SCHMITTIANA: Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts. Band VI (1998) [1 ed.] 9783428496426, 9783428096428

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SCHMITTIANA: Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts. Band VI (1998) [1 ed.]
 9783428496426, 9783428096428

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SCHMITTIANA Band VI

SCHMITTIANA Beiträge zu Leben und Werk Carl Schrnitts

Herausgegeben von

Professor Dr. Piet Tommissen Band VI

SCHMITTIANA Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts Band VI 1998

Herausgegeben von

Prof. Dr. Piet Tommissen

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Schmittiana I hrsg. von Piet Tommissen. - Berlin : Duncker und Humblot. Band 2 und 3 verl. von VCH, Weinheim NE: Tommissen, Piet [Hrsg]; Schmitt, Carl Bd. 6 (1998) ISBN 3-428-09642-8

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0945-9960 ISBN 3-428-09642-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@

Zum Geleit Dieser Band der Reihe ,Schmittiana' unterscheidet sich inhaltlich von seinen Vorgängern, weil ich mich dazu entschlossen habe, ihm eine sehr umfangreiche Dokumentation über Alexandre Kojeve im allgemeinen und Kojeve und C.S. im besonderen einzuverleiben. Infolgedessen setzt er sich aus zwei Teilen zusammen, nur der zweite Teil entspricht fast dem üblichen Schema: Zeugnisse, Forschungsergebnisse, Dokumente. ,Fast' -denn der chronische Platzmangel verhinderte den gesonderten Abdruck von Inedita, aber in einigen Beiträgen, vor allem in denen von Herrn Christian Tilitzki, sind mehrere eingearbeitet. Wie in der Vergangenheit waren zahlreiche Archive, Bibliotheken, Aufkunftsstellen und Einzelpersonen im Rahmen des Möglichen bestrebt, meine vielen Bitten zu erfüllen und meine konkreten Fragen zu beantworten. Es würde leider zu weit führen, sie alle zu erwähnen. Aber der Einsatz des verehrten Kollegen Helmut Quaritsch und der Damen Dennhardt und Roßhirt war wiederum dermaßen groß, daß ich nicht umhin kann, dafür an dieser Stelle meine Erkenntlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Ich widme den Band Frau Dr. med. Veronica Runte-Schranz für die von ihr, von ihrem verewigten Gatten und sogar von ihren Kindem seit vielen Jahren mir und meiner Reihe gegenüber auf verschiedene Weise - durch Gespräche, Büchersendungen, Ablichtungen, Ratschläge - bekundete Sympathie. Selbstverständlich bringen die einzelnen Beiträge nur die Auffassung(en) ihres Verfassers zum Ausdruck. B-1850 Grimbergen Reinaertlaan 5

P.T.

P. S.: Die fünf ersten Bände meiner Reihe werden öfter herangezogen, so daß ich mir erlaubt habe, sie mit den Kürzeln Schmittiana I, II, III, IV und V zu kennzeichnen. Diese Kürzel entsprechen also diesen Veröffentlichungen: a) Schmittiana I, Berlin: Akademie Verlag, die drei Auflagen (1988, 1988, 1990) sind restlos vergriffen b) Schmittiana II, Berlin: Akademie Verlag, 1990, 162 S., ISBN: 3-527-17715-9 c) Schmittiana III, Berlin: Akademie Verlag, 1991, 170 S., ISBN: 3-527-17728-0 d) Schmittiana IV, Berlin: Duncker & Humblot, 1994, 304 S., ISBN: 3-428-08044-0 e) Schmittiana V, Berlin: Duncker & Humblot, 3-428-08612-0.

1996, 332 S., ISBN:

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Zweimal Kojeve (zusammengestellt von Piet Tommissen) Einleitung

Zum Geleit

11

Kojeve: Eine Auswahlbibliographie. ................... . ...... . . ...... .. .. . ... . . . . . .. ..

12

1. Abschnitt: Kojeve in deutscher Sicht

A. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

B. Deutsche Gesprächspartner von Alexandre Kojeve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

1. Hans-Joachim Arndt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2T

2. !ring Petscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

3. Armin Mohler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

4. Roman Schnur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

5. Nicolaus Sombart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

2. Abschnitt: Kojeve und Schmitt

A. Einleitung

75

1. Kojeves Hegel-Seminar: Hintergrund und Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

2. Kojeve und Schmitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

B. Der Briefwechsel Kojeve-Schmitt.. . ....... . ..... . .. . .... . ........ . ...... . . ... . ... . . 100 C. Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reproduktion der Einladung zum Düsseldorfer Vortrag Kojeves . ... . .. . . .. . . . .. . . 2. Kojeves Düsseldorfer Vortrag: Kolonialismus in europäischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . 3. Reproduktion von Kochs Zusammenfassung des Vortrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Reproduktion von Schroers Notiz zum Vortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125 125 126 141 142

8

Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil Schmittiana A. Zeugnisse

Günther Rohrmaser "Der Hegeische Staat ist tot" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Federico Krutwig Sagredo Le voyage d'O-Shaw vers Flettenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

B. Forschungsergebnisse Christian Tilitzki Zwei Miszellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Christian Tilitzki Die Vortragsreisen Carl Schmitts während des Zweiten Weltkrieges . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Theo Hartmann The Carl Schmitt Reception in Sweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

C. Dokumente Ernst Hüsmert Zwei wenig bekannte Seiten von Carl Schmitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Helmut Quaritsch Geleitwort zur japanischen Ausgabe meiner Edition von Carl Schmitts Gutachten vom Jahre 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Günther Krauss Legalität und Legitimität des Hitler-Regimes (1948) . . . . . . ... . .. . . . ........ . . . .. . ... 313 Lode Claes Lebensraum und Raumordnung bei Kar! Haushoferund Carl Schmitt (1939) .. .. . . .. 325

D.Anlage Piet Tommissen Schmittiana II, III, IV und V: Berichtigungen und Ergänzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

Erster Teil

Zweimal Kojeve zusammengestellt und herausgegeben

von PIET TOMMISSEN

Zum Geleit In Schmittiana III, 1991 erschienen, heißt es S. 171, FN 7: "Der Briefwechsel C.S.-Alexandre Kojeve (1902- 1968) wird von mir im Laufe des Jahres veröffentlicht." Aber bekanntlich denkt der Mensch und lenkt Gott ... Die Krankheit meiner Gattin und, nach ihrem Verscheiden, die vielen großen und kleinen Alltagssorgen, denen ich von heute auf morgen ausgesetzt wurde, haben die Realisierung des Kojeve-Projekts in die Länge gezogen, zumal ich mich noch um ältere Zusagen zu kümmern hatte. Trotzdem blieb das Projekt im Gedächtnis haften und bewahrte ich jede neue Einzelheit in Sachen Kojeve, die mir zu Gesicht kam, sorgfaltig auf. Diese zwei Fakten -die Verzögerung einer-, die Nicht-Verleugnung andererseits haben freilich zur Folge, daß aus der geplanten bescheidenen Edition der SchmittKojeve-Korrespondenz fast ein kleines Buch geworden ist. Daher übrigens die Titelwahl, zu der ich von Ernst Jünger- ,,Zwei Mal Halley" (1987)!- inspiriert worden bin. Da ich den zwei ,Abschnitten' dieses Teiles des Bandes Schmittiana VI eine ziemlich umfangreiche Kojeve-Bibliographie vorausschicke, möchte ich unterstreichen, daß sie sozusagen die Wirbelsäule des Ganzen darstellt. Tatsächlich ersetzt die Erwähnung der Nummern dieser Bibliographie, sowohl im Text als in den Fußnoten, eine Unzahl sich ständig wiederholender Quellenangaben. Diese Funktion habe ich auch den vielen Querverweisen zugedacht. Es mag sein, daß das Verfahren zunächst befremdet, ja sogar irritiert, aber nach kurzer Zeit hat der geneigte Leser sich bestimmt damit abgefunden und die Vorteile erkannt. Alle Zitate stammen von mir. Im Prinzip sind sie nur den interessierten Kennern des Themas zugedacht und aus diesem Grunde oft kopiös. Fremdsprachige Zitate habe ich frei (aber stets sinngemäß) ins Deutsche übertragen. Zu guter Letzt ist es mir ein Bedürfenis, an dieser Stelle sowohl Frau Nina lvanoff als dem verehrten Kollegen J. H. Kaiser meinen aufrichtigen Dank abzustatten für die anstandslos erteilte Abdruckgenehmigung der Briefe von Alexandre Kojeve (fortan: A.K.) bzw. Carl Schmitt (fortan: C.S.). Aber auch den vielen von mir kontaktierten Archiven, Bibliotheken und Einzelpersonen bin ich sehr erkenntlich für die Mühewaltung und erst recht für die Hilfeleistung. B-1850/Grimbergen, den 15. Juli 1998 Reinaertlaan 5

P. T.

Kojeve : Eine Auswahlbibliographie Der Benutzer sei von vomherein gewarnt: es handelt sich nicht um den Versuch einer vollständigen Bibliographie. Ich Iiste nur die Bücher und Aufsätze auf, die ich im Laufe meiner Recherchen gefunden habe, klammere jedoch A.K.s Artikel (nur eine Ausnahme: LXXII-a) und Rezensionen aus und beschränke mich auf einige Besprechungen von zwei Büchern A.K.s (Sparten A-d und A-e). Es erhebt sich übrigens die Frage, ob eine vollständige Bibliographie zu erstellen wäre, vor allem seitdem der Amerikaner Fukuyama, in gewissem Sinne ein Epigone A.K.s, eine internationale Diskussion über das Thema ,Posthistoire' entfacht hat [LIX-a]. Dennoch glaube ich wichtige Sekundärliteratur erfaßt zu haben, darunter viele Publikationen, die ich weder im Textteil noch in den Fußnoten heranzuziehen brauche. Diese Bibliographie ist folgendermaßen eingeteilt (für jede Sparte gilt die chronologische Reihenfolge): A. Von, über und in Sachen Kojeve a) Biographie b) Bibliographie c) Bücher von A.K. d) Rezensionen von III-a (eine Auswahl) e) Rezension von IV Bd 1 f) Briefwechsel g) Gespräche mit A.K. h) Zeugnisse i) Aufsätze über bzw. in Sachen A.K. (eine Auswahl) j) Bücher und Studien, die sich mit Themen befassen, die im Denken A.K.s zentral stehen B. Literatur über Mitglieder des Hegel-Seminars von A.K.

A. Von, über und in Sachen Kojeve a) Biographie I Dominique Auffret (geb. 1958), A1exandre Kojeve. La philosophie, !'Etat, Ia finde l'Histoire, Paris: Grasset, 1990, 455 S., in derReihe ,Figures'

b) Bibliographie II Die vollständigste Bibliographie der veröffentlichten und noch unveröffentlichten Schriften A.K.s (einige Fehler sind zu berichtigen, einige Inedita inzwischen erschienen) findet sich in: I, S. 445- 447 (übernommen in: VII, S. 339 - 343). - Vgl. VIII, S. 301 - 310 (ohne die Inedita, aber mit einer kleinen Auswahl aus der Sekundärliteratur) und XLIX, S. 233 - 236

Zweimal Kojeve

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c) Bücher von A.K. 111-a lntroduction a Ia lecture de Hege!. Le9ons sur ,La Phenomenologie de !'Esprit' professees de 1933 a 1939 a l'Ecole des Hautes-Etudes (hrsg. von Raymond Queneau [1903 1976]), Paris: Gallimard, 1947, 597 S., in der Reihe ,Philosophie. Systemes et confessions'. Die 1962 erschienene, vermehrte Ausgabe ist 1968 unverändert in der ,Bibliotheque des ldees' desselben Verlags (Nachdruck: 1971) und 1979 (um eine wichtige ,note' A.K.s erweitert), stets im selben Verlag, als Nr. 45 in der Reihe ,TEL' herausgebracht worden.- Vgl. A· d). Es gibt eine unvollständige deutsche Übersetzung (111-a, S. 11 - 34, 161 - 195, 336- 380, 445 - 526, sowie einen älteren Aufsatz A.K.s) von !ring Ferseher (geb. 1922) und Gerhard Lehmbruch (geb. 1928): ID-b/1 Hege!. Eine Vergegenwärtigung seines Denkens. Kommentar zur ,Phänomenologie des Geistes' (mit einem Anhang: Hege!, Marx und das Christentum), Stuttgart:Kohlhammer, 1958, 234 S.; später unverändert als Taschenbuch herausgebracht, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1975, 340 S., Nr. 97 in der Reihe ,Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft' (die 4. Auflage ist 1996 erschienen). Die in dieser Teilübersetzung fehlenden zwei langen (und wichtigen!) Fußnoten zum Thema ,Posthistoire' wurden übersetzt von 111-b/2 Jacob Taubes (1923- 1987), "Ästhetisierung der Wahrheit im Posthistoire", in Gabriele Althaus und Irmingard Staeuble (Hrsg.), Streitbare Philosophie. Margherita von Brentano [1922- 1995] zum 65. Geburtstag, Berlin: Metropol Verlag, 1988, 342 S.; dort S. 41 51 DieS. 48- 89 sowie Abschnitte der S. 20-47 aus 111-b/1 sind übernommen in 111-b/3 Hans-Friedrich Fulda (geb. 1930) und Dieter Henrich (geb. 1930) (Hrsg.), Materialien zu Hegels ,Phänomenologie des Geistes', Frankfurt a.M.: Suhrkamp, (1973) 1992, 445 S., Nr. 9 in der Reihe ,Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft'; dort S. 133- 188: ,,Zusammenfassender Kommentar zu den ersten sechs Kapiteln der ,Phänomenologie des Geistes ' " Es gibt auch eine amerikanische Teilübersetzung von James H. Nichols, Jr., mit einer Einleitung (S. VII-XII; vgl. XXIX) von Allan Bloom (1930- 1992): 111-c lntroduction to the Reading of Hege!. Lections to the Reading of Hege!, Ithaca/London: Comell University Press, 1969, 304 S. Das Buch ist noch in anderen Sprachen übersetzt worden, sogar ins Serbische, auf Veranlassung des surrealistischen Dichters Dusan Matic (1898- ?) IV Essai d'une histoire raisonnee de Ja philosophie palenne, Paris: Gallimard, 3 Bde: - I : Les Presocratiques, 1969, 336 S. - II : Platon-Aristote, 1972, 408 S. - III: La Philosophie hellenistique. Les Neo-platoniciens, 1973, 536 S. alle in der ,Bibliotheque des ldees'. 1997 gab derselbe Verlag eine Neuauflage in der Reihe ,TEL' (Nrs. 286,287, 288) heraus V Kant, Paris: Gallimard, 1973,224 S., in der ,Bibliotheque des ldees' VI Esquisse d' une phenomenologie du droit. Expose provisoire, Paris: Gallimard, 1981, 588 S., in der ,Bibliotheque des Idees'

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Piet Tommissen

VII L'idee du deterrninisme dans la physique classique et dans Ia physique moderne (hrsg. von Dominique Auffret [geb. 1958]), Paris: Librairie generate franr,:aise, 1990, 349 S., Nr. 4113 in der Reihe ,Le Livre de Poche (Biblio- Essais)'

Vill Le Concept, le Temps et le Discours. Introduction au Systeme du Savoir (hrsg. von Bernard Hesbois [geb. 1951]), Paris: Gallimard, 1990, 312 S., in der ,Bibliotheque de Philosophie'.

Die ,Preface' (S. 27- 36) war bereits früher als Vorabdruck erschienen in: XXIX, S. 131 - 136 d) Rezensionen von 111-a (eine Auswahl) 111-a/R-1 H. Feraud, "Un commentaire de Ia ,Phenomenologie de l'esprit de Hege!'", in La Revue internationale (Paris), 3. Jahrg., Nr. 17, 1947 111-a/R-2 Aime Patri (1904- 1983), Rezension von 111-a, in: Paru (Paris), Nr. 34, September 1947, S. 98-99

ill-a/R-3 Pierre Picon, Rezension von lll-a, in: Fontaine (Paris), 10. Jahrg., Nr. 62, Okto-

ber 1947

111-aR-4 Jean Kanapa (1924 - 1978), ,,Les interpretes de Hege!", in: La Pensee (Paris), Nr. 16, Februar 1948, S. 117- 121.

lll-a/R-5 Tran-Duc-Tao (geb. 1917), "La Phenomenologie de !'Esprit et son contenu reel", in: Les Temps modernes (Paris), 1. Jahrg., Nr. 4, 1948, S. 492-519.- Vgl. XIV 111-a/R-6 Mikel Dufrenne (geb. 1910), .,Actualite de Hege!", in: Esprit (Paris), 17. Jahrg. Nr. 9, September 1948, S. 396-408

ill-a/R-7 Jules Vuillemin (geb. 1920), Rezension von lll-a in: Revue philosophique de Ia France et de l'etranger (Paris), 140. Jahrg., 1950, S. 198-200

111-a/R-8 Georges Bataille (1897 - 1962), .,Hege!, la mort et 1e sacrifice", in: Deucalion (Paris), Nr. 5 (ein Hegel-Heft), Oktober 1955, S. 21 - 43, übernommen in G. Bataille, Oeuvres completes. Tome XII: Articles li (1950 - 1961), Paris: Gallimard, 1988, 651 S. (dort S. 326 - 345)

a

111-a/R-9 Jean Wahl (1888 - 1974), ,,A propos de l'Introduction Ia Phenomenologie de Hegel par A. Kojeve", in: Deucalion (Paris), Nr. 5 (Hegel-Heft), Oktober 1955, S. 77- 91 e) Rezension von IV Bd I

IV /R-1 Stanley Rosen (geb. 1929) in: Man and World (Pittsburg), 3. Jahrg. Nr. 1, Februar 1970, s. 120- 125 f) Briefe von und an A.K.

a

IX "Lettres Georges Bataille", in: Textures (Brüssel), Nr. 6, 1970, S. 69- 71. Die Ausgabe ist unvollständig: es fehlen X-a ein Brief von Bataille an A.K. in Denis Hollier, "Le dispositif Hegel/Nietzsche dans la bibliotheque de Bataille", in: L' Are (Aix-en-Provence), Nr. 38, 1969, S. 35-47

Zweimal Kojeve

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X-b Georges Bataille (1897- 1962), "Lettre aX[= A.K.], professeur de philosophie al'Universite de ... ". Der unvollständige Brief ist 6. Dezember 1937 datiert, wurde nicht abgeschickt, aber A.K. erhielt dennoch eine Kopie; er wurde erstmals 1944 herausgegeben in G. Bataille, Oeuvres completes. Tome V: La Somme atheologique, I, Paris: Gallimard, 1973, 583 S.; dort S. 562- 567 Von X-b gibt es eine niederländische Übersetzung in einer Übertragung von Bataille-Texten: X-b/1 Mare De Kesel (geb. 1957) (Hrsg.), De sfinx van de sociologie: George Bataille. Een politieke filosofie van het geweld. Batailles bijdragen tot het ,College voor Sociologie' (1937 - 1939), Löwen/ Amersfoort: Acco, 1994, 187 S.; dort S. 145- 148 und kopiöse Anmerkungen dazu S. 182- 186 XI "Una lettera di Kojeve su Platone", in: Quaderni di storia, Nr. 12, Juli-Dezember 1980, s. 223-237

XII "Deux Jettres inedites d' Alexandre Kojeve a Vassili Kandinsky", in: Kandinsky. Album de l'exposition, Paris: Centre Georges Pompidou, 1984, S. 64- 74

XIII "Alexandre Kojeve. Trois lettres au Pere Fessard et deux recensions inedites". in: LXXXIX, S. 507- 516; dort S. 507-509 (der erste Briefist unvollständig abgedruckt) XIV Gwendolyne Jarczyk (geb. 1927) und Pierre-Jean Labarriere (geb. 1931), ,,A Ia decouverte du fait social", in: Geneses (Paris), Nr. 2, Dezember 1990, S. 131- 137, übernommen in ihrem Buch, op. cit. [XXVII], S. 64- 68: "Correspondance entre Alexandre Kojeve et TranDuc-Thao [geb. 1917]". Daraus wird ausgiebig zitiert in I, S. 249.- Vgl. auch III-a/R-5 XV-a Victor Gourevitsch (geb. 1925) und Michael S. Roth (geb. 1957), On tyranny. Revised and Expanded Edition. lncluding the Strauss-Kojeve Correspondence, New York: The Free Press, 1991, XXII-336 S.; dort S. 221 - 336 die Korrespondenz in englischer Übersetzung.Vgl. LXXIII, LXXIV und LXXV Von diesem Buch gibt es eine nicht ganz identische französische Übersetzung: XV-b Leo Strauss (1899 - 1973), De Ia tyrannie, Paris: Gallimard, 1997, 430 S., in der ,Bibliotheque de Philosophie'; dort S. 251 - 371 : "Uo Strauss-Alexandre Kojeve. Correspondance (1932- 1965)", sowie S. 413-424 (Fußnoten) XV-c Diese Korrespondenz wird etwa im Jahre 2000 von Heinrich Meier (geb. 1953) im Originalwortlaut als Bd 5 der ,Gesammelten Schriften' Straussens (Stuttgart: Metzler) herausgegeben XVI ,,Briefwechsel zwischen Carl Schmitt und Alexandre Kojeve", in diesem Buch, S. 100124 g) Gespräche mit A.K. Es gibt im Grunde nur ein veröffentlichtes Gespräch und zwar mit XVIl-a Gilles Lapouge (geb. 1923), "Les philosophes ne m'interessent pas, je eherehe des sages", in: La Quinzaine litteraire (Paris), Nr. 53, 1.-15. Juli 1968, S. 18- 19; nachgedruckt in derselben Halbmonatsschrift, Nr. 500, 1.-15. Januar 1988, S. 2- 3. Das Gespräch ist teilweise übernommen in: XXVII, S. 98 - 101 und teilweise von Una Pfau und Jürgen Sieß (geb. 1942) ins Deutsche übertragen worden:

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Piet Tommissen

XVII-b "Hege!, das Ende der Geschichte und das Ende des philosophischen Diskurses. Gespräch mit Alexander Kojeve", in Jürgen Sieß (geh. 1942) (Hrsg.), Deutsch-französisches Jahrbuch I: Vermittler, Frankfurt a.M.: Syndikat, 1981, 225 S.; dort S. 119- 125 h) Zeugnisse

e =im ersten Teil dieses Buches nachgedruckt)

XVIII Olivier Boris Wormser (1913 - 1985), "Mon ami A1exandre Kojeve", in: XXIX,

s. 120- 121

XIX Armin Mohler (geh. 1920), "Lehre und Leere des Liberalismus", in Volker Beißrrumn (geh. 1963) und Markus Josef Klein (geh. 1962) (Hrsg.), Politische Lageanalyse. Festschrift für Hans-Joachim Amdt zum 70. Geburtstag, am 15. Januar 1993, Bruchsal: San Casciano Verlag, 1993,423 S.; dort S. 217-224 (0 ). Es handelt sich um eine stark erweiterte Fassung eines Unterteils des Artikels von A. Mohler, "Fukuyama und kein Ende", in: Critic6n (München), 20. Jahrg., Nr. 118, März-April1990, S. 89- 91; dort S. 89- 90: "Die zwei Leben von A. Kojeve" und "Hegels ,Ende der Geschichte"'. Eine 3. Fassung erschien in: Staatsbriefe (München), 2. Jahrg. Nr. 10, 1990, S. 5-9 XX Nicolaus Sambart (geh. 1923), Pariser Lehrjahre 1951 - 1954. Le~ons de Sociologie, Hamburg: Hoffmann und Campe, 1994 (3. Aufl. = 1995), 382 S.; dort S. 340- 347 ("Kojeve") e); von diesem Buch liegt ein Nachdruck vor, Frankfurt a.M.: Fischer, 1996, 466 S., Nr. 13134 in der Reihe ,Fischer-Taschenbücher' XXI Iring Fetscher (geh. 1922), Neugier und Furcht. Versuch, mein Leben zu verstehen, Hamburg: Hoffmann und Campe, 1995,480 S.; dort S. 377- 388 (0 ) XXII "Entretien avec Annie [eig. Anne-Marie] Moussa", in: I, S. 293- 300 XXIII "Entretien avec Raymond Barremars 1989", in: I, S. 416- 423 i) Aufsätze über bzw. in Sachen A.K. (eine Auswahl) * in Nachschlagewerken XXIV Christian Rache, "KOJeVE, Alexandre", S. 1442 - 1444 in Denis Huisman (geh. 1929) (Hrsg.), Dictionnaire des philosophes, Paris: P.U.F., 1984, Bd 2 (K-Z) =IX S + S. 1387 -2725 XXV Joel Roman, ,,Kojeve (Alexandre) [Alexandre Kojnevnikov]", S. 651 - 652 in Jacques Julliard (geh. 1933) und Michel Winock (geh. 1937) (Hrsg.), Dictionnaire des intellectuels fran~ais. Les personnes - Les lieux- Les moments, Paris: Eds du Seul, 1996, 1259 S. XXVI Stanley Rosen (geh. 1929), "Kojeve", in Sirnon Critchley (geh. 1960) und William R. Schroeder (Hrsg.), A Campanion to Contineotal Philosophy, Malden (Ma., U.S.A) und Oxford: Blackwell, 1998, XIII-603 S., in der Reihe ,Blackwell Campanions to Philosophy'; dort S. 237-244 *in Büchern XXVII mehrere in Gwendoline Jarczyk (geh. 1927) und Pierre-Jean Labarriere (geh. 1931) (Hrsg.), De Kojeve a Hege!. 150 ans de pensee Mgelienne en France, Paris: Albin Michel, 1996, 262 S., in der ,Bibliotheque Albin Michel- Idees'; dort S. 28- 30 ("3. Alexandre Koje-

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ve"), S. 61 - 96 ("Alexandre Kojeve, I- Reconnaissance et alterite"), 97 - 126 (,,Alexandre Kojeve, II- Fin de l'histoire"), 127 - 178 ("A1exandre Kojeve, ID- Atheisme et absolutisation du politique"). Vgl. XIV und XVIl-a - Weil aus dem Briefwechsel zwischen C.S. und A.K. kurz zitiert wird, sei auch erwähnt: XXVlli Heinrich Meier (geb. 1953), Die Lehre Carl Schrnitts. Vier Kapitel zur Unterscheidung Politischer Theologie und Politischer Philosophie, Stuttgart: Metzler, 1994, 267 S.; dort S. 33 FN 40 und FN 42, S. 105 FN 107, S. 156- 157 FN 99

* in Zeitschriften XXIX "Commentaire" (Paris), 3. Jahrg., Nr. 9, Frühling 1980, S. 116- 137:"A1exandre Kojeve, 1902- 1968" (drei Texte von A.K. [vgl. VIII], sowie die Übersetzung der Einleitung von A. Bloom [III-b/3] und das Zeugnis eines Freundes über ihn [XVIll]) - Einer besonderen Erwähnung verdienen ein Dokumentationsband und ein Aufsatz (in dem mehrere Veröffentlichungen von A.K. behandelt werden): XXX Denis Hollier (Hrsg.}, Le College de sociologie (1937- 1939), Paris: Gallimard, 1979, 599 S., Nr. 413 in der Reihe ,Idees'; dort vor allem S. 164 - 166. Von den mir nicht vorliegenden erweiterten englischen (The College of Sociology, Minneapolis: University of Minnesota Press, 1987, XXIX-458 S., Nr. 41 in der Reihe ,Theory and History of Literature'; Übersetzerin: Betsy Wing) und italienischen Übersetzungen (Bollati-Boringhieri, 1989) ist die (nochmals erweiterte) Originalfassung erst später erschienen, Paris: Gallimard, 1995, 911 S., Nr. 268 in der Reihe ,Folio - Essais' XXXI Patrick Riley, "lntroduction to the Reading of Alexandre Kojeve", in: Political Theory (London}, 9. Jahrg. Nr. 1, Februar 1981, S. 5- 48 j) Bücher die sich mit Themen befassen, die im Denken A.K.s zentral stehen

*Die Hege!-Deutung - Es gibt bislang nur zwei Bücher die sich exklusiv mit jener Deutung befassen: XXXll Barry Cooper; The End of History: An Essay on Modem Hegelianism, Toronto/Buffalo/London: University ofToronto Press, 1984, VI-391 S. XXXlli Bemard Hesbois (geb. 1951), Le Livre et Ia Mort. Essai sur Kojeve, Louvain-laNeuve (Belgien): Universite Catholique- Institut Superieur de Philosophie, 1985, III-179 hektographierte S. (Doktorvater: Andre Uonard); enthält zwei Inedita (Rezensionen) von A.K. (8.151-169) - Ferner kommen in Betracht: XXXIV Gaston Fessard S.J. (1897 c 1978), "Deux interpretes de la Phinomenologie de Hegel, Jean Hyppolite etAlexandre Kojeve", in: Etudes (Paris), 255. Jahrg. Nr. 12, Dezember 1947, S. 368- 373; übernommen in LXXXVI, S. 275-279. XXXV Georges Canguilhem (1904- 1995), "Hege! en France", in: Revue d'histoire et de philosophie religieuses (Straßburg), 28.-29. Jahrg. Nr. 4, 1948 - 49, S. 282 - 297; gekürzt nachgedruckt in: Magazine litteraire (Paris), Nr. 293 (ein Hegel-Heft}, November 1991, S. 2629 2 Schmittiana VI

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XXXVI Iring Fetscher (geb. 1922), "Hege! in Frankreich", in: Antares (Mainz), 1. Jahrg. Nr. 3, Februar 1953, S. 3 - 15; dort S. 7 - 12 XXXVII lring Fetscher (geb. 1922), "Der Marxismus im Spiegel der französischen Philosophie", S. 173 - 213 in: Marxismus-Studien, Tübingen: Mohr, 1954, 243 S.; dort vor allem S. 183- 190: "a) Kojeves existenzialistisch-marxistische Hegelinterpretation".- Vgl. XC XXXVIII Jean-Toussaint Desanti (geb. 1914), "Regel est-il le pere de l'existentialisme?", in: La Nouvelle Critique (Paris), 61. Jahrg. Nr. 56 und 57, Mai-Juni bzw. Juli-August 1954, S. 91 - 109 bzw. 163 - 187 XXXIX Georges Bataille (1897 - 1962), "Hege!, l'homme et l'histoire", in: Monde Nouveau/Paru (Paris), 11. Jahrg., Nr. 96 und 97, Januar bzw. Februar 1956, S. 21 - 33 bzw. 1 14. Übernommen in G. Bataille, Oeuvres completes. Tome XII: Articles II (1950 - 1961), Paris: Gallimard, 1988, 651 S.; dort S. 349- 369 XL Aime Patri (1904- 1983), "Dialectique du Maitre et de l'Esclave", in: Le Contrat social (Paris), 5. Jahrg. Nr. 4, Juli-August 1961, S. 231- 235 XLI Reinhart Klemens Maurer (geb. 1935), Hege! und das Ende der Geschichte. Interpretationen zur ,Phänomenologie des Geistes', Stuttgart: Kohlhammer, 1964, 176 S.; dort S. 139156: ,,Auseinandersetzung mit Kojeve" XLII H. Krumpel, Zur Moralphilosophie Hegels, Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1972, 111 S.; dort S. 96- 103: "Über den Sinn des Lebens und des Todes (Zu Alexandre Kojeves Hegelinterpretation)" XLill Mark Poster, "The Hege! Renaissance", in: Telos (St. Louis, Mo., USA), Nr. 16, Sommer 1973, S. 109- 127; dort vor allem S. 111 - 116: "Kojeve: FromMastersand Slaves to Free Workers" XLIV Günter Rohrmaser (geb. 1927), Marxismus und Menschlichkeit, Freiburg i.Br.: Herder, 1974, 143 S., Nr. 436 in der ,Herderbücherei ';dort S. 67- 72: ,,Alexandre Kojeve" XLV Joseph Juszezak (geb. 1947), L'anthropologie de Hege! atravers Ia pensee moderne. Marx, Nietzsche, A. Kojeve, E. Weil, Paris: Eds Anthropos, 1977, 262 S. XLVI Gwendoline Jarczyk (geb. 1927) und Pierre-Jean Labarriere (geb. 1931), "Maitre/Valet chez Hege!: alternative aIa lecture kojevienne", in: Le Cahier du ,College international de philosophie' (Paris), Nr. 1, 1984- 95, S. 108- 110 XLVIl-a Mark Lilla, .,The End of Philosophy. How a Russian emigre brought Hege! to the French", in: Times Literary Supplement (London), Nr. 4592,5. Aprill991, S. 3-5 Davon gibt es eine von Hans-Horst Henschen gefertigte deutsche Übersetzung: XLVII-b .,Das Ende der Philosophie. Hege1s Eingemeindung in Frankreich durch einen russischen Emigranten", in: Merkur (Stuttgart), 46. Jahrg. Nr. 1, Januar 1992, S. 17- 27 -In mehreren Büchern wird auf jene Deutung eingegangen, z. B. in XLVlil-a Vincent Descombes (geb. 1943), Le Meme et 1' Autre. Quarante-cinq ans de philosophie fran~aise 1933- 1978, Paris: Eds de Minuit, (1979) 1993, 224 S., in der Reihe ,Critique'; dort S. 21 - 63: .,L'humanisation du neant (Kojeve)" Von diesem Buch liegt eine deutsche Übersetzung von U. Raulffvor:

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XLVill-b DasSelbe und das Andere. Fünfundvierzig Jahre Philosophie in Frankreich 1933 - 1978, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1981, 225 S., Nr. 346 in der Reihe ,Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft' XLIX Michael S. Roth (geb. 1957), Knowing and History. Appropriations ofHegel in Twentieth-Century France, Ithaca/London: Cornell University Press, 1988, XVII-264 S.; dort S. 81- 146 (,,Part Two. After the End: Alexandre Kojeve"). - Vgl. II L Jean-Michel Besnier (geb. 1950), La politique de I' impossible. L'intellectuel entre revolte et engagement, Paris: La Decouverte, 1988, 240 S., in der Reihe ,Armillaire'; dort S. 39- 88 LI Daniel Lindenberg (1940), Les annees souterraines 1937 - 1947, Paris: La Decouverte, 1990, 409 S., in der Reihe ,Textes a l'appui' - Es gibt auch Aufsätze zu diesem Thema, u. a. LII Günter Rohrmaser (geb. 1927), .,Stillstand der Dialektik. Grundpositionen expliziter und impliziter Marxismuskritik", in: Marxiusmusstudien (Tübingen), 5. Folge= 1968, S. 1 - 84; dort S. 58 - 64: .,Alexandre Kojeve" LIII-a Jean-Luc Pinard-Legry (geb. 1947), .,Kojeve, lecteur de Hege!", in: Raison presente (Paris), Nr. 68 (Themaheft: ,,Figures de mediateurs"), 4. Quarta11983, S. 57- 67 Von diesem mir nicht zur Verfügung gestehenden Aufsatz gibt es eine von Una Pfau und Jürgen Sieß (geb. 1942) gefertigte deutsche Übersetzung: LIII-b ,,Alexandre Kojeve. Zur französischen Regel-Rezeption", in Jürgen Sieß (geb. 1942) (Hrsg.), Deutsch-französisches Jahrbuch I: Vermittler, Frankfurt a.M.: Syndikat, 1981, 225 S.; dortS. 105- 117 LIV Dennis J. Goldford, .,Kojeve's Reading of Regel", in: International Philosophical Quarterly, 22. Jahrg. Nr. 4, 1982, S. 275 - 294 LV S. F. Baekers, ,,Negativiteit en dood bij Regel", in: Hollands Maandblad (Haag), 29. Jahrg., Nr. 476-477, Juli-August 1987, S. 32- 41; dort S. 37-40: .,3. Eindigheid en dood als spil van de heer-knecht-verhouding. De interpretatie van A. Kojeve" LVI Henning Ritter (geb. 1943), ,,Mehr wert- Marx, endlich richtig verstanden?", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 212 vom 12. September 1990, S. N 3 LVII Pierre Macherey (geb. 1938), .,Kojeve l'initiateur", in: Magazine litteraire (Paris), Nr. 293 (eiil Regel-Heft), November 1991, S. 51-54

* Das Ende der Geschichte -In einigen Büchern ist davon die Rede, z. B. in LVIII Lutz Niethammer (geb. 1939), Posthistoire. Ist die Geschichte zu Ende?, Reinbek-beiHamburg: Rowohlt, 1989, 190 S., Nr. 504 in der Reihe ,Rowohlts Enzyklopädie'; dort vor allem S. 74 - 83 LIX-a Francis Fukuyama (geb. 1952), The End of History and The Last Man, New York: The Free Press+ London: Harnilton, 1992, 418 S.; dort öfters Von diesem Buch gibt es eine französische und eine deutsche Übersetzung: LIX-b (von Denis-Arrnand Canal) La finde l'histoire et le dernier homme, Paris: Aammarion, 1992, 452 S. 2*

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LIX-c (von Helmut Dierlamm, Ute von Mihr und Karlheinz Dürr) Das Ende der Geschichte. Wo stehen wir?, München: Kindler, 1992,510 S. LX Martin Meyer (geb. 1951), Ende der Geschichte?, München: Hanser, 1993, 241 S., in der Reihe ,Akzente'; dort vor allem S. 63 - 127: "Il. Ironischer Messianismus: Alexandre Kojeve" - V gl. auch LXVII LXI Otto Pöggeler (geb. 1928), Ein Ende der Geschichte? Von Hege! zu Fukuyama, Opladen: Westdeutscher Verlag, 1995, 38 S., Nr. G 332 in der Reihe ,Vorträge der NordrheinWestfälischen Akademie der Wissenschaften'; dort vor allem S. 14 - 24: "3. Kojeves Kontext" - Es gibt auch Aufsätze die sich ganz oder teilweise mit diesem Thema befassen, u. a. LXII Michael S. Roth (geb. 1957), ,,A Problem of Recognition: A1exandre Kojeve and the End ofHistory", in: History and Theory (London), 24. Jahrg. Nr. 3, 1985, S. 293- 306 LXIII Michel Surya, "La finde l'histoire: une bouffonnerie", in: Lignes (Paris), Nr. 8, Dezember 1989, S. 54- 73; dort S. 68- 73: "Alexandre Kojeve. Par parenthese" LXIV Theo W.A. de Wit (geb. 1953), "Het ,Hegel'-effect'. de revolte tegen het einde van de geschiedenis", in Bert van Stokkom (geb. 1953) (Hrsg.), Voorbij de ideologie? Zingeving en politiek na Fukuyama's ,Einde van de geschiedenis', Baarn (Niederlande): Gooi en Sticht, 1991, 235 S.; dort vor allem S. 48- 52: "2. Alexandre Kojeve: de universele wereldstaat" LXV Günter Rohrmaser (geb. 1927), "Der Zusammenbruch des Sozialismus, das Ende der Geschichte und Kojeves Thesen", in: Critic6n (München), 21. Jahrg., Nr. 128, November-Dezember 1991, S. 299- 303 LXVI Hajo Schmidt, "Hege!, Kojeve und die politische Funktionalisierung von Geschichtsphilosophie. Zu Francis Fukuyamas ,Das Ende der Geschichte?'" in Ulrike Wassmuth und Tordis Batscheider (Hrsg.), Ist Wissen Macht? Zur aktuellen Funktion von Friedensforschung, Baden-Baden: Nomos, 1992, 320 S., Nr. 19 in der ,Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung.V (AFK)'; dort S. 113- 126 LXVII Daniel Brühlmeier, "Vorgeschichte und Grundlagen zum Ende der Geschichte. Ein geschichtsphilosophischer Beitrag von Martin Meyer", in: Schweizer Monatshefte (Basel), Jahrg. 1993 Nr. 9, S. 851 - 855- Vgl. auch LX

* Die rechtsphilosophischen Ansichten - VI ist ausgezeichnet analysiert bzw. zusammengefaßt von LXVIII Jeanne-Pierre Labarriere (geb. 1932) in Fran~ois Chiitelet (1925 - 1985), Olivier Duhamel und Eve1yne Pisier, Dictionnaire des oeuvres politiques, Paris: P.U.F., (1986) 1989, s. 499-502 sowie von Bemard Hesbois (geb. 1951) in: XXXlll, S. 132- 137 FN 35 LXIX Michael S. Roth (geb. 1957), ,,A Note on Kojeve's Phenomenology of Right", in: Political Theory, 11. Jahrg. Nr. 3, August 1983, S. 447- 450 LXX Angelo Costanzo, "Umanizzazione e giustizia nella fenomenologia del diritto di Kojeve", in: Rivista intemazionale di filosofia del diritto (Mailand), 4. Serie Nr. 68, 1991, S. 116129

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Vorzüglich ist das Referat von LXXI Fran~ois Terre (geb. 1930), ,,Alexandre Kojeve, philosophe du droit", in: Revue des Seiences moraleset politiques (Paris), 147. Jahrg. Nr. 3, 1992, S. 387-405 (Text) und S. 405 - 407 (Diskussion)

* Praktische Probleme M. E. kommt nur A.K.s posthum veröffentlichtes Memorandum über die französische Nachkriegspolitik in Betracht: LXXll-a "La Regle du jeu" (Paris), 1. Jahrg. Nr. 1, Mai 1990, S. 82 - 143: "Autour d'un inedit de Kojeve" (ein einführender Aufsatz, der leicht gekürzte Text des Memorandums und dazu Überlegungen von vier Autoren); der zweite Teil einer dieser vier Beiträge ist von Helmut Kohlenherger ins Deutsche übertragen worden: LXXII-b Josep Ramoneda, "Kojeves ,Reich' heute", in: Tumult. Schriften zur Verkehrswissenschaft (Wien), 1991, S. 123- 126.

* A.K.s Diskussion mit Strauss (vgl. XV-a) LXXIII Victor Gourevitch (geb. 1925), "Philosophy and Politics", in: Review of Metaphysics, 22. Jahrg., 1968, S. 58- 84 und 281 - 328 LXXIV Stanley Rosen (geb. 1929), Hermeneulies as Politics, Oxford: University Press, 1987, 213 S.; dort S. 87- 140 LXXV Robert B. Pippin (geb. 1948), "Being, Time and Politics: The Strauss-Kojeve Debate", in: History and Theory (Middletown, Conn.- U.S.A.), 32. Jahrg. Nr. 2, 1993, S. 138161

B. Literatur über Mitglieder des Kojeve-Seminars - Raymond Aron (1905- 1983) LXXVl-a Raymond Aron (1905 - 1983), Memoires, Paris: Julliard, 1983, 778 S.; dort vor allem S. 94-100 Das Buch wurde in mehreren Sprachen übersetzt, u. a. ins Englische: LXXVI-b (von G. Holach mit einer Einführung von Henry Alfred Kissinger [geb. 1923]) Memoirs. Fifty Years of Political Reflection, New York/London: Holmesand Meier, 1989, 509 s. und gekürzt ins Deutsche: LXXVI-c (von Kurt Sontheimer [geb. 1928]) Erkenntnis und Verantwortung. Lebenserinnerungen, München: Piper, 1985, 511 S. (es fehlen die A.K. betreffenden S.) Nützlich ist die Bibliographie von LXXVII Nicolas Baverez (geb. 1961), Raymond Aron. Un moraliste au temps des ideologies, Paris: Flammarion, 1993, 542 S.; dort vor allem S. 112- 116 - Georges Bataille (1897- 1962)

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Es gibt zwei vorzügliche Biographien:

LXXVlll Michel Surya, Georges Bataille. La mort 1987, 563 S.; dort öfters

a l'oeuvre,

Paris: Librairie Seguier,

LXXIX Bernd Mattheus (geb. 1953), Georges Bataille. Eine Thanatographie, München: Matthes & Seitz, 3 Bde = 1984 ("Chronik 1897 - 1939"), 1988 ("Chronik 1940- 1951"), 1997 ("Chronik 1952- 1956"), 464, 399 bzw. 456 S., Nr. 20, 32 bzw. 56 in der Reihe ,Batterien'; in jedem Band öfters Aus der sonstigen Literatur, vgl. u. a.

LXXX Raymond Queneau (1903 - 1976), "Premieres confrontations avec Hege!", in: Critique (Paris), 15. Jahrg., Nr. 195- 196 (ein Bataille-Heft), August-September 1963, S. 694700 LXXXI Jean-Michel Besnier (geb. 1950), "Un disciple de Kojeve tres turbulent", in: Magazine litteraire (Paris), Nr. 243 (ein Bataille-Heft), Juni 1987, S. 42-43 LXXXII Jean-Michel Heimonet, Negativite et communication, Paris: Place, 1990, 111 S., in der Reihe ,Surfaces'; dort vor allem S. 25 - 28: ,,Partie li- Bataille et Kojeve: Ia revolte contre l' histoire et 1' ecriture sacrificielle" LXXXIII Laurens ten Kate (geb. 1958), De lege plaats. Revoltes tegen het instrumentele leven in Bataille's atheologie. Een studie over ervaring, gemeenschap en sacraliteit in ,De innerlijke ervaring' (Utrechter Dissertation), Karopen (Niederlande): Kok Agora, 1994, Xll641 S.; dort vor allem S. 27- 32 - Andre Breton ( 1896 - 1966) Erwähnenswert ist

LXXXIV Elizabeth Roudinesco, ,,Avec Clerambault, Kojeve et Breton", in: Le Nouvel Observateur (Paris), den 19. September 1981, S. 90 · - Roger Caillois (1913- 1978) Es gibt eine detaillierte Biographie von

LXXXV Odile Felgine, Roger Caillois. Biographie, Paris: Stock, 1994,468 S. - Gaston Fessard S,J. (1897- 1978) Wichtig sind seine Bücher:

LXXXVI Hege!, Je christianisme et l'histoire (zusammengestellt und hrsg. von Michel Sales S.I. [geb. 1939], Paris: P.U.F., 1990, 320 S., in der Reihe ,Theologiques'; dort u. a. S. 113 116, 261 - 268 ("G. Fessard critique d' Alexandre Kojeve. Notes preparatoires a une intervention dans Ia derniere seance du seminaire des Hautes Etudes sur Ia ,Phenomenologie de !'Esprit' (mai 1939)"), 269- 270 (,,Note sur !es listes des participants au seminaire d' Alexandre Kojeve sur Ia ,Phenomenologie de !'Esprit"'), 275- 279 (Nachdruck von XXXIV) LXXXVII Le mystere de Ia societe. Recherehes sur le sens de l'histoire (zusammengestellt und hrsg. von MichelSales S.J. [geb. 1939]), Brüssel: Culture et verite, 1997, 650 S., Nr. 18 in der Reihe ,Ouvertures'; dort vor allem S. 41 - 44 und 216-217 Wichtige Analysen und Unterlagen findet man in:

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LXXXVIII Nguyen-Hong-Giao, Le Verbe dans l'histoire. La philosophie de l'Historicite du P. Gaston Fessard, Paris: Beauchesne, 1974,427 S., Nr. 17 in der ,Bibliotheque des Archives de Philosophie' LXXXIX Henri de Lubac S.J. (1896- 1991), Marie Rougier und MichelSales S.J. (geb. 1939) (mit einer Einleitung von Xavier 1illiette S.J. [geb. 1921]) (Hrsg.), Gabfiel Mareeil Gaston Fessard. Correspondance (1934 - 1971), Paris: Beauchesne, 1985, 523 S., Nr. 45 in der ,Bibliotheque des Archives de Philosophie'; dort vor allem S. 83- 85 und 507- 516. Das Personenregister zu diesem Brietband wurde zusammengestellt von M. Sales und separat hrsg. vom Freundeskreis Gabriel Marcel, Index des noms de personnes, 1995, 19 S. - Vgl. XIII Nützlich sind ferner XC in: XXXVß, S. 202- 210: "c) Die konstruktive Marxismuskritik des Paters Fessard" - Jacques Lacan (1901 - 11981) Es liegt eine gründliche Biographie vor: XCI Elisabeth Roudinesco, Jacques Lacan. Esquisse d'une vie, histoire d'un systeme de pensee, Paris: Fayard, 1993, 723 S.; dort vor allem S. 139- 150 Vgl. außerdem: XCß Pierre Macherey (geb. 1938), ,,Lacan avec Kojeve, philosophie et psychanalyse", in v.a., Lacan avec !es philosophes, Paris: Michel, 1991, S. 315- 321 - Robert MarjoliD (1911 - 1986) XCiß Le travail d'une vie. Memoires 1911 - 1986, Paris: Laffont, 1986,445 S., in der Reihe ,Notre epoque'; dort S. 57- 58 und 118 - Raymond Polin (geb. 1910)

XCIV v.a., Remise aM. Raymond Polin de son epee d'Academicien, Paris: Sorbonne, 1983, 40 S.; dort S. 33 - 34

- Raymond Queneau (1903- 1976) Wichtig ist der Aufsatz von XCV Pierre Macherey (geb. 1938), "Queneau scribe et lecteur de Kojeve", in: Europe (Paris), Nr. 650- 651, Juni-Juli 1983, S. 82- 91. Davon gibt es eine überarbeitete Fassung in seinem Sammelband: A quoi pense Ia linerature? Exercices de philosophie litteraire, Paris: P.U.F., 1990, 253 S., in der Reihe ,Pratiques theoriques'; dort S. 53- 73: "Divagations hegeliennes de Raymond Queneau" und erwähnenswert XCVI Charles Keffer, "Rencontre avec Raymond Queneau", in: Romance notes (Chapel Hill, Ca., U.S.A.), 61. Jahrg. Nr. 1, Herbst 1974, S. 33- 37 - Jean Wahl (1888- 1974) Vgl. Iß-a/R-9 und ferner XCVß Tableau de Ia philosophie Reihe ,ldees'; dort S. 170- 174

fran~aise,

Paris: Gallimard, 1962, 179 S., Nr. 16 in der

1. Abschnitt

Kojeve in deutscher Sicht A. Rechtfertigung Als ich mich anschickte, den Briefwechsel zwischen C.S. und A.K. druckreif zu machen, kam mir schnell zum Bewußsein, daß ich um ein einführendes Kapitel über A.K. nicht umhin konnte. Denn während die deutsche (und ausländische) Literatur über und in Sachen C.S. ununterbrochen anschwellt und nicht nur Juristen fesselt und anregt, so daß getrost behauptet werden darf, daß der umstrittene Gelehrte vielen Intellektuellen ein Begriff ist, bleibt A.K. in Deutschland noch immer eine unbekannte Größe, unbeschadet einzelner Versuche, ihm und seinem Denken in Deutschland zu Resonanz zu verhelfen 1, und ungeachtet des von Fukuyamas Buch hierzulande in Zeitungen und Zeitschriften verursachten Lärms 2 •3 .

I a) Vgl. vor allem 111-b/1 und LVI. b) Auch gibt es in einigen Büchern interessante Hinweise, z. B. in (a) Norbert W. Bolz (geb. 1953; vgl. S. 95 FN 75), Eine kurze Geschichte des Scheins, München: Fink, 1991, 138 S. (dort S. 84- 85 über A.K.s These vom Ende der Geschichte); (b) Ernst Nolte (geb. 1923), Geschichtsdenken im 20. Jahrhundert, Berlin: Propyläen, 1991, 680 S. (dort u. a. S. 532); (c) Rainer Rotermundt (geb. 1948), Jedes Ende ist ein Anfang. Auffassungen vom Ende der Geschichte, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1994, VIII-177 S.; dort S. 161 FN 1 (wohl aus zweiter Hand - mutmaßliche Quelle: LX-, denn Kojeves Buch fehlt in der Bibliographie). 2 Der amerikanische Spitzenfunktionär japanischer Abstammung Francis Fukuyama (geb. 1952) veröffentlichte zunächst einen Aufsatz, der auf einem Vortrag im damals von den Professoren Nathan Tan:ov und Allan Bloom [S. 116 Brf FN 1 Punkt b)] geleiteten ,Olin Center' der Universität Chicago beruhte und wie eine Bombe einschlug: "The End of History?", in: The National Interest (Washington), Nr. 16, Sommer 1989, S. 3 - 18. Er wurde von vielen Zeitschriften übernommen, z. B.in Deutschland in: Europäische Rundschau, 17. Jahrg. Nr. 4, 1989, S. 3 - 25. Obzwar er seinen Kritikern sofort gehörigen Bescheid gab ("A Reply to My Critics", in: The National Interest, Nr. 18, Winter 1989, S. 21 - 28), hat die Kritik ihn wohl dazu veranlaßt, sein Thema zu einem Buch auszuführen (LIX-a), das ebenfalls in vielen Sprachen übersetzt wurde, mit einiger Verspätung auch ins Deutsche (LIX-c): eine gute Zusammenfassung schrieb A. Mohler [S. 46], "Fukuyama endlich in Deutschland angekommen", in: Critic6n (München), 22. Jahrg., Nr. 130, März-Aprill992, S. 74 (vgl. auch XIX). 3 Auch in Frankreich trat A.K. in den Hintergrund; vgl. R. Aron, op. cit. [LXXVI-a], S. 98: "Übrigens sind sie [sc. die posthum herausgegebenen Bücher A.K.s] weder kommentiert noch gelesen worden. Es erübrigt mir jetzt noch diese Bücher zu empfehlen . . .". Seit kurzem macht sich jedoch eine positive Wandlung bemerkbar.

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Da zum besseren Verständnis der besagten Korrespondenz eine biographische Skizze vonnöten war, habe ich zunächst mit dem Gedanken gespielt, die von Dominique Auffret (geb. 1958) [I] vorgelegte Monographie zu resümieren. Das Pro und das Kontra gegeneinander abwägend, gelangte ich jedoch zu der Schlußfolgerung, daß es sicherlich die bequemste, jedoch nicht die richtige Lösung des Problems war: die wirklich interessierten Leser können Auffrets opus magnum sowieso zu Rate ziehen! Daraufhin habe ich mich dazu entschlossen, die von fünf deutschen Gesprächspartnern A.K.s dem Papier anvertrauten Erinnerungen abzudrucken. Zu meiner großen Überraschung stellte sich dabei heraus, daß diese Texte sich eher ergänzen als wiederholen. Über das berühmte Regel-Seminar A.K.s findet der geneigte Leser übrigens Auskunft in der Einführung zum zweiten, d. h. zu dem Korrespondenzteil in diesem Buch (S. 78 - 79t Allerdings wäre es verfehlt zu meinen, daß die Erinnerungen und meine Skizze unser Wissen um A.K. erschöpfen. Das hängt vor allem mit der Komplexität seines Lebens, Wirkens und Denkens zusammen, einer Tatsache, die zur Folge hat, daß noch viele biographische und andere Lücken geschlossen werden müssen. Beispielsweise müßte ein von Raymond Aron [S. 80 Punkt 2] ins Treffen geführter und von Auffret wiederholter Aspekt - A.K.s russische Herkunft5 - näher untersucht werden. Auch wäre eine Untersuchung über A.K.s Heidegger-Interpretation hocherwünscht6 . Jedes Expose wird von einer von mir gefertigten einführenden Notiz über den Verfasser eingeleitet und um Fußnoten (Quellenangabe der Zitate, Auskunft über Personen und Periodika, bibliographische Hinweise) ergänzt. Absichtlich stehen diese Fußnoten hinter dem Textteil, so daß meine Erläuterungen und Ergänzungen (die im Grunde nur dem Forscher interessieren) die Aussagen des jeweiligen Autors nicht erdrücken. Vgl. u. a. I, S. 242-252. a) Vgl. LXXVI-a, S. 96 (integral übernommen in: I, S. 255): " ... Lebte in ihm noch ein russischer Patriotismus, verborgen und rationalisiert? Ich bezweifle es nicht, obschon er ohne Zweifel das französische Vaterland freiwillig und mit tadelloser Loyalität gedient hat." - Vgl. auch I, S. 16 und 54. b) A.K.s jüdische Abstammung hat ebenfalls Spuren hinterlassen. Auffret hat zwar einige Hinweise gegeben [I, S. 226 und 255], aber eine gründliche Untersuchung dieses Aspekts bleibt ebenfalls Desiderat. 6 a) Vgl. die These von Aime Patri [S. 43 FN 22] in: XL, S. 234: "Unseres Wissens ist Herr Kojeve der erste der versucht hat .. . die Ehe zu dritt (Hegel, Marx und Heidegger), die seitdem einen großen Erfolg gekannt hat~ intellektuell und moralisch Leben einzuflößen". Er stützt sich auf "die Heilige Dreieinigkeit: Heidegger hat den Tod aber nicht die Arbeit, Marx die Arbeit aber nicht den Tod, Hege!, der endgültig recht hat, gleichzeitig Arbeit und Tod gesehen." (S. 234- 235). Dem ist hinzuzufügen, daß Bernard Hesbois (geb. 1951) aus dem Nachlaß A.K.s eine Notiz ediert hat, in der A.K. erst Hege! durch die Brille Heideggers, dann Heidegger durch die Brille Hegels liest: ,,Note inedite sur Hege! et Heidegger", in: Rue Descartes (Paris), Nr. 7, Juni 1993, S. 29- 46 (S. 29 - 34 Hesbois' Erläuterung, S. 35 - 46 die Notiz A.K.s). - Vgl. auch S. 92 FN 66 Punkt a). 4

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Zu guter Letzt möchte ich an dieser Stelle den fünf Autoren und dem Verlag Hoffmann und Campe (Hamburg) meinen aufrichtigen Dank abstatten für die problemlos gewährte Abdruckgenehmigungen.

P.T.

B. Deutsche Gesprächspartner von Alexandre Kojeve 1. Hans-Joachim Amdt Der in Magdeburg geborene Marine-Offizier Hans-Joachim Amdt (geb. 1923) immatrikulierte sich nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1948 in Tübingen, wo er das Studium in den Hauptfachern Soziologie und Nationalökonomie bei Carl Brinkmann 1 aufnahm. 1949 wechselte er über Kiel (,,Institut für Weltwirtschaft") nach Heidelberg, fand dort Aufnahme im engeren Schülerkreis um Alfred Webe?, später in dem um Alexander Rüstow3 , bei welchem er 1952 promovierte4 • Vorher (1950- 51) hatte er in den USA an der Washington University in St. Louis (Mo.), den Master of Arts in Sociology, Economics, and Political Science erworben. Nach der Promotion und einer kurzen Zeit als Hilfsassistent Alfred Webers (für seine beratende Tlitigkeit bei den deutschen Gewerkschaften) ging er für ein Jahr (1952- 53) wieder in die USA, an die Harvard University in Cambridge; dort wurde er mit bedeutenden Gelehrten bekannt5 • 1957- 58 verbrachte er noch ein akademisches Jahr an der Sorbonne in Paris, wo er gleichzeitig als Pressevertreter arbeitete, über den Untergang der Vierten und den Anfang der Fünften Republik berichtend6 . Von 1954 bis 1968 nahm Arndt in der Bundesrepublik Deutschland Tlitigkeiten in der Industrie, im Bankwesen, in der Presse und im Parteiwesen (er war z. B. wirtschaftspolitischer Referent in der Bundesleitung der FDP) wahr; zuletzt wirkte er als selbständiger Berater bei der Fort- und Weiterbildung von Führungskräften der Wirtschaft (darunter die Baden-Badener Unternehmergespräche). Obwohl er 1961 in Heidelberg sein Habil-Gesuch zurückzuziehen gezwungen war7 , erging 1968 von dort ein Ruf an ihn auf den nach dem Krieg neu eingerichteten Lehrstuhl für Politikwissenschaft. Alsbald geriet er in das Zentrum der Angriffe linksksradikaler Studenten, zumal er nie ein Hehl daraus machte, von C.S. gelernt zu haben8 • Mit Mühe konnte er in dem ein Jahrzehnt lang tobenden Barrikadenkampf in der Hochschule Ruhe und Zeit zu wissenschaftlicher Arbeit finden. Dennoch formulierte er in dieser Zeit seine Positionen unzweideutig in wichtigen Büchem9 , Artikeln 10 und Gutachten, auch zunehmend in öffentlichen Vorträgen. 1988 emeritiert, wurde ihm zum 70. Geburtstag eine Festschrift überreicht 11 • Daß ich die nachstehende Kurznotiz abdrucken kann, verdanke ich dem Verständnis des Verfassers. Alle Fußnoten stammen von mir; sie sind vom Kollegen Arndt genehmigt worden.

P.T. EINE KURZNOTIZ ÜBER KOJEVE

Als Person, als Privatmensch blieb mir A.K. weitgehend unbekannt; man weiß ja aus den bereits veröffentlichten Lebensdaten (etwa A. Mohlers Aufsätze über A.K.) 12, daß A.K. sein Privatambiente nur ganz selten Außenstehenden öffnete. So

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habe auch ich ihn (allein oder mit Dritten, darunter Jacob Taubes 13 , aber auch anderen: s.u.) nie anders als in seinen Büros, in Gaststätten oder per Telefon gesprochen. Über unsere erste Kontaktnahme bin ich mir jetzt nicht mehr so sicher, nachdem ich ein Gutachten von C.S. gelesen habe 14. Da schreibt C.S., ich hätte im Januar 1957 in Düsseldorf mit A.K. an einer sehr intensiven Erörterung über industrielle Entwicklung und Kolonialismus mitgewirkt. Ich erinnere mich, daß A.K. in Düsseldorf - meines Wissens im Rhein-Ruhr-Club (nicht identisch mit "Industrieclub") - zu einem Vortrag mit Diskussion erwartet wurde über solch Thema, das er mit ,schenkendem Kapitalismus' bezeichnete 15 . Ich habe über solch Thema mit A.K. auch gesprochen - kontrovers -, aber in meinem ziemlich lückenlos durch Jahrzehnte geführten Tagebuch kann ich so wenig über Ort und Zeit solchen Gespräches finden wie in meinen parallel geführten Terminkalendern. Vielleicht hat A.K. C.S. von solchen mit mir geführten Gesprächen berichtet? Ich weiß sicher, daß A.K.s Adresse in Paris eine der vielen war, die mir C.S. anläßlich eines Besuches bei ihm, vor meiner Abreise nach Paris 1957, als wertvolle Kontaktstelle nannte. Alle diese Adressen finden sich bis heute in meinen diesbezüglichen Terminkalender-Adreßspalten. Die meisten Personen suchte ich auf, und es war jedesmal ein höchst lohnender Kontakt, auch wenn es nur bei einem Besuch blieb; ich nenne z. B. George Schwab, Mme Amedee Ponceau, Ernst Kern, C. Almuly, Benoist-Mechin, A. Mohler (damals in Paris Journalist), R. Aron und Fran~ois Perroux 16 • Zwiegespräche mit A.K. wurden von ihm meist gesteuert auf Themenbereiche, die unser beider damaliges Berufs-Engagement umkreisten: Wirtschafts- und Währungspolitik. So erinnere ich mich anläßlich eines meiner ersten Besuche (am 6. Januar 1958), ihn extemporieren zu hören, welches Element denn im Fortschrittsgipfel des ,schenkenden Kapitalismus' noch Antreiber für das Wachstum von Sozialprodukt und Volkseinkommen sein könne: offenbar blieben als einzig letzte ,variable Kosten' diejenigen übrig, die Männer zum Gewinnen und Halten einer Frau aufbringen müßten. Von da erkläre sich z. B. das führend hohe Sozialprodukt der USA (relativ frigide und anspruchsvolle Frauen), dagegen das Nachhinken der Deutschen (die kontraproduktiv das ,Bratkartoffelverhältnis' pflegten, wo die Frau den Mann ernähre). [Heute wäre nach diesem Theorem die Bedeutung der ,Amerikanisierung' von dieser Seite her zu beleuchten.] Vom 31. Mai 1958 ist mir ein Begebnis erinnerlich, das ich damals als ,makaber' notierte: Es war die Zeit des Untergangs der Vierten Republik und der ersten Schritte von de Gaulle zur Fünften 17• A.K. äußerte den Wunsch (hatte ihn vorher geäußert), einmal mit einem deutschen Politiker zusammenzutreffen, der in Paris greifbar sei, der Binnen- und Außenwirtschaftsprobleme kenne und löse und auch im Entwicklungsländerbereich unterrichtet sei. Ich hatte damals enge Verbindung mit Walter Scheel 18 von meiner Tatigkeit für die FDP (1955 - 57) her, der oft in Paris weilte. Wir drei trafen uns zum Essen in einem Restaurant an der Seine, und

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dieses Gespräch, hauptsächlich zwischen A.K. und Scheel geführt, war es, das mich ,makaber' anmutete. Nachdem der spätere Bundespräsident sich verabschiedet hatte, erklärte A.K. nach einer Denkpause: "Ce n'est pas un politicien, c'est un intellectuel." 19 Ich unterließ es, ihn zu fragen, was er dabei unter ,Intellektueller' verstehe ... Über Carl Brinkmann (1885- 1954), vgl. Schmittiana IV, S. 150 FN 63 Punkt c). a) Alfred Weber (1868- 1958), der Bruder des bekannteren Max Weber (1864- 1920), der bereits 1909 eine ,industrielle Standortlehre' in die Ökonomie eingeführt und um 1910 den später von Kar! Mannheim (1893- 1947) übernommenen Begriff der ,freischwebenden Intelligenz' geprägt hat, gab 1935 in den Niederlanden und nach Kriegsende in Westdeutschland kultursoziologische Bücher heraus, u. a.: Prinzipien der Geschichts- und Kultursoziologie, und: Der dritte oder der vierte Mensch. Vom Sinn des geschichtlichen Daseins, beide München: Piper, 1951 bzw. 1953, 176 bzw. 275 S.; zum zweiten Buch, vgl. u. a. die kritische Würdigung von Oswald M. von Nostitz (geb. 1908), "Überwindung des Nihilismus?", in: Stimmen der Zeit (Freiburg i. Br.), 72. Jahrg. Nr. 8, Mai 1947, S. 144- 152.- Über einen Sonderaspekt, vgl. Hans J. Lietzmann (geb. 1952), "Kontinuität und Schweigen. Über die Fortwirkung Alfred Webers und seiner politischen Theorie in der westdeutschen Politikwissenschaft", S. 137- 159 in Hans G. Nutzinger (geb. 1945) (Hrsg.), Zwischen Nationalökonomie und Universalgeschichte. Alfred Webers Entwurf einer umfassenden Sozialwissenschaft in heutiger Sicht, Marburg: Metropolis-Verlag, 1995, 311 S. Vgl. vom selben Forscher (also Prof. Lietzmann), "Alfred Webers politische Soziologie", in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen (Wiesbaden), 6. Jahrg. Nr. 3 - 4, 1993, S. 205 - 167 (mit weiterführenden Literaturangaben). b) Über Webers damaligen Einfluß im allgemeinen und über seinen engeren Schülerkreis im besonderen, vgl. Dirk van Laak (geb. 1961), Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, Berlin: Akademie Verlag, 1993, 331 S.; dort S. 187- 188.- Der gemeinte Schüler-Kreis steuerte Aufsätze bei zu dem von A. Weber hrsg. Lehrbuch: Einleitung in die Soziologie, München: Piper, 1955, 526 S. (als Bd 4 der Alfred Weber-Gesamtausgabe ist eine Neuauflage erschienen, Marburg: Metropolis Verlag, 1997, 389 S.). Zu diesem Buch lieferte Arndt eine Studie, die die Quintessenz seiner unveröffentlichten Dissertation enthält: "Die Soziologie in den Vereinigten Staaten von Amerika" (S. 417 - 449); sie wurde von Rene König (1906- 1992) beanstandet in seiner Rezension des Buches in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (Köln), 8. Jahrg. Nr. I, 1956, S. 151 - 156. (dort S. 154- 155). 3 Alexander Rüstow (1885- 1963) promovierte 1908 an der Universität Erlangen (Thema: Das Paradoxon des kretischen Lügners), war im Verlagswesen und im Reichswirtschaftsministerium sowie als wirtschaftspolitischer Berater tätig, bis er 1933 emigrierte und in Istanbul einen Lehrstuhl erhielt. 1949 - 55 lehrte er in Heidelberg und gab in dieser Zeit sein opus magnum heraus: Ortsbestimmung der Gegenwart, Eine universalgeschichtliche Kulturkritik, Erlenbach-Zürich: Eugen Rentsch Verlag, 3 Bde = 1950 (360 S.), 1952 (710 S.), 1957 (728 S.) Außerdem wird er zu den Vätern des Ordo-Liberalismus gerechnet. Über ihn, vgl. Gottfried Eisermann (geb. 1918), Bedeutende Soziologen, Stuttgart: Enke, 1968, VII- 178 S., Nr. 4 in der Reihe ,Bonner Beiträge zur Soziologie'; dort S. 96- 107: "Alexander Rüstow". 4 Vgl. FN 2 Punkt b). s U.a. lernte er 1953 Jacob Taubes [S. 94] kennen; vgl. seinen Aufsatz ",Der Doktor ist ein Matrose . .. ' Zur Geschichte, Soziologie und Sozialisation sogenannter ,Querdenker von Rechts' im Deutschland von heute", S. 9 - 25 in: Ulrich Fröschle (geb. 1937), Markus Josef Klein (geb. 1962) und Michael Paulwitz (geb. 1965) (Hrsg.), Der andere Mohler. Lesebuch für einen Selbstdenker. Armin Mohler zum 75. Geburtstag, Limburg a.d. Lahn: San Casciano I

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Verlag, 1995, 331 S.; dort S. 23. Seitdem war Arndt mit Taubes, dessen erste Gattin Susan (1928 - 1969) - ihr 1969 erschienener semi-autobiographischer Roman liegt auch in deutscher Sprache vor: Scheiden tut weh, München: Matthes & Seitz, 1995, 360 S. -und ihren Kindern herzlich befreundet. 6 Vgl. FN 17. 7 H.-J. Arndt, Politik und Sachverstand im Kreditwährungswesen. Die verfassungsstaatlichen Gewalten und die Funktion von Zentralbanken, Berlin: Duncker & Humblot, 1963, 381 s. s an., "H-J. Arndt, ein ,Deichgraf' des Monopolkapitals", in: Politologenkommentar (Heidelberg), 4. Februar 1971, 12 S. In diesem ,Dokument' wurde sogar rechtswidrig ein Schreiben von C.S. in Faksimile abgedruckt, das, zusammen met vielen Akten, bei einem Einbruch in Arndts Institut für Politikwissenschaft, entfremdet worden war. 9 Das bekannteste dieser kontroversen Bücher ist: Die Besiegten von 1945.Versuch einer Politologie für Deutsche samt Würdigung der Politikwissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin: Duncker & Humblot, 1978, 426 S. Vgl. dazu D. van Laak, op. cit. [FN 2 Punkt b)], S. 104 FN 166: "sein [sc. Arndts] Gegenmodell einer lagebewußten Politikwissenschaft ist am ,konkreten Ordnungsdenken' Schmitts geschult; ..."Es sei wiederholt, daß Arndt aus seiner Sympathie für C.S. niemals ein Hehl gemacht hat; er leitete übrigens das Anfang Dezember 1988 vom Gesamtdeutschen Studentenverband (Sitz: Bonn) im Landhaus Lessingschule in Schönau (Odenwald) organisierte C.S.-Seminar, an dem 31 Interessenten teilnahmen. 10 Nur ein rezentes Beispiel: ,,Zur Hinterlassenschaft der deutschen Kriegsgeneration in den Geisteswissenschaften", in v.a. (Hrsg.), Umbruch und Wandel. Herausforderungen zur Jahrhundertwende. Festschrift für Prof. Dr. Carl Zimmerer zum 70. Geburtstag, München I Wien: Oldenbourg, 1997,776 S.; dort S. 595-612. 11 Volker Beis17Ulnn (geb. 1963) und M.J. Klein [FN 5] (Hrsg.), Politische Lageanalyse. Festschrift für Hans-Joachim Arndt zum 70. Geburtstag am 15. Januar 1993, Bruchsal: San Casciano Verlag, 1993, 423 S. 12 Vgl.XIX. 13 Vgl. FN 5. 14 a) Dem Wunsch seines Heidelberger Kollegen Carl Joachim Friedrich (1901 - 1984) entsprechend (Brief vom 16. Juni 1959) schrieb C.S. unter dem 24. Juni 1959 ein positives Gutachten über die wissenschaftliche Qualifikation Arndts. Zu der Festschrift für Friedrich hat Arndt einen Beitrag geliefert; vgl. Klaus von Beyme (geb. 1934) (Hrsg.), Theory and Politics/Theorie und Politik. Festschrift zum 70. Geburtstag für Carl Joachim Friedrich, Haag: Nijhoff, 1971, XI - 662 S. (dort S. 589 - 609: "Vernunft und Verrat. Zum Stellenwert des Treubruchs in der Politischen Theorie"). b) Über Friedrich, vgl. u. a. Hans J. Lietzmann [FN 2 Punkt a], Carl Joachim Friedrich. Ein amerikanischer Politikwissenschaftler aus Heidelberg", in Reinhard Blomert, Hans U. Eßlinger und Norbert Giovannini (Hrsg.), Heidelberger Sozial- und Staatswissenschaften. Das Institut für Sozial- und Staatswissenschaften zwischen 1918 und 1958, Marburg: Metropolis Verlag, 1997, 487 S.; dort S. 267- 290. c) Über den Einfluß C.S.s auf Friedrich, vgl. Hans J. Lietzmann [FN 2 Punkt a)], "Von der konstitutionellen zur totalitären Diktatur. Carl Joachim Friedrichs Totalitarismustheorie", S. 174- 192 in Alfons Söllner (geb. 1947) u. a. (Hrsg.), Totalitarismus. Eine Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts, Berlin: Akademie Verlag, 1997, 298 S. 15 a) Vgl. S. 136- 139. b) Über den Klub, vgl. S. 97. 16 (a) George Schwab (geb. 1931) gebührt das Verdienst, in den U.S.A. das Tabu um C.S. durchbrachen zu haben. (b) Michelle Amedee Ponceau, die Witwe des französischen Philo-

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sophen Amedee Ponceau (1884 - 1948) korrespondierte mit C.S. (c) Ernst Kern (1912 1989) war damals, wie er mir am 18. Juni 1989 schrieb, ,,Haushaltschef der OECD (= Organisation europeenne de Cooperation economique) mit festem Wohnsitz in Paris"; über den Krieg hinaus stand er mit C.S. in Verbindung. (d) Carnille Almuly lehrte an der ,Faculte des Lettres' von Alexandrien (Ägypten) und hat C.S. einen Aufsatz gewidmet: "Carl Schmitt, theoricien du decisionisme", in: L'Egypte contemporaine, 46. Jahrg. Nr. I, Januar 1955, S. 35 - 55. (e) Den Schriftsteller und Historiker des deutschen Heeres (Histoire de I' Armee allemande, Paris: Albin Michel, 1936 bzw. 1938, 2 Bde = 411 bzw. 672 S.) Jacques BenoistMechin (1901 - 1983) hat C.S. während des Krieges in Paris kennengelernt; er wurde nach Kriegsende als Kollaborateur abgeurteilt. (f) Über die Beziehungen zwischen C.S. und Fran90is Perroux (1903 - 1987), seines Zeichens Nationalökonom, vgl. Schmittiana V, S. 208 210. 17 Über diese Periode in der französischen Nachkriegsgeschichte, vgl. das informative Buch von A. Mohler [S. 46], Die Fünfte Republik. Was steht hinter de Gaulle? München: Piper, 1963, 331 S., in der Reihe ,Piper Paperback'. 18 Walter Scheel (geb. 1919) trat 1974 die Nachfolge Gustav Beinemanns (1899 - 1976) als Präsident der Bundesrepublik Deutschland an und wurde 1979 von Karl Carstens (19141992) abgelöst. Er gab u. a. einen Sammelband heraus: Die andere deutsche Frage. Kultur und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland nach dreißig Jahre, Stuttgart: Klett-Cotta, 1981, 344 S. Für biographische Einzelheiten, vgl. die (propagandistische) Broschüre von Wolfgang Wiedemeyer, Walter Scheel, Ministre des Affaires etrangeres I Republique federale d' Allemagne, Bonn: Presse- und Informationsamt der Bundesrepublik, o.J., 31 S. (gleichzeitig erschien eine englische Fassung).- Vgl. S. 97. 19 "Das ist kein Politiker, das ist ein Intellektueller."

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2. Iring Fetscher Der 1922 in Marbach am Neckar geborene Iring Fetscher hat mir die Arbeit insofern erleichtert, als er seine Lebenserinnerungen dem Papier anvertraut und das Ergebnis dieser mentalen Anstrengung als Buch veröffentlicht hat. Es überrascht keineswegs zu erfahren, daß das Ende des zweiten Weltkriegs auch in seinem Leben eine Zäsur darstellt. Denn als es 1945 mit der selbstgewählten Offizierslaufbahn aus war, entschloß Petscher sich zum Studium. Er hatte vor, wie sein am 8. Mai 1945 von einer SS-Streife erschossener Vater, Arzt zu werden, wurde aber von den Tübinger Philosophen Wilhelm Weisehedei und Romano Guardini 1 dermaßen gefesselt, daß er ab Wintersemester 1946- 47 nur noch Philosophie studierte. Zwischendurch betätigte er sich als Journalist; auch konvertierte er zum Katholizismus (September 1947). Von großer Bedeutung waren Stipendien, die es ihm ermöglichten Frankreich und seine Kultur sowie bedeutende Franzosen kennenzulernen. Entscheidend für seine zweite Karriere war jedoch die Tatsache, daß er vom Psychologen und Pädagogen Eduard Sprange? gefördert wurde; er war eine Zeitlang sein Assistent, promovierte 1950 unter seiner Ägide und sogar seine Habilitation (1960)3 wurde sozusagen aus der Distanz von Spranger begleitet. Petscher entpuppte sich als ein eminenter Marx- und ein profunder Hegel-Kenner, so daß es nicht Wunder nimmt, daß er die Folgen 2 bis 5 der wichtigen ,,Marxismusstudien" 1957- 68 herausgegeben hat4 . Am 13. November 1959 hielt er in Tübingen seine Antrittsvorlesung; ab 1963 bekleidete er in Frankfurt a.M. den neugeschaffenen Lehrstuhl für Politikwissenschaft, den er bis zur Emeritierung (1988) innehatte. Petscher hat mehrere Bücher geschrieben5 , viele Aufsätze abgefaßt, die er gerne in Sammelbänden übernahm6, Dokumentarbände ediert7 und u. a. das opus magnum von A.K. teilweise ins Deutsche übertragen (111-b/1). Aus seiner sozialdemokratischen Überzeugung hat er keinen Hehl gemacht, allerdings später für eine ökologischen Gesellschaft plädiert, d. h. sich zu einer jenseits des liberalen und des sozialistischen Fortschrittsglaubens beheimateten qualitativen Fortschrittsidee bekannt, "für welche die Schaffung humaner Lebensbedingungen das maßgebliche Kriterium sein soll."8 Immer wieder hat Petscher sich mit der Friedens-, inklusive der Terrorismusproblematik9 befaßt und vor dem sog. Rechtsradikalismus gewarnt. Auch hat er sich mit dem konservativen Denken auseinandergesetzt; das im März 1982, anläßlich seines 60. Geburtstags stattgefundene Symposium stand nicht von ungefahr im Zeichen dieser Thematik 10. Dirk van Laak hat seinerseits darauf hingewiesen, daß der Frankfurter Ordinarius bereits 1960 "ein Seminar über Schmitt" veranstaltete und, daß einige seiner besten Schüler sich mit C.S. befaßt haben11. Daß ich die nachstehenden Erinnerungen an A.K. nachdrucken darf, verdanke ich dem Verständnis des Kollegen Petscher sowie der Großzügigkeit seines Verlegers. Sie enthalten zwei oder drei geringfügige Irrtümer, weil Petscher die Biographie A.K.s (I) noch nicht vorlag; ich habe sie in den Fußnoten berichtigt. Sämtliche Fußnoten stammen übrigens von mir, aber sie sind freilich vom Verfasser genehmigt worden.

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ALEXANDRE KOJEVE - STALINS HEGEL? Quelle: Iring Fetscher, Neugier und Furcht. Versuch, mein Leben zu verstehen.Hamburg: Hoffmann und Campe, 1995,480 S.; dort S. 377- 388.

Alexandre Kojeve- Stalins Hege/?

[377]

Irgendwann während der letzten Wochen meines Aufenthalts in Frankreich lernte ich Alexandre Kojeve kennen. Vermutlich hatte mich Lucien Goldmann 12 auf dessen Buch- Nachschriften seiner Vorlesungen an der ,,Ecole des Hautes Etudes" in Paris - aufmerksam gemacht: Es handle sich um eine ungemein eigenwillige und geradezu sensationelle Hegel-Interpretation, die ich natürlich kennen müsse, wenn ich über Hegels Lehre vom Menschen arbeite. Kojeve - eigentlich Kojewnikow -, 1902 in Moskau geboren, war mit seinen Eltern vor der Oktoberrevolution in den Westen geflohen 13 • Er hatte in Heidelberg bei Karl Jaspers promoviert, war aber, erneut von politischer Verfolgung bedroht, nach Frankreich gegangen14 und hatte dort Hegel-Vorlesungen gehalten, die sein Freund Alexandre Koyre ihm vermittelt hatte. Zu seinen Hörern gehörten zahlreiche junge Franzosen, die später berühmt werden sollten- unter ihnen Merleau-Ponty, Pater Gaston Fessard SJ, der Schriftsteller Raymond Queneau und Raymond Aronl 15 . 1947, also kurz bevor ich nach Paris kam, erschien bei Gallimard der Band - teils, wie gesagt, Vorlesungsnachschriften, teils auch Zusammenfassungen von Kojeve selbst. Zu einer vollständigen Neufassung seiner Vorlesungen hatte der Autor sich nicht bereitgefunden. Inzwischen war er einer der führenden Finanzwissenschaftler beim "Secretariat d'Etat aux Affaires Economiques", später beim "Comite Interrninisteriel pour les Questions de Cooperation Economique Europeenne (OEEC, ab 1961 OECD). Dabei hatte er nicht aufgehört, sich mit Philosophie zu beschäftigen, und publizierte ab und zu einen philosophischen Artikel. Nach seinem Tode sind noch eine ganze Reihe philosophischer Arbeiten von ihm veröffentlicht worden, vor allem- in seinem Todesjahr 1968- ein "Essai d'une histoire raisonnee de la philosophie paienne 16". In der englischsprachigen Welt wurde er berühmt durch seine [378] Auseinandersetzung mit Leo Strauß um die richtige Interpretation des Dialogs von Xenophon über den Tyrannen Hieron von Syrakus. 17 Ich traf Kojeve - wie in Paris üblich - in einem Cafe. Sofort entspann sich ein intensives Gespräch, das vor allem Kojeve führte. Er wollte mich offenbar sogleich von seiner Deutung der historischen Situation überzeugen und war froh, in mir einen "Hegelianer" - so nahm er wohl an - zu finden, zumindest aber einen, der die gleiche Sprache sprach wie er. Es ging - wie in seiner Vorlesung - um die Phänomenologie des Geistes, die Hege! unter dem Donner der Geschütze der Schlacht bei Jena und Auerstädt 1806 abgeschlossen haben soll. Hegel war für Kojeve "das Selbstbewußtsein Napoleons". Wie jedes welthistorische Individuum hatte Napoleon gar nicht gewußt, was seine historische Mission war. Nach Hege! 3 Schmittiana VI

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hat aber jede wahre Philosophie ,,ihre Zeit in Gedanken gefaßt". Wenn Regel seine Zeit in Gedanken faßte, dann faßte er die napoleonische Zeit in Gedanken, brachte sie auf ihren- Napoleon unbekannten- Begriff. Das gleiche aber, so erfuhr ich bald darauf, müsse man jetzt mit dem führenden Politiker der Gegenwart tun. Unsere Zeit sei die eines großen -noch nicht definitiv entschiedenen - Weltbürgerkrieges. Über diesen Punkt war sich Kojeve, der - was ich damals noch nicht wußte- intensiv mit Carl Schmitt korrespondiert hatte 18, mit Schmitt durchaus einig19. Die beiden Kontrahenten bis 1945 -die Bolschewiki und die Demokraten auf der einen Seite, die Faschisten auf der anderen - waren inzwischen durch die sowjetische Welt und die kapitalistische Welt des Westens ersetzt worden, aber noch immer war es ein "Weltbürgerkrieg". In philosophischen Termini ging es um zwei Varianten des Hegelianismus: um Links-Hegelianer (im Osten) und RechtsHegelianer (im Westen). Die radikalen Rechts-Hegelianer - die Nazis (Kojeve dachte wohl eher an die italienischen Faschisten, die ja in der Tat zum großen Teil Hegelianer waren) 20 - schienen 1945 besiegt worden zu sein, doch das Schicksal der anderen Rechts-Hegelianer war damit noch nicht entschieden. Was immer aber die Zukunft bringen würde, so oder so - Regel würde das "Ende" ganz richtig vorausgesehen haben: Kommen mußte der universale Weltstaat, in dem alle durch alle anerkannt sind. Napoleons Weltreich war ein erster, wenn auch gescheiterter [379] Anlauf zu diesem welthistorischen Ziel, aber - im Prinzip - war seither nichts Neues mehr hinzugekommen. Kojeve hatte- 1945 - Stalin interpretiert, ihm das fehlende welthistorische Bewußtsein, nämlich das seine, hinzugefügt, wie Regel dasjenige Napoleons, aber inzwischen war die Partie wieder offen: Vielleicht würde doch der demokratische Rechts-Hegelianismus siegen. Als ich andeutete, daß mir diese Deutung doch etwas zu kühn erscheine, weil sie die Rolle der demokratischen Westmächte und der faschistischen Achsenmächte nicht deutlich genug unterscheide und es wohl nicht gleichgültig sei, welche Version des "Hegelianismus" siege, antwortete Kojeve mit dem, was er ,,L'argument de Jeanne d' Are" nannte?' Als Jeanne d' Are für die Einheit des französischen Staates unter dessen König kämpfte, war das Ende des Feudalzeitalters gekommen. Die modernen Produktions- oder vielmehr Destruktionsmittel - Kanonen und andere schwere Waffen konnten von den isolierten Feudalherren nicht aufgebracht werden. Sie verlangten größere, wirtschaftlich stärkere Einheiten, wie sie in England schon entstanden waren. In dieser Lage gab es im Prinzip zwei Möglichkeiten, sich dieser Herausforderung zu stellen: Entweder konnten sich die französischen Feudalherren zu einer politisch festgefügten Gemeinschaft - einer Art Feudalherren-Genossenschaft, die schwere Waffen besitzt - zusammenschließen, oder sie mußten sich einem über sie herrschenden König unterwerfen. Der König hat in dieser Lage Frankreichs den Sieg davongetragen, und Jeanne d' Are als Vorkämpferin der Monarchie wurde nachdem sie von den britischen Feinden verhaftet, verurteilt und hingerichtet wor-

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den war- zur Nationalheldin. Angenommen, die französischen Feudalherren hätten jene hypothetische Feudal-Genossenschaft zustande gebracht, dann wäre der König überflüssig und seine Sache danach so gut wie vergessen gewesen. Die Briten hätten Jeanne d' Are zwar auch in diesem Fall hingerichtet, aber niemand würde mehr von ihr reden. Sie wäre nicht zur Nationalheiligen Frankreichs und zur wehrhaften Jungfrau stilisiert worden. So ähnlich müsse man sich den bevorstehenden Ausgang des Weltbürgerkrieges vorstellen: Entweder gelinge es den nationalstaatlich organisierten bürgerlichen Demokratien, ihre Zerrissenheit und ihre Antagonismen zu überwinden und eine einheitliche Weltgemeinschaft (analog zu jener Feudal-Genossenschaft) zu verwirklichen, oder aber die autoritären kommu- [380) nistischen Diktaturen würden gewaltsam eine weltweite Einheit herstellen - so ähnlich wie das übrigens nicht nur der französische König für den einheitlichen Nationalstaat im Kampf gegen den Adel zustande gebracht hatte. So oder so würde das Ende der Geschichte, wie es Hegel vor mehr als 150 Jahren bereits erkannte, ein einheitlicher, universaler Weltstaat (oder eine allumfassende Weltgesellschaft) sein. Alexandre Kojeves kühne welthistorische Spekulation imponierte mir nicht wenig, obgleich sie mich nie restlos überzeugt hat. Er gab mir damals den Sonderdruck einer etwas älteren Arbeit, die 1946 in der Zeitschrift "Critique"22 erschienen war, deren Herausgeber Erle Weil - übrigens noch ein frankophoner Hegelianer - ich damals ebenfalls kennenlemte. Der Titel Hegel, Marx und das Christentum faßte sowohl die Hegel·lnterpretation der Vorlesungen als auch die aktualisierende Geschichtsdeutung Kojeves prägnant zusarnmen. 23 Da ich damals gerade die christlichen Hegel-Arbeiten von Iwan ßjin und A. Niet24 gelesen hatte, opponierte ich vor allem gegen Kojeves These, Hegel sei Atheist gewesen und habe dabei sogar Ludwig Feuerbach und Karl Marx an Radikalität übertroffen, die ihre atheistische Philosophie als Materialisten gegen Hegels Idealismus gestellt hatten. In einem Exzerpt, das ich damals angefertigt habe, sind immer wieder kritische Einwände gegen Kojeves Hegel-Auffassung durch Verweise auf Niel und Iljin "begründet". Kojeves Einwand: Hegel habe an die Stelle Gottes (zu Recht) die sich selbst in der Geschichte verwirklichende Menschheit gesetzt, war aber - anband der Hegel-Texte - nur schwer widerlegbar. Kojeve behauptete: "Hegel versteht und verkündet, daß das, was man bisher ,Gott' nannte, in Wirklichkeit die Menschheit in der vollendeten Totalität ihrer geschichtlichen Entwicklung ist. Vor Hegel erschien das absolute Bewußtsein als dem Menschen äußerlich, und daher nannten es die vorhegetsehen Menschen Gott ..." Aber das sei doch nur eine Illusion gewesen: "In Wirklichkeit" - hier wird Kojeve zum Feuer· bachianer - "war die Theologie immer (schon) eine unbewußte Anthropologie." Der Mensch habe "seine eigene Perfektion, die er anstrebte, ins Jenseits projiziert". Allerdings sei auch erst "am Ende der Geschichte das Ideal der Menschheit durch die Menschen verwirklicht worden ..." Dieses bevorstehende Ende - und das ist ein Satz, an dem Kojeve auch später noch festhält-ist "im Prinzip" von Hegel [381) 1806 "vorweggenommen" worden. 3*

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Diese starke Behauptung stützte Kojeve durch zwei Argumente: einmal dadurch, daß Napoleon schon (wenn auch letztlich scheiternd) ein universales und homogenes Weltreich zu schaffen suchte, in dem ein jeder Citoyen durch alle anderen als gleichberechtigt (?) anerkannt werde, und zum anderen durch den Begriff des "Weisen", der am Ende der Phänomenologie steht und dem angeblich das absolute Wissen zukommt. "Weisheit", so definiert er in einer Rezension der Romane seines Freundes Raymond Queneau, "ist nichts anderes als die vollkommene Zufriedenheit, die mit einem ebenso vollständigen Selbstbewußtsein verbunden ist."25 Beides gehört notwendig zusammen. In der Geschichte hat es sowohl Selbstbewußtsein - ohne Zufriedenheit - in Gestalt des von Hegel so genannten "unglücklichen Bewußtseins" gegeben als auch beate Zufriedenheit ohne jedes menschliche Bewußtsein - in indischen und anderen Sektenideologien. Beides aber ist unzulänglich. An dieser Stelle kann sich Kojeve einen ironischen Seitenhieb auf Jean-Paul Sartre nicht verkneifen. Er spricht von ihm als "jenem Neurotiker", der eine kleine Bibliothek mit seinem Ekel gefüllt hat, den er - Sigmund Freud benützend - als entlarvende Einsicht in das Wesen der Dinge deklariert, woraus dann Weltekel, Angst und unglückliches Bewußtsein zum repräsentativen Ausdruck "menschlicher Existenz" gemacht wird. 26 Wenn aber beides, Zufriedenheit und angemessenes Bewußtsein seiner selbst, zur vollendeten Weisheit gehört, dann ist Weisheit erst am Ende der Geschichte möglich. Dieses Ende sei zwar noch nicht gekommen, aber - im Prinzip - könne nicht über die Idee einer perfekten homogenen Weltgesellschaft und eines universalen Staates hinausgegangen werden, wie ihn Hegel antizipierend - schon einmal annahm. Der zentrale Begriff, mit dessen Hilfe Kojeve sowohl Hegel als auch die Weltgeschichte interpretiert, heißt "Anerkennung". Zufriedenheit setzt Anerkennung voraus. Erst durch die Anerkennung durch andere wird die "Selbstgewißheit", die jeder für sich allein entwickeln kann, zur bestätigten Wahrheit. Aus prekärem Besitz wird erst durch Anerkennung Eigentum. Kojeve konzentriert seine Interpretation auf diesen Hegeischen Begriff und gibt aus diesem Grunde der ersten Phase [382] des berühmten Kapitels in der "Phänomenologie" über die Auseinandersetzung zwischen Herr und Knecht eine überragende Bedeutung, macht ihn zum Schlüsseltext. Erst dadurch, daß Menschen die bloße Anerkennung - also etwas Geistiges, im materiellen Sinne Irreales - für so wertvoll halten, daß sie dafür ihr Leben aufs Spiel setzen, treten sie aus der bloß daseienden Natur hinaus. Erst mit dem Prestigekampf um Anerkennung, an dessen Ende die Duplizität von Herr und Knecht steht, beginnt die Geschichte, die zugleich die Geschichte der Menschwerdung des Menschen durch die Menschen ist. Mit dieser Duplizität wird ein Motor in Gang gesetzt, der erst mit der gleichzeitigen Aufhebung von Herrschaft und Knechtschaft in einem ,,homogenen Citoyen-Staat" (oder in einer klassenlosen Gesellschaft) beendet ist. Im Unterschied zu Marx interessiert sich Kojeve weniger für die Entwicklung der Produktivkräfte und Produktionsmittel und dafür weit mehr für die der Wissenschaften und der Zerstörungsmittel (siehe das Argument der Jungfrau von Or-

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leans). Kriege und Revolutionen billilen den Inhalt der Weltgeschichte. Kriege, in denen die Herren (und die von ihnen geführten Staaten) nach Herrschaft streben, und Revolutionen, in denen die (jeweiligen) Knechte ihre Anerkennung als Gleichberechtigte durchzusetzen suchen. Das Ende der Geschichte ist erreicht, "wenn die Menschen vollkommen durch die Tatsache, daß sie Bürger eines universalen Staates geworden sind, Befriedigung finden - oder wenn eine klassenlose Gesellschaft die ganze Menschheit umfaßt". Orthodoxe Marxisten stießen sich vor allem an Kojeves Betonung der Bedeutung des Kampfes auf Leben und Tod, die er übrigens auch für die revolutionäre Erhebung der Knechte für ausschlaggebend hielt. Indem sie revoltierend ihr Leben wagen, beweisen die Knechte, daß sie keine mehr sind, und widerlegen ihren früheren Status durch die Tat. Es ist gut möglich, daß Frantz Fanon in seinem Buch "Les Damnes de la Terre" mehr von Kojeves Regel-Deutung als von Marx und Sartre beeinflußt war. 27 Er brachte allerdings eine psychoanalytische Interpretation des Bewußtseins der Kolonisierten (Knechte) hinzu. Als er betonte, daß der Einsatz des Lebens, der gewaltsame Aufstand gegen die Kolonialherren, eine psychische Notwendigkeit für die Überwindung des Minderwertigkeitsgefühls der Kolonisierten sei, hätte er sich auf Kojeve berufen können. Der Abschnitt der Phänomenologie "Das Böse und seine Verzeihung" verweist [383] -nach Kojeve -eindeutig auf Napoleon und Hegel. Das Böse sind die politischen Verbrechen des welthistorischen Individuums Napoleon, die Verzeihung ist die Rechtfertigung Napoleons durch Hegel. Das ,,handelnde Bewußtsein", von dem Hegel spricht, ist Napoleon, das "urteilende Bewußtsein" sein eigenes. Wörtlich heißt es bei Hegel, den Kojeve zitiert: "Das versöhnende Ja, worin beide lebe von ihrem entgegengesetzten Dasein ablassen, ist das Dasein des zur Zweiheit ausgedehnten Ichs, das darin sich gleich bleibt und in seiner vollkommenen Entäußerung und Gegenteile die Gewißheit seiner selbst hat; es ist der erscheinende Gott mitten unter ihnen, die sich als das reine Wissen wissen." Diese Versöhnung ist zugleich die von Frankreich und Deutschland in Hegels Denken. Napoleon hat die "Gewißheit seiner selbst", in der Philosophie Hegels wird das ihm fehlende Selbstbewußtsein formuliert - und damit "die Wahrheit" dieser Gewißheit geliefert. Da Napoleon "ein anderer" ist als Hegel, ist Hegels Bewußtsein von ihm nicht bloß subjektive Gewißheit, sondern Offenbarung einer objektiven Wirklichkeit, das heißt Wahrheit. Die napoleonische Wirklichkeit (sein Konzept des universalen Staates, I. F.) ist in sich abgeschlossen, perfekt und absolut und zugleich - dank Hegel - völlig ihrer selbst gewiß, also "absoluter Geist", den die Christen "Gott" nennen. Napoleon ist daher "der erscheinende Gott". Kojeve kann zwar nicht umhin zuzugeben, daß für Hegel Christus der vollendete Versöhner (der Menschheit mit Gott) war, der "wahrhaft fleischgewordene Logos" ist aber für Kojeve die Dyade Napoleon-Regel, der Mensch. der die geschichtliche Entwicklung vollendet hat, verdoppelt du~ch den Menschen, der durch seinen Diskurs den Sinn dieser Vollendung offenbart.

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Henri Nietlehnt als gläubiger Katholik diese Regel-Deutung ab, weil er Hegel als christlichen Denker in Anspruch nehmen möchte. Er behauptet - im Gegensatz zu Kojeve -, Hegels Geschichtsdenken sei gescheitert, kann aber dieses Scheitern nur schwer gegen die Argumente des Hegelianers Kojeve beweisen. Der Zerfall der Hegeischen Schule in Links- und Rechts-Hegelianer ist für Kojeve kein Beweis für Hegels Scheitern. Vielmehr seien alle ernstzunehmenden Denker seit Hegel entweder Rechts- oder Links-Hegelianer gewesen, keiner sei also "über Hegel hinausgelangt". Hegel-Kritiker wie Sören Kierkegaard habe Hegel schon im voraus - durch seine Ausführungen über das unglückliche Bewußtsein - in der Phäno[384] menologie widerlegt. Freilich gibt Kojeve zu, daß heute- wie zur Zeit von Marxdie Philosophie Hegels weniger (schon) eine Wahrheit im eigentlichen Sinne als eine Idee oder ein Ideal sei, ein Entwurf, der verwirklicht werden soll, sich also noch durch die Tat "bewähren" (bewahrheiten) müsse. Gerade deshalb aber, weil die Geschichtsphilosophie Hegels - und für Kojeve ist das der ganze Hegel - noch nicht wahr ist, sei diese Philosophie allein fähig, eines Tages wahr zu werden. Sie allein sage, daß die Wahrheit sich in der Zeit verwirklicht. Deshalb werde die Geschichte niemals den Hegelianismus widerlegen, sondern sich damit begnügen, zwischen deren beiden Interpretationen, die sich gegenüberstehen, zu wählen. Und Kojeve endet 1946 mit der These: ,,Man kann also sagen, daß im Augenblick jede Hegel-Interpretation ... nur ein Programm des Kampfes und der Arbeit ist. Eins dieser Programme heißt Marxismus. Das heißt aber, daß die Arbeit eines Heget-Interpreten eine Aufgabe der politischen Propaganda ist." An dieser Propaganda hat sich Kojeve freilich selbst nicht beteiligt. Er begnügte sich vielmehr damit, die Weltgeschichte und ihren noch immer offenen Ausgang als Hegelianer zu verstehen. "Kürzlich", so schreibt er 1946, ,,hat die Linke einen großen Sieg errungen, und es wäre absurd, daraus zu schließen, daß die Rechte (unbedingt) am Ende siegen müsse. Aber ebenso falsch wäre es zu sagen, daß die vorläufig siegreiche Interpretation sich schon endgültig als siegreich erwiesen habe."2s Kojeve faszinierte mich, wie gesagt, aber er überzeugte mich nicht. Ich war zu sehr von religiösen Interpretationen Hegels beeindruckt, um seine atheistisch-existentielle annehmen zu können, aber zugleich verwirrte er mich nicht wenig. Immer wieder diskutierte ich mit ihm und staunte stets aufs neue über das schier unerschütterliche Selbstbewußtsein dieses einzig genuinen zeitgenössischen Hegelianers. Als ich ihn einmal fragte, ob er denn Volkswirtschaft und Finanzwissenschaft studiert habe, da er sichjetzt mit ökonomischen Fragen zum Beispiel auf den Weltwährungskonferenzen zu beschäftigen habe, erwiderte er - wie oft halb ironisch -: Als Hegelianer verfüge man ohnehin über das absolute Wissen. Es lag ihm aber auch viel daran, weiter als Denker ernst genommen zu werden. Die größte Freude [385] hatte er, als auf einer der Konferenzen, bei denen er die französische Regierung vertrat, ein südamerikanischer Delegierter begeistert auf ihn zuging und ihn als den berühmten Regel-Interpreten begrüßte.

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Nach Tübingen zurückgekehrt, bemühte ich mich um einen Verleger für eine Übersetzung des Kojeveschen Hegel-Buches. Schließlich war Kohlhammer dazu bereit. Mit Kojeves Diktion, die er selbst als germano-russo-französisch bezeichnete, hatte ich einige Schwierigkeiten, zumal er gelegentlich auch Anglizismen (realiser z. B. in der Bedeutung von begreifen) einfließen ließ. Daraus entstand eine lebhafte Korrespondenz, in der auch politische Zeitereignisse kommentiert wurden. Kurz vor seinem plötzlichen Tod bereiste er 1968 - zum erstenmal seit der Flucht seiner Familie - wieder Rußland und kam desillusioniert und traurig zurück.29 Kurz bevor ich Ende Mai aus Paris abreiste, hielt ich es für "angemessen", Kojeve einen Abschiedsbesuch zu machen. Als "wohlerzogener Deutscher" glaubte ich, sonntags zwischen 11 und 12 dürfe man einen solchen Besuch wagen. Kojeve öffnete mir im Schlafrock und war förmlich erschrocken. Ich ahnte nicht, daß unaufgeforderte Höflichkeitsbesuche in Frankreich ganz und gar unüblich sind. Kojeve rief seiner Lebensgefährtin, die auch Russin war, ein paar kritische Worte zu. Er ahnte nicht, daß ich genügend Russisch konnte, um ihn zu verstehen. Meine kleine Rache bestand darin, daß ich - mich empfehlend - ein paar russische Abschiedsfloskeln hersagte, die ihn vermutlich noch einmal erschrecken ließen. Unserer bleibenden Freundschaft hat das keinen Abbruch getan. Ab und zu schickte mir Kojeve einen Sonderdruck mit einer - manchmal jetzt auch russischen -Widmung. Meist schrieb er deutsch, manchmal auch französisch, und oft benützte er- als sparsamer Mann- das Papier des Secretariat d'Etat aux Affaires Economiques oder der Presidence du Conseil, Comite Interministeriel pour les Questions de Cooperation Economique Europeenne. Sein Hegel-Buch hätte er gern unter dem herausfordernden Titel "Einführung Hegels in die Gegenwart" herausgegeben. Leider war der Verleger dafür nicht zu gewinnen. Im Rückblick scheint mir das noch heute bedauerlich. An der Übersetzung arbeitete ich mit meinem Freund Gerhard Lehmbruch30 zusammen, der einen wacheren Sinn als ich für manche Anglizismen bei Kojeve hatte. Im Zweifelsfall [386] durften wir den Autor befragen, der ja noch 1929 seine Dissertation über den russischen Religionsphilosophen Wladimir Slowjow auf deutsch geschrieben hatte 31 und drei- oder richtiger viersprachig war (russisch, deutsch, französisch, englisch). Die Sowjetmarxisten sahen in Kojeve einen begabten Feind und warfen ihm vor, er habe Hegel an die Stelle von Marx gesetzt. Außerdem habe er durch Betonung der Rolle des Todes und der Todesbereitschaft für die Vermenschlichung des Menschen indirekt Marx kritisieren wollen, der angeblich dieses wichtige Moment übersehen oder unterschlagen habe. "Kojeves Hegel-Auffassung stelle sich so als eine raffinierte Form bürgerlicher Marx-Bekämpfung dar" (Manfred Buhr, OstBerlin 1961, in einer Rezension der von mir 1953 herausgegebenen deutschen Ausgabe). 32 Alex~ndre Kojeve war mit dem katholischen Hegelianer und mutigen Antifaschisten (und Antikommunisten) Pater Gaston Fessard sowie mit Raymond Aron

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befreundet. Er gehörte aber keiner politischen Richtung an, sondern empfand sich als Denker, der aus gelassener Distanz den Fortgang des Weltbürgerkrieges betrachtet, weil er überzeugt war, so oder so werde Hegels Vision vom homogenen universalen Weltstaat (oder der klassenlosen Weltgesellschaft) recht behalten. Die danach kommende Posthistoire hat er freilich als ziemlich langweilig und banal beschrieben. Wenn es keine Kriege und keine Revolutionen mehr gibt, wird es auch keine neuen Gedanken, keine neuen Künste und Religionen mehr geben, weil die Menschen mit dem erreichten Zustand zufrieden und sich dieser Tatsache bewußt sind. Was sein Freund Raymond Queneau in drei Romanen als den "Sonntag des Lebens" beschrieben hatte, 33 war das höchst banale Leben ziemlich ungebildeter, selbstzufriedener Randexistenzen, die als solche den Seelenzustand vorwegnehmen, der am Ende der Geschichte der aller Individuen sein wird. Kojeve setzte als Motto seiner Rezension dieser drei Romane ein Hegel-Zitat, das ich freilich bei diesem nicht finden konnte. Rückübersetzt lautet es: "Der Sonntag des Lebens ist's, der alles nivelliert und alles Schlechte eliminiert; Menschen, die mit einem so guten Humor gesegnet sind, können nicht zutiefst böse oder verächtlich sein." [387]

Kojeve hat vermutlich eine Stelle in Georg Lassons Ausgabe der ,,Philosophie der Weltgeschichte" in Erinnerung. 34 Sie heißt: ,,Freilich muß sich der Mensch notwendig mit dem Endlichen abgeben; aber es ist eine höhere Notwendigkeit, daß der Mensch einen Sonntag des Lebens habe, wo er sich über die Werktagsgeschäfte erhebt, wo er sich mit dem Wahrhaftigen abgibt und dieses sich zum Bewußtsein bringt." Ganz entfernt erinnert das ein wenig an das von Kojeve "erfundene" Motto. Diese Chara.kterisierung trifft für die drei Hauptgestalten der Romane Queneaus tatsächlich zu. Sie sind durchschnittlich, zufrieden, unbedeutend, aber nicht böse. Zwar entsprechen sie nicht dem ,,klassischen Ideal" des Weisen, aber vom Standpunkt eines Hegelianers, der weiß, daß die Geschichte nichts prinzipiell Neues mehr bringen kann und ihr "Ende" insoweit schon gekommen ist, sind sie weise. Jede Anstrengung, jedes Bemühen, die Welt zu verändern, ist ja damit sinnlos geworden. Nur: So wird das Leben auch banal und langweilig, was Kojeve auch keineswegs leugnet. Das allerdings hat zur Folge, daß sein geschichtsphilosophischer Optimismus ziemlich zweideutig wird. Als der Amerikaner Francis Fukuyama 1990 in einem Essay - unter Berufung auf Kojeve - das "Ende der Geschichte" nunmehr mit dem definitiven Sieg des demokratischen Kapitalismus verkündete, lag ihm diese negative, Langeweile erzeugende Konsequenz der "Posthistoire" keineswegs fern. Da ich 1948 I 49 gerade am Anfang meines beruflichen Lebensweges stand und viele Aufgaben vor mir sah, konnte ich die gelassene Haltung des überlegenen (zynischen?) Denkers Kojeve zwar bewundern, aber nicht akzeptieren. Noch immer bin ich davon überzeugt, daß die Geschichte weitergeht und daß sie - in dem von

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Regel angeblich antizipierten Sinn - überhaupt kein Ende haben wird. Der homogene Weltstaat erscheint mir ebensowenig im Kommen wie die weltweite klassenlose Gesellschaft, und ich halte beides auch keineswegs für wünschenswert. 35 Ein überzeugendes Argument gegen das Ideal eines einheitlichen Weltstaates hat mir viele Jahre später einmal Bertrand de Jouvenel genannt: In einem Weltstaat könnten politisch Verfolgte oder diskriminierte Personen nirgendwohin mehr fliehen. Es gäbe kein Exil, keimen Ort des Asyls für sie mehr. Jouvenel war vor der deutschen Besetzung Südfrankreichs in die Schweiz geflohen und hatte dort über- [388] lebt. 36 Ähnlich wie ihm ist es in jener Zeit vielen - leider nicht allzu vielen - gelungen, sich der tödlichen Gefahr der Verfolgung in einem Staat durch die Flucht in einen anderen zu entziehen. Erst 1953 ist die von mir edierte (auf Grund von Vorschlägen des Autors gekürzte) deutsche Ausgabe des Regel-Buches von Kojeve erschienen. Ich erhielt eine Menge begeisterter Zuschriften, auch die eines mir damals unbekannten Philosophiedozenten aus New York. Er hieß Jacob Taubes. Seine "Abendländische Eschatologie" war soeben (1947) 37 erschienen, und Kojeve war in seinen Augen der letzte authentische eschatologische Denker und ich sein verdienstvoller Vermittler in Hegels Heimat.

I a) Wilhelm Weisehedei (1905-1975) lehrte Philosophie in Tübingen. Bekannt wurde seine Auseinandersetzung mit den Thesen des Theologen Helmut Gollwitzer (1908-1993): Denken und Glauben. Ein Streitgespräch, Stuttgart: Kohlhammer, (1964) 1965, XI - 302 S. (vgl. dazu die ausführliche Besprechung aus marxistischer Sicht von Martin Robbe in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie [Berlin], 15. Jahrg. Nr. 3, 1967, S. 364- 368). b) Über Romano Guardini (1885-1968), vgl. u. a. Hanna-Barbara Gerl (geb. 1945), Romano Guardini 1885-1968. Leben und Werk, Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag, (1985) 1987, 382 S., sowie ihren Lexikonartikel S. 204- 209 in Julian Nida-Rümelin (geb. 1954) (Hrsg.), Philosophie der Gegenwart in Einzeldarstellungen von Adorno bis v. Wright, Stuttgart: Kröner, 1991, XXVI- 659 S., Nr. 423 in der Reihe ,Kröners Taschenausgabe'. Zu den Beziehungen zwischen Guardini und C.S., vgl. WemerBecker (1904-1981), Meine Briefe an Carl Schmitt (hrsg. und annotiert von P. Tommissen), Berlin: Duncker & Humblot, 1998, 124 S.; dort S. 52 FN 4. 2 Über Eduard Spranger (1882-1963) und über sein Verhältnis zu C.S., vgl. Schmittiana V, s. 205-207. 3 Später veröffentlicht unter dem Titel: Rousseaus politische Philosophie. Zur Geschichte des demokratischen Freiheitsbegriffs, Neuwied: Luchterhand, 1960, XVII- 313 S., Nr. I in der Reihe ,Politica', hinterher in Frankfurt a.M.: Suhrkamp, (1965) 1975 (und spätere Nachdrucke), 384 S., Nr. 143 in der Reihe ,Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft'. 4 Die ,Marxismusstudien' waren das Ergebnis einer Einladung der Evangelischen Studiengemeinschaft an Theologen, Philosophen und Historiker, sich intensiv mit dem Marxismus auseinanderzusetzen. 1953 erschien der erste Band. 5 Nur drei Beispiele: (a) Von Marx zur Sowjetideologie, Frankfurt a.M.: Diesterweg, (1957) 1981, 344 S.; (b) Herrschaft und Emanzipation. Zur Philosophie des Bürgertums, München: Piper, 1976, 318 S.; (c) Vom Wohlfahrtsstaat zur neuen Lebensqualität Die Herausforderung des demokratischen Sozialismus, Köln: Bund-Verlag, 1982, 317 S.

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6 Z. B. I. Fetscher, Karl Marx und der Marxismus. Von der Philosophie des Proletariats zur proletarischen Weltanschauung, München: Piper, 1967, 349 S., in der Reihe ,Piper Paperback'. 7 Z. B. I. Fetscher, Der Marxismus. Seine Geschichte in Dokumenten, München: Piper, 1967,896 s.

s a) Kurt Sontheimer (geb. 1928), "Iring Petschers utopisch verlängerter ,Wertkonservatismus"', in: op. cit. [FN 10 Punkt a)], S. 318- 324; dort S. 321. b) Erwähnenswert ist Sontheimers Dissertation: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, München: Nymphenburger Verlagshandlung, 1962,414 S. 9 I. Fetscher, Terrorismus und Reaktion. Mit einem Anhang August Bebel.· Attentate und Sozialdemokratie, Köln/Frankfurt a.M.: Europäische Verlagsanstalt, 1977, 148 S. 10 a) Eike Hennig (geb. 1943) und Richard Saage (geb. 1941) (Hrsg.), Konservatismus.eine Gefahr für die Freiheit? Für Iring Fetscher, München: Piper, 1983, 355 S. b) Einzelne Aufsätze Petschers bezeugen sein hier anvisiertes Interesse; vgl. (a) "Hans Freyer: Von der Soziologie als Kulturwissenschaft zum Angebot an den Faschismus", S. 180192 in Karl Corrino (geb. 1942) (Hrsg.), Intellektuelle im Bann des Nationalsozialismus, Hamburg: Hoffmann und Campe, 1980, 253 S., in der Reihe ,Bücher sur Sache'; (b) "Arnold GehJens Kritik an der demokratischen Gleichheitsforderung", S. 75 - 92 in Frans de Pauw (geb. 1928) und Maurice Weyembergh (geb. 1937) (Hrsg.), Gelijkheid en Conservatisme/ Gleichheit und Konservatismus, Zwolle (Niederlande): Tjeenk Willink, 1985, VII - 212 S., Nr. 4 in der Reihe ,Rechtsfilosofie en rechtstheorie'. 11 a) Dirk van Laak, op. cit. [S. 29 FN 2 Punkt b)], S. 185 FN 23. b) Zwei Beispiele: (a) die Petscher gewidmete Aufsatzsammlung von Richard Saage [FN 10 Punkt a)], Rückkehr zum starken Staat? Studien über Konservatismus, Faschismus und Demokratie, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1983, 283 S., Nr. 133 in der NF der Reihe ,Edition Suhrkamp' (dort S. 7 - 42: ,,Zur Renaissance des Freund-Feind-Denkens in der Bundesrepublik" und S. 156-180: "Vom Begriff der Parteien und des Parlaments bei Carl Schmitt und Gerhard Leibholz [S. 97]"); (b) Herfried Münkler (geb. 1951), Gewalt und Ordnung. Das Bild des Krieges im politischen Denken, Frankfurt a.M.: Fischer, 1992, 250 S., in der Reihe ,Fischer Wissenschaft' (dort u. a. S. 71-78 und 117-124).

12 Der aus Rumänien stammende, in Wien ausgebildete (Dissertation: Mensch, Gemeinschaft und Welt in der Philosophie Immanuel Kants. Studien zur Geschichte der Dialektik, Zürich/New York: Europa Verlag, 1945, IV-248 S.) und während des Krieges in der Schweiz inhaftierte französische Denker Lucien Goldmann (1913-1970), lehrte ab 1961 in Brüssel. Er entwarf eine Soziologie der Literatur; vor allem seine Habil-Schrift hat großen Einfluß ausgeübt: Le Dieu cache. Etude sur Ia vision tragique dans !es ,Pensees' de Pascal et dans Je theatre de Racine, Paris: Gallimard, [1959] 1983, 454 S., Nr. 11 in der Reihe ,TEL' (es gibt eine deutsche Übersetzung von Hermann Baum und Karl-Heinz Klär: Der verborgene Gott: Studie über die tragische Weltanschauung und im Theater Racines, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1985, 604 S., Nr. 491 in der Reihe ,Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft'). Vgl. z. B. C.S., Harnlet oder Hekuba. Der Einbruch der Zeit in das Spiel, Düsseldorf: Diederichs, 1956, 73 S.; dort S. 73 FN 23: ,,Lucien Goldmann erklärt das Theater Racine's und seinen Begriff des Tragischen aus den wechselnden Positionen des Jansenismus gegenüber Staat und Kirche. Sein Buch ,Le Dieu cache, ... ' ist mir erst während der Drucklegung und nach dem Umbruch der vorliegenden Harnlet-Abhandlung bekannt geworden. Vielleicht ergibt sich einmal eine Gelegenheit, Goldmanns Positionen und Begriffe mit denen meiner HarnletDeutung zu vergleichen." 13 a) Hier liegt ein Irrtum vor: A.K. hat erst Ende Dezember 1919 oder Anfang Januar 1920 mit seinem Freund deutscher Herkunft Georg Witt die Sovjet-Union verlassen [I, S. 76]. Schlimmer ist jedoch der Irrtum im A.K.-Artikel der Encyclopaedia Universalis. Thesaurus

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Index ** ( Paris, 1985, 2303 S.); dort heißt es S. 1625, A.K. habe sich, obzwar er sich als Kommunist betrachtete, 1920 entschlossen, seine Familie nach dem Westen zu begleiten! b) Laut Auskunft des Filmarchivs heiratete G. Witt (geb. 1899) die Filmstar Li! Dagover (1897-1980) und war er 1932-40 und nach Kriegsende als selbständiger Filmproduzent tätig (Brief vom 4. Februar 1998). 14 Diese Mitteilung trifft nur teilweise zu: A.K. zog bereits Ende 1926 nach Frankreich, "in der Hoffnung ein neues Vaterland zu finden" (1, S. 153), vielleicht weil der Antisemitismus sich in der Weimarer Republik zu rühren begann [1, S. 154].

1s

Über diese Hörer A.K.s, vgl. S. 79 - 80.

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Es handelt sich um den ersten Band der Trilogie IV.

Wir verfügen jetzt über eine um den Briefwechsel zwischen L. Strauss [S. 85 FN 41] und A.K. ergänzte Ausgabe [XV-a]. 17

1s

Vgl. S. 79-103 (Briefwechsel A.K.-.C.S.).

19 Daß A.K. und C.S. noch in anderer Hinsicht "durchaus einig" waren, geht einwandfrei aus ihrem Briefwechsel hervor; vgl. Briefe (infra S. 111 - 112).

2o Es sei nur auf den Einfluß des von Hege! geprägten Philosophen Giovanni Gentile (1875-1944) hingewiesen, der u. a. 1923 eine Erziehungsreform durchführte und den Hochschullehrern 1931 den Treuschwur auf das faschistische Regime auflegte. Auch die Frage die C.S. Benito Mussolini (1883-1945) während einer Audienz am 15. April 1936 vorlegte, gehört in diesem Zusammenhang; vgl. S. 151.

a) Dieser Vergleich wird auch zusammengefaßt von N. Sombart; vgl. S. 67. b) Mehrere Aspekte der 1920 heiliggesprochenen Jeanne d 'Arc (1412-1431) und der Diskussion um ihre Bedeutung für Frankreich werden von Sachverständigen in einfachen Aufsätzen (mit Literaturangaben) beleuchtet in einem Sonderheft der Zeitschrift: L'Histoire (Paris), Nr. 210, Mai 1997, S. 20- 73 (,,Jeanne d' Are, une passion fran~aise"). 21

22 a) Die (noch immer existierende) Zeitschrift "Critique" (Paris) wurde von G. Bataille gegründet und herausgegeben; E. Weil und J. Pie[ standen ihn zur Seite. Nach Batailles Tod wurde Pie! Herausgeber. Es handelt(e) sich um eine bibliographische Zeitschrift, völlig anderes konzipiert als die fast gleichzeitig von Airne Patri (1904-1983; vgl. S. 25 FN 6) gegründete (und längst eingestellte) Zeitschrift "Paru" (Paris). Von A.K. sind in "Critique" einige Besprechungen erschienen, sogar von Romanen der damals populären Fran~oise Sagan (eig. Quoirez; geb. 1935). Über die Entstehungsgeschichte, vgl. Pierre Prevost, Rencontre Georges Bataille, Paris: Place, 1987, 167 S.; dort S. 119- 149: ,,Le lancement de Ia revue ,Critique'", über die ersten Jahre die Utrechter Diplomarbeit von Roeland Dobbelaer (geb. 1962), ,Critique' als politiek. Het engagement van Georges Bataille rond 1950, Utrecht: Rijksuniversiteit, 1989, 110 s. b) Über Bataille, Weil und Pie!, vgl. S. 80- 87 Punkte 3 bzw.16, sowie S. 90 Punkt F.

23 A. K., "Hege!, Marx et Je christianisme", in: Critique [FN 22], Nr. 3 - 4, August-September 1946, S. 339-366, übersetzt in Ill-b/1, S. 271-298 ("Hege!, Marx und das Christentum") und 329 - 330 (Fußnoten). Michel Sales S.J. (geb. 1939) zufolge handelt es sich um eine strenge Würdigung von H. Niet S.J., op. cit. [FN 24 Punkt b) ], die A.K. als Vorwand diente, um mit Pater Fessard [S. 83 Punkt 8] ins Gericht zu gehen [LXXXVI, S. 9 FN 4; LXXXVll, S. 91]. 24 a) Iwan lljin, Die Philosophie Hegels als kontemplative Gotteslehre, Bern: Francke, 1946, IV-432 S. b) Henri [nicht: A.] Nie! S.J. (1910-1967), De Ia Mediationdans Ia philosophie de Hege! (Philosophie de !'Esprit) Paris: Aubier, 1945, 381 S., in der Reihe ,Philosophie de !'Esprit. Serie: Histoire de Ia philosophie'; vgl. die kritische Besprechung von Raoul Uvy in: Fontaine (Paris), 10. Jahrg., Nr. 58, März 1947, S. 1001- 1004.

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25 A. K., "Les romans de Ia sagesse", in: Critique [FN 22], Nr. 60, Mai 1952, S. 387- 397; das Zitat dort S. 389: es ist aber nicht A.K.s, sondern Hegels Definition, zumal die Rezension vom Hegeischen Standpunkt aus konzipiert ist (S. 288). Queneau [S. 66 Punkt 14] war über diese ungewöhnliche Rezension dennaßen erfreut, daß er A.K. in seinem Brief vom 31. März 1952 überschwenglich bedankte (Auskunft von Frau Suzanne Meyer-Bagoly, der Leiterin des ,Centre de Documentation Raymond Queneau' in Verviers [Belgien]: Brief vom 15. Dezember 1997).- Vgl. FN 34 Punkt a).

26

A.K., art. cit. [FN 25], S. 390.

a) Frantz Fanon, Les damnes de Ia terre, Paris: Maspero, 1961, 246 S., Nr. 27 - 28 in der Reihe ,Cahiers libres'; dort S. 9-26 die Einleitung von Jean-Paul Sartre (1905-1980), die übernommen wurde S. 167 - 193 in J.-P. Sartre, Situations V. Colonialisme et neo-colonialisme, Paris: Gallimard, 1964, 255 S. Infolge einer Intervention der Witwe des Verfassers, Josie Fanon, fehlt Sartres Einleitung in der 2. Ausgabe seines Buches, Paris: Maspero, 1968, 240 S., Nr. 20 in der Reihe ,Petite collection Maspero'. Es gibt eine deutsche Übersetzung: Die Verdammten dieser Erde, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1966, 242 S., Nr. 668 in der Reihe ,Suhrkamp Taschenbuch'; vgl. dazu die Besprechung aus kommunistischer Sicht von Martin Robbe in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie (Berlin), 16. Jahrg. Nr. 10, Oktober 1968, S. 1267-1275. b) Über den französischen Psychiater und politischen Theoretiker Fanon (1925-1961), der ab 1956 in Algerien für die Nationale Befreiungsfront F.L.N. arbeitete, vgl. u. a. (a) Renate Zahar (geh. 1942; eine Doktorandin Fetschers), Kolonialismus und Entfremdung. Zur politischen Theorie Frantz Fanons, Frankfurt a.M.: Europäische Verlagsanstalt, 1969, 115 S., in der Reihe ,Dritte Welt'; (b) Pierre Bouvier; Fanon, Paris: Eds Universitaires, 1971, 129 S., in der Reihe ,Les Justes'; (c) lrene L. Gendzier; Frantz Fanon. A Critica1 Study, London: Wi1dwood House, 1973, XVI-300 S. 27

28

Alle obigen (dort leicht abweichenden) Zitate A.K.s finden sich in: art. cit. [FN 23].

29 a) Der Besuch A.K.s an die Sovjet-Union fand im Oktober 1957 statt. Auf der Rückreise aus Japan nach Frankreich im Jahre 1967 verbrachte A.K. einen Tag in Moskau, wo er sich traf mit dem dort 1966- 68 akkreditierten Ambassadeur, dem alten Freund Olivier Wormser (1913-1985) [1, S. 354- 356: "Mon ami Olivier Worrnser"; auch XVIII und XXIX]. b) Worrnser war vor und während des Krieges vor allem als Diplomat tätig (z. B. 1974- 77 in Bonn), stand jedoch zuletzt (1969 - 74) der französischen Nationalbank vor. Diese Auskunft verdanke ich Frau Elisabeth Dutartre [S. 80 FN 17], der Leiterin des Pariser ,Centre de recherches politiques Raymond Aron' (Sendung vom 15. Januar 1998).

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Gerhard Lehmbruch (geh. 1928) hat sich eingehend mit Hege! befaßt.

a) A. K.s Heidelberger Dissertation "Die religiöse Philosophie Wladimir Solowjews" (Doktorvater: Kar! Jaspers ( 1883-1969]) wurde nicht veröffentlicht. A.K. hat sich eingehend, auch in Frankreich, mit Solowjew beschäftigt: vgl. I, S. 162- 176. Das Interesse hing wohl zusammen mit seiner Passion für die Theologie (1, S. 183): unter dem 28. Juli 1942 teilte er G. Bataille [S. 80 Punkt 3] mit, er lese gerade die Ordensregel des hl. Benedikt von Nurcia (480-543) und die Vita des hl. Bonaventura [IX, S. 61]. b) Im Hinblick auf A.k.s These der Posthistoire sei erwähnt, daß der russische Denker und Dichter Wladimir Sergeievitsch Solowjew (1853-1900) 1900 "Drei Gespräche über den Krieg, den Fortschritt und das Ende der menschlichen Geschichte" veröffentlicht hat, die Wladimir Szylkarski (1884-1960) "seine genialste Schöpfung" genannt hat: Das philosophische Werk von Wladimir Solowjew. Zum 50. Todestag des großen russischen Philosophen am 12. August 1950, Krailing vor München: Erich Wewel, 1950, 17 S. (dort S. 17). 31

32 Manfred Buhr; Rezension von 111-b/1 in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie (Berlin), 161, S. 1406- 1408; dort S. 1407.

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33 R. Queneau [S. 86 Punkt 14], Pierrot, mon ami (1942; 221 S.); Loin de Rueil (1944; 233 S.); Le Dimanche de Ia vie (1951; 306 S.); alle Paris: Gallimard, und später vom selben Verlag in der Reihe ,Folio' übernommen: Nr. 442 (244 S.), Nr. 849 (212 S.) und Nr. 226 (222 S.). Von diesen Romanen liegen Nachdrucke (identische Paginierung) vor in der Taschenbuchreihe ,Folio' desselben Verlags: Nr. 226 ([1972] 1991), Nr. 849 ([1978) 1991], Nr. 442 ([1973)1993). 34 Vgl. S. 118 FN 4. 35 Diese Aussage bestätigt Petschers Rezension der Bücher von J. Hyppolite [S. 89 FN D] und A.K:: "Zwei französische Arbeiten über Hegels Phänomenologie des Geistes", in: Zeitschrift für philosophische Forschung, 4. Jahrg. Nr. 4, 1949, S. 609- 618 (das Buch von A.K. dort S. 615- 618). 36 Bertrand de Jouvenel (1903-1987), der vor dem Krieg der faschistoiden ,Parti Populaire Fran~ais' von Jacques Doriot (1898-1945) angehört und Adolf Hitler in sympathischer Weise interviewt hat ("Paris-Midi" vom 26. Februar 1936), glaubte nach der Kapitulation der französischen Armee zunächst an den deutschen Endsieg, emigrierte später jedoch in die Schweiz. Er hat viele Bücher geschrieben; einige sind ins Deutsche übertragen worden, u. a. Über Souveränität. Auf der Suche nach dem Gemeinwohl - Reine Theorie der Politik - Die Kunst der Vorausschau, alle drei in Neuwied/Berlin: Luchterhand, 1963, 1967 bzw. 1967, 347 S., 260 S. bzw. 337 S., Nr. 9, 30 und 34 in der Reihe ,Politica'). Auch hat er sich für die Futurologie eingesetzt, indem er 1954 die S.E.D.E.I.S. (= Societe d'etudes et de documentation economiques, industrielles et sociales) gründete, die bald über eine eigene Zeitschrift, ,,Futuribles", verfügte. De J ouvenel soll 1928 den Begriff ,economie dirigee' geprägt haben. Vgl. u. a. den interessanten Nachruf von Maurice Roy, "Un genie inclassable", in: Commentaire (Paris), 10. Jahrg., Nr. 38, Sommer 1987, S. 368- 371. 37 J. Taubes [S. 94- 95], op. cit. [S. 95 FN 74].

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3. Armin Mohler Auf bio-bibliographische Einzelheiten über Armin Mohler (geb. 1920) kann ich verzichten, denn ein rezenter Lexikonartikel ist als erster Einstieg in seinen Werdegang geeignet, obzwar ich bedauere, daß der Verfasser weder Mohlers Beiträge zur Malerei und über die Technokratie noch seine grundlegenden Studien über den faschistischen Stil und über Georges Sore/ hervorhebt 1 • Andererseits habe ich schon anderwärtig erzählt, daß ich mein Interesse für und meine Beschäftigung mit C.S. diesem Ritter ohne Furcht und Tadel, insbesondere der Erstausgabe seiner Baseler Dissertation über die "Konservative Revolution in Deutschland. 1918- 1932"2 verdanke3 . Wie dem auch sei, wichtig im vorliegenden Zusammenhang ist lediglich die Tatsache, daß Mohler eine Unmenge von interessanten Leuten begegnet ist, darunter sogar welche die sich unbedingt mit ihm unterhalten wollten und andere die er vielmehr zufallig getroffen hat. Ein geeignetes Beispiel der ersten Gattung ist der nach Frankreich ausgewanderte rumänisch-jüdische Dichter Paul Celan (eig. Paul Antschel; 1920 - 1970)4 • Hingegen kommt A.K. wohl als ein Musterbeispiel der zweiten Spezies in Betracht. Über seine Begegnung mit und sein Wissen über A.K. hat Mohler dreimal berichtet [XIX]: in der Zeitschrift ,Critic6n', in der Festschrift für H. J. Arndt und in den "Staatsbriefen" von H. D. Sande~. Es sei darauf hingewiesen, daß er, im Gegensatz zu !ring Fetscher [S. 32], die Biographie von Au.ffret [I] zu benutzen in der Lage gewesen ist. Nach langem Bedenken, habe ich mich dazu entschlossen, die erste Fassung nachzudrucken. Ich bin Herrn Mohler für die Abdruckgenehmigung sehr verbunden. Die von ihm überprüften Fußnoten stammen freilich von mir.

P.T.

Quelle: A. Mohler, ,,Lehre und Leere des Liberalismus", S. 207- 234 in Volker Beismann und Markus Josef Klein (Hrsg.), Politische Lageanalyse. Festschrift für Hans-Joachim Arnst zum 70. Geburtstag, am 15. Januar 1993, Bruchsal: San Casciano Verlag, 1993, 423 S.; dort s. 217-224.

[217]

KOJEVE DER FLÜCHTLING Die politische Philosophie des Liberalismus kulminiert in diesem Jahrhundert in Alexandre Kojeve. Es lohnt, sich diesen Mann genauer anzuschauen. Er führte von seinem 15. Lebensjahr an das Leben eines Unbehausten. Das hat zweifellos sein Denken geprägt. An den 1905 während des russisch-japanischen Krieges in der fernen Mandschurei umgekommenen Vater6 hatte der damals Dreijährige keine Erinnerung. Der geliebte Stiefvater Lemkul, einer der großen Juweliere von Moskau, wurde in der wirren Zeit nach der Oktoberrevolution erschlagen (vermutlich war es kein politischer Mord). Alexandre Kojeve erhielt von seiner Familie eine kosmopolitische Erziehung. Schon als Gymnasiast hat er mit Hauslehrern neben dem Latein spielend auch das Deutsche, Französische und Englische gelernt. Aber die Revolution bremst ihn in seinem Drang zu akademischer Bildung. Um Abitur zu machen, muß er bereits auf ein Gymnasium in Lettland ausweichen. 1918 wird er in Petersburg mit drei anderen jungen Leuten wegen Schwarzhandels (mit Seife)

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von der neuen politischen Polizei, der Tscheka, verhaftet. Während rund um ihn Verhaftete erschossen werden, retten ihn familiäre Beziezungen (wohl sein Onkel Kandinsky, der Maler7 , welcher über gute Kontakte zur revolutionären Regierung verfügte). Das Erlebnis gräbt sich ihm tief ein. Paradoxerweise wird Kojeve gerade in der Tscheka-Haft zum Sympathisanten des Kommunismus. Sein Biograph Dominique Auffret ("Alexandre Kojeve - La Philosophie, l'Etat, la finde l'Histoire", 1990 bei Grasset in Paris; ein etwas wirres, aber materialreiches Buch) bestätigt das. Nach Zeugen hat Kojeve in der Oktoberrevolution eine "wesentliche Sache für die Weltgeschichte" gesehen und zeigte sich von den revolutionären Ideen fasziniert: er habe "Die Notwendigkeit des Kommunismus" begriffen. (Schon der 16jährige also steckte tief in den Klauen der Geschichtsphilosophie mitallihren trügerischen Fernsichten.) Umso härter trifft es Kojeve, daß ihm die Universität Moskau 1919 wegen seiner großbürgerlichen Herkunft die Zulassung verweigert. Mit seinem Freund Georg Witt, einem Rußlanddeutschen, beschließt er die Auswanderung. 1920 überschreiten sie illegal die Grenze nach Polen. Dort werden sie als angeblich bolschewistische Agenten eingesperrt, kommen nach einiger Zeit wieder frei 8 und fahren nach Berlin. Während Kojeve eine Italienreise macht, begibt sich Witt im Auftrag seines Freundes9 heimlich nach Moskau und kommt von dort Mitte November 1920 mit den von Lernkul hinterlassenen Juwelen zurück. In Deutschland teilen sich die Freunde den Schatz und haben von nun an keine materiellen Sorgen mehr. Während Witt in Berlin ein "tumultöses Leben" (so Auffret) im Roaring-Twenties-Stil führt, will Kojeve seine Bildung noch erweitern: in Heidelberg studiert er Sanskrit, die Sprachen Tibets und Chinas, dann die östlichen Philosophien. Um 1923locken die Wilden Zwanziger Jahre auch ihn; er zieht wieder nach Berlin, wo Freund Witt sich inzwischen der Filmwelt angeschlossen hat, und führt dort längere Zeit ein recht mondänes Leben. Immerhin finden seine Studien 1926 in Heidelberg mit einer Promotion über "Die religiöse Philosophie Wladimir Solowjeffs" [218] (Doktorvater ist Karl Jaspers) einen regulären Abschluß. Im gleichen Jahr zieht Alexandre Kojeve mit einer schönen Russin (die später seine Frau wird) nach Paris 10, wo er sich niederlassen will. Niederlassen ist allerdings ein Euphemismus: Kojeves Leben ist auch weiterhin unstet; man wechselt von einem Hotel ins andere; die Studien gelten Japan, dem Islam und der Patristik, später sogar (und sehr intensiv) der Mathematik und der Physik. (Für seinen Onkel Kandinsky, nun am Bauhaus in Dessau, schreibt er eine Einführung in die Geheimnisse der Physik.) 11 1929 zieht Kojeve mit seiner Frau in ein geräumiges Haus in einem vornehmen Vorort von Paris, das sie mit einem russischen Freund aus Berlin teilen; sie führen dort ein "großes Leben" (so wiederum Biograph Auffret). Doch 1930- Kojeve ist nun 28 Jahre alt- kommt die Verstoßung aus dem irdischen Paradies. Er verliert in einem Börsenkrach sein beträchtliches Vermögen. 1930 ist ein tiefer Einschnitt. Alexandre Kojeve muß von nun an seinen Lebensunterhalt selber verdienen - er tut das mit Lehrveranstaltungen und mit einer be-

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scheidenen Stellung als Bibliothekar. Daß er immer noch Ausländer ist, versperrt ihm Berufe, die seinen Fähigkeiten entsprochen hätten. (1936 beantragte er die Einbürgerung, die ihm 1937 gewährt wird.) Die Ehe mit Cecile Schutak wird 1931 geschieden - weniger aus materiellen Gründen als wegen Kojeves strikter Weigerung, Kinder zu haben. Von nun an lebt der Frauenfreund mit einer wesentlich jüngeren russischen Studentin großbürgerlicher Herkunft, Nina Iwanow. Sie akzeptiert seine beiden Bedingungen - keine Kinder, auch will Kojeve keine zweite Ehe eingehen - und bleibt bis zuletzt an seiner Seite. Die bescheidene Wohnung im kleinbürgerlichen Vorort Vanves in der südlichen Banlieue (erster fester Wohnsitz, bis zum Tode während) bekommen nicht einmal die Freunde zu sehen. Das Zusammensein mit den Freunden, dessen Kojeve bedarf, spielt sich in den Pariser Cafes und Restaurants ab. Vor sein Privatleben zieht er von nun an strikt den Vorhang. Die mageren Jahre dauern bis in die zweite Hälfte der vierziger Jahre. Ohne den Einschnitt von 1930 wäre Kojeve vielleicht zu einem Müßiggänger geworden, der in jeder Wissenschaft besser Bescheid weiß als die Fachleute. Er nahm jedoch die Herausforderung an und baute sich hintereinander zwei Berufswelten auf, mit denen er nicht wenigen Zeitgenossen unentbehrlich wurde und den Nachfahren folgenreiche Erbschaften hinterließ. Die erste schuf er sich schon in den 30er Jahren; die zweite (sie löste die erste nicht ab, sondern lief ihr parallel) nach 1945. Daß hinter diesen beiden Lebensleistungen die Person Kojeves zurücktritt, wird darin drastisch sichtbar, daß selbst der Zweite Weltkrieg keine äußere Dramatik mehr in das Leben dieses russischen Juden mit französischem Paß zu bringen vermochte. Kojeve blieb in Frankreich und überstand, wie Gertrude Stein 12 , die deutsche Besatzung 1940-194413 . In den späten 50er Jahren konnte ich einen flüchtigen Blick auf Alexandre Kojeve werfen. Carl Schmitts Tochter Anima bat mich, sie in das Pariser Intellektuellencafe Deux Magots zu begleiten, wo sie Kojeve einen Brief ihres Vaters zu über[219] geben hatte 14 . (Carl Schmitt soll damals der einzige lebende Deutsche gewesen sein, für den sich Kojeve geistig noch interessierte.) Wir setzten uns dort auf die Terrasse gegenüber der Kirche von Saint-Germain-des-Pres und warteten. Er kam bald, und wir erkannten ihn nicht nur an dem suchenden Blick. Ich habe nie wieder einen solchen "Mann ohne Eigenschaften" gesehen. Ein großer, schlanker, graumelierter Herr in einem lässigen, aber sichtlich von einem erstklassigen Schneider angemessenen hellgrauen Anzug. Das Gesicht war außerordentlich schön geschnitten, aber ohne den geringsten Hinweis auf Alter, Herkunft, Beruf, Stimmung. Die Sprache ein akzentfreies, perfektes Deutsch, aber durchsichtig wie Glas. Er setzte sich zu uns zwei Kaffeetrinkern, ließ sich vom Gar~on (dem er bekannt war) ein Glas Wasser (aus der Leitung, kein Perrier) bringen, wechselte höfliche Worte ohne jeden persönlichen Klang, nach zehn Minuten ging er mit dem Brief Carl Schmitts so leise wieder davon wie er gesprochen hatte.

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KOIEVE ALS EUROKRAT Kojeves Ruhm ist bis heute esoterisch geblieben: noch ist er keine Sache der Medien, nur der Kenner. Der erste, von dem ich, in den späten 40er Jahren den Namen Kojeve hörte, war der jüdische Messianist Jacob Taubes. "Heidegger in Ehren", meinte er, "aber der große Philosoph unserer Lage ist Kojeve .. ."In seinen späten Jahren gab Taubes dann sogar öffentlich zu, daß alles, womit er jahrzehntelang verblüfft hatte, auf Ideen von Kojeve zurückging. Beeindruckt hatte mich natürlich, daß Carl Schmitt - sein scharfes Urteil über berühmter Zeitgenossen war ja bekannt - stets mit Respekt von Kojeve als von einem Gleichrangigen sprach. In Frankreich ist es heute, mehr als zwei Jahrzehnte nach Kojeves Tod, eine sogar von den Universitäten abgesegnete historische Feststellung, daß der als Flüchtling nach Frankreich gekommene Kojeve mit seinen zwischen 1933 und 1939 alljährlich abgehaltenen Seminaren über Hegels "Phänomenologie des Geistes" die französische Philosophie von gallischer Nabelschau befreit und ihr den Anschluß an die großen geistigen Strömungen unseres Jahrhunderts ermöglicht habe. Das will etwas heißen bei einem Mann, der zu seinen Lebzeiten nie die angestrebte französische Professur erhielt und seine Heget-Seminare nur in einem der Universität vorgelagerten Forum, der "Ecole Pratique des Hautes Etudes" in Paris 15 , abhalten konnte. Wie hat es Kojeve geschafft, trotz zahlreicher Handikaps international den Ruf eines Weisen zu erringen? Auffret zitiert in seiner Kojeve-Biographie eine Dame, die an jenen Seminaren teilnehmen durfte: "Kojeve war gleichzeitig sehr bescheiden und sehr selbstbewußt Er konnte einem sagen: Gut, ich bin ein Genie, das hat die Leute immer an mir geärgert, aber ich sage es eben, weil es wahr ist ..." Kojeves Seminare waren nach der Regel "versteck dich, damit du auffällst" angelegt. Er gab vor, nicht seine eigenen Ideen vorzutragen, sondern die Worte eines Größeren zu interpretieren und so erst zu erschließen. Kojeve ist kein großer Schriftsteller - das kann einer, der in zu vielen Sprachen aufgewachsen ist, wohl auch kaum sein. Aber er muß ein phänomenaler Redner gewesen sein, der alle Register zwi- [220] sehen leise und hart, zwischen Ernst und Sarkasmus, zwischen Theorie und brutaler Direktheit zu ziehen vermochte. Die Montagnachmittagsseminare in der Praktischen Schule der Hohen Studien waren das Netz, mit dem sich Kojeve die Multiplikatoren einfing, die dann in Frankreich (und bald auch über die französischen Grenzen hinaus) seinen Ruhm verkündeten und seine Vision vom Ende der Geschichte und vom homogenen Universalstaat verbreiteten. Zu den Seminaren wurde nicht mit Trara öffentlich eingeladen - man lud gezielt Einzelne ein, von denen man wußte, daß sie die Ehre der Einladung zu einer so exklusiven Veranstaltung zu schätzen wußten, und diese wiederum führten andere Auserwählte in die Runde ein, et cetera. So brachte Kojeve das Kunststück fertig, daß die meisten Häupter der damaligen oder kommenden Denkschulen Frankreichs kurze oder längere Zeit zu seinen Füßen saßen, vom Liberalkonservativen Raymond Aron und dem Christ-Demokraten Merleau-Ponty 4 Schmittiana VI

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über den Surrealistenhäuptling Breton bis zum Starpsychoanalytiker Lacan und zum Idol der Postmoderne Georges Bataille (der stets betonte, daß er ohne Kojeve sein Werk nie vollendet hätte) 16• Eine Legende ist hingegen, daß auch das existentialistische Schulhaupt dabei war- doch hat sich Sartre immerhin intensiv mit einem Bericht über das Seminar beschäftigt 17 • Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Kojeve sein Leben als Lehrer der Weisheit (Guru könnte man auch sagen) weiter, baute sich jedoch daneben noch ein zweites Leben auf, von dem selbst nahe Freunde von ihm nichts wußten (und das den Medien bis zu seinem Tod unbekannt blieb). Den Anstoß dazu gab ein neun Jahre jüngerer Mann, der eifriger Hörer im Regel-Seminar gewesen war und darüber zu einem großen Verehrer Kojeves wurde: Robert Marjolin - ein hoher Ministerialbeamter; während des Krieges Wirtschaftsberater von de Gaullein London; nach der Befreiung Frankreichs in die Schlüsselstellung eines Direktors der "Direction des Relations Economiques Exterieures"(D.R.E.E.), Schaltstelle für den Außenhandel im Pariser Wirtschaftsministerium, eingerückt 18 . Marjolin gehörte zu dem um Jean Monnet versammelten Kreis von Europa-Technokraten, die sich in Frankreich in den Kopf gesetzt hatten, auf dem Weg über die wirtschaftliche Vereini~un~ Europas der ,,Nationalstaaterei mit ihren ewigen Wirren" zunächst auf diest:m Kontinent ein Ende zu machen. Sie hatten also, wie Kojeve, den Weg zum Weltstaat eingeschlagen -jedoch mit optimistischeren Parolen als der kosmopolitische Flüchtling mit seiner zur zweiten Natur gewordenen Unbehaustheit. Als Marjolin im Herbst 1945 Kojeve zu einem Sonderbeauftragten (charge de mission) in seinem Amt ernannte, tat er das wohl in erster Linie, um ihn aus seiner Misere herauszuholen, und dann wohl auch, um die Fachleute im Amt durch einen genialen Außenseiter auf neue Ideen zu bringen. Es stellte sich jedoch bald heraus, daß Kojeve mit siener Weitläufigkeit, seiner überdurchschnittlichen Intelligenz und Sprachenkenntnis, durch seine Vertrautheit mit den Geisteswissenschaften, den Naturwissenschaften und der Mathematik für den Beruf eines Wirtschafts[221] und Finanzdiplomaten optimal geeignet war. Er wurde bald zu einem der führenden französischen Vertreter beim Errichten des europäischen Vertragswerks; als Verhandlungspartner war er wegen seiner sarkastischen Souveränität bei den Delegierten der anderen Länder so gefürchtet wie respektiert. Auffret druckt in seiner Kojeve-Monographie ein Interview mit dem früheren französischen Ministerpräsidenten Raymond Barre ab,·der als junger Nationalökonom Kojeve bei Verhandlungen beobachten konnte. Barre bestätigt Kojeves Fähigkeit, ihm noch unbekannte Wissensgebiete sich blitzschnell und gründlich anzueignen; er hebt seine "evidente und erdrückende geistige Übelegenheit" und seine Fähigkeit zur "Synthese" komplizierter Sachverhalte hervor, desgleichen seinen "eisigen Humor". Kojeves Leitspruch sei gewesen: "Das Leben ist eine Komödieaber wir müssen sie ernsthaft spielen". Barres Fazit lautet, daß Kojeve sich mit seiner Überzeugungskraft, seinem taktischen Spürsinn, seinem je nach Bedarf eingesetzten Zynismus immer durchgesetzt habe: "Für Frankreich war er ein exzellenter

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Verhandlungsführer. Er hatte großes Verständnis für die Interessen unseres Landes. Gleichzeitig aber setzte er sich internsiv für die Rekonstruktion Europas und für die internationale Zusammenarbeit ein 19." Das ist das schöne Lob eines französischen Ministerpräsidenten für den eingebürgerten Flüchtling. Hellhörig werden wir jedoch, wenn Barre erzählt, das Kojeve sich im Gespräch mit besonderer Vorliebe mit den "Beziehungen zwischen Reflexion und der Aktion" befaßte. Es ist ein alter Traum der Philosophen, ihre Ideale in der Praxis zu verwirklichen. Kojeve ist einer der wenigen Philosophen, dem das ein Stück weit vergönnt war. Freunde Kojeves berichten, mehr als seine Bücher habe es ihn mit Stolz erfüllt, daß sich bei der Regelung der Zollprobleme im europäischen Vertragwerk sein Standpunkt durchsetzte. Über Kojeves Vision eines Zusammenfallens der Rollen des Denkers und des Herrschers ist es zu einem denkwürdigen Gelehrtenstreit mit einem anderen Flüchtlingsphilosophen gekommen, dem dieser Gedanke nicht geheuer war: Leo Strauss (dokumentiert in dessen Buch "Über die Tyrannei"). Wir begnügen uns mit der Feststellung, daß Alexandre Kojeve 1968 im Dienst als Europa-Diplomat gestorben ist - und zwar, nachdem es ihm gelungen war, diesen Dienst über die Pensionsgrenze hinweg zu verlängern. Er starb in Brüssel an Herzschwäche, mutterseelenallein. ZWEIFEL EINES LIBERALEN In der Vision vom Ende der Geschieht und vom homogenen Weltstaat steckt eine Schwäche, die immer wieder durchbricht. Die Vorstellung, daß sich alles Einzelne zu immer größeren Einheiten zusammenschließt, hat zwar ihre Faszination wie jede große Gebärde. Doch bei den von dieser Vision Ergriffenen meldet sich früher oder später die Frage: Und wenn wir den Weltstaat erreicht haben - was dann? Sind dann wirklich alle Spannungen verschwunden oder ballen sich neue Spannungen zusammen, die wir uns vorerst gar nicht vorstellen können? Oder, [222] wenn die Spannungen im SinneHegels alle "aufgehoben" wären (sich erledigt haben)- was könnnten wir dann überhaupt noch tun, was bliebe unser Leben? Der Vulgarisator von Kojeve, Francis Fukuyama, hat uns brutal Jahrhunderte voller Langeweile in Aussicht gestellt20• So einfach macht Alexandre Kojeve es sich nicht. Er hat zweimal gezielt auf die eben zitierten Fragen geantwortet. Das erste Mal kurz (etwa 20 Zeilen) in der 1947 in Paris erschienenen Erstausgabe seines Hauptwerkes ,,Einführung in die Lektüre von Hegel"21 . In dieser sogenannten "Notiz von 1947" lesen wir über das Ende der Geschichte: "Die Welt der Natur bleibt wie sie von Ewigkeit her ist. Und es findet auch keine biologische Katastrophe statt: der Mensch bleib am Leben, das Tier, das in Übereinstimmung mit der Natur und dem vorgegebenen Sein lebt. Was verschwindet ist nur der Mensch im eigentlichen Sinne des Wortes, der dieses vorgegeben Sein negiert . . ." Praktisch ist damit gemeint "das Aufhören der Kriege und der blutigen Revolutionen. Eben4*

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so verschwindet die Philosophie: wenn der Mensch sich nicht mehr wesentlich verändert, so brauchen wir auch nicht die Prinzipien zu verändern, auf denen unsere Kenntnis der Welt und von uns selbst beruht." Und nun kommt der Satz, mit dem uns der Weise Kojeve den Weltstaat schmackhaft zu machen versucht. "Aber alles andere bleibt unbegrenzt bestehen: die Kunst, die Liebe, das Spiel usw.; kurz: alles, was den Menschen glücklich macht." Auch dieses Modell Kojeves hat seine Schwäche. Ein nicht, wie Kojeve, von vomherein auf Konfliktvermeidung drängender Mensch wird sich natürlich fragen, ob die Kunst, die Liebe, das Spiel und "alles, was den Menschen glücklich macht", wirklich von der Aufhebung der Spannungen nicht betroffen werden. Bedürfen sie nicht vielmehr dieser Spannungen ebensosehr wie alles, was der Mensch tut? Es gibt keine Kunst ohne den Gegensatz des Ungeformten, von dem sie sich abhebt; wir sind der Liebe nicht fähig, wenn wir den Schmerz nicht erfahren; das Spiel fallt und nur leicht, solange wir vergessen, daß ihm der Tod ein Ende machen wird. Hier stehen sich nicht einfach zwei verschiedene Formen des Denkens gegenüber. Es prallen vielmehr zwei völlig konträre Verhaltensweisen gegenüber der Wirklichkeit aufeinander: die eine sucht sie auf vernünftige Abläufe zu reduzieren- die andere akzeptiert sie in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit und Fülle. Auf welche Seite Kojeve und mit ihm die Liberalen gehören, liegt offen zutage. Allerdings ist Alexandre Kojeve nicht mit dem einfachen Gemüt von Fukuyama gesegnet. Bei aller Besessenheit durch das systematische Denken war ihm nicht ganz verschlossen, was dem anschaulichen und damit paradoxen Denken auffällt. Das ist der zweiten, wesentlich umfangreicheren "Notiz von 1962" zu entnehmen, in der er 15 Jahre später noch einmal auf die Problematik der Spannnungslosigkeit eingeht; sie wurde in die 1962 erschienene zweite Auflage seines Hauptwerkes aufgenommen. In dieser ,,Notiz von 1962" ist Kojeve gleich zu Beginn so ehrlich, den von uns hervorgehobenen Satz aus der "Notiz von 1947" über Kunst, Liebe, Spiel -er wurde schon öfters zur Rechtfertigung der permissiven Gesellschaft von [223] heute herangezogen- als einen Irrtum zurückzuziehen. Wenn der Mensch wieder zum (sanften!) Tier werde, so könnten auch seine Künste, Lieben, Spiele nur "natürlich" sein. Dafür zitiert er charmante Beispiele: "Die Menschen würden Gebäude einrichten wie die Vögel Nester flechten, sie würden Konzerte nach der Art der Kröten und Zikaden veranstalten .. . Die Tiere der Gattung Homo sapiens würden mit konditionierten Reflexen auf akustische und mimische Signale reagieren und ihr sogenannter ,Diskurs' würde wohl der angeblichen ,Sprache' der Bienen sehr ähnlich sein." Und Kojeve faßt zusammen: "Aber man darf nicht sagen, daß dies alles den Menschen glücklich machen würde." Hut ab vor diesem freiwilligen Widerruf, ohne einen Kommissar im Rücken ... In diesem Zusammenhang bleibt einem die Luft weg, wenn bald darauf im gleichen Text kühl vermerkt wird, daß diese animalische Variante nach-geschichtlicher Existenz sich im American Way of Life bereits verwirklicht habe. Man erinnert sich, daß Kojeve beim Tod Stalins seinen Freunden klagte, er habe einen Vater ver-

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Ioren (was zu Unrecht von Kritikern zu "Ironie" verharmlost wurde - es war durchaus ernst gemeint) 22. In der FAZ (12. 9. 1990) wies Henning Ritter darauf hin, daß Kojeve im Januar 1957 im Düsseldorfer Industrieclub Henry Ford als Vollstrecker von Karl Marx vorstellt23 . Der Marxismus sei deshalb nicht gescheitert, weil ihn die Kapitalisten ernst genommen und sich im Sinne der Geschichte verändert hätten - was ohne den Marxismus nicht geschehen wäre. Das alles fügt sich zu einem Netzwerk zusammen, und auch der in der "Notiz von 1962" jählings aufblitzende Einfall Alexandre Kojeves von der "Demokratisierung des Imperialen Deutschland durch den Hitlerismus" gehörte in diesem großen Zusammenhang. Das eigentlich Aufregende dieser "Notiz von 1962", die Kojeve sechs Jahre vor seinem Tod niederschrieb, ist jedoch seine Entdeckung einer anderen Variante nachgeschichtlicher Existenz, von der er hofft, sie möge uns einen Weg arn American Way of Life vorbei weisen. Eine Japan-Reise von 1959 war für Kojeve ein Erweckungserlebnis- nun erhoffte er, zum mindesten für eine Elite(!), das Heil von einer "Japanisierung der Westler (die Russen inbegriffen)". Japan hat für ihn den unschätzbaren Vorteil, dank der Liquidation des Feudalismus durch Hideyoshi und durch die künstliche Isolierung des Landes durch seinen Nachfolger Yiyeasu, eine 300 Jahre dauernde nach-geschichtliche Periode, ohne jeglichen Krieg oder Bürgerkrieg, erlebt zu haben24 . Das wirkte deutlich bis heute nach. Die treibende Kraft sieht Alexandre Kojeve in einem "spezifisch japanischen Snobismus", der an die Stelle von Religion, Moral und Politik getreten sei und zu einer durchritualisierten Gesellschaft geführt habe. Das Wort von der "durchritualisierten Gesellschaft" findet sich nicht wörtlich in der "Notiz von 1962" - aber es läuft darauf hinaus, wenn Kojeve von den "total formalisierten Werten" in Japan spricht wie auch von der Tendenz, "sich als eine reine Form sich selber und den anderen gegenüberzustellen". Damit streckt dieser Liberale seinen Kopf doch wohl sehr weit aus dem Fenster hinaus und wagt sich in Gefilde vor, die für einen durchschnittlichen Liberalen Tabu sind. Wer, wie der späte Kojeve in seiner jähen Begeisterung für Japan, weder im Moralischen noch [224] in Entwicklungsvisionen mehr den Grundantrieb der Großen Politik erkennen will, der hat den Bereich des liberalen Konsens verlassen. I a) B. (= Karlheinz Weißmann [geb. 1959]), ,,MOHLER, Annin", S. 381 - 382 in Caspar von Schrenck-Notzing (geb. 1927) (Hrsg.), Lexikon des Konservatismus, Graz/ Stuttgart: Stocker Verlag, 1996, 608 S. Für Mohlers (vor allem politische) Positionen und Begriffe ist eine Studie von Ralf Walkenhaus (geb. 1960) wichtig: ,,Annin Mohlers Denkstil", in: Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 9. Jahrg. = 1997, S. 97- 116. - Vgl. S. 80 FN 18. b) A. Mohler, (a) ,,Der Weg der ,Technokratie' von Amerika nach Frankreich", S. 579 596 in v.a., Epirrhosis. Festgabe für Carl Schmitt, Berlin: Duncker & Humblot, 1968, S. VIII + 413 - 778 S.; (b) "Howard Scott und die ,Technocracy'. Zur Geschichte der technokratischen Bewegung, II", S. 249 - 297 in v.a., Standorte im Zeitstrom. Festschrift für Amold Gehlen zum 70. Geburtstag am 29. Januar 1974, Frankfurt a.M.: Athenäum Verlag, 1974, VI428 s. c) A. Mohler, (a) "Bio-bibliographischer Anhang", S. 39 - 70 in Julien Freund (1921 1993), Georges Sorel (1847 - 1922). Geistige Biographie, München: Carl Friedrich von Sie-

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mens Stiftung, 1977,70 S., Nr. 23 in der Reihe ,Themen'; (b) "Georges Sore! (1847- 1922)", in: Critic6n (München), 27. Jahrg., Nr. 154 (April-Juni 1997, S. 83- 86), 155 (Juli-September 1997, S. 141 - 144) und 156 (Oktober-Dezember 1997, S. 200- 204). 2 A. Mohler, Die Konservative Revolution in Deutschland 1918 - 1932. Grundriß ihrer Weltanschaaungen, Stuttgart: Vorwerk, 1950, 288 S. Doktorvater war der Philosoph Kar! Jaspers (1883- 1969). Mohler hat seine Promotionsgeschichte erzählt in seiner Aufsatzsammlung: Tendenzwende für Fortgeschrittene, München: Critic6n Verlag, 1978, 207 S., Nr. 1 in der "Critic6n-Bücherei'; dort S. 175- 188: ,,Eine Promotion in Basel". 3 P. Tommissen, ,,Reminiszenzen aus vier Jahrzehnten", S. 139- 149 in U. Fröschle, M. J. Klein und M. Paulwitz (Hrsg.), op. cit. [S. 29 FN 5]. 4 A. Mohler in einem Interview mit Antonio Gnoli und Franeo Volpi, "Schmitt & Jünger visti da vicino", in: La Repubblica (Rom), 10. Dezember 1996, S. 4. s Nach seiner Flucht aus der ehemaligen DDR (1957) promovierte Hans-Dietrich Sander (geb. 1928) in Erlangen bei Hans-Joachim Schoeps (1909 - 1980) über eine stark von C.S. beeinflußte Arbeit, die als eine wahre ideengeschichtliche Fundgrube bezeichnet werden darf: Marxistische Ideologie und allgemeine Kunsttheorie, Tübingen: Mohr + Basel: Kyklos Verlag, (1970) 1975 (um drei wichtige Exkurse vermehrt), VII-400 S. 1989 gründete er die Zeitschrift "Staatsbriefe" und veröffentlichte fast gleichzeitig im eigenen Verlag Castel del Monte (München) das ebenfalls für die Ideengeschichte fruchtbare, J. Taubes [S. 94] gewidmete und sich mit ihm auseinandersetzende Buch: Die Auflösung aller Dinge. Zur geschichtlichen Lage des Judentums in den Metamorphosen der Moderne, o.J. (=1989), 212 S. Vgl. die eigenwillige autobiographische Skizze in einem Band politischer Aufsätze: Der nationale Imperativ. Ideengänge und Werkstücke zur Wiederherstellung Deutschlands, Krefeld: SinusVerlag, 1980, 177 S., Nr. 6 in der Reihe ,Gegenwart und Zeitgeschichte'; dort S. 168- 174: ,,Nachwort zur Person". Über ihn, vgl. u. a. Günter Zehm, "Vom Marxisten zum Demaskierer. Der Publizist Hans-Dietrich Sander wird siebzig", in: Junge Freiheit (Berlin), 13. Jahrg. Nr. 25, 12. Juni 1998, S. 4.- Vgl. auch S. 62 FN 21. 6 a) A.K.s Vater Wladimir Kojewnikow, Sproß einer begüterten Händlerfamilie und Artillerieoffizier, wurde im März 1905 in der Nähe von Mukden schwer verwundet und starb im Lazarett. Seine Mutter, Alexandra Mitrofanowna Ouchakowa, die das Vermögen ihres Großvaters Konschin geerbt hatte, heiratete kurz nach seinem Tod den Juwelier Lemkul, einen Regimentsfreund seines Vaters. Nach dessen Ermordung ging A.K.s Mutter eine dritte Ehe ein, diesmal mit Petr Kondratiew, der, in seiner Eigenschaft als Wissenschaftler (er war Astronom), die Sowjet-Union nur einmal (zusammen mit seiner Frau) verlassen durfte (im Sommer 1926). b) Es ist zu beachten, daß Kojeve eigentlich Kojewnikow hieß; die Namensänderung fand im Zuge seiner französischen Einbürgerung (Januar 1937) statt [1, S. 431]. 7 a) A.K.s Großvater väterlicherseits heiratete Lydia 1ikheewa, die aus ihrer ersten Ehe einen Sohn, den späteren Maler Wassily Kandinsky (1866- 1944), mitbrachte. Infolgedessen war A.K. der Neffe des berühmten Malers. b) Es ist nicht unwichtig daraufhinzuweisen, daß A.K. auch mit anderen Verwandten gute und oft enge Beziehungen pflegte, z. B. mit seiner Nichte Liletschka, die mit Mela verehelicht war, einem Enkelsohn des berühmten Archäologen Heinrich Schliemann (1822- 1890) [I, S. 428]. s Sie wurden wohl- Ende Juni 1920?- entlassen, weil Witt [S. 42 F 13] deutscher Herkunft war [I, S. 83]. A.K. hatte sichjedoch im Gefängnis eine Typhusinfektion zugezogen und sich in der Pflegerin verliebt: seitdem zog das Ewigweiblichte ihn hinan. Sogar in Japan ist es noch zu einem "amourösen Abenteuer" gekommen (LXXVI-a, S. 99). Vgl. auch I, S. 148: " ... Sofern man die Zeugnisse, von Allan Bloom bis Fran~ois Ch/Jtelet oder Paul Fabra- um nur einige zu nennen - , Glauben schenken darf, liebte Kojeve es bis am Ende seines Lebens, über seine Erfolge bei brillanten Frauen zu reden."- Über A. Bloom, vgl. S. 116 Br f FN 1 Punkt b); Fr. Chatelet [vgl. LXVIII], der sich immer als Schüler von A.K. und Erle Weil

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[S. 87 Punkt 16] bekannte, trat 1970 in Vincennes die Nachfolge des berühmten Philosophen Michel Foucault (1926- 1984) an; P. Fabra (geb. 1927) schrieb das wichtige Buch: L'anticapitalisme. Essai de rehabilitation de l'economie politique, Paris: F1ammarion, (1969) 1979, 505 S., Nr. 45 in der Reihe ,Champs'. 9 ,Jm Auftrag seines Freundes"? Das wird jedenfalls nicht bestätigt von Auffret [I, S. 100]. Mitte November 1920 traf Witt mit den Juwelen in Berlin ein und, wie Mohler richtig schreibt, teilten die beiden Freunde sich den Schatz [1, S. 118].

w A.K. machte im Sommer 1924 die Bekanntschaft der gleichaltrigen Cäcilie Leonidowna Schutak, einer Schwägerin von Koyre [S. 76], mit dem er sich sofort anfreundete. Die bürgerliche Ehe des Paares fand am 11. Januar 1927 in Paris statt, die Scheidung wurde am 22. Oktober 1931 ausgesprochen. Die Trennung hat die Freundschaft zwischen A.K. und Koyre keineswegs beeinträchtigt [1, S. 154]. II Ich bezweifle, daß das stimmt. Ich glaube vielmehr, daß seine Kontakte und Gespräche mit Koyre [S. 77] A.K. zur Abfassung dieser Einführung veranlaßt haben. Das Buch ist posthum von Auffret hrsg. worden [VIII]. 12 Die amerikanische Schriftstellerin Gertrude Stein (1874 - 1946) wurde 1903 in Paris seßhaft. Sie sammelte Gemälde und empfing in ihrem Appartement Künstler und Autoren die sie, nach ihrem Bruch mit Emest Hemingway (1899- 1961), als die ,lost generation' qualifizierte. Vgl. den kurzen, aber informativen Artikel von Fran~oise Collin, "Gertrude Stein: et si. Unegeneration retrouvee", in: Les Nouvelles litteraires (Paris), 55. Jahrg., Nr. 2633, 27. April-3. Mai 1978, S. 6.

13

Vgl. jedoch S. 70- 71 (Anlage).

14

Vgl. S. lll (Briefe) bzw. S. ll2 (Brief 4).

15

Die ,Ecole Pratique des Hautes Etudes' wurde 1868 vom Unterrichtsminister Victor Du-

ruy ( 1811 - 1894) gegründet. Sie bereitet auf Forschung vor, hat das Promotionsrecht und ver-

leiht obendrein ein eigenes Diplom. Sie umfaßt z.Zt. fünf Abteilungen (,sections' ): Mathematik; Fysik und Chemie; Naturwissenschaften; Historische und Philologische Wissenschaften; Religionswissenschaften. 16 Vgl. Batailles erstaunlicher Ausspruch (wahrscheinlich aus dem Jahre 1944) in: