85

87

Versatz 13 Rue des Amiraux Henri Sauvage 89

Fallingwater Frank Lloyd Wright 91

Nederlands Instituut voor Beeld en Geluid Neutelings Riedijk Architects 93

Mountain Dwellings BIG–Bjarke Ingels Group / JDS Architects 95

Diana Center am Barnard College Weiss / Manfredi 97

Willemspark-Schule, Apollo-Schulen Herman Hertzberger 99

Granoff Center for the Creative Arts Diller Scofidio + Renfro 101

Über drei Seiten eines Straßenblocks erstreckt sich dieses soziale Wohnungsbauprojekt, das 78 Wohnungen auf sieben Etagen sowie zwei Kellergeschosse mit Gemeinschafts- und Installationsräumen umfasst. Zur damaligen Zeit war Henri Sauvages Idee des horizontalen Versatzes sehr innovativ. Jedes Stockwerk ist um einen Meter zurückversetzt, wodurch alle Wohnungen schöne Terrassen mit freiem Blick in den Himmel erhalten. Die Wohnungen verfügen über jeweils drei oder vier Zimmer, die entlang der Gebäudeaußenkante angeordnet sind. Die mit Keramikfliesen verkleidete Stahlbetonkonstruktion lässt dank ihrer Pyramidenform Licht und Luft in die Wohnungen und in die umgebenden Straßen. Im

Zentrum des Schnitts ist ein Schwimmbad mit Umkleiden untergebracht, getragen von den darunterliegenden Technikräumen für die Belüftung und Heizung. Neben dem zentralen Oberlicht für das Schwimmbad befinden sich kleine Abstellräume für die Bewohner der Wohnungen. Dieses Gebäude diente als Vorbild für viele nachfolgende Varianten des horizontal versetzten Schnitts. Bei dieser Bauart sind Wohnungen oder individuell genutzte Räume häufig im oberen Bereich der terrassierten Gebäudeseite, dem Himmel zugewandt, angeordnet, während die Gemeinschaftsräume, die kein Tageslicht benötigen, im Schattenbereich zwischen Abtreppung und Erdboden untergebracht sind.

13 Rue des Amiraux   Henri Sauvage

1930

Paris Frankreich

Versatz Hohlraum

89

Das berühmte Ferienhaus von Frank Lloyd Wright im ländlichen Pennsylvania ist über eine Zufahrt erreichbar, die über eine kleine Brücke führt, sich um das Haus schlängelt und es so vom Gelände abhebt. Im Inneren befinden sich eine große offene Wohnetage und zwei Obergeschosse mit Schlafräumen. Ortbetonpfähle im Fels bilden das Fundament. Darauf liegen die tragenden Wände auf, die mit lokalem Stein verkleidet sind. Die Betonrippendecken kragen bis zu 5,5 Meter über den Bachlauf aus. Inmitten des Wohnzimmers ragt ein großer Felsbrocken aus dem Boden empor. Die Deckenhöhen variieren nicht nur von Raum zu Raum, sondern teils auch innerhalb eines Zimmers. An einigen Stellen betragen sie nur 1,9 Meter. Untypisch für den horizontalen Versatz, werden hier die auskragenden Balkone nicht einfach repliziert,

sondern sie werden in drei unterschiedliche Richtungen verdreht und sind unterschiedlich lang und breit. Diese Variationen erzeugen eine wohlkalkulierte Abfolge von Auskragungen und Terrassen auf allen Seiten des Hauses. In diesem vom Versatz geprägten Schnitt erweitern die auskragenden Elemente das Haus optisch, akustisch und formal und betten es in die umgebende Landschaft ein. Zugleich spiegelt sich darin die Topografie der Felsblöcke auf dem Grundstück wider.

Fallingwater   Frank Lloyd Wright

1939

Mill Run, Pennsylvania USA

Versatz

91

Dieser Kubus beherbergt ein Forschungsinstitut sowie das Nationalarchiv der niederländischen Rundfunk- und Fernsehanstalt. Aufgrund einer Beschränkung der Gebäudehöhe auf 25 Meter über Gelände wurde er in drei Bereiche untergliedert: die 13 Obergeschosse mit Büros und Technikräumen, die fünf Untergeschosse mit dem Archiv und die drei Ausstellungsgeschosse, die über der großen Halle im Zentrum des Gebäudes schweben. Tageslicht fällt durch ein Oberlicht und die farbigen Gläser der Fassade in das Atrium und bis hinunter in das mit Schiefer verkleidete Archiv. Aus der zentralen Halle mit ebenerdigem Zugang blickt man hinunter in einen „Canyon“ aus terrassierten und gestaffelten Geschossen, der von drei Brücken überspannt wird, und sieht im Deckenbereich einen abgetreppten Hohlraum, der

an die Ausstellungsgeschosse anschließt. Die absteigend und aufsteigend gestaffelten Volumina sind in einem Winkel von 90 Grad versetzt, sodass der Innenraum sich zu winden scheint. Der Versatz im Schnitt hat auf die Innenräume der versetzten Ebenen kaum Auswirkungen, allerdings ist die so entstandene Form des Atriums bemerkenswert. Paradoxerweise betont das Atrium, das mitten in das Gebäude geschnitten ist, die programmatische Untergliederung in drei Volumina und vereint sie doch zu einem vollständigen Ganzen.

Nederlands Instituut voor Beeld en Geluid   Neutelings Riedijk Architects

2006

Hilversum Niederlande

Versatz Hohlraum

93

In den Mountain Dwellings wird ein Parkhaus von Wohneinheiten überlagert. Ein Schrägaufzug, der die Parkebenen mit den Fluren der Wohnetagen verbindet, ermöglicht den Zugang zu den Appartements. Jede Wohneinheit ist um ihre eigene, große, L-förmige Terrasse herum angeordnet, auf der integrierte Pflanzkübel für Sichtschutz zwischen den Wohnungen sorgen. Die Nord- und Westfassaden sind mit Aluminiumlochblechen verkleidet, deren der Belüftung dienende Stanzung ein Bild des Mount Everest zeichnet. Dieses Gebäude steht in einer langen Bautradition, bei der Parkplätze im Inneren horizontal versetzter Gebäudequerschnitte untergebracht werden. Es weist eine extreme Neigung

von 25 Grad auf und bietet Platz für 480 Fahrzeuge – viel mehr, als für die 80 Wohnungen nötig sind (ursprünglich war es als reines Parkhaus geplant). Durch den horizontalen Versatz gelangt zudem viel Tageslicht auf die Terrassen.

Mountain Dwellings   BIG–Bjarke Ingels Group / JDS Architects

2008

Kopenhagen Dänemark

Versatz Schräge

95

Parallel zum Broadway liegt dieses Kulturzentrum, in dem Ateliers, Seminarräume, Büros, Ausstellungssäle, ein Experimentaltheater, ein Café, ein Speisesaal und ein kreisrunder Veranstaltungsraum mit 500 Sitzplätzen untergebracht sind. Vier zweigeschossige Räume sind diagonal übereinandergeschichtet und erzeugen einen optisch durchgängigen Hohlraum im Zentrum des Gebäudes. Dieser Hohlraum ist an der (dem Broadway zugewandten) Ostfassade durch die Anordnung der eigens für das Projekt siebbedruckten Glasscheiben erkennbar. Aus Gründen der Akustik und des Brandschutzes durch Glaswände voneinander getrennt, sind die Volumina jeweils einer anderen Nutzung vorbehalten, ermöglichen jedoch Blickbezüge durch das Gebäude hindurch sowie auf die angrenzende Rasenfläche. Die der Lehre vorbehaltenen

Räume wurden um den schrägen Hohlraum herum angeordnet. Der größte Raum – der kreisrunde Veranstaltungssaal – befindet sich unter den horizontal verschobenen Etagen. Auf der Westseite ragen begehbare verglaste Raumteile aus der Fassade heraus. Dieser Schnitt vereint die räumlichen und optischen Effekte eines Hohlraums mit der kumulativen Wirkung eines horizontalen Versatzes.

Diana Center am Barnard College   Weiss / Manfredi

2010

New York, New York USA

Versatz Hohlraum

97

Die Apollo-Schulen sind ein Komplex aus zwei Gebäuden, die als Grundschulen angelegt wurden. Dieser Schnitt zeigt die Willemspark-Schule, im Osten schließt die Montessori-Schule an. Beide Gebäude basieren auf demselben Raumkonzept, bei dem im Schnitt durch Abtreppen und Versatz eine Haupthalle entsteht, durch die man zu den umgebenden Klassenzimmern gelangt. Dort, wo die versetzten Geschosse nicht durch Treppen verbunden sind, bilden groß angelegte Stufen Sitzbereiche aus. Der klassische Schulflur wird so durch eine lebendige Aula im Herzen der Schule ersetzt, die für spontane Aufführungen und den täglichen Unterricht genutzt werden kann. Runde Oberlichter lassen Licht in die Halle und wirken so als Kontrapunkt zu den massiven Wänden, die den Fokus auf das Lernen im Gebäudeinneren

lenken. Auch wenn der Schnitt Blickbeziehungen zwischen den Geschossen ermöglicht, so bleibt doch die Abgeschiedenheit jedes Klassenzimmers gewahrt, weil diagonale Einblicke in die Räume verhindert werden.

Willemspark-Schule, Apollo-Schulen   Herman Hertzberger

1983

Amsterdam Niederlande

Versatz Hohlraum

99

Diese interdisziplinäre Hochschule für kreative Künste, die von einem deutlichen vertikalen Versatz geprägt ist, beherbergt einen Aufführungssaal, eine Elektrowerkstatt, ein Aufnahmestudio und ein Produktionsstudio auf der Südseite sowie eine Galerie, eine Holzwerkstatt, einen Multimediaraum und ein weiteres Produktionsstudio auf der Nordseite. Der Erschließungsgang im Erdgeschoss ist breit genug, um als Lounge genutzt zu werden. Er liegt zwischen Aufführungssaal und Galerie und bietet Einblicke in mehrere Stockwerke. Die Technikinstallationen 0 4 8 an den Decken 16 liegen weitestgehend frei; die Geschossplatten aus Ortbeton spannen von Osten nach Westen, parallel dazu sorgt eine 25,4 Zentimeter

starke Doppelverglasung, die weder von Stützen noch von abgehängten Decken durchbrochen ist, für räumliche Trennung. Diese Glaswand trennt die einzelnen Räume akustisch voneinander, fördert aber zugleich durch die Blickbezüge den Austausch und damit die Interdisziplinarität. Als Sichtschutz und zur Verschattung können die in die Glaswand integrierten Jalousien geschlossen werden. Aufgrund der nicht durchgängigen Erschließung, bedingt durch den vertikalen Versatz, wurde im hinteren Gebäudeteil ein großes Treppenhaus als Lounges gestalteten, breiten Trep32mit FEET penabsätzen angeordnet, um einen Gemeinschaftsbereich für die unterschiedlichen Ebenen des Schnitts zu schaffen.

Granoff Center for the Creative Arts   Diller Scofidio + Renfro

2011

Providence, Rhode Island, USA

Versatz

101

103

Hohlraum Bürogebäude der Firma Larkin Frank Lloyd Wright 105

Einfamilienhaus in der Weißenhofsiedlung Le Corbusier 107

Ford Foundation Headquarters Kevin Roche John Dinkeloo and Associates 109

Bibliothek der Phillips Exeter Academy Louis I. Kahn 111

New York Marriott Marquis Hotel John Portman & Associates 113

Sendai Mediatheque Toyo Ito & Associates 115

41 Cooper Square Morphosis 117

Dieser 1950 abgerissene Firmenhauptsitz eines Seifenherstellers umfasste vier Hauptgeschosse mit Großraumbüros, eine Tiefgarage und ein Aktenarchiv im Untergeschoss sowie ein Restaurant, eine Küche und einen Wintergarten in der obersten Etage. Der Zugang zum 7,7 Meter breiten, 34,1 Meter langen und 23,2 Meter hohen Atrium im Zentrum des Gebäudes erfolgte über die Ostseite (in der Zeichnung rechts dargestellt). Ein Oberlicht mit Doppelverglasung krönte das Atrium und sorgte für eine natürliche Belichtung der 4,9 Meter hohen Großraumbüros. Das Gebäude bestand aus einer Stahlkonstruktion mit Geschossdecken aus Stahlbeton. Entlang der Außenwände jeder Büroetage befanden sich bis auf Augenhöhe Aktenschränke und darüber ein doppelt verglaster Lichtgaden. Die Aktenschränke verhinderten den Blick

nach draußen und lenkten die Aufmerksamkeit auf das Atrium in der Gebäudemitte. In den hohlen Brüstungswänden, die das Atrium umgaben, waren die technischen Installationen der Klimaanlage untergebracht, mit der das hermetisch abgeschlossene Gebäude, das die Mitarbeiter vor der Luftverschmutzung des umliegenden Industriegebiets schützte, gekühlt werden konnte. In die vier Treppenhäuser an den beiden Stirnseiten des Gebäudes waren vertikale Leitungskanäle integriert, die Luft ansaugten. Das Atrium sorgte durch seine Größe für einen ansprechenden optischen Eindruck und optimale Belüftung. Zudem stärkte seine offene Gestaltung das Gemeinschaftsgefühl der Mitarbeiter.

Bürogebäude der Firma Larkin   Frank Lloyd Wright

1906

Buffalo, New York USA

Hohlraum Schichtung

105

Le Corbusiers Haus für eine Familie aus der Mittelschicht, präsentiert 1927 im Rahmen einer Werkbund-Ausstellung in der Weißenhofsiedlung, ist eine frühe Variante der „Wohnzelle“ Maison Citrohan, eines Wohnprototypen, der um einen zweigeschossigen Hohlraum im Zentrum des Schnitts herum angeordnet ist. Gemäß Le Corbusiers Gestaltungsprinzipien der „Fünf Punkte zu einer neuen Architektur“ ruht das Haus auf zwei Reihen mit je fünf Betonstützen, die in einem Abstand von 2,5 Metern zueinander stehen. Diese sogenannten Pfosten oder Pilotis sind im Erdgeschoss sichtbar. In den Obergeschossen ist die eine Stützenreihe hinter der Fassade verborgen; die andere rahmt eine Seite des Treppenaufgangs. Im zweiten Obergeschoss wurde die Geschossdecke diagonal verkürzt und bildet so eine schräge Galerie, über die die

Räume auf dieser Ebene – Elternschlafzimmer, Bad und Ankleidezimmer – erreichbar sind. Von hier aus ist das zweigeschossige Wohnzimmer einsehbar. Eine über zwei Etagen reichende Glaswand aus zwei voneinander unabhängigen Fensterelementen bildet die zweischalige Außenwand mit dazwischenliegendem Gewächshaus. Das oberste Stockwerk ist in eine Dachterrasse mit einem nicht verglasten Fensterband und eine verschachtelte Anordnung von Schlafzimmern aufgeteilt. Die Trennwand zwischen den Schlafzimmern ist als Stauraum für ausziehbare Betten und Bettwäsche ausgebildet. Im Schnitt dieses Hausprototyps für das Maschinenzeitalter wird der Hohlraum zur Organisation des modernen häuslichen Lebens eingesetzt.

Einfamilienhaus in der Weißenhofsiedlung   Le Corbusier

1927

Stuttgart Deutschland

Hohlraum Schichtung

107

Das gläserne Atrium mit Gartenlandschaft im Herzen des Hauptsitzes der Ford Foundation findet einen Mittelweg zwischen der Ungestörtheit des Einzelnen und der gemeinschaftlichen Unternehmung. Da für die geplante Nutzung deutlich weniger Platz benötigt wurde, als für den Bau zur Verfügung stand, machte die Ford Foundation aus dem überschüssigen Raum einen attraktiven Gemeinschaftsbereich. Das 54,6 Meter hohe Atrium stellt, asymmetrisch angeordnet an der südöstlichen Ecke des Gebäudes, eine visuelle Verbindung zwischen den Büros her und erlaubt den diagonalen Ausblick auf den East River. Die über zehn Geschosse reichende Glasfassade auf der Süd- und der Ostseite, die den Blick von außen auf den Garten ermöglicht und durch die Licht in den Innenhof gelangt, wird von Stahlträgern mit 25,6 Metern

Spannweite gehalten. An der Nord- und Westseite umgeben vollverglaste Büroräume das Atrium, sodass die temperierte Luft aus dem Gewächshaus zirkulieren kann. Den Abschluss dieses Hohlraums nach oben bilden die Vorstandsetage, ein Speisesaal und ein großes Oberlicht.

Ford Foundation Headquarters  Kevin Roche John Dinkeloo and Associates 1968

New York, New York USA

Hohlraum / Schichtung Versatz

109

Im Zentrum dieser Bibliothek befindet sich ein 21,3 Meter hohes Atrium, das ringsum von tragenden Betonwänden umgeben ist. Gekrönt von einem monumentalen, 4,9 Meter starken aussteifenden Element aus Beton und umschlossen von einem holzverkleideten Lichtgaden, lenkt dieser zentrale Hohlraum das Tageslicht in die Mitte der 33,8 mal 33,8 Meter großen Bibliothek und beleuchtet sowohl die Erschließungswege als auch die darunterliegende Etage mit dem Präsenzbestand. Über mehrere Geschosse reichende kreisrunde Löcher in den Seitenwänden des Atriums geben den Blick frei auf die holzverkleideten Galerien und die Bücherregale dahinter, die sich bis an die Außenwände erstrecken. Entlang der Außenwand generieren 210 Lesenischen, deren Holzoberflächen in die Gebäudehülle aus Backstein übergehen, eine

künstliche Wand, deren Materialien auf die Nutzung hindeuten. In die Geschossplatten aus Beton sind Beleuchtung, technische Installationen, Galerien und Treppenaufgänge integriert, und zudem nehmen sie die beträchtlichen Lasten der Büchersammlung auf. Während dieser Hohlraum eine klassische Bibliothek des 20. Jahrhunderts belebt, lassen die Ziegelpfeiler an der Fassade entlang des umlaufenden Wandelgangs einen wehrhaften Eindruck entstehen, der das mittelalterliche Erbe von Bibliotheken thematisiert.

Bibliothek der Phillips Exeter Academy   Louis I. Kahn

1972

Exeter, New Hampshire, USA

Hohlraum Schichtung

111

Das Marriott Marquis ist eines von vielen Hotels von John Portman, die um einen übergroßen Lichthof herum angeordnet sind. Die Grundstruktur des Gebäudes bilden zwei vertikale Riegel an der Nord- und der Südseite, bestehend aus Betonbohlen und einem Stahltragwerk. Ein Querriegel an der Westseite verbindet die beiden parallelen Riegel, und an der dem Times Square zugewandten Ostseite spannen sich gestapelte Blöcke von je fünf Geschossen auf. Das 143,3 Meter hohe Atrium ist von 1876 Hotelzimmern umgeben. Bänder aus zum Luftraum hin offenen Hotelfluren und Hängepflanzen verstärken seinen schwindelerregenden Effekt. Aus den Lounges an der Fassade mit den versetzten Blöcken, die dem Times Square zugewandt sind, bieten sich Ausblicke auf die Straße und das Atrium. Zwölf gläserne Aufzüge fahren an

einer zentralen Achse aus Beton im Atrium empor und verbinden die Drehrestaurants in den drei obersten Etagen mit dem breiten Gebäudesockel, in dem sich Ballsäle, ein Broadway-Theater mit 1500 Sitzplätzen sowie mehrere Konferenzräume befinden. Vom Eingangsbereich des Hotels führt eine innen liegende Straße zu den Rolltreppen, die den Besucher acht Etagen nach oben in die 2787 Quadratmeter große Sky Lobby bringen, die sich am Fuße des Atriums befindet. In diesem Hohlraum-Schnitt offenbart sich die Leistung von Portmans spektakulärer Innenraumgestaltung erst durch die Abkopplung des Innenraums vom Times Square.

New York Marriott Marquis Hotel   John Portman & Associates

1985

New York, New York USA

Hohlraum / Schichtung Versatz

113

In der Mediathek von Sendai durchstoßen die stützenden Säulen die Geschossplatten und erzeugen Hohlräume im Schnitt. Durch die 13 tragenden vertikalen Stahlgitterröhren können Luft, Wasser, Strom, Licht und Menschen zwischen den acht Geschossen dieses Gebäudes zirkulieren. Die einzelnen Segmente der Röhren sind so hoch wie die jeweilige Etage und werden von Stahlringen, die in die Geschossplatten integriert sind, zusammengehalten. Die 40 Zentimeter starken Geschossplatten weisen im Grundriss ein Wabenmuster auf und spannen sich zwischen den unregelmäßig großen Röhren auf, die paradoxerweise genau jene Konstruktionselemente durchstanzen, als deren Stütze sie eigentlich fungieren. Trotz der robusten Statik dieser leichten Gitterkonstruktionen behindert nichts den Blick innerhalb der Etagen

sowie durch die Ebenen hindurch. Damit sich im Brandfall Rauch und Feuer nicht so schnell ausbreiten können, sind die Röhren verglast. Zwar ist jedes Geschoss einer anderen Nutzung vorbehalten, darunter öffentliche Besprechungsräume, eine Bibliothek, Galerien, Ateliers, Kinosäle und Büros, doch werden die Ebenen durch die Hohlräume, die dem Gebäude sein charakteristisches Aussehen verleihen, im Schnitt miteinander vereint.

Sendai Mediatheque   Toyo Ito & Associates

2000

Sendai Japan

Hohlraum Schichtung

115

Dieses Lehr- und Laborgebäude der privaten Hochschule Cooper Union besteht aus im rechten Winkel geschichteten Ebenen, die im Schnitt von einem komplexen, skulpturalen Hohlraum durchdrungen sind. Während größtenteils ein herkömmliches Stahltragwerk die Gebäudeform bestimmt, stellen im Erdgeschoss schräge Betonpfeiler einen fließenden Übergang zur Straße her und ermöglichen Einblicke in die öffentliche Galerie und die Auditorien im Untergeschoss. Darüber windet sich ein zentrales Atrium durch die geschichteten Etagen mit Laboren, Büros und Seminarräumen bis ganz hinauf zum Dach. Dieses gewundene Atrium ermöglicht den visuellen Austausch und die Erschließung der Geschosse, während es zugleich Tageslicht in das Gebäude lässt und die Luftzirkulation fördert. Es wird von einer Gitterkonstruktion

aus Stahlrohren gebildet, die mit glasfaserverstärktem Gips ummantelt wurden, und stellt eine Kombination aus Hohlraum und Verschachtelung dar. In den Obergeschossen ergänzen skulpturale Treppenhäuser aus transluzenten, hinterleuchteten Scheiben den Entwurf. Ein monumentaler Treppenaufgang verbindet den Eingangsbereich mit einer zweigeschossigen Lounge im vierten Stock, von wo aus man den Ausblick über die Stadt genießen kann. Diese Treppe dient sowohl der Erschließung als auch als Aufenthaltsort. Decke und Boden sind verformt, und sie verzerren und erweitern das Atrium. An der Westseite durchstößt der gewundene Raumkörper des Atriums die Fassade aus perforierten Edelstahllochblechen und bindet das Gebäude in den urbanen Kontext ein.

41 Cooper Square   Morphosis

2009

New York, New York USA

Hohlraum / Schichtung Verformung

117

119

Schräge Villa Savoye Le Corbusier 121

V. C. Morris Gift Shop Frank Lloyd Wright 123

Solomon R. Guggenheim Museum Frank Lloyd Wright 125

Kunsthal OMA 127

1111 Lincoln Road Herzog & de Meuron 129

Moesgaard Museum Henning Larsen Architects 131

Die Rampe im Zentrum der von Le Corbusier entworfenen Villa Savoye organisiert die Erschließungswege durch das Haus. Sie nimmt in der Architekturgeschichte eine bedeutende Rolle als Paradebeispiel für Le Corbusiers „Wegearchitektur“ ein, die sogenannte promenade architecturale. In einer Achse mit der Haustür angeordnet, bietet sie eine durchgehende begehbare Fläche, die das Erdgeschoss mit der Außenterrasse im ersten Obergeschoss sowie mit der Sonnenterrasse auf dem Dach verbindet. Doch diese Kontinuität im Schnitt hat eine Diskontinuität im Grundriss zur Folge: Die 1,25 Meter breite Rampe führt auf jeder Seite zu einer 9,75 Meter langen Unterbrechung des regelmäßigen Stützenrasters und erzeugt einen vertikalen Bruch im Zentrum des Gebäudes, indem sie den Innen- vom Außenraum

trennt. Zwischen den Rampen sorgen vertikale Glaswände für die Beleuchtung auch im Inneren der kubischen Villa. Die massive Ortbetonkonstruktion der Rampen stellt einen Kontrast zu den Keramikböden dar. Die Primärkonstruktion besteht aus Trägern und Stützen. Die gemessen an heutigen Normen steile Rampe dient nicht nur der vertikalen Erschließung: Sie bestimmt die Wahrnehmung des Gebäudes in Bezug auf Konzeption, Organisation und Raumgestaltung.

Villa Savoye   Le Corbusier

1931

Poissy Frankreich

Schräge / Hohlraum Schichtung

121

Der Morris Gift Shop, Frank Lloyd Wrights Vorstudie für das Solomon R. Guggenheim Museum, wurde in ein bestehendes Ladengebäude integriert. Der Schnitt zeigt die eingefügte Rampe, den von einem Rundbogen gefassten Eingang, die geschwungene Decke des Erdgeschosses, die Trennwände im Obergeschoss sowie die unter dem bestehenden Oberlicht abgehängte Acrylglasdecke, die das Licht streut. Wright wählte die skulpturale Form der Rampe als zentrales Entwurfselement für diesen kleinen Laden. Die spiralförmige, 1,2 Meter breite Rampe verschiebt das Zentrum des Raums in Richtung des halbverglasten Vestibüls, wobei mit der abgehängten Wölbglasdecke der Versatz gegenüber dem vorhandenen Oberlicht kaschiert wird. Durch die ansprechende Gestaltung der Rampe werden die Kunden in den Verkaufsbereich

im Obergeschoss gelockt. Kleine Öffnungen in den Seitenwänden der Rampe dienen zur Präsentation der Waren, sodass bereits der Weg nach oben zum Einkaufsbummel wird. Obwohl die Rampe eine Kontinuität zwischen Erd- und Obergeschoss herstellt, unterteilt sie auch das Erdgeschoss, indem sie den hinteren Ladenbereich isoliert. Die Schräge bietet dem Einkaufserlebnis eine kunstvolle Bühne in einer vorhandenen Hülle: ein Gebäude innerhalb eines Gebäudes.

V. C. Morris Gift Shop   Frank Lloyd Wright

1949

San Francisco, Kalifornien, USA

Schräge / Hohlraum Schichtung

123

Die Hauptgalerie des Guggenheim Museums ist ein Musterbeispiel eines Schnitts mit einer Schräge, die ein ganzes Gebäude prägt. Mit ihrer Steigung von drei Prozent und einer Länge von 400 Metern wird die Rampe mit zunehmender Höhe immer breiter. Dadurch entsteht im Zentrum des Museums ein konischer Hohlraum und die äußere Gebäudehülle erhält die Form eines auf der Schmalseite stehenden, stumpfen Kegels. Eine von Betonrippen getragene Glaskuppel versorgt das 28 Meter hohe Atrium mit Tageslicht, während ein umlaufendes Lichtband, gebildet durch Einkerbungen in der Fassade, die Gemälde so hinterleuchten sollte, dass diese wirken, als würden sie schweben. Integriert in die Untersicht der schrägen Betonbrüstung der Galerien verlaufen die Belüftungskanäle. Der Hauptspannungspunkt zwischen

der Schräge und der Ebene befindet sich am unteren Ende der Rampe, dort, wo Wright sie nach oben gefaltet hat, um eine Basis zu schaffen. Ein überdachter Nebeneingang trennt das Ausstellungsgebäude vom Verwaltungstrakt. Zwar nimmt dieser Trakt auf die kreisrunde Form des Hauptgebäudes Bezug, doch eine Rampe ist lediglich im Museumsgebäude zu finden. Die ebenen Etagen im Verwaltungsgebäude sind über einen Erschließungskern miteinander verbunden, und das kleine Atrium ermöglicht keine uneingeschränkte Sicht. Die physische Kontinuität der Schräge im Museumstrakt wird noch unterstützt durch den visuellen Zusammenhang des großen Atriums.

Solomon R. Guggenheim Museum   Frank Lloyd Wright

1959

New York, New York USA

Schräge / Hohlraum Schichtung

125

Der direkt an einen Deich gebaute Kubus dieses Ausstellungsund Veranstaltungszentrums wird von zwei Verkehrswegen durchkreuzt, die in unterschiedlichen Richtungen verlaufen. Ein abschüssiger Gehweg verbindet die Deichkrone mit dem darunterliegenden Park in Form einer Rampe durch die Mitte des Gebäudes. Senkrecht dazu verläuft eine Straße unter dem Bauwerk hindurch. Dort, wo der geneigte Gehweg und die Schräge des Auditoriums aufeinandertreffen, befindet sich der Eingang. Am Kreuzungspunkt der Schrägen verschwimmt der Unterschied zwischen oben und unten. Das Gebäude entpuppt sich als kontinuierlicher Rundweg, auf dem die räumlichen Brüche, die durch die sich kreuzenden Verkehrswege entstehen, noch intensiver wahrgenommen werden. In dieser Neuinterpretation der klassischen Typologie des

nur in eine Richtung begehbaren spiralförmigen Museums gelangt der Besucher auf geneigten Flächen vom Eingang im Auditorium zu einem Saal im Erdgeschoss, die Rampe hinauf zu einem Ausstellungsraum im ersten Obergeschoss und dann, im hinteren Bereich des Auditoriums, über breite Stufen hinauf zu einem Saal in der zweiten Etage, von wo aus sich ein Ausblick über die Dachlandschaft auf der anderen Seite des Deichs bietet. Die Diskontinuität im Grundriss, verursacht durch die geneigten Flächen im Schnitt, ist legendär, da sie eine programmatische und volumetrische Spannung entlang des Besucherrundgangs erzeugt.

Kunsthal  OMA

1992

Rotterdam Niederlande

Schräge / Versatz Schichtung

127

Durch die Betonung der Schräge im Schnitt verwandelt der Entwurf ein Parkhaus mit 300 Stellplätzen in einen dynamischen, offenen Ort im milden Klima von Miami Beach. Dieses neue Parkhaus ist Teil einer größeren Projektentwicklung, zu der auch das benachbarten SunTrust International Center aus den 1970erJahren gehört, das von einer Bank in ein Wohngebäude umgebaut wurde. Die Parkebenen sind durch Rampen verbunden, die den Fahrzeugen eine reibungslose Durchfahrt ermöglichen. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Parkhaus sind die Geschosse versetzt angeordnet, sodass sie neben der Parkfläche auch zweiund dreigeschossige Bereiche umfassen, in denen Veranstaltungen wie Fotoshootings, Yogakurse und andere Events stattfinden können. Die Betondecken verjüngen sich an den Kanten, Geländer

in Form von Seilen unterstreichen die Leichtigkeit des Gebäudes und V-förmige Stützen setzen in den unterschiedlich hohen Etagen besondere Akzente. Die neun Ebenen variieren in ihrer Höhe von 2,4 bis 10,4 Metern und bieten Ausblicke auf die angrenzenden Straßen und über Miami Beach. Läden im Erdgeschoss binden die Fußgängerzone der Lincoln Road Mall an, während die Modeboutique im fünften Stock dem skulpturalen Treppenaufgang Leben einhaucht. Ein Restaurant sowie eine Privatwohnung im Dachgeschoss sind ebenso Teil dieses durch die Schräge geprägten Schnitts.

1111 Lincoln Road   Herzog & de Meuron

2010

Miami Beach, Florida USA

Schräge / Hohlraum Schichtung

129

Dieses Museum für Archäologie und Ethnografie ist als Teil der umgebenden Landschaft konzipiert, aus der so viele seiner Ausstellungsstücke stammen, und wirkt, als wachse es aus ihr empor. Die Besucher betreten diesen künstlich geschaffenen Hügel von der Seite und gelangen in ein Foyer, das sich auf dem mittleren Absatz einer sehr langen Treppe befindet, die zu den drei Ausstellungsebenen führt. Charakteristikum dieses Gebäudes ist sein auf zehn Grad geneigtes, begehbares Gründach, dessen eine Seite an das sanft abfallende Gelände anschließt. Die Schräge schafft einen Aussichtspunkt mit Panoramablick auf die Bucht von Aarhus und bietet einen Ort zum Picknicken und Rodeln. Ihre Unterseite ist als Holzlamellendecke ausgeführt und kennzeichnet die wichtigsten Räume des Gebäudes. Die Dachschräge ist

in Sockelnähe unterbrochen und geht in die Waagerechte über, um eine optische und physische Verbindung zwischen innen und außen herzustellen. Das Gebäude besteht aus horizontal versetzten, geschichteten Ausstellungsgeschossen, die von der Dachschräge sowohl bedeckt als auch durchschnitten werden.

Moesgaard Museum   Henning Larsen Architects

2013

Aarhus Dänemark

Schräge / Hohlraum Schichtung

131

133

Verschachtelung Haus Moller Adolf Loos 135

Moore House Charles Moore 137

Beinecke Rare Book and Manuscript Library Gordon Bunshaft von Skidmore, Owings & Merrill 139

Pavillon der USA auf der Expo ’67 Buckminster Fuller und Shoji Sadao 141

House N Sou Fujimoto Architects 143

Akademie Mont-Cenis Jourda Architectes 145

Prada Aoyama Herzog & de Meuron 147

De Effenaar MVRDV 149

Poli House Pezo von Ellrichshausen 151

Kirche San Paolo Apostolo Studio Fuksas 153

Centro de las Artes in La Coruña aceboXalonso Studio 155

Adolf Loos’ Wohnbau-Konzept, bei dem er Räume versetzt und in komplexen Kompositionen zusammenfügt, bezeichnet man mit dem Begriff „Raumplan“; es ist ein Beispiel für die Schnittart der Verschachtelung. Statt die Räume auf Geschossplatten anzuordnen, wird ihnen innerhalb des Volumens und des Schnitts eine eigene Position im Haus zugewiesen, was durch die Flexibilität der Holzrahmenkonstruktion gut möglich ist. Die Räume sind miteinander verbunden und in den tragenden Außenwänden verankert. Das Haus Moller umfasst einen Musiksalon, ein Esszimmer, eine Bibliothek, ein Atelier und fünf Schlafzimmer sowie einen Eingangsbereich und Haustechnikräume im Erdgeschoss. Diese Komplexität in Grundriss und Schnitt verbirgt sich hinter einer maskenartigen, streng symmetrischen Straßenfassade. Obwohl

das Haus Moller nur über vier Geschosse verfügt, weist es acht Ebenenwechsel auf, die Raum bieten für raffinierte Inszenierungen der Wechselwirkung von Stillstand, Bewegung, Aktivität und Blickbezügen. Die Verbindung von Esszimmer und Musiksalon ist besonders hervorgehoben durch eine Wandöffnung, die einen Rahmen bietet für die Aktivitäten in jedem der Räume, deren Niveauunterschied mittels einer Klapptreppe überwunden werden kann. Vom eingebauten Sitzerker oberhalb der Haustür aus verläuft die Blickachse schräg nach unten zu diesen beiden Räumen über den Musiksalon bis in den Garten. Treppenläufe ziehen sich von Raum zu Raum und beleben den verschachtelten Schnitt.

Haus Moller  Adolf Loos

1928

Wien Österreich

Verschachtelung / Versatz Schichtung

135

Charles Moore entwarf dieses Haus, das auf einer Grundfläche von 8,1 Quadratmetern mehrere Räume vereint, für sich selbst. In dem quadratischen Grundriss wurden asymmetrisch zwei Volumina aus je vier hölzernen Säulen, gekrönt von pyramidenförmigen, baldachinartigen Holzdecken, angeordnet. Diese „Ädikulä“ leiten durch Oberlichter Tageslicht in den Raum und sind innen weiß gestrichen, sodass die von den Säulen gefassten Bereiche – Wohnbereich und Dusche – besonders beleuchtet sind. Der Innenraum wird nur durch wenige, nicht tragende Elemente unterteilt, die einen Schrank und die Toilette abtrennen. Ein alles verbindendes Dach aus herkömmlichem Bauholz überspannt die vier Außenwände. Nur eine Hälfte dieser Außenwände ist fest im Boden verankert; die andere Hälfte sind Schiebetüren aus Holz

und Glas, die vor die massiven Wände geschoben werden können, sodass alle vier Ecken des Hauses offen stehen und sich hier keine tragenden Elemente befinden. Das Tragwerk dieses verschachtelten Schnitts besteht damit aus den acht Stützen im Innenraum, die die Holzkonstruktion des Daches tragen. Durch diese Verschachtelung wirkt der Raum trotz seiner geringen Größe besonders dramatisch und komplex.

Moore House   Charles Moore

1962

Orinda, Kalifornien USA

Verschachtelung Verformung

137

Die Bibliothek für seltene Bücher und Manuskripte an der Yale University weist eine Verschachtelung auf, deren mehrschichtige Konstruktion den Lichteinfall und das Raumklima reguliert. Der äußere Kubus besteht aus einem Tragwerk aus VierendeelTrägern, die mit facettiertem Stein und Betonfertigteilen verkleidet sind. In dieses Gitterwerk wurden lichtdurchlässige, 3,2 Zentimeter starke Marmorplatten eingesetzt, die die ultraviolette Strahlung filtern und dennoch für eine indirekte Beleuchtung sorgen. Im Inneren des steinernen Gehäuses befindet sich ein Kubus aus Stahl und Glas, in dem Temperatur und Klima präzise regulierbar sind. Dank der gläsernen Hülle kann dieser Regalturm mit empfindlichen Büchern gut sichtbar in einer kontrollierten Umgebung präsentiert werden. Um das eingeschobene

Volumen herum ist ein Zwischengeschoss angeordnet, das für Ausstellungen genutzt wird. Die Außenwände leiten die Lasten zu vier Punkten an den Gebäudeecken, an denen pyramidenförmige Pfeiler platziert sind, die die steinerne Hülle tragen. Dadurch scheint der äußere Kubus über dem Platz im Herzen des Campus zu schweben. Über einen abgesenkten Innenhof gelangt Tageslicht in die Büros und Bibliotheksräume im Untergeschoss. Zwar ist die Verschachtelung das optische Highlight dieser Bibliothek, doch sind die wichtigsten dienenden Bereiche für obigen Ausstellungsbereich sowie Büros, Seminarräume, Kuratorenbereich und die Mehrzahl der Bücher im Untergeschoss untergebracht.

Beinecke Rare Book and Manuscript Library  

 ordon Bunshaft von Skidmore, G Owings & Merrill

1963

New Haven, Connecticut, USA

Verschachtelung Hohlraum / Schichtung

139

Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges beauftragte die United States Information Agency den Bau dieses Pavillons, der direkt gegenüber dem sowjetischen Pavillon stehen sollte. In seinem Inneren befanden sich ein Theater mit 300 Sitzplätzen sowie eine über mehrere Ebenen reichende Ausstellungsplattform, die zur Präsentation der kulturellen und aeronautischen Erfolge vom Architekturbüro Cambridge Seven Associates entworfen wurde. Alle Ausstellungsflächen waren in eine geodätische Stahlskelettkuppel mit einem Durchmesser von 76,2 Metern und einer Höhe von 62,8 Metern eingefügt. Ein 1 Meter breiter Zwischenraum trennte die Außenseite der Kuppel aus Dreiecken von der Innenseite aus Sechsecken, in die 6,4 Millimeter starke transparente Acrylglassegmente eingepasst waren. Ein Drittel der Scheiben

war mit einem automatischen Verschattungssystem ausgestattet, das in Kombination mit der Klimaanlage ein Mikroklima innerhalb der Kuppel erzeugte. Innerhalb des 189.722 Kubikmeter großen Volumens befanden sich mehrgeschossige Einbauten aus Betonplattformen, die auf Stahlprofilen auflagen und von 76,2 Zentimeter starken Stahlstützen getragen wurden. Diese Ausstellungsplattformen waren über Rolltreppen zugänglich, von denen eine mit 38,1 Metern die zur damaligen Zeit längste Rolltreppe der Welt war. Der gravierende Gegensatz zwischen den begehbaren horizontalen Plattformen und der riesigen transluzenten Kuppel prägte diesen einzigartigen Raum.

Pavillon der USA auf der Expo ’67   Buckminster Fuller und Shoji Sadao

1967

Montreal Kanada

Verschachtelung Verformung / Schichtung

141

Sou Fujimotos Entwurf für dieses Einfamilienhaus besteht aus drei ineinandergesteckten Kuben, die von großflächigen, rechteckigen Öffnungen durchdrungen sind und das Innere und Äußere des Hauses gestalten. Jeder Kubus hat eine bestimmte Funktion: Der innere besteht aus verputzten Leichtbauwänden aus Holz und trennt den Wohn- und Essbereich im Zentrum des Gebäudes vom Schlaf- und Gästebereich ab, der sich außen anschließt. Der mittlere Kubus aus Beton und mit verglasten Fenstern dient als Wetterschutz und Klimahülle. Die eigentliche äußere Hülle aus Beton folgt der Grundstücksgrenze, schafft im Garten Privatsphäre für die Freizeitaktivitäten der Bewohner und spendet Schatten. Von innen nach außen nimmt die Wandstärke von 13,8 über 18 bis auf 22 Zentimeter proportional entsprechend der

statischen Anforderungen zu. Lediglich Küche und Bad, die zwischen der äußeren und der mittleren Schale angeordnet und von gläsernen Seitenwänden begrenzt sind, stehen im Widerspruch zum logischen Aufbau dieses verschachtelten Gebäudes.

House N   Sou Fujimoto Architects

2008

Oita Japan

Verschachtelung

143

Dieses Verwaltungsgebäude wurde auf dem Gelände der ehemaligen Steinkohlenzeche Mont-Cenis errichtet und kann dank seines verschachtelten Schnitts ein mediterranes Mikroklima im großen Maßstab erzeugen. Unter einer 11.427 Quadratmeter großen Glashülle befinden sich zwei Reihen aus zwei- und dreigeschossigen Gebäuden mit Räumen für die Aus- und Weiterbildung. Dieses Glashaus mit Solardach, gebaut mit Materialien aus der Region, wird von Holzfachwerkträgern getragen, die auf 15,2 Meter hohen Fichtenstämmen aufliegen. Auf dem Dach sind auf einer Fläche von 9.290 Quadratmetern Fotovoltaikmodule installiert, die das Zweieinhalbfache des benötigten Stroms produzieren. Motorisierte Öffnungen in den oberen und unteren Quadranten der gläsernen Hülle ermöglichen das Querlüften mithilfe

des Kamineffekts, was zu einem ganzjährig angenehmen Innenklima führt. Wasserbecken und Pflanzen in den Gärten und Höfen des Gebäudes tragen innerhalb der Hülle zur Kühlung bei. Da für die innen liegenden Gebäude keine massive Wetterhülle benötigt wurde, war ihr Bau sehr kostengünstig. Der Zwischenraum in diesem verschachtelten Bauwerk ist weder ganz Innen- noch ganz Außenraum, sondern es handelt sich um eine passiv klimatisierte Pufferzone, die die Energieeffizienz der inneren Gebäude verbessert.

Akademie Mont-Cenis   Jourda Architectes

1999

Herne-Sodingen Deutschland

Verschachtelung Verformung / Schichtung

145

2; 100%

2; 100%

6; 100%

5; 100%

100%

100%

100%

100%

100%

100%

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100%

100%

100%

100%

2; 100%

Der Prada Flagship-Store in Tokio kombiniert eine alles überziehende skulpturale Hülle mit eingeschobenen, geschichteten Geschossen und verschachtelten Röhren zu einem ShoppingWahrzeichen aus Stahl und Glas. Das tragende Fassadengitter aus 18,0 mal 20,5 Zentimeter großen Doppel-T-Profilen wurde vor Ort verschweißt und in einen feuerfesten Kalziumsilikat-Mantel gehüllt. Es bildet eine Struktur aus 3,2 mal 2,0 Meter großen Rhomben. Innerhalb der diagonalen Tragstruktur geben nach innen oder nach außen gewölbte oder ebene Glasscheiben der aus zehn facettierten Seiten bestehenden Außenhaut eine abwechslungsreiche Textur. Das gesamte Gebäude sitzt in einer Betonwanne mit Isolatoren, die Erdbebensicherheit gewährleisten. Im Inneren spannen sich in gleichmäßigen Abständen

sieben Geschossplatten mit integrierten Versorgungsleitungen zwischen der Glasfassade und den vertikalen Erschließungsschächten im Inneren auf. Drei horizontale Röhren, die in Größe und Form je vier Fassadenrhomben entsprechen, sind in die Geschossdecken eingefügt. Sie beherbergen die Umkleiden und den Kassenbereich und steifen das Gebäude seitlich aus. Diese aus der Rhombenstruktur der Fassade extrudierten und doch in den skulpturalen Baukörper und seine Geschosse eingebetteten Raumelemente erschweren die Unterscheidung zwischen innen und außen, zwischen Beginn und Ende eines Geschosses und schaffen eine komplexe Synthese aus Hülle, Tragwerk, Raum und Form.

Prada Aoyama   Herzog & de Meuron

2003

Tokio Japan

Verschachtelung Verformung / Schichtung

147

Im Entwurf für dieses Jugendmusikzentrum wurden mehrere Kuben so gebündelt, dass ein multifunktionaler Veranstaltungsort entsteht. Jeder Kubus ist von Stahlbetonwänden umgeben und dient einem bestimmten Zweck, angefangen bei einer kleinen Bühne, über Garderoben bis hin zu Tonstudios und Cafés. Die Kuben sind entlang der Fassade angeordnet und bilden zusammen ein großes rechteckiges Gebäude. Im Zentrum ist ein großer Veranstaltungssaal untergebracht. Die Wände im vierten Stock fungieren als Träger, die den Veranstaltungssaal darunter überspannen und die Lasten in die Nord- und Südwände leiten. Durch die sich überschneidenden und verschachtelten Kuben entstehen

Galerien und Vorführräume, die durch einen schmalen Steg miteinander verbunden sind. Die Treppenaufgänge sind außen an den Gebäudekörper angefügt; sie bilden eine unverwechselbare gewundene Figur auf der ansonsten schlichten Fassade und ermöglichen die dichte Verschachtelung im Inneren.

De Effenaar  MVRDV

2005

Eindhoven Niederlande

Verschachtelung Versatz

149

Auf einer abgelegenen Landzunge liegt das Poli House, ein geheimnisvoller, skulpturaler Kubus mit vielen Öffnungen, dessen Dimension und Funktion sich nur schwer erfassen lassen. 2 Quadratmeter große Öffnungen in der Hülle aus Beton lassen mehrere Schichten aus Tragwerk, Außenwänden und verschachtelten Volumina erkennen. Dieses Ferienhaus und Kulturzentrum basiert auf einem Haus-in-Haus-Konzept, aus dem sich im Innenraum eine 1 Meter breite Zone entlang der Außenwand ergab. Obwohl eine solche Redundanz der Schichten normalerweise die Unterschiede zwischen innen und außen verstärken würde, erzeugt die Stärke dieser „gefüllten Außenwand“ viel komplexere Eindrücke: Zum Schutz vor Sonne und Witterung ist die Verglasung teils an der inneren und teils an der äußeren Wandschicht angebracht,

und der Zwischenraum ist damit sowohl Teil des Außen- als auch des Innenraums. In dieser Wandzone sind sämtliche Funktionsräume untergebracht, einschließlich Kochnische, Badezimmer und Treppenaufgänge. Die Möbel werden in Wandnischen untergebracht; auf diese Weise können die verschachtelten Volumina auf unterschiedliche Weise genutzt werden, sei es als Wohn-, als Schlaf- oder als Arbeitszimmer. Verbunden durch große Wandöffnungen sind die Räume entgegen dem Uhrzeigersinn um das zentrale dreigeschossige Wohnzimmer angeordnet, sodass ein Haus mit sechs Ebenen entsteht. Die während des Baus verwendeten Schalungsbretter wurden für Wandverkleidungen und Möbel wiederverwendet und lassen so die Grenze zwischen Gebäudehülle und Tragwerk verschwimmen.

Poli House   Pezo von Ellrichshausen

2005

Coliumo Chile

Verschachtelung Schichtung

151

In der Kirche San Paolo Apostolo dienen verschachtelte Hohlkästen dazu, eine elastische Tragstruktur zu ermöglichen und Lichteffekte innerhalb der konzentrischen Abfolge von Volumina zu inszenieren. Sie wurde anstelle eines Gotteshauses errichtet, das bei einem Erdbeben einstürzte. Mit 25 Metern Höhe und einer Grundfläche von 30,0 mal 22,5 Metern bildet der äußere Kubus das primäre Tragwerk dieses auf dem Boden ruhenden Gebäudes aus Ortbeton. Etwas oberhalb Kopfhöhe hängt der innere, verputzte Stahlleichtbaukubus von Stahlträgern herab, die den Betonkubus überspannen. Der Innenraum ist mit der äußeren Konstruktion über trapezförmige Hohlkästen verbunden, die Tageslicht in den Altarbereich lenken. Großflächige Oberlichter zwischen beiden Hüllen betonen die unterschiedliche Materialität

und erzeugen einen Kontrast zwischen dem dunkleren Kirchenraum im Inneren und der heller erleuchteten Peripherie. Dieser verschachtelte Schnitt dient dazu, die sakrale Wirkung der minimalistisch möblierten Raumabfolge innerhalb des Gebäudes zu verstärken.

Kirche San Paolo Apostolo   Studio Fuksas

2009

Foligno Italien

Verschachtelung Hohlraum

153

Aus dieser Zeichnung ist ersichtlich, dass das Kunstzentrum ursprünglich für zwei miteinander verbundene Einrichtungen – eine Tanzschule und ein öffentliches Museum – entworfen wurde, untergebracht in einem Kubus aus Glas und Stahl. Die für die Tanzschule vorgesehenen Räume, die nur Schülern und Mitarbeitern zugänglich sein sollten, befanden sich in durch einen vertikalen Erschließungskern miteinander verbundenen Kuben aus Beton. Durch ihre Position an der Außenwand zeichnen sich diese Räume gut erkennbar an der zweischaligen Fassade ab. Im Geschoss über der Tanzschule war das Museum vorgesehen. Die beiden Raumprogramme sollten unabhängig voneinander sein; diese klare Trennung zwischen beiden Bereichen wurde durch die Unterschiede in Materialität und Beleuchtung noch unterstrichen.

Von der Decke hingen röhrenförmige Absorber in verschiedenen Farben, die die Geräusche der Museumsbesucher dämpfen und die technischen Installationen und das Tragwerk verdecken sollten. Die mithilfe von Leuchtstoffröhren und Tageslicht beleuchteten Tanzstudios schwebten zwischen den Ausstellungsräumen, die von diffusem Licht erhellt wurden. Doch es kam anders als geplant: Zehn Jahre, nachdem die Bauarbeiten begonnen hatten und in denen das Gebäude zum Teil leer stand, wurde es durch einen neuen Nutzer eröffnet: das Nationalmuseum für Wissenschaft und Technologie. In diesem Zuge wurden Umbauten vorgenommen, um aus den beiden unabhängigen Raumkonzepten ein Gebäude zu machen; dabei ging die im Schnitt ersichtliche räumliche Zweiteilung des ursprünglichen Entwurfs verloren.

Centro de las Artes in La Coruña   aceboXalonso Studio

2011

La Coruña Spanien

Verschachtelung

155

157

Hybridformen Villa Girasole Angelo Invernizzi 159

Yale Art and Architecture Building Paul Rudolph 161

Villa VPRO MVRDV 163

Seattle Central Library OMA / LMN Architects 165

Knowlton Hall Mack Scogin Merrill Elam Architects 167

Casa da Música OMA 169

Museum der Iberê Camargo Foundation Álvaro Siza 171

Università Luigi Bocconi Grafton Architects 173

VitraHaus Herzog & de Meuron 175

Rolex Learning Center SANAA 177

Asakusa Culture and Tourism Center Kengo Kuma & Associates 179

Melbourne School of Design NADAAA / John Wardle Architects 181

Star Apartments Michael Maltzan Architecture 183

Museu da Imagem e do Som Diller Scofidio + Renfro 185

Dank einiger ausgeklügelter architektonischer Kunstgriffe lässt sich der Wohnbereich der Villa Girasole drehen, sodass er nach der Sonne ausgerichtet werden kann und damit im gesamten Tagesverlauf über optimale Lichtverhältnisse verfügt. Der halbrunde massive Mauerwerkssockel wurde in den Hügel gebaut; darauf befindet sich eine kreisrunde Terrasse. Im dreigeschossigen Sockelbau sind die Garage, ein Eingangsbereich sowie ein offener Wandelgang untergebracht. Der Turm mit der über acht Stockwerke reichenden offenen Wendeltreppe erinnert an einen Leuchtturm. Er ist durch den Sockel hindurchgesteckt und führt von dort in die oberen Geschosse hinauf, wo er die beiden Flügel der Villa miteinander verbindet. Der drehbare Winkelbau, einschließlich Treppenaufgang, ist als mit Blech verkleidetes Leichtbeton-Tragwerk

ausgeführt, lagert auf 15 Rädern und kann sich mithilfe zweiter Motoren in 9 Stunden und 20 Minuten einmal um die eigene Achse drehen. Ein Widerlager am unteren Ende des 42,35 Meter hohen Treppenhauses dient zur Fixierung des Turms. Die Ebene, auf der der Bau sich auf Schienen bewegt, ist formal als Garten gestaltet. Da sich die Villa Girasole mit der Sonne dreht, ändert sich der Einfallwinkel des Sonnenlichts lediglich durch den vertikalen Sonnenstand. Der dynamische Schnitt, in dem mehrere Schnittarten miteinander kombiniert sind, neutralisiert so die Auswirkungen des Sonnenstands.

Villa Girasole   Angelo Invernizzi

1935

Marcellise Italien

Verschachtelung Schichtung / Hohlraum

159

Während seiner Amtszeit als Dekan der Architekturfakultät entwarf Paul Rudolph dieses markante Gebäude, dessen 37 Ebenen um einen zentralen Kern aus offenen Gemeinschaftsräumen angeordnet und an Türmen aus charakteristisch gerilltem Sichtbeton verankert sind. Der Schnitt, der Schichtung, Versatz und Verschachtelung kombiniert und von Hohlräumen durchzogen ist, weist eine Vielzahl visueller und räumlicher Überlappungen und Überschneidungen auf, insbesondere in den weiten, zentralen hängenden Räumen und Ausstellungsflächen sowie in den größtenteils entlang der Fassade angeordneten, komprimierteren studentischen Arbeitsbereichen und Büros. Versetzte Ebenen, Brücken und Absätze fördern die Interaktion zwischen benachbarten Bereichen und ermöglichen dank der großen stahlgerahmten

Fenster selbst aus dem tiefsten Gebäudeinneren heraus den Blick auf den Campus. Massive Pfeiler aus stark strukturiertem, scharriertem Beton tragen die horizontalen Plattformen, nehmen die Versorgungsleitungen auf und dienen der vertikalen Erschließung. In den oberen Etagen weicht das Spiel horizontaler Ebenen geschlossenen Schächten, die sich neben den massiven Pfeilern aufspannen und die darunterliegenden Räume nach oben abschließen. Zwischen diesen horizontalen Volumina gelangt durch Oberlichter und Lichtbänder Tageslicht in das Gebäude, das die vielen unterschiedlichen Räume dieser komplexen Kombination mehrerer Schnittarten belebt.

Yale Art and Architecture Building   Paul Rudolph

1963

New Haven, Connecticut, USA

Schichtung / Hohlraum / Versatz Verschachtelung / Verformung

161

Die Villa VPRO stellt mit einer Reihe von formalen Eingriffen die Homogenität klassisch geschichteter Bürogebäude infrage. Die zuvor auf 13 Villen im Stadtgebiet von Hilversum verteilte niederländische Rundfunk- und Fernsehanstalt VPRO sollte in einem Gebäude zusammengefasst werden. Mit diesem Entwurf hat MVRDV eine Möglichkeit gefunden, die spezifische Raumkonfiguration der Villen beizubehalten. Das Projekt stellt einen Dialog her zwischen der Regelmäßigkeit der quadratischen Grundfläche mit fünf Betondecken auf einem geradlinigen Stützenraster sowie einigen Eingriffen, die die gewohnte Form stören. Der Boden der Parkebene wird durch eine Faltung zur Decke, sodass eine skulpturale Form entsteht, die das dreigeschossige Rückgrat im Zentrum des Gebäudes belebt. Mehrere Hohlräume unterbrechen

die Kontinuität des Grundrisses und schaffen Verbindungen im Schnitt. Schrägen stellen den Übergang zwischen den Geschossen her, bilden einen abgesenkten Innenhof, der mit einem Dachgarten verbunden ist, und dienen als ansteigender Boden im Theatersaal. Geschossplatten wurden verschoben, um eine Abstufung in der Raumfolge zu generieren, das Licht zu verteilen und Ausblicke zu schaffen. Die aus diesen Handgriffen resultierende Vielfalt der Räume und die miteinander verwobenen Erschließungswege fördern den Austausch zwischen den Mitarbeitern des Unternehmens. Die teils bündige und teils zurückgesetzte Verglasung an allen vier Fassaden legt die Geschossplatten offen und macht aus dieser Hybridform eines Schnittes selbst das Inbild des Gebäudes: der Schnitt als Fassade.

Villa VPRO  MVRDV

1997

Hilversum Niederlande

Hohlraum / Schichtung Schräge / Versatz / Verformung

163

Der Entwurf der Zentralbibliothek von Seattle, die einen ganzen Häuserblock im Stadtzentrum einnimmt, zeigt, dass unterschiedliche Schnittarten in verschiedenen Maßstäben auf kleinem Raum miteinander kombiniert werden können. Das Projekt besteht aus geschichteten Plattformen, auf denen jeweils ähnliche Nutzungen gebündelt werden und die von einer durchgehenden Hülle umschlossen sind. Dauerhafte Nutzungen wie Verwaltung und Personalräume, Freihandmagazin, Besprechungsräume und Parkplätze sind jeweils auf einer separaten Ebene untergebracht. Die Ebenen sind vertikal versetzt und als unabhängige Einheiten horizontal in alle vier Himmelsrichtungen verschoben, sodass Atrien und Auskragungen im Innen- und Außenraum entstehen. Räume zum Lesen und sozialen Austausch sind zwischen den geschichteten

und verschobenen Plattformen angeordnet. Je nach Funktion der jeweiligen Ebene wurden im Schnitt entsprechende Anpassungen vorgenommen. Die viergeschossige Freihandbibliothek ist geneigt und als durchgängige Spirale organisiert, in der die Geschosse nahtlos ineinander übergehen. Dadurch wird die Umorganisation und Erweiterung der Buchbestände erleichtert, und die Suche nach einem bestimmten Buch wird zur promenade architecturale. Ein vom Unter- in das Erdgeschoss ansteigendes Auditorium durchkreuzt den Mitarbeiterbereich und schafft einen Bezug zu Seattles Topografie, seinen steil ansteigenden und abfallenden Straßen. Ein Gitter aus 30,5 Zentimeter starken Stahlrohren mit eingehängten Glaspaneelen bildet die Fassade, leitet die Querkräfte ab und erzeugt eine skulpturale Hülle mit hohem Wiedererkennungswert.

Seattle Central Library   OMA / LMN Architects

2004

Seattle, Washington USA

Schichtung / Verschachtelung Schräge / Versatz / Hohlraum / Verformung

165

Diese 16.350 Quadratmeter große Architekturhochschule bringt auf ihrer skulpturalen Grundfläche Räume mit sehr unterschiedlichen Funktionen unter. Das Gebäude wird längs von zwei parallelen Rampen durchzogen, die länger sind als für die Erschließung nötig und alle Nutzungen zugänglich machen. Die Rampen reichen vom Untergeschoss mit Werkstatt und Auditorium über die Seminarräume und Präsentationsflächen im Erdgeschoss, die ringförmig angeordneten Büros im ersten Obergeschoss, die studentischen Arbeitsbereiche im zweiten, die Bibliothek und Computerräume im dritten Stock bis hinauf zum Dachgarten. Die Rampen rufen Brüche im Grundriss sowie Kontinuität im Schnitt hervor und bieten die Möglichkeit, die Ebenen vertikal versetzt anzuordnen. Die mit Marmorschindeln verkleidete

Betonkonstruktion wurde mehrfach eingeschnitten; in den durch die Rücksprünge entstandenen Hohlräumen sind von der Glasfassade gefasste Höfe entstanden. Räume von doppelter Höhe beleben das Innere des Gebäudes. Horizontaler und vertikaler Versatz, Atrien, Verschachtelungen und vor allem die Schrägen fördern den sozialen Austausch. So entstand ein Gebäude, das als Lehrstätte dient und dabei die Annehmlichkeiten und Möglichkeiten von Raum vereint, der durch den Schnitt definiert wird.

Knowlton Hall   Mack Scogin Merrill Elam Architects

2004

Columbus, Ohio USA

Schräge / Hohlraum / Schichtung Versatz / Verschachtelung / Verformung

167

Da nach dem Prinzip der Schuhschachtel konzipierte Konzertsäle zwar eine hervorragende Akustik bieten, aber architektonisch wenig interessant sind, platzierte OMA in seinem Entwurf für die Casa da Música den quaderförmigen Konzertsaal inmitten einer Anordnung von Räumen unterschiedlichster Funktion und umgab das Ganze mit einer Fassade, die an einen Kristall erinnert. Der große Konzertsaal der Casa da Música wirkt wie ein Hohlraum im Zentrum des Gebäudekomplexes. Betriebsräume und Erschließungszonen, deren Schnitt von ihrer Funktion bestimmt ist, säumen den Saal. Auf der einen Seite führt eine repräsentative Freitreppe in ein hoch aufragendes Atrium. Die kleineren Tonstudios und der Vortragssaal haben terrassierte Böden und abgeschrägte Schnitte. Unter dem Konzertsaal befindet sich eine

Reihe quaderförmige Übungsräume, Tanzsäle und Probebühnen, die in das Tragwerk hineingesteckt sind, das den Hohlraum des Konzertsaals trägt. Die kristallin facettierte Fassade aus weißem Beton knickt in Bodennähe nach innen weg und verstärkt so die Objekthaftigkeit dieses Bauwerks, das frei in der Mitte des Grundstücks platziert ist. An den Stirnseiten öffnet sich der Konzertsaal mit einer Front aus doppellagigem, gewelltem Glas in Richtung Stadt und gibt damit den Blick auf sein Innenleben frei. Eine große Tiefgarage, die als unabhängige Plattenkonstruktion errichtet wurde, reduziert die Schwingungen und prägt die Topografie des steinernen Platzes, auf dem dieses wundersame, skulpturale Objekt steht.

Casa da Música   OMA

2005

Porto Portugal

Verformung / Verschachtelung Hohlraum / Schichtung / Schräge

169

Dieser Bau steht auf einem schmalen Grundstück zwischen einer Uferstraße und einem dicht bewachsenen Felsen. Aufgrund des begrenzten Platzes entschied Siza sich für einen orthogonalen, teils unterirdischen Sockel und einen skulpturalen Baukörper aus weißem Stahlbeton. Im Sockel sind mit dem Archiv, einem Hörsaal und einer Tiefgarage unterschiedlichste Nutzungen untergebracht. Die Hauptausstellungsfläche im skulptural gestalteten Hauptgebäude gliedert sich in L-förmige, rechtwinklige Galerien, die ein viergeschossiges Atrium rahmen, das auf der den Galerien gegenüberliegenden Seite von geschwungenen Rampen durchzogen ist. Zusammen bilden sie eine durchgehende Promenade, die sich durch Innen- und Außenraum zieht. Während sich die inneren Rampen an die gekrümmte Außenwand schmiegen,

ragen die äußeren Rampen in Form von Betonröhren aus der Gebäudefassade heraus und umschreiben einen Museumsvorhof zwischen der Außenwand des Atriums und den ausladenden Rampen. Wie schon Frank Lloyd Wright im Guggenheim Museum, vereint Sizas Entwurf die Schrägen eines aus Rampen bestehenden Erschließungssystems mit der vertikalen Organisation durch ein Atrium. Doch in dieser Kombination von Schnittarten dehnt sich der umschlossene Raum über das Hauptvolumen des Gebäudes hinaus aus und verbindet das Museum mit dem angrenzenden Flussufer.

Museum der Iberê Camargo Foundation   Álvaro Siza

2008

Porto Alegre Brasilien

Hohlraum / Schräge Verschachtelung / Schichtung

171

Mit seiner geschichteten, geneigten Anordnung von unterschiedlich stark durchlässigen Räumen erfüllte der Entwurf von Grafton Architects für den Erweiterungsbau der Università Luigi Bocconi die Wettbewerbsvorgaben, denen zufolge ein Lehrgebäude mit vielseitigem Raumprogramm in die Stadtlandschaft Mailands integriert werden sollte. Das 65.032 Quadratmeter große Bauwerk mit Konferenzräumen, Theatersälen, Besprechungszimmern und Büros für rund tausend Professoren füllt das 80 mal 160 Meter große Grundstück vollständig aus. Der Entwurf des Komplexes wurde sorgfältig auf die Verteilung des Tageslichts abgestimmt, das durch die offene Konstruktionsweise von oben und von der Seite in das Gebäude dringen kann. Das ansteigende Auditorium sitzt zum Teil unter der Erde oberhalb von zwei geschichteten

Parkdecks. In parallel angeordneten Blöcken, die im rechten Winkel zum Auditorium an Stahlträgern aufgehängt sind, befinden sich die Büros der Fakultätsmitarbeiter. Zwischen diesen Blöcken liegen Innenhöfe, durch die das Licht über Lichtbänder und -schächte an der verformten Decke des Auditoriums tief in das Gebäude eindringt. Der verglaste Eingangsbereich wurde versetzt unter Straßenniveau angeordnet. Er gibt den Blick in das Foyer frei, das nach oben durch die schräge Geschossdecke des Auditoriums begrenzt wird, und stärkt den visuellen Bezug zwischen der Universität und der Stadt.

Università Luigi Bocconi   Grafton Architects

2008

Mailand Italien

Schichtung / Verformung Hohlraum

173

Für den fünfgeschossigen Flagship-Store des Möbelherstellers Vitra wurden zwölf Volumina übereinandergeschichtet und ineinander verschachtelt. Jedes der Volumen entspricht der in die Länge gezogenen Extrusion eines prototypischen Giebelhausquerschnitts, sodass ein wohnliches Umfeld für die Präsentation der Möbel entsteht. Die gestapelten Häuser zeigen alle in unterschiedliche Richtungen und sind gegeneinander verschoben. Dort, wo sie sich durchdringen, sind im Schnitt ganz neue Formen erkennbar. Skulptural geschwungene Treppen dienen der vertikalen Erschließung; ein Fahrstuhlschacht verbindet die geschichteten Volumina miteinander und schafft damit vertikale Kontinuität. Die Häuser sind konstruktiv gesehen Hohlprofile aus 25 mal 30 Zentimeter großen Ortbetonblöcken; sie sind an den

Stirnseiten verglast und geben den Blick über das Betriebsgelände von Vitra und die umliegende Landschaft frei. Die oberen Module kragen bis zu 14,9 Meter aus. Die Seitenwände des untersten Moduls scheinen unter der Last der darübergestapelten Häuser nachzugeben und entsprechen in ihrer gebogenen Form der Lehne der Stühle, auf denen die Besucher vor dem Haus auf Einlass warten. Mit seinen geschichteten Modulen mit Giebelhausquerschnitt erzeugt das Gebäude nicht nur eine raffinierte Innenraumaufteilung, sondern auch einen abwechslungsreichen Innenhof.

VitraHaus   Herzog & de Meuron

2009

Weil am Rhein Deutschland

Verformung / Schichtung Verschachtelung

175

Das in der Mitte eines großen Grundstücks gelegene Gebäude der École Polytechnique Fédérale de Lausanne beherbergt Gemeinschaftsräume, Bibliotheken, Cafés und Besprechungsräume innerhalb eines eingeschossigen, größtenteils horizontal ausgerichteten Baukörpers. Die 61 Zentimeter starke Bodenplatte, die als doppelt gekrümmte Spannbetonschale ausgeführt wurde, erhebt sich über einer Tiefgarage, sodass das Campusgelände sich auch unter dem Gebäude und durch das Gebäude hindurch erstrecken kann. Schlanke Stahlstützen auf der wellenförmig geschwungenen Bodenplatte in einem Raster von 9 mal 9 Metern tragen die Dachkonstruktion aus Stahl und Brettschichtholz. Das Gebäude ist eine Kombination von drei Schnittarten: Seine rechteckige, 166,5 mal 121,5 Meter große Bodenplatte wurde auf eine durchschnittliche

Raumhöhe von 3,3 Metern extrudiert. Lediglich für einige spezielle Raumprogramme, wie etwa im Mehrzwecksaal für Vorlesungen und andere Veranstaltungen, waren höhere Decken erforderlich. Dieser extrudierte, horizontale Raum wird von zwei gewölbten Bereichen geprägt, die sich vom Erdboden abheben und auf ihren verformten Oberflächen eine Bündelung oder Verdichtung der Raumprogramme ermöglichen. 14 organisch geformte Öffnungen, Hohlräume, die für natürliche Beleuchtung sorgen und den Blick schräg nach unten durch die Bodenplatte freigeben, durchbrechen diesen extrudierten Raum. Seine verdichtende Wirkung zieht dieser Schnitt aus der beispiellosen Raumqualität eines durchgängig freien Grundrisses, der vertikal verformt wird.

Rolex Learning Center   SANAA

2010

Lausanne Schweiz

Extrusion / Verformung Hohlraum / Schräge / Schichtung

177

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Dieses achtgeschossige Bauwerk beherbergt ein Informationszentrum für Touristen und befindet sich direkt neben dem historischen Asakusa-Schrein in Tokio. Es wirkt, als seien für diesen Turm Holzhäuser übereinandergestapelt worden. Die unterschiedliche Form der von einer Stahlkonstruktion getragenen Geschosse geht auf ihre jeweilige Nutzung zurück – zweigeschossige Räume für das Foyer, eine Schräge für das Auditorium und geschichtete Konferenzräume zeichnen sich an der Fassade als unterschiedlich gedrehte, eckige, horizontale Ebenen ab. Zwischen der verformten Decke eines Geschosses und der Bodenplatte des nächsten sind jeweils technische Installationen und Stauräume untergebracht, sodass der Grundriss größtenteils freigehalten werden konnte. Die Haustechnikbereiche zwischen

zwei Geschossen sind als nach innen versetzte Zwickel ausgeführt, sodass eine klare Trennung zwischen den Ebenen entsteht. Während die geschichteten Volumina mit ihren individuellen Geometrien und Grundrissen wie ein Häuserstapel anmuten, erzeugt die Fassadenstruktur aus Zedernholzlamellen einen homogenen Gesamteindruck; zudem schützen die Lamellen vor einfallendem Sonnenlicht und ermöglichen den ausschnitthaften Ausblick auf die umliegende Stadt.

Asakusa Culture and Tourism Center   Kengo Kuma & Associates

2012

Tokio Japan

Schichtung / Verformung Verschachtelung / Hohlraum

179

In der Tradition von Architekturhochschulen mit pädagogischem Ansatz vereint der Entwurf für die School of Design an der University of Melbourne eine Reihe von unterschiedlichen Schnittstrategien, Tragwerksystemen sowie ein Spiel mit Formen und Materialien. Im Erdgeschoss flankieren eine Bibliothek und eine Modellbauwerkstatt einen breiten Erschließungsweg in Gestalt einer Rampe, die eine visuelle und räumliche Verbindung zum Campus herstellt. Die Seminarräume, Studios und Forschungsräume sind in zwei Flügeln um ein zentrales Atrium im ersten Obergeschoss herum organisiert, das als Raum für Präsentationen und sonstige Veranstaltungen dient. Dieser mehrgeschossige Hohlraum ist von Erschließungszonen umgeben, die Arbeits- und Sitzbereiche für spontane Gruppenarbeiten und als Erweiterung

der Studios umfassen. Zwei skulpturale architektonische Elemente prägen das Atrium: zum einen eine Reihe von Rampen, die der vertikalen Erschließung dienen und deren Stahlkonstruktion an der Unterseite sichtbar ist; zum anderen ein mit Holz verkleideter Kubus, der Studioräume für Gastkritiker enthält. Dieses skulpturale Volumen setzt die Facettenstruktur der das einfallende Licht lenkenden Kassettendecke fort, von der es herabhängt. Aus der Kombination von Schräge, Verschachtelung, Verformung, Schichtung und Hohlraum ist ein lebendiges und eindrückliches Lernumfeld entstanden.

Melbourne School of Design   NADAAA / John Wardle Architects

2014

Melbourne Australien

Hohlraum / Verschachtelung Verformung / Schräge / Schichtung

181

Dass bei diesem Gebäude mit Mischnutzung Tragwerk und Schnitt an das jeweilige Raumprogramm angepasst wurden, lässt sich bereits seiner Kubatur entnehmen. Ein bestehendes eingeschossiges Gebäude wurde umgebaut und um vier Obergeschosse mit 102 Wohneinheiten für ehemals Obdachlose erweitert. Das Erdgeschoss bietet Raum für Geschäfte und den Eingangsbereich zu den Apartments. Die vorgefertigten Wohneinheiten aus Holz wurden auf einem Plateau aus Beton aufeinandergeschichtet, das auf Betonstützen über dem bereits existenten Gebäude ruht. Der Raum zwischen den Wohngeschossen und dem vorhandenen Dach wurde so gestaltet, dass er Platz bietet für verschiedene gemeinschaftliche Outdoor-Aktivitäten, darunter ein Basketballfeld, Gärten und einen Rundweg zum Joggen. Drei schräge Volumina, in

denen sich Treppenhäuser befinden, wirken von außen wie schiefe Gebilde, die den Wohnkomplex in einer dramatischen Geste in die Höhe heben. Bei der Schichtung der modularen Apartments wurde darauf geachtet, dass durch Versatz vor den Wohneinheiten Terrassen und Gehwege entstehen. Das Gebäude kombiniert Schichtung, Verformung, Versatz und Hohlraum so, dass vielfältige außen und innen liegende Bereichen entstehen, die als Sozialwohnungen und Gemeinschaftseinrichtungen genutzt werden können.

Star Apartments   Michael Maltzan Architecture

2015

Los Angeles, Kalifornien, USA

Schichtung / Hohlraum Versatz / Verformung

183

An der Copacabana in Rio de Janeiro liegt dieses Museum, in dessen Atrium die Ausstellungsgeschosse mit Geschossen verknüpft werden, die Shop, Café oder Restaurant vorbehalten sind. Das Atrium entsteht durch den vertikalen Versatz der Ebenen. Im orthogonalen Grundriss sind die Bereiche, die für gemeinschaftliche Nutzungen und Ausstellungsbetrieb vorgesehen sind, zwischen zwei linearen Erschließungszonen, einer inneren und einer äußeren, angeordnet. Im Untergeschoss befindet sich ein Veranstaltungssaal und auf dem Dach ein Open-Air-Kino. An der Fassade hinaufführende Aufgänge und Treppen verlängern die von Roberto Burle Marx entworfene historische Strandpromenade, lassen die Grenzen zwischen innen und außen verschwimmen und ermöglichen den direkten Zugang zu den Nutzungen in den

oberen Geschossen. Die Figur dieser vertikalen Erschließung wird zum Markenzeichen des Gebäudes. Ein Teil der Fassade entlang dieser vertikalen Raumsequenz besteht aus einem eigens entworfenen durchlässigen Mauerwerk, das die Ausblicke aus dem Museum hinaus effektvoll inszeniert und Tageslicht in das Museumsinnere lässt. Mit seiner komplexen Kombination aus Schräge, Schichtung, vertikalem Versatz und Hohlraum bereichert dieses Gebäude das soziale und kulturelle Leben in Rio de Janeiro.

Museu da Imagem e do Som   Diller Scofidio + Renfro

2016

Rio de Janeiro Brasilien

Versatz / Schichtung Schräge / Hohlraum

185

Übersicht Gebäudehöhe 10 m

47

51

137

143

121

69

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57

77

127

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20 m 10

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30 m 20 10

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30 m 20 10

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30 m 20 10

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40 m 30 20 10

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50 m 40 30 20 10

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20 m 10

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30 m 20 10

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173 40 m 30 20 10

61

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160 m 150 140 130 120 110 100

129

90

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80 70 60 50 40 30 20 10

165

55

113

Übersicht Architekten Alvar Aalto Bibliothek in Seinäjoki  77 aceboXalonso Studio Centro de las Artes in La Coruña  155 BIG-Bjarke Ingels Group / JDS Architects Mountain Dwellings  95 Lina Bo Bardi Museu de Arte de São Paulo  61 Marcel Breuer Bibliothek am Hunter College  75 Gordon Bunshaft von Skidmore, Owings & Merrill Beinecke Rare Book and Manuscript Library 139 Félix Candela Restaurant „Los Manantiales“  73

Junya Ishigami & Associates Kanagawa Institute of Technology Workshop 51 Toyo Ito & Associates Sendai Mediatheque  115 Opernhaus von Taichung  85 Philip Johnson Glass House  47 Jourda Architectes Akademie Mont-Cenis  145 Louis I. Kahn Bibliothek der Phillips Exeter Academy 111 Salk Institute for Biological Studies 59 Kengo Kuma & Associates Asakusa Culture and Tourism Center 179

Le Corbusier Einfamilienhaus in der Weißenhofsiedlung 107 Notre-Dame du Haut  71 Villa Savoye  121

Adolf Loos Haus Moller  135

Diller Scofidio + Renfro Granoff Center for the Creative Arts  101 Museu da Imagem e do Som  185

Ludwig Mies van der Rohe S. R. Crown Hall  57

Sou Fujimoto Architects House N  143 Studio Fuksas Kirche San Paolo Apostolo 153 Buckminster Fuller und Shoji Sadao Pavillon der USA auf der Expo ’67  141 Grafton Architects Università Luigi Bocconi  173 Henning Larsen Architects Moesgaard Museum  131 Herman Hertzberger Willemspark-Schule, Apollo-Schulen 99 Herzog & de Meuron  1111 Lincoln Road  129 Prada Aoyama  147 VitraHaus 175 Steven Holl Architects Cité de l’Océan  83 Angelo Invernizzi Villa Girasole  159

Michael Maltzan Architecture Star Apartments  183

Charles Moore Moore House  137 Morphosis 41 Cooper Square  117

Pezo von Ellrichshausen Poli House  151 John Portman & Associates New York Marriott Marquis Hotel  113 Kevin Roche John Dinkeloo and Associates Ford Foundation Headquarters  109 Paul Rudolph Yale Art and Architecture Building  161 SANAA Rolex Learning Center  177 Henri Sauvage 13 Rue des Amiraux  89 Rudolph M. Schindler Haus Bennati  69 Mack Scogin Merrill Elam Architects Knowlton Hall  167 Álvaro Siza Museum der Iberê Camargo Foundation 171 Starrett & Van Vleck Downtown Athletic Club  55 Jørn Utzon Kirche von Bagsværd  81 Weiss / Manfredi Diana Center am Barnard College  97

MVRDV De Effenaar  149 Niederländischer Pavillon für die Expo 2000  65 Villa VPRO  163

Frank Lloyd Wright Fallingwater 91 Bürogebäude der Firma Larkin  105 Solomon R. Guggenheim Museum 125 V. C. Morris Gift Shop  123

NADAAA / John Wardle Architects Melbourne School of Design  181

Peter Zumthor Kunsthaus Bregenz  63

Neutelings Riedijk Architects Nederlands Instituut voor Beeld en Geluid  93 Pier Luigi Nervi Palazzo del Lavoro  49 OMA Casa da Música  169 Kunsthal 127 OMA / LMN Architects Seattle Central Library  165 Claude Parent und Paul Virilio Kirche Sainte-Bernadette du Banlay  79

Der Schnitt bei LTL Architects

1997 – 2015

Bei LTL Architects verwenden wir den Schnitt nicht nur als Technik zur Darstellung von Tragwerk, Innenraum und Form, sondern er ist auch eines unserer wichtigsten Entwurfswerkzeuge. Auch wenn der Grundriss in der Architektur noch immer großes Interesse auf sich zieht, da mit seiner Hilfe Funktion, Organisation und Verkehrswege festgelegt werden können, behaupten wir, dass der Schnitt das richtige Instrument ist, um Antworten

auf gesellschaftliche, ökologische und materielle Fragen zu finden. Beim Entwerfen und Reflektieren mithilfe des Schnitts entsteht eine Beziehung zwischen architektonischer Form, Innenraum und Umgebung, bei der die Bedeutung des Maßstabs deutlich wird. Der Schnitt stellt etwas dar, das andernfalls nicht sichtbar wäre, und bietet damit Raum für das Ausfindigmachen und Beschreiten neuer Wege in der Architektur.

189

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Sport Bars

1997

In diesem Fitnessklub mit Sportbar in der Innenstadt von New York lassen sich die Unterschiede zwischen Geräten, Körpern und Gebäude nur noch bedingt ausmachen, da die einzelnen Aktivitäten im Schnitt miteinander verknüpft sind. Einige Sportgeräte sind in die Architektur integriert: Die Kletterwand dient als Fassade, der Witterungsschutz als elastisches Fitnessband, die Gegengewichte des Aufzugs sind mit den Kraftgeräten

New York, New York USA

Schichtung / Hohlraum Schräge

gekoppelt, Wasserleitungen verbinden das Schwimmen und Baden. Dadurch, dass wir diese Elemente um drei vertikale Schächte oder Hohlräume herum angeordnet haben, die bis in die Sportbar in der untersten Ebene reichen, können die dort sitzenden Besucher nicht nur die Sportübertragungen im Fernsehen verfolgen, sondern auch das Geschehen im Fitnessstudio darüber.

Video Filmplex

1997

In diesem fiktiven Projekt, das sich mit dem Kinobesuch beschäftigt, haben wir den Entwurf im Schnitt herausgestellt, indem wir mehrere verformte Räume ineinander verschachtelt und auf Schrägen angeordnet haben, um zwischen grundverschiedenen Programmen eine ungewöhnliche Nähe herzustellen. Im Raum zwischen den geneigten Böden der einzelnen Kinosäle ist eine Videothek untergebracht. Die Sanitäranlagen

New York, New York USA

Versatz / Schräge Verschachtelung / Schichtung

sind zwischen zwei Stapeln aus Kinosälen platziert, sodass man auch während des Toilettenbesuchs den Film weiterverfolgen kann. Die beiden Stapel sind vertikal verschoben; so bildet die Fassade einen durchgehenden öffentlichen Raum, der die beiden Seiten des Video Filmplex in einem Komplex vereint.

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New Suburbanism

2000

Dieser Entwurf macht sich den für die Vorstadt typischen Wunsch nach Mini-Villen und großen Supermärkten zu eigen und transformiert ihn. Dafür haben wir neue Schnittkombinationen entwickelt, die mit dem amerikanischen Traum vereinbar sind und zugleich der Zersiedlung entgegenwirken: Die Wohnhäuser werden auf den Dächern der Supermärkte errichtet, die dadurch zu Vororten werden. Beide Systeme

Prototyp einer amerikanischen Vorstadt

Schichtung / Verschachtelung Hohlraum

teilen sich Tragwerk und technische Infrastruktur; hier trägt der Schnitt zur Steigerung der Effizienz bei. Trotz der räumlichen Nähe bewahrt sich das Wohnviertel seine Autonomie gegenüber den Gewerbeflächen und Stellplätzen im Untergeschoss. Der Zugang zu den Wohnungen und der Blick darauf sind erst möglich, wenn man sich dem Block von der anderen Seite über die Schräge nähert.

Großes Ägyptisches Museum

2002

Für dieses riesige Museum mit einer Fläche von 400.000 Quadratmetern, auf der die Geschichte der ägyptischen Kunst und Kultur präsentiert werden soll, haben wir Himmel und Erde im Schnitt miteinander verwoben. Ein Himmel aus Sonnenkollektoren und Glas schwebt über der von begehbaren Pylonen durchzogenen Landschaft. Keilförmige Glaselemente fallen von diesem Himmel herab; abgeschrägte Steinpylone

Gizeh Ägypten

Verformung / Verschachtelung Schichtung / Hohlraum

ragen aus dem Wüstenboden empor. Der vielfältige Austausch zwischen diesen beiden Elementen lässt ein umfangreiches Repertoire an Ausstellungs- und Präsentationsflächen entstehen, die das Gebäude, das Objekt und die Landschaft einbeziehen.

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Tourbus Hotel

2002

An der Autobahn zwischen zwei Touristenzielen liegt dieses Hotel, das mehrere Schnittarten miteinander kombiniert und dabei die charakteristischen organisatorischen und sozialen Qualitäten einer Busreise durch Europa bietet. Fünf übereinandergeschichtete Riegel mit Räumen, die für mehr Sonnenlichteinfall horizontal verschoben und durch Hohlräume entlang der Korridore optisch belebt wurden, sind oberhalb

Zwischen München und Venedig

Schräge / Hohlraum Schichtung / Versatz / Verschachtelung / Verformung

einer offenen Lobby angeordnet, in der man sich wie in einer Freizeitlandschaft oder auf dem Deck eines Kreuzfahrtschiffs fühlt. Mittels vertikalem Versatz und Schrägen haben wir die programmatische Nähe zur Lobby hergestellt, die sich über Rampen bis in die Zimmer erstreckt, während überdimensionale Fahrstühle den Busparkplatz mit den oberen Ebenen verbinden.

Bornhuetter Hall

2004

Aus Gründen der Effizienz, der Sicherheit, des Schallschutzes und der Organisationshierarchie werden Wohnheime normalerweise als Gebäude mit geschichteten Geschossen oder Räumen entworfen. Um den sozialen und visuellen Austausch zu optimieren, besteht das Herzstück unseres Entwurfs aus einem Eingangsbereich mit Hof, der von einer Gebäudehülle umgeben ist. Wie verschachtelt wirken die aus dem Baukörper

Wooster, Ohio USA

Verschachtelung / Schichtung

auskragenden Studienzimmer, die das individuelle Lernen in dieses gemeinschaftlich geprägte Umfeld einbetten. Das alltägliche Kommen und Gehen wird in diesem Wohnheim zu einem öffentlichen Ereignis inszeniert.

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Park Tower

2004

Für dieses nicht realisierte Turmprojekt nutzten wir die Eigenschaften der Schräge im Schnitt dafür, emissionsfreien Fahrzeugen die Auffahrt in ein Hochhaus zu ermöglichen, indem wir die geschichteten Etagen durch eine fortlaufende Spirale miteinander verbanden. Ein mehrgeschossiges Parkhaus wurde durch eine zickzackförmige Rampe mit geschichteten Wohnetagen verknüpft, um die uneingeschränkte Zugänglichkeit

New York, New York USA

Schräge / Hohlraum Versatz / Schichtung Verschachtelung

mittels Fahrzeug mit den Annehmlichkeiten des städtischen Lebens im Hochhaus zu verbinden. Je höher man kommt, umso stärker verändert sich diese Doppelspirale, um diverse Elemente einzubinden wie ein über mehrere Geschosse reichendes Atrium und Hohlräume, die Licht in das Gebäude bringen und Ausblick bieten.

Das Raster und der Superblock

2007

Angesichts der Unterbrechung des Straßenrasters von Manhattan durch den Bau von zwei Superblocks Anfang des 20. Jahrhunderts stellten wir uns die Frage, wie sich die Eigenheiten dieser von der Regel abweichenden Bauten für einen neuen, im Schnitt belebten Urbanismus nutzen ließen. Wir machten in unserem Entwurf die riesigen Dachflächen zu Baugrund und zogen das Ost-West-Raster in Form von mehreren

New York, New York USA

Schräge / Schichtung Hohlraum / Verschachtelung

Wohnbrücken über die Monolithen, die von Lichthöfen durchdrungen und untereinander mit Schrägen verbunden waren. Während New York größtenteils räumlich geschichtet bleibt, fördert dieser Entwurf einen Urbanismus auf mehreren Ebenen.

197

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Buffet-Restaurant im MGM Grand Hotel

2009

Um das kulinarische Erlebnis auf dieser extrudierten Etage eines Casinos zu etwas Besonderem zu machen, arbeiteten wir beim Entwurf dieses Buffet-Restaurants mit 600 Sitzplätzen vornehmlich im Schnitt. Wir verformten Boden und Decke und unterteilten damit den Raum in kleinere Bereiche. Die hohen Rückenlehnen der Sitzbänke brechen die weitläufige horizontale Ebene auf und korrespondieren mit den Faltungen der

Las Vegas, Nevada USA

Verformung / Verschachtelung Hohlraum

Decke, die die Wahrnehmung des Raums als eine Reihe von verschachtelten Volumina verstärken. Der Zwischenraum zwischen diesen beiden gefalteten Flächen wirkt wie ein durchgehender horizontaler Schnitt durch den Speisesaal, der den Ausblick auf das Buffet und den Außenpool ermöglicht.

Spliced Townhouse

2010

Im Zuge der Renovierung dieses Stadthauses aus der Vorkriegszeit integrierten wir sechs Geschosse in ehemals separate Wohnungen und schufen so ein räumlich zusammenhängendes Wohnhaus. Anstatt den Versatz der Ebenen zu beseitigen, haben wir die Wirkung dieses vertikalen Versatzes offengelegt und verstärkt, indem wir dort einen neuen Treppenaufgang aus Stahl und Eichenholz einsetzten. Die teils freitragende, teils

New York, New York USA

Versatz / Hohlraum Schichtung

abgehängte Treppe füllt die Fuge zwischen den Geschossplatten, verbindet damit die einzelnen Ebenen des Gebäudes miteinander und erlaubt die visuelle Interaktion zwischen den Räumen, deren Versatz im Schnitt gut erkennbar ist.

199

200

Arthouse

2010

Um die Schichtung in diesem Gebäude stärker zu betonen und die Besucher aus dem Foyer dieses Ausstellungszentrums für zeitgenössische Kunst in die Hauptgalerie im zweiten Obergeschoss zu locken, ließen wir die Treppe vom Dach durch das gesamte Gebäude hindurch herabhängen. Zu diesem Zweck wurden Löcher in die Geschossplatten geschnitten. Die sich in der Vertikalen fortsetzenden 21 Treppenstufen sind vertikal

Austin, Texas USA

Hohlraum / Schichtung

zweiachsig geneigt, wobei sich der Winkel aus der Geometrie des Trittstufenüberstands ergibt. Folglich basiert die gesamte Form auf einem kleinen Detail. Aufgrund der Neigung wird die Treppe nach oben hin immer breiter, wo sie die weitläufige Ausstellungsfläche in der zweiten Etage erschließt.

CUC Administrative Campus Center

2011

Der Umbau eines Technikgebäudes in ein Verwaltungszentrum mit Großraumbüro wurde durch den eingeschossigen extrudierten Schnitt des Bestands eingeschränkt. Dennoch haben wir die relativ hohen Decken und den weiten, stützenfreien Raum bestmöglich genutzt und mehrere Besprechungsbereiche und Sitztribünen integriert. Eine verformte Decke aus maßgefertigten schalldämpfenden Lamellen zieht sich durch

Claremont, Kalifornien USA

Verformung / Verschachtelung Hohlraum

den gesamten Raum und wirkt verbindend. Die wolkenartige Topografie der Deckenelemente ist dem jeweiligen Bereich angepasst, definiert die Gemeinschaftsbereiche, verdeckt die Sicht auf die technischen Installationen und lässt doch Tageslicht durch die Oberlichter in das Gebäude fallen.

201

202

New Taipei City Museum of Art

2011

In diesem Wettbewerbsbeitrag für den Entwurf eines Kunstmuseums gestalteten wir das Raumprogramm als einzelnen Quader, der im Erdgeschoss über eine durchgehende Lobby erschlossen ist. Die Lobby kombiniert Aspekte eines Atriums mit denen einer Freitreppe und zieht sich durch die acht geschichteten Etagen des Gebäudes nach oben. Dabei ist sie als Antwort auf externe Gegebenheiten wie Ausblick und Licht

Neu-Taipeh Taiwan

Hohlraum / Schräge Verformung / Schichtung Verschachtelung

sowie nach internen nutzungsbedingten Anforderungen hier und da versetzt angeordnet. Die Lobby ist im Grundriss jeder Etage deutlich erkennbar, im Schnitt jedoch wirkt sie sehr komplex und verändert ständig ihre Form. Sie entspricht einer dynamischen öffentlichen Promenade, in der sich die Schnitttypologien Verformung, Schräge und Hohlraum vereinen.

Living and Learning Residence Hall 6

2012

Um die Homogenität des klassischen Studentenwohnheims zu unterbrechen und die „DeafSpace“-Vorgaben der Gallaudet University zu erfüllen, setzten wir Hohlräume ein. So entstand ein Atrium, das sich über alle vier Etagen dieses Wohnheims für gehörlose Studenten erstreckt und die repetitiv geschichteten Geschossplatten durchdringt. Ein durch das ganze Haus reichendes Haupttreppenhaus dient der Erschließung. Die

Washington, D.C. USA

Schichtung / Hohlraum

großen Zwischenräume zwischen der Begrenzung des Atriums und dem Treppenlauf ermöglichen den visuellen Austausch, der für die Kommunikation und Lebensqualität der gehörlosen Bewohner von entscheidender Bedeutung ist.

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Liberal Arts College Campus Center

2014

Für diesen Prototyp eines Hochschulzentrums verwendeten wir die Schräge und einen alles vereinenden Hohlraum, um die Beziehung zwischen Gemeinschaftsbereichen und Studienräumen zu intensivieren. Rund um ein zentrales Atrium sind die erforderlichen Büros und Seminarräume angeordnet. Der geneigte und verformte Boden des Atriums erzeugt nutzungsspezifische Bereiche, aber auch Diversität und Flexibilität, und

Nordosten der USA

Schräge / Hohlraum Verschachtelung Schichtung / Verformung

fördert den sozialen Austausch entlang der Erschließungswege. Die verformte Decke und die verschachtelten Innenräume optimieren das Wärmeverhalten, indem sie innerhalb des Gebäudes ein Temperaturgefälle mit unterschiedlichen Zonen schaffen. Durch dieses Atrium setzt sich der Campus in horizontaler und vertikaler Richtung im Gebäude fort.

Bürogebäude

2015

In unserem Wettbewerbsbeitrag für das neue Bürogebäude einer Wohltätigkeitsorganisation diente eine Abfolge von zweigeschossigen Volumina als räumlicher Kontrast zu den effizienten Bürogrundrissen. Die fünf separaten Räume fungieren als Hohlräume innerhalb der geschichteten Geschosse und nehmen Gemeinschaftsräume, Bibliotheken und Besprechungszimmer zwischen den Etagen auf. Durch den Einbau

New York, New York USA

Schichtung / Verschachtelung Hohlraum

von Treppen in diese Volumina schufen wir die Möglichkeit, den Publikumsverkehr durch das gesamte Stiftungsgebäude zu lenken, dabei die Kommunikation zu fördern, unerwartete Begegnungen zu ermöglichen und den Ideenaustausch zwischen den Abteilungen anzuregen.

205

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Abbildungsnachweis Zeichnungen Die 63 Zeichnungen in diesem Buch stellen das Werk und die Interpretation von LTL Architects dar und wurden in den Büros von LTL Architects angefertigt. Die Arbeit an dieser Publikation wurde teils von der Princeton University School of Architecture und teils vom Fachbereich Parsons School of Design der Universität The New School unterstützt. An der Erstellung waren keine unbezahlten Praktikanten beteiligt. Obwohl einige Beteiligten im Verlauf der Zeit an allen Zeichnungen mitgearbeitet haben, weist ein Sternchen darauf hin, dass sie an der Erstellung jener Zeichnung einen wesentlichen Anteil hatten. Erica Alonzo  49 Laura Britton  47, 83*, 85*, 153* Nerea Castell Sagües  57, 79*, 83, 97*, 109*, 123*, 125*, 151, 171 Debbie Chen  65*, 73, 81*, 89, 99*, 113*, 137, 169*, 171*, Erica Cho  107*, 127*, 183* Kenneth Garnett  63, 81, 91, 97, 105, 139, 185 Kevin Hayes  79*, 129*, 139*, 143* Alec Henry  59, 137*, 165 Krithika Penedo  75*, 77, 81*, 89, 99*, 129*, 145* Rennie Jones  59*, 77, 89, 105, 113*, 143 Van Kluytenaar  97*, 111*, 131*, 161*, 181* Anna Knoell  89, 105, 111, 127, 137, 149, 153 Zhongtian Lin  47, 51, 65*, 69, 73*, 77, 85*, 95*, 111*, 113*, 115*, 131, 139*, 143, 147*, 159*, 163, 165, 167, 175*, 183*

Lindsey May  57*, 65, 77, 93, 99, 105, 113, 123, 155*, 163* Asher McGlothlin  139 Cyrus Peñarroyo  55*, 63*, 71*, 75, 77, 93*, 101, 117, 135*, 141*, 153, 155*, 173*, 177*, 179* Anika Schwarzwald  59, 71, 75, 91, 121, 123, 129, 135, 143 Hannah Sellers  89, 97 Abby Stone  69*, 121*, 149*, 151*, 155*, 167* Yen-Ju Tai  141 Regina Teng  51*, 61*, 63*, 77*, 107*, 147*, 175 Antonia Wai  91*, 105*, 117*, 161*, 165*, 167, 169*, 179, 181*, 185* Chao Lun Wang  91*, 105* Tamara Yurovsky  57*, 59, 165* Weijia Zhang  131, 149

Fotos 7 Unité d’habitation – Urheberrecht liegt bei F.L.C. / ADAGP, Paris / Artists Rights Society (ARS), New York 2016 8 Commerzbank Tower – urheberrechtlich geschützt und gezeichnet von BPR für Foster + Partners, mit freundlicher Genehmigung von Foster + Partners 8 Limerick County Council – Bild mit freundlicher Genehmigung von Bucholz McEvoy Architects 11 Bow-Wow House – Bild mit freundlicher Genehmigung vom Atelier Bow-Wow 12 Chicago Convention Center – Bild mit freundlicher Genehmigung von Art Resource for MoMA 12 Menil Collection Museum – Bild mit freundlicher Genehmigung von Fondazione Renzo Piano 13 Maison Dom-Ino – Zeichnung von LTL Architects 13 T-House – Bild mit freundlicher Genehmigung von Estate of Simon Ungers 14 Ontario College of Art and Design – Bild mit freundlicher Genehmigung von aLL Design 14 Tower House – Bild mit freundlicher Genehmigung von GLUCK+ 15 Pantheon – Zeichnung von LTL Architects 15 Villa Foscari – Zeichnung von LTL Architects 15 Berliner Philharmonie – Urheberrecht 2016 liegt bei Artists Rights Society (ARS), New York / VG Bild-Kunst, Bonn 15 Nationale Sporthalle Yoyogi – Bild mit freundlicher Genehmigung von Tange Associates 16 Kimbell Art Museum – Bild mit freundlicher Genehmigung der University of Pennsylvania Architectural Archives 16 Agadir Convention Center – Zeichnung von LTL Architects

16 Seattle Art Museum: Olympic Sculpture Park – Bild mit freundlicher Genehmigung von Weiss / Manfredi 17 Unity Temple – Urheberrecht liegt bei der Frank Lloyd Wright Foundation, The Frank Lloyd Wright Foundation Archives 17 Villa Baizeau – Zeichnung von LTL Architects 17 Penthouse am Beekman Place – Bild mit freundlicher Genehmigung der Library of Congress 18 Entwurf für den Lower Manhattan Expressway – Bild mit freundlicher Genehmigung der Library of Congress 19 Cité Napoléon – Zeichnung von LTL Architects 19 Très Grande Bibliothèque – Urheberrecht liegt bei OMA 19 Galeries Lafayette – Bild mit freundlicher Genehmigung von Ateliers Jean Nouvel 19 Simmons Hall – Bild mit freundlicher Genehmigung von Steven Holl Architects 20 Villa Savoye und Palais des Congrès – Urheberrecht liegt bei F.L.C. / ADAGP, Paris / Artists Rights Society (ARS), New York 2016 21 Zwei Bibliotheken in Jussieu und Educatorium – Urheberrechte liegen bei OMA 21 Museo de la Memoria de Andalucía – Bild mit freundlicher Genehmigung von Estudio Arquitectura Campo Baeza 21 Konzert- und Konferenzzentrum Harpa – Bild mit freundlicher Genehmigung von Henning Larsen Architects 22 Fun Palace – Bild mit freundlicher Genehmigung des Canadian Centre for Architecture

207 22 Heidi Weber Museum – Urheberrecht liegt bei F.L.C. / ADAGP, Paris / Artists Rights Society (ARS), New York 2016 22 Climatroffice – Bild mit freundlicher Genehmigung von Foster + Partners 22 Opernhaus Tokio – Bild mit freundlicher Genehmigung von Ateliers Jean Nouvel 22 Kunstzentrum Le Fresnoy – Bild mit freundlicher Genehmigung von Bernard Tschumi Architects 22 Wall House – Bild mit freundlicher Genehmigung von FAR frohn&rojas 23 Eyebeam Museum of Art and Technology – Bild mit freundlicher Genehmigung von MVRDV 24 Gordon Strong Automobile Objective – Urheberrecht liegt bei der Frank Lloyd Wright Foundation, The Frank Lloyd Wright Foundation Archives 25 Ingenieurfakultät an der Leicester University – Bild mit freundlicher Genehmigung des Canadian Centre for Architecture 25 Präfekturbibliothek von Oita – Urheberrecht liegt bei Arata Isozaki & Associates 25 Hyatt Regency Hotel San Francisco – Bild mit freundlicher Genehmigung von The Portman Archives 26 Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin – Bild mit freundlicher Genehmigung von Steven Holl Architects 26 Bibliothek der Technischen Universität Delft – Bild mit freundlicher Genehmigung von Mecanoo Architecten 26 Museum aan de Stroom – Bild mit freundlicher Genehmigung von Neutelings Riedijk Architects 35 Plug-in City – Bild mit freundlicher Genehmigung von Archigram Archive, Urheberrecht liegt bei Archigram 35 Verkehrsplanungsstudie Stadtzentrum Chicago – Bild mit freundlicher Genehmigung der Graham Garfield Collection 36 Hauptsitz der UNESCO – Bild mit freundlicher Genehmigung der Fondazione MAXXI 37 Passagierterminal im Hafen von Yokohama – Bild mit freundlicher Genehmigung von Foreign Office Architects 37 Eyebeam Museum of Art and Technology – Bild mit freundlicher Genehmigung von Diller Scofidio + Renfro 38 Building 2345 – Bild mit freundlicher Genehmigung von Höweler + Yoon 38 Nature-City – Bild mit freundlicher Genehmigung von WORKac 39 Markthalle – Bild mit freundlicher Genehmigung von MVRDV 39 Center for Performing Arts in Abu Dhabi – Bild mit freundlicher Genehmigung von Zaha Hadid Architects 39 Opernhaus in Oslo – Bild mit freundlicher Genehmigung von Snøhetta 39 Vanke Center – Bild mit freundlicher Genehmigung von Steven Holl Architects 44 Glass House – Foto des Wikimedia-Nutzers Edeltiel, lizenziert unter CC BY SA

44 Palazzo del Lavoro – Foto des Wikimedia-Nutzers pmk58, lizenziert unter CC BY SA 44 Kanagawa Institute of Technology Workshop – Bildrechte liegen bei Ahmad Setiadi 52 S. R. Crown Hall – Foto von Joe Ravi, lizenziert unter CC BY 52 Salk Institute for Biological Studies – Foto von Doug Letterman, lizenziert unter CC BY 52 Museu de Arte de São Paulo – Foto des Wikimedia-Nutzers Morio lizenziert unter CC BY SA 52 Kunsthaus Bregenz – Foto von Boehringer Friedrich, lizenziert unter CC BY 52 Niederländischer Pavillon für die Expo 2000 – Bildrechte liegen bei Hans Jan Durr 66 Notre-Dame du Haut – Foto von Francois Philip, lizenziert unter CC BY 66 Bibliothek am Hunter College – Foto mit freundlicher Genehmigung des Special Collections Research Center der Syracuse University Libraries 66 Bibliothek in Seinäjoki – Foto mit freundlicher Genehmigung von Hanna Kotila 66 Kirche Sainte-Bernadette du Banlay – Bildrechte liegen bei Damien Froelich 66 Kirche von Bagsværd – Foto von Erik Christensen, lizenziert unter CC BY SA 66 Cité de l’Océan – Bildrechte liegen bei Jonathan Chanca 86 13 Rue des Amiraux – Foto von Remi Mathis, lizenziert unter CC BY SA 86 Fallingwater – Foto mit freundlicher Genehmigung der Library of Congress 86 Mountain Dwellings – Foto des Flickr-Nutzers SEIER+SEIER, lizenziert unter CC BY 86 Diana Center am Barnard College – Foto des Flickr-Nutzers Forgemind Archimedia, lizenziert unter CC BY 86 Granoff Center for the Creative Arts – Foto xy 102 Bürogebäude der Firma Larkin – Urheberrecht liegt bei der Frank Lloyd Wright Foundation, The Frank Lloyd Wright Foundation Archives 102 Einfamilienhaus in der Weißenhofsiedlung – Foto des WikimediaNutzers Shaqspeare, lizenziert unter CC BY 102 Ford Foundation Headquarters – Urheberrecht liegt bei Vincent Chih-Chieh Chin 102 Bibliothek der Phillips Exeter Academy – Foto des FlickrNutzers Pablo Sanchez, lizenziert unter CC BY 102 Sendai Mediatheque – Urheberrecht liegt bei Takao Shiraishi 102 41 Cooper Square – Foto des Wikimedia-Nutzers Beyond My Ken, lizenziert unter CC BY SA 118 Villa Savoye – Foto des FlickrNutzers jelm6, lizenziert unter CC BY 118 V. C. Morris Gift Shop – Foto mit freundlicher Genehmigung der Library of Congress 118 Solomon R. Guggenheim Museum, New York – Urheberrecht liegt bei SRGF, NY, Foto von JeanChristophe Benoist, lizenziert unter CC BY

118 Kunsthal – Urheberrecht liegt bei Janvan Helleman 118 1111 Lincoln Road – Foto von Phillip Pessar, lizenziert unter CC BY 118 Moesgaard Museum – Urheberrecht liegt bei Mathias Nielsen 132 Villa Moller – Foto des Wikimedia-Nutzers Szojak, lizenziert unter CC BY SA 132 House N – Urheberrecht liegt bei Kazunori Fujimoto 132 Akademie Mont-Cenis – Urheberrecht liegt bei Oliver Hoffmann 132 Prada Aoyama – Foto des Wikimedia-Nutzers Wiii, lizenziert unter CC BY SA 132 Poli House – Urheberrecht liegt bei Sarah Kramer 132 Centro de las Artes in La Coruña – Urheberrecht liegt bei José Carlos Melo Dias 156 Yale Art and Architecture Building – Foto von Sage Ross, lizenziert unter CC BY SA 156 Villa VPRO – Urheberrecht liegt bei James Leng 156 Seattle Central Library – Foto von Bobak Ha’Eri, lizenziert unter CC BY 156 Casa da Música – Urheberrechte liegen bei Nerea Castell 156 Museum der Iberê Camargo Foundation – Foto des Wikimedia-Nutzers Ricardo RMX, lizenziert unter CC BY SA 156 Università Luigi Bocconi – Foto von Paolo Gamba, lizenziert unter CC BY 156 VitraHaus – Foto von Wladyslaw Sojka, lizenziert unter CC BY 156 Melbourne School of Design – Urheberrechte liegen bei Joe Lewit 156 Rolex Learning Center –Urheberrechte liegen bei Jonas Klock 156 Star Apartments – Foto von Laurie Avocado, lizenziert unter CC BY 156 Museu da Imagem e do Som – Zeichnung mit freundlicher Genehmigung von Diller Scofidio + Renfro 195 Bornhuetter Hall – Urheberrechte liegen bei Rudolph Janu 198 Buffet-Restaurant im MGM Grand Hotel – Urheberrechte liegen bei Michael Moran 199 Spliced Townhouse – Urheberrechte liegen bei Michael Moran 200 Arthouse – Urheberrechte liegen bei Michael Moran 201 CUC Administrative Campus Center – Urheberrechte liegen bei Michael Moran 203 Living and Learning Residence Hall 6 – Urheberrechte liegen bei Prakash Patel Im gesamten Buch: detaillierte Schnitte von Gebäuden von Frank Lloyd Wright, nachgezeichnet von LTL Architects und verwendet mit Genehmigung der Frank Lloyd Wright Foundation, Scottsdale, Arizona.

Wir danken … den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von LTL Architects; Stan Allen, Stella Betts, Dana Cuff, David Leven, Arnold Lewis, Beth Irwin Lewis, Guy Nordenson, Nat Oppenheimer, Peter Pelsinski, Jonsara Ruth, Karen Stonely, Enrique Walker, Saundra Weddle, Robert Weddle, Sarah Whiting und Ron Witte. … Gerard Carty, Elizabeth Diller, Michael Maltzan, Michael Manfredi, Chris McVoy, Charles Renfro, Shoji Sadao, Ricardo Scofidio, Nader Tehrani, Marion Weiss und Robert Wennett. ... Cyrus Peñarroyo und Alec Henry; Alec Henry, Erica Alonzo, Kenneth Garnett, Jenny Hong, Christine Nasir und Corliss Ng. … Daina Tsurumaki, Toshi Tsurumaki, Chris Tsurumaki, Beth Irwin Lewis, Arnold Lewis und Martha Lewis. … Alvar Aalto Museum; aceboXalonso Studio; Avery Architectural and Fine Arts Library an der Columbia University; Instituto Lina Bo e P. M. Bardi; Bjarke Ingels Group; Marcel Breuer Digital Archive, Syracuse University Libraries; R. Buckminster Fuller Collection an der Stanford University Library; Cité de L’architecture et du patrimoine; Diller Scofidio + Renfro; Studio Fuksas; Grafton Architects; Henning Larsen Architects; Architectuurstudio HH; Steven Holl Architects; Toyo Ito & Associates, Architects; Jourda Architectes Paris; Louis I. Kahn Collection in den Architectural Archives der University of Pennsylvania; Kengo Kuma and Associates; Fondation Le Corbusier; Michael Maltzan Architecture; Morphosis; Charles Moore Foundation; Ludwig Mies van der Rohe Archive im Museum of Modern Art; MVRDV; NADAAA; Neutelings Riedijk Architects; OMA; Pezo Von Ellrichshausen; John Portman & Associates; Kevin Roche John Dinkeloo and Associates Records in der Sammlung Manuscripts &  Archives der Yale University Library; Robert A. M. Stern; Paul Marvin Rudolph Archive in der Library of Congress; Rudolph M. Schindler Archive in der Architecture & Design Collection im University Art Museum der University of California, Santa Barbara; Mack Scogin Merrill Elam Architects; Weiss /Manfredi sowie Frank Lloyd Wright Foundation Archives in der Avery Architectural and Fine Arts Library der Columbia University.

Impressum Übersetzung: Christiane Böhme-Wilk Lektorat: Berit Liedtke Projektkoordination: Annette Gref, Lisa Schulze, Regina Herr Herstellung: Amelie Solbrig Layout, Covergestaltung und Satz: Hug & Eberlein, Felix Fischer, Nina Hug Papier: Amber Graphic, 120 g/m2 Druck: Kösel GmbH & Co. KG Library of Congress Control Number: 2018938021 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Dieses Buch ist auch als E-Book (ISBN PDF 978-3-0356-1523-4; ISBN EPUB 978-3-0356-1532-6) erschienen. © 2018 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin / Boston Die Originalausgabe ist bei Princeton Architectural Press in den Vereinigten Staaten von Amerika erschienen. ISBN 978-3-0356-1549-4 9 8 7 6 5 4 3 2 1

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