Schauspielen im Stummfilm: Filmwissenschaftliche Untersuchungen zur Berufsentwicklung im Wien der 1910er und 1920er Jahre 9783839448588

Das Berufsbild von Stummfilmschauspieler_innen ist als historischer Gegenstand der Filmwissenschaft bisher wenig beachte

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Schauspielen im Stummfilm: Filmwissenschaftliche Untersuchungen zur Berufsentwicklung im Wien der 1910er und 1920er Jahre
 9783839448588

Table of contents :
Inhalt
1. Einführung I: Der Stummfilmschauspieler als Forschungsgegenstand
2. Einführung II: Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle
3. Ausgangssituation: Die Kinematografie als zusätzliches Betätigungsfeld für Schauspieler
4. Beruf „Kinokünstler“ I: Die Herausbildung des Berufsbildes in der stummfilmästhetischen Schauspielertheorie
5. Beruf „Kinokünstler“ II: Die Herausbildung des Berufsbildes in der stummfilmspezifischen Arbeitspraxis
6. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I: Konsequenzen der realen Arbeits- und Ausbildungssituation für die Verberuflichung
7. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ II: Exkurs zum Berufsbild des Stummfilmstars
8. Ausblick und Resümee
Quellenverzeichnisse
Filmverzeichnis
Anhänge

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Anna Denk Schauspielen im Stummfilm

Film

Für meine Eltern

Anna Denk (Dr. phil.), geb. 1986, hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien und an der University of Illinois at Urbana-Champaign, USA, studiert und mit einer Diplomarbeit über das Verbot der Stummfilmerklärer in Wien abgeschlossen. Sie promovierte über den Beruf des Stummfilmschauspielers im Kontext der Wiener Filmgeschichte. Sie ist Projektmitarbeiterin im Filmarchiv Austria und zudem Autorin diverser Kurzbiografien österreichischer Filmschaffender.

Anna Denk

Schauspielen im Stummfilm Filmwissenschaftliche Untersuchungen zur Berufsentwicklung im Wien der 1910er und 1920er Jahre

Gefördert durch das Forschungsstipendium 2013 der Universität Wien und die Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2020 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Korrektorat: Mag. Susanne Spreitzer Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4858-4 PDF-ISBN 978-3-8394-4858-8 https://doi.org/10.14361/9783839448588 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Inhalt

1.

Einführung I: Der Stummfilmschauspieler als Forschungsgegenstand | 9

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Zielsetzung | 10 Begriffsklärung | 12 Forschungsstand | 19 Gliederung | 25 Stilistische Anmerkungen | 28

2.

Einführung II: Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 31

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

Bedeutung für die filmhistorische Forschung | 32 Bestandslage in den Wiener Bibliotheken | 34 Entstehung und Entwicklung bis 1930 | 38 Differenzierung der Erscheinungsformen | 48 Methodische Herangehensweise | 51 Formale Anmerkungen | 58

3.

Ausgangssituation: Die Kinematografie als zusätzliches Betätigungsfeld für Schauspieler | 61

Der Schauspielerberuf an der Wende zur Moderne | 62 3.1.1 Prekäre Arbeitsverhältnisse | 64 3.1.2 Der Wandel des herkömmlichen Berufsbildes | 68 3.1.3 Exkurs: Sarah Bernhardts Vorbildwirkung | 72 3.2 Motive für die Mitwirkung bei Filmaufnahmen | 75 3.2.1 Finanzielle Erwägungen | 76 3.2.2 Künstlerische Weiterentwicklung | 80 3.2.3 Archivierung schauspielerischer Leistungen | 83 3.3 Widerstand gegen die Nebentätigkeit als Kinodarsteller | 87 3.3.1 Der filmende Bühnenkünstler | 88 3.3.2 Die Filmverbotsabsichten der Wiener Theaterdirektoren | 94 3.3.3 Der Österreichische Bühnenverein als Kinogegner | 107 3.3.4 Die Filmverbotsdebatte aus juristischer Perspektive | 114 3.1

4.

Beruf „Kinokünstler“ I: Die Herausbildung des Berufsbildes in der stummfilmästhetischen Schauspielertheorie | 121

4.1 Definitions- und Differenzierungsansätze Wr. Kulturschaffender | 123 4.1.1 Walter Friedemann und der tüchtige Kinodarsteller | 125 4.1.2 Friedrich Porges und der spezielle Filmkünstler | 128 4.1.3 Victor E. Pordes und die Wirklichkeitstypen | 131 4.1.4 Béla Balázs und die dichtenden Darsteller | 136 4.2 Kontext I: Spielarten stummfilmästhetischer Schauspielertheorien | 143 4.2.1 Der Stummfilmschauspieler als pantomimischer Darsteller | 144 4.2.2 Der Stummfilmschauspieler als tonloser Theaterschauspieler | 149 4.2.3 Der Stummfilmschauspieler als genuiner Kinokünstler | 154 4.3 Kontext II: Zeitgenössische Konzepte des Bühnendarstellers | 158 4.3.1 Festhalten an veristischen Spieltraditionen | 159 4.3.2 Neubewertung des Schauspielerkörpers | 166 4.3.3 Wiederentdeckung der Pantomime | 172 5.

Beruf „Kinokünstler“ II: Die Herausbildung des Berufsbildes in der stummfilmspezifischen Arbeitspraxis | 177

5.1 Erwartungen an das äußere Erscheinungsbild | 178 5.1.1 Physische Attraktivität | 179 5.1.2 Modebewusstes Auftreten | 188 5.1.3 Filmgerechtes Styling | 197 5.2 Anforderungen an das darstellerische Können | 207 5.2.1 Nonverbale Ausdrucksmittel | 209 5.2.2 Zur Frage der „Natürlichkeit“ | 213 5.2.3 Zusätzliche Qualifikationen | 222 5.2.4 Verbale Ausdrucksmöglichkeiten | 226 5.3 Stummfilmspezifische Arbeitspraktiken | 231 5.3.1 Improvisierte Rollengestaltung | 232 5.3.2 Dekorationsbestimmter Szenenablauf | 237 5.3.3 Fehlende Resonanz des Publikums | 240 5.3.4 Turbulente Arbeitsatmosphäre | 243 5.3.5 Exkurs: Unfall-, Verletzungs- und Erkrankungsrisiko | 249

6.

Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I: Konsequenzen der realen Arbeits- und Ausbildungssituation für die Verberuflichung | 257

Das Überangebot an Stummfilmdarstellern | 258 6.1.1 Fehleinschätzung der realen Arbeitsmarktsituation | 259 6.1.2 Möglichkeiten der Engagementsuche/-vermittlung | 265 6.1.3 Beschäftigung im „Heer der Komparsen“ | 274 6.1.4 Aufklärungsarbeit in den Stummfilmzeitschriften | 282 6.2 Die Notwendigkeit einer (stumm-)filmspezifischen Ausbildung | 292 6.2.1 Der Wiener Filmschulskandal | 292 6.2.2 Der Fall „Dr. Franz Ferdinand“ | 303 6.2.3 Seriöse Ausbildungsansätze | 315 6.2.4 Talentsuche in den Publikumszeitschriften | 323 6.3 Der Verband der Filmdarsteller als erste Interessenvertretung | 332 6.3.1 Zielsetzungen und Mitgliederverwaltung | 334 6.3.2 Kollektivvertragliche Vereinbarungen | 341 6.3.3 Kompetenzstreit mit dem Klub der Wr. Filmdarsteller | 347 6.3.4 Soziales Engagement und Rechtsschutz | 351 6.1

7.

Mode- und Traumberuf „Kinostar“ II: Exkurs zum Berufsbild des Stummfilmstars | 357

7.1 Entstehung des Filmstarwesens im europäischen Kontext | 358 7.2 Gemeinsame Merkmale österreichischer Stummfilmstars | 364 7.2.1 Publikumsinteresse | 371 7.2.2 Medienpräsenz | 377 7.2.3 Internationalität | 383 7.2.4 Differenzierung | 387 7.3 Der Fall Liane Haid vs. die Wiener Kunstfilm: Zur Arbeitssituation des ersten österreichischen Stummfilmstars | 392 7.3.1 Abriss des Prozessverlaufs | 393 7.3.2 Liane Haid zu ihrem Engagement bei der Wiener Kunstfilm | 396 7.3.3 Die Wiener Kunstfilm zur Filmarbeit von Liane Haid | 406 7.3.4 Der Prozessausgang und seine Wirkung | 408

8.

Ausblick und Resümee | 411

8.1 8.2 8.3 8.4

Übergang zum sprechenden Filmschauspieler | 412 Resümee I: Zur Genese eines historischen Beruf/sbild/es | 421 Resümee II: Zur quellenhistorischen Herangehensweise | 428 Weitere Forschungsfelder | 432

Quellenverzeichnisse | 435

Stummfilm- und frühe Tonfilmperiodika | 435 Forschungs- und Sekundärliteratur | 470 Archivalien | 488 Gesetzestexte | 490 Auskünfte | 490 Audiovisuelle Quellen | 491 Filmverzeichnis | 493 Tabellenverzeichnis | 497 Abbildungsverzeichnis | 501 Abkürzungsverzeichnis | 505 Anhänge | 507

Anhang A: Verzeichnis österreichischer Stummfilmperiodika | 507 Anhang B: Originalfassungen zentraler Verbandsdokumente | 515 Anhang C: Quellenhinweise zu den österreichischen Stummfilmstars | 529

1. Einführung I: Der Stummfilmschauspieler als Forschungsgegenstand

Noch vor der Jahrhundertwende sorgte eine Erfindung für Furore, die einen wesentlichen Einschnitt in die bisherige Entwicklung der Schauspielkunst und des Schauspielerberufes bedeuten sollte: die Kinematografie. Anfänglich als Attraktion im Unterhaltungs- und Vergnügungsmilieu zu finden, entwickelten sich die „laufenden Bilder“ rasch zur Konkurrenz der Bühnendarbietungen. Vor allem die Bestrebungen, Kunstfilme zu produzieren und dafür erstrangige BühnendarstellerInnen zu engagieren, sollten den Film näher an das Theater heranrücken. Das bot für die SchauspielerInnen einige Vorteile, die nicht ausschließlich finanzieller Natur waren. So war es z.B. erstmals möglich, sich selbst beim Spielen zuzusehen und die eigene darstellerische Leistung für die Nachwelt zu bewahren. Nicht nur Zeitzeugenberichte, Fotografien und Grammophonaufnahmen, sondern auch kinematografische Bilder konnten von nun an von einer schauspielerischen Darstellung zeugen. Doch der Film hatte einen nicht unwesentlichen „Makel“: Er war stumm. Die inhärente Tonlosigkeit stellte das Bild des Schauspielers, das jahrhundertelang geprägt worden war, auf den Kopf. Auch wenn sich die Darstellungsweise immer wieder verändert hatte, so gab es doch mehrere Komponenten, die einen Schauspieler ausmachten. Neben den nonverbalen (mimischen, gestischen und gesamtkörperlichen) Ausdrucksmitteln war der verbale Ausdruck ein zentrales Merkmal des Schauspielers. Die Stimme und die Stimmmodulation waren nicht nur für die Gestaltung der Rolle, sondern auch für das Erleben derselben seitens der ZuschauerInnen wichtig. Nicht ohne Grund war die Stimme das Markenzeichen von so manchem Virtuosen gewesen. Der „Verlust“ der Stimme bedeutete für die Schauspielkunst aber nicht nur neue Wege finden zu müssen, um sich – nur auf nonverbale Ausdrucksmittel gestützt – verständlich zu machen. Ebenso musste der Schauspieler erneut um künstlerische Anerkennung kämpfen, da sich die Zeitgenossen nicht einig waren, ob der Stummfilmdarsteller überhaupt ein Schauspieler bzw. darstellender

10 | Schauspielen im Stummfilm

Künstler war. Während die einen eine eindeutige Nähe zum Pantomimen erkannten, sahen die anderen einen Schauspieler auf der Leinwand, dem der Ton schlichtweg genommen wurde. Nur die wenigsten sprachen schon früh davon, dass die Filmdarstellung ein eigenständiger künstlerischer Beruf sein und sich deshalb von den Konventionen der Bühne lösen sollte. So oder so mussten sich die StummfilmdarstellerInnen aber erst für die Anerkennung ihrer Kunst und ihres Berufsstandes einsetzen. Dabei hatten die TheaterschauspielerInnen bereits jahrhundertelang um Anerkennung sowohl in künstlerischer als auch in gesellschaftlicher Hinsicht gekämpft. Im 19. Jahrhundert kam zudem noch der Widerstand gegen die immer prekärer werdenden Arbeitsbedingungen hinzu. Kurz vor der Jahrhundertwende organisierte sich der Berufsstand schließlich und begann gegen die weitverbreiteten Missstände im Theater, die Bevormundung der Direktoren und die Diskriminierung der weiblichen Bühnenkräfte vorzugehen. Der Film sollte hier Verbesserungen bringen, doch schon bald stellte sich eine diesbezügliche Ernüchterung ein.

1.1 ZIELSETZUNG Überspitzt könnte man also formulieren: Die Erfindung der kinematografischen Bilder bedeutete für die Schauspielkunst und den Berufsstand der SchauspielerInnen „Alles auf Anfang!“. Von diesem Gedanken ausgehend will die vorliegende Arbeit den Beruf des Stummfilmschauspielers/der Stummfilmschauspielerin und dessen Entwicklung bis zum Aufkommen des Tonfilms untersuchen. Ziel ist es zunächst, die Herausbildung eines eigenständigen Berufsbildes nachzuvollziehen. Einen Orientierungspunkt für die Definition des Begriffs bzw. die Bestimmung der einzelnen Bestandteile bietet eine Artikelserie in der österreichischen Illustrierten Mein Film. Die ersten Nummern der Publikumszeitschrift enthalten Beiträge zu „Der Film als Beruf“. Teil I und II beschäftigen sich mit dem Beruf der FilmschauspielerInnen und lassen insgesamt drei Eckpfeiler des Berufsbildes für beide Geschlechter erkennen: (1) Arbeitsanforderungen besonders im Bereich äußeres Erscheinungsbild und darstellerisches Können, (2) Arbeitsbedingungen und Beschäftigungssituation in der Filmbranche, (3) Warnung vor unseriösen Ausbildungsstätten und Bedarf an geeignetem Filmnachwuchs.1

1

Vgl. o.N.: „Der Film als Beruf: I. Der Beruf der Filmschauspielerin“, in: Mein Film 1/3 (1926), S. 8; o.N.: „Der Film als Beruf: II. Der Beruf des Filmdarstellers“, in: Mein Film 1/4 (1926), S. 10.

1. Der Stummfilmschauspieler als Forschungsgegenstand | 11

Die vorliegende Arbeit möchte die drei genannten Eckpfeiler – Arbeitsanforderungen, Arbeitsbedingungen, Ausbildungsmöglichkeiten – aufgreifen und in weiterer Folge nicht nur die Entwicklung hin zu einem eigenständigen Berufsbild verfolgen, sondern auch die Verberuflichung (vgl. Abschnitt 1.2) der filmdarstellerischen Tätigkeit nachzeichnen. Allerdings wird dabei nicht chronologisch vorgegangen bzw. keine lineare Entwicklung bis 1930 konstruiert, vielmehr soll die professionelle Etablierung des Filmschauspiel/er/s an wesentlichen Entwicklungsphasen festgemacht werden: an der Herausbildung eines berufsspezifischen Anforderungsprofils in Abgrenzung zu anderen darstellenden Ausdrucksformen, an der Gründung einer Interessenvertretung als Konsequenz der realen Arbeits- und Ausbildungssituation sowie am Aufkommen eines eigenen Starwesens und dessen Einfluss auf die Beschäftigungssituation. Vor dem Hintergrund schauspieltheoretischer, berufspraktischer und filmökonomischer Kontexte sollen die genannten Entwicklungsphasen erörtert bzw. folgende Fragen, die sich dazu stellen, beantwortet werden: • Was und wer definierte den Stummfilmdarsteller bzw. die Stummfilmdarstel-

lung (Kapitel 4)? • Welche Anforderungen wurden als berufsspezifisch bestimmt (Kapitel 5)? • Welche Arbeitsbedingungen und Ausbildungsmöglichkeiten gab es vor der

Einführung des Tonfilms? Welchen Beitrag leistete der Verband der Filmdarsteller, um den neuen Beruf weiter zu etablieren und zu schützen (Kapitel 6)? • Welche Aufstiegsmöglichkeiten hatten StummfilmdarstellerInnen? Welche Merkmale definierten das Berufsbild des Stummfilmstars (Kapitel 7)? Um die bisher gestellten Fragen zur Entwicklung des Filmdarstellerberufes beantworten zu können, musste primär auf eine zeitgenössische Quelle – die (Stumm-)Filmzeitschrift – zurückgegriffen werden. Diese ist im Vergleich zu anderen Quellen, wie den Stumm(spiel)filmen, beinahe vollständig erhalten und liefert mit ihren umfangreichen und vielfältigen Inhalten einen noch wenig erforschten Pool an Informationen und Daten zum Beruf des Stummfilmschauspielers. Allerdings müssen Letztere verifiziert, d.h. kontextualisiert bzw. quellenkritisch ausgewertet werden, um Fehlschlüsse zu vermeiden. Da die quellenkritische Interpretation der Filmzeitschriften den Kern der Untersuchung bildet, ist der Filmzeitschrift, ihrer Bedeutung für die (stumm-)filmhistorische Forschung, ihrer Entstehung und Entwicklung, der Bestandslage, den Differenzierungsmöglichkeiten und der methodischen Herangehensweise ein eigenes Kapitel gewidmet (vgl. Kapitel 2).

12 | Schauspielen im Stummfilm

Das gewählte Untersuchungsmaterial und die skizzierte Thematik sind sehr umfangreich, weshalb es unerlässlich war, inhaltliche und methodische Grenzen zu setzen. Aus diesem Grund wurden ausschließlich österreichische Stummfilmzeitschriften in ihren vielfältigen Erscheinungsformen ausgewertet. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Entwicklung des Filmschauspielerberufes in Wien bis zum Aufkommen des Tonfilms. Die geografische Eingrenzung ist dadurch zu erklären, dass Wien zum einen das Zentrum der österreichischen Filmindustrie war und zum anderen einen – im Vergleich zu den Grenzen Österreichs – stabilen Ort darstellte. Zur zeitlichen Einschränkung ist hingegen zu bemerken, dass die Erfindung des Tonfilms, dessen Durchsetzung in Österreich bis ins Jahr 1930 und darüber hinaus dauerte, einen neuerlichen Einschnitt für die Genese des Filmschauspielers und der Filmschauspielkunst bedeutete. Ging es bis dahin darum, den (Stumm-)Filmdarsteller vor allem vom Theaterschauspieler abzugrenzen, rückte Ersterer nun durch seine „wiedergefundene“ Sprache bzw. sein hörbares Sprechen wieder näher an den Theaterschauspieler heran, was erneut Fragen zur theoretischen Verortung, zu den beruflichen Anforderungen und zur Arbeitspraxis aufwarf. So wie der „stumme Filmdarsteller“ das bis dahin gültige Bild eines Schauspielers auf den Kopf stellte, veränderte auch der „sprechende Filmdarsteller“ das neu erarbeitete Verständnis des Filmschauspielers, der es gelernt hatte, sich ausschließlich auf seine nonverbale Ausdruckskraft verlassend zu spielen.

1.2 BEGRIFFSKLÄRUNG In der vorliegenden Arbeit soll es, wie einleitend beschrieben, um die Erforschung des Berufes der StummfilmschauspielerInnen bzw. die Entwicklung hin zu einem eigenständigen Beruf/sbild gehen. Dafür ist es vorab notwendig zu hinterfragen, was ein Beruf ist und vor allem, ab wann eine Tätigkeit als Beruf bezeichnet werden kann.2 Die Berufsforschung hat bisher keine eindeutigen Definitionen hervorgebracht. Festzustehen scheint lediglich, dass der Begriff definitorisch zwischen den soziologischen Begriffen Arbeit und Profession steht und dass es Prozesse gibt, die eine (einfache) Arbeit zu einem Beruf und einen Beruf zu einer Profession übergehen lassen können. Die Faktoren, die diese Prozesse beeinflussen, werden abhängig von der theoretischen Ausrichtung jeweils anders bestimmt und verschieden gewichtet. Anzumerken gilt es an dieser Stelle zu-

2

Der ebenso essenziellen Frage, was ein Schauspieler ist bzw. was seine Kunst ausmacht, wurde ein eigenes Kapitel gewidmet (vgl. Kapitel 4).

1. Der Stummfilmschauspieler als Forschungsgegenstand | 13

dem, dass die bisherige Berufsforschung, die ursprünglich berufssoziologisch ausgerichtet war,3 primär ihren Fokus auf gegenwartsbezogene empirische Untersuchungen des Arbeitsmarkts sowie aktueller Berufe/Professionen gerichtet hat.4 Historische Forschungen gibt es zwar,5 jedoch sind künstlerische/darstellende Berufe (noch) weitestgehend unbeachtet geblieben. Definitiv ist die Berufsforschung ein Desiderat der Filmwissenschaft und noch mehr der Stummfilmforschung.6 In den nachfolgenden Kapiteln soll darum ein erster Schritt hin zu einer filmhistorisch geprägten Berufsforschung gemacht werden. Diesem muss allerdings sowohl eine begriffliche Differenzierung als auch eine theoretische Verankerung jener Begriffe, die (Erwerbs-)Tätigkeiten bzw. deren Genese bezeichnen, vorausgehen. In der Berufssoziologie wird traditionellerweise zwischen Arbeit, Beruf und Profession unterschieden, wobei mit diesen soziologischen Termini oft eine implizite Aufwertung einhergeht. Dementsprechend wird eine „einfache Arbeit“7 u.a. als eine Tätigkeit begriffen, die jede/r ohne spezifische Qualifikationen und vorhergehende Ausbildung bzw. meist nur aufgrund der eigenen phy-

3

Vgl. Jörg-Peter Pahl: „Berufsforschung und Berufswissenschaft – Eine Einführung zu Ausformungen, Aufgaben und Perspektiven“, in: Handbuch Berufsforschung, hg. von Jörg-Peter Pahl und Volkmar Herkner. Bielefeld: Bertelsmann, 2013, S. 17–37, hier S. 20f.

4

Vgl. ebd., S. 29f. Das gilt auch für die Berufsgeneseforschung. Vgl. Werner Dostal: Berufsgenese. Ein Forschungsfeld der Berufsforschung, erläutert am Beispiel der Computerberufe. Nürnberg: IAB, 2006 (= Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 302).

5

Ein viel zitiertes Beispiel ist: Hannes Siegrist (Hg.): Bürgerliche Berufe. Zur Sozialgeschichte der freien und akademischen Berufe im internationalen Vergleich. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1988 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 80). Historische Berufsforschung ist eine sich erst „konstituierende Teildisziplin“ der Berufswissenschaft. Dementsprechend gibt es noch zahlreiche Forschungsdesiderate. Vgl. Dieter Grottker: „Methodologische Probleme historischer Berufsforschung“, in: Handbuch Berufsforschung, hg. von Pahl und Herkner, 2013, S. 197–208, hier S. 197.

6

Ausnahmen gibt es, diese sind vor allem in der Professionalisierungsforschung zu finden. Vgl. u.a. Juliane Scholz: Der Drehbuchautor. USA – Deutschland. Ein historischer Vergleich. Bielefeld: transcript, 2016 (= Histoire 86), (Orig.: Geschichte des Drehbuchautors in den USA und in Deutschland. Diss., Universität Leipzig, 2014).

7

Thomas Kurtz: „Professionalisierung“, in: Wörterbuch der Soziologie, hg. von Günter Endruweit, Gisela Trommsdorff und Nicole Burzan, 3. Aufl. Konstanz, München: UVK, 2014 (= UTB 8566), S. 368f., hier S. 368. (Orig.: Stuttgart: Enke, 1989).

14 | Schauspielen im Stummfilm

sischen Konstitution machen kann.8 Der Beruf wird hingegen primär als eine Tätigkeit verstanden, die aufgrund spezialisierter und (vorab) erlernter Fähig- und Fertigkeiten ausgeübt werden sollte.9 Die Qualifizierung in Form einer Ausbildung gilt deshalb als Voraussetzung. In der Berufssoziologie wird der Beruf häufig auch mit „qualifizierte[r] Erwerbsarbeit“10 gleichgesetzt, weil dieser nicht nur eine spezifische Qualifikation erfordert, sondern dem Einzelnen ebenso der Selbsterhaltung und dem dauerhaften Lebensunterhalt11 dient. Einzelne Berufe und Berufsgruppen können zudem zu sogenannten Professionen aufsteigen. Grundsätzlich wird mit diesem viel diskutierten Begriff eine „hochqualifizierte [berufliche] Arbeit“12 bezeichnet, die in der Regel eine akademische Ausbildung voraussetzt. Professionen sind außerdem gekennzeichnet durch einen hohen Selbstorganisationsgrad und eine Gemeinwohlorientierung.13 Trotz der verkürzten Darstellung weisen die auf wenige Dimensionen beschränkten Definitionen bereits auf die „klassische Steigerungsformel“ 14 der zentralen soziologischen Begriffe Arbeit, Beruf und Profession hin. Vereinfacht könnte man also sagen, dass die Entwicklung einer Tätigkeit von einer Arbeit zu einem Beruf und schließlich zu einer Profession mit immer spezifischeren Qualifikationen und einer zunehmend komplexeren Ausbildung einhergeht. Allerdings kann diese Genese nicht nur an den zwei genannten Faktoren „Qualifikation“ und „Ausbildung“ festgemacht werden, wie der Soziologe Heinz Hartmann bereits Ende der 1960er Jahre ausgeführt hat.15 Um die daran beteiligten Ent-

8

Vgl. u.a. Siegfried Lamnek: „Arbeit“, in: Soziologie-Lexikon, hg. von Gerd Reinhold, 4. Aufl. München, Wien: Oldenbourg, 2000, S. 23f., hier S. 23 (Orig.: 1991).

9

Vgl. u.a. Siegfried Lamnek: „Beruf“, in: Soziologie-Lexikon, hg. von Reinhold, 2000, S. 54; Gertraude Mikl-Horke: „Beruf“, in: Lexikon Soziologie und Sozialtheorie. Hundert Grundbegriffe, hg. von Sina Farzin und Stefan Jordan. Stuttgart: Reclam, 2015 (= Reclams Universal-Bibliothek 19297), S. 35–37, hier S. 35 (Orig.: 2008).

10 Kurtz: „Professionalisierung“, S. 368. 11 Dieser Aspekt wurde auch in zeitgenössischen Lexika betont. Vgl. u.a. o.N.: Meyers Lexikon, Bd. 2: Bechtel–Conthey, 7. Aufl. Leipzig: Bibliographisches Institut, 1925, Spalte 226; o.N.: Der Große Brockhaus. Handbuch des Wissens in zwanzig Bänden, Bd. 2: Asu–Bla, 15. Aufl. Leipzig: Brockhaus, 1929, S. 610. 12 Kurtz: „Professionalisierung“, S. 368. 13 Vgl. u.a. ebd., S. 369; Mikl-Horke: „Beruf“, S. 36. 14 Kurtz: „Professionalisierung“, S. 368. 15 Vgl. Heinz Hartmann: „Arbeit, Beruf, Profession“, in: Berufssoziologie, hg. von Thomas Luckmann und Walter Michael Sprondel. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1972

1. Der Stummfilmschauspieler als Forschungsgegenstand | 15

wicklungsprozesse erfassen zu können, nahm Hartmann drei Fixpunkte an (Arbeit, Beruf, Profession) und verknüpfte diese mit zwei Dimensionen (Systematisierung des Wissens, Sozialorientierung). Dadurch konnte er den Weg einer Tätigkeit von einer Arbeit zu einem Beruf (Verberuflichung) und einem Beruf zu einer Profession (Professionalisierung) beschreiben. Das von ihm erschaffene Kontinuum ermöglichte es auch, Tätigkeiten, die sich im Übergang befinden und nicht eindeutig einem der Fixpunkte zuzuordnen sind, zu erfassen. Darüber hinaus war es so außerdem möglich, rückläufige Prozesse in Form von Berufsauflösung und Deprofessionalisierung zu berücksichtigen.16 Zentral für Hartmanns Verständnis der genannten Entwicklungsprozesse sind die beiden Dimensionen, die auf die Genese von Tätigkeiten einwirken. Zu berücksichtigen gilt es laut Hartmann zum einen eine funktionale Dimension („Wissens-Dimension“), welche Fertigkeiten, Leistungen und Wissensstoffe umfasst, die zum Ausüben einer Tätigkeit Voraussetzung sind. Zum anderen darf die gesellschaftliche Dimension („Soziale Orientierung“) nicht vergessen werden, die den Status, das Prestige und den Einfluss eines Berufes bzw. einer Berufsgruppe erfasst.17 Das heißt, die Entwicklung von einer Arbeit zu einem Beruf und von einem Beruf zu einer Profession ist durch eine zunehmend starke Ausprägung der beiden Dimensionen bestimmt. Die Verberuflichung, die Hartmann als „Übergang von Arbeitsverrichtungen zum Beruf“18 definiert, zeichnet sich durch eine Systematisierung von Wissen bzw. die Kombination vereinzelter Wissensstoffe in Form von formalem Wissen und Erfahrungswissen aus. Auf der Ebene des Berufes geht es primär darum, Aufgaben zu lösen, den Beruf zu verwalten. Darüber hinaus tritt die individuelle Bedürfnisbefriedigung zugunsten des Bewusstwerdens größerer Wirtschaftszusammenhänge zurück. Den Berufsausübenden geht es also nicht mehr nur darum, sich selbst zu verwirklichen und ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sondern sie identifizieren sich z.B. auch mit der Branche, in der sie beruflich tätig sind.19 Klarer wird das Berufskonzept Hartmanns in Abgrenzung zum Professionsbegriff und der Professionalisierung. Hartmann definiert Letzteres als „Übergang vom Beruf zur Profession“20, wobei sowohl die funktionale als auch die gesell-

(= Neue Wissenschaftliche Bibliothek 55), S. 36–52 (Orig.: Soziale Welt 19/3–4 (1968), S. 193–216, hier S. 197–212). 16 Vgl. ebd., S. 36–43. 17 Vgl. ebd., S. 38f. 18 Ebd., S. 40. 19 Vgl. ebd., S. 41. 20 Ebd., S. 40.

16 | Schauspielen im Stummfilm

schaftliche Dimension stark ausgeprägt sind und sich in einem fortgeschrittenen Prozess befinden. Professionen streben nach Hartmann nicht nur danach, ein Problem effizient zu lösen, sondern sie suchen auch nach Erklärungen für dessen Lösung und entwickeln dafür Theorien. Hartmann spricht in diesem Zusammenhang davon, dass das Wissen der Profession „verwissenschaftlicht“ wird, weshalb eine akademische Ausbildung häufig die Voraussetzung zum Ausüben einer Profession ist. Auf der sozialen Ebene kommt es zudem zu einer starken Gemeinwohlorientierung, d.h., den Mitgliedern einer Profession geht es nicht (nur) um die individuelle Bedürfnisbefriedigung, sondern vor allem um den Dienst an der Gesellschaft.21 Der Erforschung der Professionen ist seit Hartmann22 immer wieder besondere Aufmerksamkeit zugekommen. Harald Mieg, der sich wiederholt mit den Professionen, der Professionalisierung und der Professionalität wissenschaftlich auseinandergesetzt hat, fasst in seinem Essay23 von 2016 die bisherigen Forschungsergebnisse zusammen und charakterisiert die Professionen anhand von vier Merkmalen: (1) Autonomie, (2) Abstraktheit, (3) Altruismus und (4) Autorität. Gemeint ist damit, dass Professionen durch eine hohe Selbstbestimmung/ -organisation, ein häufig akademisiertes Wissen, eine Gemeinwohlorientierung und einen Verband, der den Zugang zur und die Ausübung der Profession standardisiert und kontrolliert, gekennzeichnet sind. 24 Auf institutioneller Ebene können Professionen daher als privilegierte Berufsgruppen bezeichnet werden, die ein Zuständigkeitsmonopol und hohes gesellschaftliches Ansehen genießen. Klassische Beispiele sind ÄrztInnen und JuristInnen, die auf ihren jeweiligen Gebieten als ExpertInnen gelten. Darum wird der Begriff der Profession auf in-

21 Vgl. ebd., S. 41f. Sowohl bei der Verberuflichung als auch bei der Professionalisierung weist Hartmann darauf hin, dass diese nicht mit gleicher Intensität ablaufen müssen. Empirisches Material hat hingegen den Schluss zugelassen, dass zumeist entweder die funktionale oder die gesellschaftliche Dimension stärker ausgeprägt ist. Dennoch sind die beiden Dimensionen immer gleichläufig, d.h., sie entwickeln sich in dieselbe Richtung. Vgl. ebd., S. 42 u. 50f. 22 Die Professionen sind zwar bereits in den 1930ern zum Gegenstand der (angloamerikanischen) sozialwissenschaftlichen Forschung geworden, eine Professionstheorie kommt in Deutschland aber erst in den 1960ern auf. Vgl. Thomas Kurtz: Berufssoziologie. Bielefeld: transcript, 2002 (= Einsichten), S. 47 u. 49f. 23 Vgl. Harald A. Mieg: „Profession: Begriff, Merkmale, gesellschaftliche Bedeutung“, in: Handbuch Professionsentwicklung, hg. von Michael Dick, Winfried Marotzki und Harald Mieg. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 2016 (= UTB 8622), S. 27–40. 24 Vgl. ebd., S. 28f.

1. Der Stummfilmschauspieler als Forschungsgegenstand | 17

dividueller Ebene auch als Expertentum begriffen. Mitglieder einer Profession werden deshalb als hochqualifizierte Berufstätige verstanden, die für einen gesellschaftlichen Problem- und Wissensbereich zuständig sind, der zudem mit einem Zentralwert, etwa Gesundheit oder Gerechtigkeit, verknüpft ist.25 Als ein wesentliches Merkmal von Professionen sieht Mieg, neben dem Zentralwertbezug, die professionelle Autonomie, d.h. das Recht zur Selbstorganisation und Kontrolle der Arbeitsbedingungen. Diese ist bestimmt durch (a) die „Definitionsmacht für die Berufsausbildung“, (b) die „Kontrolle über den Marktzutritt“, (c) die „Bestimmung der Entgeltung bestimmter Leistungen“ und (d) das „Monopol zur Leistungsbewertung“.26 Die vier genannten Kriterien wurden und werden im deutschsprachigen Raum teils vom Staat und teils von der Profession selbst bzw. der jeweiligen Interessenvertretung geregelt. Der Unterschied zu „normalen“ Berufen ist jedoch der, dass die Professionen sich in überwiegendem Maße selbst kontrollieren. Berufliche Standards oder innerprofessionelle Wettbewerbe und Leistungsshows sind Beispiele für die Selbstkontrolle der Professionen.27 Des Weiteren geht Mieg auf die Entwicklung von Professionen ein. Zum Begriff der Professionalisierung merkt er an, dass dieser heutzutage auf zwei verschiedene Arten Verwendung findet. Im weiteren Sinne meint der Terminus „den Übergang zu einer bezahlten Tätigkeit, die bestimmten Leistungsstandards unterliegt“28. Folglich wird der Begriff als Synonym für die Verberuflichung verwendet. Im engeren Sinne ist mit Professionalisierung der „Übergang [eines Berufes oder] einer Berufsgruppe zu einer autonomen [sowie hochqualifizierten, gemeinwohlorientierten und organisierten] Profession“ gemeint.29 Diese Definition entspricht auch jener von Hartmann, allerdings konkretisiert Mieg die Faktoren, die eine Professionalisierung vorantreiben, indem er auf die Forschungsergebnisse von Harold L. Wilensky (1964) zurückgreift. Demnach ist eine Professionalisierung auf institutioneller Ebene dadurch charakterisiert, dass • eine berufliche Arbeit zur Vollzeittätigkeit wird, • es eine Ausbildungsstätte und einen Studiengang gibt, • ein lokaler und nationaler Berufsverband entsteht,

25 Vgl. ebd., S. 27f., 30 u. 33f. 26 Ebd., S. 31. 27 Vgl. ebd., S. 31f. 28 Ebd., S. 34f. 29 Ebd., S. 35.

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• eine staatliche (gesetzliche) Anerkennung der Profession erfolgt, 30 • ein berufsethischer Kodex befolgt wird.

Auf individueller Ebene führt die Professionalisierung zu einer Kompetenzentwicklung, d.h. zu einer Spezialisierung und Vertiefung eines bereichsspezifischen Wissens und etwaigen Zusatzkompetenzen. Beides richtet sich nach den genannten institutionellen Gegebenheiten und zielt darauf ab, Experten hervorzubringen.31 Historisch gesehen war die Professionalisierung ein Versuch, die ökonomische und soziale Stellung in einer kapitalistischen Markt- und Klassengesellschaft zu heben.32 Daraus folgt, dass es in der modernen Gesellschaft nur sehr wenige Berufe geben kann, die sich zu einer Profession entwickeln,33 weshalb es fraglich ist, ob der Beruf des Stummfilmschauspielers in den wenigen Jahrzehnten bis zum Aufkommen des Tonfilms zu einer Profession „aufsteigen“ konnte. Zudem gilt es zu bedenken, dass freie Berufe – jene Berufe, die nicht der Gewerbeordnung unterliegen – und Professionen nicht unbedingt deckungsgleich sind. Das ist besonders bei freien Berufen der Fall, die zwar selbstständige Spezialistentätigkeiten anbieten, aber denen keine akademische Ausbildung zugrunde liegt.34 Die Frage, die sich nun im Kontext der vorliegenden Untersuchung stellt, ist, ob und inwiefern sich die stummfilmschauspielerische Tätigkeit von einer einfachen Arbeit bzw. einer Nebentätigkeit zu einem Beruf entwickeln und bis 1930 sogar als Profession etablieren konnte. Auf den ersten Blick scheinen die meis-

30 Vgl. ebd., S. 35 bzw. Harold L. Wilensky: „Jeder Beruf eine Profession?“, in: Berufssoziologie, hg. von Luckmann und Sprondel, 1972, S. 198–215, hier S. 202–205 (Orig.: „The Professionalization of Everyone?“, in: American Journal of Sociology 70/2 (1964), S. 137–158). Die genannten Faktoren können in unterschiedlicher Reihenfolge ablaufen. Vgl. ebd., S. 205. 31 Vgl. Mieg: „Profession: Begriff, Merkmale, gesellschaftliche Bedeutung“, S. 35f. 32 Vgl. ebd., S. 35. Mieg bezieht sich hier auf: Hannes Siegrist: „Gebremste Professionalisierung – Das Beispiel der Schweizer Rechtsanwaltschaft im Vergleich zu Frankreich und Deutschland im 19. und frühen 20. Jahrhundert“, in: Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert, Bd. 1: Bildungssystem und Professionalisierung in internationalen Vergleichen, hg. von Werner Conze und Jürgen Kocka. Stuttgart: Klett-Cotta, 1985 (= Industrielle Welt 38), S. 301–331, hier S. 329). 33 Vgl. Kurtz: „Professionalisierung“, S. 369; Wilensky: „Jeder Beruf eine Profession?“, S. 198. 34 Mieg: „Profession: Begriff, Merkmale, gesellschaftliche Bedeutung“, S. 31.

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ten Merkmale einer Profession der filmdarstellerischen Tätigkeit nicht zu entsprechen. Trotzdem verlangt die Tatsache, dass es zwischen 1919 und 1939 einen engagierten Verband gegeben hatte, diese Möglichkeit nicht von vornherein auszuschließen. Denn: „Berufsverbände und Berufsorganisationen tragen maßgeblich dazu bei, Professionalisierungsprozesse voranzutreiben [...].“35 Nichtsdestotrotz soll nachfolgend primär der Beruf des Stummfilmschauspielers bzw. die Verberuflichung der stummfilmschauspielerischen Tätigkeit im Fokus des Interesses stehen, da die Frage nach etwaigen Professionalisierungstendenzen nur in Bezug auf die Verbandsaktivitäten relevant zu sein scheint.

1.3 FORSCHUNGSSTAND Bislang ist der Beruf des Stummfilmschauspielers und der Stummfilmschauspielerin in seinen vielen Facetten nur wenig erforscht worden. Was für die internationale Filmwissenschaft gilt, gilt umso mehr für die österreichische Stummfilmforschung. Generell lässt sich für die bisherige Forschungslage feststellen, dass – mit wenigen Ausnahmen – die meisten Forschungsarbeiten aus dem englischsprachigen Raum stammen. Zudem haben sich viele dieser Arbeiten der stilistischen Analyse oder der biografischen Aufarbeitung verschrieben. Zu Ersterem, der stilistischen Analyse, ist zu bemerken, dass der Schauspielstil im Stummfilm das zurzeit am besten erforschte Gebiet des Berufes darstellt. Den diesbezüglichen Forschungsarbeiten ist gemein, dass sie mittels Filmanalyse eines geografisch und zeitlich begrenzten Analysekorpus den Schauspielstil eines bestimmten Landes, einer bestimmten filmhistorischen Epoche, eines bestimmten Stars oder einer bestimmten Filmfirma untersucht haben. Außerdem weisen die Forschungsergebnisse eine Übereinstimmung auf: Alle AutorInnen, auch jene, die sich einer teleologischen Sichtweise verwehren, haben festgestellt, dass es eine Entwicklung von einem älteren zu einem neueren Schauspielstil gab. Der Zeitpunkt und die Bedingungen dieser Entwicklung sind jedoch immer unterschiedlich, je nach den gewählten Parametern der jeweiligen Analyse. Ebenso unterschiedlich ist auch die verwendete Terminologie. Als Beispiel soll zum einen die viel beachtete Monografie von Roberta E. Pearson, Eloquent Gestures. The Transformation of Performance Style in the Griffith Biograph Films, die 1992 publiziert wurde, herausgegriffen werden. In ihrer Untersuchung der erhaltenen Biograph-Stummfilme von US-Regisseur David W. Griffith ist Pear-

35 Vgl. Axel Grimm: „Forschungen zu Berufsorganisationen und Berufsverbänden“, in: Handbuch Berufsforschung, hg. von Pahl und Herkner, 2013, S. 452–463, hier S. 459.

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son zu dem Ergebnis gekommen, dass es im Zeitraum zwischen 1908 und 1913 (transitional period) zu einem Übergang von einer stilisierten, kodifizierten Darstellungsweise (histrionic code) zu einem naturalistischen, individualisierten Spielstil (verisimilar code) gekommen war. Pearsons Untersuchung basiert aber nicht nur auf einer filmanalytischen Herangehensweise, sondern auch darauf, dass sie ihre Analyseergebnisse in theater-, film- und pressehistorische Kontexte eingebettet hat.36 Ein weiteres, ebenfalls viel zitiertes Beispiel sind zum anderen die Studien der amerikanischen Filmhistoriker Lea Jacobs und Ben Brewster. In ihrer Monografie Theatre to Cinema. Stage Pictorialism and the Early Feature Film (1997) und den daraus hervorgegangenen Essays haben Jacobs und Brewster nicht nur den Schauspielstil im US-amerikanischen Stummfilm analysiert, sondern ihre in theaterhistorische Kontexte eingebettete Untersuchung auch um die Analyse europäischer Stummfilme erweitert. Für die 1910er Jahre haben die beiden Autoren festgestellt, dass Posen und Attitüden noch weit nach 1912 von (Bühnen-)SchauspielerInnen verwendet wurden. Brewster und Jacobs lehnen daher eine traditionelle teleologische Sichtweise ab, indem sie den piktorialen Stil nicht als Vorläufer eines realistischen Stils interpretieren, sondern als zusätzliche Möglichkeit begreifen, eine dramatische (emotionale) Situation bildhaft darzustellen. Mit der Entwicklung der Schnitttechnik, die das Tempo, den Fokus und die Wirkung einer Szene immer mehr zu steuern vermochte, konstatieren aber auch Brewster und Jacobs einen Rückgang im Einsatz piktorialer Elemente bzw. länger gehaltener Posen.37

36 Vgl. Roberta E. Pearson: Eloquent Gestures. The Transformation of Performance Style in the Griffith Biograph Films. Berkeley, Los Angeles, Oxford: University of California Press, 1992 (Orig.: „The Modesty of Nature“. Performance Style in the Griffith Biographs. Diss., New York University, 1987); vgl. auch dies.: „The Histrionic and Verisimilar Codes in the Biograph Films“, in: Movie Acting, The Film Reader, hg. von Pamela Robertson Wojcik. New York, London: Routledge, 2004 (= In Focus: Routledge Film Readers), S. 59–68 (Orig.: Eloquent Gestures, 1992). 37 Vgl. Ben Brewster und Lea Jacobs: Theatre to Cinema. Stage Pictorialism and the Early Feature Film. Oxford, New York: Oxford University Press, 1997; dies.: „Piktorialer Stil und Schauspiel im Film“, in: Stummes Spiel, sprechende Gesten, hg. von Frank Kessler, Sabine Lenk und Martin Loiperdinger, übers. von Frank Kessler. Basel, Frankfurt a.M.: Stromfeld/Roter Stern, 1998 (= KINtop 7), S. 37–62 (Orig.: Theatre to Cinema, 1997); dies.: „Pictorial Styles of Film Acting in Europe in the 1910s“, in: CELEBRATING 1895. The Centenary of Cinema, hg. von John Fullerton. Sydney: Libbey, 1998, S. 253–263 (Orig.: Theatre to Cinema, 1997); dies: „Pictorial Styles

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Stilistische Analysen gibt es ebenso von deutschsprachigen Film- und Medienwissenschaftlern. Zu nennen sind an dieser Stelle u.a. die Beiträge von Corinna Müller („Zur Veränderung des Schauspielens im stummen Film. Am Beispiel insbesondere Henny Portens“, 1999) und Thomas Koebner („Leibesvisitation. Schauspielkunst im Stummfilm: Asta Nielsen. Ein Versuch“, 1995).38 Während Müller anhand der Analyse von Henny Portens Stummfilmen einen Zusammenhang zwischen der zunehmenden Filmlänge und der Veränderung des Spielstils, der ab 1913 tendenziell weniger expressiv, stilistisch und pointiert, sondern minimalistischer und realistischer wurde, sieht, zeigt Koebner, dass sich der Spielstil Asta Nielsens in kein Schema bzw. keine universellen Erklärungsversuche zwängen lässt. Die Untersuchungsergebnisse beider Autoren belegen außerdem, dass es in Europa eine Vielzahl von Schauspielstilen gegeben hatte. Der zweite zuvor genannte Forschungsschwerpunkt, die biografische Aufarbeitung, betrifft auch Forschungsarbeiten aus Österreich. Exemplarisch können hier die Publikationen des Filmarchiv Austria angeführt werden, die sich neben der Rekonstruktion von Stummfilmen ebenso der Biografie zentraler österreichischer Filmgrößen verschrieben haben. Beispiele sind die Sammelbände zu Max Neufeld, einem der ersten österreichischen Stummfilmstars, und Cocl & Seff, Österreichs ersten Serienkomikern der Stummfilmzeit.39 Darüber hinaus gibt es auch Hochschulschriften, die sich der biografischen Aufarbeitung widmen. Zu nennen ist hier besonders jene von Sandra Lenk über Liane Haid, Österreichs

and Film Acting“, in: Movie Acting, hg. von Wojcik, 2004, S. 69–82 (Orig.: Theatre to Cinema, 1997). 38 Vgl. Corinna Müller: „Zur Veränderung des Schauspielens im stummen Film. Am Beispiel insbesondere Henny Portens“, in: Der Körper im Bild: Schauspielen – Darstellen – Erscheinen, hg. von Heinz-B. Heller, Karl Prümm und Birgit Peulings. Marburg: Schüren, 1999 (= Schriften der Gesellschaft für Film- und Fernsehwissenschaft 7), S. 71–92; Thomas Koebner: „Leibesvisitation. Schauspielkunst im Stummfilm: Asta Nielsen. Ein Versuch“, in: TheaterAvantgarde. Wahrnehmung – Körper – Sprache, hg. von Erika Fischer-Lichte. Tübingen, Basel: Francke, 1995 (= UTB für Wissenschaft 1807), S. 89–122. 39 Vgl. Armin Loacker (Hg.): Kunst der Routine. Der Schauspieler und Regisseur Max Neufeld. Wien: Filmarchiv Austria, 2008; Günter Krenn und Nikolaus Wostry (Hg.): Cocl & Seff. Die österreichischen Serienkomiker der Stummfilmzeit. Wien: Filmarchiv Austria, 2010 (= Edition Film + Text 11). Hier gilt es anzumerken, dass sich der Sammelband zu Cocl & Seff nicht ausschließlich der biografischen Aufarbeitung widmet, sondern auch genrespezifische Fragen im Kontext des frühen Kinos erörtert.

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ersten Stummfilmstar. Die Ergebnisse von Lenks Diplomarbeit basieren auf der Auswertung von Haids Nachlass, der im Filmarchiv Austria aufbewahrt wird.40 Neben der stilistischen Analyse und biografischen Aufarbeitung existieren zudem einige wenige Arbeiten, die sich mit dem Beruf des Stummfilmschauspielers, seiner Entwicklung bzw. einzelnen Aspekten seiner Entwicklung beschäftigen. Für den englischsprachigen Raum muss zunächst der Aufsatz „The Status of the Film Actor“ (1986/2004) von Charles Musser erwähnt werden. Vor dem Hintergrund der US-amerikanischen Filmindustrie setzt sich der Filmhistoriker darin mit der Verberuflichung der stummfilmdarstellerischen Tätigkeit im Zeitraum zwischen 1896 und 1915 auseinander und zeichnet dabei die Genese von einer Nebenerwerbstätigkeit zu einer Vollzeitbeschäftigung bzw. vom Amateur- zum Starschauspieler nach.41 In dieser Hinsicht auch nicht unerwähnt bleiben darf Richard deCordovas Monografie zur Entwicklung des Filmstars in den USA. Sein viel beachtetes Buch Picture Personalities. The Emergence of the Star System in America (1990), das den Star Studies zuzuordnen ist, verfolgt die Entwicklung vom legitimate (stage) actor zur picture personality und zum (film) star. Zweitere unterschied sich vom Theaterschauspieler dadurch, dass seine Berühmtheit nicht auf früheren Bühnenerfahrungen, sondern auf seiner regelmäßigen Arbeit für den Film und die diesbezügliche Publicity basierte. Der Unterschied zum Star lag hingegen darin, dass die picture personality im zeitgenössischen US-amerikanischen Pressediskurs nur im Rahmen ihres professionellen Daseins bzw. ihrer bisherigen Filmerfahrung besprochen wurde, während die Öffentlichkeit beim Star „hinter die Kulissen“ zu blicken und sich für das Privatleben zu interessieren begann. Diesen shift, der sich in den zeitgenössischen Publikationen und Periodika bemerkbar machte, verortet deCordova zwischen 1913 und 1914. Von nun an wurde vermehrt über das private bzw. außerfilmische Leben und den Lifestyle der Stars berichtet.42

40 Vgl. Sandra Lenk: Österreichs Erster Filmstar – Ein Beitrag zur Sozialgeschichte des Stars am Fallbeispiel Liane Haid. Dipl., Universität Wien, 2003. 41 Vgl. Charles Musser: „The Changing Status of the Actor“, in: Movie Acting, hg. von Wojcik, 2004, S. 51–58 (Orig.: Before Hollywood. Turn-of-the-Century Film from American Archives, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. New York: The American Federation of Arts, 1986). 42 Vgl. Richard deCordova: Picture Personalities. The Emergence of the Star System in America, Taschenbuchausg. Urbana, Chicago: University of Illinois Press, 2001 (Orig.: 1990).

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Spezifischen Aspekten des Berufes widmen sich auch die Monografien von Kerry Segrave. Vor dem Hintergrund der Filmindustrie Hollywoods und basierend auf der Auswertung zeitgenössischer Periodika hat der kanadische Kulturhistoriker die prekäre Lage der FilmstatistInnen (Extras of Early Hollywood, 2013) einerseits und die gewerkschaftliche Vereinigung der FilmdarstellerInnen (Film Actors Organize, 2009) andererseits untersucht.43 Für Deutschland gilt es besonders eine Forschungsarbeit hervorzuheben, nämlich jene von Knut Hickethier. Der deutsche Medienwissenschaftler hat sich mit dem Schauspielerberuf im Kontext der deutschen Theater- und Filmlandschaft beschäftigt, weshalb sein 1986 publizierter Essay auch den Titel „Schauspieler zwischen Theater und Kino in der Stummfilmzeit“ trägt. Darin setzt er die Arbeitssituation der in Berlin tätigen StummfilmdarstellerInnen in Bezug zum Medienwandel der Jahrhundertwende und skizziert die zeitgenössischen Arbeitsverhältnisse bis zum Ende der 1920er Jahre.44 Zudem hat Hickethier in den späten 1990er Jahren zwei Aufsätze veröffentlicht, die sich der Entwicklung des Starwesens in Deutschland widmen („Vom Theaterstar zum Filmstar. Merkmale des Starwesens um die Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert“, 1997; „Theatervirtuosinnen und Leinwandmimen. Zum Entstehen des Stars im deutschen Film“, 1998).45 Die drei genannten Texte werden aufgrund ihrer Relevanz in den nachfolgenden Kapiteln im Detail besprochen.

43 Vgl. Kerry Segrave: Extras of Early Hollywood. A History of the Crowd, 1913–1945. Jefferson, London: McFarland, 2013; ders.: Film Actors Organize. Union Formation Efforts in America, 1912–1937. Jefferson, London: McFarland, 2009. 44 Vgl. Knut Hickethier: „Schauspieler zwischen Theater und Kino in der Stummfilmzeit“, in: Grenzgänger zwischen Theater und Kino. Schauspielerporträts aus dem Berlin der zwanziger Jahre, hg. von Knut Hickethier. Berlin: Ästhetik und Kommunikation, 1986 (= Edition Mythos Berlin), S. 11–42. 45 Vgl. Knut Hickethier: „Vom Theaterstar zum Filmstar. Merkmale des Starwesens um die Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert“, in: Der Star. Geschichte – Rezeption – Bedeutung, hg. von Werner Faulstich und Helmut Korte. München: Fink, 1997, S. 29–47; ders.: „Theatervirtuosinnen und Leinwandmimen. Zum Entstehen des Stars im deutschen Film“, in: Die Modellierung des Kinofilms. Zur Geschichte des Kinoprogramms zwischen Kurzfilm und Langfilm 1905/06–1918, hg. von Corinna Müller und Harro Segeberg. München: Fink, 1998 (= Mediengeschichte des Films 2), S. 333–357.

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Auch in Österreich gibt es einige wenige Forschungsergebnisse zum Beruf des Stummfilmschauspielers, die allerdings nicht sehr umfang- bzw. detailreich sind. Erwähnt werden müssen zum einen die Filmgeschichten von Walter Fritz, der sich zwischen 1966 und 1997 basierend auf der (unkritischen) Analyse der österreichischen Filmperiodika mit der Entwicklung des österreichischen Spielfilms und Kinos auseinandergesetzt hat. 46 Teil dieser telelogischen Filmgeschichtsschreibung sind auch schauspielhistorische (Unter-)Kapitel, die sich aber primär der Auflistung einzelner Persönlichkeiten des österreichischen Films und den schauspielstilistischen Veränderungen widmen. Vereinzelt finden sich bei Fritz außerdem knappe Informationen zu den Arbeitsbedingungen, etwa im Rahmen des Liane-Haid-Prozesses oder der Kollektivvertragsverhandlungen. Zum anderen ist Martina Feikes Dissertation (Universität Wien, 1985) zu nennen, die aufgrund ihres Beitrags zur Erforschung der österreichischen Filmzeitschriften im zweiten Kapitel von Bedeutung sein wird. In Feikes Arbeit gibt es u.a. einen Abschnitt zu den Themen in den Publikumszeitschriften, der sich mit dem Film als Beruf, dem Starkult, der Schönheit und der Mode sowie der Filmproduktion und den Dreharbeiten beschäftigt. Allerdings lässt der genannte Abschnitt ebenfalls eine quellenkritische Herangehensweise vermissen.47 Wie gezeigt werden konnte, setzen sich die bislang publizierten Beiträge und Monografien zum Beruf des Stummfilmdarstellers und der Stummfilmdarstellerin mit der Erforschung desselben in einem bestimmten geografischen Raum auseinander. Für Österreich bzw. Wien liegt bisher keine vergleichbare bzw. umfassende Studie vor. Darum möchte die vorliegende Arbeit eine Grundlage für die weitere Untersuchung einzelner Facetten des Filmschauspielerberufes schaffen.

46 Vgl. Walter Fritz: Geschichte des österreichischen Films. Aus Anlaß des Jubiläums 75 Jahre Film. Wien: Bergland, 1969 (Orig.: Entwicklungsgeschichte des österreichischen Spielfilms, 4 Bde. Diss., Universität Wien, 1966); ders.: Im Kino erlebe ich die Welt. 100 Jahre Kino und Film in Österreich. Wien, München: Brandstätter, 1997 (Orig.: Kino in Österreich, 3 Bde. Wien: Österreichischer Bundesverlag, 1981–1991). 47 Vgl. Martina Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik. Eine Untersuchung der österreichischen Filmzeitschriften der Stummfilmzeit von 1918 bis 1928. Diss., Universität Wien, 1985.

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1.4 GLIEDERUNG Diese Arbeit besteht aus insgesamt acht Kapiteln, wobei es drei Rahmenkapitel (thematische und methodische Einführung, Resümee) und fünf Kernkapitel (Präsentation der Forschungsergebnisse) gibt. Letztere gliedern sich zudem in Abschnitte (z.B. 1.2) und (Unter-)Kapitel (z.B. 1.2.2). Diese Hierarchie (Kernkapitel – Abschnitt – Kapitel) wird in terminologischer Hinsicht auch nachfolgend beibehalten, um die einzelnen Textbausteine klar voneinander unterscheiden zu können. Im Detail sieht die Gliederung wie folgt aus: Das erste Rahmenkapitel sollte in das Thema einführen und die inhaltlichen Schwerpunkte herausarbeiten. Ebenso wurden der aktuelle Forschungsstand, sich daraus ergebende Forschungslücken und -ziele skizziert. Hinweise zum inhaltlichen Aufbau sowie stilistische Anmerkungen folgen auf den kommenden Seiten. Da es sich bei dieser Studie um eine quellenhistorische Forschungsarbeit handelt und die ihr zugrunde liegenden zeitgenössischen Quellen sehr umfangreich und noch nicht umfassend erforscht worden sind, hat sich die Verfasserin dazu entschlossen, das Untersuchungsmaterial und die methodische Herangehensweise in einem eigenen Kapitel zu behandeln. Im Zentrum des zweiten Rahmenkapitels steht darum die Frage nach dem Wert der Filmzeitschrift als filmhistorischer Quelle. Neben der Bedeutung für die (stumm-)filmhistorische Forschung werden auch die Bestandslage, Differenzierungsmöglichkeiten und Auswahlkriterien erörtert. Die Erfahrungen und Informationen, die in der fast einjährigen Auswertungszeit gesammelt wurden, werden hier abgebildet. Darüber hinaus soll der Abschnitt zur Entstehung und Entwicklung der österreichischen Stummfilmzeitschriften auch die notwendigen medienhistorischen Kontexte miteinbeziehen. Kapitel 3 stellt dann das erste Kernkapitel dar, das sich mit der Kinematografie als zusätzlichem Betätigungsfeld für SchauspielerInnen auseinandersetzt. Der erste Abschnitt widmet sich dem Status quo, den prekären Arbeitsverhältnissen von TheaterschauspielerInnen im 19. und frühen 20. Jahrhundert, und geht dabei der Frage nach, welche Persönlichkeiten der Bühne sich als Erstes und aus welchen Gründen dazu entschlossen haben, beim Film mitzuwirken. Um die Motive für die Mitwirkung bei Filmaufnahmen geht es auch im zweiten Abschnitt, der auf finanzielle, künstlerische und ideelle Beweggründe eingeht. Der dritte und letzte Abschnitt setzt sich schließlich mit dem Widerstand gegen nebenberuflich tätige FilmschauspielerInnen auseinander. Besonders die Wiener Theaterdirektoren befürchteten nicht nur künstlerische, sondern auch ökonomische Einbußen durch die (vermeintliche) Konkurrenz der filmenden BühnenkünstlerInnen.

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Die nächsten beiden Kernkapitel beschäftigen sich danach mit der Herausbildung des Berufsbildes des Stummfilmschauspielers sowohl in der stummfilmästhetischen Schauspielertheorie als auch in der stummfilmspezifischen Praxis. Kapitel 4 geht der Frage nach, welche Definitions- und Differenzierungskriterien zeitgenössische Persönlichkeiten der Wiener Kunst- und Kulturlandschaft, wie Walter Friedemann, Friedrich Porges, Victor E. Pordes und Béla Balázs, anwandten, um die Tätigkeit des Kinodarstellers theoretisch zu erfassen und von anderen darstellenden Ausdrucksformen abzugrenzen. Die Ergebnisse werden anschließend in breiter gefächerte film- und theatertheoretische Kontexte (formästhetische Filmtheorie, theaterästhetische Schauspielertheorien) eingebettet. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, die verschiedenen Spielarten der stummfilmästhetischen Schauspielertheorien festzumachen und folgende Frage zu erörtern: War der Stummfilmdarsteller ein Pantomime, der das Wort gar nicht brauchte; ein Theaterschauspieler, den man nur nicht hören konnte; oder ein genuiner Filmkünstler, der die inhärente Tonlosigkeit des Mediums in sein Spiel integrierte und so eine neue Kunstform im darstellerischen Bereich schuf? Kapitel 5 versucht nun die Frage nach den Definitions- und Differenzierungskriterien in einen berufspraktischen Kontext zu setzen. Im Grunde genommen soll in diesem Kapitel das Anforderungsprofil für StummfilmschauspielerInnen erarbeitet werden. Dabei wurde, den Zielen dieser Arbeit entsprechend, besonders auf die Situation der Wiener Stummfilmlandschaft Bezug genommen. Viele Anforderungen waren zwar den technischen Bedingungen des Mediums geschuldet, andere, wie die Arbeit im Stummfilmatelier, waren aber dennoch von den lokalen Gegebenheiten beeinflusst. Insgesamt konnten drei Schwerpunkte in Bezug auf das Anforderungsprofil festgelegt werden, die sich auch in den drei Abschnitten des Kernkapitels widerspiegeln. Der erste Abschnitt befasst sich mit den Erwartungen an das äußere Erscheinungsbild, das sich durch physische Attraktivität, modebewusstes Auftreten und ein filmgerechtes Styling definierte. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Anforderungen an das darstellerische Können. Im zweiten Abschnitt werden darum stilistische ebenso wie schauspieltechnische Fragen behandelt: Wodurch zeichnete sich eine „natürliche“ Darstellung aus? Welche nonverbalen und verbalen Ausdrucksmittel standen dem Darsteller zur Verfügung? Welche zusätzlichen Qualifikationen waren von Vorteil? Neben einem stummfilmgeeigneten Aussehen und einer stummfilmgerechten Darstellung war zudem das Wissen um stummfilmspezifische Arbeitspraktiken unerlässlich. Im dritten Abschnitt kommen deshalb bekannte Wiener bzw. in Wien tätige Theatergrößen zu Wort, die in der Kinowoche davon berichteten, welche Erfahrungen sie beim Film gemacht hatten und welche Unterschiede es

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zwischen einem Auftritt auf der Bühne und einer Aufnahme vor der Kamera gab. Besonders hervorgehoben wurden die improvisierte Rollengestaltung, der dekorationsbestimmte Szenenablauf, die fehlende unmittelbare Resonanz des Publikums, die turbulente Arbeitsatmosphäre und ein erhöhtes Unfall-, Verletzungs- und Erkrankungsrisiko. Die nächsten beiden Kernkapitel sind dann dem großen Themenkomplex „Mode- und Traumberuf ‚Kinostar‘“ gewidmet. Kapitel 6 geht den Konsequenzen nach, die die Filmstarträume des Kinopublikums für den Beruf des Stummfilmschauspielers hatten. In negativer Hinsicht führte die „Flimmeritis“, wie das Phänomen von den Zeitgenossen bezeichnet wurde, zu einem Überangebot an Nachwuchskräften und in der Folge zu einer schlechten Beschäftigungslage. Außerdem bot diese Situation die Grundlage für den Wiener Filmschulskandal, in dessen Rahmen Ausbildungswillige für Schauspielunterricht bezahlen mussten, der sie in kürzester Zeit zum Filmstar machen sollte, jedoch in Wirklichkeit keine brauchbaren Inhalte vermittelte. Die prekäre Ausbildungs- und Arbeitssituation hatte aber auch eine positive Auswirkung auf die Verberuflichung. 1919 wurde die erste Interessenvertretung, der Verband der Filmdarsteller, gegründet, dessen primäres Ziel es war, den Missständen des Berufes, besonders der materiellen Not, entgegenzuwirken. Die kämpferischen und aufklärenden Tätigkeiten der ersten Berufsvereinigung für FilmdarstellerInnen in Österreich, deren Statuten im Wiener Stadt- und Landesarchiv eingesehen werden konnten, werden daher ausführlich besprochen. Kapitel 7 stellt sich anschließend die Frage, warum es einige trotz der im vorigen Kernkapitel erörterten Arbeitsmarktsituation geschafft hatten, aus der Masse der Unbekannten hervorzutreten und zum Star aufzusteigen. Dementsprechend konzentriert sich das siebte Kapitel auf die Erarbeitung von Merkmalen, die einen unbekannten Stummfilmdarsteller zum Stummfilmstar werden lassen konnten. Die Auswertung der österreichischen Filmperiodika ließ dabei vier Merkmale erkennen – Publikumsinteresse, Medienpräsenz, Internationalität, Differenzierung –, die im zweiten Abschnitt anhand lokaler Beispiele einer weiteren Ausdifferenzierung und Überprüfung unterzogen werden. Dass diese Merkmale jedoch keine Besonderheiten des Films waren, sondern bereits für die Theaterstars des 19. Jahrhunderts galten, zeigt der erste Abschnitt, der sich mit der Entstehung des Filmstarwesens im europäischen Kontext beschäftigt. Der letzte Abschnitt ist dann dem Prozess zwischen Liane Haid, Österreichs erstem Stummfilmstar, und ihrer Entdeckerfirma, der Wiener Kunstfilm, gewidmet. Dieses Fallbeispiel aus dem Jahr 1918, das viel über die Arbeitssituation von StummfilmschauspielerInnen im Allgemeinen und Stummfilmstars im Speziellen zeigen kann, weist einmal mehr auf die Diskrepanz zwischen den

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Vorstellungen des Kinopublikums und der Berufsrealität hin. Denn, wie die quellenkritische Analyse des Verfahrens zeigen wird, hatten auch Wiener Kinolieblinge mit gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen, einer in Bezug zu ihren Ausgaben geringen Gage und einer fehlenden künstlerischen Anerkennung zu kämpfen. Den Abschluss bildet schließlich Kapitel 8, das nicht nur die Forschungsergebnisse zusammenfasst und auf ausgewählte Forschungsdesiderate aufmerksam macht, sondern auch den Übergang zum „sprechenden Filmdarsteller“ skizziert. Die bis dahin erarbeiteten Aspekte des Stummfilmschauspielerberufes (Anforderungsprofil, Arbeitsbedingungen, Ausbildungsmöglichkeiten) werden daher noch einmal im Kontext der Entwicklungen des frühen Tonfilms besprochen. Viele Kämpfe, die der Stummfilm in den Jahren bis 1930 geführt hatte, begannen in der Tonfilmära von Neuem, da das Kriterium des Stummfilmschauspielers – seine Tonlosigkeit – nun obsolet geworden war. Erneut stellten sich die Zeitgenossen die Frage nach der Kunstfähigkeit des Films und des Filmdarstellers. Ergänzt werden die Forschungsergebnisse durch einen umfangreichen Anhang, der zum ersten Mal alle im Untersuchungszeitraum erschienenen österreichischen Stummfilmperiodika in einer Tabelle erfasst und zudem jene Filmperiodika, die für die vorliegende Arbeit relevant gewesen sind, mit Angaben zu den Erscheinungskontexten und der Überlieferungssituation auflistet (vgl. Anhang A). Darüber hinaus enthält der Anhang die Originalfassungen zentraler Dokumente, die in den Abschnitten 6.1 und 6.3 zur Filmbörse und zum Verband der Filmdarsteller im Detail besprochen werden (vgl. Anhang B), sowie weiterführende Quellenangaben zu den österreichischen Stummfilmstars (vgl. Anhang C).

1.5 STILISTISCHE ANMERKUNGEN Bevor die Forschungsergebnisse nun präsentiert werden können, möchte die Verfasserin noch auf folgende stilistische Besonderheiten aufmerksam machen: 1. Aus stilistischen Gründen wurde nicht durchgehend gegendert, da in manchen Fällen die männliche Einzahl aussagekräftiger erschien. Wenn also z.B. vom Filmschauspieler gesprochen wird, sind auch Filmschauspielerinnen gemeint. Grundsätzlich wurde jedoch versucht, von geschlechtsspezifischer Sprache abzusehen, was mit der Verwendung des Binnen-I zum Ausdruck gebracht wurde. Eine Ausnahme stellt jener Fall dar, wo tatsächlich nur die Berufskolleginnen gemeint sind.

1. Der Stummfilmschauspieler als Forschungsgegenstand | 29

2. Bei wörtlichen Zitaten wurde die zeitgenössische Schreibweise ausnahmslos beibehalten und, auch wenn diese von der heutigen Rechtschreibung abweicht, nicht extra gekennzeichnet. Der in wissenschaftlichen Texten übliche Fehlerhinweis [sic!] wurde nur da verwendet, wo es sich tatsächlich um einen Schreib- oder inhaltlichen Fehler handelt. Dasselbe gilt auch für die Abschrift der Dokumente und Veröffentlichungen des Verbandes der Filmdarsteller in Anhang B. 3. Ergänzungen und Veränderungen, die die Verfasserin in wörtlichen Zitaten vorgenommen hat, wurden im Zitat mit eckigen Klammern gekennzeichnet [A.D.] oder durch einen Hinweis in den Fußnoten vermerkt (z.B. „Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin vorgenommen“). 4. In den Fußnoten wurde nur dann die übliche Abkürzung „vgl.“ verwendet, wenn es sich um einen (Literatur-)Hinweis oder ein in den eigenen Worten der Verfasserin wiedergegebenes indirektes Zitat handelt. In allen anderen Fällen wurde von der Verwendung „vgl.“ abgesehen, um die Nähe zum zitierten Text offenzulegen. 5. Detaillierte Quellenangaben zu den verwendeten Abbildungen finden sich im entsprechenden Verzeichnis im Anschluss an den Hauptteil. Die Bildunterschriften enthalten darum nur gekürzte Informationen zur Herkunft der jeweiligen Abbildung.

2. Einführung II: Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle

Wie bisher dargelegt werden konnte, liegt der vorliegenden Untersuchung zum Beruf des Stummfilmschauspielers und der Stummfilmschauspielerin eine umfassende quellenkritische und -interpretative Auswertung der österreichischen Stummfilmperiodika zugrunde. Im Kontext dieser Arbeit sind damit ausschließlich Filmzeitschriften in ihren unterschiedlichen Ausprägungen (Fachzeitschriften, Verbandsorgane, Werksmitteilungen, Programmhefte, Publikumszeitschriften, Jahrbücher und Almanache, Filmbeilagen) gemeint, die im Zeitraum zwischen 1907 und 1930 periodisch (ein- bis zweimal wöchentlich, ein- bis zweimal monatlich, jährlich) in Wien erschienen waren. Aus dem Untersuchungsmaterial weitestgehend ausgeklammert wurden Tageszeitungen, da diese aufgrund der Fülle des Materials einer eigenen umfangreichen Analyse bedürfen. Die Filmberichterstattung in der Tagespresse fand nur dort Eingang, wo sie in den themenrelevanten Beiträgen der Filmzeitschriften Erwähnung findet, etwa in Form von Reprints oder Reaktionen auf branchenkritische Kommentare. Da die österreichischen Stummfilmperiodika die Basis der vorliegenden Untersuchung bilden, scheint es notwendig, vor der Präsentation der Untersuchungsergebnisse den ausgewerteten Primärquellen ein eigenes Kapitel zu widmen. Nachfolgend werden diese daher in Bezug auf ihre Bedeutung für die filmhistorische Forschung, ihre Bestandslage in den Wiener Bibliotheken, ihre Entwicklung bis zum Aufkommen des Tonfilms sowie im Hinblick auf mögliche Differenzierungs- und Auswahlkriterien beleuchtet.

32 | Schauspielen im Stummfilm

2.1 BEDEUTUNG FÜR DIE FILMHISTORISCHE FORSCHUNG Die Bedeutung der österreichischen Stummfilmperiodika für die filmhistorische Forschung in Österreich lässt sich zuallererst anhand der quantitativen Überlieferungssituation festmachen. Denn während nur rund 15% der in Österreich produzierten Stumm(spiel)filme erhalten geblieben sind, 1 konnten die Filmzeitschriften, die nachweisbar bis zum Aufkommen des Tonfilms erschienen waren, zu fast 100% überliefert werden (vgl. Abschnitt 2.2 und Anhang A). Die österreichischen Stummfilmperiodika dürfen damit zu Recht als umfangreichste erhaltene Primärquelle zur österreichischen Stummfilmzeit gelten. Das gilt umso mehr, als im Zeitalter der Digitalisierung einzelne derzeit noch fehlende Ausgaben nach und nach online ergänzt werden. Über die quantitative Bedeutung hinaus bieten die österreichischen Stummfilmperiodika, eine kritische Herangehensweise vorausgesetzt, aufgrund ihrer vielfältigen Erscheinungsformen auch ein detailliertes und facettenreiches Bild des österreichischen Stummfilmschaffens. Dabei stehen nicht nur die Filme selbst, sondern ebenso die Film- und Kinobranche, ihre Berufszweige und Arbeitspraktiken, im Zentrum der Berichterstattung. In der Filmwissenschaft hat man längst erkannt, dass schriftliche Quellen aufgrund der wenigen erhaltenen Filme ein wesentlicher Bestandteil der Stummfilmforschung sein müssen. Zeitgenössische Publizistik, Nachlässe, Firmenunterlagen oder Drehbücher sind daher zu wichtigen filmhistorischen Quellen geworden. Darauf weisen auch die Filmwissenschaftler Paolo Caneppele und Günter Krenn in ihrem gemeinsamen Aufsatz „Methodologische Betrachtungen zur Situation der Stummfilmforschung in Österreich“ aus dem Jahr 1999 hin: „‚Kino‘ oder besser ‚Kinogeschichte‘ umfaßt nicht nur Filmstreifen, sondern setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen: theoretische Überlegungen, Kritiken, tagespolitische Einflüsse, etc., die sich nicht nur im fertigen Endprodukt Film, sondern vor allem in Begleitmaterialien auf Papier manifestieren. [...] Zelluloid ist also nur ein kleiner, wenn auch wesentlicher Teil des komplexen Systems Kino, das sich aus vielen Bestandteilen zusammensetzt. Die reine Konzentration auf das Filmmaterial vernachlässigt oft vieles,

1

Vgl. Paolo Caneppele und Günter Krenn: „‚Rückwärts gekehrte Prophetie‘. Methodologische Betrachtungen zur Situation der Stummfilmforschung in Österreich“, in: Elektrische Schatten. Beiträge zur Österreichischen Stummfilmgeschichte, hg. von Francesco Bono, Paolo Caneppele und Günter Krenn. Wien: Filmarchiv Austria, 1999, S. 193–200, hier S. 193; FAA: mündliche Auskunft vom 18.11.2015.

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 33

was wesentlich mitbestimmender Faktor eines künstlerischen Prozesses war, dadurch in den Film eingeflossen, aber nicht mit ihm verlorengegangen ist.“

2

Neben den genannten „Begleitmaterialien auf Papier“ hat die Filmwissenschaft auch die Periodika als wichtige Quelle erkannt. Der italienische Filmhistoriker Paolo Cherchi Usai schreibt deshalb in seinem Grundlagenwerk zur Stummfilmforschung und -archivierung: „[...] many secrets are buried in the pages of periodicals [...]“.3 Usai rät darum ebenfalls dazu, schriftliche Quellen in die Stummfilmforschung miteinzubeziehen. Wie Caneppele und Krenn begreift er aber sowohl die „trade periodicals“ als auch die „film magazines“ vorrangig als Datenpool, der Informationen bzw. Produktionsdaten zu verschollenen Filmen liefert.4 Dementsprechend wird besonders Film- und Kinoprogrammen, Notizen zu laufenden Projekten, Filmbeschreibungen und Zensurbemerkungen eine größere Bedeutung zugemessen, wenn es darum geht, den Entstehungsprozess oder den Inhalt eines nicht erhaltenen Stummfilms zu rekonstruieren.5 Doch die Stummfilmperiodika bieten in ihrer ganzen Vielfalt, ob als Fach- oder Publikumszeitschrift, mehr als nur nüchterne Fakten. Zum Beispiel fungierten viele der Branchenorgane als Sprachrohre einzelner Berufsvereinigungen und kämpften für die Interessen ihrer Mitglieder. Darum lassen die zeitgenössischen Filmzeitschriften auch einen Blick hinter die Kulissen zu und können, oftmals als einzige erhaltene Quellen,6 Antworten auf berufsbezogene Fragen geben. Aus den genannten Gründen dürfen die österreichischen Stummfilmperiodika als umfangreichste Quelle zum Beruf des Stummfilmschauspielers/der Stummfilmschauspielerin gelten. Allerdings müssen die gewonnenen Informationen einer quellenkritischen Betrachtung unterzogen und in die entsprechenden historischen Kontexte eingebettet werden, um falsche Rückschlüsse zu vermeiden (vgl. Abschnitt 2.5). Die verschiedenen Präsentationsformen der Filmperiodika, von sachlichen Erörterungen bis hin zu subjektiven Erfahrungsberichten, stellen so kein Problem in Bezug auf den Erkenntniswert dar und können, zu-

2

Ebd., S. 194f.

3

Paolo Cherchi Usai: Silent Cinema. An Introduction, übers. von Emma Sansone Rittle, [Reprint]. London: BFI Publishing, 2003, S. 91 (Orig.: Una passione infiammabile. Guida allo studio del cinema muto. Turin: UTET Libreria, 1991).

4

Vgl. ebd., S. 103.

5

Vgl. Caneppele und Krenn: „‚Rückwärts gekehrte Prophetie‘“, S. 196f.

6

Vgl. Pearson: Eloquent Gestures, S. 120: „[...] in the absence of studio records, trade press discourse sometimes provides the only information about industry practices [...]“.

34 | Schauspielen im Stummfilm

sammen mit zeitgenössischen Publikationen und Dokumenten sowie der aktuellen Forschungsliteratur, dazu beitragen, ein lebendiges und abgerundetes Bild der Arbeitsanforderungen und -bedingungen zu geben.

2.2 BESTANDSLAGE IN DEN WIENER BIBLIOTHEKEN Wie gezeigt werden konnte, ist die Quellenlage aufgrund der Tatsache, dass die österreichischen Stummfilmperiodika fast vollständig erhalten geblieben sind, außergewöhnlich günstig. Mit der Bestandslage verhält es sich hingegen etwas anders, da die Filmzeitschriften des Untersuchungszeitraumes (1907–1930) über mehrere Standorte in Wien verteilt sind. Das hat dazu geführt, dass einige Titel doppelt gesammelt wurden. In vielen Fällen sind aber nicht alle Jahrgänge einer Zeitschrift an ein und demselben Standort vorhanden, was eine intensive Standortrecherche vorab notwendig macht. Glücklicherweise verfügen alle Bibliotheken mittlerweile über Online-Kataloge, die die diesbezüglichen Recherchen im Vergleich zu früheren Forschungsarbeiten erleichtert haben. Besonders der Österreichische Verbundkatalog ist in dieser Hinsicht eine große Hilfe gewesen, da das Vorhandensein eines Zeitschriftentitels in allen wissenschaftlichen Bibliotheken in Österreich angezeigt wird. Über die Bibliothekskataloge hinaus sind die österreichischen Filmzeitschriften vor allem in Hochschulschriften der Universität Wien im Detail dokumentiert (vgl. Tabelle 1).7 Zudem hat der deutsche Bibliothekar und Hobbyfilmhistoriker Herbert Birett 1998 ein „Neues Standortverzeichnis früher deutsch[spra-

7

Vgl. Florian Pauer: Österreichische Filmpublizistik in der Pionier- und Aufbruchszeit der Kinematographie 1895–1918. Diss., Universität Wien, 1982; Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik; Margit Nöhrer: Der Einfluss der wirtschaftlichen und politischen Situation auf Film- und Kinowesen in den Jahren 1918 bis 1929. Die Film- und Kinozeitschriften als Informationsträger dieser Zeit. Dipl., Universität Wien, 1987; Isabella Palfy: Kino und Film in der Ersten Österreichischen Republik. Die Filmpublizistik der Tonfilmzeit von 1929–1938. Diss., Universität Wien, 1993; Barbara Hausberger: Die österreichische Filmzeitschrift vom Stummfilm bis zur Gegenwart 1907–1995. Historischer Rückblick, heutiger Standard. Diss., Universität Wien, 1996. Der Vollständigkeit wegen muss an dieser Stelle auch noch die Bakkalaureatsarbeit von Nicolas Wolfinger erwähnt werden, die der Verfasserin vom Filmarchiv Austria zur Verfügung gestellt wurde. Vgl. Nicolas Wolfinger: Kunst oder Ware? Die österreichische Filmpublizistik der Stummfilmzeit mit einer Diskursanalyse zum Wiener ‚Filmkritik-Streit‘. Bakk., Universität Wien, 2011.

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 35

chig]er Filmzeitschriften“8 publiziert, das zum Teil auch die in Österreich erschienenen Periodika miteinschließt. Tabelle 1: Dokumentation der österreichischen Filmzeitschriften in Hochschulschriften der Universität Wien AutorIn

Jahr, Typ

Zeitraum

Dokumentation

Pauer, Florian

1982, Dissertation

1895–1918

S. 29–47, S. 260

Feike, Martina

1985, Dissertation

1918–1928

S. 185–221

Nöhrer, Margit

1987, Diplomarbeit

1918–1929

S. 31–84

Palfy, Isabella

1993, Dissertation

1929–1938

S. 195–240

Hausberger, Barbara

1996, Dissertation

1907–1995

S. 124–150

Die in Tabelle 1 erfassten Dokumentationen beinhalten häufig auch die Signaturen der Aufbewahrungsstandorte. In der Regel konnten die AutorInnen die Originalausgaben einsehen. Andere Aufbewahrungsformen wie Mikrofilme oder Onlineausgaben haben zum Teil noch nicht existiert und werden deshalb in den Hochschulschriften, die in den 1980er und frühen 1990er Jahren entstanden sind, nicht angeführt. Herbert Biretts Standortverzeichnis bezieht sich hingegen ausschließlich auf die vorhandenen Mikrofilme, da diese für ihn 1998 „die vollständigste Überlieferung der jeweiligen Zeitschrift“ darstellten.9 In Wien überwiegt derzeit noch die Anzahl der einsehbaren Originalexemplare, die aber mit den fortschreitenden Digitalisierungsbestrebungen immer weniger für die BenützerInnen zur Verfügung stehen werden. Wo es möglich war, hat sich die Verfasserin darum bemüht, die Originalausgaben durchzusehen. Ist die jeweilige Zeitschrift als Mikrofilm oder bereits als Onlineausgabe zugänglich, dann ist die Einsicht der Originalbestände jedoch nicht mehr möglich gewesen. Insgesamt gibt es in Wien zurzeit drei Aufbewahrungsformen an vier Standorten (vgl. Tabelle 2).

8

Vgl. Herbert Birett: „Neues Standortverzeichnis früher deutscher Filmzeitschriften“, in: Stummes Spiel, sprechende Gesten, hg. von Kessler, Lenk und Loiperdinger, 1998, S. 183–196 (Orig.: Früher Film in Deutschland, 1993 (= KINtop 1)). „Früh“ meint Filmzeitschriften, die bis zum Jahr 1920 erschienen waren.

9

Ebd., S. 183.

36 | Schauspielen im Stummfilm

Tabelle 2: Aufbewahrungsorte/-formen österreichischer Stummfilmzeitschriften in Wien Standort

Universitätsbibliothek Wien

Österr. Nationalbibliothek

Lesesäle

Medium

Großer Lesesaal

Originale

Lesesaal Altes Buch

Originale

Zeitschriftensaal Teinfaltstraße

Mikrofilm

Heldenplatz – Lesesaal 1 (Hauptlesesaal)

Originale

Heldenplatz – Lesesaal 4 (Großformate)

Originale

Heldenplatz – Lesesaal 6 (Mikrofilme)

Mikrofilm

Theatermuseum – Bibliothek (Lesesaal)

Originale

ANNO (digitaler Zeitschriftenlesesaal)*

Online

Filmarchiv Austria

Studienzentrum/Bibliothek

Wienbibliothek

Lesesaal im Rathaus

Mikrofilm Originale Originale (Kopien)

* ANNO, AustriaN Newspapers Online, ist ein seit 2003 laufendes Projekt der Österreichischen Nationalbibliothek und versteht sich als digitaler Zeitungs- und Zeitschriftenlesesaal. Dieser wurde eingerichtet, um die Zugänglichkeit zu den österreichischen Periodika für die BenützerInnen zu erleichtern, die Vollständigkeit der Bestände zu prüfen und die Schonung des Materials zu gewährleisten.10 Mittlerweile wurde zusätzlich zur alphabetischen auch eine thematische Suche eingerichtet. Unter dem Schlagwort „Film“ sind derzeit (2019) 14 Zeitschriftentitel angeführt, wobei acht im Kontext dieser Arbeit relevant sind: Der Filmbote, Die Filmwelt, Kinematographische Rundschau, Das Kino-Journal, Der Kinobesitzer, Die Kinowoche, Neue Kino-Rundschau, Österreichische Film-Zeitung.11 Diese Liste wird laufend ergänzt, was es späteren Forschergenerationen ermöglichen wird, den gesamten Bestand der österreichischen Filmperiodika an einem einzigen (virtuellen) Ort einsehen zu können.

10 Vgl. o.N.: „Was ist ANNO?“, Österreichische Nationalbibliothek. ANNO – Historische Zeitungen und Zeitschriften, 2011, anno.onb.ac.at/wasistanno.htm, 05.10.2015. 11 Ebenfalls digitalisiert worden sind Die Bühne und Mein Film, die allerdings nicht in der thematischen Suche unter dem Schlagwort „Film“ aufgelistet werden.

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 37

Doch auch wenn die Digitalisierung der Zeitschriftenbestände (vor allem im Vergleich zu den Mikrofilmen)12 einige Vorteile bietet, sollten die Originale nicht in Vergessenheit geraten. So bemerkt Herbert Birett in den Anmerkungen zu seinem Standortverzeichnis, dass bei der Mikroverfilmung viele Informationen wie der Farbdruck, die Papierqualität oder das Format verloren gehen würden.13 Diese Informationen scheinen bei einer inhaltlichen Auswertung zwar peripher, doch geben sie letztendlich ein vollständiges Bild der Entstehungszeit ab. Zum Beispiel ist die Papiernot während und kurz nach dem Ersten Weltkrieg nicht nur an den wenigen Seiten umfassenden Ausgaben und dem einfach gehaltenen Layout erkennbar, sondern auch an der schlechten Papierqualität, die sehr einprägsam die Auswirkungen des Krieges auf den Alltag der Menschen verdeutlicht. Trotzdem lässt es sich nicht leugnen, dass die Digitalisierung der Bibliotheksbestände, neben der orts- und zeitunabhängigen Einsehbarkeit und der Schonung des Materials, auch einen anderen Vorteil bietet: eine einfachere und kostenschonendere Reproduzierbarkeit.14 Neben Standortverzeichnissen, Aufbewahrungsorten und -formen ist auch der Umfang des Untersuchungsmaterials eine wichtige Information für die Recherche in den Stummfilmperiodika. Deshalb war es notwendig, alle im Untersuchungszeitraum erschienenen Filmzeitschriften durchzusehen, um keine Informationen aufgrund vorab getroffener Einschränkungen zu übersehen. Denn auch in der kleinsten Notiz und im kürzesten redaktionellen Teil (etwa in den Werksmitteilungen einer Filmfabrik) können themenrelevante Informationen versteckt sein. Auch Paolo Cherchi Usai rät dazu, allen Inhalten Beachtung zu schenken: „[...] if we are searching through a silent film periodical to find information about our subject, we should (ideally) go through the whole thing. It seems madness, but we must ac-

12 Die in den genannten Wiener Bibliotheken vorhandenen Mikrofilme weisen bereits starke Abnützungserscheinungen auf, was sich u.a. dadurch äußert, dass diese oft nur schwer in das Mikrofilmlesegerät einzulegen sind. Davon abgesehen enthalten nicht wenige Mikrofilme zu dunkle oder verschwommene Aufnahmen. 13 Vgl. Birett: „Neues Standortverzeichnis früher deutscher Filmzeitschriften“, S. 183. 14 Die meisten Originalexemplare sind durch ein Kopierverbot geschützt und können daher nur kostenpflichtig reproduziert (oder von BenützerInnen in mühevoller Arbeit Seite für Seite abfotografiert) werden. Bei den Mikrofilmen gibt es die Möglichkeit, die gewünschten Seiten auszudrucken, was ebenfalls kostenpflichtig ist, oder diese kostenfrei auf einem mitgebrachten USB-Stick abzuspeichern. Letzteres ist jedoch nur bei moderneren Mikrofilmlesegeräten möglich.

38 | Schauspielen im Stummfilm

cept the idea that a piece of essential information could be in a tiny recess of the most in15

significant article.“

Für diese Arbeit konnten insgesamt 55 Titel recherchiert werden, davon wiesen 48 einen redaktionellen Teil auf und waren 33 inhaltlich relevant (vgl. Anhang A). Für jene Zeitschriften mit redaktionellem Teil16 konnten 194 Jahrgänge und 5417 Nummern nachgewiesen werden, wobei 179 Jahrgänge und 5047 Nummern erhalten geblieben sind. Daher wurden ca. 92,27% aller Jahrgänge und 93,17% aller Nummern archiviert. Dieselbe Rechnung lässt sich auch für jene Zeitschriften anstellen, die für die Zwecke der vorliegenden Arbeit relevant waren: Von 151 nachweisbaren Jahrgängen und 4756 nachweisbaren Nummern sind 149 Jahrgänge und 4601 Nummern erhalten geblieben. Die Überlieferungssituation der relevanten Zeitschriften ist daher noch um einiges besser, da 98,68% der Jahrgänge und 96,74% der Nummern archiviert werden konnten. Allerdings geben die letztgenannten Prozentzahlen selbstverständlich kein vollständiges Bild der Überlieferungssituation wieder.

2.3 ENTSTEHUNG UND ENTWICKLUNG BIS 1930 Zeitschriften hat es in ihren vielfältigen Erscheinungs- und Vorformen im deutschsprachigen Raum bereits seit dem 16. Jahrhundert gegeben.17 Doch erst der technische Fortschritt des 19. und 20. Jahrhunderts (Fotografie, Autotypie)

15 Usai: Silent Cinema, S. 94. 16 Reine Film- und Kinoprogramme ohne redaktionellen Teil sowie Notenblätter für Kinovorführungen sind daher nicht berücksichtigt bzw. mitgezählt worden. 17 Vgl. Rudolf Stöber: „Historische Zeitschriftenforschung heute“, in: Publizistik 47/ Sonderheft 3 (2002), S. 42–59, hier 46f. Die Entwicklung der deutschen Zeitschriften skizziert Stöber folgendermaßen: „Als um 1750 der Begriff geprägt wurde, hatte ,Zeitschrift‘ die reinste und engste Bedeutung. Zuvor existierte in Flug- und Streitschriften, Relationen, Messrelationen und Chroniken eine Vielfalt von Vorläufern, hernach eine Unzahl von ausdifferenzierten Formen. Existierten zunächst nur politische Zeitschriften, ‚moralische Wochenschriften‘ und ‚Gelehrtenzeitschriften‘, so entstanden schon im frühen 18. Jahrhundert Fachzeitschriften von der Theologie über die Geschichte bis zur Jurisprudenz, kulturelle, philosophische und pädagogische Zeitschriften ebenso wie Jugend- und Frauenpresse. Im 19. Jahrhundert kamen Illustrierte und ‚Rundschauzeitschriften‘ hinzu, und seither entstanden alle möglichen Formen bis hin zu Special-Interest-Magazinen.“

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 39

ermöglichte ein modernes Erscheinungsbild mit zahlreichen Abbildungen, das ein Massenpublikum zu erreichen vermochte. Dass sich die „Illustrierten“ zu einem Massenmedium entwickelten, verdankten sie aber nicht nur dem technischen Fortschritt, sondern auch einer niedrigen Preisgestaltung sowie einer inhaltlichen Ausrichtung, die auf die Unterhaltung einer heterogenen Leserschaft abzielte.18 Der deutsche Kommunikationswissenschaftler Rudolf Stöber ist zudem überzeugt, dass die Zeitschriften des 19. und 20. Jahrhunderts auch vom Aufkommen neuer Medien profitierten: „Der Film beispielsweise erlaubte den Illustrierten die Ausweitung der Berichterstattung über eine neue Form von Prominenz, die der Stars und Sternchen. Zugleich entstand die neue Gattung der Filmzeitschriften [...]“19, die, wie man hinzufügen könnte, sich zum Sprachrohr des neuen Mediums und seiner Branche einerseits und zum Bindeglied zwischen Filmwelt und Kinopublikum andererseits entwickelten. Die Geschichte der österreichischen Filmzeitschriften beginnt im Jahr 1907 und ist von da an eng verknüpft mit den Entwicklungen der österreichischen Film- und Kinoindustrie. Schon das Jahr 1907 war von zwei zentralen Ereignissen geprägt: dem Erscheinen der ersten Filmfachzeitschrift Österreichs, der Kinematographischen Rundschau, und der Gründung des Reichsverbandes der Kinematographenbesitzer.20 Die Zeit um 1906/07 markiert außerdem den Beginn einer eigenen und regelmäßigen österreichischen Filmproduktion, die in diesen Pionierjahren sowohl durch die erotischen Kurzfilme der Firma Saturn als auch durch die ersten Filmaufnahmen des Fotografen Anton Kolm, seiner Gattin Louise (geb. Veltée) und deren Kameramann Jakob Julius Fleck gekennzeichnet war. Zusammen mit Heinz Hanus, dem späteren Gründer des Filmbundes (vgl. Abschnitt 6.3), produzierten diese 1908 den ersten (jedoch nicht erhaltenen) österreichischen Spielfilm VON STUFE ZU STUFE. Im selben Jahr wurde auch eine weitere Filmfachzeitschrift gegründet, der Österreichische Komet, der zusammen mit der Kinematographischen Rundschau nicht nur zu den langlebigsten, sondern auch zu den führenden Branchenblättern der österreichischen Filmindustrie zählen sollte. Die Gründung von Filmfach- und Branchenzeitschriften war in Österreich ab 1907 notwendig geworden, da die aufblühende Kino- und Filmbranche des Landes eines „eigenen Kommunikationsmittels“ 21 bedurfte, mit dessen Hilfe sie

18 Vgl. ebd., S. 51f. 19 Ebd., S. 52. 20 Vgl. o.N.: „Eine Anerkennung für die ‚Kinematographische Rundschau‘. Unser Blatt als offizielles Fachorgan“, in: Kinematographische Rundschau 1/20 (1907), S. [1]. 21 Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik, S. 22.

40 | Schauspielen im Stummfilm

Missstände aufdecken und diesbezügliche Forderungen propagieren konnte. Das war auch deshalb wichtig, weil die Tagespresse dem Film als Kunstform und Konkurrenz des Theaters zunächst skeptisch und ablehnend gegenüberstand. Auf die kinogegnerischen Tendenzen der Tageszeitungen machte man in den Filmzeitschriften wiederholt aufmerksam. Zum Beispiel wies der Wiener Autor und Journalist Victor E. Pordes (vgl. Kapitel 4.1.3) darauf hin, dass die Tagespresse geldbringende Inserate der Branche immer annehme, diese im Gegenzug jedoch nicht gewillt sei, das neue Medium als Kultur- und Bildungsfaktor anzuerkennen und fachmännisch-objektive Kommentare zu veröffentlichen.22 1921 kommentierte Pordes das Verhältnis von Film und Presse in der Komödie folgendermaßen: „Es gibt da immer denselben empörenden Gegensatz. Während Borniertheit, Muckerei oder Ignoranz im Feuilleton Attacken gegen eine Kunstmöglichkeit [des Films, A.D.] reitet, die sie nicht erfaßt oder während Wissende und Berufene den Abstand messen, der Wege und Ziele dieser Kunst von ihrer jammervollen Wirklichkeit trennt, schwillt der Anzeigenteil, die Kunst- und Lokalchronik von gutbezahlten, schmalzigen, lobtriefenden Notizen, in denen derselbe Mist, dessen üble Wirkung man oben beweint, dem Leser unten als Kunstgenuß ersten Ranges einreden wird. Ich spreche auch von der Wiener Presse. Man wende nicht ein, daß es sich um offensichtlich bezahlte Reklame handelt. Mit welchem Recht polemisiert man gegen eine Unkunst, von der man sich hinterrücks bezahlen läßt, oder spricht von Wirkungen, den Schönheiten, der Zukunft einer Filmkunst, wenn man sie nur gegen Extratarife gelten läßt?“

23

Dass Pordes’ Text aus dem Jahre 1921 stammt, zeigt, dass sich das Verhältnis zwischen Film und Tagespresse in Österreich auch nach dem Ersten Weltkrieg nicht wesentlich gebessert hatte. Die Filmzeitschriften, die in der Pionier- und Aufbruchszeit des österreichischen Films aufkamen, verstanden sich daher primär als „Sprachrohr und publizistisches Forum des neuen Mediums“24 und seiner Branche. Die zwischen 1907 und 1918 erschienenen Filmperiodika (vgl. Anhang A) sind also durchwegs als Fach- und Branchenblätter zu definieren, die sich für die Anerkennung des Films als neue Kunstform sowie für die Interessen der Film- und Kinobranche einsetzten.

22 Vgl. Victor E. Pordes: „Film und Presse“, in: Komödie 2/11 (1921), S. 11f. 23 Ebd., S. 11. 24 Pauer: Österreichische Filmpublizistik in der Pionier- und Aufbruchszeit der Kinematographie 1895–1918, S. 2.

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 41

Neben dem Versuch, den Film als Kultur- und Bildungsfaktor und die Branche als „neuen und vielversprechenden Wirtschaftszweig“25 zu etablieren, boten die ersten Filmfachzeitschriften außerdem ein Informationsforum für die Branchenangehörigen, anfänglich vor allem für die Kinobesitzer. Technische Fragen und neueste Entwicklungen standen daher ebenso im Fokus wie der Kampf um Anerkennung. Schon ab 1907 entstanden auch Berufsverbände bzw. Interessenvertretungen, die einzelne Fachzeitschriften als Verbandsorgane einsetzten (vgl. Tabelle 3), um ihre Bestrebungen offenlegen und verbreiten zu können. Oberstes Ziel war der Kampf gegen die Vorurteile der Kinogegner und damit einhergehend der Imagewandel des Films von einer vermeintlich sittenverderbenden und inhaltsleeren Jahrmarktsattraktion zu einer neuen Kunstform und einem Bildungsmittel des „Volkes“. Zudem kämpfte man gegen die gesetzliche Benachteiligung der noch jungen Branche und versuchte mithilfe der Branchenorgane „die öffentliche Meinung zu mobilisieren“.26 Zu den Fachperiodika dieser Zeit dürfen darüber hinaus auch Werksmitteilungen27 von Filmherstellern und Filmverleihern gezählt werden, die die neuesten Filme bewarben, zugkräftige Mitwirkende vorstellten und mitunter auch kurze redaktionelle Beiträge, zumeist zur Filmherstellung, boten. Fachzeitschriften, Verbandsorgane und Werksmitteilungen stellen folglich die Hauptgattungen der Filmzeitschriften bis 1918 dar – mit einer Ausnahme: Die 1912 gegründete Zeitschrift Das Welttheater gilt bislang als erster Versuch, eine „Zeitung für die Besucher der Kinematographentheater“28 zu schaffen. Doch auch das Welttheater ließ in seiner ersten Nummer kämpferische Tendenzen erkennen: „Just der Moment, da es an Verdächtigungen nicht fehlt, denen die Kinematographie und speziell das Kinematographentheater seitens neidischer Feinde ausgesetzt ist, scheint uns der richtige zu sein, um mit der ersten Zeitschrift für die Kinematographen-Besucher hervorzutreten. Das ‚Welttheater‘ ist keine Fachzeitschrift. Es ist eine Zeitung für das Publi-

25 Ebd. 26 Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik, S. 23. 27 Vgl. ebd., S. 27. 28 Der Untertitel, der hier – wie es häufig der Fall war – die Intention der „Zeitung“ offenlegte, zeigt auch, dass es keine strenge terminologische Abgrenzung gab. Die Periodizität (wöchentliche Erscheinungsweise) und die inhaltliche Ausrichtung (keine tagesaktuelle Berichterstattung) sprechen aber dafür, dass es sich im Fall des Welttheaters um eine Zeitschrift handelte.

42 | Schauspielen im Stummfilm

kum, eine Zeitung, deren Zweck es ist, als Vorkämpfer für die Kinematographie zu dienen, gefällig den Freunden, rücksichtslos gegen die Übelwollenden.“

29

Tabelle 3: Österreichische Stummfilmzeitschriften als offizielle Verbandsorgane30 Verbandsorgan

Verband/Verbände

Das Bild im Dienste der Schule und Volksbildung

1924–1930

Film- und Bearbeitungsgemeinschaften der Lehrer Österreichs, Wiener Volksbildungsverein, Verein Skioptikon, Verein Erziehungsrat

Der Filmbote

1918–1926

Bund der Kinoindustriellen

Die Filmwelt

1920–1925

Reichsbund der Kinofreunde Österreichs

Kinematographische Rundschau

1907–1917

Reichsverband der Kinematographenbesitzer (u.a.)

Der Kinobesitzer

1917–1919

Reichsverband der Kinematographenbesitzer

Das Kino-Journal

1919–1930

Verband der österr. Lichtspielbühnen (ab 1919), Bund der österr. LichtspielTheater, der Landes-Fachverbände und der Sektion Niederösterreich-Land (ab 1922), Bund der Wiener Lichtspieltheater und sämtlicher Landes-Fachverbände (ab 1929)

Mein Film

1926–1930

Kinogemeinde (Vereinigung der Kinofreunde)

Neue Filmwoche

1918/1919

Verband der Kinoindustriellen

1917–1921

Reichsverband und Landesfachverbände der Kinematographenbesitzer (ab 1917), Verband der Filmdarsteller und Wiener Filmbörse (ab 1919), Verband der Techniker für Kinematographie (ab 1920), Bund der österr. Lichtspieltheater (ab 1920)

Neue Kino-Rundschau

29 O.N. (Red.): „Ein Wort an unsere Leser!“, in: Das Welttheater 1/1 (1912), S. [3]f. 30 Doppelnennungen resultieren daraus, dass einzelne Filmzeitschriften eingingen und ein Verband damit in die Lage gebracht wurde, sich ein neues Verbandsorgan zu suchen bzw. zu schaffen. Nicht berücksichtigt wurde: Kastalia (Verein „Kastalia“, Gesellschaft für wissenschaftliche und Unterrichtskinematographie, Verbandsorgan ab 1912).

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 43

Die erste filmorientierte Publikumszeitschrift Österreichs ging jedoch nach nur 20 Nummern wieder ein. Die Zeit der Publikumszeitschriften (Filmillustrierten) war noch nicht gekommen, ihre Hochblüte sollten sie erst nach Ende des Ersten Weltkriegs erleben. In der Zeit zwischen 1914 und 1918 waren die Inhalte der Filmperiodika vor allem geprägt von den Folgen des Krieges für die Film- und Kinoindustrie. Doch während die Wiener Kinos aufgrund von Krankheiten (Spanische Grippe, Tuberkulose) und Kohlennot schließen mussten und folglich mit materiellen Einbußen zu kämpfen hatten,31 bedeutete das kriegsbedingte Einfuhrverbot ausländischer Filme, die zuvor den österreichischen Filmmarkt dominiert hatten, einen Aufschwung für die inländische Filmindustrie. Nicht ohne Zufall kamen in dieser Zeit die ersten österreichischen Filmstars auf (vgl. Kernkapitel 7). Zum Beispiel feierte Liane Haid mit dem patriotischen Film MIT HERZ UND HAND FÜRS VATERLAND (Wiener Kunstfilm, 1915) ihr Leinwanddebüt und legte damit gleichzeitig den Grundstein für eine internationale Filmstarkarriere. Doch auch wenn das kriegsbedingte Einfuhrverbot der österreichischen Filmindustrie positive Impulse gab, die Schrecken des Krieges waren allgegenwärtig. Wie bereits im vorigen Abschnitt erwähnt, lassen sich die diesbezüglichen Auswirkungen auch am Erscheinungsbild der Filmzeitschriften ablesen. Schlechte Papierqualität, minimalistisches Layout und verkürzte Ausgaben zeichnen noch heute ein Bild der wirtschaftlichen Konsequenzen für die österreichische Presse. Ebenso lassen Notizen, wie jene in der Neuen Kino-Rundschau vom 17.10.1918, die Entbehrungen der Zeit erahnen: „AN UNSERE LESER! Infolge der durch die Papiernot hervorgerufenen behördlichen Verfügungen über den Umfang der periodischen Zeitschriften muß die vorliegende Nummer unseres Blattes vorzeitig und mit eingeschränktem Texte erscheinen. Aus demselben Grunde entfällt in dieser Nummer die Erscheinungsliste. Wir bitten unsere Leser, dies entschuldigend zur Kenntnis zu nehmen.“

32

Nach 1918 mussten sich auch die Filmzeitschriften an den Nachkriegsalltag und die veränderte politische Situation anpassen. Etliche schon bestehende Periodika erfanden sich deshalb neu, um den geänderten Verhältnissen gerecht zu werden.

31 Vgl. Verena Moritz: „Zwischen gestern und morgen“, in: Kampfzone Kino. Film in Österreich 1918–1938. Wien: Filmarchiv Austria, 2008, S. 13–21, hier 18–20. 32 O.N.: „[AN UNSERE LESER!]“, in: Neue Kino-Rundschau 2/85 (1918), S. 61.

44 | Schauspielen im Stummfilm

Neben Namensänderungen,33 die nicht selten mit einer neuen Aufmachung einhergingen, kam es 1919 auch zu einer Fusion zwischen dem Kinobesitzer und der Neuen Kino-Rundschau (vgl. Tabelle 4). Damit wollte man den Verband der Kinematographenbesitzer stärken, der sich in den Reichsverband (Österreich) und die diversen Landesverbände (ehem. Kronländer) aufsplitterte. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie erschien es nun sinnvoll, ein einziges Verbandsorgan zu haben: „Wir leben in einer Zeit, in der alles sich zu organisieren bemüßigt ist, in einer Zeit, in der der einzelne wenig oder gar nichts bedeutet und in der nur die geschlossenen Massen der Berufsgenossen Erfolge zu zeitigen vermögen. Es hieße also wahrlich nicht dem Zug der Zeit Folge leisten, wenn der Reichsverband und die Landesverbände ihre gesonderten publizistischen Vertretungen beibehielten. [...] daß die endgültige Vereinigung dieser beiden Gruppen zu einer großen, kräftigen und mächtigen Branche[n]vertretung zwar in die Wege geleitet, jedoch noch nicht definitiv durchgeführt wurde, ist sicherlich nur auf die großen politischen Umwälzungen, auf die Auflösung der Oesterreichisch-ungarischen Monarchie [...] zurückzuführen [...].“

34

Darüber hinaus dürfte es im Jahr 1921 zu einer bisher unbekannten Fusion zwischen der Neuen Kino-Rundschau und dem Kino-Journal gekommen sein. Ein entsprechender Hinweis findet sich im Kino-Journal, das anlässlich seiner 1000. Nummer die eigene Geschichte in einem ausführlichen Artikel Revue passieren ließ. Dem zufolge sei die Neue Kino-Rundschau im Oktober 1921 in das Eigentum des Kino-Journals übergegangen. „Selbstredend“ habe man die Rundschau anschließend eingehen lassen, jedoch die Abonnenten und Inserenten sowie die Funktion als Verbandsorgan der Kinobesitzer übernommen.35

33 Vgl. z.B. o.N.: „Nummer 1000“, in: Das Kino-Journal 22/1000 (1929), S. 4–6, hier S. 5: „Im Jahre 1918 [1919 erfolgte die Änderung, A.D.], als der Krieg zu Ende war, sahen wir uns veranlaßt, den Titel unseres Blattes [‚Österreichischer Komet‘, A.D.] in ‚Kino-Journal‘ zu ändern. Bei der Proklamation der Republik wurde bekanntlich unser Staat als ein Bestandteil der deutschen Republik erklärt und hieß damals ‚Deutschösterreich‘ [...]. Da wir unser Blatt nicht ‚Deutschösterreichischer Komet‘ betiteln wollten, wählten wir den neuen Titel.“ 34 O.N. (Red.): „An unsere Leser!“, in: Der Kinobesitzer 3/72 (1919), S. [1]f., hier S. [1]. 35 Vgl. o.N.: „Nummer 1000“, S. 5: „Hingegen konnten wir bald mit Herrn Siebertz [Eigentümer und verantwortlicher Redakteur, A.D.] eine Vereinbarung erzielen und im Oktober 1921 ging das Blatt in unser Eigentum über. Wir ließen selbstredend die

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 45

Tabelle 4: Österreichische Stummfilmzeitschriften und ihre Nachfolgeblätter36 Ursprünglicher Titel

Titel des Nachfolgeblattes

Bettauers Wochenschrift

Helmut Bettauers Wochenschrift (ab 1927)

Der (Wiener) Eisbär

Der Neue Film (ab Dezember 1920)

Der Filmbote

Österr. Film-Zeitung (ab 1. Jänner 1927)

Die Filmwoche

Neue Filmwoche (ab Oktober [?] 1918)

Die Kinematographische Rundschau

Neue Kino-Rundschau (ab 10. März 1917)

Der Kinobesitzer

Neue Kino-Rundschau (Fusion April 1919)

Neue Kino-Rundschau

Das Kino-Journal (Fusion Oktober 1921)

Österreichischer Komet

Das Kino-Journal (ab 10. Mai 1919/Nr. 469)

Die Theater- und Kinowoche

Die Kinowoche (ab 8. Juni 1919)

Wiener Film-Ring

Wiener Film-Post (ab 1.–7. Juni [?] 1923)

Eine weitere Konsequenz des Krieges für die Film- und Kinobranche war „der Wunsch nach einem Gesprächsforum und Bindeglied zwischen Publikum und Fachwelt“37. Im Kinobesitzer sah man diesen Wunsch in den wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges begründet. So habe der Kohlenmangel und die damit einhergehende Kohlensperre in Wien die Betriebseinstellung der Kinos zur Folge gehabt. Letzteres führe aber nicht nur zur materiellen Schädigung der Kinobesitzer, sondern habe auch einen negativen Einfluss auf das Publikumsinteres-

‚Rundschau‘ eingehen, und übernahmen nur die Abonnenten und Inserenten, und das ‚Kino-Journal‘ wurde bald darauf zum offiziellen Organ der österreichischen Kinobesitzer gewählt und mit dem Verband der österreichischen Lichtspieltheater ein dahingehendes Abkommen getroffen.“ 36 Nicht berücksichtigt wurden: Film im Bild (hg. von Fritz Freund, ab Nr. 38 Illustrierter Film-Kurier), das Kinematographische Jahrbuch des Filmboten (ab 1928 das Kinematographische Jahrbuch der Österreichischen Film-Zeitung) sowie der Österreichisch-ungarische Kinematographen-/Kino-Kalender der Kinematographischen Rundschau (ab Jahrgang 1918 Kinematographen-/Kino-Kalender der Neuen KinoRundschau). 37 Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik, S. 25.

46 | Schauspielen im Stummfilm

se, welches das höchste Gut der Branche sei. In der „Kinozeitung für das Kinopublikum“ sah man daher die Lösung, um die Gunst des Publikums auch während der Schließzeiten nicht zu verlieren. In einer solchen „Zeitung“ (Zeitschrift) sollte „selbstredend nur das enthalten sein [...], was für das Publikum von Interesse“ sei, wie Filmbeschreibungen, Erscheinungslisten und Beiträge beliebter Schriftsteller.38 Tatsächlich kamen in der Zeit zwischen 1919 und 1930 primär publikumsorientierte Filmzeitschriften auf den Markt (vgl. Anhang A), was aber auch mit der zunehmenden Popularität des Kinos bzw. der Etablierung des Films als gesellschaftliche Unterhaltungsform zu erklären ist. Dennoch waren die Inhalte der Publikumszeitschriften dieser Jahre nicht nur unterhaltender, sondern auch beratender, belehrender und aufklärender Natur.39 Daraus ergab sich der Widerspruch, dass die Filmillustrierten zum einen von der (vermeintlich) glamourösen Welt des Films und seiner Stars berichteten, zum anderen aber davor warnten, selbst eine aussichtslose Karriere beim Film einzuschlagen. Doch gerade der Blick hinter die Kulissen und die Fokussierung auf einzelne Berufsbilder der Branche machten die Publikumszeitschriften der 1920er Jahre für die Zwecke der vorliegenden Arbeit so unentbehrlich. Denn besonders das Berufsbild des Stummfilmschauspielers wurde in Bezug auf das Anforderungsprofil, die Arbeitsbedingungen und die Ausbildungsmöglichkeiten ausführlich behandelt. Neben einer inhaltlichen Verlagerung hin zu publikumsnahen Themen und Rubriken erfuhren die Filmzeitschriften zwischen 1919 und 1930 aber auch eine quantitative Ausdehnung.40 Eine von der Verfasserin durchgeführte Zählung aller im Untersuchungszeitraum erhaltenen Stummfilmperiodika hat ergeben, dass bis 1918 (1907–1918) 21 Filmzeitschriften ins Leben gerufen wurden. Nach 1918 (1919–1930) sind hingegen insgesamt 34 Zeitschriftentitel nachweisbar, wobei hier Nachfolgeblätter als Neuerscheinungen41 mitgerechnet worden sind. Prozentual ausgedrückt entstanden zwischen 1919 und 1930 61,82%, also fast zwei Drittel der gesamten österreichischen Stummfilmperiodika. 42 Allerdings

38 O.N.: „Eine Kinozeitung für das Kinopublikum“, in: Der Kinobesitzer 3/61 (1919), S. 6f. 39 Vgl. Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik, S. 25. 40 Vgl. ebd. 41 Neuerscheinung meint folglich neue Zeitschriftentitel. „Neuerfindungen“ im Sinne von Umbenennungen/Neuausrichtungen inhaltlicher Art und Fusionen wurden deshalb als Neuerscheinungen gewertet. 42 Um das Gesamtbild nicht zu vernachlässigen, wurden in dieser Berechnung auch Filmperiodika berücksichtigt, die aufgrund eines fehlenden redaktionellen Teils für

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 47

muss man auch darauf hinweisen, dass viele der Neuerscheinungen nur kurzzeitig Bestand hatten und sich aufgrund der wirtschaftlichen Lage nicht selten als kurzlebig erwiesen. 1924 wurden z.B. der Kinofreund nach nur 13 Nummern und das Film-Echo nach nur einer Nummer wieder eingestellt. Margit Nöhrer konnte diesbezüglich in ihrer Diplomarbeit nachweisen, dass die wirtschaftliche Situation der Nachkriegszeit nicht nur den Leistungsdruck steigerte, sondern auch den Konkurrenzkampf zwischen den Herausgebern förderte. So verhinderten einerseits die Sparmaßnahmen der Regierung, wie Stromabschaltungen, Kohlennot oder die Sperre der Post, das regelmäßige Erscheinen und Ausliefern der Zeitschriften. Andererseits ließ die Inflation die Preise pro Ausgabe horrend steigen. 43 Beispielsweise kosteten die ersten Hefte der Filmwelt 1919 noch 1,60 Kronen, während man Ende 1922 bereits 3000 Kronen für ein Einzelheft bezahlen musste. 1921 wurden die LeserInnen der Filmwelt deshalb gefragt, ob anstelle einer neuerlichen Preiserhöhung der Umfang der Publikumszeitschrift reduziert werden sollte: „Die ‚Filmwelt‘ kostete 1918 [sic!]: 3 Tramwayfahrten (Wien), 5 Semmeln, 2 ‚Schwarze‘, 3 Rippen Schokolade, 1/100tel Paar Schuhe usw. Sie kostet jetzt im Einzelverkauf: 2 Tramwayfahrten (Wien), 3 Semmeln, 1 ‚Schwarzen‘, 1 Rippe Schokolade, 1/300tel Paar Schuhe usw. Da wir jedoch die finanziellen Schwierigkeiten eines Teiles unserer lieben Leserinnen und Leser zu würdigen wissen, andererseits wirklich nicht ‚gegen den Strom zu schwimmen‘ vermögen, stellen wir hiermit die Rundfrage: Sollen wir den Umfang und die Ausstattung der ‚Filmwelt‘, aber auch den Preis von 60 Kronen im Einzelverkauf beibehalten, oder den Preis wieder auf etwa 40 Kronen, aber auch den Umfang auf 10 (statt 44

16) Seiten reduzieren?“

Offenbar war der wirtschaftliche Druck jedoch so groß, dass die Preise immer weiter stiegen. Noch im Jahr 1925, als der Schilling schon offiziell eingeführt worden war, wurden die Einzelpreise am Filmwelt-Cover in Kronen (4000,–) angegeben. Erst ab Heft 6 erfolgte die Angabe in Groschen (0,40). Doch die

die Zwecke der vorliegenden Arbeit nicht relevant waren. Das betrifft vor allem sämtliche Film- und Kinoprogramme (vgl. Anhang A). 43 Vgl. Nöhrer: Der Einfluss der wirtschaftlichen und politischen Situation auf Filmund Kinowesen in den Jahren 1918 bis 1929, S. 29f. 44 O.N.: „Statt vieler Worte“, in: Die Filmwelt 3/24 (1921), S. 10. Da es die Filmwelt erst seit 1919 gegeben hatte, müsste es zu Beginn eigentlich heißen: „Die ‚Filmwelt‘ hätte 1918 gekostet [...]“.

48 | Schauspielen im Stummfilm

Filmwelt konnte scheinbar nicht mehr gerettet werden, sie ging mit Heft 11 desselben Jahrgangs ein. Das Aufkommen und die Etablierung des Tonfilms in Österreich zwischen 1928 und 1933 (vgl. Abschnitt 8.1) bedeuteten schließlich auch für die Filmperiodika einen gravierenden Einschnitt. So setzten die Umstrukturierungen in der Film- und Kinobranche nicht nur neue thematische Schwerpunkte innerhalb der bestehenden Filmperiodika, sondern ließen auch neue Zeitschriftentitel entstehen, die sich ausschließlich mit der Thematik des Tonfilms auseinandersetzten.45 Isabella Palfy zufolge brachte der Tonfilm eine regelrechte „Lawine ins Rollen“, die immer neue Tonfilmzeitschriften hervorbrachte. Die schlechte Wirtschaftslage und die damit einhergehende verschärfte Konkurrenzsituation zwangen jedoch auch nach 1930 viele Neuerscheinungen in die Knie.46

2.4 DIFFERENZIERUNG DER ERSCHEINUNGSFORMEN Wie der vorige Abschnitt zeigen konnte, haben sich die österreichischen Stummfilmzeitschriften schon von Beginn an aufgrund ihrer intendierten Funktion und dem angestrebten Zielpublikum unterschieden. Die bis heute üblichste Differenzierung ist daher jene zwischen den Fachzeitschriften für die filmschaffende Leserschaft und den Publikumszeitschriften für das filminteressierte Kinopublikum. Diesbezüglich schreibt der deutsche Kommunikationswissenschaftler Patrick Rössler: „Innerhalb der Filmzeitschriften lassen sich anhand ihrer Zielgruppen zwei Hauptzweige differenzieren: Zunächst entwickelte sich die Presse für Filmschaffende, die an technischen, beruflichen und allgemeinen Fachinformationen interessiert waren. Als die Popularität des Kinos zum Ende des Ersten Weltkriegs stark zunahm und sich die Zuschauer nach Informationen über ihre Stars und neue Filme sehnten, entstanden als weiteres Genre 47

die Publikumszeitschriften.“

45 Vgl. Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik, S. 28. 46 Palfy: Kino und Film in der Ersten Österreichischen Republik, n.pag. [Vorwort]. 47 Patrick Rössler: Die Sprache des Stummfilms. Deutsche Filmpublizistik der Weimarer Jahre, Begleitbroschüre zur gleichnamigen Ausstellung. [Gera]: Druckhaus Gera, 2006, S. 68. Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt. Zur Unterscheidung zwischen Fach- und Publikumszeitschrift vgl. auch Pauer: Österreichische Filmpublizistik in der Pionier- und Aufbruchszeit der Kinematographie 1895– 1918, 146f. u. 152f.; Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik,

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 49

Diese grundsätzliche Unterscheidung ist zwar zweckmäßig, besonders da die Terminologie assoziativ ist, kann jedoch nicht das gesamte Spektrum der (österreichischen) Stummfilmperiodika abbilden. Aus diesem Grund müssen die beiden Hauptzweige noch weiter differenziert werden, um den vielfältigen Erscheinungsformen gerecht zu werden. Für die Zwecke dieser Arbeit scheint es daher am zielführendsten zu sein, die Periodika nicht nur nach ihrer Zielleserschaft, sondern auch nach ihrer Funktion zu unterscheiden (vgl. Tabelle 5). Tabelle 5: Differenzierung der österr. Stummfilmperiodika nach Funktion und Zielgruppe

Funktion

Zielleserschaft

Fachperiodika (A)

Publikumsperiodika (B)

Information

Unterhaltung

Agitation

Belehrung

Werbung

Aufklärung

Fachleute

Kinopublikum

Branchenangehörige

Filmbegeisterte

Verbandsmitglieder

Erscheinungsform

Fachzeitschriften

Publikumszeitschriften

Verbandsorgane

Kinoprogramme

Werksmitteilungen

Jahrbücher/Almanache

Filmprogramme

Filmbeilagen

Jahrbücher/Almanache

In Tabelle 5 wird darum grundsätzlich zwischen Fach- und Publikumsperiodika unterschieden. Diese Begriffe wurden gewählt, um Erscheinungsformen miteinbeziehen zu können, die in der Forschungsliteratur häufig nicht als Zeitschriften definiert werden oder bisher als Sonderkategorien untersucht worden sind.48 Das trifft auf Jahrbücher und Almanache ebenso zu wie auf Werksmitteilungen, Film- und Kinoprogramme sowie Filmbeilagen, die nun als gleichwertige Kategorien neben der Fach- bzw. der Publikumszeitschrift in Erscheinung treten. Das bedeutet aber auch, dass die Fachzeitschrift und die Publikumszeitschrift zu Unterkategorien werden, die besonders aufgrund ihrer Funktion von anderen ErS. 22–27; Nöhrer: Der Einfluss der wirtschaftlichen und politischen Situation auf Film- und Kinowesen in den Jahren 1918 bis 1929, 31f. u. 53–55; Palfy: Kino und Film in der Ersten Österreichischen Republik, S. 115, 161f. u. 196. 48 Vgl. Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik, S. 27f.; Palfy: Kino und Film in der Ersten Österreichischen Republik, S. 196; Rössler: Die Sprache des Stummfilms, S. 47, 64 u. 74.

50 | Schauspielen im Stummfilm

scheinungsformen der entsprechenden Hauptkategorie abgegrenzt werden können. Die nachfolgende Aufstellung soll dies verdeutlichen und die einzelnen Erscheinungsformen definitorisch abstecken: Fachzeitschriften wiesen auf aktuelle technische, ökonomische und künstlerische Entwicklungen der Film- und Kinobranche hin und fungierten als wichtige Werbeträger für die Produkte und Erzeugnisse der Branche. Im Kontext dieser Arbeit werden Fachzeitschriften als Periodika verstanden, deren Inhalte allgemeiner gehalten und für eine vielfältigere Leserschaft gedacht waren als etwa die politisch motivierten Beiträge in den Verbandsorganen. Verbandsorgane sind Fachperiodika, die von einer Berufsvereinigung herausgegeben wurden und primär für die Rechte ihrer Mitglieder kämpften. Zudem boten diese auch eine Kommunikationsplattform für den jeweiligen Verband, der über seine Tätigkeit z.B. in Form von Sitzungsprotokollen informierte. Auch auf Statutenänderungen, Personalveränderungen, Veranstaltungen oder dergleichen wurde hingewiesen. Werksmitteilungen warben für die neuesten Erzeugnisse eines Filmunternehmens und informierten, sofern es einen redaktionellen Teil gab, über die neuesten Entwicklungen innerhalb des Betriebes (z.B. geplante Projekte). In diesem Sinne sind die Werksmitteilungen Werkschau und Arbeitsbericht zugleich, die in katalogartiger Aufmachung Neuheiten präsentierten. Herausgegeben wurde diese Form der Fachperiodika entweder von den Produktionsfirmen selbst (z.B. von der Österreichisch-Ungarischen Kinoindustrie) oder von einem Verleiher (z.B. Rády Maller). Filmprogramme ähneln den Werksmitteilungen in ihrer Aufmachung, enthalten aber Filmbeschreibungen verschiedenster Firmen und Verleiher. Wie die Werksmitteilungen sollten auch die Filmprogramme primär dem Kinobesitzer eine Orientierung bieten. Jahrbücher und Almanache (Kategorie A) verstanden sich als Arbeitsbehelfe für Branchenangehörige bzw. für einzelne Berufszweige. Daher enthalten sie in der Regel diverse Adressenverzeichnisse (etwa von Filmfabriken, Verleihfirmen, Ateliers oder Berufsverbänden) sowie praxisbezogene Beiträge zur Berufsausübung. Publikumszeitschriften waren zumeist reich illustrierte Periodika für filmbegeisterte KinobesucherInnen. Mit beständigen und leicht verdaulichen Inhalten wie Fortsetzungsromanen, Witzen, Schönheitskonkurrenzen, Rätsel- und Plauderecken wollten die Herausgeber ihre LeserInnen unterhalten und an die Zeitschrift binden. Die Publikumszeitschriften waren zudem als Anlaufstelle für branchenfremde Personen gedacht, die sich ein Bild von der Branche und ihren einzelnen Berufen machen wollten. Ein wichtiger inhaltlicher Aspekt war des-

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 51

halb auch der Blick hinter die Kulissen, der Einblicke in die Welt des Films und seiner Arbeitsbereiche ermöglichen sollte. Kinoprogramme listeten auf, welche Filme in welchen Kinos gespielt wurden. Sie waren daher als Orientierungshilfe für KinobesucherInnen gedacht und bieten, wie die Filmprogramme und Jahrbücher/Almanache, auch heutigen LeserInnen einen umfangreichen Datenschatz. Jahrbücher und Almanache (Kategorie B) waren als Ergänzung und Vertiefung der Inhalte in den Publikumszeitschriften gedacht. Im Mittelpunkt der Publikationen standen die populärsten Filmstars, die im Rahmen von illustrierten Kurzporträts vorgestellt wurden. Ein Kalender und ein Adressenverzeichnis gaben außerdem Auskunft über die Geburtstage und Wohnorte der inter-/nationalen Leinwandlieblinge. Filmbeilagen waren Teil von publikumsorientierten Zeitschriften (z.B. die Film-Bühne in der Bühne) und hatten daher, wenn auch in verkürzter Form, identische Inhalte wie die Publikumszeitschriften zu bieten. Die hier getroffene Differenzierung zwischen den Erscheinungsformen der österreichischen Stummfilmperiodika kann nur einen Versuch darstellen, im Rahmen dieser Arbeit handhabbare Kategorien festzulegen. Ohne Frage handelt es sich dabei nicht um feststehende Kategorien, die klar umrissene Grenzen aufweisen.49 Ähnlich verhält es sich auch mit den Beitragsformen. Die Verfasserin hat sich deshalb entschieden, grundsätzlich zwischen dem Artikel (längere Erörterung) und der Notiz (kurze Nachricht) zu unterscheiden. Sofern die Bezeichnung der Beitragsform bzw. Gattungsbezeichnung im Beitrag selbst ersichtlich war, ist diese übernommen worden.

2.5 METHODISCHE HERANGEHENSWEISE Bedeutung, Bestandslage, Entwicklung und Differenzierung der österreichischen Stummfilmperiodika konnten in den vorangegangenen Abschnitten geklärt werden. Nun soll es um die methodische Herangehensweise bzw. die Auswahlkriterien gehen. Da das Untersuchungsmaterial sehr umfangreich ist, war es unum-

49 Ein Patentrezept scheint es in dieser Hinsicht aber ohnehin nicht zu geben. Selbst die Kommunikationswissenschaft hat sich bisher schwergetan, die Zeitschrift in ihren vielfältigen Erscheinungsformen zu erfassen bzw. in einer umfassenden und allgemeingültigen Weise zu definieren. Vgl. Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik, S. 29–44; Stöber: „Historische Zeitschriftenforschung heute“, S. 42f. u. 56.

52 | Schauspielen im Stummfilm

gänglich, von Anfang an Grenzen zu setzen, die im Laufe der Untersuchung noch enger gefasst wurden. Darüber hinaus musste ein für eine filmwissenschaftliche und schauspielhistorische Forschungsarbeit zielführender methodischer Weg zur Interpretation der Inhalte gefunden werden. Medien- und Kommunikationsanalytische Methoden (z.B. Diskursanalyse, qualitative Inhaltsanalyse) kamen deshalb nicht infrage, weil weder die Erscheinungsweise noch die Kommunikationsstrukturen des Mediums „Filmzeitschrift“ im Zentrum standen. Zudem waren solche und ähnliche Methoden bereits in den erwähnten Hochschulschriften zur Anwendung gekommen (vgl. Tabelle 1). Auch die üblichen Methoden der Filmwissenschaft (z.B. filmanalytische Herangehensweisen) sind für eine Untersuchung, die sich ausschließlich auf schriftliche Quellen stützt, entweder nicht zielführend oder nicht explizit genug. Zwar sind schriftliche Quellen mittlerweile ein fixer Bestandteil bei der Erforschung von Filmen geworden – quasi als ergänzende Informationen –, aber eine systematische Methode zur Auswertung gibt es bisher nicht. Daraus resultiert eine im Allgemeinen gutgläubige Umgangsweise der (österreichischen) Filmwissenschaft mit den publizistischen Quellen des Stummfilms, die als neutrale Referenz herangezogen werden.50 Dasselbe hat der Wiener Historiker Fritz Fellner 1997 auch in Bezug auf die Arbeit mit historischen Tageszeitungen festgestellt: „[...] es ist geradezu erschütternd, wenn man bei Durchsicht dieser Arbeiten [Dissertationen seit Mitte der 1930er, A.D.] feststellen muss, mit welch unglaublicher Naivität die Berichterstattung dieser [der jeweils untersuchten, A.D.] Zeitungen einfach referiert und nie in Frage gestellt, nie in ihrer Intention und schon gar nicht in ihrer Wirkung analysiert wurde.“

51

Das gilt ebenso für die Filmzeitschrift. Dem Medium selbst und dem Kontext seiner Entstehung ist in filmwissenschaftlichen Arbeiten kaum explizite Beachtung geschenkt worden. Generell hat sich die Stummfilmforschung noch zu wenig dem methodischen Umgang mit den überlieferten schriftlichen Quellen gewidmet. Eine Ausnahme stellt dabei der italienische Filmhistoriker Paolo Cherchi Usai dar, der in seinem Standardwerk Silent Cinema auch den schriftlichen

50 Beispiele sind die Werke von Walter Fritz (vgl. Abschnitt 1.3). 51 Fritz Fellner: „Die Zeitung als historische Quelle“, in: Zeitungen im Wiener Fin de siècle. Eine Tagung der Arbeitsgemeinschaft „Wien um 1900“ der Österreichischen Forschungsgemeinschaft, hg. von Sigurd Paul Scheichl und Wolfgang Duchkowitsch. Wien: Verlag für Geschichte und Politik; München: Oldenbourg, 1997 (= Eine Veröffentlichung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft), S. 59–73, hier S. 64.

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 53

Zeugnissen der Stummfilmzeit ein Kapitel gewidmet hat.52 Allerdings versteht Usai die „written sources“ vorrangig als zusätzliches Informationsmaterial bzw. als Recherchegrundlage für die Erforschung erhaltener und verschollener Stummfilme gleichermaßen. Diesbezüglich stellt der Stummfilmhistoriker folgende Regel für die Auswertung auf: „Historical written documents on silent cinema should be consulted analytically rather than selectively.“53 Usai meint damit, dass man nicht (willkürlich) selektieren sollte, indem man eine bestimmte Form der Informationsvermittlung der anderen vorzieht. Zum Beispiel rät er davon ab, ausschließlich die Artikelüberschriften zu „scannen“ und kurzen Notizen keine Beachtung zu schenken.54 Das ist vor allem in Bezug auf die Beitragsform oder den Zeitschriftentypus richtig. Hier sollte man auf keinen Fall selektiv vorgehen, da man vorab nie wissen kann, an welcher Stelle eine relevante Information oder ein essenzieller Hinweis zu finden sein wird. Eine selektive Vorgehensweise ist hingegen, aufgrund des umfangreich vorhandenen Materials, hinsichtlich der Inhalte empfehlenswert. Bevor man an das Untersuchungsmaterial „Filmzeitschrift“ herantritt, sollte man sich, wie bei jeder anderen Quelle auch, bereits im Klaren darüber sein, was man sucht, um sich nicht in der Fülle des Materials zu verlieren. Aus den genannten Gründen musste eine methodische Herangehensweise gefunden werden, die es ermöglichte, ein quantitativ umfangreiches und qualitativ höchst heterogenes Untersuchungsmaterial systematisch auszuwerten und Informationen zum Beruf des Stummfilmschauspielers im Wien der 1910er und 1920er Jahre nachvollziehbar herausfiltern zu können. Als methodische Grundlage wurde deshalb eine wesentliche Methode der Geschichtswissenschaft gewählt, die den Erkenntniswert der Quelle und ihrer Inhalte untersucht: die Quellenkritik.55 Im Allgemeinen werden damit zwei Arbeitsschritte assoziiert, die der deutsche Historiker Klaus Arnold „Befund“ und „Deutung“ nennt.56 Der erste

52 Vgl. Usai: Silent Cinema, S. 91–123. 53 Ebd., S. 94. 54 Vgl. ebd., S. 94f. 55 Der Wiener Historiker Fritz Fellner hat bereits 1997 darauf hingewiesen, dass die Quellenkritik auch eine zentrale Methode zur Erforschung der Tageszeitung sein sollte, und hat erste Überlegungen zur quellenkritischen Analyse angestellt, die die Tageszeitung als Instrument der Nachrichtenvermittlung und gezielter Meinungsbildung in den Mittelpunkt rückt. Vgl. Fellner: „Die Zeitung als historische Quelle“, S. 66–73. 56 Klaus Arnold: „Der wissenschaftliche Umgang mit den Quellen“, in: Geschichte. Ein Grundkurs, hg. von Hans-Jürgen Goertz, 3. Aufl. Reinbek: Rowohlt, 2007 (= rowohlts enzyklopädie 55688), S. 48–65, hier S. 56 (Orig.: 1998); ders.: „Quellenkri-

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Schritt besteht darin, die Quelle selbst zu hinterfragen bzw. nach der Art der Quelle, ihrer Originalität und ihrem Entstehungskontext (Entstehungszeit und -ort, Nähe zum Geschehen, VerfasserIn, intendierte AdressatInnen) zu fragen. Basierend auf diesen Informationen erfolgt in einem zweiten Schritt die Interpretation der Inhalte. Diese werden mithilfe der entsprechenden Forschungsliteratur und den noch vorhandenen zeitgenössischen Quellen überprüft. Eine quellenkritische Herangehensweise ist auch in den Theater-, Film- und Medienwissenschaften nicht unüblich, aber die Geschichtswissenschaft hat diese Methodik systematisch erfasst und beschrieben. Zum Beispiel geben die deutschen Historiker Peter Borowsky, Barbara Vogel und Heide Wunder in ihrem einführenden Standardwerk eine detaillierte Anleitung zur Arbeit mit historischen Quellen. Die AutorInnen unterschieden dabei zwischen der Quellenkritik und der Quelleninterpretation, wobei sie diese Begriffe noch weiter untergliedern. Die Quellenkritik, die sie als das Sammeln und Überprüfen von Informationen zu einer Quelle verstehen, besteht aus vier Arbeitsschritten: (1) der Quellenbeschreibung (Bestimmung der Quellengruppe, des Fund- bzw. Aufbewahrungsortes und des äußeren Erhaltungszustandes), (2) der Textsicherung (Überprüfung der Authentizität), (3) der äußeren Kritik (Recherche der Entstehungskontexte) und (4) der inneren Kritik (Überprüfung der Verständlichkeit der Inhalte in Bezug auf zeitgenössische Ausdrucksweisen und Bezüge). Bei der Quelleninterpretation, die sich auf die Inhalte der Quelle konzentriert, differenzieren die VerfasserInnen zudem zwischen der Zusammenfassung der Kerninhalte, der Einordnung derselben in historische Kontexte und dem gewonnenen Erkenntniswert für die jeweilige Fragestellung.57 Da die Quellenkritik/-interpretation in der Geschichtswissenschaft besonders auch bei älteren Texten zum Einsatz kommt, erklärt sich so manches Detail in der Anleitung von Borowsky, Vogel und Wunder (wie z.B. die Analyse des Schreibmaterials und der Schrift), das in der quellenhistorischen Auswertung der Stummfilmperiodika von peripherer Bedeutung ist. Zentral scheint in diesem Zusammenhang vor allem die Überprüfung des Erkenntniswerts des Mediums und des Aussagewerts der Inhalte. Für den Zweck der vorliegenden Untersu-

tik“, in: Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe, hg. von Stefan Jordan. Stuttgart: Reclam, 2013 (= Reclams Universal-Bibliothek 503), S. 255–257, hier S. 255 (Orig.: 2002). 57 Vgl. Peter Borowsky, Barbara Vogel u. Heide Wunder: Einführung in die Geschichtswissenschaft, Bd. 1: Grundprobleme, Arbeitsorganisation, Hilfsmittel, 5. Aufl. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1989 (= Studienbücher Moderne Geschichte 1), S. 162– 174 (Orig.: 1975).

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 55

chung konnte diese Methode daher auf die quellenkritische Interpretation der Inhalte beschränkt werden. Damit gemeint ist das Verifizieren und Kontextualisieren der Inhalte, die einem systematischen und schrittweisen Auswahlverfahren nach vorab bestimmten Kriterien folgt. Die einzelnen Schritte dieser methodischen Herangehensweise sahen für die Auswertung der thematisch relevanten österreichischen Stummfilmperiodika wie folgt aus: 1. Systematisierung des Untersuchungsmaterials: In einem ersten Schritt wurde das zu untersuchende Material basierend auf den Informationen aus den Hochschulschriften von Florian Pauer, Martina Feike, Margit Nöhrer, Isabella Palfy und Barbara Hausberger systematisiert. Eine Einteilung nach Perioden, analog zur Entwicklung des österreichischen Stummfilmschaffens, konnte einen ersten quantitativ überschaubaren Überblick geben und die historische/n Dimension/en mitberücksichtigen. Es ergab sich folglich eine Vierteilung: • • • •

1907–1913: Beginn einer eigenen österreichischen Filmproduktion in Wien 1914–1918: Aufschwung der Filmindustrie während des Ersten Weltkriegs 1919–1925: Vom Höhepunkt bis zur Krise der österreichischen Filmwirtschaft 1926–1930: Vom Kontingentierungsgesetz bis zum Aufkommen des Tonfilms

Die österreichischen Stummfilmperiodika wurden daher nicht Titel für Titel, sondern entsprechend dieser vier Phasen in chronologischer Reihenfolge durchgesehen. Das ermöglichte bereits zu diesem Zeitpunkt die Einbettung in das zeit-, film- und schauspielgeschichtliche Geschehen. 2. Selektion der Beiträge: Die Auswahl der Beiträge erfolgte vorerst nach groben Kriterien, die im Laufe der Recherchen weiter eingeengt werden konnten. Auswahlkriterien gab es inhaltlicher, geografischer und zeitlicher Art. So war von Anfang an festgelegt, dass ausschließlich Beiträge (aller Beitragsformen), die zwischen 1907 und 1930 publiziert worden waren und sich mit der Tätigkeit des Stummfilmschauspielers befasst hatten, gesammelt werden sollten. Zudem wurden vorrangig Beiträge aufgenommen, die sich mit der Situation in Wien beschäftigten (bevorzugterweise von einem österreichischen Verfasser). Wien wurde deshalb als Auswahlkriterium bestimmt, da die Stadt zum einen als Zentrum der österreichischen Stummfilmproduktion gilt und zum anderen eine gewisse Stabilität in geografischer Hinsicht aufweist. Die Ausweitung auf „Österreich“ hätte ansonsten bedeutet, dass für den Zeitraum vor 1918 auch die Kronländer der österreichisch-ungarischen Monarchie in die Untersuchung hät-

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ten miteinbezogen werden müssen.58 Dies hätte eine enorme quantitative Erweiterung zur Folge gehabt, wo es in diesem Schritt jedoch um die Selektion einer handhabbaren Menge gehen sollte. Die gefundenen themenrelevanten Beiträge wurden anschließend nach inhaltlichen Schwerpunkten, die nun den (Unter-)Kapiteln des Inhaltsverzeichnisses entsprechen, geordnet und nach verfeinerten Kriterien strukturiert. Themenschwerpunkte waren: BühnenschauspielerInnen als nebenberufliche FilmdarstellerInnen, die Herausbildung des Berufsbildes in Theorie und Praxis, die reale Arbeits- und Ausbildungssituation in Wien sowie das Aufkommen eines filmspezifischen Starwesens. 3. Quellenkritische Interpretation der Inhalte: Im Kern der Arbeit mit den Stummfilmperiodika stand das Verifizieren und Kontextualisieren der relevanten Inhalte in der Forschungsliteratur sowie in den zeitgenössischen Publikationen, Tageszeitungen und Archivalien. Das bedeutete, über filmhistorische Hintergründe hinauszugehen und die gewonnenen Informationen u.a. auch in theater-, medien-, sozial-, wirtschafts- und rechtshistorische Kontexte einzubetten. Im Grunde genommen galt es die W-Fragen (Wer? Was? Wann? Wo? Warum?) zu klären. Die Einordnung der gewonnenen Informationen in historische Kontexte, die eine Selbstverständlichkeit in der Theater-, Film- und Medienwissenschaft ist, könnte man auch als die Makroebene der quellenkritischen Auswertung bezeichnen. Ebenso zentral scheint aber auch die bisher vernachlässigte Mikroebene zu sein, wo nach der Positionierung der Filmzeitschrift/der HerausgeberInnen, der Intentionen der VerfasserInnen, dem Publikationsdatum und der Originalität der Beiträge gefragt werden sollte. Sich diese Fragen nicht zu stellen, kann dazu führen, dass Inhalte missinterpretiert werden. In Bezug auf die StummfilmschauspielerInnen muss man sich z.B. fragen, welche Intention der Verfasser hatte. Denn je nachdem, ob er dem Berufsstand angehörte oder die wirtschaftlichen Interessen der Filmfabriken vertrat, lässt sein Beitrag Sympathien oder Antipathien gegenüber dem Anliegen der FilmschauspielerInnen erkennen. Auch das Publikationsdatum ist von Bedeutung. Vor 1914 stehen viele Beiträge noch im Bann der Kino-Debatte, die die Frage lösen wollte: Ist Film überhaupt Kunst und wenn ja, ist der „stumme“ Schauspieler ein Künstler? Viele, die das neue Medium als Bedrohung sahen, lehnten die Beteiligung von Bühnen-

58 Zum Begriff „Österreich“ bzw. zu den territorialen Veränderungen im Laufe der österreichischen Geschichte vgl. Karl Vocelka: Geschichte Österreichs. Kultur – Gesellschaft – Politik, 6. Aufl. München: Heyne, 2011, S. 9–17 (Orig.: Graz, Wien, Köln: Styria, 2000).

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 57

künstlerInnen im Film ab. Andere, die das Potenzial der neuen Kunstform erkannten, sprachen sich für die Entwicklung hin zu einer filmspezifischen Schauspielkunst und ausschließlich für den Film tätigen KünstlerInnen aus. Nach 1918 standen jedoch weniger definitorische Debatten, sondern vielmehr die beruflichen Perspektiven der Filmbranche im Vordergrund. Da das Filmstudio zum Traumarbeitsplatz wurde, gewann der Blick hinter die Kulissen, der gleichermaßen über die Arbeitsbedingungen beim Film aufklären und vor dem Ergreifen des Filmschauspielerberufes warnen sollte, an Bedeutung. Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Auswertung der österreichischen Stummfilmperiodika ist die Originalität. Bei zahlreichen, vor allem allgemein erörternden Beiträgen handelt es sich um Reprints aus deutschen Filmzeitschriften oder österreichischen Tageszeitungen. Wo es Angaben dazu gab, wurden diese recherchiert, um Übereinstimmungen sowie Abweichungen vom Inhalt feststellen zu können. In vielen Fällen gab es allerdings keine oder nur unspezifische Angaben („in einem Wiener Blatt“), die entweder nicht eruiert werden konnten oder Zufallsfunden preisgegeben waren. Anzumerken ist an dieser Stelle außerdem, dass die quellenkritische Überprüfung zwar bei jedem Beitrag erfolgte, aber auf der Mikroebene nur dort ausführliche Erwähnung findet, wo Diskrepanzen aufgetreten sind, die Auswirkungen auf die Interpretationen der Inhalte hätten haben können. Die Makroebene, die Einbettung der Untersuchungsergebnisse in die historischen Kontexte, fließt in der Regel implizit mit ein. Den Abschluss der quellenkritischen Interpretation der Stummfilmperiodika bildet schließlich die Vernetzung der gewonnenen, auf ihre Relevanz bzw. ihren Erkenntniswert hin überprüften Informationen. Die Ergebnisse werden in den nächsten fünf Kernkapiteln in Bezug auf die Herausbildung des Filmschauspielerberufes im Detail präsentiert. Die österreichischen Stummfilmperiodika sind eine wichtige schriftliche Quelle für die Filmforschung. Nicht nur sind diese fast vollständig überliefert, sie spiegeln auch die Entwicklung der österreichischen Stummfilmindustrie im Kontext zeitgeschichtlicher Ereignisse wider. Mithilfe einer quellenkritischen Auswertungsmethode, die nicht nur die historischen Hintergründe mitdenkt, sondern auch die Intention des Autors, die Positionierung der Herausgeber, das Publikationsdatum und die Originalität überprüft, können die Inhalte auf ihren Aussage- und Erkenntniswert hin analysiert werden. Für Untersuchungen wie die vorliegende, die berufsbezogenen Fragen im Kontext der Stummfilmzeit nachgehen, sind die Stummfilmperiodika (neben zeitgenössischen Publikationen) die Hauptinformationsquelle und deshalb von unschätzbarem Wert.

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2.6 FORMALE ANMERKUNGEN Da es kaum einheitliche Richtlinien hinsichtlich der Zitierweise von Stummfilmzeitschriften gibt, musste die Verfasserin einige selbst erarbeiten. Zwar gibt es allgemeine Regeln zum Zitieren von Zeitschriften, die den Verfasser, den Titel des Artikels, den Titel der Zeitschrift, den Jahrgang, die Ausgabe (Nummer) und die Seite berücksichtigen; diese werden jedoch den Anforderungen der (österreichischen) Stummfilmperiodika z.B. in Bezug auf Reprints oder Artikelserien kaum gerecht. Darum sind für die Zwecke dieser Arbeit folgende Richtlinien festgelegt worden: 1. Die Quellenangaben erfolgen nach dem Format Verfasser: „Titel“, in: Zeitschrift Jahrgang/Nummer (Jahr), Seite. 59 Im Gegensatz zu älteren Forschungsarbeiten, die die Filmzeitschriften nach dem Schema Titel der Zeitschrift, Nummer, Datum (TT.MM.JJJJ), Seite zitieren und diese daher als Tageszeitungen behandeln, kann so auch der Autor und der Titel des Beitrags in der Quellenangabe berücksichtigt werden. Abgesehen davon lassen sich so gut wie immer die Nummer des Jahrgangs und der Ausgabe finden, wohingegen das exakte Datum in einigen Fällen nicht angegeben wurde (z.B. bei Mein Film). 2. Es werden keine Rubriktitel, sondern ausschließlich die Titel der Beiträge angeführt,60 da erstere nur selten relevant gewesen sind. Beiträge, die denselben Titel tragen oder im selben Wortlaut in verschiedenen Periodika abgedruckt wurden, werden zudem in einer einzigen Quellenangabe zusammengefasst.61 Handelt es sich dabei um wortgleiche Texte, werden bei direkten und indirekten Zitaten beide Seitenangaben angegeben und mit einem Schrägstrich getrennt. Bei Texten, die nicht wortgleich sind oder orthografische Abweichungen aufweisen, wird nur die Seitenangabe der tatsächlich zitierten Version angeführt.

59 Alle Erscheinungsformen der Stummfilmperiodika (vgl. Abschnitt 2.4) werden nach diesem Format zitiert. Bei Jahrbüchern/Almanachen wird allerdings nur die Jahrgangsnummer angeführt, da es keine Heftnummern gibt. Bei Werbetexten wird der jeweilige Inserent als Verfasser angegeben. 60 Serientitel werden (sofern vorhanden) hingegen schon zitiert. Eine Serie wird im Kontext dieser Arbeit als eine Reihe von Artikeln mit begrenzter Anzahl und meist vorab geplantem Abschluss verstanden. Nicht selten wurden die einzelnen Teile der Serie mit Kapitelnummern und -überschriften versehen. Da die Kapitelüberschriften aber oft nicht aussagekräftig genug sind und nur ergänzende Informationen zum Serientitel enthalten, wird der Serientitel in der Quellenangabe berücksichtigt. 61 Eine Ausnahme bilden Beiträge, die einer Serie entnommen worden sind.

2. Die Stummfilmzeitschrift als historische Quelle | 59

3. Eine Herausforderung stellt auch die Tatsache dar, dass in den überwiegenden Fällen kein Autor angegeben wurde. Darum hat sich die Verfasserin dafür entschieden, den fehlenden Namen durch die Abkürzung „o.N.“ (ohne Name) zu ersetzen. Diese scheint passender zu sein als „Anon.“ (anonym), da die Beiträge in der Regel nicht als anonyme Beiträge intendiert waren, sondern der Name von der Redaktion weggelassen wurde (z.B. um die Tatsache zu verschleiern, dass es sich um ein Reprint handelte). 4. Informationen, die Vermutungen oder Hinweise der Verfasserin darstellen, werden in eckigen Klammern angeführt. Angaben dieser Art werden gemacht bei: Namen, die hinter einem Autorenkürzel stehen könnten; Titel, die einen fehlenden Titel (z.B. bei Notizen) ersetzen sollen; fehlenden Seitenangaben, die aufgrund der vorhergehenden und nachfolgenden Seitennummerierung eruiert werden konnten (ansonsten wird die Abkürzung „n.pag.“ (nicht paginiert) verwendet). 5. Der Originaltext ist bei einem Reprint, soweit möglich, recherchiert und in die Quellenangabe eingefügt worden. Allerdings sind nicht immer alle Informationen eruierbar gewesen, weshalb manche der diesbezüglichen Ergänzungen lückenhaft bleiben mussten. Wo es inhaltlich relevant erschien, sind auch Texte recherchiert worden, auf die sich ein Artikel bezieht, die aber nicht wortwörtlich wiedergegeben wurden. Am Ende einer solchen Quellenangabe ist darum entweder eine Angabe zum Originaltext („Orig.“) oder zum Bezugstext („Bez.“) zu finden. Sollte es jedoch nicht möglich gewesen sein, die entsprechenden Informationen zu ermitteln, enthält die Quellenangabe den Zusatz „nicht eruierbar“. Diese Vorgehensweise soll aufzeigen, dass es sich um einen Originaltext handelt bzw. der Artikel auf einen anderen Text Bezug nimmt, die Originaldaten aber nicht eruiert werden konnten.

3. Ausgangssituation: Die Kinematografie als zusätzliches Betätigungsfeld für Schauspieler

Das 20. Jahrhundert bedeutete für das Theater vor allem eines: den Verlust seiner Vormachtstellung in der europäischen Kulturlandschaft. Mit dem Aufkommen neuer Medien wie Film, Radio und Fernsehen verlor das Theater nach und nach seine Monopolstellung und war gezwungen, sich und seine Funktion für die Gesellschaft neu zu definieren. Besonders die Erfindung der „laufenden Bilder“ Ende des 19. Jahrhunderts sollte dem Theater schwer zu schaffen machen. Als das Kino noch am Anfang stand und weithin als Jahrmarktsattraktion galt, ging von ihm zunächst keine Gefahr aus. Erst als sich Theatralisierungsversuche im Sinne der von Frankreich ausgehenden Film d’Art-Bewegung einstellten und man BühnenkünstlerInnen für den Film engagierte, wurde das Kino als Bedrohung wahrgenommen. Im Rahmen der Kunstfilmbestrebungen der 1910er Jahre begann deshalb auch in Österreich ein Konkurrenzkampf zwischen Theater und Kino, der schließlich sogar so weit führte, dass die Wiener Theaterdirektoren und der Österreichische Bühnenverein ihren Mitgliedern die Mitwirkung bei kinematografischen Aufnahmen untersagten, um sich so vor der (vermeintlichen) wirtschaftlichen und künstlerischen „Gefahr“ der Kinos schützen zu können. Doch die Bemühungen, den Status quo aufrechtzuerhalten und das Kino in Misskredit zu bringen, waren vergebens, die Etablierung des Films brach die Symbiose von Theater und darstellender Kunst endgültig auf. Erstmals in seiner tausendjährigen Geschichte war das Theater (in seinen vielfältigen Formen) nicht mehr nur der einzige Ort, an dem Schauspielkunst stattfinden konnte.1

1

Vgl. Hickethier: „Schauspieler zwischen Theater und Kino in der Stummfilmzeit“, S. 11.

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Nachfolgend sollen daher zuerst der „Status quo“ bzw. die Arbeitsverhältnisse im Wiener Theater an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erarbeitet werden, um davon ausgehend die Bedeutung des Films als zusätzliches Betätigungsfeld für SchauspielerInnen erörtern zu können. Im Zentrum des Interesses stehen dabei sowohl die Motive für als auch die Argumente gegen die Mitwirkung bei Filmaufnahmen.

3.1 DER SCHAUSPIELERBERUF AN DER WENDE ZUR MODERNE Um die Auswirkungen verstehen zu können, die die Erfindung der Kinematografie auf den Schauspielerberuf hatte, ist es unumgänglich, sich mit den Arbeitsverhältnissen von TheaterschauspielerInnen im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert auseinanderzusetzen. Das ist allerdings keine leichte Aufgabe, da die Geschichte des Schauspielerberufes im genannten Zeitraum oft in extreme Kontraste zerfällt – hier der hochumjubelte und gutverdienende Bühnenstar, dort die von Erfolglosigkeit, Armut und Prostitution gezeichnete Schauspielaspirantin. Die Masse der durchschnittlich erfolgreichen TheaterschauspielerInnen wird dabei gerne außer Acht gelassen. Dazu kommt, dass der Stand der SchauspielerInnen eine heterogene Gruppe darstellte, was die Erarbeitung von allgemeingültigen Aussagen zur Arbeitssituation erschwert. Denn sowohl der Ort und Zeitraum des Engagements als auch die Position innerhalb des Theaters und das zugewiesene Rollenfach führten zu einer Differenzierung vor allem im Hinblick auf Gage und Prestige. Zum Beispiel strebten die meisten eine Karriere am Wiener Hofburgheater an, wo sie als Schauspielkräfte ersten Ranges Rollen aus dem ernsten Fach spielen konnten. Der überwiegende Teil der SchauspielerInnen musste jedoch ein Dasein als mittelmäßige DarstellerInnen kleinerer oder stummer Rollen an zweit- und drittrangigen Bühnen fristen und war gezwungen, aufgrund befristeter Verträge Reisen von einem Engagement zum nächsten in Kauf zu nehmen. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der es erschwert, den Schauspielerberuf als Gesamtheit zu erfassen, ist die genderspezifische Fokussierung. Besonders die neuere Theaterwissenschaft hat sich der Entwicklung der Theaterschauspielerin angenommen und ihre beruflichen Probleme im Kontext der gesellschaftlichen und historischen Entwicklung der Frau herausgearbeitet. Die Situation der männlichen Kollegen wird hingegen nur am Rande erwähnt oder als gegeben vorausgesetzt.

3. Die Kinematografie als zusätzliches Betätigungsfeld | 63

Davon abgesehen stellt die quantitativ geringe Quellenlage zu den Arbeitsverhältnissen von TheaterschauspielerInnen in Wien eine zusätzliche Herausforderung dar. Viele der diesbezüglichen Forschungsarbeiten sind Hochschulschriften, die an der Universität Wien zwischen 1991 und 2006 entstanden sind und sich vorrangig der sozialen, materiellen und rechtlichen Stellung der weiblichen Bühnenkräfte gewidmet haben.2 Darüber hinausgehende, deutschsprachige Publikationen, die sich mit der Entwicklung des Schauspielers/der Schauspielerin beschäftigen, haben zudem primär die Situation in Deutschland und im fremdsprachigen Ausland ins Zentrum ihrer Untersuchungen gestellt.3 Doch aufgrund der unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten und theaterhistorischen Zusammenhänge können die jeweiligen Ergebnisse nicht 1:1 für Wien übernommen werden. Trotz der skizzierten Herausforderungen im Hinblick auf die Erforschung des Schauspielerberufes im Kontext der Wiener Theatergeschichte soll das folgende Kapitel die zentralen Erkenntnisse aus den Hochschulschriften von Anna Helleis, Doris Maria Kretschmer, Eva Schenner, Andrea Schwarz und Helga Terharen in komprimierter Form wiedergeben, um so ein Verständnis zu schaffen für die Bedeutung, die der Film als neues, zusätzliches Betätigungsfeld für den Berufsstand hatte.

2

Vgl. Anna Helleis: Faszination Schauspielerin. Von der Antike bis Hollywood. Eine Sozialgeschichte. Wien: Braumüller, 2006 (= Blickpunkte 11), (Orig.: Faszination Schauspielerin. Historische Entwicklungen und das in Bühnendramen und Hollywood-Filmen vermittelte Bild dieses Berufs. Diss., Universität Wien, 2005); Doris Maria Kretschmer: Die soziale Stellung der Schauspielerin im Wiener Theater des 19. Jahrhunderts. Dipl., Universität Wien, 1997; Eva Schenner: Die Situation der Schauspieler in Wien im frühen 20. Jahrhundert – Der lange Weg zum Schauspielergesetz. Dipl., Universität Wien, 2006; Andrea Schwarz: Historische Entwicklung und aktueller Stand des Schauspielerrechts. Wien: ÖGB, 2005 (= Beiträge zu besonderen Problemen des Arbeitsrechts 17), (Orig.: Diss., Universität Wien, [2003]); Helga Terharen: Von der Schmierenkomödiantin zur Hofschauspielerin. Die Demaskierung eines Mythos. Zur sozialen und materiellen Stellung der Schauspielerinnen des k.k. Hofburgtheaters in Wien (1888–1918), 2 Bde. Diss., Universität Wien, 1991.

3

Vgl. Gerhard Ebert: Der Schauspieler. Geschichte eines Berufes. Ein Abriss. Berlin: Henschel, 1991; Renate Möhrmann (Hg.): Die Schauspielerin. Zur Kulturgeschichte der weiblichen Bühnenkunst. Frankfurt a.M., Leipzig: Insel, 2000 (= insel taschenbuch 2665), (Orig.: 1989).

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3.1.1 Prekäre Arbeitsverhältnisse Die bisherigen Forschungsergebnisse zum Schauspielerberuf im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert zeigen im überwiegenden Maße die Schattenseiten auf, die der Beruf speziell für Theaterschauspielerinnen mit sich brachte. Denn trotz der zunehmenden Verbürgerlichung des Schauspielerstandes sahen sich Schauspielerinnen noch immer Diskriminierungen auf gesellschaftlicher und rechtlicher Ebene ausgesetzt. So litt das darstellende Personal, besonders jenes der Privat- und Geschäftstheater, in der Regel nicht nur unter ihrem oftmals geringen gesellschaftlichen Status außerhalb der Theaterhäuser, sondern auch unter ihrer weitestgehend rechtlosen Stellung innerhalb des Theatersystems. Der Grund lag darin, dass den Bühnenleitern bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts so gut wie keine Grenzen in ihrer Handlungs- und Entscheidungsfreiheit gesetzt waren. Darum konnten diese alleinig über das Personal in Bezug auf Anstellung, Disziplinarmaßnahmen, Kündigung und Beschäftigungsausmaß verfügen. So war es z.B. üblich, mehrere junge SchauspielerInnen gleichzeitig zu engagieren und nach Ablauf des vertraglichen Probemonats nur eine/n zu behalten. Die anderen wurden unter falschen Vorwänden, wie einer fehlenden künstlerischen Eignung, entlassen. Diese Vorgehensweise bedeutete allerdings in vielen Fällen eine existenzielle Bedrohung, da es mitten in der Saison üblicherweise keine Engagements mehr zu finden gab. Dass die Theaterdirektoren damit durchkamen, ist primär auf die fehlenden gesetzlichen Bestimmungen zurückzuführen. Auch deshalb sind die abgeschlossenen Verträge mit den SchauspielerInnen weniger als eine rechtliche Absicherung zu sehen, sondern vielmehr als eine Auflistung von Pflichten zu verstehen, die die Direktion bei Nichterfüllung in willkürlichem Ausmaß ahnden durfte. Unter den Missständen des Berufsstandes litten besonders Frauen, weil sie u.a. mit einer paradoxen und doppelten Diskriminierung zu kämpfen hatten. Denn Schauspielerinnen wurden (oft ungewollt) zu „Inkarnationen von Männerphantasien“, was sie zugleich auch zu einer Bedrohung der öffentlichen und bürgerlichen Moral werden ließ.4 Dabei entsprachen Frauen, die den Schauspielerberuf ergriffen, ohnehin nicht der gängigen bürgerlichen Idealvorstellung einer Frau, deren Daseinszweck vor allem der einer liebenden Ehefrau, fürsorglichen Mutter und ordentlichen Hausfrau war. Ihren gesellschaftlich zugewiesenen Platz sollte sie darum im Privaten bzw. innerhalb der Familie einnehmen, während ihr Ehemann für den Unterhalt der Familie in einem Beruf außerhalb des

4

Hilde Haider-Pregler: „Vorwort“, in: Faszination Schauspielerin, 2006, S. VIIIf., hier S. VIII.

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Familienverbandes zu sorgen hatte. Die Schauspielerin aber stand in der Öffentlichkeit und sorgte selbst für ihren Unterhalt. Meistens hatte sie kein sesshaftes Leben, da sie von Engagement zu Engagement reisen musste, weshalb ein geregeltes Familienleben kaum zustande kommen konnte. Außerdem stellte die Schauspielerin aufgrund ihrer sexuellen Freizügigkeit auf und hinter der Bühne eine Bedrohung der bürgerlichen Moralvorstellungen dar. Nicht selten endete ihre existenzielle und berufliche Abhängigkeit von Direktoren, Agenten, Publikum oder Kritikern in einer ungewollten und notgedrungen seelischen und/oder körperlichen Prostitution. In dieser Hinsicht brachten besonders die sogenannten „Theaterprinzessinnen“5 den Berufsstand in Verruf. Die zumeist jungen und talentfreien Damen wurden von einem „Sponsor“ finanziell gefördert, der ihnen – im Gegenzug für eine (sexuelle) Gegenleistung – die teuersten Toiletten und Schmuckstücke finanzierte. Dadurch war es den Theaterprinzessinnen möglich, für niedrigste Gagen zu arbeiten, was wiederum den Theaterdirektoren zugute kam. Die Diskriminierung der weiblichen Bühnenkräfte fand darüber hinaus aber auch auf rechtlicher bzw. vertraglicher Ebene statt. Vor allem der sogenannte „Kostümparagraph“ führte in vielen Fällen zum materiellen und moralischen Elend der Schauspielerinnen. So mussten Frauen, die auf die Bühne wollten, bis zum Schauspielergesetz von 1922 ihre Kostüme fast ausnahmslos selber stellen. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, denen zumindest die historischen Kostüme zur Verfügung gestellt wurden, mussten Frauen ihre zeitgenössischen und historischen Kostüme inklusive aller Accessoires (Kopf-, Fuß- und Handbekleidung, Schmuck und Verzierungen) selbst besorgen und bezahlen. Der zunehmende „Toilettenluxus“ führte außerdem dazu, dass die Wiener Bühnen nach und nach zu Laufstegen mutierten, auf denen die Schauspielerinnen immer aufwendigere und teurere Toiletten der neuesten Mode präsentierten. Besonders für die gering bezahlten Anfängerinnen bedeutete diese Regelung eine Herausforderung. Die Idee, Schauspielerinnen hätten aus der finanziellen Not heraus ihre Kostüme selber genäht, verweist Helga Terharen jedoch in das Reich der Mythen. Die Mädchen hätten weder die Zeit noch ausreichende Kenntnisse gehabt, um dies bewerkstelligen zu können.6 Folglich mussten sie ihre benötigten Kostüme käuflich erwerben bzw. extra anfertigen lassen. Bekannte und erfolgreiche

5

Vgl. Kretschmer: Die soziale Stellung der Schauspielerin im Wiener Theater des 19. Jahrhunderts, S. 69 u. 156–159; Schenner: Die Situation der Schauspieler in Wien im frühen 20. Jahrhundert, S. 47f.; Terharen: Von der Schmierenkomödiantin zur Hofschauspielerin, S. 24.

6

Vgl. Terharen: Von der Schmierenkomödiantin zur Hofschauspielerin, S. 26.

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Berufskolleginnen ließen sich ihre Bühnentoiletten sogar in berühmten Modesalons auf den Leib schneidern. Ausnahmen in Bezug auf den Kostümparagraphen waren das Hofburgtheater und renommierte Stadttheater, die auch die weiblichen Bühnenmitglieder mit historischen Kostümen versorgten und ein sogenanntes „Garderobegeld“ bezahlten.7 Aber nicht nur der Kostümparagraph bedeutete eine existenzielle Bedrohung für Schauspielerinnen, sondern ebenso die Anzeigepflicht bei Heirat und Schwangerschaft. Beides musste der Theaterleitung rechtzeitig bekanntgegeben werden, der es dann freistand, eine verlobte oder schwangere Schauspielerin zu behalten, ihre Gage zu kürzen oder sie zu kündigen. Oft entschied man sich für Letzteres, da eine verheiratete oder schwangere Schauspielerin wenig Reiz auf das männliche Publikum ausübte. Bei unehelicher Schwangerschaft konnte frau mit einer fristlosen Entlassung rechnen, da dies, dem Zeitgeist entsprechend, moralisch nicht vertretbar war. Eine weitere existenzielle Bedrohung bedeutete für die Schauspielerin zudem ihr fortschreitendes Alter. Denn die Grundvoraussetzung, um als Frau auf der Bühne erfolgreich zu sein, war nicht nur ein gewisses Talent, sondern auch ein schönes und jugendliches Äußeres. War Letzteres nicht mehr gegeben, musste sich die Schauspielerin nach anderen Einkommensquellen umsehen. Nicht alle Schauspielerinnen konnten oder wollten in das „ältere Fach“ (z.B. komische Alte, Mutterrollen) wechseln, da dies auch eine Änderung im Kostümbedarf bedeutetet hätte. An dieser Stelle sollte nicht unerwähnt bleiben, dass eine Schauspielerin bereits ab dem 30. Lebensjahr als „alt“ galt. Die meisten Frauen debütierten im Theater als Jugendliche (zwischen 14 und 16 Jahren) und hatten ihren beruflichen Höhepunkt bereits zwischen 20 und 30 Jahren. Neben dem Wechsel in das „ältere Fach“ gab es nur in eingeschränktem Maße weitere Verdienstmöglichkeiten für Schauspielerinnen. Bürgerliche Berufe kamen meistens aufgrund mangelnder Bildung nicht infrage und im Theater gab es vom Schauspielerberuf abgesehen nur wenige Tätigkeiten, die in weiblicher Hand lagen, wie z.B. jene der Souffleuse. Daher blieb den Schauspielerinnen oft nichts anderes übrig, als sich dem dramatischen Unterricht zu widmen oder sich in eine Versorgungsehe zu flüchten, womit sie letztendlich doch der bürgerlichen Gesellschaft einverleibt wurden. Eine Ausnahme bildete hier einmal mehr das Hofburgtheater, das seinen langjährigen Mitgliedern eine Altersversorgung bot.8

7

Vgl. ebd., S. 339–343.

8

Vgl. ebd., S. 291–300.

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Trotz der beschriebenen Arbeitsbedingungen, die auch mithilfe von sogenannter „Warnliteratur“9 bekannt gemacht wurden, entwickelte sich die Schauspielerei im 19. Jahrhundert zum Traum- und Modeberuf. Viele junge und vor allem bürgerliche Mädchen drängten auf die Bühne, weil sie von einem den gesellschaftlichen Zwängen befreiten Leben, Selbstverwirklichung, finanzieller Verbesserung oder internationaler Berühmtheit träumten. Doch die Realität holte sie bald ein: geringe Gagen bei hohen Ausgaben, keine fixen Engagements, rechtlich einseitige Verträge, unmoralische Angebote. Wer nicht aus künstlerischer Überzeugung zum Theater gekommen war, musste schon bald aufgeben und sich den zeitgenössischen Idealen beugen. Man sollte aber nicht vergessen, dass die männlichen Bühnenkräfte ebenfalls unter den Missständen bzw. der Willkür der Theaterleitung und den einseitigen Verträgen zu leiden hatten – jedoch in einem nachweislich geringeren Ausmaß. So wurde ein Darsteller in der Regel besser bezahlt als seine gleichgestellte Kollegin, unterlag einem weniger strengen moralischen Korsett und blieb von der geschlechtsspezifischen Diskriminierung verschont. Denn weder eine Heirat noch die Gründung einer Familie bedeutete für männliche Bühnenmitglieder einen Karriereknick. Anna Helleis weist diesbezüglich darauf hin, dass eine Schauspielerfamilie ähnlich einer bürgerlichen Familie funktionierte: Die Frau musste sich um den Haushalt und die Kindererziehung kümmern, der Mann konnte ohne berufliche Unterbrechung seiner Beschäftigung nachgehen.10 Wovon Männer allerdings genauso betroffen waren wie ihre Kolleginnen, waren die zuvor erwähnten Probeengagements, die soziale Kluft zwischen Stars und „Schmierenkomödianten“ sowie die Regelung in Krankheitsfällen. Je nach Dauer der Krankheit und Gutdünken des Direktors drohte dem Schauspieler ebenso eine Lohnkürzung, ein Lohnausfall oder eine Entlassung. Das Problem war jedoch, dass die unhygienischen Zustände in den Theaterhäusern häufig zu berufsbedingten Erkrankungen wie Erkältungs-, Hals- oder Lungenkrankheiten führten. Die weitestgehend rechtlose Stellung der Mehrheit des Schauspielerstandes, die auch in direktem Zusammenhang mit der Etablierung der auf Gewinn ausgerichteten Geschäftstheater des 19. Jahrhunderts zu sehen ist, erreichte schon bald

9

Vgl. ebd., S. 18f.; Kretschmer: Die soziale Stellung der Schauspielerin im Wiener Theater des 19. Jahrhunderts, S. 169–174. Der Begriff bezeichnet zeitgenössische Publikationen, insbesondere Trivialromane, die in mehr oder weniger seriöser Weise die Lebensbedingungen von Schauspielerinnen aufzeigen und vor allem junge Frauen von der Ergreifung des Berufes abhalten sollten.

10 Vgl. Helleis: Faszination Schauspielerin, S. 98–102.

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ihren Höhepunkt und führte zur Gründung von Interessenvertretungen Ende des Jahrhunderts. 1871 wurde in Deutschland die Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger gegründet, 1893/94 folgte der von Alfons Bolz-Feigl initiierte Verein Deutscher Bühnenmitglieder Österreichs (später: Österreichischer Bühnenverein), der sich für die Gleichberechtigung der TheaterschauspielerInnen vor dem Gesetz sowie die soziale und wirtschaftliche Absicherung des Berufsstandes einsetzte.11 Im Konkreten bedeutete das den Kampf für Kollektivverträge, Pensionskassen und Rechtsschutz in Form eines entsprechenden Gesetzes. Während Letzteres in Deutschland nicht verwirklicht wurde, kam es 1922 zur Kodifikation des Schauspielergesetzes in Österreich, das dem Ungleichgewicht zwischen Theaterdirektoren und TheaterschauspielerInnen ein Ende setzte und bis 2011 weitestgehend unverändert in Kraft geblieben war.12 3.1.2 Der Wandel des herkömmlichen Berufsbildes Betrachtet man die Arbeitsverhältnisse im Theater des frühen 20. Jahrhunderts, so ist es nachvollziehbar, dass das Aufkommen des (Kunst-)Films von vielen SchauspielerInnen als etwas Positives wahrgenommen wurde. Immerhin eröffnete das noch junge Medium neue berufliche Möglichkeiten für VertreterInnen aller Fächer und Ränge. Schon bald waren Filmengagements sowohl für die wenig und durchschnittlich Erfolgreichen als auch für die ganz Großen der Bühne reizvoll. Die Motive, um beim Film mitzuwirken, waren dementsprechend verschieden. Bedeutete es für den einen die existenzielle Absicherung, war es für den anderen die künstlerische Herausforderung oder auch die Möglichkeit, sein kinematografisches Abbild der Nachwelt zu hinterlassen, die ihn dazu bewogen, sich filmen zu lassen. Aber nicht nur die Motive konnten unterschiedlich sein, auch die Wege zum Film waren vielfältig, wie der Medienwissenschaftler Knut Hickethier in seiner 1986 publizierten Studie „Schauspieler zwischen Theater und Kino in der Stummfilmzeit“ gezeigt hat.13 Basierend auf einer Untersuchung deutscher SchauspielerInnenbiografien unterscheidet Hickethier insgesamt fünf Modelle von Medienkarrieren, wobei er beobachten konnte, dass „der biografi-

11 Vgl. Schenner: Die Situation der Schauspieler in Wien im frühen 20. Jahrhundert, S. 64; Schwarz: Historische Entwicklung und aktueller Stand des Schauspielerrechts, S. 42. 12 Anstelle des Schauspielergesetzes (SchSpG) trat am 01.01.2011 das Theaterarbeitsgesetz (TAG). 13 Vgl. Hickethier: „Schauspieler zwischen Theater und Kino in der Stummfilmzeit“, S. 23–26.

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sche Weg fast immer vom älteren zum neueren Medium“ führte.14 Anzumerken ist hier auch, dass die skizzierten Karrierewege nicht zwangsläufig von einer Sprechbühne ihren Ausgang nahmen, sondern ebenso vom Tanz- oder Musiktheater ausgehen konnten. Auch die ersten österreichischen Filmstars hatten ihre künstlerischen Karrieren zumeist als Tänzerinnen oder SängerInnen begonnen. Der Begriff „TheaterschauspielerIn“ ist dementsprechend in den folgenden Ausführungen als Sammelbegriff für KünstlerInnen des Sprech-, Tanz- und Musiktheaters zu verstehen. Als Erstes beschreibt Hickethier folgende Karrieremöglichkeit: Ein sehr erfolgreicher und berühmter Theaterschauspieler wurde aus Prestigegründen von einer Filmfirma engagiert und feierte daraufhin auch Erfolge beim Film. Das klassische Beispiel für diesen Karriereweg ist laut Hickethier der deutsche Theaterstar Albert Bassermann. Für Wien muss hier der bekannte Volksschauspieler und Publikumsliebling Alexander Girardi genannt werden, dem mit seinem Film DER MILLIONENONKEL 1913 eine große mediale Aufmerksamkeit zuteilwurde. Außerdem erfüllt Girardi auch einen weiteren Aspekt dieser Form der Medienkarriere: Der Schauspieler „bleibt [...] vorzugsweise der Bühne verhaftet. Er ist zu sehr mit seiner künstlerischen Biografie dem Theater verbunden, als dass er sich davon gänzlich lösen könnte.“15 Neben Bühnenstars, deren Filmengagement mehr wie eine willkommene Abwechslung denn als ein dauerhafter Karriereweg zu verstehen ist, gab es auch erfolgreiche TheaterschauspielerInnen, die sich in beiden Medien ein Standbein aufbauen konnten: „Virtuos versteht er [der Schauspieler, A.D.] es, die ganz unterschiedlichen Produktionsweisen in gleicher Weise zu beherrschen, er wird zum routinierten Pendler zwischen beiden Medien, die in seiner Arbeit gleichberechtigt nebeneinander stehen.“16 Für Hickethier ist Werner Krauß das beste Beispiel für diesen Karriereverlauf, für Wien ist besonders Hubert Marischka zu nennen. Letzterer konnte sich u.a. als Schauspieler in beiden Medien eine äußerst erfolgreiche Karriere aufbauen. Der dritte Karriereweg ist für die Wiener Filmgeschichte wohl der bedeutendste, da die meisten Stars des österreichischen Stummfilms diesen Weg gingen – vom bedingt erfolgreichen, weitgehend unbekannten Theaterschauspieler zum Kinostar. Hickethier beschreibt diesen Karriereweg folgendermaßen: Der Schauspieler „verfügt über die Fähigkeit, große Rollen spielen zu können, wird aber am Theater nicht prominent, weil er den Sprung in die Premierenbesetzung

14 Ebd., S. 23f. 15 Ebd., S. 24. 16 Ebd.

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nicht schafft. Er wechselt [...] zum Film und hier wird er ein Star.“17 Bezeichnend für diesen Karriereverlauf ist, dass die Zeit am Theater oft als Lehrzeit bewertet wurde und sporadische Gastauftritte im Theater zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausgeschlossen waren. Hickethier zufolge sind die Karrieren von Conrad Veidt, Harry Liedtke oder auch Marlene Dietrich exemplarisch. Das Beispiel für Wien ist aber fraglos Liane Haid, die als Tänzerin unbekannt war, bevor sie 1915 von der Wiener Kunstfilm engagiert wurde und zu einem der ersten und erfolgreichsten österreichischen Stummfilmstars aufstieg (vgl. Kernkapitel 7). Trotz der Erfolge, die TheaterschauspielerInnen beim Film feiern konnten, gab es aber auch jene, die den Weg zum Film auf Dauer nicht fanden. So manche traten dem Film gerade wegen des fehlenden Tons skeptisch gegenüber, da sie sich durch den Verzicht auf ihre stimmliche Ausdruckskraft in den ihnen zur Verfügung stehenden darstellerischen Möglichkeiten eingeschränkt sahen. Laut Hickethier war dies vor allem bei SchauspielerInnen der Fall, die wegen ihrer stimmlichen Prägnanz oder Eigenart berühmt geworden waren.18 Als Beispiel nennt er Alexander Moissi, dem die Eignung zum Filmschauspieler deshalb gänzlich gefehlt haben soll. Auch der berühmte Wiener Komiker Karl Blasel (1831–1922) sprach sich 1913 im Rahmen einer Umfrage der Österreichischen Volks-Zeitung gegen die Betätigung als Filmdarsteller aus: „Es würde mir außerordentlich leid tun, wenn mein Standpunkt in dieser Frage die Oeffentlichkeit enttäuschen sollte. Aber ich kann mich mit dem Kino leider nicht befreunden, obzwar ich sogar schon für das Kino gemimt habe. Im Schauspieler, der sich als Künstler fühlt, ringt das lebendige Wort mächtig nach Ausdruck und, wenn er dazu verurteilt ist, mit den Händen in der Luft herumzufuchteln, mit den Füßen zu strampeln und Fratzen zu schneiden, so muß ihm das gar nicht leicht fallen. Ich habe mich ein einzigesmal dazu verleiten lassen, einen Versuch mit dem Kino zu machen, um einem jungen Filmunternehmen entgegenzukommen[,] und ich habe für mein Leben genug davon. Ich habe mich als Kinodarsteller nicht wohl gefühlt und werde mich auch davor hüten, mir den Film jemals anzusehen.“

19

17 Ebd. 18 Vgl. ebd., S. 25. 19 O.N.: „Theater und Kino“, in: Österreichische Volks-Zeitung 351, 25. Dezember 1913, S. [13]–15, hier S. [13]. Eigentlich hatte Karl Blasel zum Zeitpunkt der zitierten Äußerung bereits an zwei Filmen mitgewirkt: DER UNBEKANNTE (Wiener Kunstfilm, 1912) und KARL BLASEL ALS ZAHNARZT (Wiener Kunstfilm, 1912).

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Bezeichnenderweise wurde Blasels Standpunkt im Reprint der Kinematographischen Rundschau weggelassen. Es wurde nur darauf hingewiesen, dass sich ein Einziger gegen das Kino ausgesprochen habe – sein Name wird jedoch nicht genannt.20 Das zeigt, wie notwendig eine kritische Lesart der zeitgenössischen Artikel ist. Denn ohne den Vergleich mit dem Originaltext erweckt die abgedruckte Umfrage in der Fachzeitschrift den Eindruck, dass sich alle befragten SchauspielerInnen für das Kino ausgesprochen hätten. Das fünfte und letzte Karrieremodell beschreibt schließlich den direkten Weg zum Film. Laut Hickethier stieg die Zahl der SchauspielerInnen, die ohne „Umweg“ über das Theater ihre Karriere beim Film begonnen hatten, erst im Laufe der 1920er Jahre an, da zu diesem Zeitpunkt nach neuen und unverbrauchten Gesichtern gesucht wurde. Als typische Beispiele nennt er die deutschen Stummfilmstars Henny Porten und Brigitte Helm, die ohne jegliche Theatererfahrung Karriere beim Film machten.21 Henny Porten sticht hier besonders hervor, da sie als der Stummfilmstar Deutschlands in die Filmgeschichte eingegangen ist, und das ohne je auf den „Brettern, die die Welt bedeuten“ gestanden zu haben. Ein ähnlich prominentes Beispiel lässt sich für den österreichischen Stummfilm nicht finden.22 Was jedoch auch hierzulande Bedeutung hatte, war die Nachwuchssuche im Rahmen von Schönheitskonkurrenzen und Preisausschreiben, die besonders an junge Frauen adressiert waren, die ihren Traum vom international gefeierten Filmstar verwirklichen wollten (vgl. Kapitel 6.2.4). Häufig war den Gewinnerinnen aber nur ein kurzes Leben im Rampenlicht vergönnt, weshalb Hickethier die Kurzlebigkeit der „Filmsterne“ als weiteres Merkmal dieses Karriereschemas anführt.23 Die Hickethier’schen Karrieremodelle, die die neugewonnene Mobilität im Schauspielerberuf aufzeigen, machen das lange in der Forschung vorherrschende Bild von der teleologischen Entwicklung vom Laien zum nebenberuflichen und schließlich hauptberuflich tätigen Filmschauspieler obsolet. Gerade im deutsch-

20 Vgl. o.N.: „Theater und Kino. Äußerungen bekannter Schauspieler“, in: Kinematographische Rundschau 8/304 (1914), S. 16, 24, 30 u. 34, hier S. 16. 21 Vgl. Hickethier: „Schauspieler zwischen Theater und Kino in der Stummfilmzeit“, S. 25. 22 Eine Ausnahme stellt Carmen Cartellieri dar, die zum österreichischen Stummfilmstar avancierte, ohne zuvor Schauspielerfahrung auf der Bühne gesammelt zu haben (vgl. Abschnitt 7.2 und Anhang C). Allerdings ist der Name Cartellieri heutzutage nur wenigen bekannt. 23 Vgl. Hickethier: „Schauspieler zwischen Theater und Kino in der Stummfilmzeit“, S. 25.

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sprachigen Raum war (und ist) eine strikte Trennung zwischen Theater- und Filmschauspieler nicht haltbar, wie noch im Detail gezeigt werden soll. 3.1.3 Exkurs: Sarah Bernhardts Vorbildwirkung Eine der ersten europäischen Bühnengrößen, die den Schritt zum Film wagten, war Sarah Bernhardt. Der französische Theaterstar stand erstmals um 1900 für das Tonbild LE DUEL D’HAMLET vor der Kamera und sorgte mit Filmen wie LA DAME AUX CAMÉLIAS (1911), LES AMOURS DE LA REINE ELISABETH (1912) und ADRIENNE LECOUVREUR (1913) international für Aufsehen.24 Auch in der österreichischen Fachpresse stieß Bernhardts Filmtätigkeit auf großes Interesse, da man ihre Mitwirkung als Unterstützung des Kinos im Kampf um künstlerische Anerkennung interpretierte und hoffte, dass man in Österreich ebenso ihrem Vorbild folgen werde. Ihre Gedanken zum Thema Filmschauspiel wurden deshalb von österreichischen Filmzeitschriften nicht nur abgedruckt, sondern auch in kommentierter Form wiedergegeben. Für die vorliegende Arbeit sind vor allem zwei Interviews aus den Jahren 1914 und 1919 interessant, weil Bernhardt darin zu den Vor- und Nachteilen der Filmtätigkeit von TheaterschauspielerInnen Stellung nimmt. Am 17.04.1914 erschien in der französischen Tageszeitung Le Journal das erste der beiden Interviews, das auch in anderen Periodika veröffentlicht wurde.25 Kommentierte Versionen finden sich z.B. in der französischen Fachzeitschrift Le Courrier Cinématographique und in der österreichischen Filmwoche. Hier wurde das Interview mit dem Titel „Wie Sarah Bernhard [sic!] über das Kino denkt“ sogar zweimal abgedruckt, einmal in der Hauptausgabe vom 03.05.1914 und einmal in der Kinoprogrammbeilage (B-Ausgabe) vom 22.05.1914.26

24 Vgl. David W. Menefee: Sarah Bernhardt in the Theatre of Films and Sound Recordings. Jefferson, London: McFarland, 2003, S. 89–95 u. 153f. 25 Vgl. Jean Leveque: „‚Sarah‘ spricht zu uns über das Kino“, in: Stummes Spiel, sprechende Gesten, hg. von Kessler, Lenk und Loiperdinger, 1998, S. 11–14, hier S. 14 [Anmerkung 1]. 26 Vgl. [Jean Leveque]: „Wie Sarah Bernhard [sic!] über das Kino denkt“, in: Die Filmwoche 2/60 (1914), S. 4 u. 21 – Die Filmwoche (Ausgabe B) 1/1 (1914), S. 6–8 (Orig.: „Sarah Bernhardt et le Cinéma“, in: Le Courrier Cinématographique 4/17 (1914), S. 28f.; „En écoutant ‚Sarah‘ parler du cinéma“, in: Le Journal 7873, 17. April 1914, S. 7).

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Im Interview erklärte Sarah Bernhardt, dass sie sich nicht als Gegnerin des Kinos sehe, es aber ablehne, wenn der Film versuche, das Theater zu imitieren. Theater und Kino könnten durchaus nebeneinander existieren, aber die Bühnenautoren müssten sich bemühen, spezifisch für den Film zu schreiben, da der Film eigenen Gesetzen folge. Ähnliches gelte auch für jene Schauspieler, die sich kinematografisch betätigen würden. Diese seien durch die Reduzierung auf Mimik und Gestik dazu herausgefordert, nonverbal die größte Wirkung zu erzielen. Das sei aber deshalb eine Herausforderung, weil es schon für einen Theaterschauspieler nicht einfach sei, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Ausdrucksmitteln eine Rolle wirkungsvoll zu gestalten. Zu den Motiven hinsichtlich der Mitwirkung von TheaterschauspielerInnen beim Film nahm Sarah Bernhardt dann eine vorsichtigere Haltung ein und sprach diesbezüglich von einer sehr heiklen Frage. Grundsätzlich sei die häufige Tätigkeit beim Film schädlich für einen (guten) Schauspieler, da die Doppelbelastung durch Filmarbeit und Theaterproben den Künstler auslauge. Die Erschöpfung führe zur wiederholt schlechten Leistung, was wiederum die KollegInnen in ihrer Arbeit behindere und den Theaterbetrieb aufhalte: „Ich glaube, es ist einem guten Schauspieler schädlich, wenn er sich zu oft filmen läßt. Ich spreche hier zunächst als Theaterdirektrice. Es ist ja bekannt, zu welcher Tageszeit Filmaufnahmen gemacht werden. Die Filmregisseure versammeln im Sommer ihre Schauspieler gewöhnlich schon um 6 Uhr morgens. Sie lassen sie lange und angestrengt arbeiten. Der ganze Vormittag vergeht bei einer Filmaufnahme. Dann eilt der Schauspieler, kaum daß er einen Imbiß genommen hat, zur Theaterprobe. Er kommt müde und erregt an. Ist er am vorangegangenen Abend aufgetreten und dann – [w]as meist der Fall ist – spät schlafen gegangen, so ist er bei der Probe schläfrig und wiederholt schlecht. Der Autor, der Di27

rektor und die anderen Schauspieler leiden darunter.“

Für Schauspieler, die es als Berufung sähen, am Theater zu spielen, sei die Tätigkeit für den Film überdies eine Vergeudung ihres Talents. Trotzdem dürfe man auf keinen Fall vergessen, dass das Kino auch ein Auskommen biete. Denn im Gegensatz zum Theater bezahle das Kino gut. Man dürfe also nicht schlecht über den Film sprechen. Schließlich ging Sarah Bernhardt auch auf die Entwicklung des Schauspielerberufes ein. Sie glaubte, dass es bald zu einer Teilung zwischen Theater- und Filmschauspielern kommen werde. Zweitere, die „Filmspezialisten“, würden in

27 Ebd., S. 21.

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der Folge ihren Beruf vervollkommnen und das werde sowohl für das Theater als auch für das Kino von Vorteil sein: „Ich glaube, daß sich bald ganz von selbst eine Teilung zwischen den Schauspielern ergeben wird: Eine Absonderung zwischen denen, die vom Theaterdämon besessen sind[,] und den anderen, die für den Film spielen. Es gibt heute schon Filmspezialisten unter den Schauspielern. Sie werden gewiß noch zahlreicher werden. Sie werden ihren Beruf zu einer Vollkommenheit bringen, welchen heute bloß die Berühmtesten erreichen. Die Scheidung unter den Schauspielern wird gut sein. Gut für das Theater und gut für die lebende 28

Leinwand.“

Sarah Bernhardt sah also einerseits eine eigenständige Entwicklung des Filmschauspiel/er/s voraus und verstand andererseits, dass sich Dramaturgie und Schauspielkunst an die Gesetze des Mediums anpassen mussten. Trotz dieser Erkenntnis gestand sie, dass sie sich selbst bei ihren Filmauftritten noch an die theatrale Spielweise halte, weil es ihr unmöglich scheine, anders als im Theater zu spielen. Wort für Wort spreche sie den Text, versuche aber ihren mimischen und gestischen Ausdruck zu reduzieren. Sie bleibe eben immer ganz Sarah Bernhardt. In der Encyclopedia of Early Cinema wird diese Aussage auf die Spitze gebracht: „Although Bernhardt continued to be involved with the industry until her death, she is remembered as an anachronistic performer who had little understanding of the nascent medium.”29 1919 veröffentlichten Der Filmbote und Die Neue Kino-Rundschau ein weiteres Interview mit Sarah Bernhardt zum Thema Kino, das in einer nicht näher benannten belgischen Zeitung erschienen sein soll.30 Dieses Mal sprach sich die Tragödin eindeutig für die Mitwirkung von SchauspielerInnen beim Film aus. Sie könne nicht verstehen, warum es nach wie vor DarstellerInnen gebe, die dem Kino mit Verachtung entgegenträten. Für Bernhardt selbst sei ihr erstes Filmengagement eine große Ehre gewesen und es habe ihr gezeigt, welch hohe künstlerische Anforderungen das „schweigende Drama“ an den Darsteller stelle. Über den künstlerischen Anspruch hinaus führte Bernhardt auch noch weitere Gründe für das Engagement beim Film an. Zum einen sei die Filmarbeit eine gute Einnahmequelle, zum anderen gebe der Film dem Schauspieler die Mög-

28 Ebd. 29 Victoria Duckett: „Bernhardt, Sarah“, in: Encyclopedia of Early Cinema, hg. von Richard Abel. London, New York: Routledge, 2010, S. 67 (Orig.: 2005). 30 Vgl. o.N.: „Sarah Bernhardt über das Kino“, in: Der Filmbote 2/34 (1919), S. 13 – Neue Kino-Rundschau 3/117 (1919), S. 17 (Orig.: nicht eruierbar).

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lichkeit zur Selbstbeobachtung. Dadurch habe Bernhardt viel über sich selbst und ihre schauspielerischen Fähigkeiten lernen können, was der Filmbote folgendermaßen kommentierte: „Diese letzten Aussprüche sollten sich manche zu Herzen nehmen, die, weniger berühmt als die große Sarah, den Film verachten und belächeln, und in ihrem Dünkel nicht einmal den für den Künstler unschätzbaren, erziehlichen Wert der ‚Selbstbeobachtung‘, der ihm positiv innewohnt, noch zu entdecken imstande waren.“

31

Sarah Bernhardts Gedanken zur Schauspielkunst und zum Schauspielerberuf beim Film sind symptomatisch für die zeitgenössische Einstellung zur Filmtätigkeit von TheaterschauspielerInnen. Einerseits war man sich der Schwierigkeiten, die sich aus der parallelen Tätigkeit für Theater und Film ergaben, bewusst und zeigte eine kritische Haltung gegenüber den Konsequenzen wie etwaigen Vertragsbrüchen. Andererseits sah man auch die Vorteile, die die Filmarbeit in finanzieller, künstlerischer und ideller Hinsicht mit sich brachte. In den nächsten beiden Abschnitten wird es daher darum gehen, die Motive für die Mitwirkung bei Filmaufnahmen zu ergründen und diesen die Argumente gegen den als Filmdarsteller tätigen Bühnenkünstler gegenüberzustellen.

3.2 MOTIVE FÜR DIE MITWIRKUNG BEI FILMAUFNAHMEN In den 1910er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde der Kunstfilm zum bestimmenden Schlagwort für die Filmproduktion. Besonders in Europa versuchte man das schlechte Image des Kinos als Jahrmarktsattraktion und reines Unterhaltungsmedium durch Nachahmung des traditionellen bürgerlichen Theaters aufzuwerten. Die Anerkennung des Films als Kunstform sollte vor allem durch das Engagement von bekannten und erfahrenen Theaterkräften gewährleistet werden. Den Anfang machten internationale Bühnengrößen wie Sarah Bernhardt oder Eleonora Duse, deren Filmtätigkeit weltweit auf großes journalistisches Interesse stieß. Auch in Wien eiferte man dem internationalen Trend nach und versuchte nicht nur bewährte Theaterstücke für den Film zu adaptieren, sondern ebenso Bühnenlieblinge zu engagieren. Als besondere Ehre wurde es deshalb empfunden, wenn sich SchauspielerInnen aus dem „Olymp“ der Wiener Theaterwelt, dem k.k. Hofburgtheater, dazu bereit erklärten, bei kinematografischen

31 Ebd., S. 13.

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Aufnahmen mitzuwirken. Wenig dezent wurde dann in doppel- und mehrseitigen Inseraten mit fettgedruckter Schrift darauf hingewiesen. Für die Filmfirmen lag die Motivation für das Engagement von Schauspielkräften ersten Ranges folglich in der Werbewirkung und dem Prestige. Die Frage ist jedoch, was TheaterschauspielerInnen, trotz des schlechten Images von Film und Kino, dazu bewogen hatte, sich filmen zu lassen. In den Stummfilmzeitschriften werden hauptsächlich Motive finanzieller und künstlerischer Natur genannt. Neben den vermeintlich hohen Gagen und der kritischen Selbstbeobachtung, die erstmals durch die kinematografischen Bilder möglich war, lässt sich aber noch ein dritter Aspekt feststellen, der auch für die Wiener Kulturlandschaft von Bedeutung war: die Archivierung der schauspielerischen Leistungen für die Nachwelt. Dies war ein nicht zu unterschätzender Motivationsfaktor, galt doch die Schauspielkunst lange Zeit als die vergänglichste aller Künste, deren Errungenschaften höchstens durch Berichte der Zeitgenossen der Nachwelt überliefert werden konnten. 3.2.1 Finanzielle Erwägungen „[I]ch sehe nicht ein, warum man nicht auch zugeben soll, daß [die] rein künstlerische Erwägung nicht die einzige ist, die den Schauspieler von heute zum Kino führt. Nein, es sind in der Tat in der Hauptsache materielle Gründe.“32 So wird der deutsche Schauspieler Friedrich Kayßler im Österreichischen Kometen in gleich zwei Ausgaben zitiert. In den zeitgenössischen Beiträgen galten finanzielle Erwägungen häufig als das Hauptmotiv von BühnendarstellerInnen – vor allem für jene, die noch keine großen Erfolge vorweisen konnten oder erst am Beginn ihrer Laufbahn standen –, um beim Film mitzuwirken. Das lässt sich zum einen aus den oft prekären Arbeitsverhältnissen in Bezug auf die Gagen- und Personalpolitik der Theaterbranche erklären. Zum anderen stellte die traditionelle Sommerpause der deutschsprachigen Theaterhäuser Bühnenmitglieder, die nicht auf Gastspielreise gingen und die kein Engagement an einem Sommertheater ergattert hatten, vor existenzielle Fragen, die durch ein Engagement beim Film zumindest zeitweilig gelöst werden konnten. 33 Eine paradoxe Situation

32 Friedrich Kayßler: „Was das Kino dem Schauspieler gibt“, in: Österreichischer Komet 6/181 (1913), S. 32 – Österreichischer Komet 8/269 (1915), S. 4 u. 9, hier S. 4. 33 Vgl. Hickethier: „Schauspieler zwischen Theater und Kino in der Stummfilmzeit“, S. 15f. Hickethier weist aber auch darauf hin, dass man noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Ateliers zu filmen begann und damit schon früh wetter- und jahres-

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ergab sich in dieser Hinsicht zudem dadurch, dass viele (Privat-)Theater u.a. mit der Konkurrenz des Kinos zu kämpfen hatten und sich in der Folge die Beschäftigungslage von TheaterschauspielerInnen noch weiter verschlechterte, wodurch das Kino wiederum zum Zufluchtsort engagementloser DarstellerInnen wurde. Im Welttheater stellte man die harte Realität in Form einer Karikatur dar (Abbildung 1): Die Zeichnung von Rudolf Herrmann zeigt die Bühnengrößen Alexander Girardi, Hansi Niese und Enrico Caruso, die mit betroffenem Blick vor einem dicken, Zigarre rauchenden Filmproduzenten stehen und ihn um Anstellung bitten: „Lieber Herr Direktor! Wir sind im Schlamasel, die Theater können keine Gagen mehr zahlen, möchten Sie uns nicht in Ihrem Kino anstellen?“34 Abbildung 1: Theaterstars bitten den Direktor einer Filmfabrik um Geld

Quelle: Das Welttheater, 1912 (UB Wien)

zeitenunabhängig war, wodurch das Kino ein noch stärkerer Konkurrent für das Theater wurde. 34 Rudolf Hermann: „Kino-Karikaturen“, in: Das Welttheater 1/5 (1912), S. 7.

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Neben existenziellen Gründen dürfte aber auch die Aussicht auf märchenhafte Gagen und internationalen Ruhm, von denen in der Tages- und Fachpresse wiederholt berichtet wurde, dazu geführt haben, dass man vorrangig des Geldes wegen zum Film wollte. Die Vorstellung, jede/r könne beim Film erfolgreich werden, ebnete auch der in den 1920er Jahren ihren Höhepunkt erreichenden „Flimmeritis“ ihren Weg. Darunter wurde der Drang zumeist junger und schauspielunerfahrener Personen verstanden, ihr berufliches Glück beim Film zu suchen (vgl. Kernkapitel 6). Doch nur die wenigsten erhielten hohe Gagen und wurden international berühmt. Die Mehrheit der SchauspielerInnen musste sich mit weniger zufrieden geben: „Der gewaltige Aufschwung des Kinos hat auch für einzelne beim Publikum besonders beliebte ‚Schattenschieber‘ märchenhafte Gagen mit sich gebracht. Die Glücklichen, die vom Kino regelmäßig hohe Gagen beziehen, sind [...] Ausnahmen, dem kleinen KinoSchauspieler, also der Mehrheit, werden nur höchst bescheidene Honorare bewilligt.“

35

Die Höhe des Honorars hing von mehreren Faktoren ab: Zunächst war diese vom Umfang der zu spielenden Rolle abhängig, d.h., es machte einen Unterschied, ob man eine Haupt- oder eine Nebenrolle übernahm oder „nur“ zur Statisterie gezählt wurde. Letztere musste die schlechtesten Arbeitsbedingungen und den geringsten Tageslohnsatz hinnehmen. Das Honorar war außerdem davon bestimmt, wo und in welchem Jahr gefilmt wurde. Gerade in Österreich spielt die zeitliche Komponente keine unwesentliche Rolle, wenn man z.B. an die Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg denkt (vgl. Abschnitt 6.1). Aber auch der Drehort konnte die Honorarhöhe beeinflussen, je nachdem, ob die Filmaufnahme innerhalb oder außerhalb Wiens stattfand und man dementsprechend einen Anspruch auf Reisespesen hatte oder nicht (vgl. Abschnitt 6.3). Des Weiteren bezogen die wenigsten SchauspielerInnen beim Film ein fixes Einkommen. In der Regel wurde ein Tageshonorar bezahlt, das sich u.a. am Rollenumfang und am Bekanntheitsgrad orientierte. Nur die größten Publikumslieblinge erhielten von den Filmfirmen Verträge für sogenannte „Serien“, eine Reihe von Filmen mit demselben Star in der Hauptrolle, die ihnen ein regelmäßiges Einkommen garantierten. Im Gegenzug waren sie dadurch aber auch an die jeweilige Filmfirma gebunden, was nicht immer von Vorteil war. Der Liane-HaidProzess von 1918 zeigt zum Beispiel, dass gesundheitliche Probleme kein Grund waren, die vertraglichen Pflichten zu vernachlässigen (vgl. Abschnitt 7.3). Auch

35 O.N.: „Kino-Gagen“, in: Österreichischer Komet 6/155 (1913), S. 39 (Orig.: nicht eruierbar).

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bei besseren Angeboten anderer Firmen konnte die Bindung an eine Filmfirma von Nachteil sein. Wie die nächsten beiden Kapitel zeigen werden, gab es über die finanziellen Erwägungen hinaus darum noch weitere Gründe, die für die Mitwirkung beim Film sprachen. In der Branchenpresse wehrte man sich sogar dagegen, dass ausschließlich finanzielle Motive hinter den Filmengagements von TheaterschauspielerInnen stünden. Ein Beispiel dafür ist der im Februar 1919 veröffentlichte Artikel „Künstler und Filmkunst“ in der Neuen Kino-Rundschau.36 Darin kritisierte Joseph Reményi, Direktor der österreichischen Filmag, die Aussage einer Wiener Schauspielerin (Emmy Förster), dass sich BühnenkünstlerInnen nur des Geldes wegen für den Film betätigen würden: „Frau Emmy Förster von der ‚Neuen Wiener Bühne‘ hat in der verflossenen Woche in einem in der ‚Wiener Mittags-Zeitung‘ erschienenen Artikel einem Interviewer gegenüber über die Betätigung der Bühnenmitglieder im Film Worte gesprochen, welche sich weit ab der Wirklichkeit bewegen. Denn Frau Förster stellt die Behauptung auf, daß ein wahrer Künstler ‚nur aus finanziellen Gründen‘ filmen werde[,] und damit behauptet sie etwas, das der Wirklichkeit widerspricht. Frau Förster könnte wissen, daß sich Künstler von hervorragendem Rufe in den Dienst des Films gestellt und dabei gewiß erst in letzter Reihe 37

an das Honorar gedacht haben.“

Laut Joseph Reményi hätten sich finanziell gut situierte BühnendarstellerInnen in erster Linie aus künstlerischem Ehrgeiz für die Mitwirkung beim Film entschieden. Das Geld alleine sei die Strapazen, die das Filmemachen mit sich bringe, nicht wert. Sowohl die Popularisierung ihrer Kunst als auch die Weiterentwicklung des künstlerischen Könnens seien für die größten TheaterschauspielerInnen die primären Motive gewesen, um sich filmen zu lassen.38 Angemerkt sei an dieser Stelle auch, dass sich die Frage nach den Motiven für die Mitwirkung beim Film nicht einfach pauschal beantworten lässt, sondern dass sie individuell bzw. im Kontext einzelner KünstlerInnenbiografien untersucht werden muss. Joseph Reményi hatte aber insofern Recht, als es auch über finanzielle

36 Vgl. Joseph Reményi: „Künstler und Filmkunst“, in: Neue Kino-Rundschau 3/103 (1919), S. 6f. (Orig.: „Die Bühnenkünstler und der Film“, in: Wiener Mittags-Zeitung 44, 22. Februar 1919, S. 5). 37 Ebd., S. 6 (Bez.: O.N.: „Bei Emmy Förster“, in: Wiener Mittags-Zeitung 33, 10. Februar 1919, S. 4). 38 Vgl. ebd.

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Erwägungen hinausgehende Motive gab, in deren Zentrum die schauspielerische Leistung stand. 3.2.2 Künstlerische Weiterentwicklung Ein weiteres Motiv für die Mitwirkung beim Film war die nun erstmals mögliche Selbstbeobachtung der eigenen darstellerischen Leistung,39 die für SchauspielerInnen aller Entwicklungsphasen eine innovative Möglichkeit zur Verbesserung ihres schauspielerischen Könnens bot. Schon Sarah Bernhardt erkannte den pädagogischen Wert, den der Film besaß, und sprach diesbezüglich von einer „wundervollen Sensation“, die der Film durch die Möglichkeit der Selbstbeobachtung biete. Die Reproduktion der Darstellung auf der Leinwand erlaube es einem, eigene Fehler zu erkennen und dadurch einen großen Lernerfolg zu erzielen.40 Das galt besonders für den Einsatz des Kinematografen als Unterrichtsmittel in Schauspielschulen. In der österreichischen Fachpresse wird z.B. vom fortschrittlichen Schauspielunterricht in England und Frankreich berichtet, wo man bereits um 1910 die SchülerInnen bei ihren Übungen gefilmt haben soll, um ihnen anschließend die Ergebnisse vorzuführen.41 Der Film wurde so zum Erzieher und „Lehrmeister“, der den ElevInnen vorführte, wo ihre Schwächen und Stärken lagen. In der Kinematographischen Wochenschau von 1914 heißt es zu diesem Thema: „In jedem Theater müßte die Leinwand herrschen! Denn dank ihr, sind die Schauspieler imstande, jede Geste zu beobachten, sich in ihrem Spiel zu verfeinern, und sich jenen Schliff anzugewöhnen, der den routinierten Schauspieler kennzeichnet. [...] Vor dem Objektiv müssen die Schauspieler spielen wie vor dem Publikum, und die Leinwand verrät

39 Vor der Erfindung der Kinematografie hatten SchauspielerInnen auch die Möglichkeit, sich durch Beobachtung zu verbessern. Allerdings bedurfte es dazu zumindest einer zweiten Person, die man entweder beobachten konnte oder die einen selbst kritisch beobachtete. Vgl. Paul Stefanek: Die Schauspielererziehung im Wiener Theaterbetrieb des 19. Jahrhunderts. (Mit besonderer Berücksichtigung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts). Diss., Universität Wien, 1963, S. 259–266. 40 O.N.: „Sarah Bernhardt über das Kino“, S. 13. 41 Vgl. o.N. [Li.]: „Das Theater der Illusion“, in: Kinematographische Rundschau 2/33 (1908), S. 2f. (Orig.: „Das Theater der Illusionen“, in: Fremden-Blatt 143, 24. Mai 1908, S. 6f.); o.N.: „Kino-Schulen“, in: Österreichischer Komet 7/202 (1914), S. 41; o.N.: „Erkenne Dich selbst!“, in: Kinematographische Wochenschau 5/20–21 (1914), S. 34.

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ihnen den Erfolg. Sind also die Herren Schauspieler nicht zu sehr eingebildet von ihrer kleinen Persönlichkeit, so können sie aus diesem Spiel vor dem Objektiv viel, sehr viel lernen.“

42

Einen pädagogischen Wert hatte das Beobachten des eigenen Spiels auf der Leinwand also nicht nur für SchauspielschülerInnen, sondern auch für erfahrene BerufsschauspielerInnen. Zwar war es für die meisten eine qualvolle und erschreckende Erfahrung, sich das erste Mal selbst spielen zu sehen, den Lerneffekt konnten sie aber trotzdem nicht leugnen. In den Filmzeitschriften wurden diesbezüglich mehrfach Umfragen abgedruckt, in denen Theater- und Filmstars dazu befragt wurden, wie sie sich und ihre Darstellung im Film erlebt hatten. Im Jänner 1914 veröffentlichte z.B. die Kinematographische Rundschau eine Umfrage aus der Weihnachtsnummer der Österreichischen Volks-Zeitung, in deren Rahmen bekannte Wiener Bühnenliebinge zu ihrer Filmerfahrung befragt worden waren. 43 Neben Alexander Girardi, Mizzi Günther, Louise Kartousch, Hubert Marischka, Hansi Niese-Jarno und Helene Odilon kamen auch die Burgtheatergrößen Carl von Zeska und Otto Treßler zu Wort. Zur Wichtigkeit der Selbstbeobachtung im Film äußerte sich besonders Mizzi Günther (1879– 1961): „Für uns Schauspielerinnen ist das Kinospielen von größter Wichtigkeit; man sieht sich im Bilde, man kann an seinen Fehlern lernen, man sieht, welche Eigenarten man hat, usw.“44 Alexander Girardi (1850–1918) wies hingegen darauf hin, dass es etwas Unheimliches an sich habe, wenn man sich das erste Mal im Film sehe. Aber sobald man sich an das „zweite Ich“ gewöhnt habe, sei es der interessanteste Moment für den Schauspieler, sich selbst auf der Leinwand zu sehen, und man könne sich beim Anblick seiner eigenen Bewegungen unterhalten.45 Zehn Jahre später veröffentlichte das Kino-Journal eine Umfrage mit dem Titel „Wie ich mich wiedersehe“.46 Darin finden sich Äußerungen von den ganz Großen des deutschen Stummfilms. Befragt wurden u.a. Asta Nielsen, Henny Porten, Emil Jannings, Ossi Oswalda, Hanni Weiße und Fern Andra, wobei sich

42 O.N.: „Erkenne Dich selbst!“, S. 34. 43 Vgl. o.N.: „Theater und Kino. Äußerungen bekannter Schauspieler“, S. 16, 24, 30 u. 34. 44 Ebd., S. 16. 45 Vgl. ebd. 46 Vgl. o.N.: „Wie ich mich wiedersehe“, in: Das Kino-Journal 17/752 (1924), S. 4–6 (Orig.: „Wenn ich mich wiedersehe . . . .“, in: Neue Berliner Zeitung. Das 12 Uhr Blatt (Film-Rundschau) 6/292 (1924), n.pag.).

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vor allem die beiden erstgenannten Stummfilmstars der Frage nach der Bedeutung der Selbstbeobachtung im Film widmeten. Für Asta Nielsen war die „künstlerische Nachprüfung“, also die Kritik an der eigenen schauspielerischen Leistung, ein besonders wichtiger Teil ihrer Tätigkeit. Die Selbstbeobachtung helfe ihr bei der weiteren Gestaltung ihrer Rollen.47 Auch Henny Porten wusste es zu schätzen, dass FilmschauspielerInnen sich und ihre künstlerische Leistung im Film nun beobachten und kritisieren konnten. Denn das „Sich-selbst-[S]ehen“ gehe mit einem „Sich-selbst-[E]rkennen“ einher. Deshalb müsse sich ein Filmschauspieler, der seinen Beruf ernstnimmt, immer wieder selbst ansehen.48 Nur so könne er etwas lernen und sich verbessern: „Ich lerne jedesmal wieder etwas [da]zu, bessere an mir herum und beobachte vor allem meine . . . Fehler.“49 Dass der Film eine „Korrektur“ des eigenen Spiels ermöglichte, konstatierte auch Marianne Rub (1892–unbek.), Schauspielerin u.a. am Deutschen Volkstheater in Wien. In einem Erfahrungsbericht, der in der Kinowoche 1920 veröffentlicht wurde, beschrieb die dem Kino ansonsten skeptisch gegenüberstehende Aktrice den Vorzug, den die Selbstbeobachtung ihrer Meinung nach mit sich brachte: „Das Flimmern hat für den Schauspieler manchen Reiz übrig, vermittelt ihm manche neue Sensation, die er auf dem Theater nicht erlebt[,] und bringt ihm in einer Beziehung auch einen künstlerischen Gewinn: er hat ein Mittel, sich selbst zu beobachten, an der Betrachtung des mit naturalistischer Treue wiedergegebenen eigenen Spiels seine Schwächen zu erkennen und sie der gewonnenen Einsicht entsprechend zu korrigieren. Jeder Künstler hat irgendeine künstlerische Unart an sich, die er erst feststellen kann, wenn er den Doppelgänger auf der Leinwand verfolgt; der eine bemerkt eine zur Manier entartete Bewegung um die Mundwinkel, der andere konstatiert mit Unbehagen, daß seine Gebärde übertrieben und unschön wirkt. Der Apparat registriert die Schwächen mit unheimlicher Ge50

nauigkeit. Der Künstler übt an sich selbst Kritik.“

Der Film als Mittel zur Selbstkritik und Verbesserung der schauspielerischen Leistung war somit etwas, das sowohl TheaterschauspielerInnen vor die Filmkamera lockte, als auch hauptberufliche FilmdarstellerInnen für sich zu nutzen wussten. Einen Nachteil hatte das Ganze allerdings: Fehler, die der Schauspieler beim „Sich-selbst-[S]ehen“ auf der Leinwand entdeckte, waren für immer und

47 Ebd., S. 4. 48 Ebd., S. 5. 49 Ebd. 50 Marianne Rub: „Vom Flimmern“, in: Die Kinowoche 2/3 (1920), S. 2f., hier S. 2.

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unveränderbar auf Nitrofilm gebannt.51 Das Einzige, was er jetzt noch machen konnte, war, daraus für die Zukunft zu lernen. 3.2.3 Archivierung schauspielerischer Leistungen „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze . . . der Film erhält ihn lebendig“ titelte die Filmillustrierte Mein Film 1926 und ergänzte damit Schillers berühmtes Wallenstein-Zitat um eine wichtige Erkenntnis des frühen 20. Jahrhunderts.52 Schließlich ermöglichte die Erfindung der Kinematografie den Schauspielern erstmals, es anderen Künstlern, wie Dichtern, Musikern, Malern oder Bildhauern, gleichzutun und ihre künstlerischen Leistungen für die Nachwelt in greifbarer Form zu hinterlassen. Zuvor war es das Los des Schauspielers gewesen, nur in der Erinnerung derjenigen fortzuleben, die ihn auf der Bühne bewundern durften: „Die Werke eines Dichters können der Unsterblichkeit teilhaftig sein, weil sie von Generation zu Generation überliefert und immer wieder gelesen werden. Die Werke, die der Maler schafft, bleiben der Nachwelt erhalten. Nur des Schauspielers Ruhm – auch des größten –[,] der auf der Bühne unvergeßliche Leistungen vollbrachte, muß verblassen, wenn diejenigen, die sein Spiel, sein Sprechen, seine Gebärden, seine Mimik, noch im 53

Gedächtnis haben, nicht mehr sind.“

Auch Gemälde, Fotografien, Postkarten, Denkmäler oder Einträge in Geschichtsbücher konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Großen der Theaterwelt allmählich in Vergessenheit gerieten und letztendlich dem kulturellen

51 Manche AutorInnen waren darum der Meinung, dass nur die erstrangigen SchauspielerInnen für den Film tätig sein sollten. Vgl. o.N.: „Die Aufgaben des Kino“, in: Österreichischer Komet 5/86 (1912), S. 6f., hier S. 6. 52 Vgl. o.N.: „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze ... der Film erhält ihn lebendig“, in: Mein Film 1/3 (1926), S. 7. Für das Originalzitat vgl. Friedrich Schiller: „Prolog zu Wallensteins Lager. Gesprochen bei Wiedereröfnung der Schaubühne in Weimar im October 1798“, in: Schillers Werke. Nationalausgabe, Bd. 8, N II: Wallenstein. Text II, hg. von Norbert Oellers. Weimar: Böhlaus Nachfolger, 2010 (Orig.: 1949), S. 423–426, hier S. 424 (Orig.: Musen-Almanach für das Jahr 1799, hg. von Schiller. Tübingen: Cotta’sche Buchhandlung, [1798]). 53 O.N.: „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze ... der Film erhält ihn lebendig“, S. 7. Vgl. auch Alexander Landesberg: „Ja, zu meiner Zeit!“, in: Das Welttheater 1/2 (1912), S. 5.

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Gedächtnis entschwanden. Die Besonderheiten im Spiel von Adolf von Sonnenthal, Josef Kainz, Sophie Schröder oder Charlotte Wolter waren für immer verloren und nur mehr durch subjektive Berichte von Zeitgenossen zu rekonstruieren.54 Doch das sollte sich mit der Erfindung der Kinematografie maßgeblich ändern. Die Kinobranche erkannte schon bald den Vorteil, den der Film hinsichtlich der Archivierung schauspielerischer Leistungen mit sich brachte, und besprach diesen Aspekt ausführlich in den facheinschlägigen Zeitschriften. Die österreichische Filmpresse widmete sich dem Thema hauptsächlich in den 1910er Jahren und kämpfte damit einmal mehr um die Anerkennung für die kulturelle Bedeutung des Films. So scheint es auch kein Zufall zu sein, dass die Idee der Archivierung parallel zur Berichterstattung rund um das Wiener Filmverbot aufgegriffen wurde. Denn der „unsterbliche Schauspieler“ wurde als positiv konnotiertes Novum verkauft, das die Mitwirkung von Theaterschauspielern beim Film rechtfertigen sollte. Das Welttheater ging 1912 sogar so weit, die Schaffung eines kinematografischen Archivs vorzuschlagen.55 Analog zum Phonogrammarchiv der Akademie der Wissenschaften, das bereits 1899 gegründet worden war, um die Stimmen berühmter Zeitgenossen festzuhalten,56 sollte das kinematografische Archiv vor allem die körperliche Ausdruckskraft von BühnenkünstlerInnen für die Nachwelt dokumentieren. Das Welttheater formulierte seine Idee folgendermaßen: „Das kinematographische Archiv, das wir beabsichtigen, wird dem Darsteller die Unsterblichkeit sichern. Der Künstler wird seine Rolle vor dem Kinematographen spielen und späte Geschlechter werden sich daran erfreuen zu sehen, was die Vorzeit an Blüten der Kunst geschaffen. Hand in Hand mit dem Grammophon wird die Körperlichkeit rekonstruiert und vor den Augen des Enkels ersteht das Bild der großen Ahnen. Alles das, was 57

uns heute mit Freude und Bewunderung erfüllt, soll für die Nachwelt gerettet werden.“

54 Vgl. ebd.; Hans Fuchs: „Der Film als Bewahrer der Geste“, in: Das Welttheater 1/9 (1912), S. 15; R. Götz: „Der unsterbliche Schauspieler“, in: Kinematographische Wochenschau 3/42 (1912), S. 31f. 55 Vgl. o.N.: „Die Schaffung eines Kinematographischen Archivs. Ein Vorschlag des ‚Welttheaters‘“, in: Das Welttheater 1/1 (1912), S. 4f. 56 Vgl. o.N.: „Das älteste audiovisuelle Archiv der Welt“, Phonogrammarchiv. Institut für audiovisuelle Forschung und Dokumentation, 2014, www.phonogrammarchiv.at/ wwwnew/geschichte_d.htm, 03.07.2015. 57 O.N.: „Die Schaffung eines Kinematographischen Archivs“, S. 4f.

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Zu seiner Idee befragte das Welttheater mehrere bedeutende Persönlichkeiten der Wiener Kunst- und Gelehrtenszene: Dr. Alexander Dorn Ritter von Marwalt, Gemeinderat der Stadt Wien; Wilhelm Exner, Präsident des k.k. technischen Versuchs-Amtes; Alexander Girardi; Balduin Groller, Vizepräsident des Journalisten- und Schriftstellervereins Concordia; Dr. Karl Schönherr, Arzt und Schriftsteller.58 Alle Befragten befürworteten die Schaffung eines kinematografischen Archivs, weil sie den Wert des Films zur Archivierung kultureller und schauspielerischer Leistungen erkannten. Dennoch blieb die zukunftsweisende Vision des Welttheaters vorerst unverwirklicht. Erst 1929 wurde die Idee wieder aufgegriffen. Joseph Gregor (1888–1960), Begründer und Leiter der Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, initiierte in diesem Jahr ein Archiv für Filmkunde, das es sich zur Aufgabe machte, filmrelevante Objekte und schriftliche Dokumente zu sammeln. Die Realisierung eines eigenen, von einer übergeordneten Institution (weitgehend) unabhängigen Archivs musste aber noch bis ins Jahr 1955 warten. Nachdem der Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Filmwissenschaft die Gründung im Rahmen der „Ersten Internationalen filmwissenschaftlichen Woche“ in Wien beschlossen hatte, wurde das Österreichische Filmarchiv (heute: Filmarchiv Austria) am 17.10.1955 offiziell als Verein konstituiert.59 Aber auch ohne Archiv blieb die Idee, dass zukünftige Generationen SchauspielerInnen längst vergangener Zeiten bestaunen könnten, ein Grund für viele Theatergrößen, den Schritt zum Film zu wagen. Schon Sarah Bernhardt war davon fasziniert, dass Menschen, die noch gar nicht geboren waren, sie einmal in ferner Zukunft auf der Leinwand bewundern könnten: „Für sie werde ich noch leben, wenn mein Körper schon längst zu Staub geworden sein wird.“60 Der Wunsch nach (künstlerischer) Unsterblichkeit brachte deshalb auch etliche Wie-

58 Vgl. ebd., S. 5. Reaktionen in Form von Zuschriften kamen auch von: Dr. Josef Neumayer, Bürgermeister der Stadt Wien; Dr. Alois Heilinger, Abgeordneter; Regierungsrat Prof. Dr. Friedrich Umlauft, Direktor der Wiener Urania; Louis Treumann, Sänger und Schauspieler; Edmund Graf Lažansky, Direktor der Wiener Kunstfilm; Hugo Thimig, Schauspieler und Regisseur am Hofburgtheater in Wien. Vgl. o.N.: „Das kinematographische Archiv. (Die Anregung des ‚Welttheaters‘)“, in: Das Welttheater 1/2 (1912), S. [3]–5; Hugo Thimig: „Das kinematographische Archiv“, in: Das Welttheater 1/4 (1912), S. [3]. 59 Vgl. o.N.: „Geschichte. Österreichisches Filmarchiv“, Filmarchiv Austria, 2015, filmarchiv.at/about/geschichte/, 01.11.2015; Ludwig Gesek: „...und so begann es“, in: Filmkunst [37]/105 (1985), S. 7–10. 60 O.N.: „Sarah Bernhardt über das Kino“, S. 13.

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ner Bühnenlieblinge zum Film. Einer der Ersten, der den Schritt wagte und dessen filmdarstellerische Tätigkeit auf großes mediales Echo stieß, war Alexander Girardi.61 Der Volksschauspieler und Operettenstar war dem Medium Film gegenüber aufgeschlossen und fand den Gedanken, dass man ihm noch in ein paar hundert Jahren beim Spielen zuschauen könnte, ebenso reizvoll wie Sarah Bernhardt: „Ich freue mich schon heute auf den Respekt, den ich haben werde, wenn ich den ‚Verschwender‘ vor dem Kinematographen spielen werde und mir dabei denke, daß das für Leute bestimmt ist, die sich die Geschichte in ein paar hundert Jahren anschauen werden.“

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Die Archivierung der schauspielerischen Leistungen für die Nachwelt mag zwar nicht das Hauptmotiv für die Mitwirkung von TheaterschauspielerInnen bei Filmaufnahmen gewesen sein, trotzdem darf dieser Aspekt nicht ausgeklammert werden. Wie die exemplarischen Beiträge aus den österreichischen Stummfilmzeitschriften zeigen konnten, war die „Konservierung“ der Schauspielkunst für spätere Generationen auch ein Motiv, sich vor dem Kinematografen auszuprobieren. Die Archivierung der schauspielerischen Leistung scheint aber vor allem im Hinblick auf Bühnenstars wie Sarah Bernhardt oder Alexander Girardi von Bedeutung gewesen zu sein. Schließlich sollten die herausragendsten Künstler-

61 Tatsächlich wirkte Girardi jedoch nur in einem einzigen Spielfilm mit, im bereits erwähnten Sascha-Film DER MILLIONENONKEL (1913). Allerdings erregte seine Mitwirkung, wie bei Sarah Bernhardt, eine große mediale Aufmerksamkeit. In den österreichischen Filmzeitschriften finden sich u.a. folgende Artikel, Notizen und Interviews dazu: O.N.: „Alexander Girardi im Film“, in: Kinematographische Rundschau 7/262 (1913), S. 6; o.N.: „Alexander Girardi über sein Kinodebüt“, in: Kinematographische Rundschau 7/263 (1913), S. 6 u. 8 (Orig.: „Girardi über Theater und Kino. Ein Gespräch mit dem Künstler“, in: Neues Wiener Tagblatt 78, 20. März 1913, S. 10); o.N.: „Girardi im Film“, in: Österreichischer Komet 6/152 (1913), S. 8 u. 37; o.N.: „Der Girardi-Film. Alexander Girardi’s Erfahrungen als Filmdarsteller. Was Girardi einem Mitarbeiter der ‚Kinematographischen Rundschau‘ erzählt“, in: Kinematographische Rundschau 7/270 (1913), S. 27 u. 30; Hubert Marischka: „Wie der Girardifilm zustande kam“, in: Kinematographische Rundschau 7/275 (1913), S. 21; o.N.: „Der Girardi-Film“, in: Österreichischer Komet 6/173 (1913), S. 51; Hubert Marischka: „Girardis Film und Denkmal“, in: Die Bühne 3/76 (1926), S. 1f. 62 O.N.: „Die Schaffung eines Kinematographischen Archivs“, S. 5.

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persönlichkeiten – und nicht etwa „Hinz und Kunz“ – dem kulturellen Gedächtnis erhalten bleiben. Neben den drei erörterten Motiven für die Mitwirkung bei kinematografischen Aufnahmen – finanzielle Erwägungen, künstlerische Weiterentwicklung, Archivierung schauspielerischer Leistungen – fehlt auf den ersten Blick ein weiteres Motiv: die Werbewirkung bzw. die Erweiterung des Bekanntheitsgrades. An dieser Stelle muss jedoch bedacht werden, dass das Kino in den 1910er Jahren, wie eingangs erwähnt, kein gutes Image hatte. Der Film war noch nicht als seriöse Kunstform anerkannt und wurde in Theaterkreisen als wirtschaftliche Konkurrenz sowie als Bedrohung der bestehenden Verhältnisse wahrgenommen. Vor allem für etablierte BühnenschauspielerInnen war es daher eine wichtige Karriereentscheidung, ob sie bei Filmaufnahmen mitwirken sollten oder nicht. Denn die Angst, das Filmengagement könnte sich in beruflicher Hinsicht negativ auswirken und zum Verlust des Theaterengagements führen, war durchaus berechtigt, wie der nächste Abschnitt zeigen wird.

3.3 WIDERSTAND GEGEN DIE NEBENTÄTIGKEIT ALS KINODARSTELLER Aufgrund der fortschreitenden Entwicklung der Kinematografie und der Kunstfilm-Bestrebungen der 1910er Jahre wurde das Kino zunehmend als Konkurrent des Theaters wahrgenommen. Immer weniger erinnerte an die Jahrmarktsattraktion, die der Film noch zu Beginn des Jahrhunderts gewesen war. Auch in sprachlicher Hinsicht wurde die Nähe zum Theater immer offensichtlicher: Kinotheater wurden errichtet, Filmdramen inszeniert und KinoschauspielerInnen engagiert. Mit der Theatralisierung des Kinos reagierte die Filmbranche auf die zunehmende Kritik an der vermeintlich fehlenden Qualität der bisher produzierten Filme. Die Euphorie über den technischen Fortschritt war längst der Forderung nach der künstlerischen Aufwertung des Kinos gewichen, die mithilfe von theatererfahrenen KünstlerInnen umgesetzt werden sollte. Immer öfter waren in der Filmfachpresse Meldungen und Inserate zu finden, die die Mitwirkung von erstrangigen Theaterkräften ankündigten und anpriesen. Besonders lokale Berühmtheiten wurden darin hervorgehoben und mit ihrem Namen sowie ihrer Bühnenzugehörigkeit beworben. Die Reaktion der Theaterdirektoren und Fachverbände, die die Theateralisierung des Kinos als Bedrohung wahrnahmen, ließ nicht lange auf sich warten und äußerte sich in Gegenmaßnahmen, die in der Filmbranche auf Kritik stießen. Die drastischsten diesbezüglichen Maßnahmen waren Verbote hinsichtlich der Mit-

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wirkung von BühnendarstellerInnen bei kinematografischen Aufnahmen, die sogenannten Filmverbote. Besonders die Filmtätigkeit von in Engagements befindlichen DarstellerInnen erboste Theaterleiter und Bühnenvereine in Österreich und Deutschland gleichermaßen.63 Unter dem Vorwand, die ästhetischen Ansprüche und ökonomischen Interessen des Theaters wahren zu wollen, gingen sie hart gegen ihre Mitglieder vor. Bei Verstoß gegen die teils vertraglich festgehaltenen Verbote drohte die fristlose Entlassung bzw. der Ausschluss aus dem Bühnenverein, wodurch eine weitere Tätigkeit als SchauspielerIn deutlich erschwert wurde. Dass sich die Filmverbote, die auch einen Versuch der Theaterdirektoren darstellten, ihre frühere, weitestgehend uneingeschränkte Machtposition wiederherzustellen, existenzbedrohend auf die darstellerischen Kräfte auswirken konnten, darauf verwiesen besonders die Fachzeitschriften. Im Rahmen der Filmverbotsdebatte lassen sich daher zahlreiche Beiträge finden, die die Betätigung von TheaterschauspielerInnen als FilmdarstellerInnen in materieller und rechtlicher Hinsicht thematisierten. Auffällig an diesen Beiträgen ist, dass häufig auf Kurznachrichten und Feuilletons aus den Tageszeitungen reagiert wurde, die in der Regel eine kinofeindliche Haltung einnahmen. Die Filmfachpresse musste sich deshalb nicht nur gegen die kinogegnerischen Tendenzen der Wiener Theaterbranche, sondern auch gegen jene der Tagespresse wehren. Die folgenden Kapitel versuchen darum die Argumente gegen den als Kinodarsteller nebenberuflich tätigen Bühnenkünstler, die von Theaterdirektoren und Fachverbänden im Rahmen der österreichischen Kino-Debatte gleichermaßen angeführt wurden, darzulegen und durch exemplarische Zitate zu veranschaulichen. Zudem sollen die Ursachen und Konsequenzen der Wiener Filmverbote von 1912, 1913 und 1918 im Detail erörtert werden. 3.3.1 Der filmende Bühnenkünstler „Eine unerhörte Affäre“ titelte die Kinematographische Rundschau am 14. Jänner 1912 und initiierte damit eine Reihe von kritischen Beiträgen zur emotional

63 Zur Situation in Deutschland vlg. Helmut H. Diederichs: Frühgeschichte deutscher Filmtheorie. Ihre Entstehung und Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg. Habil., Goethe-Universität, Frankfurt a.M., 1996, S. 40–48; fhdo.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2002/ 6/pdf/fruefilm.pdf, 10.06.2014; Hickethier: „Schauspieler zwischen Theater und Kino in der Stummfilmzeit“, S. 13–15.

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geführten Filmverbotsdebatte in den österreichischen Stummfilmzeitschriften.64 Ausgelöst wurde diese vom damaligen Direktor des Deutschen Volkstheaters, Adolf Weisse (1857–1933), der seinen SchauspielerInnen die Mitwirkung bei Filmaufnahmen, vor allem bei der benachbarten Wiener Kunstfilm, untersagt hatte. Bis ins Jahr 1913 finden sich regelmäßig Artikel und Notizen, die sich mit den Motiven für die Wiener Filmverbote sowie den Argumenten für und wider die Teilnahme an Filmaufnahmen auseinandersetzten. Danach ebbte die Debatte in der Fachpresse ab, da aufgrund des Erstens Weltkriegs zentralere Themen im Vordergrund standen. Erst im Spätsommer 1918 wurde sie wieder aufgenommen, als der letzte k.u.k. Generalintendant der k.k. Hoftheater, Leopold Freiherr von Andrian-Werburg (1875–1951), die Erneuerung des Filmverbots für seine Mitglieder erwogen haben soll. Geht man die umfangreichen und ergiebigen Beiträge zur Filmverbotsdebatte durch, so kann man zwei grundlegende Argumente gegen die Mitwirkung von SchauspielerInnen an Filmprojekten erkennen: die ökonomische Schädigung des Theaters und die Beeinträchtigung der künstlerischen Leistung. Zu Ersterem nahm u.a. der ehemalige Direktor des Hofburgtheaters, Max Burckhard (1854– 1912), im Februar 1912 Stellung.65 Seiner Meinung nach erwachse dem Theater nicht durch das Kino, sondern durch die filmenden SchauspielerInnen selbst eine ernstzunehmende Gefahr. Denn Letztere seien durch ihre Verträge eigentlich dazu verpflichtet, sich nicht an anderen künstlerischen Darstellungen in derselben Stadt zu beteiligen. Durch die Mitwirkung an kinematografischen Aufnahmen, die in der Folge an vielen Orten gleichzeitig vorgeführt werden könnten – auch in unmittelbarer Nähe zu einer Bühne –, werde ein Schauspieler nicht nur vertragsbrüchig, sondern füge dem Theater ebenso einen wirtschaftlichen Schaden zu. Deshalb folgerte Burckhard, dass man den SchauspielerInnen den Nebenerwerb zwar gönnen wolle, der Theaterfreund es aber nicht zulassen könne, dass jene Bühnenmitglieder mit Filmengagements die Existenz der Theaterbetriebe in Gefahr brächten. Darum liege es im Interesse der TheaterschauspielerInnen, sich den Haupterwerb nicht durch ihren Nebenerwerb zu gefährden oder gar zu zerstören.66

64 Vgl. o.N.: „Eine unerhörte Affäre. Verbot der Mitwirkung der Schauspieler des deutschen Volkstheaters an kinematographischen Darstellungen“, in: Kinematographische Rundschau 6/201 (1912), S. 8. 65 Vgl. o.N.: „Hofrat Burckhard über den Kinematographen“, in: Österreichischer Komet 5/92 (1912), S. 5f. (Orig.: Max Burckhard: „Kinematographen und Theater“, in: Pester Lloyd 36, 11. Februar 1912, S. [1]–3). 66 Vgl. ebd, S. 6.

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In welcher Form einzelne SchauspielerInnen den Theaterbetrieb durch ihre parallele Arbeit für Theater und Film „gefährdeten“, kann man einer Stellungnahme aus dem Jahr 1918 entnehmen, die vom damaligen Direktor des Deutschen Volkstheaters und der Kammerspiele, Alfred Bernau (1879–1950), stammte: „Ich bin davon überzeugt, daß die Mitwirkung von Schauspielern, die an ein Theater engagiert sind, bei Filmunternehmungen für den Theaterbetrieb nachteilig und gefährlich ist. Die Schauspieler kommen zu spät zu den Proben, erscheinen oft gar nicht, und so manche plötzliche Krankheitserscheinung ist auf das Konto der anstrengenden Mitarbeit bei den Filmunternehmungen zu buchen, wobei natürlich die Erkrankung bloß vorgeschützt wird, um die Probe zu ersparen.“

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Neben der Störung des Theateralltags durch das Zuspätkommen und Nichterscheinen der filmenden BühnenkünstlerInnen betonte Bernau auch, dass deren künstlerische Arbeit unter der parallelen Tätigkeit für Bühne und Film leide. Die Qualität der darstellerischen Leistung und damit die Qualität der Vorstellung würden zurückgehen, da die SchauspielerInnen ihre Aufmerksamkeit nicht mehr voll und ganz der Bühne widmen könnten.68 Ähnlich sah das auch eine nicht näher benannte Wiener Theaterpersönlichkeit, deren Kommentar ebenfalls 1918 in der Filmwoche veröffentlicht wurde.69 Demzufolge bestehe der größte Schaden für die Bühnenmitglieder darin, dass das Filmen „eine gewisse Manieriertheit und Steifheit in den Bewegungen“ erzeuge, was auf der Bühne unnatürlich wirke. Darüber hinaus hätten durch die kinematografischen Aufnahmen viele jedwede Ambition für ihren eigentlichen Beruf verloren. So falle ihnen besonders das Lernen der Rollen zunehmend zur Last, da man beim Kino „ohne geistige Anstrengung“ weit mehr verdienen könne als beim Theater. Ebenso lasse das Probenverhalten zu wünschen übrig. Wie Bernau beschrieb auch der anonyme Autor, dass zahlreiche SchauspielerInnen

67 O.N.: „Das Filmen der Schauspieler“, in: Der Filmbote 1/7 (1918), S. 3f., hier S. 3 (Orig.: „Theaterdirektoren und Kinoschauspieler. Zur Frage der Mitwirkung von Bühnenkräften im Film“, in: Fremden-Blatt 251, 15. September 1918, S. 10). Im selben Artikel äußerte sich auch Emil Geyer (1872–1942), Direktor der Neuen Wiener Bühne, ähnlich zur Frage bezüglich der Doppelbelastung der SchauspielerInnen durch ihre parallele Tätigkeit für Bühne und Film. 68 Vgl. ebd. 69 Vgl. o.N.: „Bühnenkünstler als Filmdarsteller“, in: Die Filmwoche 6/276 (1918), S. 4 u. 20, hier S. 4 (Bez.: nicht eruierbar).

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sich Krankheitsatteste ausstellen lassen würden, um den Theaterproben fernbleiben zu können.70 Außerdem würden sie Theaterproben als „quantité négligeable“ betrachten, wodurch Zugverspätungen bereits üblich geworden seien: „[...] manchmal kam es sogar vor, daß Bühnenkünstler Vorstellungen versäumten, weil sie nicht rechtzeitig vom Filmen nach Wien zurückkehren konnten.“71 Laut der Fachpresse waren die genannten wirtschaftlichen und künstlerischen Nachteile nur vorgeschoben, um die tatsächlichen Gründe für die Filmverbote zu verschleiern. Denn weder die Störung des Theateralltags aufgrund von Verspätungen oder Absagen noch das unkonzentrierte und angeblich unästhetische Spiel sollen die Hauptmotive gewesen sein, um TheaterschauspielerInnen einer wichtigen Nebenerwerbsquelle zu berauben. Vermutet wurde vielmehr, dass die Theaterdirektoren die finanziellen Einbußen durch die ökonomischen Erfolge der Kinos eindämmen wollten.72 Zudem dürfte auch die Einschränkung der Machtposition der Theaterdirektoren ein Grund für das rigorose Vorgehen gegen die filmenden Mitglieder der Wiener Bühnen gewesen sein. Bis zur Etablierung des Kinos Anfang des 20. Jahrhunderts genossen die Theaterleiter eine (aufgrund fehlender Gesetze) weitestgehend uneingeschränkte Machtstellung. Gestützt auf Verträge, die SchauspielerInnen mehr Pflichten auferlegten als Rechte einräumten, konnten die Direktoren über das künstlerische Personal jederzeit und willkürlich verfügen. Das sollte sich jedoch mit der Erweiterung des Betätigungsfeldes ändern, wie Emil Leyde (1879–unbek.), Geschäftsführer der Österreichischen KinofilmIndustrie, im Filmboten ausführte: „Solange es noch keinen kinematographischen Film gab, hatten die Bühnenleiter ihre beschauliche Ruhe, denn es war nichts da, das ihren Unternehmungen im allgemeinen ernste Konkurrenz bot; und sie hatten auch unumschränkte Macht über ihre Schauspieler, die an die Tätigkeit bei einer Bühne gebunden waren. Die Schauspieler hatten keine andere Betätigung als die auf der Bühne. Mit einem Male aber änderte sich dieses Idyll, als der Film sich der darstellerischen Kunst zuwandte. Den Schauspielern erwuchs ein neues Betätigungsfeld, das ihnen nicht nur materielle Erfolge versprach, sondern ihnen auch, wie es sich in der Folge zeigte, künstlerische Entwicklungsmöglichkeiten bot. Sie waren mit ei-

70 Ebd. 71 Ebd. 72 Vgl. o.N. [F.]: „Ein Kampf mit Geistern“, in: Österreichischer Komet 5/88 (1912), S. 5f., hier S. 6 (Orig.: anonyme bzw. anonymisierte Zuschrift aus dem Leserkreis).

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nem Male nicht mehr vom Theater abhängig. Und das ist wohl der Zweig, an dem der Zankapfel wuchs . . .“

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Die von den Kinogegnern angeführten Argumente hinsichtlich der Schädigung der Theater auf wirtschaftlicher und künstlerischer Ebene wurden darum von den Fachzeitschriften vehement zurückgewiesen. Zum Beispiel stellte man dem Argument der ästhetischen Beeinträchtigung der DarstellerInnen die Erweiterung und Verbesserung der darstellerischen Fähigkeiten gegenüber. Im Rahmen der Filmverbotsdebatte wurde der Film, wie schon im vorigen Abschnitt gezeigt werden konnte, einmal mehr als Schule der Ausdrucksfähigkeit präsentiert, die den SchauspielerInnen Mängel in Bezug auf Mimik, Gestik und Bewegung wie ein Spiegel vorhalte. Das Theater könne demnach von den kinematografischen Erfahrungen bzw. von einer verfeinerten, ruhigeren Spielweise der SchauspielerInnen profitieren (vgl. Kapitel 5.2.1).74 Auch in ökonomischer Hinsicht, so ein weiteres Gegenargument, nütze die Mitwirkung bei Filmaufnahmen den Theatern mehr, als sie schade. Denn der „Auftritt“ vor der Kamera trage einerseits zur Erweiterung des Bekanntheitsgrades der mitwirkenden Personen bei und bringe andererseits die Kunst der Wiener Bühnen einem breiteren Publikum näher, das sich sonst keinen Theaterbesuch leisten könne. Kino galt den Befürwortern somit als „Geschmacksveredlung“ der nicht bürgerlichen, künstlerisch ungebildeten Gesellschaftschichten. 75 In der Folge begann man in den Fachzeitschriften deshalb auch das künstlerische Niveau der Wiener Sprechbühnen zu hinterfragen. An der ökonomischen Krise des Theaters seien demnach nicht die Kinos schuld, die den Theatern das Publikum wegnähmen, sondern die Theater selbst hätten die Verantwortung dafür zu tragen. Schlechte Stücke zu teuren Preisen, die von mittelmäßigen SchauspielerIn-

73 O.N.: „Die Filmverbotabsichten der Theaterleiter“, in: Der Filmbote 1/6 (1918), S. 4– 6, hier S. 5 (Orig.: Zuschrift von Emil Leyde). Im Text wird Leyde als Leiter bzw. Direktor der Leyka-Film bezeichnet. Bei der genannten Filmfabrik dürfte es sich um eine Tochterfirma der Österreichischen Kinofilm-Industrie gehandelt haben. Vgl. Anton Thaller: „Emil Leyde – Regisseur, Autor, Produzent, Erfinder“, in: Das tägliche Brennen. Eine Geschichte des österreichischen Films von den Anfängen bis 1945, [hg. von] Elisabeth Büttner und Christian Dewald. Salzburg, Wien: Residenz, 2002, S. 76f., hier S. 76. 74 Vgl. auch o.N.: „Die Filmverbotabsichten der Theaterleiter“, S. 5; o.N.: „Filmdarsteller und Theaterdirektoren“, in: Der Filmbote 1/2 (1918), S. [5]–7, hier S. [5] (Bez.: nicht eruierbar). 75 O.N. [F.]: „Ein Kampf mit Geistern“, S. 6.

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nen aufgeführt würden, seien der Hauptgrund für das Ausbleiben des Publikums.76 Das zentrale Argument gegen die Filmverbote blieb aber sowohl 1912/13 als auch 1918 die materielle Schädigung des Schauspielerstandes. Vor allem DarstellerInnen zweiter und dritter Ränge sowie KomparsInnen waren davon betroffen, da sie die Filmverbote einer wichtigen Nebenerwerbsquelle beraubten. Die Filmwoche brachte die Situation treffend auf den Punkt: „Die Schauspieler, die, wenn sie nicht Stars oder an den Hofbühnen engagiert sind, beim Theater oft wahre Hungergagen beziehen, folgen natürlich gerne der Lockung, für eine Woche Filmens das zu verdienen, was ihnen der Theaterdirektor bestenfalls als Monatsgage bezahlt.“77 Gerade in Kriegszeiten war der Film zum existenziellen Rettungsanker geworden. Im Filmboten fragte man sich 1918 deshalb, was die vielen engagementlosen SchauspielerInnen ohne den Film machen sollten bzw. welcher Beschäftigung sie ohne Filmerlaubnis nachgehen könnten: „Sollen die von ihnen so schlecht bezahlten Mitglieder [...] etwa Lebensmittelgeschäfte machen, um nebenbei zu verdienen? Oder sollen sie als Gepäckträger an den Bahnhöfen aushelfen oder die eingerückten Theaterarbeiter ersetzen?“78 Das Einzige, das der gegnerischen Seite zugestanden wurde, war das Problem der Überlappungen von Theaterproben/-aufführungen und Filmaufnahmen. Man war sich einig, dass der Schauspieler, der seine Probenverpflichtungen verschweige und dann zu den angesetzten Filmaufnahmen nicht erscheine, dem Film genauso schade, wie jener Schauspieler der Bühne einen Schaden zufüge,

76 Nicht nur in den Filmzeitschriften, sondern auch in den Tageszeitungen machte man sich Gedanken über die Krise des Theaters bzw. die Erfolgsgründe des Kinos. Vgl. u.a. o.N.: „Die öffentliche Kino-Diskussion. Allerlei Preßstimmen“, in: Kinematographische Rundschau 6/202 (1912), S. 4–8 (Orig.: Ludwig Bauer: „Das gefährliche Kino“, in: Prager Tagblatt 13, 14. Jänner 1912, S. [1]f.; o.N.: „Das Kino“, in: Fremden-Blatt 12, 14. Jänner 1912, S. 9; F[ranz] A[rnberger]: „Die Gefahren der Kinos!“, in: Neuigkeits-Welt-Blatt 10, 14. Jänner 1912, S. 3; o.N.: „Theater und Kinounternehmung. Ein interessanter Zwist“, in: Österreichische Volks-Zeitung 12, 14. Jänner 1912, S. 3); o.N.: „Für und wider das Kino“, in: Österreichischer Komet 5/88 (1912), S. 6–8 (Orig.: „Theater und Kinounternehmung. Ein interessanter Zwist“, in: Österreichische Volks-Zeitung 12, 14. Jänner 1912, S. 3; Bez.: Raoul Auernheimer: „Die Kinomode“, in: Neue Freie Presse 17023, 14. Jänner 1912, S. [1]–3). 77 O.N.: „Bühnenkünstler als Filmdarsteller“, S. 20. 78 O.N.: „Filmdarsteller und Theaterdirektoren“, S. 6.

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der sich krank melde, aber in Wahrheit filme.79 Im Filmboten wurde 1918 deshalb folgender Vorschlag gemacht: „Wenn die Wiener Bühnenleiter sich herbeilassen wollten, mit den Filmfabrikanten Hand in Hand zu arbeiten, in der Art vielleicht, daß die Filmfabrikanten von den Theatersekretariaten verständigt würden, welche Schauspieler zur Zeit beschäftigt und welche probenfrei sind und eventuell für die Mitwirkung beim Film engagiert werden können, so wäre allen geholfen: den Schauspielern, den Filmfabrikanten und nicht zuletzt den Theaterdirektoren.“

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Nach 1918/19 klang die Filmverbotsdebatte in den österreichischen Filmfachzeitschriften weitestgehend ab. Der Grund ist vermutlich darin zu sehen, dass sich der Beruf des Stummfilmschauspielers bis zur Mitte der 1920er Jahre zum Mode- und Traumberuf entwickelte hatte (vgl. Kernkapitel 6), der sowohl für Laien als auch für professionelle SchauspielerInnen attraktiv geworden war. Durch die zunehmende Akzeptanz des neuen Mediums, das sich ebenso in der Mitwirkung ehemaliger Kinogegner beim Film ausdrückte, wurden Filmverbote, speziell jene, die auf ästhetischen Bedenken beruhten, zunehmend obsolet.81 3.3.2 Die Filmverbotsabsichten der Wiener Theaterdirektoren Zur Jahreswende 1911/12 begann die Wiener Kunstfilm-Industrie Ges.m.b.H. ihren ersten Kunstfilm zu bewerben. Dabei versäumte es die Filmfirma nicht, die mitwirkenden Theatergrößen Wiens besonders hervorzuheben. Anfang Jänner 1912 lautete ein doppelseitiges Inserat zur Bewerbung des Films DER UNBEKANNTE zum Beispiel so: „Am 9. Februar 1912 [sic!] erscheint das erste von der Wiener Kunstfilm-Industrie Gesellschaft m. b. H. Wien von heimischen Künstlern aufgenommene [und] von dem preisgekrönten österreichischen Bühnenschriftsteller Dr. Oscar Bendiener (Verfasser „Der Strecke“) selbst nach seinem an in- und ausländischen Bühnen vielgespielten gleichnamigen Einakter für den Kinematographen bearbeitete Mimodrama ‚Der Unbekannte‘ in 52 Bildern. Die weibliche Hauptrolle spielt die von ihrer langjährigen künstlerischen Tä-

79 Vgl. o.N.: „Das Filmen der Schauspieler“, S. 4. 80 O.N.: „Die Filmverbotabsichten der Theaterleiter“, S. 6. Vgl. auch o.N.: „Das Filmen der Schauspieler“, S. 4. 81 Die Filmverbote wurden nicht nur obsolet, sondern gerieten der Filmwoche zufolge auch in Vergessenheit. Vgl. o.N.: „Bühnenkünstler als Filmdarsteller“, S. 20.

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tigkeit [...] so bekannte [G]räfin [C]laire Wolff Metternich Wallentin. Die übrigen Hauptrollen stellen Frau Eugenie Bernay, die Herren [Viktor] Kutschera, [Hans] Lackner vom Deutschen Volkstheater und Herr [Karl] Blasel, der Senior der Wiener Komiker[,] dar. Auch die kleineren Episodenrollen sind sämtlich mit hervorragenden Kräften des Deutschen Volkstheaters besetzt.“

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Die zunehmende Affinität des (Kunst-)Films gegenüber dem Theater, die sich in diesem und ähnlichen Werbetexten durch die Auflistung lokal berühmter Bühnenautoren, -regisseure und -schauspielerInnen äußerte, stieß seitens der Wiener Theaterdirektoren jedoch auf Ablehnung, wie die Filmverbotsbestrebungen veranschaulichen. Den Anfang machte Adolf Weisse, von 1905 bis 1916 Direktor des Deutschen Volkstheaters, der die Mitwirkung seiner Mitglieder an Filmprojekten der Wiener Kunstfilm für „standeswidrig“ hielt und ihnen diese folglich untersagte.83 Weisses Beschluss stand damit am Beginn einer lebhaft und emotional geführten Filmverbotsdebatte. Markus Nepf, der sich mit der Geschichte der Wiener Kunstfilm bis 1914 befasst hat, bemerkt dazu: „Die gegensätzlichen Standpunkte lagen schon länger in der Luft. Durch die Affäre wurde aber erstmals die gesamte Öffentlichkeit miteinbezogen, und von nun an wurde dieser Streit Theater contra Film zu einer heftigen, öffentlichen und medialen Diskussion.“84

82 [Wiener Kunstfilm-Industrie]: „Der Unbekannte“, in: Kinematographische Rundschau 6/200 (1912), S. 20f. 83 Eine diesbezügliche Anweisung von Direktor Weisse konnte in den Akten des Deutschen Volkstheaters nicht gefunden werden (vgl. Abschnitt 8.3). Allerdings fand sich ein Hinweis auf die tatsächliche Existenz des Verbotes in den Akten des Obersthofmeisteramtes. In einem Schreiben von Hans Gregor, dem damaligen Direktor der k.k. Hofoper, vom 06.12.1913, in dem er von seinen Gesprächen mit deutschen Theaterleitern zum Thema Filmverbot berichtete, findet sich eine Passage zur Situation der österreichischen Bühnen. Dort heißt es, dass der Direktor des Deutschen Volkstheaters, Adolf Weisse, „bekanntlich in Wien der erste war, der seinen Mitgliedern rigoros die Filmbetätigung untersagte“. Vgl. ÖStA, HHStA, HA, OmeA, 2038, 19/21 (1913), 2294: Berichte betreffend die Teilnahme von Mitgliedern der k.k. Hoftheater an Aufnahmen für Kinematographentheater. 84 Markus Nepf: „Die ersten Filmpioniere in Österreich. Die Aufbauarbeit von Anton Kolm, Louise Veltée/Kolm/Fleck und Jakob Fleck bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs“, in: Elektrische Schatten, hg. von Bono, Caneppele und Krenn, 1999, S. 11– 36, hier S. 26. Vgl. auch ders.: Die Pionierarbeit von Anton Kolm, Louise Veltée/Kolm/Fleck und Jakob Fleck bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Ein Beitrag zur

96 | Schauspielen im Stummfilm

In Bezug auf das Verbot von 1912 ist den Fachzeitschriften zu entnehmen, dass Direktor Weisse primär künstlerische Einwände gegen die Mitwirkung bei kinematografischen Aufnahmen gehabt hatte. Die Kinematographische Rundschau vom 14. Jänner 1912 fasste die Motive des Theaterleiters folgendermaßen zusammen: „Direktor Weisse erklärte nämlich, daß durch die Mitwirkung seiner Kräfte an kinematographischen Darstellungen der künstlerische Kredit seiner Bühnenmitglieder beeinträchtigt werde, indem man ihre Namen an allen Straßenecken unter Schauerdramen liest. Das stumme Agieren für einen Kinofilm sei mit dem Prestige eines Künstlers nicht vereinbar, besonders in Wien, wo die soziale Position des Schauspielers, die Rolle, die er in der Gesellschaft spielt, eine bedeutend höhere als im Auslande (!) ist.“

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Vermutet wurde jedoch, dass anstelle künstlerischer Beweggründe der „heilige Geldsack“86 bzw. die Konkurrenzängste des Direktors im Vordergrund stünden. Eine Erklärung seitens der Kanzlei des Deutschen Volkstheaters vom März 1912 scheint diese Vermutung zu bestätigen.87 Denn darin heißt es, dass die Wiener Kunstfilm die Aufführung des Mimodramas DER UNBEKANNTE im Jänner 1912 angekündigt habe, woraufhin Direktor Weisse, der die ausschließlichen Aufführungsrechte für Wien seit 1908 besitze, sich veranlasst gesehen habe, zu erklären, „daß er die Vorführung auf kinematographischem Wege in Wien in jeder Form und Gestalt verbiete“88. Dennoch habe die Wiener Kunstfilm dem Kinobesitzer Gustav Münstedt das Monopol zur Aufführung übertragen, weshalb sich Adolf Weisse die Beschlagnahmung der Filme vorbehalten habe. Um einen größeren wirtschaftlichen Schaden von sich selbst, den Leihanstalten und den Kinotheatern abzuhalten, habe Herr Münstedt sich schließlich verpflichtet, 1000 Kro-

Geschichte der österreichischen Kinematographie. Dipl., Universität Wien, 1991, S. 85–104. 85 O.N.: „Eine unerhörte Affäre“, S. 8. 86 O.N.: „Der standeswidrige Kinematograph“, in: Österreichischer Komet 5/88 (1912), S. [3]f., hier S. [3]. 87 Vgl. o.N.: „Eine Erklärung des Direktors Weisse vom Deutschen Volkstheater“, in: Österreichischer Komet 5/96 (1912), S. 6 – „Der Kampf um den ‚Unbekannten‘“, in: Kinematographische Rundschau 6/210 (1912), S. 9f. Zur Quellenlage vgl. Abschnitt 8.3. 88 Ebd., S. 9.

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nen in den Fonds für die Theaterbediensteten des Deutschen Volkstheaters einzuzahlen und die dem Direktor entstandenen Kosten zu begleichen.89 Dass sich Direktor Weisse aber vor allem auch in seiner Machtposition als Theaterleiter bedroht sah, zeigt die öffentliche Stellungnahme der Wiener Kunstfilm,90 ebenfalls vom 14. Jänner 1912, in der es zur Motivation Weisses’ heißt: „Direktor Weisse begründete das Verbot damit, daß seine Einwilligung nicht vorher eingeholt worden sei, daß die Mitwirkung seiner Künstler bei einem kinematographischen Unternehmen ihm standeswidrig erscheine und daß er nicht dazu die Hand bieten wolle, 91

sich selbst Konkurrenz zu machen.“

Die Wiener Kunstfilm konterte, dass die Gründe unhaltbar seien. Zum einen sei es nicht die Schuld der Gesellschaft gewesen, dass die SchauspielerInnen ihre Meldepflicht vernachlässigt hätten; zum anderen seien erstrangige Bühnenkräfte in ganz Europa für den Film tätig. Darüber hinaus sei es auch vom juristischen Standpunkt aus nicht möglich, dass ein Theaterdirektor seinen Mitgliedern die Nebentätigkeit beim Film, „welche vielen von ihnen, namentlich den schlechtbezahlten Kleineren ein beträchtliches Nebeneinkommen sichert“92, zu verbieten. Ebenso wies die Wiener Kunstfilm die Konkurrenzbefürchtungen von sich, da selbst in Wien Filmfabriken kein Novum mehr seien und sich viele Wiener Künstler sowohl in den Dienst des Kinematographen stellen würden als auch für Grammophonaufnahmen zur Verfügung stünden. Zuletzt hoffte die Wiener Kunstfilm, dass sich eine baldige Lösung finden lasse: „Es geht doch nicht an, gerade dem ersten österreichischen Filmerzeugungsunternehmen, das Geld unter die Leute bringt, einheimischen Autoren, Darstellern u.s.w. einen lohnenden Nebenerwerb zukommen läßt und das seine Bemühungen zur Hebung des Genres so ernst anfaßt, daß es sich zunächst der Mitwirkung des Schriftstellers Artur [sic!] Schnitzler und eines Burgtheater-Ensembles unter Führung der Herren Thimig und Zeska versi93

cherte, prinzipielle Schwierigkeiten zu bereiten.“

89 Vgl. ebd. 90 Vgl. [Wiener Kunstfilm-Industrie]: „Erklärung“, in: Österreichischer Komet 5/87 (1912), S. 18 – „Der Unbekannte“, in: Kinematographische Rundschau 6/201 (1912), S. 22f. 91 Ebd., S. 22. 92 Ebd. 93 Ebd, S. 23.

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Sollte man sich nicht einigen können, so heißt es weiter, werde die Wiener Kunstfilm auch ohne die DarstellerInnen des Deutschen Volkstheaters weiterarbeiten bzw. ihre Bestrebungen, qualitätsvolle Filme österreichischer Herkunft zu produzieren, umsetzen können.94 Was diese und andere Erwiderungen zum Filmverbot Direktor Weisses gemeinsam haben, ist, dass sie sich der Unterstützung des Bühnenvereins sicher waren.95 Wie das nächste Kapitel zeigen wird, sollte sich dies allerdings als Irrtum herausstellen. Gemeinsamkeiten lassen sich darüber hinaus aber auch in Bezug auf die Argumente gegen das Filmverbot feststellen. Besonders die erfolgreiche Filmtätigkeit international berühmter Theatergrößen, wie Sarah Bernhardt (vgl. Kapitel 3.1.3), wurde immer wieder angeführt, um zu beweisen, dass die Mitwirkung bei kinematografischen Aufnahmen den SchauspielerInnen keinerlei Schaden zufüge. Im Österreichischen Kometen bemerkte man diesbezüglich zum Beispiel: „Von den bedeutendsten Bühnenmitgliedern, die einen Weltruf haben, bis hinunter zu kleineren Kräften hat sich alles in den Dienst der Kinematographie gestellt. Sind die Künstler der Comédie Française, welche für die Firma Pathé Frères arbeiten, vielleicht weniger wie der Herr Lackner oder der Herr Kutschera vom Volkstheater, die man hinter der Reichsbrücke kaum mehr kennt, ohne ihrer Begabung nahezutreten? Oder aber steht die Duse hinter der Frau Galafr[é]s etwa zurück? Sie treten alle in kinematographischen Vorführungen auf und haben sich künstlerisch nicht entwertet.“

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Zudem argumentierten die Filmverbotsgegner, dass sich schon ganz andere Persönlichkeiten als die Stars der Bühne für Filmaufnahmen zur Verfügung gestellt hätten. Denn sowohl die österreichische Kaiserfamilie als auch der deutsche Kaiser hatten sich wiederholt filmen lassen. Darum fragte man sich im Österreichischen Kometen: „Ist also die Kinematographie nicht schon von höherer Stelle sanktioniert als von Herrn Weisse und seinen Künstlern?“97

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Vgl. ebd.

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Vgl. ebd.; o.N.: „Der standeswidrige Kinematograph“, S. 4.

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O.N.: „Der standeswidrige Kinematograph“, S. [3].

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Ebd., S. 4. Der als fortschrittsskeptisch geltende Kaiser Franz Joseph I. ließ sich mehrmals bei offiziellen und privaten Anlässen filmen, wie dem Kaisermanöver in Mähren (1909), der Enthüllung des Kaiser-Jagdstandbild-Denkmals in Bad Ischl (1910) oder der Vermählung seines Großneffen, Erzherzog Karl Franz Joseph, in Schwarzau (1911). Der letzte „Auftritt“ des Kaisers erfolgte posthum in DIE TRAUERFEIERLICHKEITEN FÜR WEILAND SR. MAJESTÄT KAISER FRANZ JOSEPH

3. Die Kinematografie als zusätzliches Betätigungsfeld | 99

Doch trotz aller Einwände gegen Weisses Filmverbot98 blieben die Fronten verhärtet,99 was die erstmalige Vorführung des UNBEKANNTEN am 15. März 1912 aber nicht verhindern konnte. Der Kinematographischen Rundschau zufolge war der Film bereits bei der Probevorführung ein großer Erfolg gewesen. Denn abgesehen von einigen wenigen inhaltlichen und technischen Mängeln, die man beanstandete, wurden sowohl die literarische Bedeutung als auch die darstellerischen Leistungen lobend hervorgehoben.100 In den darauffolgenden Monaten ebbte die von Direktor Weisse ausgelöste und in den österreichischen Stummfilmzeitschriften heftig geführte Filmverbotsdebatte deutlich ab. Während sich ein Jahr zuvor der Kampf Theater vs. Kino an der Mitwirkung der SchauspielerInnen bei Filmaufnahmen entfacht hatte, ließ das Filmverbot für die Mitglieder des Hofburgtheaters die Fachpresse 1913 nur wenig aufhorchen. Auch der österreichische Filmwissenschaftler Günter Krenn, der sich mit dem ambivalenten Verhältnis von frühem Film und Wiener Burgtheater auseinandergesetzt hat, zitiert diesbezüglich nur einen einzigen Beitrag aus der Kinematographischen Rundschau.101 Allerdings handelt es sich dabei um ein doppelseitiges Inserat der Wiener Kunstfilm, die damit ihren neuesten, soeben fertiggestellten Film JOHANN STRAUSS AN DER SCHÖNEN BLAUEN DONAU (1913) bewarb.102 Fast beiläufig wurde zum Schluss des Werbetextes erwähnt, dass der Hofburgschauspieler Carl von Zeska (1862–1938), Regisseur und Hauptdarsteller des Films, vom Obersthofmeisteramt eine Sondererlaubnis für seine Teilnahme erhalten habe:

(Sascha-Meßter, 1916). Vgl. Robert von Dassanowsky: Austrian Cinema. A History. Jefferson, London: McFarland, 2005, S. 7, 9, 10f. u. 21; Fritz: Im Kino erlebe ich die Welt, S. 48f. 98

Über die genannten Argumente hinausgehende Einwände gegen das Filmverbot Direktor Weisses glichen jenen, die auch im Rahmen der allgemeinen Filmverbotsdebatten diskutiert worden waren (vgl. Kapitel 3.3.1).

99

Vgl. o.N.: „Herr Weisse auf dem Kriegspfade“, in: Österreichischer Komet 5/89 (1912), S. 7.

100 Vgl. o.N.: „Der Unbekannte“, in: Kinematographische Rundschau 6/206 (1912), S. 8f. 101 Vgl. Günter Krenn: „... aus dem Geiste des Theaters? Der frühe Film und das Burgtheater“, in: Maske und Kothurn 50/2 (2004), S. 105–119, hier S. 115f. 102 Vgl. [Wiener Kunstfilm-Industrie]: „Johann Strauss [sic!] an der schönen, blauen Donau“, in: Kinematographische Rundschau 7/282 (1913), S. 38f.

100 | Schauspielen im Stummfilm

„Karl v. Zeska vom Wiener Burgtheater wurde mit der Regie und Inszenierung betraut. Fürst Montenuovo hatte allen Mitgliedern des Burgtheaters ohne Ausnahme die Teilnahme an Filmwerken untersagt, doch mit besonderem Dekret des Obersthofmeisteramtes vom 31. Mai d. J. wurde es Herrn v. Zeska gestattet, den Johann Strauß in dem Film gleichen Namens zu spielen.“

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Das erwähnte Dekret des Obersthofmeisteramtes vom 31. Mai 1913 konnte in den Akten der Hofarchive nicht gefunden werden, aber aus den Akten der k.u.k. Generalintendanz der k.k. Hoftheater geht hervor, dass Zeskas Mitwirkung beim Johann-Strauß-Film – allerdings erst im Juni 1913 – bewilligt worden war, und zwar mit der Bedingung, dass er 400 Kronen an das Pensions-Institut des Hofburgtheaters zu entrichten habe. Zeska selbst hatte die „hohe k.u.k. GeneralIntendanz“ in handschriftlichen Briefen mehrmals nachdrücklich um die Genehmigung für diesen „Ausnahmsfall“ gebeten.104 Die Bewilligung dürfte aber deshalb auf sich warten haben lassen, weil zwischenzeitlich (im Mai/Juni 1913) die Mitwirkung von Hoftheatermitgliedern zwischen Obersthofmeister Alfred Fürst von Montenuovo, Generalintendant Viktor Horsetzky Edler von Hornthal und den Hoftheaterdirektoren, Hugo Thimig (Hofburgtheater) und Hans Gregor (Hofoper) diskutiert worden war.105 Hugo Thimig (1854–1944) war der Meinung, dass ein Filmverbot nicht ohne Weiteres einführbar sei, da man hinsichtlich der alten Verträge eine neue Norm nicht so einfach zu Recht erklären könne. Jenen Mitgliedern des Hofburgtheaters, mit denen bereits Verträge abgeschlossen worden seien, könne man daher nicht untersagen, in ihren freien Stunden die „neuzeitliche Erfindung“ als Einnahmequelle zu nützen. Dies sei auch deshalb nicht möglich, da die rechtliche Lage immer noch unklar sei bzw. es noch zu klären gebe, ob Kinovorführungen „theatralische Veranstaltungen“ seien und damit eine Mitwirkung der HofburgschauspielerInnen einer Regelverletzung gleichkomme. Unabhängig davon, so Thimig, sei es aber legitim, einen Filmverbotspassus in die neu abzuschließenden Verträge aufzunehmen, eventuell mit der Auflage, dem Pensions-Verein eine „Mitwirkungstaxe“ zu zahlen.106

103 Ebd., S. 39. 104 Vgl. ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 369 (1913), 2252: Direktion des Hofburgtheaters betreffend das Ansuchen des Hofschauspielers Karl von Zeska um Bewilligung für [k]inomatographische Aufnahmen zu Gunsten des Johann Strauss-Denkmales. 105 Vgl. ÖStA, HHStA, HA, OmeA, 2038, 19/21 (1913), 2294. 106 Vgl. ebd.; ÖStA, HHStA, HA, Burg, 202 (1913), 615: Bericht der k.u.k. Direktion des k.k. Hofburgtheaters an die k.u.k. General-Intendanz der k.k. Hoftheater betref-

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Hans Gregor (1866–1945), Direktor der Hofoper, vertrat einen gegensätzlichen Standpunkt. Ihm zufolge würden die derzeitigen Verträge ein Verbot erlauben, das nur durch eine (Sonder-)Genehmigung der Direktion gelockert werden könne. Gregor begründete seinen Standpunkt damit, dass das Kino, das eine „öffentliche, künstlerische Betätigung“ sei, eine wirtschaftliche und künstlerische Bedrohung für die Existenz der Bühnen darstelle. So sei das künstlerische Niveau des Films „kaum höher als das der Varietébühnen“, wo Mitglieder der Hofoper auch nicht auftreten dürften.107 Die Ergebnisse der Stellungnahmen der Hoftheaterdirektoren teilte Generalintendant Horsetzky dem Obersthofmeisteramt am 3. Juni 1913 schriftlich mit und erklärte, dass er keinem der Vorschläge voll zustimmen könne. Es dürfe weder ein volles Verbot noch eine Freigabe ohne Beschränkung geben. Horsetzky empfahl daher, dass einerseits die Bewilligung der Generalintendanz hinsichtlich der Mitwirkung bei kinematografischen Aufnahmen einzuholen, andererseits eine Taxe (10% des Honorars) zu bezahlen sein solle.108 Die Lösung der Filmverbotsdebatte innerhalb der Hoftheater sah schließlich vor, dass, wie Hugo Thimig vorgeschlagen hatte, die Mitwirkung nicht ausdrücklich verboten werden sollte, „soferne vertraglich keine besondere Vereinbarung darüber getroffen“ worden war.109 Implizit bedeutete dies, dass das Filmverbot nur in neuen Verträgen Eingang fand. Ensemblemitglieder mit bereits abgeschlossenen Verträgen durften sich zwar grundsätzlich an Filmaufnahmen beteiligen, allerdings sollte von Fall zu Fall entschieden werden, ob eine Erlaubnis erteilt werden könne. Dazu heißt es in einem Rundschreiben an die Mitglieder des Hofburgtheaters vom 18. Juni 1914: „Die Mitwirkung von Mitgliedern des k.k. Hofburgtheaters an kinematographischen Aufführungen bleibt [...] von einer fallweise zu erwirkenden Bewilligung abhängig, die nur in solchen Fällen erteilt werden wird, wenn durch dieselbe weder eine Schädigung der Theater im Allgemeinen noch des k.k. Hofburgtheaters im Besonderen zu gewärtigen ist. Die k.u.k. Hoftheater-Behörden behalten sich die Festsetzung der Bedingungen, unter denen

fend die Beteiligung von Mitgliedern des Hofburgtheaters an den Kinematographentheatern. 107 ÖStA, HHStA, HA, OmeA, 2038, 19/21 (1913), 2294. 108 Vgl. ebd. 109 ÖStA, HHStA, HA, Burg, 202 (1913), 848: Rundschreiben von der k.u.k. Direktion des k.k. Hofburgtheaters an die Mitglieder des k.k. Hofburgtheaters betreffend die Bestimmungen für die Mitwirkung an kinematographischen Aufführungen.

102 | Schauspielen im Stummfilm

sich ein Mitglied des k.k. Hofburgtheaters gegebenen Falls an derlei Aufführungen betei110

ligen darf, für jeden einzelnen Fall vor.“

Dass sich die „Hoftheater-Behörden“ Restriktionen in Bezug auf die Mitwirkung der Hoftheatermitglieder bei Filmaufnahmen vorbehielten, hatte wohl auch mit dem Disziplinarverfahren und der sofortigen Entlassung Ida Orloffs im September 1913 zu tun.111 Detaillierte Informationen dazu finden sich in der Dissertation von Helga Terharen112 und den entsprechenden Hoftheaterakten. Terharen zufolge brachte Ida Orloff (1889–1945), „eines der unkonventionellsten Mitglieder des Hofburgtheaters“113, der Filmverbotsdebatte einen neuen Anstoß durch ein Zeitungsinterview, in dem sie nicht nur über ihre Mitwirkung beim Film sprach, sondern sich auch zum damals üblichen Filmverbot äußerte.114 Das Neue Wiener Journal druckte dieses Interview am 2. September 1913 ab und offenbarte damit, was Orloff scheinbar unbekümmert in Berlin dem Korrespondenten der Zeitung, Ernst Friedegg (1879–unbek.), erzählt hatte: Sie habe schon in zwei Filmen mitgewirkt, jedoch ohne die Erlaubnis der Burgtheaterdirektion und des Fürsten Montenuovo einzuholen. Denn solch eine Erlaubnis wäre ihr ohnehin nicht erteilt worden, da sie bisher allen KollegInnen verweigert worden sei. Zudem enthalte ihr Vertrag kein Filmverbot,115 es sei ihr lediglich das Auftreten an anderen

110 Ebd. 111 Vgl. ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 372 (1913), 3286: Direktion des Hofburgtheaters betreffend den in der Tageszeitung Neues Wiener Journal am 2. September 1913 veröffentlichten Artikel „Ida Orloff über [das] Burgtheater“ und Einleitung der Disziplinar-Verhandlung; ÖStA, HHStA, HA, Burg, 202 (1913), 905: Sofortige Entlassung der Frau Ida Orloff aus dem Verbande des Hofburgtheaters. 112 Vgl. Terharen: Von der Schmierenkomödiantin zur Hofschauspielerin, S. 322–326. Vgl. auch Eva Bakos: Wilde Wienerinnen. Leben zwischen Tabu und Freiheit. Wien: Ueberreuter, 1999, S. 45–47; Margit Silber: Obersthofmeister Alfred Fürst von Montenuovo. Höfische Geschichte in den beiden letzten Jahrzehnten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1896–1916). Diss., Universität Wien, 1991, S. 235f.; Gertrude Srncik: Die Burgtheater-Direktion Hugo Thimig’s. Diss., Universität Wien, 1949, S. I–XI. 113 Terharen: Von der Schmierenkomödiantin zur Hofschauspielerin, S. 322. 114 Vgl. [Ernst Friedegg]: „Ida Orloff über das Burgtheater. Ein Gespräch“, in: Neues Wiener Journal 7134, 2. September 1913, S. 2. 115 In einer Richtigstellung vom 05.09.1913 betonte Orloff nochmals ausdrücklich, dass ihr Vertrag kein Filmverbot enthalte und eine Sondergenehmigung seitens der Generalintendanz daher nicht notwendig gewesen sei. Vgl. o.N.: „Ida Orloff über das

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Wiener Bühnen untersagt. Würde man ihr aber die Filmtätigkeit von rechtlicher Seite aus verbieten, dann müsse man auch die HofopernsängerInnen darin hindern, in ein Grammophon zu singen. Generell sei es den HofburgschauspielerInnen in Wien, im Gegensatz zu Berlin, nur deshalb noch immer nicht erlaubt, beim Film mitzuwirken, weil man in Wien „in allen Dingen etwas rückständig“ sei.116 Im Laufe des Interviews beging Ida Orloff außerdem den Fauxpas, den damaligen Direktor des Hofburgtheaters, Hugo Thimig, zu beleidigen, indem sie seine Durchsetzungskraft anzweifelte. Er sei zu lange selbst Schauspieler gewesen, „als daß er den Kollegen plötzlich ein zielbewußter, energischer Chef sein“ könne.117 Dieser Fehltritt endete für Ida Orloff mit einer fristlosen Entlassung,118 was laut Helga Terharen einer auch für das Hofburgtheater ungewöhnlichen „apodiktische[n] Härte“ gleichkam.119 Ida Orloff ließ sich das Vorgehen seitens der Burgtheaterdirektion aber nicht ohne Weiteres gefallen und klagte auf Auszahlung der Gage, die ihr noch bis zum Ablauf des Vertrages zugestanden hätte. Das Hofburgtheater ließ sich schließlich, nachdem die Abweisung der Klage vom 22.12.1913 im April 1914 aufgrund der klägerischen Berufung aufgehoben worden war, auf eine „gütliche Austragung“ ein.120 Die „Affäre Orloff“ dürfte den Beschluss der Hoftheater-Behörden bestärkt haben, den Richtlinien des Deutschen Bühnenvereins folgend,121 den bisher feh-

Burgtheater“, in: Neues Wiener Journal 7137, 5. September 1913, S. 6 (Orig.: Zuschrift von Ida Orloff). 116 [Friedegg]: „Ida Orloff über das Burgtheater. Ein Gespräch“, S. 2. 117 Ebd. 118 Vgl. ÖStA, HHStA, HA, Burg, 202 (1913), 905. 119 Terharen: Von der Schmierenkomödiantin zur Hofschauspielerin, S. 325. 120 Vgl. Silber: Obersthofmeister Alfred Fürst von Montenuovo, S. 236; ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 374 (1913), 4754: Klage von Ida Satter-Orloff wider das k.k. Hofärar auf Feststellung des Bestandes eines Vertrages; ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 380 (1914), 1405: Klage von Ida Satter-Orloff wider das k.k. Hofärar auf Feststellung des Bestandes eines Vertrages [Urteil und Vergleich]. 121 Vgl. Terharen: Von der Schmierenkomödiantin zur Hofschauspielerin, S. 325; o.N.: „Wien. (Der deutsche Bühnenverein und die Filmdarstellung)“, in: Die Filmwoche 1/27 (1913), S. 16 (Orig.: nicht eruierbar): „Wie seinerseits berichtet wurde, hat der Deutsche Bühnenverein in seiner im Mai dieses Jahres stattgehabten Generalversammlung den Beschluß gefaßt, daß die Leiter der Vereinsbühnen [dazu gehörten auch die Hoftheater, A.D.] von nun ab in den Engagementsverträgen den Bühnenmitgliedern sowohl die Inszenierung von Filmaufnahmen wie die Mitwirkung an

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lenden Filmverbotspassus in die neuen Verträge aufzunehmen bzw. die Mitwirkung von Hoftheatermitgliedern „von einer fallweise zu erwirkenden Bewilligung abhängig“ zu machen.122 Direktor Thimig war sich dessen bewusst, dass die alten Verträge kaum Möglichkeiten boten, gegen die Mitwirkung der Bühnenmitglieder rechtlich vorzugehen, und forcierte darum die Aufnahme eines expliziten Filmverbots in neu abzuschließenden Verträgen. Wie Kapitel 3.3.4 zeigen wird, konnte nur so die Mitwirkung des darstellenden Personals rechtswirksam unterbunden werden. Implizite Verbote, die nur die öffentliche künstlerische Betätigung an einer anderwärtigen Bühne untersagten, ließen zu viel Spielraum für Interpretationen zugunsten der SchauspielerInnen. Der explizite Filmverbotspassus in den neuen Verträgen des Hofburgtheaters123 kann deshalb als Wiederherstellung der ursprünglichen Machtverhältnisse verstanden werden. Es oblag nun der Generalintendanz und der Direktion, in bestimmten Fällen Sondergenehmigungen zu erteilen, wie dies im Fall von Carl von Zeska bereits geschehen war. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs verstummte die Filmverbotsdebatte schließlich weitestgehend, andere tagespolitische Themen standen nun im Vordergrund. Erst kurz vor Kriegsende 1918 flammte in den österreichischen Stummfilmperiodika eine neuerliche Debatte auf. Anlass war der angebliche „Wunsch“ des neuen k.u.k. Generalintendanten der k.k. Hoftheater, Leopold Freiherr von Andrian-Werburg, die Mitglieder der Hofbühnen mögen ihre Mitwirkung bei Filmaufnahmen „einschränken“.124 Die Neue Kino-Rundschau in-

solchen als Darsteller untersagen werden.“ Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt. 122 ÖStA, HHStA, HA, Burg, 202 (1913), 848. 123 Warum es ein solches Filmverbot seitens der Burgtheaterleitung allerdings erst 1913 gab, bleibt fraglich. Schließlich hatte man im Rahmen der Delegierten-Konferenz des Österreichischen Bühnenvereins im Jänner 1912 und der Enquete über das Kinematographenwesen im April 1912 bereits die Filmtätigkeit von engagierten Bühnenkräften unterbunden bzw. eingeschränkt (vgl. Kapitel 3.3.3). Möglicherweise waren die Vorgaben des Deutschen Bühnenvereins vom Mai 1913 hinsichtlich der Mitwirkung von TheaterschauspielerInnen für die Hoftheater bindender, zumal der Deutsche Bühnenverein ein Zusammenschluss von Theaterleitern war. Der Österreichische Bühnenverein vertrat hingegen die SchauspielerInnen. 124 O.N.: „Der neue Generalintendant und das Kino“, in: Neue Kino-Rundschau 2/77 (1918), S. [3]; o.N.: „Baron Andrian und das Kino“, in: Neue Kino-Rundschau 2/81 (1918), S. [3]f.

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terpretierte, als Branchenorgan der österreichischen Kinobesitzer, diese Meldung als Erneuerung des Filmverbots: „Der neue Generalintendant der Hoftheater, Baron Andrian-Wehrburg [sic!], ist ein überaus fixer Herr. Er hat nicht nur schon sein compositum mixtum einer Burgtheaterdirektion unter Dach und Fach gebracht, sondern auch Zeit gefunden, sich als Kinogegner zu deklarieren. [...] er hat [...] – nach einer vertrauenswürdigen Zeitungsnachricht – den darstellenden Mitgliedern der Hofbühnen nahegelegt, ihre Mitwirkung bei Filmaufnahmen einzuschränken. Wir brauchen nicht besonders zu betonen, daß, wenn der Herr Generalinten125

dant ‚einschränken‘ sagt, die Schauspieler ‚einstellen‘ verstehen.“

Weiters heißt es in der Neuen Kino-Rundschau vom 24. August 1918: Man dürfe die HofschauspielerInnen dem Film nicht vorenthalten, da dies nicht nur eine schwere materielle Schädigung der Bühnenmitglieder, sondern auch eine künstlerische Benachteiligung der „breiten Masse“ bedeute. So entziehe man dem Kleingewerbetreibenden, dem „Kommis“ (kaufmännischer Angestellter), der Modistin, dem Bürofräulein und den Arbeitern, die sich einen Besuch in den Hoftheatern weder zeitlich noch finanziell leisten könnten, die Möglichkeit, ihr Kunstempfinden zu formen. Darüber hinaus sei ein neuerliches Filmverbot auch für die Kinos von Nachteil, da es „die Veredlung des [österreichischen] Films“ beeinträchtigen werde.126 Der Leitartikel endete daher mit folgender Bitte: „Im Interesse der Kunst, im Interesse der Künstler und vor allem im Interesse des Kunstbedürfnisses des Volkes bitten wir den Herrn Generalintendanten, seinen Wunsch nach Einschränkung der Filmdarstellung durch Hoftheatermitglieder zurückzunehmen.“127 Die Bitte wurde erhört, wenn auch nicht in der Form, wie es sich die Kinobesitzer gewünscht hatten. In ihrer Ausgabe vom 21. September 1918 erlaubte sich die Neue Kino-Rundschau darum einen Scherz, indem sie dem Abdruck der Mitteilung aus der Kanzlei des Hofburgtheaters einen fiktiven Brief des Generalintendanten voranstellte.128 Dieser ist nicht nur um einiges länger, sondern zeigt auch volles Verständnis für die Situation der HofburgschauspielerInnen. Dass es

125 O.N.: „Der neue Generalintendant und das Kino“, S. [3] (Bez.: O.N.: „Der neue Generalintendant der Hoftheater“, in: Wiener Sonn- und Montags-Zeitung 31, 12. August 1918, S. 6). 126 Ebd. 127 Ebd. 128 Vgl. o.N.: „Baron Andrian und das Kino“, S. [3].

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sich dabei um ein Falsifikat handelt, wird zum Schluss durch eine theaterkritische Bemerkung und die Wiedergabe der Kanzleimitteilung aufgelöst: „Das alles hat der Herr Generalintendant nicht gesagt! Wer hätte auch in Österreich solche Worte erwartet, selbst von einem Generalintendanten, der die Leitung des Burgtheaters auf eine so demokratische Basis gestellt hat, wie Baron Andrian-Wehrburg [sic!]. Tatsächlich hat der Herr Generalintendant den Mitgliedern der Hofbühnen die Mitwirkung bei Filmaufnahmen freigestellt. Die Kanzlei des Burgtheaters teilt darüber offiziell mit: Baron Andrian kennt die ökonomische Wichtigkeit, die die Betätigung im Film für die Schauspieler bedeutet[,] und es liegt seinen Intentionen fern, die Verdienstmöglichkeiten 129

der Schauspieler des Burgtheaters irgendwie einschränken zu wollen.“

Zwar konnte die von der Neuen Kino-Rundschau zitierte Mitteilung bisher nicht eruiert werden, aber der Inhalt dürfte glaubwürdig sein. Immerhin erlaubte Andrian-Werburg im September 1918 Mitgliedern des k.k. Hofburgtheaters in einem „patriotisch-dynastischen Propagandafilm“ mitzuwirken.130 Die Bewilligung des neuen Generalintendanten lässt auch den Schluss zu, dass ein erneutes Filmverbot nicht notwendig gewesen wäre, da die Bestimmungen von 1913 bzw. die Bewilligungspflicht offenbar noch gültig waren. Das beweisen auch andere Dokumente, wie z.B. die Aufforderung der Generalintendanz vom 1. Mai 1918 an die Direktion des Hofburgtheaters, die rückständigen „Mitwirkungstaxen“ zu urgieren. In dem genannten Schreiben heißt es dazu u.a.: „Insolange diese Mitwirkungstaxen nicht erlegt sind[,] können keine weiteren Bewilligungen zur Mitwirkung bei Filmaufnahmen erteilt werden und wird sonach auch den vorgelegten Gesuchen [...] um Erteilung der Bewilligung zum Filmen vorläufig keine Folge gegeben.“131 Ebenso zeugen die neuen Vertragsabschlüsse, wie jener mit Tilly Kutschera (1890–1920) im Juni 1918, davon, dass das Filmverbot noch Bestand hatte:

129 Ebd. Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt. 130 ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 422 (1918), 3831: Leopold Freiherr von AndrianWerburg, k.u.k. Generalintendant der k.k. Hoftheater, gestattet den Mitgliedern des k.k. Hofburgtheaters, Lily Marberg und Alma Seidler, die Mitwirkung im Propagandafilm MARIA THERESIA [Star-Film, 1918/19]. 131 ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 419 (1918), 1916: Neuerliche Urgenz der rückständigen Mitwirkungstaxen aus dem Jahre 1916, 1917 und 1918 bei der Direktion des Hofburgtheaters. Die zitierte Stelle enthält auch die im Akt handschriftlich hinzugefügten Ergänzungen und Änderungen.

3. Die Kinematografie als zusätzliches Betätigungsfeld | 107

„Fräulein Tilly Kutschera darf keine für öffentliche Vorführungen bestimmte Filmaufnahmen inszenieren, auch nicht bei einer solchen als Darstellerin mitwirken. Im Falle der Zuwiderhandlung ist die Direktion des Hofburgtheaters berechtigt, diesen Vertrag sofort ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen und nur verpflichtet, Fräulein Tilly Kutschera die bis zum Entlassungstage verdienten Bezüge zu zahlen. Ausgenommen hievon ist die Beteiligung an einer Filmaufnahme, zu der sich Fräulein Tilly Kutschera 132

durch einen vor dem 15. Mai 1913 abgeschlossenen Vertrage verpflichtet hat.“

Auch wenn die beiden letztgenannten Akten vor Andrian-Werburgs Amtszeit (Juli bis November 1918) entstanden waren, können diese belegen, dass es eigentlich keine Notwendigkeit gab, ein neuerliches oder verschärftes Filmverbot ins Leben zu rufen. Vielleicht fiel darum auch die Berichterstattung bezüglich der „Bitte“ Andrian-Werburgs im Vergleich zur Grundsatzdebatte, die das Filmverbot von Direktor Weisse im Jahr 1912 ausgelöst hatte, eher knapp aus. Zudem war der viel gepriesene „Siegeszug des Films“ Ende der 1910er Jahre nicht mehr aufzuhalten, vor allem nicht durch ein Verbot oder die Einschränkung der Mitwirkung von Bühnenmitgliedern bei kinematografischen Aufnahmen. Dies war vielen Autoren schon 1912 bewusst gewesen. Trotzdem stellte sich der Österreichische Bühnenverein, die Vertretung der österreichischen Schauspielerschaft, die jahrelang für die Besserstellung seiner Mitglieder gegenüber den Theaterdirektoren gekämpft hatte, überraschend auf die Seite der Theaterdirektoren, um gemeinsam gegen die Gefahr der Kinos zu kämpfen. Oskar Bendiener (1870–1940), Autor von DER UNBEKANNTE, kommentierte diesen Umstand deshalb mit den Worten: „Daß sich der Direktor einer ersten Wiener Bühne dagegen wehrt, seine Künstler der bitter empfundenen Kinokonkurrenz dienstbar zu machen, das war [...] noch zu begreifen. [...] Schwerer ist schon zu verstehen, [was] sich im Österreichischen Bühnenverein als Nachhall von Weisses famosem Veto begeben hat.“133 3.3.3 Der Österreichische Bühnenverein als Kinogegner Anfang Februar 1913 findet sich im Österreichischen Kometen und in der Kinematographischen Rundschau dieselbe bedeutsame Notiz mit dem Titel „Bolz-

132 ÖStA, HHStA, HA, Burg, 222 (1918), 264: Neuer Vertragsabschluss zwischen dem k.k. Hofburgtheater und der Schauspielerin Tilly Kutschera. 133 Oskar Bendiener: „Theater und Kino. Eine Entgegnung von Dr. Oskar Bendiener“, in: Das Welttheater 1/1 (1912), S. 9f., hier S. 9.

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Feigl im Kinofilm“.134 Gemeint war Alfons Bolz-Feigl (1870–1928), der Begründer des Österreichischen Bühnenvereins, der 1893 erstmals die österreichischen SchauspielerInnen vereinigen konnte, um gegen die weitestgehend prekären Arbeitsverhältnisse im Theater und gegen die Willkür der Direktoren zu kämpfen.135 In einer Rezension zu Bolz-Feigls Autobiografie Erlebnisse eines Schmierenkomödianten136 wurde sein Lebensweg deshalb folgendermaßen skizziert: „Es ist die Geschichte eines Wanderkomödianten, [...] der in dem unaufhörlichen Drange für die soziale Hebung seines Standes zu wirken, den Kampf gegen alles aufnimmt, was sich ihm als ‚Autorität‘ in den Wege stellt.“137 Mithilfe des Bühnenvereins nahm Bolz-Feigl allerdings auch den Kampf gegen das Kino auf und stand dadurch erstmals aufseiten der Theaterdirektoren. Umso erstaunlicher war die Kurzmeldung in den eingangs erwähnten Fachzeitschriften: „Der Begründer des österreichischen Bühnenvereins, Herr Bolz[-]Feigl, welcher während der Kinoenquete nicht genug wettern und zetern konnte und sich als ein unversöhnlicher Gegner der Kinos erklärte, hatte es mit seiner Gegnerschaft nicht so ernst gemeint; denn gar bald gelang es der Sascha-Filmfabrik, Herrn Bolz[-]Feigl, davon zu überzeugen, daß das Kinotheater auch seine guten Seiten hat. Er ließ sich überreden, in einem Sketch mitzuspielen. Das Verdienst, welches sich die genannte österreichische Filmfabrik durch die Bekehrung dieses einstigen Gegners erworben hat, wird doch allen Kinobesitzern klar sein und kann bei der einflußreichen Stellung, die der Organisator der österreichischen Schauspielerschaft besitzt, der Kinematographie nur zu großem Nutzen gereichen. Es ist jedenfalls freudigst zu begrüßen, daß die Kino-Industrie wieder einen neuen Freund gewonnen hat, und zwar gerade in jenen Kreisen, in welchen sich ihre zahlreichsten Gegner befinden.“

138

134 Vgl. o.N.: „Bolz[-]Feigl im Kinofilm“, in: Österreichischer Komet 6/143 (1913), S. 6 – Kinematographische Rundschau 7/257 (1913), S. 16. 135 Vgl. Felix Noske: „Der Werdegang des Oesterreichischen Bühnenvereins“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 20/7 (1913), S. [6]–12, hier S. [6]. 136 Vgl. Alfons Bolz-Feigl: Erlebnisse eines „Schmierenkomödianten“. Wien: Knepler, 1913. 137 O.N. [e-r.]: „Erlebnisse eines Schmierenkomödianten“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 20/30 (1913), S. [3]f., hier S. [3]. 138 O.N.: „Bolz[-]Feigl im Kinofilm“, S. 16. 1915 revidierte Bolz-Feigl seine kinofeindliche Haltung auch selbst: „Gottlob, die Zeit, wo der Glaube verbreitet war, daß das Kino das Theater und vice versa das Theater das Kino umbringt, ist vorüber. Auch ich war einst dieser irrigen Ansicht.“ Vgl. Alfons Bolz-Feigl: „Filmfabrikation in

3. Die Kinematografie als zusätzliches Betätigungsfeld | 109

Dass Alfons Bolz-Feigl 1913 bei einem Film (DIE FEUERPROBE) mitwirken und 1919 sogar zum Vizepräsidenten des Verbandes der österreichischen Filmdarsteller werden sollte (vgl. Kapitel 6.3.1), das war 1912 noch nicht absehbar. Mehrmals zeigten sich in diesem Jahr die kinogegnerischen Tendenzen des Bühnenvereins. Sowohl in der Delegierten-Konferenz am 25. und 26. Jänner als auch auf der Enquete zur Regelung des Kinematographenwesens, die vom 16. bis zum 18. April stattfand, vertrat der Bühnenverein den Standpunkt, dass die SchauspielerInnen selbst zugunsten des wirtschaftlichen Überlebens der Theater und ihrer engagementlosen KollegInnen von der Tätigkeit als FilmdarstellerInnen absehen sollten. In der 18. ordentlichen Generalversammlung des Österreichischen Bühnenvereins (Delegierten-Konferenz) stellte der Delegierte Eckhardt vom Theater in der Josefstadt diesbezüglich den Dringlichkeitsantrag, die Mittel zur Bekämpfung der Kinos zu debattieren.139 Seiner Meinung nach könne man das Überhandnehmen der Kinematographentheater nur eindämmen, indem „sich die im Engagement befindlichen Schauspieler im Interesse der engagementlosen verpflichten [würden], nicht bei Kinovorstellungen mitzuwirken.“140 Dabei ging es ihm vor allem darum, dass das Kino den Theatern die erstrangigen Kräfte abspenstig mache anstatt sich der „ausrangierten Kräfte des Tespiskarren“141 zu bedienen. Aus eigener Erfahrung wisse er, dass die schlechten Schauspieler glänzende Kinodarsteller seien, man also die großen Talente gar nicht für den Film benötige.142 Der von Eckhardt gestellte Antrag wurde in der Folge lebhaft und ausführlich diskutiert, wie die zehn doppelspaltigen Seiten des Protokolls zu nur diesem einen Antrag zeigen. Diskussionsteilnehmer waren u.a. die beiden Vorsitzenden der Delegierten-Konferenz, August Stoll (seit 1904 Präsident des Österreichischen Bühnenvereins) und Ludwig Stärk (Vizepräsident und Gründer des Recht-

Oesterreich. Eine Anregung aus Bühnenkreisen“, in: Kinematographische Rundschau 9/402 (1915), S. 3f. 139 Vgl. [Österreichischer Bühnenverein]: Stenographisches Protokoll der DelegiertenKonferenz des Österreichischen Bühnenvereins abgehalten am 25. und 26. Jänner 1912. Wien: Davis, 1912, S. 68. 140 Ebd, S. 69. 141 O.N.: „Auf der Enquete der Bühnengenossenschaft“, in: Österreichischer Komet 5/89 (1912), S. 7. Das Zitat stammt nicht vom Delegierten Eckhardt selbst, sondern aus einer Notiz über die Verhältnisse in Deutschland. 142 Vgl. [Österreichischer Bühnenverein]: Stenographisches Protokoll der DelegiertenKonferenz, S. 69.

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schutzbüros);143 außerdem Alfons Bolz-Feigl (als Verwaltungsdirektor und Ehrenmitglied), Dr. Paul Klemperer (Vereinsanwalt), Dr. Alfons Fellner (Anwalt des Verbandes österreichischer Theaterdirektoren) sowie die Delegierten Josef Moser (k.k. Hofburgtheater) und Alfred Beierle (Residenzbühne).144 Der letztendlich gefasste Beschluss fiel härter aus als ursprünglich angedacht und lautete dem Protokoll gemäß wie folgt: „‚Die heutige Versammlung erklärt unpräjudizierlich [widerruflich, A.D.] ihrem Rechtsstandpunkte, freiwillig bis auf weiteres es ihren Mitgliedern zur Pflicht zu machen, sich jeder Mitwirkung bei Kinoaufnahmen zu enthalten und macht es ihren Mitgliedern bei sonstigem Ausschlusse zur Pflicht, diesen Beschluß einzuhalten.‘ (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)“

145

Der Beschluss, der nun alle Mitglieder des Bühnenvereins betraf, wurde unter großem Beifall und mit nur einer Gegenstimme angenommen.146 Diese Gegenstimme kam von Alfred Beierle, Delegierter der Wiener Residenzbühne, der in der Presse Stellung zu seiner kinofreundlichen Position nahm.147 Laut Beierle wirke sich der Beschluss des Bühnenvereins in künstlerischer und materieller Hinsicht nachteilig auf die SchauspielerInnen aus. Beierle betonte zunächst die erzieherische Kraft des Kinematografen, die eine Verbesserung der darstellerischen Leistung bewirken könne, und erklärte anschließend, dass der Ausschluss aus dem Bühnenverein für den Schauspieler gleichbedeutend mit dauerhafter Arbeitslosigkeit sei. Denn vor nicht allzu langer Zeit sei den Theaterdirektoren in einem mühseligen Kampf das Versprechen abgerungen worden, ausschließlich organisierte Bühnenkräfte zu engagieren. Das Paradoxe der Situation hob Beierle deshalb mit folgenden drastischen Worten hervor:

143 Vgl. Noske: „Der Werdegang des Oesterreichischen Bühnenvereins“, S. 8 u. 10. 144 Vgl. [Österreichischer Bühnenverein]: Stenographisches Protokoll der DelegiertenKonferenz, n.pag. [Präsenzliste] sowie S. 68–77. 145 Ebd., S. 77. Der Antrag wurde von Dr. Fellner, Anwalt des Direktorenverbandes, formuliert. 146 Vgl. ebd. 147 Vgl. Alfred Beierle: „Der Bühnenverein und das Kino“, in: Kinematographische Rundschau 6/204 (1912), S. 7f. (Orig.: Fremden-Blatt 26, 28. Jänner 1912, S. 13f.).

3. Die Kinematografie als zusätzliches Betätigungsfeld | 111

„Ihr habt heute, meine lieben Kollegen, etwas beschlossen, was den Schauspieler in seiner Erwerbsmöglichkeit einengt. Die Nielsens, Lindners [sic!], Waldens und Clewings durften die Riesenhonorare einstreichen, tausend arme Schlucker dürfen es nicht. Bei Strafe der Exkommunikation! Die Delegierten-Versammlung hat einen unsozialen Beschluß gefaßt. Sie, die das Wort ‚sozial‘ in dieser Zeit des Schauspielerelends so oft gebraucht. Sie hat mit diesem Beschlusse ihr Standesgewissen belastet. Sie hat einen Beschluß gefaßt, zum Nutzen der Direktoren, zum Schaden vieler Kollegen. Vielleicht wird manch einer es sich überlegen und lieber freiwillig der Organisation den Rücken kehren, als ein freier Mann vom Kino künstlerisch und materiell Nutzen ziehen, als aus Prinzip einer widersinnigen Disziplin zu dienen. Ihr habt einen schlechten Beschluß gefaßt. Suchet nach einer Form, den Fehler wieder gut zu machen.“

148

Kritik am Beschluss kam auch von Hans Feller, Kinobesitzer aus Karlsbad, dessen Meinung in der Kinematographischen Rundschau eine Woche nach Beierles Ausführungen, am 11. Februar 1912, veröffentlicht wurde. 149 Feller zufolge könne der Beschluss des Österreichischen Bühnenvereins die „angebliche Kinogefahr“ nicht bannen. Konkurrenz erwachse den Theaterdirektoren nicht durch die Tätigkeit der SchauspielerInnen für den Film, sondern durch die billigen Eintrittspreise und die abwechslungsreichen, immer qualitätsvoller werdenden Spielpläne der Kinos. Darüber hinaus sei es der Kinematografie gelungen, ohne österreichische SchauspielerInnen groß zu werden, weshalb sie sich nötigenfalls auch ohne deren Mitwirkung weiterentwickeln könne. Das Filmverbot seitens des Bühnenvereins sei darum der falsche Weg, um den Siegeszug des Films aufzuhalten, und führe nur dazu, dass man die TheaterschauspielerInnen daran hindere, eine weitere Erwerbsquelle auszuschöpfen und ihren Bekanntheitsgrad auszubauen.150 Als Reaktion auf die Kritik an dem weithin als schauspielerfeindlich wahrgenommenen Beschluss der Delegierten-Konferenz sah sich der Verband öster-

148 Ebd., S. 7f. Mit „Nielsens, Linders, Waldens und Clewings“ spielte Beierle auf die Stummfilmstars Asta Nielsen, Max Linder, Harry Walden und Carl Clewing an. 149 Vgl. Hans Feller: „Kino und Bühnenverein“, in: Kinematographische Rundschau 6/205 (1912), S. 9 (Orig.: Zuschrift von Hans Feller jun., Karlsbad, „Lichtspiele“). Die Verfasserangaben lassen vermuten, dass es sich um den Besitzer der Karlsbader Lichtspiele handelt. Laut der Präsenzliste der Delegiertenkonferenz war Hans Feller allerdings nicht bzw. nicht als offizieller Delegierter für Karlsbad anwesend. Vgl. [Österreichischer Bühnenverein]: Stenographisches Protokoll der DelegiertenKonferenz, n.pag. [Präsenzliste]. 150 Vgl. Feller: „Kino und Bühnenverein“, S. 9.

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reichischer Theaterdirektoren veranlasst, in Vertretung seines Anwalts Dr. Alfons Fellner, eine Erklärung abzugeben.151 Dr. Fellner führte vier Punkte an, die den Beschluss rechtfertigen sollten: • Die Aktion des Bühnenvereins richte sich nicht gegen die Kinos im Allgemei-

nen, sondern gegen das Überhandnehmen derselben sowie gegen die sittenverderbenden Tendenzen des Kinodramas im Speziellen. • Die „Abstinenz“ der österreichischen SchauspielerInnen von Filmaufnahmen könne alleine nichts gegen das Kino ausrichten, weshalb weitere Maßnahmen geplant seien. • Die Delegiertenversammlung sei sich vollständig bewusst gewesen, dass das Filmverbot den Entzug einer wichtigen Einnahmequelle für einen Teil ihrer Mitglieder bedeute. • Hinter dem Filmverbot stünden vor allem sittliche Motive. Denn solange man materielle Vorteile aus den Kinos ziehe, könne man nicht gleichzeitig dagegen kämpfen.152 Der Österreichische Komet hielt dagegen, dass Dr. Fellner die Theater über- und die Kinos unterschätze. So gebe es weniger sittenverderbende Tendenzen auf der Leinwand als auf der Bühne zu beobachten. Einer strengen Moralauffassung könne daher, abgesehen von den Hofbühnen, momentan keine der Wiener Bühnen standhalten: „Wenn die Bühnen nicht zu aufgelegten Schweinereien greifen, dann können sie zusperren.“153 Dass der Bühnenverein trotz Gegenstimmen bei seinem Standpunkt blieb, zeigen auch die Berichte zur Kino-Enquete vom April 1912, bei der nicht nur Vertreter der Kinobranche, sondern auch Alfons Bolz-Feigl, Dr. Klemperer und Dr. Fellner als Vertreter des Theaters anwesend waren. Am dritten Tag der Enquete, dem 18. April 1912, wurde erneut danach gefragt, ob SchauspielerInnen die Mitwirkung an kinematografischen Aufnahmen erlaubt werden solle und ob sich Schwierigkeiten daraus ergäben, wenn sie ohne Zustimmung ihrer Direktion filmen würden. Der Österreichische Komet geht auf diesen Tagesordnungspunkt in einem nur sehr kurz gehaltenen Absatz ein, der sämtliche Details offen lässt

151 Vgl. Alfons Fellner: „Schauspieler und Kinotheater“, in: Österreichischer Komet 5/91 (1912), S. 7f. 152 Vgl. ebd., S. 7f. In den (administrativen) Akten des Verbandes, die im Wiener Stadtund Landesarchiv verwahrt werden, war der Originaltext leider nicht zu finden. Vgl. WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 3294/1924. 153 Fellner: „Schauspieler und Kinotheater“, S. 8.

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und den Ausgang in einem Satz zusammenfasst: „Die Vertreter der Schauspieler sprechen sich dagegen aus.“154 Detaillierte Informationen finden sich hingegen in der Kinematographischen Rundschau und in der Österreichischen Bühnenvereins-Zeitung.155 Ihren Beiträgen ist zu entnehmen, dass sich Dr. Klemperer gegen und Dr. Fellner sowie Alfons Bolz-Feigl für ein Filmverbot seitens der Direktion aussprachen: „Dr. Klemperer steht als Anwalt des Oesterreichischen Bühnenvereines auf dem prinzipiellen Standpunkte, daß der Direktor, der in der Mitwirkung des Schauspielers im Kino nur das schädigende Konkurrenzmoment erblicke, kein Recht habe, dem Schauspieler auf Grund der bis jetzt geltenden Verträge das Auftreten für das Kino zu verbieten. Dr. Fellner wiederum, als Anwalt des Direktorenverbandes, verficht den Standpunkt, daß der Direktor dem Schauspieler, der sich auf seiner Bühne das Renommee erworben hat, das Auftreten für das Kino verbieten darf. Experte Bolz-Feigl (Oesterreichischer Bühnenverein) erklärt, obwohl er selbst darstellender Künstler sei, stehe er doch auf dem Standpunkte, der eben gekennzeichnet wurde, nämlich, daß nach dem heute geltenden Vertrage der Schauspieler unbedingt hinsichtlich der Mitwirkung für das Kino an die Zustimmung des Direktors gebunden sei.“

156

Das Filmverbot des Bühnenvereins, das schon vor der Enquete für Aufsehen in Fachkreisen gesorgt hatte, sollte aber noch im selben Jahr gelockert werden. In ihrer Ausgabe vom 10. Juli 1912 druckte die Österreichische Bühnenvereins-

154 O.N.: „Die Enquete über das Kinematographenwesen“, in: Österreichischer Komet 5/101 (1912), S. [2]–8, hier S. 8. Die Frage „Dürfen Schauspieler mitwirken?“ war offenbar nicht mehr Teil des offiziellen Fragebogens der Enquete, in deren Fokus das Kino als geschäftliche Unternehmung stand. Diskussionsschwerpunkte waren daher u.a. die Lizenzvergabe, die Filmzensur, die Programmgestaltung, die technischen Vorschriften und der Kinderschutz. Vgl. o.N.: „Fragebogen für die mündliche Enquete über eine Regelung des Kinematographenwesens im Rahmen der geltenden gesetzlichen Vorschriften“, in: Kinematographische Rundschau 6/216 (1912), S. 9– 11 (Orig.: ÖStA, AVA, Inneres, MdI, Allgemein, Teil 2 A, 2173 (1912), 19167: Stenographisches Protokoll der Enquete über das Kinematographenwesen). 155 Vgl. o.N. [l.]: „Urheberschutz und Kinematographie“, in: Kinematographische Rundschau 6/216 (1912), S. 11f., hier S. 12 (Orig.: ÖStA, AVA, Inneres, MdI, Allgemein, Teil 2 A, 2173 (1912), 19167); o.N.: „Die Kino-Enquete“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/13 (1912), S. 8 (Orig.: ÖStA, AVA, Inneres, MdI, Allgemein, Teil 2 A, 2173 (1912), 19167). 156 O.N. [l.]: „Urheberschutz und Kinematographie“, S. 12.

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Zeitung den Kollektivvertrag, der zwischen dem Verband der österreichischen Theaterdirektoren und dem Österreichischen Bühnenverein vereinbart wurde, ab. In Abschnitt A unter Paragraph 9 zur Konventionalstrafe heißt es: „Für die Mitwirkung bei Kinoaufnahmen wird folgendes vereinbart. Unter der Voraussetzung, daß die Vertragspflichten des Mitgliedes nicht beeinträchtigt werden, ist dasselbe berechtigt, bei Kinoaufnahmen mitzuwirken, und zwar: a) Bei Bezügen bis zu K 500.– inklusive Spielhonorar ohne Zustimmung der Direktion; b) bei Bezügen über K 500.– nur 157

mit Zustimmung der Direktion.“

Man kann davon ausgehen, dass diese neue, kollektivvertraglich festgelegte Bestimmung nur eine geringfügige Lockerung des Beschlusses der DelegiertenKonferenz bedeutete und viele SchauspielerInnen dennoch um Erlaubnis der Direktion bitten mussten, um bei Filmaufnahmen mitwirken zu dürfen. Diese neuerliche Änderung ist aber auch ein Beleg dafür, wie verunsichert die Theatervertreter – trotz ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Kino als Nebenerwerbsquelle – waren. Ein großer Unsicherheitsfaktor bestand besonders darin, dass es neben den bühnen- und vereinsinternen Regelungen keine ausreichenden gesetzlichen Grundlagen gab, die die Mitwirkung von Bühnenmitgliedern bei kinematografischen Aufnahmen eindeutig gestatteten oder untersagten. Das (noch) fehlende Schauspielergesetz bot den österreichischen Juristen daher große Interpretationsspielräume, wie das nächste Kapitel zeigt. 3.3.4 Die Filmverbotsdebatte aus juristischer Perspektive 1912 wurde in den Filmzeitschriften nicht nur über die Sinnhaftigkeit eines Filmverbots für TheaterschauspielerInnen diskutiert, sondern auch nach den rechtlichen Grundlagen eines solchen Verbotes gefragt: „Sind Theaterdirektoren [überhaupt] befugt, ihren Schauspielern die Mitwirkung bei kinematographischen Aufnahmen zu untersagen?“158 Dr. Max Eitelberg, Hof- und Gerichtsad-

157 O.N.: „Vertrag (Kollektiv-Vertrag des Verbandes der österr. Theaterdirektoren und des Oesterr. Bühnenvereines)“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/20 (1912), S. [3]–12, hier S. 6. Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt. Vgl. auch o.N.: „Wie der Bühnenverein das Kino bekämpft“, in: Kinematographische Rundschau 7/261 (1913), S. 57. 158 Max Eitelberg: „Sind Theaterdirektoren befugt, ihren Schauspielern die Mitwirkung bei kinematographischen Aufnahmen zu untersagen?“, in: Das Welttheater 1/3 (1912), S. 4f., hier S. 4.

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vokat in Wien, beantwortete diese Frage im Welttheater vom 1. März 1912, indem er sie verneinte. Ein Schauspieler dürfe über seine freie Zeit nach eigenem Ermessen verfügen und daher auch einer Nebentätigkeit, wie es die Mitwirkung bei Filmaufnahmen sei, nachgehen – allerdings nur, wenn es den Theaterbetrieb nicht beeinträchtige. Sobald jedoch Theaterproben und Filmaufnahmen zeitlich kollidieren würden, die Doppelbelastung sich negativ auf die Qualität der Aufführung auswirke oder es sich um obszöne Aufnahmen handle, habe der Direktor, dem das Recht auf die volle Arbeitskraft seines künstlerischen Personals (laut der jeweils geltenden Verträge) zustehe, die Möglichkeit, einzuschreiten, um so den Ruf und die finanzielle Ertragsfähigkeit seines Theaters zu gewährleisten. Darüber hinaus sei ein Verbot der Mitwirkung bei kinematografischen Aufnahmen aber nicht zu rechtfertigen und als bloße Willkür zu bezeichnen.159 Ebenfalls 1912 veröffentlichte die Österreichische Bühnenvereins-Zeitung, das 1895 erstmals erschienene Branchenorgan der gleichnamigen Interessenvertretung,160 eine Artikelserie, in deren Rahmen Fachleute des Rechtswesens zur Filmverbotsdebatte zu Wort kamen. Gefragt wurde aber nicht nur nach den Rechten der Theaterdirektoren, sondern auch nach den Pflichten der TheaterschauspielerInnen: Durften sich diese ohne Zustimmung ihrer Direktion filmen lassen? Den Anstoß dazu gaben zwei gegensätzliche Beschlüsse innerhalb des Bühnenvereins. Während sich das 1909 gegründete Rechtschutzbüro161 für die Mitwirkung an Filmaufnahmen ohne die Erlaubnis seitens der Direktion aussprach, wurde ein generelles Filmverbot im Rahmen der Delegierten-Konferenz beschlossen.162 Aufgrund dieser unklaren Situation wurde die „Kinofrage“ in der Österreichischen Bühnenvereins-Zeitung nochmals im Detail erörtert. Nachstehend sollen nun die Kernaussagen der einzelnen Beiträge, die im März und April 1912 veröffentlicht wurden, wiedergegeben werden, um die Problematik des Filmverbots auch aus juristischer Perspektive beleuchten zu können. Als Erstes kam Hans Breuer, 1912 Mitglied des Präsidialausschusses der Delegierten-Konferenz des Österreichischen Bühnenvereins, zu Wort, der in einer Sitzung des Rechtschutzbüros eine Rede zur Kinofrage gehalten hatte.163 Seiner

159 Vgl. ebd., S. 4f. 160 Vgl. Noske: „Der Werdegang des Oesterreichischen Bühnenvereins“, S. 7. 161 Vgl. ebd., S. 10. 162 Vgl. o.N.: „Die Kinofrage“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/7 (1912), S. 4. 163 Vgl. Hans Breuer: „[Die Kinofrage]: Rede des Herrn Hans Breuer in der Sitzung des Rechtschutzbureaus vom 22. Jänner 1912. Gutachten zu der Frage: ‚Ist der Schau-

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Meinung nach handle es sich bei der Mitwirkung bei Filmaufnahmen um keine Vertragsverletzung. Denn diese liege nur dann vor, wenn „das Mitglied [...] wider das Verbot des Bühnenvorstandes sich auf einer anderen öffentlichen Bühne, oder auf sonstige Weise vor der Oeffentlichkeit künstlerisch“164 betätige. Breuer zufolge seien Filmaufnahmen aber nicht als öffentlich zu betrachten, da sie in einem kleinen, privaten Rahmen stattfänden. Öffentlichen Charakter habe hingegen die Filmvorführung. Da die Tätigkeit des Schauspielers aber keine übertragbare Kunst sei, d.h. der Film die zuvor im Atelier geleistete künstlerische Darstellung nur reproduziere bzw. der Schauspieler nicht persönlich vor einem Publikum im Kinosaal auftrete, falle die Mitwirkung an kinematografischen Aufnahmen nicht in die Rechtswirksamkeit des zitierten Passus. Dr. Alfons Fellner, Anwalt des Verbandes österreichischer Theaterdirektoren, ging ähnlich wie Hans Breuer vor, indem er die Beantwortung der gestellten Rechtsfrage von der Interpretation des Begriffes „öffentlich“ abhängig machte.165 Laut Fellner stünden die mit SchauspielerInnen gemachten Filmaufnahmen am „Beginn einer Gruppe von Prozessen, deren Endzweck die [öffentliche] Vorführung dramatischer Szenen durch den Kinematographen vor einem Publikum“166 sei. Einwände, die kinematografische Aufnahmen als nicht öffentlich deklarieren würden, ließ er darum nicht gelten. Die spätere Reproduktion einer zuvor aufgenommenen Szene sei nichts anderes als eine öffentliche Aufführung derselben Szene. Fellner ging aber noch einen Schritt weiter und fragte sich, was man unter einer „künstlerischen Betätigung“ zu verstehen habe. Er definierte – eigentlich im Sinne der Befürworter des Kinos – die schauspielerische Tätigkeit vor der Kamera als eine künstlerische Aktivität. Denn die Schauspielkunst sei per definitionem als Pantomime zu verstehen, die auch ohne die ihr zur Verfügung stehenden verbalen Ausdrucksmöglichkeiten eine künstlerische Wirkung erzielen könne. Umgekehrt sei das bloße Sprechen einer Rolle als Rezitation zu bezeichnen, die keinerlei schauspielerischen Ansprüchen genügen müsse. Deshalb schlussfolgerte Fellner: „Es ist [...] dem Wortlaute entsprechend ein Schau-

spieler berechtigt, bei kinomatographischen Aufnahmen mitzuwirken, ohne damit seine Vertragspflichten dem Direktor gegenüber zu verletzen?‘“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/7 (1912), S. 4–6. 164 Ebd., S. 5. 165 Vgl. Alfons Fellner: „Die Kinofrage: Ist der Theaterdirektor berechtigt, dem Schauspieler die Mitwirkung an Kino-Aufnahmen zu untersagen?“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/9 (1912), S. 5–7. 166 Ebd., S. 5.

3. Die Kinematografie als zusätzliches Betätigungsfeld | 117

spieler, welcher für eine Kinoaufnahme spielt, öffentlich künstlerisch tätig und verpflichtet, die Direktion um ihre Zustimmung anzugehen [...].“167 Die nächsten beiden Autoren sprachen sich nicht eindeutig für oder gegen das Filmverbot aus, sondern machten die Frage nach dem Recht des Bühnenkünstlers, sich ohne Einwilligung der Direktion kinematografisch zu betätigen, von den jeweiligen Vertragsbestimmungen abhängig. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass diese Vorgehensweise 1912 durchaus legitim war, da es vor Inkrafttreten des Schauspielergesetzes 1922 keine einheitlichen gesetzlichen Bestimmungen gab, die den Vertragsabschluss zwischen Theaterdirektoren und SchauspielerInnen regelten. Dr. Paul Klemperer (1875–1960/61), der als Anwalt für das Rechtsschutzbüro des Österreichischen Bühnenvereins tätig war, schrieb deshalb in Bezug auf die Lösung der Kinofrage: „Eine sehr schwierige Materie! Nicht nur, weil neu und ungeregelt, sondern insbesondere wegen der Verzweigtheit der Erscheinungen tatsächlicher und rechtlicher Natur.“168 In seinem Beitrag unterschied Klemperer daher zunächst drei Vertragsoptionen: „1. Der Vertrag enthält eine allgemein gehaltene Verbotsklausel für den darstellenden Künstler, wonach er an fremden künstlerischen Vorstellungen nicht mitwirken dürfe. (Der häufigste Fall.) 2. Im Vertrag fehlt eine solche Bestimmung. 3. Im Vertrag ist das Mitwirken bei Herstellung von Kinofilms ausdrücklich verboten. (Meines Wissens kommt ein 169

derartiger Passus bisher in keinem Vertrag vor.)“

Als Nächstes erörterte Klemperer, dass es für Verträge mit allgemein gehaltenen Vertragsklauseln (Option 1) keine rechtliche Grundlage für ein Filmverbot gebe. Eine solche Bestimmung untersage es dem Künstler nur, seine darstellende Kunst (ohne ausdrückliche Erlaubnis der Direktion) in fremde Dienste zu stellen. Im Gegensatz zu Fellner verstand Klemperer die Filmdarstellung jedoch nicht als darstellende Kunst, da das Sprechen als wesentliches Element einer öffentlichen, künstlerischen Darstellung fehle. Aus diesem Grund bestehe „das prinzipielle Recht des darstellenden Künstlers“170 zur Mitwirkung an Filmaufnahmen. Dieses Recht gelte umso mehr, wenn eine allgemein gehaltene Vertragsklausel im Vertrag fehle (Option 2). Anders liege der Fall hingegen bei Verträgen, die

167 Ebd., S. 6. 168 Paul Klemperer: „Die Kinofrage: Das Recht des darstellenden Künstlers, ohne Zustimmung seiner Direktion für Kinovorstellungen zu spielen“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/8 (1912), S. 4–7, hier S. 4. 169 Ebd., S. 5. 170 Ebd., S. 6.

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ein explizites Filmverbot (Option 3) enthalten würden. Denn auch wenn die Sinnhaftigkeit einer solchen Vereinbarung generell hinterfragt werden müsse, sei sie sowohl gültig als auch rechtlich unanfechtbar. Bei dieser kinofreundlichen Interpretation der Vertragsbestimmungen überrascht es nicht, dass Dr. Paul Klemperer 1918 im Prozess gegen Österreichs ersten Stummfilmstar als Verteidiger der Kinoindustrie auftrat (vgl. Abschnitt 7.3). Dem Beispiel Dr. Klemperers folgend machte auch Dr. Paul Abel (1874– 1971), ebenfalls Hof- und Gerichtsadvokat in Wien, die Beantwortung der Frage, ob SchauspielerInnen ohne Zustimmung der Theaterleitung bei Kinoaufnahmen mitwirken durften, vom Kontext der jeweils geltenden Verträge abhängig.171 Allerdings kam Dr. Abel zu einem anderen Ergebnis als Dr. Klemperer: Grundsätzlich sei die Verpflichtung, an einer bestimmten Bühne schauspielerisch tätig zu sein, nicht gleichgesetzt mit dem Unterlassen einer weiteren schauspielerischen Tätigkeit. Doch die Praxis habe gezeigt, dass in den meisten Fällen dem Schauspieler in dieser Hinsicht vertragsmäßige Beschränkungen auferlegt worden seien. Es hänge folglich von den jeweiligen Vertragsbestimmungen ab, ob auch die Mitwirkung bei Kinoaufnahmen untersagt sei. Drei Vertragsvarianten gebe es laut Dr. Abel: Bei allgemein gehaltenen Verträgen müsse man vorsichtshalber davon ausgehen, dass diese auch kinematografische Aufnahmen umfassen würden. Das sei hingegen nicht der Fall bei Vertragsklauseln, die explizit das Auftreten an einer anderen Bühne untersagen würden. Da Abel, ähnlich wie Breuer, die Filmvorführung nicht als öffentliches Auftreten interpretierte, gelte das Filmverbot in solchen Fällen deshalb nicht. Die dritte Vertragsvariante sei schließlich das Verbot, sich „künstlerisch“ oder „schauspielerisch“ anderwärtig zu betätigen. Abel ging davon aus, dass auch die Filmschauspielerei als „künstlerisch“ anzusehen sei, denn: „[...] sicher ist, daß die mimische Kunst eines der wesentlichen Elemente der schauspielerischen Tätigkeit bildet, und daß der Schauspieler im Rahmen seiner Kunst bleibt, wenn er bloß spielt, nicht auch spricht oder singt.“172 Daher sei das Filmverbot auch in diesem Fall rechtlich zulässig. Im letzten Beitrag173 der Österreichischen Bühnenvereins-Zeitung zur Kinofrage wurde die Meinung von Univ.-Prof. Dr. Robert Bartsch (1874–1955), Ju-

171 Vgl. Paul Abel: „Die Kinofrage: Die Mitwirkung des Schauspielers bei kinematographischen Aufnahmen“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/10 (1912), S. 4f. 172 Ebd. 173 Es handelt sich eigentlich um den vorletzten Beitrag der Serie „Die Kinofrage“, der aber zugleich auch der letzte Beitrag eines Juristen zum Thema ist.

3. Die Kinematografie als zusätzliches Betätigungsfeld | 119

rist und Rechtsgelehrter an der Universität Wien, eingeholt.174 Im Vergleich zu seinen Vorgängern machte Bartsch das „Verbot des Auftretens außerhalb der Vertragsbühne“175 nicht von konkreten Vertragsbestimmungen, sondern von allgemeineren Faktoren wie dem Status des Schauspielers oder dem Ort und der Zeit des Engagements abhängig. Demzufolge dürften Filmaufnahmen „des niederen darstellenden Personals“176 überall und jederzeit vorgeführt werden, wohingegen die Filme von Solisten nicht am Vertragsort und nicht während der Vertragszeit (inkl. spielfreier Zeiten) gezeigt werden sollten. Daher gelte das Filmverbot bzw. das damit einhergehende Ansuchen um Erlaubnis, während des aufrechten Vertragsverhältnisses filmen zu dürfen, vorrangig für Solisten. Laut Univ.-Prof. Dr. Bartsch sei die Mitwirkung bei Filmaufnahmen aber grundsätzlich erlaubt, sofern der Schauspieler dem Theater mit seiner ganzen Arbeitskraft zur Verfügung stehe. Das bedeute, dass der Schauspieler am Vertragsort und während der Engagementdauer anwesend sein müsse und sich in seiner freien Zeit nicht verausgaben dürfe, damit er jederzeit für seine KollegInnen einspringen könne. Die vielfältigen Reaktionen der zitierten Rechtsspezialisten machen vor allem eines deutlich: Ob ein Schauspieler mit Bühnenengagement bei Filmaufnahmen mitwirken durfte oder nicht, war reine Interpretationssache und damit abhängig von der Auslegung der jeweiligen Vertragsbestimmungen bzw. der darin verwendeten Termini. Die Beiträge in der Österreichischen BühnenvereinsZeitung lassen folglich keine einheitliche Auslegung der Vertragsverhältnisse hinsichtlich der Filmverbote erkennen, was aufgrund der damals fehlenden gesetzlichen Bestimmungen nicht überraschend zu sein scheint. Bemerkenswert ist jedoch, dass man im Zuge der juristischen Auseinandersetzung mit den Filmverboten zu definieren versuchte, was das Spiel vor der Kamera grundsätzlich ausmachte. Die Antwort auf die Frage, ob die Filmdarstellung eine künstlerische Tätigkeit war und ob der Schauspieler in einem privaten oder öffentlichen Raum „auftrat“, wurde der jeweils kinofreundlichen oder -feindlichen Haltung entsprechend beantwortet. Je nachdem, ob sich der Autor als Befürworter oder Gegner des Kinos deklarierte, wurde die (fehlende) verbale Ausdrucksmöglichkeit als entbehrlicher oder essenzieller Bestandteil der Schauspielkunst interpretiert und das Private oder Öffentliche der Filmaufnahme bzw. Kinovorführung hervorgehoben.

174 Vgl. Robert Bartsch: „Die Kinofrage: Mitwirkung der Schauspieler bei Kinodramen“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/11 (1912), S. [3]f. 175 Ebd., S. [3]. 176 Ebd., S. 4.

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Abschließend soll noch den Worten des zu Beginn zitierten Dr. Max Eitelberg Raum gegeben werden, der zum Praxisbezug der gestellten Rechtsfrage bemerkte: „[...] wie so oft, ist hier die Rechtsfrage zugleich eine Machtfrage geworden und unsere ‚Lieblinge‘ sind gewöhnlich in der angenehmen Lage, sich nichts verbieten zu lassen. Der Theaterdirektor müßte wohl erst geboren werden, der beispielsweise einem Girardi kommandieren wollte, auf keinem Film zu erscheinen . . .“

177

Dr. Eitelberg machte mit dieser Aussage darauf aufmerksam, dass sich die Bestimmungen der Theaterdirektoren vorrangig auf den „kleinen Mann“ nachteilig auswirkten und gleichzeitig genug Spielraum ließen, um die großen Stars zu hofieren. So erklärt es sich vielleicht auch, warum die Filmverbote an größeren Wiener Bühnen temporär aufgehoben wurden, wie im Fall von Hoftheaterschauspieler Carl von Zeska im Jahr 1913. Offiziell revidiert wurden die Filmverbote für TheaterschauspielerInnen in Österreich zwar nicht, sie waren aber spätestens nach 1918 unhaltbar geworden. Denn abgesehen davon, dass die Filmarbeit während des Ersten Weltkriegs vielen SchauspielerInnen ein zusätzliches Einkommen sichern konnte, ließ sich die Etablierung des Films nicht mehr aufhalten. Das beweist auch das Kinodebüt jenes Mannes, der die Filmverbotsdebatte in Österreich ins Rollen gebracht hatte. Adolf Weisse, selbst Theaterschauspieler, wirkte erstmals 1919/20 in einem Film mit und setzte damit wohl seinem Bedenken gegenüber der neuen Kunst ein Ende.178 Darüber hinaus machte das Schauspielergesetz, das 1922 in Kraft trat, allen Interpretationsspielräumen der uneinheitlichen Theaterverträge ein Ende, indem es die Beziehung zwischen Theaterleitern und Bühnenmitgliedern auf eine rechtlich geregelte Basis stellte.179

177 Eitelberg: „Sind Theaterdirektoren befugt, ihren Schauspielern die Mitwirkung bei kinematographischen Aufnahmen zu untersagen?“, S. 4. 178 Vgl. o.N.: „Adolf Weisse“, in: Die Filmwelt 1/21 (1919), S. 15; o.N.: „Adolph Weisse und der Film“, in: Die Filmwelt 1/22 (1919), S. 5f.; o.N.: „Adolf Weisse“, in: Neue Kino-Rundschau 3/144 (1919), S. 19. Weisse debütierte im Film JOU-JOU (Biehl, 1920). 179 Obwohl ein Filmverbotspassus nicht in das Schauspielergesetz aufgenommen wurde, fand ein bis dahin in den Theaterverträgen übliches „Konkurrenzverbot“, das sich primär auf die öffentlich angekündigte Vorstellung an einer gleichartigen Bühne bezog, Eingang und hat bis heute seine Gültigkeit nicht verloren. Vgl. § 23 SchSpG bzw. § 20 TAG.

4. Beruf „Kinokünstler“ I: Die Herausbildung des Berufsbildes in der stummfilmästhetischen Schauspielertheorie

Der letzte Abschnitt des vorigen Kernkapitels konnte zeigen, dass die Frage nach der Mitwirkung von TheaterschauspielerInnen bei Stummfilmaufnahmen nicht nur eine theaterpolitische, sondern auch eine kunstästhetische Frage war, die sich mit dem Wesen der darstellerischen Tätigkeit vor der Kamera befasste. Im Kontext der allgemeinen Filmkunstdebatte(n) begann man sich darum zu fragen, was den Kinoschauspieler eigentlich ausmachte und ob das, was er tat, überhaupt Kunst sein konnte. Die Kunst- und Kulturschaffenden, die die Filmzeitschriften als Plattform für ihre Überlegungen nutzten, versuchten den Kinoschauspieler und seine Tätigkeit zunächst von anderen Künsten abzugrenzen und die Unterschiede vor allem zum Bühnendarsteller herauszuarbeiten. Erst allmählich wurde die Filmschauspielkunst als eigene Kunstform verstanden. Differenzierungs- und Definitionsversuche dieser Art fanden aber nicht nur auf einer theoretischen, sondern ebenso auf einer praxisbewussten Ebene statt. Auch Helmut H. Diederichs, Spezialist für die Anfänge der deutschsprachigen Filmtheorie, weist diesbezüglich darauf hin, dass für „die Formästhetik die Filmpraxis das Maß für die Theorieentwicklung“1 war. So manches heute als filmtheoretisch bezeichnetes Werk ist daher mehr als Handbuch zu verstehen, das die Praxiserfahrungen des Autors in mehr oder weniger abstrakter Form weiterzugeben versuchte. Der österreichische Journalist Victor E. Pordes formulierte seine Intention im Vorwort zu Das Lichtspiel z.B. so: „Es [das Buch, A.D.] entstand aus Anregungen aus der Praxis und aus rein theoretischen Erwägungen. 1

Helmut H. Diederichs: „Zur Entwicklung der formästhetischen Theorie des Films“, in: Geschichte der Filmtheorie. Kunsttheoretische Texte von Méliès bis Arnheim, hg. von Helmut H. Diederichs. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2004 (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1652), S. 9–27, hier S. 11.

122 | Schauspielen im Stummfilm

Es will auch beiden Richtungen dienen: der Praxis sowohl als der Theorie.“2 Dasselbe gilt auch für die Entwicklung des Filmschauspiel/er/s, die ebenfalls an der Schnittstelle von theoretischen Überlegungen und praktischen Erfahrungen stattfand. Das nachfolgende Kernkapitel will diese Entwicklung zum eigenständigen und hauptberuflichen Stummfilmkünstler auf theoretischer Ebene nachzeichnen, indem es ausgewählte stummfilmästhetische Schauspielertheorien präsentiert. Dafür geht der erste Abschnitt in medias res und stellt vier Theorieansätze von Autoren der Wiener Kulturlandschaft vor, die – mit der Ausnahme von Béla Balázs – heute kaum mehr bekannt sind und dennoch mit ihren Konzepten vom Kinodarsteller das jeweilige filmtheoretische Paradigma widerspiegeln. Die ausgewählten Texte von Walter Friedemann, Friedrich Porges, Victor E. Pordes und Béla Balázs werden ausführlich in Bezug auf ihre Inhalte und im Kontext der biografischen Hintergründe ihrer Autoren erörtert. Über die lokalspezifischen und individuellen Rahmenbedingungen hinaus schien es zudem notwendig zu sein, die besprochenen Texte in breitere theoriegeschichtliche Kontexte einzuordnen (vgl. Abschnitt 4.2). Deshalb wurde auch die formästhetische Theorie Deutschlands berücksichtigt, um Gemeinsamkeiten im Verständnis des Stummfilmschauspielers feststellen zu können. Auffällig dabei war, dass alle Texte, unabhängig von ihren eigentlichen Interpretationsschwerpunkten, eine Übereinstimmung aufwiesen: den Vergleich mit der Bühne. Aus diesem Grund erschien es als Nächstes sinnvoll, das Bild, welches die zeitgenössischen Autoren mit einem Bühnendarsteller assoziierten, zu ergründen. In diesem Sinne versucht der letzte Abschnitt zum einen die Kriterien der seit den 1870ern auf europäischen Bühnen vorherrschenden veristischen Schauspieltradition in ihren unterschiedlichen Ausprägungen festzumachen und in Bezug auf das jeweilige Bild eines „natürlich“ agierenden Schauspielers zu skizzieren. Zum anderen soll es auch um die Brüche mit dieser Tradition gehen, um das Auseinanderdriften zwischen den naturalistischen Ansprüchen der Filmtheoretiker und der Abkehr der Theaterschaffenden von mimetischen Theaterformen verdeutlichen zu können. Denn trotz der Verschiebungen, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts in der Bühnen- und Schauspielästhetik in Theorie und Praxis stattfanden, orientierten sich die Schauspieltheoretiker des Stummfilms noch in vielen Fällen an veristischen Traditionen, wie die folgenden Kapitel zeigen werden.

2

Victor E. Pordes: Das Lichtspiel. Wesen, Dramaturgie, Regie. Wien: Lechner, 1919, n.pag. [Vorwort].

4. Beruf „Kinokünstler“ I | 123

4.1 DEFINITIONS- UND DIFFERENZIERUNGSANSÄTZE WIENER KULTURSCHAFFENDER Herbert Tannenbaum, Walter Thielemann, Urban Gad oder Béla Balázs sind nunmehr bekannte Namen der formästhetischen Stummfilmtheorie, in deren Zentrum „die filmspezifische Verwendung schauspielerischer Mittel“3 stand. Im Folgenden soll es aber nicht darum gehen, bereits Bekanntes zu wiederholen, sondern darum, österreichischen bzw. in Wien entstandenen Texten zur stummfilmästhetischen Schauspielertheorie Raum zu geben. Mit der Ausnahme von Béla Balázs, dessen einflussreiches Werk nicht unerwähnt bleiben darf, sind Namen wie Walter Friedemann, Friedrich Porges oder Victor E. Pordes im Rahmen einer österreichischen Theoriegeschichte weitestgehend unbekannt. Ähnlich ihren deutschen Kollegen versuchten auch die österreichischen Autoren den Kinodarsteller im Kontext der stummfilmspezifischen Eigenheiten zu definieren und einzuordnen. Je nach Autor und Intention wurden die Stummheit, die Farblosigkeit und die Zweidimensionalität des Filmbildes dabei als fehlende oder besonders charakteristische Merkmale verstanden. Die für den vorliegenden Abschnitt ausgewählten Texte stellen wichtige Stationen in der Herausbildung des Berufsbildes auf theoretischer Ebene dar. Die Autoren sind bekannte Wiener Kulturschaffende, die auf die eine oder andere Art mit der österreichischen Filmpresse verbunden waren. Ihre Texte wurden in der Regel als selbstständige Werke veröffentlicht, fanden aber auch Eingang in die zeitgenössischen Filmzeitschriften, die einzelne Inhalte abdruckten oder Neuerscheinungen in kurzen Notizen ankündigten. Eine Ausnahme stellen die Beiträge von Walter Friedemann (1872–unbek.) dar, die als vollständige Versionen in den beiden führenden österreichischen Stummfilmfachzeitschriften publiziert wurden: „Dichtung und Regie im Kinotheater“ (Kinematographische Rundschau, 1911)4 und „Schauspieler und Kino“ (Österreichischer Komet, 1912)5 gelten bis heute als „die ersten theoretischen Überlegungen zum Thema Kino und Film in Österreich“6. Der tüchtige Kinodarsteller wurde hier allerdings noch als hauptberuflicher Theaterschauspieler verstanden, dessen Erfahrungen beim

3

Diederichs: „Zur Entwicklung der formästhetischen Theorie des Films“, S. 12.

4

Vgl. Walter Fried[e]mann: „Dichtung und Regie im Kinotheater“, in: Kinematographische Rundschau 5/170 (1911), S. [1]f. (Orig.: Der Morgen 20, 15. Mai 1911, S. [1]f.).

5

Vgl. Walter Friedemann: „Schauspieler und Kino“, in: Österreichischer Komet 5/89 (1912), S. 5f.

6

Fritz: Im Kino erlebe ich die Welt, S. 36.

124 | Schauspielen im Stummfilm

Film positiv auf seine darstellerischen Qualitäten auf der Bühne zurückwirken konnten. Friedrich Porges (1890–1978), Bruder des österreichischen Filmzeitschriftenpioniers Edmund Porges (1872–1917), ging 1919 einen Schritt weiter und definierte den Filmdarsteller in seiner auf Praxiserfahrungen fußenden „Broschüre“ Fünfzig Meter Kinoweisheit. Aus der Werkstatt eines Erfahrenen7 als Spezialklasse der darstellenden Künstler, als speziellen Filmkünstler. Erstmals wurde der Film von einem österreichischen Autor als eigenständiges Genre und neuartige Karrieremöglichkeit im Bereich der darstellenden Kunst anerkannt. In diesem Sinne ist Porges’ Buch auch als Handbuch für Filminteressierte zu sehen, das zukünftigen KinoschauspielerInnen Hinweise und Tipps mit auf den Weg geben wollte. Theoretischer präsentierte sich hingegen die ebenfalls 1919 erschienene Filmdramaturgie Das Lichtspiel. Wesen, Dramaturgie, Regie 8 von Victor E. Pordes (1881–1963). In seinem 161 Seiten starken Werk, das sich selbst als „erste Monographie einer neuen Kunstgattung“9 definierte, wurde der Stummfilmschauspieler zum Abbild der Wirklichkeit. Um die Natürlichkeit seines Spiels zu maximieren, forderte Pordes sogar den Einsatz von Laien, den sogenannten Wirklichkeitstypen. Pordes’ Theorie ist stark in der Filmpraxis verankert, was sich besonders in den Abschnitten zur Gestaltung von Maske und Kostüm, zum Rollenstudium und zur Filmaufnahme zeigt. Doch erst der aus Ungarn stammende Wiener Kritiker Béla Balázs (1884– 1949) legte 1924 mit Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films10 eine folgenreiche Theorie des Films vor. „Noch nie ist eine Kunst groß geworden ohne Theorie“11, schrieb Balázs in seinem einführenden Plädoyer für eine kunsttheoretische Auseinandersetzung mit dem Film. Im Zentrum von Balázs’ Theorie stand der durch den Stummfilm/-schauspieler sichtbar gewordene Mensch, der sich der nonverbalen Sprache als spezifisches und urmenschliches Ausdrucksmittel bediente. Der Filmdarsteller wurde so zum dichtenden Darsteller, der

7

Vgl. Friedrich Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit. Aus der Werkstatt eines Erfahrenen. Über Filmdichtung, Filmregie, Filmaufnahme, Filmdarstellung. Wien, Leipzig: Harbauer, [1919].

8

Vgl. Pordes: Das Lichtspiel.

9

Ebd., n.pag. [Vorwort].

10 Vgl. Béla Balázs: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2001 (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1536), (Orig.: Wien, Leipzig: Deutsch-Österreichischer Verlag, 1924). 11 Ebd., S. 10.

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mithilfe von Mimik, Gestik und Bewegung die Inhalte des Films nicht nur verständlich machte, sondern auch mitgestaltete. Die hier skizzierten Inhalte sollen nun im Hinblick auf die jeweiligen Definitions- und Differenzierungsansätze vertieft werden. Darüber hinausgehende Aspekte, die sich dem äußeren Erscheinungsbild oder den darstellerischen Techniken widmen, werden im nächsten Kernkapitel besprochen. 4.1.1 Walter Friedemann und der tüchtige Kinodarsteller Dr. Walter Friedemann, Oberregisseur am Deutschen Volkstheater in Wien und an der Wiener Volksoper, gilt in der Standard- und Forschungsliteratur zur österreichischen Filmgeschichte als einer der Ersten, der sich mit den Arbeitsweisen des noch jungen Mediums auseinandersetzte. Für Walter Fritz war Friedemann sogar der Erste in Österreich, der sich mit Kino und Film auf theoretischer Basis befasste.12 Markus Nepf ist hier etwas vorsichtiger und spricht von einem der Ersten, der sich zum Thema Filmregie äußerte.13 Man könnte aber auch sagen, dass Friedemann einer der Ersten aus der Wiener Theaterbranche war, der seine (teils) theoretischen Überlegungen zu den Arbeitspraktiken des Films, insbesondere in Bezug auf Dichtung, Regie und Schauspiel, in den führenden österreichischen Filmfachzeitschriften und im Spannungsfeld des Kulturkampfes zwischen Theater und Kino veröffentlichte. Das tat er aber nicht nur 1912 in dem viel zitierten Artikel „Schauspieler und Kino“, sondern bereits im Jahr davor in „Dichtung und Regie im Kinotheater“.14 In beiden Beiträgen arbeitete Friedemann die Unterschiede zwischen der Arbeit auf der Bühne und vor der Kamera heraus und trat bemerkenswerterweise für das Kino ein, dem er vor allem in seiner Funktion als Bildungsinstrument keine schädliche Wirkung zuschrieb. Seiner Meinung nach habe das Kino das Potenzial, vielen Missständen des Theaters, wie dem Schauspielerelend, rein auf Unterhaltung abzielenden Dramen oder auch übertriebenen Schauspielergesten, ein Ende zu setzen. Ironischerweise inszenierte Friedemann jedoch nur einen, wenn auch filmhistorisch bedeutsamen, österreichischen Film. Für die Adaption des in Wien sehr populären Raupachschen Schauerdramas DER MÜLLER UND SEIN KIND wurde er 1911 von der Österreichisch-ungarischen Kinoindustrie Ges.m.b.H. als Re-

12 Vgl. Fritz: Im Kino erlebe ich die Welt, S. 36. 13 Vgl. Nepf: „Die ersten Filmpioniere in Österreich“, S. 20. 14 Vgl. Fried[e]mann: „Dichtung und Regie im Kinotheater“, S. [1]f.; ders.: „Schauspieler und Kino“, S. 5f.

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gisseur verpflichtet.15 Die bereits zweite Verfilmung des Dramas gilt heute zwar als der älteste vollständig erhaltene österreichische Spielfilm und damit als wertvolles Dokument der damaligen Produktionsbedingungen, kam in künstlerischer Hinsicht aber nicht an das Vorbild des französischen Film d’Art heran.16 Walter Fritz schreibt deshalb: „Theorie und Praxis waren für Friedemann noch getrennt, das beweist das Endergebnis.“17 Doch auch wenn Friedemann seine eigenen Ideen und Forderungen nicht entsprechend umsetzte, können seine theoretischen Überlegungen als symptomatisch für das Verständnis des Filmschauspiel/er/s in der Vorkriegszeit gelten. Analog zu den deutschen Theoretikern war der Kinodarsteller für Friedemann ein von der Bühne kommender Schauspieler, der ohne Worte auskommen musste. Die fehlende verbale Ausdrucksmöglichkeit könne dieser darum nur durch den verstärkten Einsatz der nonverbalen Ausdrucksmittel, vor allem der Geste, ausgleichen. 1911 schrieb der Regisseur im Österreichischen Kometen diesbezüglich: „Da nun bei den Bewegungsbildern das gesprochene Wort die Vorgänge nicht erläutert, so dient die Geste hier als Ersatz. Natürlich wurde sie, um ihrer Wirkung sicher zu sein, so übermäßig angewendet, daß die Figuren zur Karikatur herabsanken, das Mienenspiel zur Grimasse entartete. [...] Der Tanz, das Ballett und vornehmlich die Pantomime haben uns aber gelehrt, daß die Bewegung der Körper allein imstande ist, ohne Zuhilfenahme des Wortes, dem Verständnis und auch dem Empfinden Anregungen zu verschaffen.“

18

Indem Friedemann hier von „Ersatz“ sprach, negierte er die stummfilmspezifischen Eigenheiten. Sein Vergleich zwischen Film und Theater ergab darum auch, dass der fehlende Ton kompensiert werden müsse, und zwar mithilfe konventioneller schauspielerischer Mittel. Diese seien – und darauf wies Friedemann bereits 1911 hin – dennoch sparsam einzusetzen, damit das Spiel vor der Kamera nicht zu einer Karikatur verkomme.

15 Vgl. o.N.: „Die österreichisch-ungarische Kinoindustrie G.m.b.H. Wien“, in: Kinematographische Rundschau 5/171 (1911), S. 3. 16 Vgl. Nepf: „Die ersten Filmpioniere in Österreich“, S. 20–22. 17 Walter Fritz: Der Müller und sein Kind. Rekonstruktion des ersten erhaltenen österreichischen Spielfilms, hg. von der Österreichischen Gesellschaft für Filmwissenschaft, Kommunikations- und Medienforschung. Wien: Österreichische Gesellschaft für Filmwissenschaft, Kommunikations- und Medienforschung, 1982 (= Schriftenreihe des Österreichischen Filmarchivs 7), S. 13. 18 Fried[e]mann: „Dichtung und Regie im Kinotheater“, S. [1]f.

4. Beruf „Kinokünstler“ I | 127

Auch in seinem bekannteren Artikel von 1912 blieb Friedemann bei seinem Vergleich zwischen Theater- und Filmschauspieler. Abermals betonte er das Fehlen der Sprache: „Der Schauspieler hat auf dem Theater Wort und Gebärde in Einklang zu bringen, im Kino soll er sich lediglich durch Mienenspiel und Gebärde verständlich machen.“19 Während also dem Theaterschauspieler das volle Spektrum darstellerischer Mittel zur Verfügung stehe, müsse der Kinodarsteller das Fehlen der Sprache durch Mimik und Gestik kompensieren. Allerdings sah Friedemann in einem vermeintlich negativen Aspekt etwas Positives. Denn dadurch, dass sich der Filmschauspieler nur mithilfe seines Mienen- und Gebärdenspiels verständlich machen könne, schärfe er seine Fähigkeiten auf diesem Gebiet, was eine positive Rückwirkung auf seine Bühnendarstellung habe. Aus diesem Grund sei die Mitwirkung bei Filmaufnahmen für den Theaterschauspieler in künstlerischer Hinsicht nicht schädigend: „Nein, nein, der Kinoschauspieler degradiert sich durch seine Mitwirkung ebensowenig, wie er sich bisher in einer Pantomime auf der Bühne künstlerisch geschädigt hat. Im Gegenteil, sein Spiel wird logischer und deutlicher werden [...].“20 Was der Schauspieler somit beim Film lernen konnte, war eine „gemäßigte Pantomime“. Der Begriff stammt nicht von Friedemann selbst, sondern von Walter Fritz,21 der damit die Forderungen Friedemanns auf den Punkt bringt. Denn dieser war, wie schon im Jahr zuvor, auch 1912 der Auffassung, dass der „tüchtige Kinoschauspieler“ 22 den Einsatz nonverbaler Ausdrucksmittel nicht übertreiben dürfe. Er solle seinen Körper hingegen so trainieren, dass ein nuanciertes Spiel möglich werde, welches den Inhalt der Szene verständlich mache. Dem Körper als Instrument sprach Friedemann folglich eine zentrale Bedeutung zu: „Ist es nicht sonnenklar, dass der tüchtige Kinoschauspieler, der sich von Uebertreibungen fernhalten wird, eine Kultur des Körpers und der Gesichtsmuskeln erlangen muss, die er auf der Bühne bisher eher vernachlässigen konnte? Mehr noch! Jede Bewegung muss sinnvoll sein und logisch sich der früheren anschliessen. Die logische Reihe der Bewe-

19 Friedemann: „Schauspieler und Kino“, S. 6. 20 Ebd. 21 Fritz: Der Müller und sein Kind, S. 13. Ursprünglich verwendet hatte Fritz den Begriff in seiner Dissertation von 1966. Vgl. ders: Entwicklungsgeschichte des österreichischen Spielfilms. Diss., Universität Wien, 1966, S. 35. 22 Friedemann: „Schauspieler und Kino“, S. 6.

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gungen und Gruppierungen bedingt ja der Vorgang der Szene, sie soll das Wort ersetzen, Stimmungen erzeugen, soll den ewigen Gesetzen dram[a]tischer Kunst entsprechen.“

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Friedemanns Verständnis vom Kinoschauspieler beruhte darum auf der Idee, dass ihm etwas Wesentliches fehlte, nämlich seine Sprache. Diese Vorstellung war noch lange in der zeitgenössischen Theorie präsent. Erst Béla Balázs erklärte den Stummfilm 1924 zu einer eigenständigen Kunstform, zu dessen Wesensmerkmal er auch die urmenschliche „Gebärdensprache“ des Filmdarstellers zählte. Im Gegensatz zu Friedemann, der den Kinoschauspieler noch als hauptberuflichen Theaterschauspieler verstanden hatte, ging Friedrich Porges ein paar Jahre später davon aus, dass die Schauspielkunst im Stummfilm ein eigenes Genre und ein eigener Beruf sein sollte. 4.1.2 Friedrich Porges und der spezielle Filmkünstler In der Filmwoche vom 3. Oktober 1919 findet sich folgende kurze Notiz: „Im Verlag Karl Harbauer [...] ist eben ein interessantes Filmbuch des bekannten Schriftstellers und Filmfachmannes Friedrich Porges unter dem Titel ‚Fünfzig Meter Kinoweisheit‘ erschienen [...].“24 Doch bis heute hat das „Filmbuch“ des Wiener Journalisten keine große Aufmerksamkeit erfahren. Dabei hat die Durchsicht im erhaltenen Exemplar der Universitätsbibliothek Wien gezeigt, dass es für die Zwecke der vorliegenden Arbeit wertvolle Informationen enthält. Fünfzig Meter Kinoweisheit. Aus der Werkstatt eines Erfahrenen war jedoch weniger als theoretisches Werk und mehr als Information für den Kinointeressierten, ob Zuschauer oder angehenden Filmschaffenden, gedacht. Tatsächlich kann Friedrich Porges als Erfahrener gelten.25 Als Bruder des österreichischen Filmzeitschriftenpioniers Edmund Porges, der die erste österreichische Filmzeitschrift, die Kinematographische Rundschau, herausgab, trat er

23 Ebd. 24 O.N.: „Friedrich Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit“, in: Die Filmwelt 1/19 (1919), S. 15. Vgl. auch o.N.: „[Fünfzig Meter] Kinoweisheit“, in: Die Kinowoche 1/8 (1919), S. 10. 25 Vgl. Ludwig Gesek et al.: „Kleines Lexikon des österreichischen Films. Namenlexikon“, in: Filmkunst [11]/22–30 (1959), S. 1–71, hier S. 47; Rudolf Ulrich: Österreicher in Hollywood, [Neuaufl.]. Wien: Filmarchiv Austria, 2004 (Orig.: Österreichische Staatsdruckerei, 1993 (= Edition S)), S. 374f.

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schon bald in dessen Fußstapfen.26 Nach seinem Philologiestudium sammelte er erste journalistische Erfahrungen als Mitarbeiter bei Wiener Tageszeitungen und Zeitschriften wie der Bühne. Bei Letzterer war er zwischen 1924 und 1925 leitender Redakteur des Filmressorts. 1925 wurde Porges dann zum Mitbegründer und Herausgeber der Illustrierten Mein Film, die ab 1926 erschienen war. Ergänzt wurde die Zeitschrift, die als eine der langlebigsten österreichischen Filmmagazine gilt,27 ab 1927 durch das Mein Film-Buch, das als Jahrbuch konzipiert war und nützliches Hintergrundwissen sowie Trivia für seine LeserInnen enthielt. Porges verfolgte die Geschehnisse der Branche aber nicht nur als Außenstehender, sondern betätigte sich auch mehrmals als Regisseur und Drehbuchautor für den österreichischen Film. 1917 schrieb er drei Drehbücher für die SaschaMeßter und in den 1920er Jahren führte er für die von ihm mitgegründete SunFilm Regie.28 Über die kinematografischen Ambitionen des Wiener Journalisten konnte man in der Komödie 1921 lesen: „Friedrich Porges, viele Jahre Dramaturg der Saschafilmgesellschaft, Wiens ältester Filmfachmann, hat sich selbstständig gemacht. Er ist Mitleiter einer neuen Filmgesellschaft, der ‚Sun‘, und – Filmregisseur.“29 Bis 1938 konnte Porges seinen Leidenschaften, Journalismus und Film, treu bleiben. Danach zwang ihn der Nationalsozialismus zur Emigration nach Hollywood, wo er auch weiterhin als Filmjournalist tätig sein konnte und u.a. als Korrespondent über die Stars der Traumstadt berichtete. Als Chefredakteur und Herausgeber einer der erfolgreichsten österreichischen Filmzeitschriften sowie als

26 Edmund und Friedrich Porges waren Brüder, wie in einem Essay zur österreichischen Filmgeschichte im (von Friedrich Porges herausgegebenen) Mein Film-Buch nachzulesen ist. Vgl. o.N.: „Österreichs Filmkunst und Filmindustrie. Sechzehn Jahre Entwicklungsgang“, in: Mein Film-Buch 1 (1927), S. 67–82, hier S. 72 – Mein Film-Buch 2 (1928), S. 241–256, hier S. 246. Demnach handelt es sich bei Hausberger um einen Irrtum, wenn sie schreibt, dass Friedrich Porges „in die Fußstapfen seines Vaters“ Edmund getreten sei. Vgl. Hausberger: Die österreichische Filmzeitschrift vom Stummfilm bis zur Gegenwart 1907–1995, S. 139f. 27 Vgl. ebd., S. 139. 28 Porges führte Regie u.a. bei DIE NACHT DER MARY MURTON (1921), DER MARQUIS VON

BOLIBAR (1922) und DIE TOCHTER DES BRIGADIERS (1922). Vgl. o.N.: „Der

Journalist als Filmregisseur“, in: Komödie 2/16 (1921), S. 9; o.N.: „Der Journalist als Filmregisseur. Friedrich Porges“, in: Die Kinowoche 3/44–45 (1921), S. 5. 29 O.N.: „Der Journalist als Filmregisseur“, S. 9.

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Drehbuchautor, Filmregisseur, Autor30 und gefragter Vortragender31 zählt Friedrich Porges ohne Zweifel „zu den Pionieren des österreichischen Films und Filmjournalismus“32. Das 1919 erschienene Handbuch Fünfzig Meter Kinoweisheit wurde dementsprechend aus der Sicht eines Fachmannes geschrieben und erhob deshalb auch keinen Anspruch darauf, ein theoretisches oder wissenschaftliches Werk zu sein, wie Porges im Vorwort klarstellte: „Diese Blätter sollen keine wissenschaftliche Abhandlung über den Film sein, wohl aber eine in vieler Hinsicht aufklärende. Aus meiner Erfahrung [...] habe ich all die Bemerkungen über den Film hier niedergeschrieben.“33 Das 84-seitige „Filmbuch“ bot daher einen Blick hinter die Kulissen, gewissermaßen einen Erfahrungsbericht, der die vier Kernthemen Filmdichtung, -regie, -aufnahme und -darstellung aus einer praxisbewussten Perspektive und auf eine belehrende Art und Weise behandelte.34 Mit Letzterem setzte sich Porges im Kapitel „Der Filmkünstler“ auseinander, den er zunächst als einen Darsteller begriff, der hauptberuflich für den Film tätig war: „Nicht von jenen soll die Rede sein, die in ihrem Hauptberuf der Bühne angehörige Schauspieler sind und nur hin und wieder ‚filmen‘. Sondern von denen, die sich endgültig der Filmschauspielerei, der Filmkunst zugewendet und auf weitere Erfolge am Theater verzichtet haben. Sie sind die eigentlichen, speziellen Filmkünstler, sie sind die anzuerkennenden Vertreter der Filmschauspielkunst, denn sie streben nach Vollendung in dieser

30 Neben Fünfzig Meter Kinoweisheit vgl. auch Friedrich Porges: Schatten erobern die Welt. Wie Film und Kino wurden. Basel: Verlag für Wissenschaft, Technik und Industrie, 1946. 31 Vorträge zum Beruf des Filmschauspielers vgl. u.a. o.N.: „Vortrag Friedrich Porges“, in: Der Filmbote 5/18 (1922), S. 45; o.N.: „Schriftsteller und Filmregisseur Friedrich Porges: Aus der Werkstatt der Filmkunst. Mit Filmvorführungen“, in: Verlautbarungen des Volksbildungshauses Wiener Urania [23]/19 (1922), S. 5; o.N.: „RadioVortrag Friedrich Porges“, in: Mein Film 1/9 (1926), S. 3 (Bez.: Radiovortrag „Die zum Film wollen . . . .“, Radio Wien, 27.02.1926; vgl. [RAVAG]: „Wiener Programme: Samstag, 27. Februar“, in: Radio-Wien 2/21 (1926), S. 846); [Vereinigung der Kinofreunde]: „Vortrag Friedrich Porges“, in: Mein Film 2/55 (1927), S. VIII. Vgl. auch Kapitel 6.1.4. 32 Ulrich: Österreicher in Hollywood, S. 374. 33 Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 7. 34 Die praxisbezogenen Inhalte werden in den nächsten beiden Kernkapiteln einfließen. An dieser Stelle soll es ausschließlich um Porges’ Definition des Stummfilmschauspielers gehen.

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Kunst allein, in dieser neuen Kunst des Schauspielers, ohne gleichzeitig der Bühnenkunst einen Teil von ihrem Können abzugeben.“

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Als Beispiele nannte Porges Stummfilmgrößen wie Waldemar Psylander, Gunnar Tolnäes, Henny Porten, Asta Nielsen oder Fern Andra, die ihre Erfolge ausschließlich als Filmstars feierten. Das vorige Zitat nimmt aber auch den nächsten essenziellen Schritt in Porges’ Definition vorweg: Der Filmschauspieler wurde als Künstler verstanden. Als eine spezielle Kategorie des darstellenden Künstlers sollte der Stummfilmdarsteller gleichberechtigt neben anderen KünstlerInnen wie den TheaterschauspielerInnen, den Opern- oder OperettensängerInnen stehen: „Diese Künstler und Künstlerinnen, Schauspieler, wie die an den Bühnen Wirkenden, haben sich mit der Zeit zu einer Spezialklasse von darstellenden Künstlern herangebildet. Sie gehören nicht mehr der Bühne an, sie spielen nur für den Film, sie üben darstellende Filmkunst aus. Man muß sie demnach auch als eine eigene Kategorie von ausübenden Künstlern behandeln und, da die Filmkunst immer weitere Kreise gewinnt, ihre Bedeutung als gesonderte Erscheinung in Hinkunft würdigen. Man wird also künftig, so wie man die Schauspieler der Prosabühnen, die Opernsänger und Operettensänger unterscheidet, auch die Filmkünstler als eine Künstlerkategorie für sich auffassen müssen.“

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Das bedeutete für Porges auch, dass herausragende Leistungen einzelner FilmkünstlerInnen gewürdigt werden müssten. Große Namen sollten der Nachwelt erhalten bleiben, indem man ihre Filme archivierte und ihre Biografien in Büchern zur Geschichte der Schauspielkunst festhielt. Darüber hinaus sollte aber vor allem auch ihre Kunst, die Kunst des Stummfilmschauspielers, anerkannt werden. Ob dieser Wunsch sich jedoch erfüllen werde, so gestand Porges, könne erst die zukünftige Entwicklung der Kinematografie zeigen. 4.1.3 Victor E. Pordes und die Wirklichkeitstypen Im selben Jahr wie Friedrich Porges und Urban Gad37 veröffentlichte Victor E. Pordes eine Dramaturgie des Films, die sich neben der Charakteristik und dem

35 Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 32. 36 Ebd., S. 33. 37 Vgl. Urban Gad: Der Film. Seine Mittel – seine Ziele, übers. von Julia Koppel. Berlin: Schuster & Loeffler, [1921] (Orig.: Filmen, dens Midler og Maal. Kopenhagen: Gyldendal, 1919).

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Aufbau des „Lichtspieldramas“ ebenso der Regie und Schauspielerführung widmete. Doch im Gegensatz zu Gad, dem international berühmten Regisseur der Asta-Nielsen-Filme, kam Pordes aus keinem filmschaffenden Umfeld. Den spärlichen Informationen in Filmzeitschriften, Bibliothekskatalogen und einem jüdischen Gedenkbuch38 zufolge war der aus Polen stammende Victor Emanuel Pordes ab 1919 in Wien als Anwalt, Journalist, Autor und Vortragender tätig. Neben Das Lichtspiel. Wesen, Dramaturgie, Regie, der ersten in Österreich publizierten Filmdramaturgie, verfasste der promovierte Jurist auch ein weiteres Buch, das den Titel Menschen um uns. Typen und Charaktere (1956) trägt.39 In Bezug auf Pordes’ journalistische Tätigkeit kann man aufgrund der Hinweise in den genannten Quellen annehmen, dass er mehrere Beiträge für diverse Filmzeitschriften im In- und Ausland verfasst hatte. Zum Beispiel fand sich in den Ankündigungstexten zu Das Lichtspiel folgende Nebenbemerkung: Victor E. Pordes „[ist] durch seine Mitarbeiterschaft in den [deutschen, A.D.] Fachzeitschriften: ‚Der Film‘, ‚Der Kinematograph‘ etc. bereits bestens bekannt [...].“40 Zudem ließ sich eine Artikelserie in der österreichischen Zeitschrift Komödie. Wochenrevue für Bühne und Film finden. In den Jahren zwischen 1920 und 1921 wurden hier die Erörterungen des Autors u.a. zum Wiener Film, zum Filmschauspieler und zu verschiedenen Filmgenres abgedruckt. Des Weiteren ist in der Österreichischen Nationalbibliothek die einzige erschienene Ausgabe der Zeitschrift Moderne Fragen. Zeitschrift für Unterhaltung und Wissen erhalten geblieben, deren Herausgeber, Eigentümer und Verleger Victor E. Pordes gewesen war.41 Über seine journalistische Arbeit hinaus hielt Pordes auch Vorträge an den Wiener Volkshochschulen. Unter anderem sprach er 1920 in einer sechsteiligen Vortragsreihe an der Wiener Urania zum Thema „Die Filmkunst und ihre Prob-

38 Vgl. Dov Nitzani: „Victor Emanuel Pordes“, in: Przemysl Memorial Book (Poland), hg. von Arie Menczer, übers. von Jessica Cohen. Israel: Przemysl, 1964, S. 350 (Orig.: Sefer Przemysl); www.jewishgen.org/yizkor/przemysl/prz343.html, 14.04.2014. 39 Vgl. Victor E. Pordes: Menschen um uns. Typen und Charaktere. Wien, Stuttgart: Braumüller, 1956. 40 O.N.: „Das Lichtspiel“, in: Neue Filmwoche 1/23 (1919), S. 7f., hier S. 7 – „Ein Werk über die Filmkunst“, in: Der Kinobesitzer 3/70–71 (1919), S. 11. Weitere Ankündigungen vgl. auch o.N.: „Ein Buch über die Filmkunst“, in: Die Filmwelt 1/5 (1919), S. 13; o.N.: „[Das Lichtspiel]“, in: Die Kinowoche 1/4 (1919), S. 12. 41 Vgl. Victor [E.] Pordes: „Unser Büchlein“, in: Moderne Fragen 1/1 (1923), S. 8f.

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leme“, wofür er die wesentlichen Inhalte seiner Filmdramaturgie aufgriff.42 In einem kurzen Bericht zu den Vorträgen heißt es in der Neuen Kino-Rundschau, dass der „Zyklus, welcher als die in Wien bis nun erste systematische Einführung in das Gebiet der Filmkunst [gilt,] ebenso in den Fachkreisen wie im Publikum das lebhafteste Interesse erweckte. Alle Vorträge des Dr. Pordes, welche einzelne, für sich abgeschlossene Teile bildeten, fanden reichsten Beifall.“43 Laut den Verlautbarungen des Volksbildungshauses Wiener Urania hielt Pordes 1923 noch eine, dieses Mal aber nur dreiteilige Vortragsreihe zum Thema Film.44 Porges’ Monografie Das Lichtspiel, die die Basis seiner Vorträge bildete, ist für die österreichische Filmtheorie besonders bedeutend, da es sich um die erste (bekannte) in Wien publizierte Filmmonografie handelte. Es war die „erste große in Buchform erschienene Dramaturgie des Films aus Österreich“ 45 , schreibt Walter Fritz. Ebenso betonte Pordes selbst, dass sein Werk „die erste Monographie einer neuen Kunstgattung“46 sei, die jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe. Auch in den Filmzeitschriften wurde Pordes’ Werk als die „erste grundlegende Darstellung der ganzen Filmkunst“ 47 und als unentbehrliches Handbuch48 für Filminteressierte und Fachleute angepriesen. Schauspieltheoretisch stand Pordes 1919 jedoch noch in der Theorietradition der Vorkriegsautoren. Er erkannte den Filmschauspieler nicht als eigenständigen Künstler an, sondern verstand seine Arbeit als Bühnendarstellung, die sich an die technischen Gegebenheiten des Films speziell in Bezug auf die nonverbalen Ausdrucksmittel und das äußere Erscheinungsbild anpassen musste. Theater- und Filmschauspiel waren laut Pordes vom Wesen her gleich, der fehlende Ton machte aus letzterem darum kein anderes Genre:

42 Die Vorträge fanden 1920 am 17.03./24.03./31.03. und am 07.04./14.04./21.04. im Kursaal der Wiener Urania statt. Vgl. o.N.: „Die Filmkunst und ihre Probleme“, in: Neue Kino-Rundschau 4/159 (1920), S. 5; o.N.: „Uraniavorträge über die Filmkunst“, in: Neue Kino-Rundschau 4/165 (1920), S. 11; o.N.: „Dr. Viktor [sic!] E. Pordes: Die Filmkunst und ihre Probleme. Sechs Vorträge“, in: Verlautbarungen des Volksbildungshauses Wiener Urania [11]/11 (1920), S. 6. 43 O.N.: „Uraniavorträge über die Filmkunst“, S. 11. 44 Vgl. o.N.: „Dr. Viktor [sic!] E. Pordes: Kunst im Film. Drei Vorträge“, in: Verlautbarungen des Volksbildungshauses Wiener Urania [14]/20 (1923), S. 4f. 45 Fritz: Im Kino erlebe ich die Welt, S. 118. 46 Pordes: Das Lichtspiel, n.pag. [Vorwort]. 47 O.N.: „Das Lichtspiel“, S. 7. 48 Vgl. ebd., S. 8.

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„Sie [die Schauspielerei, A.D.] ist hier gar nicht im Wesen irgendwie verändert, sie wird da weder zum Tanz noch zur Pantomime, sie hat sich weder rhythmisch noch anderswie zu stilisieren. Es hat auch keine Einwirkungen auf sie und bedingt auch keine besondere Spielweise, daß sich der Schauspieler uns im Bild als Fläche und nicht im Raum als Körper präsentiert. Dies ist nur eine Begleiterscheinung des photographischen Prinzips in seiner heutigen Technik und schwindet vielleicht schon morgen [...]. Gewisse Abweichungen, die es hier dem Theaterspiel gegenüber gibt [...], sind reine Zwecks- und nicht Wesensunterschiede.“

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Trotzdem lag für Pordes das Potenzial des Films nicht in der Nachahmung der Bühnendarbietung, sondern in der Abbildung der Wirklichkeit. Hier sah er auch einen Vorteil des Filmschauspielers gegenüber dem Theaterschauspieler, den er als weniger eingeschränkt in seinen Ausdrucksmitteln betrachtete. Die Stummheit, Farblosigkeit50 und Zweidimensionalität des Filmbildes interpretierte Pordes deshalb als fehlende Aspekte des Kinodramas und des Kinoschauspiel/er/s: „[...] ebenso wie das Lichtspieldrama nichts anderes ist als ein Drama, das uns nur durch ein neues technisches Prinzip vermittelt wird und in diesem Prinzip zugleich seine Einschränkung (Mangel der Sprache, Farbe und Plastik) und seine Steigerung: das unendliche Milieu, findet, so ist auch die Schauspielerei im Film ganz dieselbe wie im Leben, nur daß ein Teil ihrer, und zwar ebenso Sprache, wie Farbe und Plastik der Erscheinung verlorengeht, während sich zugleich ihre Skala auf dem Gebiete und Situationen erweitert, welche 51

ihr auf der Bretterwelt der Bühne unerreicht waren.“

Neben dem Vorzug des Films, lebensechte Situationen glaubwürdig nachahmen zu können, erkannte Pordes auch im fehlenden Ton einen Vorteil für die Schauspielkunst. Denn dadurch könne sich der Schauspieler intensiv auf seine nonverbalen Ausdrucksmittel konzentrieren: „Nicht mehr auf die Beherrschung des eingelernten Rollentextes, auf den Tonfall, die Diktion, die richtige Betonung u.s.w. bedacht, findet er mehr spielerische Freiheit, um aus der Situation und seinem ursprünglichen Empfinden heraus zu agieren.“52

49 Pordes: Das Lichtspiel, S. 84. 50 Pordes klammerte bei seinen Ausführungen die zeitgenössische Praxis des Einfärbens von Stummfilmen zur Erzeugung bestimmter Stimmungen (Virage, Tonung) aus. 51 Pordes: Das Lichtspiel, S. 83f. 52 Ebd., S. 20.

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Um die Abbildung der Wirklichkeit zu optimieren, ging Pordes schließlich sogar so weit, den Einsatz von „Wirklichkeitstypen“53 bzw. „Gestalten und Typen des wirklichen Lebens“ 54 zu propagieren. Nur durch die Mitwirkung authentischer Laien entsprächen die Darstellung und die äußeren Zeichen der Charakterisierung dem nachzuahmenden Milieu 1:1. Pordes räumte aber ein, dass dies ausschließlich bei darstellerisch nicht anspruchsvollen Figuren möglich sei. Wenn jedoch auf Charakterdarsteller zurückgegriffen werden müsse, dürfe dieser Ersatz der Wirklichkeit nicht bemerkt werden. D.h., die Figuren müssten wirklichkeitsgetreu und unauffällig in Bezug auf Schminke, Maske, Kostüm, Mimik, Gestik und Bewegung charakterisiert werden.55 Im Gegensatz zu Friedrich Porges und Urban Gad, die das Spezielle der Schauspielkunst im Stummfilm herausgearbeitet hatten, war Pordes noch stark in (traditionellen) Theaterkonventionen verhaftet. Er definierte den Filmschauspieler vor allem durch Merkmale, die ihm im Vergleich zum Theaterschauspieler fehlten. In diesem Sinne ist Pordes’ Auseinandersetzung mit dem Begriff „Filmschauspieler“ in der Komödie spannend, den er 1920 hinterfragte: „Schon beim Worte selbst beginnt der Zweifel. Filmschauspieler? Spielt denn ein Filmschauspieler zur Schau? Er sieht ja kein Publikum vor sich. Zeuge seines Spiels ist nur der ratternde Apparat. Also ein Filmdarsteller, Filmspieler vielleicht? Die Schau, das vor Zuschauern spielen, der Kontakt mit der Massenseele und die Anregungen und Erregungen, 56

die sich daraus ergeben, fehlen.“

Auch hier ging es dem Autor vorrangig darum, Abweichungen des Filmschauspiels von den Konventionen der Bühne hervorzuheben. Während sich Victor E. Pordes jedoch noch auf die Wesensähnlichkeit von Theater- und Filmschauspiel/er konzentrierte und die von der Bühne abweichenden Arbeitspraktiken auf den damaligen Stand der Technik zurückführte, begriff Béla Balázs die Eigenheiten des Stummfilms nur wenige Jahre später als zentrale Merkmale des Stummfilmschauspielers.

53 Ebd., S. 91 u. 160. 54 Ebd., S. 90. 55 Vgl. ebd., S. 90f. 56 Vi[c]tor E. Pordes: „Filmschauspieler“, in: Komödie 1/10 (1920), S. 19.

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4.1.4 Béla Balázs und die dichtenden Darsteller Im Vergleich zu den bisher besprochenen Autoren und Texten ist über Béla Balázs und Der sichtbare Mensch schon viel geschrieben worden. Die folgenden Ausführungen beziehen sich aber hauptsächlich auf die Suhrkamp-Ausgabe von 2001,57 da diese auch ein ausführliches Nachwort von Helmut H. Diederichs enthält, das Balázs’ Text in einen biografischen und theoriegeschichtlichen Kontext stellt. Diederichs, Experte für die Geschichte der frühen deutschsprachigen Filmtheorie, zeichnet darin das Bild einer ebenso vielseitigen wie umstrittenen Persönlichkeit nach: vom ungarischen Lyriker und Dramatiker, Drehbuchautor, Filmpraktiker, Märchenerzähler und Romancier über den kommunistischen Aktivisten, marxistischen Filmpublizisten und sozialistischen Filminternationalisten bis zum formästhetischen Filmtheoretiker und Medienpädagogen. 58 Dementsprechend engagierte sich der promovierte Germanist auch politisch, was ihm jedoch mehrmals zum Verhängnis werden sollte. So führte ihn seine aktive Beteiligung an der ungarischen Revolution 1918/19 nach Wien, wohin er Ende 1919 nach der militärischen Niederlage emigrierte. Hier war Balázs als Autor und Übersetzer (seiner eigenen Werke) tätig und sammelte erste filmpraktische Erfahrungen, da er ab 1921 Drehbücher für den Wiener Filmregisseur Hans Otto Löwenstein verfasste.59 Zudem arbeitete Balázs ab Herbst 1922 als Filmkritiker für die neugegründete Wiener Tageszeitung Der Tag.60 Bis Anfang 1925 schrieb

57 Vgl. Helmut H. Diederichs: „Nachwort. ‚Ihr müßt erst etwas von guter Filmkunst verstehen‘. Béla Balázs als Filmtheoretiker und Medienpädagoge“, in: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2001 (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1536), S. 115–147. 58 Vgl. ebd., S. 115. 59 Verfilmt wurden: KAISER KARL (Löwenstein, 1921) und DER UNBEKANNTE AUS RUSSLAND (Löwenstein, 1922). Vgl. Helmut H. Diederichs: „Béla Balázs und die Schauspieltheorie des Stummfilms: ‚Der sichtbare Mensch‘ und seine Vorläufer“, in: Wechsel-Wirkungen. Ungarische Avantgarde in der Weimarer Republik, hg. von Hubertus Gaßner, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Marburg: Jonas, 1986, S. 554–559, hier S. 556 [Filmografie]. 60 Die Tageszeitung Der Tag erschien in Wien ab 1922 und richtete sich an das (links-) liberale Bürgertum. Vgl. Helmut H. Diederichs: „Die Wiener Zeit: Tageskritik und ‚Der sichtbare Mensch‘“, in: Béla Balázs. Schriften zum Film, hg. von Helmut H. Diederichs, Wolfgang Gersch und Magda Nagy, Bd. 1: „Der sichtbare Mensch“. Kritiken und Aufsätze 1922–1926. München: Hanser, 1982; Berlin: Henschel, 1982; Budapest: Akadémiai Kiadó, 1982, S. 21–41, hier S. 28–30.

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Balázs dafür über 200 Filmkritiken, ein Teil davon sollte zur Basis seiner ersten filmtheoretischen Monografie werden: „Nach der Hälfte seiner Filmkritikerzeit resümiert[e] Balázs seine Gedanken und Positionen in seinem ersten filmtheoretischen Buch Der sichtbare Mensch, das im Frühjahr 1924 in Wien erschienen war.61 Mit der Veröffentlichung seines ersten Theoriewerks wurde Balázs rasch als Filmkunstkoryphäe im deutschsprachigen Raum und, durch Übersetzungen, ebenso in der Sowjetunion bekannt.62 Auch die österreichischen Filmzeitschriften veröffentlichten Texte von und über Balázs. Zum Beispiel druckte die Komödie 1924 unter dem Titel „Die Großaufnahme“ Teile seiner Monografie ab,63 die in derselben Ausgabe als „die erste ausführliche ästhetische Theorie der Filmkunst“64 bezeichnet wurde. Weitere Kapitel, ebenfalls zur Großaufnahme, erschienen in der Filmwelt im selben Jahr.65 Beide Zeitschriften veröffentlichten außerdem kurze Buchbesprechungen bzw. Kommentare zu Der sichtbare Mensch, in dessen Rahmen das Werk zu dem „Bemerkenswertesten, was man je über Film lesen konnte“66, gezählt und der Autor als Prophet gefeiert wurde, der die „vielgelästerte Filmkunst als Kunst“67 anerkannte. Darüber hinaus wurden auch Texte von Béla Balázs abgedruckt, wie z.B. „Vom feschen Leutnant bis zu Conrad Veidt und umgekehrt“68 oder „Der Film sucht seinen Dichter“69. Die österreichischen Filmzeitschriften konnten zudem darüber Aufschluss geben, dass Béla Balázs während seiner Zeit in Wien mehrere Vorträge gehalten hatte,70 u.a. zu folgenden Themen: „Autor und Regisseur im Film“ (16.11.1923,

61 Diederichs: „Nachwort“, S. 120. 62 Vgl. ebd. 63 Vgl. Béla Balázs: „Die Großaufnahme“, in: Komödie 5/9 (1924), S. 11 (Orig.: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, 1924, S. 73–75). 64 Ebd. 65 Vgl. Béla Balázs: „Vom ‚Einschneiden‘ der Großaufnahmen“, in: Die Filmwelt 6/7–8 (1924), S. 10 (Orig.: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, 1924, S. 76– 78). 66 O.N [k].: „Béla Balázs: Der sichtbare Mensch“, in: Komödie 5/18 (1924), S. 11. 67 O.N. [H.K.B.]: „Der sichtbare Mensch. Ein Buch über die Kultur des Films von Béla Balázs“, in: Die Filmwelt 6/14–15 (1924), S. 11. 68 Vgl. Béla Balázs: „Vom feschen Leutnant bis zu Conrad Veidt und umgekehrt“, in: Bettauers Wochenschrift 2/50 (1925), S. 19 (Orig.: Der Tag 431, 10. Februar 1924, S. 3). 69 Vgl. Béla Balázs: „Der Film sucht seinen Dichter“, in: Die Bühne 4/137 (1927), S. 30. 70 Vgl. auch Diederichs: „Die Wiener Zeit“, S. 39f.

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Klubräume des Filmbundes)71 und „Unbekannte Probleme des Films“ (26.02. 1924, Filmbund)72. Im Filmboten ist diesbezüglich zu lesen, dass Balázs für seinen „geistreichen“ Vortrag am 16. November 1923 „begeisterte Anerkennung“ erhalten hatte.73 Des Weiteren finden sich in der Bühne von 1925 und 1926 Kurzporträts von Béla Balázs. In der Ausgabe vom 5. November 1925 wurde er als Vertreter der jungen Kritikergeneration von Wien vorgestellt. Zu seinen kritischen Texten kann man dort lesen: „Balázs’ Kritiken sind aber merkwürdigerweise nicht lyrische, sondern ästhetische Betrachtungen, philosophische zumal. Dieser Kritiker gehört zu jenen (in Wien wenigen), von denen man mit Recht sagt: Er weiß viel. Bei Balázs kommt hinzu, daß er sich als Wissenden weiß und seine Erkenntnisse nicht anders vorträgt als ein Dozent der Theaterwissenschaft, als ein Dozent, nicht als Professor, lehrhaft also, ohne zu langweilen.“

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1926 erschien in der Bühne ein weiterer Artikel zu Balázs, dieses Mal mit dem Titel „Berühmte Wiener aus Budapest“.75 Neben Größen des österreichischen Kulturlebens wie Franz Lehár, Felix Salten oder Emmerich Kálmán wurde auch Béla Balázs gebeten, einen kurzen Kommentar zu seinen ungarischen Wurzeln abzugeben.76 Während er seine Beziehung zu seinem Vaterland mit dem „Ödipuskomplex“ und seine Muttersprache mit dem „Mutterimago“ beschrieb, sagte er über seine Zeit in Wien: „Jetzt ist es bald sechs Jahre her, daß ich mich aus Ungarn nach Wien entwickeln mußte. Es bekam mir sehr gut. Ich hoffe, daß es so weitergeht.“77 Doch Balázs blieb nicht in Wien, sondern ging 1926 nach Berlin. Später zog er weiter nach Moskau und Kasachstan, bis er schließlich nach Kriegsende 1945 nach Budapest zurückkehrte, wo er bald darauf am 17. Mai 1949 starb.

71 Vgl. o.N.: „Vortrag Béla Balász [sic!]“, in: Der Filmbote 6/47 (1923), S. 19. 72 Vgl. o.N.: „Vortrag Béla Balázs“, in: Der Filmbote 7/8 (1924), S. 22. 73 O.N.: „Vortrag Béla Balász [sic!]“, S. 19. 74 O.N. [Victor]: „Wiener Kritiker. Die jüngere Generation“, in: Die Bühne 2/52 (1925), S. 16f., hier S. 16. 75 Vgl. o.N.: „Berühmte Wiener aus Budapest“, in: Die Bühne 3/63 (1926), S. 12–15, hier S. 12. 76 Vgl. Béla Balázs: „Béla Balázs“, in: Die Bühne 3/63 (1926), S. 14. 77 Ebd.

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Der sichtbare Mensch ist für diese Arbeit aus zwei Gründen wichtig: Zum einen entstand Balázs’ filmtheoretisches Erstlingswerk während seiner Zeit in Wien, die ihn auch in filmkultureller Hinsicht prägte.78 Hier sammelte er erste filmpraktische Erfahrungen als Drehbuchautor, Hilfsregisseur und, laut Walter Fritz, auch als Statist.79 Zudem erlebte er als Filmkritiker die Wiener Kinokultur hautnah mit, weshalb es in seiner „Vorrede in drei Ansprachen“, in der er um die Anerkennung des Films als Kunst bittet, in Bezug auf das Kino als Volkskunst heißt: „[...] in Wien allein spielen allabendlich fast 200, sage zweihundert Kinos mit durchschnittlich 450 Plätzen. Sie geben drei bis vier Vorstellungen pro Tag. Das macht, mit dreiviertelvollen Häusern gerechnet, täglich fast 300 000 (dreihunderttausend!) Menschen in einer nicht sehr großen Stadt. Hat je eine Kunst so eine Verbreitung gehabt?“

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Neben dem Einfluss, den die Wiener Film- und Kinokultur offensichtlich auf Balázs hatte, ist zum anderen auch die Stellung, die Der sichtbare Mensch innerhalb der formästhetischen Filmtheorie einnimmt, von Bedeutung. Laut Helmut H. Diederichs stellt es das „Haupt- und Abschlusswerk der ‚Schauspielertheorie‘ des Films“81 dar, das die Ideen des – bis dahin nur in den (Fach-) Zeitschriften und selbstständigen Publikationen geführten – formästhetischen Theoriediskurses (bewusst oder unbewusst) aufgriff und weiterführte. Diederichs weist diesbezüglich aber darauf hin, dass hier auf keinen Fall an der Originalität von Balázs’ Werk gezweifelt werden dürfe: „[...] was die Vorkriegstheorie ahnungsvoll anriss, konnte Balázs eingehend und mit beeindruckenden Filmbeispielen belegen: Erst Balázs vermochte – nachdem er die filmkünstlerisch bedeutungsvollen Jahre 1920 bis 1923 als Praktiker und Kritiker begleitet hatte – eine umfassende, schlüssige und geschlossene, materialreich abgesicherte ästhetische Theorie des Stummfilms der Prä-Eisenstein-Ära zu liefern.“

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Der Definition Diederichs entsprechend zählt Der sichtbare Mensch heute vor allem deshalb zur Schauspielertheorie, weil für Balázs die Filmkunst vor der Kamera stattfand, also in der Inszenierung einer dramatischen Szene durch den

78 Vgl. auch Diederichs: „Die Wiener Zeit“, S. 31 u. 33. 79 Vgl. Fritz: Im Kino erlebe ich die Welt, S. 118. 80 Balázs: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 10f. 81 Diederichs: „Nachwort“, S. 127. 82 Ebd., S. 142.

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Regisseur und in der Darstellung einer Figur durch den Filmschauspieler lag. Balázs versuchte im Hauptkapitel „Skizzen zu einer Dramaturgie des Films“ das neue Medium als Kunst zu etablieren, was ihm zufolge aber nur gelingen könne, wenn man dieses von anderen Künsten unterscheide und medienspezifische Mittel definiere. In Abgrenzung zum Theater, zur Literatur und zur Pantomime bestimmte Balázs darum den Schauspieler, das Mienenspiel und die Großaufnahme als filmspezifische Mittel: „Für Balázs waren Schauspieler (‚dichtende Darsteller‘) und Regisseur die eigentlichen Dichter des Films. Das Mienenspiel galt ihm als die wesentliche Ausdrucksmöglichkeit, als ‚Filmsubstanz‘. Die Großaufnahme sah Balázs als ‚technische Bedingung der Kunst des Mienenspiels und mithin der höheren Filmkunst überhaupt‘.“

83

Als ein spezifisches Mittel des Films verstand Balázs demnach die nicht hörbare, dafür aber sichtbare Ausdruckskraft des Filmdarstellers, der mithilfe von Mimik und Gestik erzählen können sollte, was der Theaterschauspieler primär mit Worten auszudrücken vermochte. Für Balázs war die Schauspielkunst im Stummfilm aber dennoch nicht mit der Pantomime, die er als „Kunst der Stummheit“ bezeichnete, gleichzusetzen. Der Film sei nur lautlos, seine Stummheit eine Sache der Akustik. Das Sprechen im Film gehöre deshalb sogar „zu den stärksten mimischen Ausdrucksmitteln, die der Film“84 besitze. Folglich unterscheide sich der Stummfilmschauspieler nicht durch die fehlende Sprache vom Theaterschauspieler. Der Unterschied liege hingegen darin, dass man den Theaterschauspieler sprechen höre, den Filmdarsteller aber nur sprechen sehe. Letzterer könne sich darum ausschließlich durch seine nonverbalen Ausdrucksmittel verständlich machen. Hier sah Balázs einen großen Unterschied zur Bühne: Während Mimik und Gestik im Theater vornehmlich die Worte begleiten würden („Sprachgebärde“), sozusagen ein Zusatz seien, träten sie im Film an die Stelle des Gesagten („Gebärdensprache“). Das Äußere müsse das innere Empfinden also widerspiegeln können.85 Dadurch komme den Schauspielern und Regisseuren eine erhöhte Bedeutung zu, da sie auf diese Weise den Inhalt des Films gestalten würden: „Im Film geben uns Worte keinen Anhaltspunkt. Wir erfahren alles aus dem Gebär-

83 Diederich: „Zur Entwicklung der formästhetischen Theorie des Films“, S. 21. 84 Balázs: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 35. 85 Damit übernahm Balázs den Begriff der Physiognomik, den er nicht nur auf den Filmschauspieler, sondern auch auf Milieu, Dinge, Tiere und Landschaft im Film übertrug. Vgl. Diederichs: „Nachwort“, S. 128.

4. Beruf „Kinokünstler“ I | 141

denspiel, das nun keine Begleitung und auch nicht Form und Ausdruck, sondern einziger Inhalt ist.“86 Balázs machte den Filmschauspieler zusammen mit dem Filmregisseur so zu den „eigentlichen Dichter[n] des Films“87. In diesem Zusammenhang stellte er auch fest, dass es im Theater immer zwei Ebenen – das Drama und die Darstellung bzw. die Interpretation des geschriebenen Wortes durch Schauspieler und Regisseure – gebe, während beim Film nur eine Ebene für das Publikum relevant sei: die künstlerische Inszenierung vor der Kamera. Basierend auf seinem Originaltext von 1924 schrieb Balázs in einem Artikel der Bühne von 1927 zur „Einschichtigkeit“ des Films deshalb: „Wir können [beim Film, A.D.] nicht hinter der Darstellung ein selbstständiges Stück wahrnehmen und dieses unabhängig von der gelegentlichen Vorführung beurteilen. Das Publikum hat beim Film keine Kontrollmöglichkeit darüber, ob Regisseur und Schauspieler das Werk des Dichters gut oder schlecht dargestellt haben, denn sie bekommen dieses ursprüngliche Werk überhaupt nicht zu Gesicht. Die Darstellung hat die Dichtung gleichsam aufgesogen. Sie ist im Film nicht mehr vorhanden. Was wir sehen, ist nur das Werk der Darsteller. Sie sind die Dichter des Films.“

88

Zusammenfassend lässt sich folglich sagen, dass Balázs die Stummfilmdarstellung als nicht hörbare Kunst, die vor der Kamera stattfand, interpretierte. Dem Filmdarsteller standen zwar, wie auch dem Theaterschauspieler, nonverbale und verbale Ausdrucksmittel zur Verfügung, jedoch musste sich der Filmdarsteller aufgrund dessen, dass man ihn nicht hören konnte, verstärkt mittels Mimik und Gestik verständlich machen. Denn die Zuschauer konnten den Filmdarsteller nur durch die „sichtbare Sprache“ und nicht aufgrund der gesprochenen Worte verstehen. Durch den Einsatz dieser Sprache in Form von Mienen- und Gebärdenspiel wurde der Filmdarsteller zum Dichter des Films, der nicht die Worte eines anderen sprach, sondern einen eigenen Weg finden musste, um sich auszudrücken. Die Aufgabe der Großaufnahme, die Balázs als das filmspezifischste Mittel überhaupt galt, war es, den äußeren Ausdruck einer inneren Empfindung noch verständlicher und wirkungsvoller zu machen. Diederichs schreibt dazu:

86 Balázs: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 25. 87 Ebd. 88 Balázs: „Der Film sucht seinen Dichter“, S. 30.

142 | Schauspielen im Stummfilm

„Solange die Großaufnahme als bloßes Mittel zur Steigerung der Wirkung von Mimik und Gestik angesehen wird, bleibt sie Bestandteil der Schauspielertheorie des Films. Erst wenn die Eigenständigkeit der Großaufnahme als formästhetisches Mittel erkannt und beschrieben wird, befinden wir uns in der nächsten Phase der Filmform, der Kameratheorie.“

89

Die Ausführungen zu Balázs und den im Filmtheorie-Kontext unbekannteren Autoren konnten zeigen, dass auch Wiener Kulturschaffende maßgebliche Texte zur stummfilmästhetischen Schauspielertheorie beigetragen haben. Die ausgewählten Autoren stellen dabei aussagekräftige Beispiele für die einzelnen Entwicklungsphasen der formästhetischen Filmtheorie dar. Während Walter Friedemann und Victor E. Pordes in der Tradition der Vorkriegstheorie standen, die sich vornehmlich auf die dem Filmschauspieler im Vergleich zum Bühnendarsteller fehlenden Ausdrucksmittel konzentrierten, verfolgte Friedrich Porges ähnliche Interessen wie Urban Gad. Im selben Jahr (1919) schrieb Porges seine filmpraktischen Erfahrungen als Drehbuchautor und Filmregisseur nieder und definierte den Filmschauspieler als hauptberuflichen Künstler, die Filmschauspielkunst als eigenständiges Genre. Béla Balázs ging 1924 noch einen Schritt weiter, indem er den Filmschauspieler nicht nur als Künstler definierte, weil er sich vom Theaterschauspieler oder dem Pantomimen unterschied. Für Balázs war der Filmschauspieler vor allem deshalb ein Künstler, weil er die filmspezifischen Mittel nutzte und mithilfe seiner „sichtbaren Sprache“ (Mimik und Gestik) die Inhalte einer Szene bzw. die Gefühle einer Figur verständlich machte. Dadurch wurde der Filmschauspieler nicht nur zum Künstler, sondern auch zum Dichter. Der folgende Abschnitt wird nun die besprochenen schauspieltheoretischen Texte noch stärker in theoriegeschichtliche Kontexte einbetten und schließlich die Gemeinsamkeiten, auch unter Einbezug deutscher Theorieansätze, herausarbeiten. So können die vorgestellten Theorien in einem „großen Ganzen“ verortet bzw. von einer exemplarischen auf eine allgemeingültigere Ebene gebracht werden.

89 Diederichs: „Zur Entwicklung der formästhetischen Theorie des Films“, S. 21.

4. Beruf „Kinokünstler“ I | 143

4.2 KONTEXT I: SPIELARTEN STUMMFILMÄSTHETISCHER SCHAUSPIELERTHEORIEN In der Schauspielertheorie90 der Stummfilmzeit stand ein Thema besonders im Vordergrund: die Tonlosigkeit des Filmbildes. Daraus resultierte die Frage, wie der Schauspieler mit dem Fehlen des (hörbaren) Sprechens91 umgehen sollte. Die Antwort versuchten die zeitgenössischen Autoren sowohl im Vergleich als auch in der Abgrenzung zu Ausdrucksformen der Bühne zu finden. Doch obwohl kein stummfilmtheoretischer Ansatz ohne diese Gegenüberstellung auskam, war man sich nicht immer einig, mit welcher Form der Bühnendarstellung die Tätigkeit vor der Kamera zu vergleichen sei. Zudem stand immer auch die Frage im Raum, ob es sich beim Stummfilmschauspiel nicht eigentlich um eine eigenständige Kunstform und beim Stummfilmschauspieler um einen Künstler handelte, der sich grundsätzlich vom Pantomimen und vom Theaterschauspieler unterschied. Die Auswertung der österreichischen Filmzeitschriften der Stummfilmzeit sowie exemplarischer Texte der deutschen Stummfilmtheorie92 ließ daher insgesamt drei Theorieansätze erkennen: • StummfilmschauspielerInnen sind pantomimische DarstellerInnen. • StummfilmschauspielerInnen sind tonlose TheaterschauspielerInnen. • StummfilmschauspielerInnen sind genuine KinokünstlerInnen.

Zu jedem Ansatz konnten Beiträge aus den 1910er und 1920er Jahren gefunden werden, eine Periodisierung erschien aus diesem Grund nicht sinnvoll. Zum Beispiel ließen sich Vergleiche mit dem Pantomimen nicht nur in der Vorkriegszeit, sondern noch bis 1925 finden. Auch wenn es sich dabei um früher entstandene Texte handeln könnte, zeigt ein neuerlicher Abdruck, dass die in den Texten vermittelten Ideen noch nichts an Aktualität eingebüßt hatten.

90 Die Verfasserin hat sich für den Begriff Schauspielertheorie anstelle von Schauspieltheorie entschieden, um damit zu betonen, dass in den folgenden Kapiteln Theorien im Vordergrund stehen werden, die den Stummfilmschauspieler und seine Ausdrucksmittel ins Zentrum ihrer Überlegungen stellten. Stilistische Fragen werden an dieser Stelle nicht berücksichtigt. 91 Auch wenn es die ZuschauerInnen nicht hören konnten, gesprochen wurde im Stummfilm trotzdem. Vgl. Kapitel 5.2.4. 92 Die Verfasserin orientierte sich dabei an: Helmut H. Diederichs (Hg.): Geschichte der Filmtheorie. Kunsttheoretische Texte von Méliès bis Arnheim. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2004 (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1652), S. 167–196.

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4.2.1 Der Stummfilmschauspieler als pantomimischer Darsteller Eine Möglichkeit, den Stummfilmschauspieler und seine Mittel zu verorten, war der Vergleich mit dem Pantomimen bzw. der Pantomime. Die diesbezüglichen Theorien, in weiterer Folge Pantomime-Theorien genannt, zeichneten sich dadurch aus, dass der Wegfall des hörbaren Sprechens und die damit einhergehende Verlagerung auf Mimik und Gestik als nunmehr primäre Ausdrucksmittel des Schauspielers besonders hervorgehoben wurden. Gemeinhin wird die Pantomime als „Bühnenstück, das ohne Worte, nur durch Mienen- und Gebärdenspiel, Körperhaltung und Bewegung aufgeführt wird“ begriffen und der Pantomime als „Künstler, der ohne den Einsatz der Sprache, nur mit Hilfe seines Körpers sich seinem Publikum verständlich macht“ definiert.93 Diese allgemeine Auffassung der Begriffe lässt sich auch in vielen zeitgenössischen Texten finden, die tänzerische oder stilisierende Momente beiseite ließen, um ihren Standpunkt zu verdeutlichen. Von den AutorInnen wurde das Wort „Pantomime“ darum als Synonym für eine stumme Ausdruckskunst verwendet, bei der dem Stummfilmschauspieler der Körper als einziges Instrument zur Verfügung stand. Nur durch den Einsatz nonverbaler Ausdrucksmittel sollte der Schauspieler im Stummfilm das ausdrücken, was der Darsteller der Bühne mit Worten zum Ausdruck bringen konnte. Mimik und Gestik wurden daher als (einziger) Ersatz für das gesprochene Wort gesehen. Dazu schreibt Knut Hickethier: „[D]as Fehlen der Sprechkunst verlangte vom Schauspieler eine andere, intensivere mimische und gestische Ausdrucksweise. Statt eine, die Sprache begleitende und akzentuierende Körpersprache, wie sie das Literaturtheater erforderte, hatten Mimik und Gestik im Film sprachersetzend zu sein.“94 Befürworter dieser Theorie lehnten deshalb in der Regel das Sprechen im Film ab. Inneres (Emotionen und Affekte) sollte nur durch Äußeres (Mimik und Gestik) verständlich gemacht werden. Von den zu Beginn vorgestellten Wiener Theorieansätzen lassen sich Walter Friedemanns Texte von 1911 und 1912 eindeutig der Pantomime-Theorie zuordnen. Ein expliziter Vergleich zwischen Stummfilmschauspieler und Pantomimen findet sich hier zwar nicht,95 dennoch verstand Friedemann die nonverbalen

93 Sabine Lenk: „Pantomime“, Lexikon der Filmbegriffe, 2014, filmlexikon.uni-kiel.de/ index.php?action=lexikon&tag=det&id=6369, 12.04.2016. 94 Hickethier: „Schauspieler zwischen Theater und Kino in der Stummfilmzeit“, S. 35. 95 Für Friedemann war die Pantomime vor allem ein Beispiel dafür, dass der Schauspieler auch ohne Worte auskommen konnte. Vgl. Fried[e]mann: „Dichtung und Regie im Kinotheater“, S. 2.

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Ausdrucksmittel als Ersatz für das gesprochene Wort. Er verwehrte sich zudem gegen den übermäßigen Einsatz der Theatergesten und propagierte eine „Kultur des Körpers und der Gesichtsmuskeln“ (vgl. Kapitel 4.1.1). Ähnlich sah das auch der deutsche Fachjournalist Walter Thielemann, der 1913 den Körper als einziges Instrument und Ausdrucksmittel des Kinoschauspielers bestimmte.96 Der wahre Künstler sollte deshalb seine Empfindungen nur durch seinen Körper zum Ausdruck bringen: „Bei dem Spielen vor dem Apparat fallen [...] alle Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache fort, es kommt hierbei einzig und allein nur auf die Ausdrucksmittel der Pantomime und der Mimik an. [...] Des Kinoschauspielers einziges Instrument und sein einziges Ausdrucksmittel ist sein Körper. Er muß alle Regungen der Seele, alle Affekte durch seine Körperlichkeit zum Ausdruck bringen [...]. Wir verlangen vom Kinoschauspieler, daß er die Saiten seines Inneren so lebhaft in Schwingungen versetzt, daß wir mitempfinden können. Es muß die zur Natur zurückgekehrte Darstellungskunst sein, die wir vom Künstler fordern.“

97

Thielemann behielt seinen theoretischen Standpunkt auch in späteren Jahren bei. Zum Beispiel beschrieb er den Kinodarsteller 1922 erneut als pantomimischen Künstler, der in der Lage sein müsse, eine von einem Dichter erdachte Filmfigur nur mittels Pantomime und Gestik zu „veranschaulichen“.98 Im Gegensatz dazu hauche der Theaterschauspieler einer Rolle primär mithilfe seines rhetorischen Könnens Leben ein, wodurch jedoch das Mienen- und Gestenspiel immer hinter „dem Ausdruck des Wortes“ zurückbleibe.99 Thielemann, der hier einmal mehr den Unterschied zwischen Theater und Kino hervorhob, wollte damit zeigen, dass die Anforderungen an Bühnen- und Filmdarsteller sehr verschieden waren: „Die Filmkunst ist ein selbstständiger Kunstzweig. Dichtung, Darstellung und Inszenierung beruhen auf ganz anderen Prinzipien als die dreidimensionale Erscheinung des Theaters.“100

96

Vgl. Walter Thielemann: „Die Mimik der Kinoschauspieler (1913)“, in: Geschichte der Filmtheorie, hg. von Diederichs, 2004, S. 179–189 (Orig.: Der Kinematograph [7]/321 (1913), n.pag.).

97

Ebd., S. 183f.

98

Walter Thielemann: „Kinokunst und Theater“, in: Komödie 3/13–14 (1922), S. 9 (Orig.: Der Kinematograph 16/784 (1922), n.pag.).

99

Ebd.

100 Ebd.

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Der Körper als einziges Ausdrucksmittel, Mimik und Gestik als Ersatz für das gesprochene Wort, „Übersetzung“ von Emotionen in Körpersprache, Abgrenzung zum sprechenden Theaterschauspieler – all diese Merkmale des Vergleichs zwischen Stummfilmschauspielern und Pantomimen finden sich auch in den Beiträgen der österreichischen Filmzeitschriften. Bereits in der Kinematographischen Wochenschau von 1910 wird Stummfilmschauspiel mit „pantomimistischer“ Darstellung gleichgesetzt.101 Nach einem kurzen historischen Abriss zur Entwicklung der Pantomime stellte der anonyme Autor in Bezug auf die kinematografische Pantomime darum fest: „[H]ier spielt die Gebärde alles, sie muß das Wort ersetzen, die Handlung klar erkennen lassen. Dieser Unterschied zwischen Bühnenspiel und pantomimistischer Darstellung ist riesengroß [...].“102 Ebenfalls aus der Vorkriegszeit stammt eine Notiz aus dem Österreichischen Kometen, die über einen Vortrag in Berlin im Jahr 1913 berichtete.103 Darin heißt es, dass der Vortragende, Dr. J. Cohn-Wiener, hinsichtlich der Beziehung der Kinematografie zur Pantomime zum Schluss gekommen sei, dass sich Letztere nur auf das stumme Mienenspiel beschränken dürfe: „Die bisher vielfach angewandte Sprechtätigkeit, die ohne den Wortklang stilwidrig wirke, müsse fortfallen. Das Kino sei berufen, der Pantomime neue Geltung zu verschaffen. Es soll sich daher auch auf die Ausdrucksmittel beschränken, die dieser Gattung von Darstellungskunst bislang zu Gebote gestanden haben. Die beweglichen Gesten des Gesichtes und der Hände sollten hier wie dort zum Mittler des Gedankens werden. Das gesprochene 104

Wort gehört nicht auf die Leinwand, sondern auf die Bühne.“

Hier wird die Kritik an der Sprechtätigkeit konkret. Der Filmschauspieler solle sich auf das stumme Mienenspiel konzentrieren und das Sprechen dem Bühnendarsteller überlassen. Diesbezüglich kritisch äußerte sich auch die in Wien tätige Schriftstellerin und Herausgeberin Helene Littmann (1866–unbek.). Viele SchauspielerInnen vergäßen, dass die Filmdarstellung der Pantomime näher stehe als dem Sprechtheater und würden sich deshalb immer noch auf das gesprochene Wort verlassen. Dadurch komme es jedoch zu einer Vernachlässigung ihrer mimischen Fähigkeiten:

101 Vgl. o.N.: „Pantomimistische Darstellungen“, in: Kinematographische Wochenschau 1/47 (1910), S. 3–6. 102 Ebd., S. 5. 103 Vgl. o.N.: „Kino und Pantomime“, in: Österreichischer Komet 6/140 (1913), S. 5. 104 Ebd.

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„Nach wie vor fassen die meisten Darsteller ihre Rollen im Sinne des gesprochenen Wortes auf und vergessen, sich auf die gewohnte Wirkung desselben verlassend, der Mimik die hohe Stelle einzuräumen, die sie in der Kinematographie einzunehmen berufen ist. Damit verzichtet der Kinodarsteller auf eine seiner schönsten Aufgaben. In Augenblicken höchster dramatischer Erregung, in denen der Bühnenkünstler durch die Leidenschaftlichkeit und den erschütternden Klang seiner Stimme das Herz des Publikums ergreifen kann, bleibt dem Kinoschauspieler nur die stumme Geste. In der Lautlosigkeit des Kinospiels, in der Beschränkung seelischer Ausdrucksmittel liegt die wunderbare Kunst der Kinematographie [...].“105

Das Ideal sei es, für jede Emotion den richtigen Gesichtsausdruck zu finden und damit das Imitieren des Sprechens zu unterlassen.106 Im weiteren Verlauf des Artikels kritisierte die in Frauenfragen aktive Littmann auch, dass sich die Mimik der FilmschauspielerInnen deshalb noch nicht ideal entwickelt habe, weil man bei der Besetzung vor allem auf das Aussehen achte und das schauspielerische Können ins Hintertreffen gerate. Denn wie sei es sonst möglich, dass einem Darsteller mit ausdrucksloser Mimik große Rollen angeboten würden? 107 Damit sprach Littmann den SchauspielerInnenkult beim Film an, der das physisch attraktive und modisch gekleidete Äußere besonders von weiblichen Kinomimen über alle anderen Qualifikationen stellte (vgl. Abschnitt 5.1). Zwei weitere Pantomime-Beiträge, die in der Nachkriegszeit in den österreichischen Filmperiodika veröffentlicht wurden, sollen hier noch Erwähnung finden. Der erste stammt aus dem Kino-Journal von 1920.108 Darin definierte der Autor die nicht hörbare Sprache des Films als Ausdruckskunst, deren Ziel die Übersetzung von Empfindungen in Mimik und Gestik sei: „Die seelischen Spannungen, das innere Geschehen, die Regungen des Gemüts, all die Momente, die das Drama bestimmen[,] müssen hier in Ermangelung einer Uebertragung durch die Sprache in Gebärdenspiel übersetzt werden.“109 Die Übertragung von Emotionen in nonverbale Ausdrucksmittel sei die wahre Herausforderung für den Stummfilm/schauspieler, aber nur wenige würden sich dieser erfolgreich

105 Helene Littmann: „Die Mimik des Kinoschauspielers“, in: Neue Kino-Rundschau, Nr. 167–168 (1920), S. 10f., hier S. 10. 106 Vgl. ebd., S. 11. 107 Vgl. ebd., S. 10. 108 Vgl. W. Dehnertschmidt: „Die Sprache im Film“, in: Das Kino-Journal 15/647 (1922), S. 3f. Zum Autor konnten leider keine biografischen Informationen gefunden werden. 109 Ebd., S. 3.

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stellen. Diejenigen, die es jedoch geschafft hätten, hätten wahre Kunst – Ausdruckskunst – geschaffen.110 Der zweite Beitrag wurde im Filmboten 1925 veröffentlicht und trägt den Titel „Die Pantomime im Film“.111 Als Verfasser ist der deutsche Autor Oscar Geller angegeben, der sich bereits vor dem Krieg mit dem Zusammenhang zwischen Kino und Pantomime auseinandergesetzt hatte.112 Geller zufolge sei das „Primäre im Film“ das Optische und daher müsse die Pantomime Hauptbestandteil des Films sein.113 Die pantomimische Geste sei international verständlich, weshalb sie die einzige Sprache des Films sein dürfe: „Die pantomimische Geste ist die ursprünglichste und allgemein verständliche Ausdrucksform für menschliche Empfindungen des Gefühls. Sie ist so alt, wie die Menschheit selbst, und sie ist nicht, wie die Sprache, an die einzelnen Nationen und Grenzen gebunden, sie ist wahrhaft polyglott [...].“114 Der Vergleich mit dem Pantomimen stellte in den exemplarischen Beiträgen der Pantomime-Theoretiker auch eine Abgrenzung zum Schauspieler des Sprechtheaters dar. Die Handlung des Films, die Emotionen, Affekte und Gedanken einer Figur sollten durch den alleinigen Einsatz von Mimik und Gestik verständlich gemacht („übersetzt“) werden. Lippenbewegungen galt es folglich zu vermeiden, da sie für das Verständnis des Films ohne Bedeutung waren. Doch, wie zu Beginn erwähnt, ließen die Autoren Merkmale der Pantomime, die über die reine Verkörperung von Emotionen hinausgingen, außer Acht. Der als Nächstes vorgestellte Theorieansatz griff dieses Defizit auf und schied das Schauspielen im Stummfilm von der pantomimischen Darstellung.

110 Vgl. ebd. 111 Vgl. Oscar Geller: „Die Pantomime im Film“, in: Der Filmbote 8/9 (1925), S. 12– 14. 112 Vgl. Oscar Geller: „Kino und Pantomime“, in: Bühne und Welt 15/[19] (1913), S. [291]–295. 113 Geller: „Die Pantomime im Film“, S. 12f. 114 Ebd., S. 13.

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4.2.2 Der Stummfilmschauspieler als tonloser Theaterschauspieler „Sowohl Gegner als auch Befürworter [des Kinos, A.D.] erlagen [...] dem verbreitetsten Fehlurteil dieser Jahre: Aus dem Fehlen des Wortes und der notwendig zentralen Rolle von Mimik und Gestik schloß man auf die Identität des Films mit der Bühnenpantomime.“115 Was Helmut H. Diederichs allgemein für den Film bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs feststellt, kann ebenso für den Vergleich zwischen Filmschauspieler und Pantomimen gelten, der von einzelnen Autoren schon bald hinterfragt wurde. Die Vertreter der TheaterschauspielerTheorie116 verglichen den Filmdarsteller folglich nicht mehr mit dem Pantomimen, sondern mit einem Theaterschauspieler, der aufgrund des technischen Entwicklungsstandes des Films in seinen Ausdrucksmitteln beschränkt war. Der Stummfilmschauspieler war demnach ein Schauspieler auf einer zweidimensionalen, farb- und tonlosen „Lichtspielbühne“, den man nicht, wie im Theater, unmittelbar erleben, sehen und hören konnte. Im Gegensatz zur PantomimeTheorie wurde das tonlose Sprechen im Film deshalb nicht mehr rigoros abgelehnt, sondern als technische Tatsache verstanden, die sich durch Neuerungen auf dem Gebiet der Filmtechnik ohnehin bald ändern würde. Einer, der sehr früh erkannte, dass sich die Schauspielkunst im Stummfilm wesentlich von der Pantomime unterschied, war der deutsche Filmtheoretiker Herbert Tannenbaum.117 Der promovierte Jurist, der als einer der ersten filmästhetischen Theoretiker Deutschlands gilt, beschäftigte sich im Rahmen der KinoDebatte(n) zwischen 1912 und 1914 ausführlich mit dem künstlerischen Potenzial des Kinos und leitete aus dem Vergleich mit der Bühne Entwicklungsmöglichkeiten für das Stummfilmdrama ab. Als sein Hauptwerk gilt Kino & Thea-

115 Diederichs: Frühgeschichte deutscher Filmtheorie, S. 248. 116 Der Begriff wurde von der Verfasserin gewählt, um den Vergleich zwischen Schauspielern der „Kinobühne“ mit jenen der Sprechtheaterbühne hervorzuheben bzw. um den Begriff von anderen Theorieansätzen innerhalb der stummfilmästhetischen Schauspielertheorie abzugrenzen. 117 Zum detaillierten biografischen Kontext vgl. Helmut H. Diederichs: „Herbert Tannenbaum – der erste deutsche Filmtheoretiker“, in: Der Filmtheoretiker Herbert Tannenbaum, hg. von Helmut H. Diederichs. Frankfurt a.M.: Deutsches Filmmuseum, 1987 (= Kinematograph 4), S. 7–30.

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ter118, eine 36-seitige Broschüre, die sich mit Dramaturgie, Darstellung, Ausstattung und Regie im Vergleich zwischen Kino- und Theaterdrama bzw. Lichtbildund Theaterbühne befasste. Es folgten weitere Veröffentlichungen in deutschen Zeitschriften, aber seine grundlegendsten Ideen hatte Tannenbaum bereits 1912 formuliert und in seinen späteren journalistischen Publikationen nur noch variiert.119 In Kino & Theater sah Tannenbaum, im Vergleich zu den Vertretern der Pantomime-Theorie, keinerlei Ähnlichkeit zur Körpersprache des Pantomimen, wie man auch in einem teilweisen Abdruck von Tannenbaums Text im Österreichischen Kometen von 1915 lesen kann: „Diese [suggestiv eindringliche und seelisch fundierte, A.D.] Körpersprache entspricht in ihrer grundsätzlichen, stilistischen Wesensart der des sprechenden Menschen, des sprechenden und agierenden Schauspielers [...] in wesentlich intensieverem [sic!] Maße. Hierdurch trennt sich die Kinodarstellung scharf von der Darstellung [d]er Pantomime, ein Unterschied[,] der über dem beiden Ausdrucksgattungen gleichen Moment der Stummheit durchaus übersehen wird. Die Pantomime ist rhythmischer, gebändigter Tanz, und ihr Grundprinzip ist ornamentale, stilisierte Bewegung. Das Prinzip des Kinos ist die Handlung, die Tat. Bei der P[a]ntomime [...] muß die Körpersprache ganz verschieden sein von den alltäglichen Begleitbewegungen zu Wort und Rede. Sie ist tänzerische Gestaltung seelischer Regungen, ‚kristallisierter Tanz‘. Man stelle sich nur vor, die Schauspieler bewegten bei der Pantomime die Lippen wie zum Sprechen, und man wird das Stillose und Unorganische empfinden und damit den Unterschied von Kinodarstellung und Pantomime 120

erkennen.“

Beide Ausdrucksformen waren zwar stumm, aber Tannenbaum war der Erste, der nicht länger die tänzerischen und stilisierenden Merkmale der Pantomime ignorierte. Dass es hier im Gegensatz zur Filmdarstellung auch eine musikalische Komponente zu berücksichtigen gab, war den StummfilmschauspielerInnen selbst durchaus bewusst. In einem Interview anlässlich eines Gastspiels in Wien betonte z.B. Lyda Salmonova, dass der Pantomime ein musikalisches Empfinden

118 Vgl. Herbert Tannenbaum: „Lichtspielbühne und Theaterbühne (1912)“, in: Geschichte der Filmtheorie, hg. von Diederichs, 2004, S. 167–178 (Orig.: Kino & Theater. München: Steinebach, 1912, S. 17–30). 119 Vgl. Diederichs: Frühgeschichte deutscher Filmtheorie, S. 98–100. 120 Herbert Tanne[n]baum: „Kinodarsteller und Bühnendarsteller“, in: Österreichischer Komet 8/253 (1915), S. 6f., hier S. 7 (Orig.: Kino & Theater, 1912, S. 19–21).

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haben müsse, während der Filmkünstler eine rein schauspielerische Begabung benötige.121 Herbert Tannenbaum schied aber nicht nur die Kinodarstellung von der Pantomime, sondern verwies ebenso darauf, dass die Körpersprache im Stummfilm im Wesentlichen der des „sprechenden und agierenden Schauspielers“ gleiche. Damit machte er den Stummfilmdarsteller zum tonlosen Abbild des Theaterschauspielers. Tannenbaum war zwar bemüht, auch den Unterschied zwischen Kino- und Bühnendarsteller herauszuarbeiten, indem er von letzterem eine intensivere Mimik und Gestik bzw. einen „ganz neue[n] Stil der Schauspielkunst“ forderte; doch letztendlich definierte Tannenbaum den Filmdarsteller vorrangig durch den Vergleich mit dem Theaterschauspieler und den ihm fehlenden Ausdrucksmitteln. Denn was den Filmdarsteller grundsätzlich vom Theaterschauspieler unterscheide, sei, dass man ihn nicht hören könne. Zudem sei Ersterer nur als schwarzweißes und zweidimensionales Abbild der Realität auf der Kinoleinwand zu sehen. Während also der Theaterschauspieler durch Wort und Sprache wirke, müsse sich der Filmdarsteller auf seinen Körper/-ausdruck stützen. Dem Filmdarsteller stünden daher im Grunde dieselben Ausdrucksmittel zur Verfügung wie dem Theaterschauspieler, nur dass im Stummfilm aufgrund technischer Einschränkungen die nonverbalen Ausdrucksmittel in den Vordergrund rücken würden und differenzierter eingesetzt werden müssten. Immerhin war ein nuanciertes Mienen- und Gebärdenspiel nun mittels Großaufnahme bis in die letzten Reihen sichtbar.122 Tannenbaum hatte bereits 1912 vieles angedacht, was Béla Balázs in seiner Theorie von 1924 weitertrug.123 Insbesondere griff Balázs die Abgrenzung zur Pantomime auf: „Die Pantomime ist nicht nur für das Ohr, sondern auch für das Auge stumm. Keine stumme Kunst, sondern eine Kunst der Stummheit. Sie ist das Traumland des Schweigens. Der Film ist aber nur lautlos.“124 Der Stummfilmschauspieler war laut Balázs also kein Pantomime, sondern nur ungewollt tonlos. Aus diesem Grund lehnten sowohl Balázs als auch Tannenbaum – im Gegensatz zu den Vertretern der Pantomime-Theorie – das Sprechen im Film

121 Vgl. o.N. [K.I.]: „Lyda Salmonova-Wegener über Pantomime und Film“, in: Komödie 4/19 (1923), S. [3]. 122 Tanne[n]baum: „Kinodarsteller und Bühnendarsteller“, S. 7. 123 Allerdings lässt sich bis heute kein Beweis dafür finden, dass Balázs Tannenbaums Text tatsächlich gekannt hatte. Vgl. Diederichs: „Béla Balázs und die Schauspieltheorie des Stummfilms, S. 556–559. 124 Balázs: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 35.

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nicht mehr ab. Tannenbaum bemerkte diesbezüglich in einem Artikel von 1913/14: „Man hat es auch beim Film schon als eine Stillosigkeit bezeichnet, daß die Schauspieler die Mundbewegungen des Sprechens ausführen, obgleich man keine Worte hörte und hören kann. Dagegen ist zu sagen, daß die Bewegungen des Mundes lediglich als mimisches Ausdrucksmittel dienen, genau so wie etwa das Hochziehen der Augenbrauen, das Rollen der Augen oder die Gesten der Hände.“

125

Die Theaterschauspiel/er-Theorie zeichnete sich also einerseits dadurch aus, dass sie die Stummfilmdarstellung von der Pantomime abzugrenzen versuchte. Andererseits war ihr aufgrund des Vergleichs mit der wesensverwandten Bühnendarstellung eine filmspezifische Schauspielkunst bzw. eine eigenständige Künstlerschaft noch fremd. Im Gegensatz dazu kamen Tannenbaum und Balázs jedoch zusätzlich zu dem Schluss, dass der Stummfilmschauspieler nicht nur etwas anderes sei als ein Pantomime, sondern sich auch grundlegend vom Theaterschauspieler unterscheiden solle. Daher gestanden ihm beide Autoren ein produktives und kreatives Potenzial zu (vgl. Kapitel 4.2.3). Als eindeutiger Vertreter der Theaterschauspiel/er-Theorie muss hingegen Victor E. Pordes gelten (vgl. Kapitel 4.1.3), der 1919 in seiner Monografie Das Lichtspiel keine Wesensveränderung in Bezug auf die Filmschauspielerei feststellen konnte. Sie sei weder Pantomime noch Tanz, habe sich also „weder rhythmisch noch anderswie zu stilisieren“, sondern mache aus dem Filmdarsteller aufgrund von „Begleiterscheinung[en] des photographischen Prinzips“ schlichtweg einen Theaterschauspieler, den man nicht hören könne.126 Darum heißt es bei Pordes: „Das Wort [...] verläßt [...] den Schauspieler, es folgt ihm auf dem Film nicht mit.“127 Abweichungen zum Theaterschauspiel/er interpretierte Pordes als „reine Zwecks- und nicht Wesensunterschiede“, also als technisch bedingte Nuancen.128 Im Nachwort zu seiner Filmdramaturgie gab Pordes deshalb seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Mängel des Kinos, die den Stummfilm flächig, ohne Ton und Farbe erscheinen ließen, durch den technischen Fort-

125 Herbert Tannenbaum: „Probleme des Kinodramas (1913/14)“, in: Geschichte der Filmtheorie, hg. von Diederichs, 2004, S. 190–196, hier S. 194 (Orig.: Bild & Film 3/3–4 (1913/14), S. 60–63). 126 Pordes: Das Lichtspiel, S. 84. 127 Ebd., S. 20. 128 Ebd., S. 84.

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schritt allmählich beseitigt werden könnten.129 Doch er lag mit seinen Prognosen nicht ganz richtig, als er schrieb: „Der sprechende Film stellt gewiß die technisch schwierigste Errungenschaft dar. Von allen gewünschten [Farb-, 3D- und Tonfilm, A.D.] liegt sie auch verhältnismäßig am fernsten.“130 Anders als bei Béla Balázs kann man bei Victor E. Pordes übrigens mit Sicherheit davon ausgehen, dass er Herbert Tannenbaums Werk Kino & Theater kannte. In der Einleitung zu Das Lichtspiel ging Pordes nämlich auf die bisherige Genese der Filmtheorie ein und kritisierte, dass die Theoretiker den Entwicklungen in der Praxis hinterherhinken würden. Die meisten Autoren würden sich immer noch an den Anfängen des Kinos und dessen Attraktionswert orientieren, aber nicht dessen Potenzial zur Kunst anerkennen. Nur wenige Publikationen wie Herbert Tannenbaums Kino & Theater seien eine löbliche Ausnahme.131 Während die Pantomime- und die Theaterschauspieler-Theorie gut voneinander abgegrenzt werden können – eindeutiges Merkmal ist die jeweilige Position zum Sprechen im Film –, ist die Grenze zwischen der TheaterschauspielerTheorie und den im nächsten Kapitel ausführlich besprochenen Theorien zur eigenständigen Künstlerschaft des Stummfilmschauspielers nicht immer klar zu erkennen. Beide Ansätze grenzten den Filmdarsteller vom Pantomimen ab und verglichen diesen mit dem Theaterschauspieler. Der Unterschied lag jedoch darin, ob zwischen dem Filmschauspieler und dem Bühnendarsteller ein Wesensunterschied erkannt wurde. Für die Vertreter der Theaterschauspieler-Theorie war der Stummfilmdarsteller ein zweidimensionaler, farb- und tonloser Theaterschauspieler, der aufgrund von technischen Mängeln zu einem differenzierten Einsatz von Mimik und Gestik gezwungen wurde. Die Vertreter der im Folgenden vorgestellten Theorie erhoben den Stummfilmschauspieler hingegen zu einem produktiven Künstler, der sich stark von den Ausdrucksmitteln anderer darstellender Künste, insbesondere jenen des Theaters und der Pantomime, ablösen sollte, um eine eigenständige, den stummfilmeigenen Mitteln gemäße künstlerische Leistung erbringen zu können.

129 Vgl. ebd., S. 149–152. 130 Ebd., S. 151. Pordes war dem „sprechenden Film“ gegenüber skeptisch, da es seiner Meinung nach kaum gelingen könne, eine wirklichkeitsgetreue und synchrone Tonwiedergabe zu erreichen. 131 Vgl. ebd., S. 14.

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4.2.3 Der Stummfilmschauspieler als genuiner Kinokünstler Die Idee, StummfilmschauspielerInnen als eigenständige KünstlerInnen und ihre Kunst als eigenständiges Genre zu begreifen, wird gerne mit Béla Balázs und dem Jahr 1924 assoziiert. Es gibt jedoch auch schon frühere Beispiele für diesen Theorieansatz, der im weiteren Verlauf als Kinokünstler-Theorie bezeichnet werden soll. Unter anderem veröffentlichte Herbert Tannenbaum, der als Filmtheoretiker im vorigen Kapitel bereits besprochen worden ist, in einer Ausgabe der deutschen Zeitschrift Bild & Film 1913/14 einen Artikel, der sich dem Kinodrama, seiner Handlung sowie den Mitteln der Schauspieler und der Ausstattung widmete.132 Schon 1912 schrieb Tannenbaum im Rahmen seiner Ausführungen zum Filmdarsteller, den er vor allem vom Pantomimen abgegrenzt wissen wollte und als nicht hörbar agierenden Schauspieler definierte: „Die Kinokunst tritt als isolierte Ausdruckskunst zwischen Theater und Pantomime.“133 Dass der Kinoschauspieler aber noch mehr war als ein tonloser Ausdruckskünstler, wird in Tannenbaums Text von 1913/14 deutlich: „Neben dem Kinodichter ist der Kinoschauspieler ein produktiver Künstler, wenn es wahr ist, daß die Schauspielkunst in der Verlautlichung lediglich reproduzierend, in der Verkörperung selbstschöpferisch ist. Ganz gewiß ist dem Schauspieler des Kinos ein weit größerer Spielraum zur individuellen Gestaltung seiner Rolle gegeben als dem Schauspieler der Sprechbühne, der durch die gegebenen Textworte in großem Maße an den Dichter und sein Wollen gekettet ist.“134

Im Vergleich zu 1912 stand der Kinoschauspieler nun gleichberechtigt neben dem Kinodichter. Er wurde zum Akteur, der aktiv die Inhalte des Films mitgestalten und so den „subjektiv-einheitlichen Prozeß des Kunstschaffens“ seitens des Dichters aufbrechen könne. Damit habe er einen größeren Interpretationsspielraum bei der Gestaltung seiner Rolle als ein Theaterschauspieler, der an den Dramentext gebunden sei. Doch auch der Stummfilmschauspieler solle den Intentionen des Dichters verpflichtet sein. Um nicht den Eindruck zu erwecken, dass der Schauspieler gänzlich freie Hand habe, schlug Tannenbaum vor, dass der Kinodichter im „schriftlichen Szenarium“ seine Intentionen so klar darlegen solle, dass der Kinoschauspieler dann mithilfe des Kinoregisseurs als „geschick-

132 Vgl. Tannenbaum: „Probleme des Kinodramas (1913/14)“, S. 190–196. 133 Tanne[n]baum: „Kinodarsteller und Bühnendarsteller“, S. 7. 134 Tannenbaum: „Probleme des Kinodramas (1913/14)“, S. 192f.

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te[m] Mittelsmann“ seine Rolle in einem vorher abgesteckten Rahmen entwickeln könne – nur so erscheine „das endgültige Werk als der Ausdruck eines einheitlichen Kunstwollens“.135 Der Schauspieler als Produzent bzw. Akteur ist eine Idee, die an Balázs’ Konzept des dichtenden Schauspielers erinnert. Einmal mehr scheint Helmut H. Diederichs Recht zu behalten, wenn er darauf hinweist, dass Balázs’ Ideen eine Weiterentwicklung der formästhetischen Filmtheorie darstellen. Denn erst Balázs gelang es, den Film und die Schauspieler klar vom Theater, von der Pantomime und der Literatur abzugrenzen. Vermeintliche Defizite, besonders die Tonlosigkeit des Films betreffend, wurden nun als stummfilmspezifische Eigenheiten verstanden, die das kreative Potenzial des Filmdarstellers, das im verstärkten Einsatz des sichtbaren Ausdrucks lag, steigern konnten. Bei Balázs ist der Stummfilmschauspieler deshalb kein reproduzierender Interpret von Inhalten, sondern wird als aktiv mitgestaltender Ausdruckskünstler verstanden, der sich sowohl von der Pantomime als auch vom Theaterschauspieler wesentlich unterschied (vgl. Kapitel 4.1.4). Stellen Tannenbaum und Balázs den Anfang und den Höhepunkt der stummfilmästhetischen Schauspielertheorie allgemein und der Kinokünstler-Theorie im Speziellen dar, so gibt es auch noch weitere Texte, die zwischen 1913/14 und 1924 entstanden waren und hier Erwähnung finden sollten. Einer dieser Texte ist jener von Friedrich Porges von 1919. Zwar ist Fünfzig Meter Kinoweisheit ähnlich Urban Gads Der Film ein in der Praxis fußendes Handbuch, dennoch kann das Kapitel „Der Filmkünstler“ eindeutig der Kinokünstler-Theorie zugeordnet werden. Porges sprach von einer „Spezialklasse von darstellenden Künstlern“, einer „eigene[n] Kategorie von ausübenden Künstlern“ und einer „neuen Kunst des Schauspielers“ überhaupt.136 Er verstand den Stummfilmschauspieler folglich als Kinokünstler, der die darstellende Kunst um ein Genre erweitere. Ebenbürtig stehe der Filmkünstler daher neben dem Bühnenkünstler des Sprech- und Musiktheaters, von dem er sich in Bezug auf die Arbeitsanforderungen und -bedingungen wesentlich unterscheide (vgl. Kapitel 4.1.2). Um den Stummfilmschauspieler als eigenständigen Künstler anerkennen zu können, war es den meisten Autoren der Kinokünstler-Theorie wichtig, festzustellen, dass dieser eigene künstlerische Mittel und Wege finden musste. Das war auch den SchauspielerInnen bewusst, wie ein Artikel des Kino-Journals von

135 Ebd., S. 193. 136 Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 32f.

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1921 zeigt.137 Darin bemerkte Kurt Ehrle (1884–1967), ein in Österreich tätiger deutscher Schauspieler, dass sich die Schauspielkunst im Film endgültig von der Bühne lösen müsse: „Berufene und Unberufene haben oft über die Kunst im Film gesprochen und geschrieben und sind – es sei gleich gesagt – am Wesentlichen vorbeigegangen. Wenn man die Frage stellt, ob Film etwas mit Kunst zu tun habe, so muß ich als Schauspieler darauf erwidern, daß die Darstellung einer Figur im Film sehr wohl Kunst sein kann, nur muß sie in Form und Ausdruck eigene Wege gehen. Das ist ja das große Mißverständnis, daß man vielfach heute noch beim Film nach denselben Gesetzen Form und Ausdruck sucht wie auf der Bühne.“

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Ehrle verstand, dass der Schauspieler beim Film nicht den Gesetzen der Bühne gehorchen durfte. Dennoch gingen seine übrigen Ausführungen zu einer Interpretation in Richtung Pantomime über: Während auf der Bühne das Wort und die menschliche Stimme vorherrschen würden, stehe beim Film der Körper als wesentliches Ausdrucksmittel im Vordergrund. Das gesprochene Wort solle dementsprechend gänzlich unterlassen werden.139 Ein weiteres Beispiel für einen Text eines Filmpraktikers, der den Stummfilmschauspieler als eigenständigen Künstler begriff, ist ein ebenfalls im KinoJournal veröffentlichter Artikel von Karl Grune (1885/90–1962) aus dem Jahr 1925.140 Grune, ein aus Wien stammender Filmregisseur, grenzte darin den Film von anderen Künsten (Theater, Drama, Roman) ab und erkannte, dass dieser zukünftig „ein eigenkünstlerisch produktives Ausdrucksmittel“ werden müsse. Zu diesem Zweck definierte Grune die Bewegung als Hauptelement des Films und des Schauspielers. Im Gegensatz zum Theater dürfe der Film deshalb kein Ensemble mit „Sprech-Schauspieler[n]“, sondern eines mit „Bewegungs-Schauspieler[n]“ zusammenstellen.141

137 Vgl. Kurt Ehrle: „Der Darsteller im Film“, in: Das Kino-Journal 14/604 (1921), S. 5f. 138 Ebd., S. 5. 139 Vgl. ebd., S. 5f. 140 Vgl. Karl Grune: „Der Film ist Bewegungskunst“, in: Das Kino-Journal 18/758 (1925), S. 2 u. 4. 141 Ebd.

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Die Einbettung der Wiener Theorieansätze in den theoriegeschichtlichen Kontext konnte zeigen, dass sich im Grunde alle Schauspielertheorien mit denselben Aspekten befassten: mit dem fehlenden Ton bzw. dem nicht hörbaren Sprechen im Film, mit dem Bildhaften und damit einhergehend mit dem möglichst idealen Einsatz der nonverbalen Ausdrucksmittel, schließlich mit dem Körper als einzigem und zentralem Ausdrucksmedium des Filmdarstellers. Der Unterschied lag jedoch darin, wie die einzelnen Theorien die genannten Aspekte interpretierten. Fehlte dem Stummfilmschauspieler der Ton oder war der fehlende Ton das Merkmal der neuen Schauspielkunst?142 War der Stummfilmschauspieler bloß ein tonloser „Hampelmann“ oder aktiv mitgestaltender Künstler, der ein kreatives Potenzial besaß? Wie gezeigt werden konnte, wurden diese Fragen je nach Theorieansatz anders beantwortet. Für die Pantomime-Theoretiker stellte der fehlende Ton kein Problem dar, da der Fokus des Stummfilmschauspielers ohnehin auf seinen nonverbalen Ausdrucksmitteln liegen sollte. Dementsprechend lenkte das tonlose Sprechen von seiner Körpersprache ab, mit deren Hilfe der Darsteller Gefühle und Inhalte in ein Gesten- und Mienenspiel „übersetzte“. Die Theaterschauspieler-Theoretiker sahen hingegen im fehlenden Ton ein technisches Manko, das bis zur Weiterentwicklung des Films bestehen würde. Der Filmdarsteller war dieser Auffassung nach nichts anderes als ein sprechender und agierender Theaterschauspieler, den man nur nicht hören konnte und der sich deshalb mithilfe von Mimik und Gestik verständlicher machen musste, als er dies auf der Bühne tat. Die Kinokünstler-Theoretiker begriffen schließlich die Abwesenheit des hörbaren Sprechens als stummfilmspezifische Eigenheit, die das wahre Potenzial des Schauspielers zur Geltung brachte. Dieser wurde nun, vom Übersetzer und „Verkörperer“ der Filminhalte, zum Akteur, der bei der Interpretation seiner Rolle einen großen Spielraum hatte. Der Stummfilmschauspieler wurde – in der Theorie – nicht zuletzt durch Béla Balázs zum eigenständigen Künstler, dessen Tun sich von anderen Künsten, insbesondere der Pantomime und des Theaters, abgrenzte.

142 An dieser Stelle soll auch angemerkt werden, dass die Stummfilmdarstellung nicht nur durch den fehlenden Ton, sondern auch durch fehlende Plastizität, Unmittelbarkeit und Farben (sofern die Bilder nicht nachträglich koloriert wurden) gekennzeichnet war. Diese Aspekte wurden in den Stummfilmtheorien allgemein in Bezug zum Film besprochen, der Stummfilmschauspieler wurde hingegen immer am Bühnendarsteller gemessen – und in diesem Vergleich stach besonders der nicht vorhandene Ton hervor, der im Fokus jeder Schauspielertheorie stand.

158 | Schauspielen im Stummfilm

4.3 KONTEXT II: ZEITGENÖSSISCHE KONZEPTE DES BÜHNENDARSTELLERS Nachdem die Wiener Theorieansätze zur Definition des Stummfilmschauspielers nun in allgemeineren filmtheoretischen Kontexten verortet werden konnten, scheint es als Nächstes notwendig zu sein, sich auch mit den zeitgenössischen Konzepten des Schauspiel/er/s auseinanderzusetzen. Denn um die Vergleiche der stummfilmästhetischen Schauspielertheorien mit dem Bühnendarsteller (Theaterschauspieler, Pantomime) einordnen zu können, muss man verstehen, welches Bild die Autoren des beginnenden 20. Jahrhunderts mit Letzterem assoziierten. Analog zu den theaterhistorischen Entwicklungen in Europa ließ auch die Wiener Theatergeschichte zwei zentrale Strömungen erkennen: Zum einen hielt man an den veristischen Bühnentraditionen fest, deren Ziel seit Jahrhunderten die Nachahmung der Wirklichkeit war; zum anderen begannen die Vertreter der historischen Theateravantgarde(n) mit den mimetischen Spieltraditionen zu brechen. Man wandte sich gegen realistische und naturalistische Tendenzen und versuchte neue Ausdrucksmöglichkeiten für das Theater zu finden. Für die Schauspielkunst bedeutete dies, dass neben wirklichkeitsabbildenden Traditionen nun auch antimimetische Stile aufkamen, die den Schauspieler in seiner zentralen Bedeutung im Theatersystem zurückdrängen und sich auf seinen Körper bzw. seine Bewegung im Raum konzentrieren wollten. In diesem Sinne kann auch die Wiederentdeckung der Pantomime in Wien verstanden werden, die einen Versuch des Literaturkreises Jung-Wien darstellte, ihrer Sprachkritik Ausdruck zu verleihen. Die experimentelle Auseinandersetzung mit der nonverbalen Körperkunst (Pantomime, Tanz143) stellte einen Höhepunkt des allgemeinen Interesses an körperbasierten Ausdrucksformen dar. Im Folgenden werden die skizzierten Entwicklungen im Hinblick auf die sich im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts verändernde Wahrnehmung des Bühnendarstellers erörtert. Da es hierzu bereits Forschungsarbeiten gibt, sollen die nachstehenden Ausführungen vorrangig einen zusammenfassenden Überblick über die theaterhistorischen und schauspieltheoretischen Entwicklungen geben, die sich parallel zu den Theoretisierungsversuchen den Stummfilm/schauspieler betreffend abzeichneten und die ohne Zweifel auch auf die filmtheoretischen Texte zurückwirkten.

143 Zur Entwicklung des Tanzes in Wien von 1900 bis 1938 vgl. Gunhild OberzaucherSchüller: „Der Freie Tanz in Wien bis 1938“, in: Österreich tanzt. Geschichte und Gegenwart, hg. von Andrea Amort und Mimi Wunderer-Gosch. Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2001, S. 54–68.

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4.3.1 Festhalten an veristischen Spieltraditionen Mit „Schauspieler und Kino“144, „Kinodarsteller und Bühnendarsteller“145 sowie ähnlichen Titeln sind zahlreiche Beiträge der stummfilmästhetischen Schauspielertheorie überschrieben, die einen Vergleich zwischen Kino und Bühne anstrebten. Auffällig an den unterschiedlichen Theorieansätzen ist, dass die jeweiligen Autoren den Filmschauspieler im Speziellen und den Film im Allgemeinen an der konventionellen Bühnentradition der illusionistischen Wirklichkeitsabbildung maßen. Theaterreformistische und -avantgardistische Konzepte, die mit der Jahrhundertwende ihren Ausgang nahmen, wurden hingegen so gut wie nie für die Vergleiche heranzogen. Der Grund dürfte darin zu finden sein, dass dem Film von Beginn an ein realitätsabbildendes Potenzial zugesprochen wurde,146 das diesem die Möglichkeit bot, näher an die (vermeintliche) Wirklichkeit heranzukommen als das Theater. Viele Autoren, insbesondere die Kinobefürworter unter ihnen, waren deshalb davon überzeugt, dass nunmehr der Film zum Spiegel der Natur geworden war, und stempelten das Theater mit seinen oft sichtbaren Illusionstricks und übertriebenen Darstellungsweisen als „Unnatur“ ab. Die Wirklichkeitsnähe wurde so zum entscheidenden Qualitätskriterium für den Film, was auch Victor E. Pordes 1919 betonte: „Jede augenscheinlich künstliche Maske wirkt im Film genau so abstoßend, wie es im Leben eine Perücke oder ein angeklebter Bart tun würde. Sie wirken eben wie Unnatur, wie Theater. Damit verstoßen sie gegen das innerste Gesetz des Lichtspiels und seiner Regie. Denn dieses besteht darin, daß man ein Drama in allen seinen Einzelheiten so aus dem Rahmen der Wirklichkeit erstehen läßt, daß der Zuschauer nicht daran denkt, ein arrangiertes Spiel zu sehen, sondern den Eindruck hat, als verfolge er ein Stück Wirklichkeit, ein Drama aus dem Leben, das die Kamera des Operateurs in allen seinen Phasen belauscht hat.“

147

144 Friedemann: „Schauspieler und Kino“, S. 5. 145 Tannenbaum: „Kinodarsteller und Bühnendarsteller“, S. 6. 146 Diese Aussage bezieht sich auf den „Mainstream-Stummfilm“ und klammert filmavantgardistische Bestrebungen (Expressionismus, Surrealismus etc.) aus. 147 Pordes: Das Lichtspiel, S. 90.

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Was Pordes hier im Grunde genommen beschreibt, ist die theatrale Grundsituation: A (der Schauspieler) tut so, als ob er B (die Rollenfigur) wäre, während C (der Zuschauer) unbeobachtet zusieht.148 Für die deutsche Theaterhistorikerin Gerda Baumbach hat dieses Schema jedoch keine Allgemeingültigkeit, sondern entspricht einer spezifischen Schauspielkonvention, die seit Mitte des 18. Jahrhunderts auf europäischen Bühnen vorherrscht.149 Die Merkmale des sogenannten veristischen Stils bestimmt Baumbach folgendermaßen: „In den letzten reichlich zwei Jahrhunderten war die Übereinkunft vom Schauspieler als Darsteller dominant, die Übereinkunft vom Schauspieler als Menschendarsteller. [...] Die Kunstleistung der Akteure wird bemessen an der Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der dargestellten Rollenfigur. Als Orientierung dafür gilt die Nachahmung. Der Zuschauer soll glauben können, den ‚Charakteren‘ unbeobachtet und heimlich zuzuschauen, er soll während der Aufführung vergessen, dass es der Akteur ist, der sie darstellt. Die Rollenfigur und ihre Handlungen und somit der Ideengehalt sind dem Akteur vom Dichter vorgegeben. Davon leitet sich die Auffassung vom Schauspielen her: mit Stimme, Mimik, Gesten und Motorik die Gefühle und Gedanken anderer Personen so darstellen, als ob sie es tatsächlich seien. Darin erschöpft sich nahezu die Kunst des Schauspielers als Darsteller verifizierbarer Personen. Es ist die Übereinkunft vom Schauspieler als ausübender, reproduzierender, darstellender Künstler.“

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Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich also ein Bild vom Bühnenschauspieler als Menschendarsteller, der mithilfe von Mimik, Gestik, Motorik und Stimme einen (nach bürgerlichen Vorstellungen) konzipierten Menschen imitierte, manifestiert. Ziel der darstellerischen Leistung war die illusionistische Nachahmung bzw. die wahrhaftige und glaubwürdige Verkörperung und „Versprachlichung“ von Gedanken und Gefühlen. Der Körper wurde so zum Ausdrucksmedium, das einen emotional-physiologischen Zusammenhang herstellen sollte. Gemeinhin galt der veristische Stil deshalb als Ausdruck des (immer wieder neuverhandelten) „Natürlichen“, da er sich von den reglementierten Körperbil-

148 Vgl. Gerda Baumbach: Schauspieler. Historische Anthropologie des Akteurs, Bd. 1: Schauspielstile. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2012, S. 145. Baumbach bezieht sich dabei auf: Eric Bentley: Das lebendige Drama. Eine elementare Dramaturgie. Velber: Friedrich, 1967, S. 149 (Orig.: The Life of the Drama. New York: Atheneum, 1964). 149 Vgl. ebd., S. 164 u. 274. 150 Ebd., S. 22.

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dern des rhetorischen Stils151 abwandte und das unberechenbare Innenleben der Rollenfigur bzw. des Schauspielers mithilfe seines Körpers nach außen trug. Dennoch wurde dem veristischen Schauspieler keine eigenständige künstlerische Schöpfung zugestanden. Er wurde stattdessen mit einem reproduzierenden Künstler gleichgesetzt, der die Ideen von einem Dichter im wahrsten Sinne des Wortes „verkörperte“. Auch der Stummfilmschauspieler wurde anfangs auf seine reproduzierenden Fähigkeiten reduziert,152 was jedoch noch vor dem Ersten Weltkrieg durch Herbert Tannenbaum hinterfragt worden war: „Und wenn es wahr ist, daß die Schauspielkunst in der Verlautlichung lediglich reproduzierend [,] in der Verkörperung selbstschöpferisch ist, dann ist der Schauspieler des Kinos [...] ein produktiver Künst[l]er [...]“.153 Festzuhalten ist an dieser Stelle zum einen, dass der Theaterschauspieler der veristischen Spieltradition die Gedanken und Gefühle seiner Rollenfigur durch seine Körperlichkeit nonverbal und verbal kommuniziert. Die Stimme ist darum ein zentrales Mittel zur Nachahmung eines Menschen und kann wegen einer bestimmten Sprechweise auch zum Markenzeichen eines Schauspielers werden. Deshalb scheint es nicht überraschend zu sein, dass die Tonlosigkeit des Filmbildes in der stummfilmästhetischen Schauspielertheorie im Vordergrund stand und immer wieder neu verhandelt bzw. bewertet wurde. Neben den fehlenden natürlichen Farben, der fehlenden Plastizität und Unmittelbarkeit war (und ist) die Abwesenheit des Tons (des Gesprochenen) im Stummfilm wohl der größte Illusionsbruch. Zum anderen muss festgestellt werden, dass der veristische Schauspielstil das Bild des Schauspiel/er/s auch noch im 20. Jahrhundert dominierte. Gerda Baumbach bemerkt dazu: „Diese Übereinkunft vom Schauspieler [als Menschendarsteller] hat seit Beginn des 20. Jahrhunderts erhebliche Risse bekom-

151 Vgl. ebd., S. 156–159 u. 258–264. 152 Friedrich Porges ging noch 1925/26 davon aus, dass der Filmschauspieler ein „reproduktiver Künstler“ sei, weil er aufgrund des dekorationsbestimmten Szenenablaufs (vgl. Kapitel 5.3.2) nur jene Stimmung mittels seines Spiels wiedergeben könne, die der Regisseur auf ihn „im Sinne der Szene“ übertrage. Die schöpferische Leistung schrieb Porges darum dem Filmregisseur zu. Vgl. Friedrich Porges: „Kunst und Technik des Films. III. [Die Kunst des Films]“, in: Mein Film 1/30 (1926), S. 4 (Orig.: Radiovortrag „Von Kunst und Technik des Films“, Radio Wien, 27.10.1925; vgl. [RAVAG]: „Wiener Programm: Dienstag, 27. Oktober“, in: Radio-Wien 2/4 (1925), S. 140). 153 Tanne[n]baum: „Kinodarsteller und Bühnendarsteller“, S. 6.

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men, ohne dass sie aufgehört hätte, am Bild des Schauspielers mitzuwirken.“154 Man kann also davon ausgehen, dass die Autoren der stummfilmästhetischen Schauspielertheorie trotz der beginnenden Traditionsbrüche durch avantgardistische Theater(re)formen die Idee des mimetischen Schauspiel/er/s als Grundlage für ihre Vergleiche mit der Bühne nahmen. Das gilt auch für Theorieansätze, die sich – wie z.B. jener von Béla Balázs – vom Bühnenschauspieler distanzierten. Auch solchen Differenzierungsversuchen lag das Bild des veristischen Schauspielers zugrunde. Anzumerken gilt es darüber hinaus, dass es in der Lebensrealität der Autoren unterschiedliche Ausprägungen des veristischen Stils gab, die den Begriff des „Natürlichen“ auf verschiedene Weise interpretierten. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert war das europäische Theater von Realismus (in Form von Aktualismus oder Historismus) und Naturalismus (als Gegenbewegung zum Realismus) geprägt. Doch während es den Vertretern des Realismus vorrangig um eine historisch getreue und wissenschaftlich fundierte Inszenierung mit ästhetischer Ausstattung ging, wollten die Naturalisten die Wirklichkeit schonungslos offenlegen und das vom Realismus konsequent ausgesparte Hässliche auf die Bühne bringen: „[N]un wurde Alltagsleben zum Bühnenereignis“155, bringt es der Wiener Theaterwissenschaftler Wolfgang Greisenegger auf den Punkt. Denn mit der naturalistischen Darstellung ging auch eine Kritik an den sozialen Verhältnissen einher, weshalb nun ebenso die Lebensumstände der ärmeren Bevölkerungsschichten gezeigt wurden. Um der angestrebten Milieuechtheit gerecht zu werden, baute man wirklichkeitsgetreue Zimmerdekorationen auf die Bühne, deren vierte Wand vom Schauspieler „errichtet“ werden musste. Ergänzt wurde diese Ausstattung von Geräuschen und Gerüchen sowie einem psychologisch-illusionistischen Schauspielstil, der sich gegen den Pathos, das Spiel an der Rampe, Deklamationen und gespielte Geziertheit wandte. Zum bestimmenden Element der Charakterisierung war nun neben dem Milieu auch die Vererbung geworden, die Herkunft der Figuren spielte daher eine besonders große Rolle. Als wichtiger Vertreter des Naturalismus gilt Stanislawski, der in theoretischer, praktischer und pädagogischer Hinsicht nach der Natürlichkeit im Theater suchte: „[S]eine Methode zur Herstellung möglichst getreuer Wiederga-

154 Baumbach: Schauspieler, S. 22. 155 Wolfgang Greisenegger: „Jede Gesellschaft hat das Theater, dessen sie wert ist (Georg Fuchs: Die Schaubühne der Zukunft)“, in: Theaterwelt – Welttheater. Tradition & Moderne um 1900, Katalog zur Niederösterreichischen Landesausstellung 2003. Wien, New York: Springer, 2003; St. Pölten: Land Niederösterreich, 2003 (= Katalog des NÖ Landesmuseums 442), S. 2–14, hier S. 5.

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be der äußeren und inneren Wirklichkeit auf der Bühne ist als Höhepunkt einer Kunst der Einfühlung zu benennen.“156 Seelische Vorgänge sollten nun sichtbar gemacht, das Innere nach außen gekehrt werden. Dass der naturalistische Stil auf den Wiener Bühnen noch zur Stummfilmzeit präsent war und als Ausgangsbasis für stummfilmästhetische Überlegungen diente, wird auch in Walter Friedemanns Text von 1911 evident: „[...] nicht das Geschick der Helden und Uebermenschen bildet den Angelpunkt erschütternder Vorgänge und die erhabene Geste ist höchstens noch in der Oper zu sehen. Hingegen ist das Bestreben auf subtilste Untersuchungen der Regungen der menschlichen Psyche gerichtet und die Konflikte der Dramen schürzen und lösen sich in sagenhaften Burgen wie in den engen Wänden eines Mietshauses. [...] Die Dichtkunst bedingte also eine Vereinfachung und Verinnerlichung der Darstellungs- und der Regiekunst. Dieses Grundmotiv moderner Schauspielkunst kann selbst da nicht völlig gestört werden, wo man durch willkürliches Hineinbringen von Absonderlichkeiten in die Dichtungen die 157

Massen marktschreierisch zu gewinnen trachtet.“

Was Friedemann zum Schluss des Zitats ansprach, waren die Bestrebungen der historischen Theateravantgarde, die sich gegen die mimetische Wirklichkeitsabbildung des traditionellen Theaters wandte und eine Distanz zu psychologischillusionistischen Inszenierungsformen forderte. An der Schwelle zu diesem neuartigen Theaterverständnis stand ein schauspieltheoretischer Text des deutschen Soziologen Georg Simmel, der 1909 erschienen war.158 Denn obwohl sich international schon längst antinaturalistische Tendenzen bemerkbar gemacht hatten, verortete Simmel den Schauspieler noch stark im naturalistischen Theater.159 So sei die Kritik an der zeitgenössischen Darstellung als etwas „Verlogenes“ darauf zurückzuführen, dass es zu wenig künstlerische und zu viel echte Wirklichkeit im Theater gebe. Das Ziel des

156 Monika Meister: „Theorien des Theaters an der Wende zur Moderne. Vom illusionistischen Einfühlungstheater zum autonomen Kunstraum des Theaters“, in: Theaterwelt – Welttheater, 2003, S. 74–78, hier S. 76. 157 Fried[e]mann: „Dichtung und Regie im Kinotheater“, S. [1]. 158 Vgl. Georg Simmel: „Über den Schauspieler. Aus einer ‚Philosophie der Kunst‘“, in: Seelen mit Methode. Schauspieltheorien vom Barock- bis zum postdramatischen Theater, hg. von Jens Roselt, 2. Aufl. Berlin: Alexander, 2009, S. 303–309 (Orig.: Der Tag. Illustrierter Teil 53, 4. März 1909, n.pag.). 159 Eigentlich sprach Simmel vom „modernen Realismus“, seine Definition des Begriffes lässt aber eine Interpretation im Sinne des Naturalismus zu. Vgl. ebd., S. 307.

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Schauspielers solle aber eigentlich darin liegen, den Zuschauer zu ignorieren und ihn als Beobachter der vor sich abrollenden Ereignisse davon abzuhalten, die imaginäre Grenze zwischen Schauspieler und Zuschauer zu durchbrechen. Das gelinge in der Realität der Vorstellung jedoch nur schwer. Da es keinen idealen Zuschauer gebe (der nicht hustet, gähnt o.Ä.), bestehe die Gefahr, dass der Schauspieler, besonders wenn er auf den Zuschauer reagiere, aus der Rolle falle und so die vierte Wand durchbreche. Der Schauspieler könne dies aber im negativen Sinne auch freiwillig tun, etwa als dem Publikum zuspielender Virtuose oder durch einen an das Publikum gerichteten Monolog. Simmels Beschreibung des Zuschauers als außenstehender Beobachter erinnert an den Zuschauer im Kino, der vor der Leinwand sitzt, auf der sich von ihm unabhängige Lebensrealitäten abspielen. Diese Barriere versteht Gerda Baumbach als zentrales Merkmal des veristischen Stils. Nur wenn die Grenze zwischen der Realitätsebene (Wirklichkeit des Zuschauers und Schauspielers) und der Fiktionsebene (Wirklichkeit der Rollenfiguren) gewahrt bleibt, kann Illusion im Sinne der veristischen Bühnentradition entstehen.160 Baumbachs Bemerkung zur Wahrung der Fiktionsgrenze auf einer veristischen Bühne stimmt auch für den fiktiven Film: „[D]as Produzieren ist ausgeblendet, es werden Resultate dargestellt: Personen als ‚Charaktere‘, ihre widerstreitenden Handlungen, Konflikte und deren Lösungen. [...] Der Akteur als Produzent tritt zurück und soll für den Zuschauer während der Darstellung verschwinden, indem er den Anschein der Einheit von Akteur und Rolle erzeugt.“

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Simmels traditionelle Auffassung des Theaters scheint darum eine gute Idee von jenem Bild zu vermitteln, das die Autoren der stummfilmästhetischen Schauspielertheorie mit der Bühne bzw. dem Bühnenschauspieler assoziierten. Aufhorchen lassen hingegen Simmels Ausführungen zur Künstlerschaft des Schauspielers, die er nicht in der Reproduzierung der Worte des Dichters, sondern in der Versinnlichung der Dramenfiguren sah.162 Zu diesem Thema hielt er 1914 einen Vortrag in Wien, über den ein Bericht in der Tageszeitung Die Zeit erhalten geblieben ist.163 Darin heißt es, dass Simmel zufolge die Herausforderung für

160 Vgl. Baumbach: Schauspieler, S. 200f. u. 265–274. 161 Ebd., S. 266. 162 Vgl. Simmel: „Über den Schauspieler“, S. 303–305. 163 Vgl. o.N.: „Prof. Simmel über Schauspielkunst“, in: Georg Simmel in Wien. Texte und Kontexte aus dem Wien der Jahrhundertwende, hg. von David Frisby. Wien:

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den Schauspieler darin liege, basierend auf dem Kunstwerk des Dichters ein eigenes Kunstwerk zu schaffen. Die Aufgabe des wahren Künstlers sei es deshalb, eine vom Dichter erfundene Figur zu versinnlichen. D.h., der Schauspieler solle dieser mit den ihm zur Verfügung stehenden darstellerischen Mitteln (Mimik, Gestik, Stimme, Gedanken und Erfahrungen)164 Leben einhauchen. Dadurch lasse es sich auch erklären, dass verschiedene Schauspieler ein und dieselbe Figur unterschiedlich darstellen würden.165 Simmels Ausführungen erinnern an Balázs’ Versuch, den Stummfilm vom Theater abzugrenzen (vgl. Kapitel 4.1.4). Denn während der Stummfilm nur eine Ebene, die Darstellung, kenne, gebe es laut Balázs im Theater zwei Ebenen: den Dramentext und die darstellerische Interpretation. Ob Balázs Simmels Texte, die im deutschsprachigen Raum sehr populär waren, kannte, muss offenbleiben. Folgendes Zitat im Text von 1909 ähnelt aber ohne Zweifel Balázs’ „Schichtmodell“ von 1924: „Den so [als Dichtwerk] vorliegenden Inhalt überträgt der Schauspieler in die Ebene des Sichtbaren und Hörbaren oder, wenn man will, aus der Eindimensionalität eines rein geistigen Verlaufs in die Dreidimensionalität der Vollsinnlichkeit.“166 Doch trotz Simmels Plädoyer für ein Theater, das auf der realistischillusionistischen Interpretation des Dramentextes beruhte, waren in Europa die Weichen schon in Richtung Theateravantgarde gestellt.167 So wie Simmel hielten auch die Wiener Bühnen weitstgehend an der mimetischen Bühnentradition fest. Reformbestrebungen und experimentelle Theaterformen fanden nur punktuell und an „den Randzonen des Theatralen, außerhalb der traditionskomprimierenden Häuser, in bewußtem Abstand zum Ernst des Bildungstheaters und der Repräsentativität höfischer Institutionen“168 statt. Erst die Texte des Literaturkreises Jung-Wien konnten Veränderungen in der üblichen Darstellungsweise herbeiführen. In Bezug auf das Hofburgtheater bemerkt die Wiener Theaterwissenschaftlerin Hilde Haider-Pregler darum:

WUV, 2000 (= Edition Parabasen), S. 227 (Orig.: Die Zeit 4051, 7. Jänner 1914, S. 2). 164 Vgl. Jens Roselt: „Die Versinnlichung des Dramas durch den Schauspieler. Georg Simmel“, in: Seelen mit Methode, hg. von Roselt, 2009, S. 298–302, hier S. 298. 165 Vgl. o.N.: „Prof. Simmel über Schauspielkunst“, S. 227. 166 Simmel: „Über den Schauspieler“, S. 304. 167 Vgl. Roselt: „Die Versinnlichung des Dramas durch den Schauspieler“, S. 301f. 168 Wolfgang Greisenegger: „Theater in Wien“, in: Wien um 1900. Kunst und Kultur, hg. von Maria Auböck und Maria Marchetti. Wien, München: Brandstätter, 1985, S. 379–394, hier S. 381.

166 | Schauspielen im Stummfilm

„[W]eder mit idealisierendem Hoftheaterpathos noch mit naturalistischer Wirklichkeitstreue waren diese Rollen zu meistern; sie forderten vielmehr feinnervige Darsteller von sensibler Eleganz, Meister eines scheinbar schwerlosen Dialogs, mit der Fähigkeit, das Ungesagte transparent zu machen.“

169

4.3.2 Neubewertung des Schauspielerkörpers Retheatralisierung, Entliterarisierung, Enthierarchisierung – bedeutungsschwere Begriffe kennzeichnen heute eine Epoche, die Ende des 19. und in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine Neugestaltung bestehender Theaterformen zum Ziel hatte. Die Theaterreformer und die Vertreter der Theateravantgarde170 richteten sich gegen das traditionelle Repräsentations-, Geschäfts- und Startheater, das sich der wirklichkeitsgetreuen und publikumswirksamen Abbildung realer Lebenswelten verschrieben hatte. Ihr Ziel war die Autonomie des theatralen Kunstwerks, das mit einer Enthierarchisierung seiner Ausdrucksmittel einherging. Die bisherige Dominanz des Dramentexts und des Virtuosentums im bürgerlichen Literatur- und Illusionstheater sollte nun zugunsten des Gesamtkunstwerkes, dem sich alle Elemente einer Theaterinszenierung unterzuordnen hatten, in den Hintergrund gedrängt werden. Dadurch wurde zum einen die Position des Regisseurs als Spielleiter gestärkt, zum anderen lag der Fokus nun vorrangig auf der Inszenierung und damit einhergehend auf der Gestaltung des Bühnenraums. Impulse erhielt das Theater hier besonders von den bildenden Künsten. Zudem brachten die technischen Errungenschaften Neuerungen im Bereich der Licht- und Bühnentechnik. Die hier skizzierten Entwicklungen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es unterschiedliche Ausprägungen der Theaterreform und der Theateravantgarde gab. Symbolismus, Expressionismus, Futurismus, Dadaismus, Surrealismus, Bauhaus und Konstruktivismus hatten aber trotz ihrer verschiedenen Ansätze171 eines gemeinsam: Sie führten zur Ablösung bisheriger Traditio-

169 Hilde Haider-Pregler: Theater und Schauspielkunst in Österreich. Wien: Republik Österreich, Bundeskanzleramt, Bundespressedienst, [1972], S. 103. 170 Unter Theaterreform versteht die Theaterwissenschaft in der Regel die ersten antinaturalistischen Tendenzen um die Jahrhundertwende, unter (historischer) Theateravantgarde sämtliche theoretische und praktische Konzepte zum Funktionswechsel des Theaters im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Vgl. Peter Simhandl: Theatergeschichte in einem Band, 3. Aufl. Berlin: Henschel, 2007, S. 362f. (Orig.: 1996). 171 Vgl. Greisenegger: „Jede Gesellschaft hat das Theater, dessen sie wert ist“, S. 7–14.

4. Beruf „Kinokünstler“ I | 167

nen und zu einem Funktionswechsel des Theaters.172 Die deutsche Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte macht diesen Funktionswechsel in ihrem einleitenden Essay zu dem von ihr herausgegebenen Sammelband TheaterAvantgarde an drei Polen – Wahrnehmung, Sprache, Körper – fest.173 Damit beschreibt sie auch die Zusammenhänge zwischen dem kulturellen Wandel allgemein und der Theateravantgarde im Speziellen: „In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts vollzog sich in Europa ein radikaler kultureller Wandel, der im alltäglichen häuslichen Leben wie in der Arbeitswelt, in der Freizeitgestaltung wie in Wissenschaft und Kunst überkommene Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster nachhaltig erschütterte und zur Herausbildung völlig neuer Verhaltensmodelle führte. Die durch ihn eingeleiteten Veränderungen betrafen in besonderem Maße Wahrnehmung, Körper und Sprache.“

174

Im Bereich der Wahrnehmung 175 kam es aufgrund technischer Erfindungen (Dampfeisenbahn, Elektrizität, Telegrafie, Fotografie, Telefon, Phonografie, Film, Auto), wissenschaftlicher Erkenntnisse im Bereich der Physik (Relativitäts- und Quantentheorie) und gesellschaftlicher Umwälzungen (Urbanisierung, Industrialisierung) zu gravierenden Veränderungen des Raum-Zeit-Empfindens. So führten u.a. die zunehmende Geschwindigkeit und die Simultaneität der Sinneseindrücke im großstädtischen Raum zu einem raschen Wechsel der Perspektive sowie einer andauernden Beanspruchung des Hör- und Sehsinns. In der Folge hinterfragten auch die Malerei (Impressionismus, Kubismus) und die Musik (atonale Werke Schönbergs) jahrhundertelang geltende Wahrnehmungsweisen. Für das Theater bedeutete dies, dass der Zuschauer und sein Perzeptions- bzw. Rezeptionsverhalten im Zentrum der Reformen standen. Neue Raumkonzepte

172 Vgl. Meister: „Theorien des Theaters an der Wende zur Moderne“, S. 78. Greisenegger weist auch darauf hin, dass die Avantgardebewegungen international waren und keine sprachlichen, kulturellen oder politischen Grenzen kannten. Vgl. Greisenegger: „Jede Gesellschaft hat das Theater, dessen sie wert ist“, S. 3. 173 Die von Erika Fischer-Lichte vorgegebene Reihenfolge wurde zugunsten der logischen Nachvollziehbarkeit des eigenen Texts verändert. Der Körper wird deshalb zuletzt behandelt, um hier detailliert auf die veränderten Wahrnehmungen in Bezug auf den Schauspieler/-körper eingehen zu können. Vgl. Erika Fischer-Lichte: „Einleitung. Wahrnehmung – Körper – Sprache. Kultureller Wandel und Theateravantgarde“, in: TheaterAvantgarde, hg. von Fischer-Lichte, 1995, S. 1–14. 174 Ebd., S. 1. 175 Vgl. ebd., S. 1f. u. 7f.

168 | Schauspielen im Stummfilm

wurden entwickelt, um die architektonischen Barrieren (Rampe) und imaginären Grenzen (4. Wand) zwischen Zuschauer und Bühne aufzulösen. Daraus folgte auch der Auszug aus den traditionellen Theaterhäusern an theaterfremde Orte (Festhallen, Zirkusse, Fabriken, Ausstellungsgebäude, Straßen, Plätze, Kirchen, Parks, Wälder und Wiesen) sowie die Modifizierung der Bühnenformen vergangener und fremder Kulturen (z.B. Shakespearesche Proszeniumsbühne, mittelalterliche Simultanbühne). Die für die Guckkastenbühne typische perspektivischfixierte Beobachterposition sollte auf diese Weise aufgelöst werden. Im Bereich der Sprache176 kam es zu einer Krise und einer damit verbundenen Ablehnung des Logozentrismus und der Linearität der Schrift. Wörter bedeuteten für die Autoren der (Wiener) Moderne nichts mehr. Die Sprache hatte ihre Autorität verloren bzw. ihre kommunikativen und informativen Funktionen teilweise an andere Ausdrucksmedien (Körper, Bilder, Film, Telefon, Grammophon, Rundfunk, Werbung) abgegeben. Sie wurde im großstädtischen Leben und in den experimentellen Künsten zum Element von Bildcollagen und Lautmontagen, die mit der Simultaneität von Bildern, Texten, Geräuschen, Tönen und Sprachlauten experimentierten. Die Sprachkritik führte in weiterer Folge zur Entliterarisierung des Theaters, die für Fischer-Lichte aber keine Vertreibung der Sprache von der Bühne, sondern eine Suche nach alternativen Theaterformen bedeutete. Man wollte sich wegbewegen vom dialoglastigen Schauspieltheater hin zu einer unkonventionellen Sprachverwendung, die man in Laut- und Toncollagen fand. Zusätzlich kam es zur Ausbildung neuer dramatischer Formen (z.B. dadaistische Laut- und Simultangedichte) einerseits und zur „Umfunktionalisierung alter dramatischer Formen“ (z.B. episches Drama) andererseits. Hierzu ist zu ergänzen, dass diese Experimente auch zu einer Wiederentdeckung der Pantomime – nunmehr als literarischem Genre – führten. Da dies von zentraler Bedeutung für die stummfilmästhetische Schauspielertheorie ist, werden die diesbezüglichen Erkenntnisse im nächsten Kapitel im Detail erörtert. Im Bereich des Körpers177 kam es zum einen durch die Strukturierung von Arbeitsabläufen (Taylorisierung, Refa-Zeitmessung, Fließbandarbeit) zu einer Rhythmisierung von Körperbewegungen, zum anderen wurde der Körper von alltäglichen Zwängen befreit. Weniger einschnürende Kleidung, Verbesserung der Lebensbedingungen sowie Turn-, Spiel- und Sporteinrichtungen waren Ausdruck eines neuen Körpergefühls, das auch vom Tanz aufgegriffen wurde. Weniger strenge und polyrhythmische Gesellschaftstänze (Shimmey, Charleston) kamen von Übersee nach Europa und in der Tanzkunst löste man sich von den

176 Vgl. ebd., S. 5f. u. 10–12. 177 Vgl. ebd., S. 2–5 u. 8–10.

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Konventionen des klassischen Balletts (Freier Tanz). Im Theater betraf die veränderte Körperwahrnehmung besonders den Körper des Schauspielers: Neue Systeme der Schauspielkunst schufen neue Körperpraktiken, die wiederum zu neuen Körperbildern führten, die durch den unkonventionellen Einsatz von Masken, Kostümen und Körperbemalung zusätzlich verstärkt wurden. Zudem bedingten die angesprochenen Veränderungen auch neue Bewegungsmuster, die sich nicht mehr an den Vorgaben der Handlung oder der Psychologie der Figuren orientierten, sondern im Einklang mit der Bühnenarchitektur standen. Rhythmus avancierte so zum Leitmotiv der Bewegungen. Als Beispiel für die veränderte Körperwahrnehmung der Zeit nennt Erika Fischer-Lichte Meyerholds Biomechanik, ein System des ökonomisierten Schauspielerkörpers, das als Gegenentwurf zu Stanislawskis Lehre von der psychophysischen Einheit des Menschen gilt.178 In seinem 1922 in Moskau gehaltenen Vortrag „Der Schauspieler der Zukunft und die Biomechanik“179 präsentierte Wsewolod/Vsevolod E. Meyerhold, einst Meisterschüler Stanislawskis, seine auf der Praxis beruhende Vorstellung moderner Schauspielkunst. Diese bestand in einer „stilisierte[n], nicht-illusionistische[n] Spielweise, die Bewegungsabläufe zergliederte und präzise rhythmisierte körperliche Handlungen vorsah“ 180. Den Ideen des Taylorismus 181 folgend entwickelte Meyerhold die Idee vom Schauspieler als „psycho-physische[r] Maschine“ 182 , die jede Bewegung auf Nachfrage produzieren183 und ebenso bewusst wie ökonomisch einsetzen können müsse: „[...] das gesamte Schaffen des Künstlers muß ein bewußter Prozess sein.

178 Vgl. ebd., S. 9. 179 Vgl. Vsevolod Meyerhold: „Der Schauspieler der Zukunft und die Biomechanik (Vortrag vom 12. Juni 1922)“, in: Vsevolod Meyerhold. Theaterarbeit 1917–1930, hg. von Rosemarie Tietze, übers. von Horst Hawemann. München: Hanser, 1974 (= Reihe Hanser 159), S. 72–76 (Orig.: V. Fedorov: „Aktër buduščego. Doklad Vs. Mejerchol’da v Malom zale Konservatorii – 12 ijunja 1922 goda [Der Schauspieler der Zukunft. Vortrag Vs. Meyerholds im Kleinen Saal des Konservatoriums am 12. Juni 1922]“, in: Ėrmitaž [1]/6 (1922), S. 10f.). 180 Jens Roselt: „Der Regisseur als Experimentator – Wsewolod E. Meyerhold“, in: Regie im Theater. Geschichte – Theorie – Praxis, hg. von Jens Roselt. Berlin: Alexander, 2015, S. 296–300, hier S. 297. 181 Unter Taylorismus versteht man die „Zerlegung der Arbeitsbewegung in kleinste Einheiten zum Zwecke optimalster Wirkung“. Vgl. Meister: „Theorien des Theaters an der Wende zur Moderne“, S. 78. 182 Ebd. 183 Vgl. Fischer-Lichte: „Einleitung“, S. 9.

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Die Kunst des Schauspielers besteht in der Organisation seines Materials, d.h. in der Fähigkeit, die Ausdrucksmittel seines Körpers richtig auszunützen.“ 184 Durch gezielte Übungen solle der Schauspieler seinen Körper und seine Bewegungen deshalb so lange trainieren, bis die physiologischen Prozesse bestimmte psychische Zustände erzeugen würden. Folglich dürfe der Schauspieler an eine zu spielende Rolle nicht vom Inneren zum Äußeren, sondern vom Äußeren zum Inneren herangehen.185 Anders gesagt sollte der Schauspieler seinen emotionalen Zustand nicht mit einer entsprechenden Bewegung ausdrücken, sondern über den kontrollierten Bewegungsablauf in die jeweilige Stimmung hineinfinden. In Bezug auf die Kontrolle des Schauspielerkörpers und seiner Bewegungen dürfen an dieser Stelle auch die schauspieltheoretischen Überlegungen Edward Gordon Craigs nicht unerwähnt bleiben.186 Craig, selbst Schauspieler, Regisseur und Bühnenbildner, wollte den menschlichen Körper aufgrund seiner geringen Disziplinierbarkeit von der Bühne verbannen und durch eine künstliche Figur, die sogenannte Über-Marionette, ersetzen: „Der Schauspieler muß das Theater räumen, und seinen Platz wird die unbelebte Figur einnehmen – wir nennen sie die Über-Marionette, bis sie sich selbst einen besseren Namen erworben hat.“187 Craig zufolge müsse Kunst planbar sein, der menschliche Körper des Schauspielers sei jedoch kein planbares „Material“. Dieser sei durch Gefühle und Stimmungen beherrscht, die die nonverbalen und verbalen Ausdrucksmittel (Gesten, Gesicht, Stimme) kontrollieren würden. „Anders als der Raum und das Licht zählen Schauspieler damit nicht zu den Materialien, über die der Regisseur planend verfügen kann“, schreibt der deutsche Theaterwissenschaftler Jens Roselt.188 Schweißtropfen auf der Stirn, das Zittern der Muskeln, die Eskapaden der Stimmungen und Gefühle sind nicht zu disziplinieren oder zu kontrollieren.189 Auch die österreichische Theaterwissenschaftlerin Monika Meister erklärt die Forderung nach dem künstlichen Körper auf der Bühne aus dem Wunsch nach der Kontrollierbarkeit der Inszenierung heraus:

184 Meyerhold: „Der Schauspieler der Zukunft und die Biomechanik“, S. 73. 185 Vgl. ebd., S. 75. 186 Vgl. Edward Gordon Craig: „Der Schauspieler und die Über-Marionette“, in: Seelen mit Methode, hg. von Roselt, 2009, S. 257–273 (Orig.: „The Actor and the ÜberMarionette“, in: The Mask 1/2 (1908), S. [3]–15 ). 187 Ebd., S. 267. 188 Jens Roselt: „Der Tod des Schauspielers. Edward Gordon Craig und die ÜberMarionette“, in: Seelen mit Methode, hg. von Roselt, 2009, S. 252–256, hier S. 254. 189 Vgl. ebd.

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„Die Kunst der Inszenierung eröffnet ein neues Kapitel in der Theatergeschichte. In den Raum-Zeit-Koordinaten der Aufführung ist jedes Detail geplant, bewusst gesetzt und der Interpretation des Regisseurs unterstellt. Da der menschliche Körper aber niemals zur Gänze kontrollierbar agiert, zu sehr dem Zufall unterworfen ist, wird der Schauspieler in Edward Gordon Craigs ‚Theater der Zukunft‘ ersetzt durch eine künstliche, den Gesetzen der Mechanik folgende Figur, der so genannten ‚Über-Marionette‘.“

190

Craig sprach dem Schauspieler des Illusions- und Literaturtheaters, den er zum bloßen Sprachrohr bzw. Instrument des Dichters degradierte, folglich jegliche Künstlerschaft ab. Da sie mehr zufällig als planbar sei, sei die Schauspielkunst keine Kunst und der Schauspieler kein Künstler.191 Um seine Vision eines planund kontrollierbaren Schauspielers zu erreichen, forderte Craig darum zuerst den Einzug eines rein symbolischen, nicht naturalistischen Schauspielstils im Theater.192 Erst in einem weiteren Schritt, sobald sich das Publikum an die veränderten Konventionen gewöhnt habe, könne man den Schauspieler aus Fleisch und Blut durch die Über-Marionette ersetzen.193 Ob Craig tatsächlich den Ersatz des Schauspielers andachte oder nur mit einer Metapher die Distanzierung von der Rolle bzw. die Führung des Schauspielers durch den Regisseur einforderte, bleibt allerdings fraglich. Der österreichische Theaterwissenschaftler Wolfgang Greisenegger weist diesbezüglich darauf hin, dass Craig hier anstelle einer „von Menschenhand dirigierte[n] Puppe“ auch den „kritisch analysierenden Schauspieler, der seiner Rolle mit Distanz gegenübersteht“ gemeint haben könnte.194 Peter Simhandl versteht Craigs Reformvorschläge hingegen auf zwei Ebenen: Zum einen wollte er die zeitgenössischen Theaterverhältnisse reformieren, zum anderen dachte er über ein utopisches „Theater der Zukunft“ nach. Der Schauspieler sollte sich darum einerseits dem Willen des Regisseurs unterordnen, andererseits tatsächlich durch eine künstliche Figur ersetzt werden.195 Auf jeden Fall vereinigte Craig in seinem Text die Forderungen der Theatermoderne nach einem Bedeutungszuwachs der Regie und damit zusammenhängend die Ablehnung des illusionistischen Literaturtheaters, das dem Text des Dichters und dessen (individueller) Interpretation durch den Schauspieler bislang das meiste Gewicht im Theater beigemessen hatte. Greisenegger sieht Craigs „Über-Mario-

190 Meister: „Theorien des Theaters an der Wende zur Moderne“, S. 77. 191 Vgl. Craig: „Der Schauspieler und die Über-Marionette“, S. 257. 192 Vgl. ebd., S. 261f. 193 Vgl. ebd., S. 266f. 194 Greisenegger: „Jede Gesellschaft hat das Theater, dessen sie wert ist“, S. 10. 195 Simhandl: Theatergeschichte in einem Band, S. 372f.

172 | Schauspielen im Stummfilm

nette“ deshalb als eine Forderung nach „Präzision und künstlerische[r] Qualität“ auf der Bühne, vor allem in Bezug auf die Wiederholbarkeit der darstellerischen Vorgänge.196 Wenn man diesen Gedanken aus filmwissenschaftlicher Sicht weiterspinnt, könnte Craig hier die Reproduzierbarkeit der schauspielerischen Leistung ähnlich der Wiederholbarkeit einer Kinovorstellung angedacht haben. Auch wenn die Reformvorschläge der Theateravantgarde sehr heterogen waren, hatten sie doch großen Einfluss auf die heutige Theater- und Schauspielästhetik. In der Praxis bedeutete die Hinwendung zum Regietheater für den Schauspieler vorrangig die Unterordnung unter die künstlerischen Vorstellungen des Regisseurs sowie die Distanzierung von der darzustellenden Figur durch antimimetische Schauspielstile: „Nicht mehr psychologische Interpretation und möglichst wirklichkeitsgetreue Wiedergabe bestimmt[en] die Arbeitsweise des Schauspielers, sondern das bewusste Ausstellen theatraler Ausdrucksformen [stand] im Vordergrund.“197 Das generelle Interesse am Körper des Darstellers und der damit kritischen Haltung zum gesprochenen und geschriebenen Wort, das Anfang des 20. Jahrhunderts in der Schauspielertheorie zu beobachten war, lässt sich auch am wiedergefundenen Interesse an der Pantomime feststellen. 4.3.3 Wiederentdeckung der Pantomime Neben der traditionellen mimetischen Bühnentradition und den Traditionsbrüchen der Theaterreformisten/-avantgardisten entwickelte sich aus dem Geist der Moderne auch ein neues Interesse an der nonverbalen Körperkunst, der Pantomime. Dem deutschen Literaturwissenschaftler Hartmut Vollmer zufolge, der sich umfassend mit dem Genre der literarischen Pantomime befasst hat, nahm diese Entwicklung in Wien ihren Ausgang: „Am Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich besonders in Wien ein neues Interesse an der Pantomime, und nun wurden zunehmend – von namhaften Autoren wie Hermann Bahr (1863–1934), Richard Beer-Hofmann (1866–1945), Hugo von Hofmannsthal (1874–1929), Felix Salten (1869–1945) und Arthur Schnitzler (1862–1931) – literarische Pantomimen verfasst, d.h. Werke, die sich explizit als pantomimische Texte verstanden.“

198

196 Greisenegger: „Jede Gesellschaft hat das Theater, dessen sie wert ist“, S. 10. 197 Meister: „Theorien des Theaters an der Wende zur Moderne“, S. 75. 198 Hartmut Vollmer: Die literarische Pantomime. Studien zu einer Literaturgattung der Moderne. Bielefeld: Aisthesis, 2011, S. 21.

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Die genannten Autoren waren Mitglieder des bereits erwähnten Literaturkreises Jung-Wien, der sich im Zeichen der Sprachskepsis und Kunstkritik der Moderne mit alternativen Ausdrucksmöglichkeiten befasste. In der literarischen Pantomime fanden sie eine solche Möglichkeit bzw. ein alternatives ästhetisches Genre, das sich von der Sprache und der Realitätsbildung (durch Sprache) lösen und eigene Wirklichkeiten mittels einer elementaren Körpersprache erschaffen wollte. Vollmer, dem die „definitorische Paradoxie“199 nur allzu bewusst ist, spricht diesbezüglich von einer schriftlich festgehaltenen „körperliche[n] Visualisierung eines außersprachlichen affektiven Geschehens“200. Die Figuren blieben zwar stumm, aber Handlungen, Bewegungen, Gebärden, Gestik und Mimik wurden ihnen textuell zugeschrieben. Der körperliche Ausdruck stand folglich im Zentrum des Geschehens, was auch eine Substituierung der verbalen Kommunikation durch sprachlose, körperlich-visuelle Dialoge bedeutete. Grundsätzlich war die literarische Pantomime trotz ihrer Verschriftlichung auf Visualität bzw. die publikumswirksame, unmittelbar erlebbare Inszenierung ausgerichtet. Diese sollte (idealerweise) eine produktive Rezeption fördern, indem die Vorstellung auf der Bühne Assoziationen im Zuschauer auslöste.201 Anstelle von Worten sollte der Körper Bilder erzeugen, Gedanken und Gefühle sichtbar machen. Als ein wichtiger Vertreter der literarischen Pantomime gilt Hugo von Hofmannsthal, der, neben zahlreichen Texten dieses Genres,202 1911 auch ein Essay über das Wesen und die Bedeutung der pantomimischen Kunst verfasst hatte.203 In „Über die Pantomime“ verglich Hofmannsthal die Pantomime mit dem Tanz, der immer auch ein darstellendes, pantomimisches Element enthalte. Umgekehrt sei die Pantomime ohne das Rhythmische, rein Tanzmäßige undenkbar, denn: „[...] fällt dies weg, so befinden wir uns im Schauspiel.“204 Hofmannsthals Aus-

199 Ebd., [Klappentext]. Die „definitorische Paradoxie“ liegt darin begründet, dass eine an sich stumme und sprachlose Kunstform textuell fixiert wurde. Vollmer spricht deshalb auch von einer „versprachlichten Wortlosigkeit“. Vgl. ebd., S. 38. 200 Ebd., S. 502. 201 Vgl. ebd., S. 38–40 u. 499f. 202 Vollmer hat folgende Hofmannsthalsche Pantomimen analysiert: „Der Schüler“, „Amor und Psyche“, „Das fremde Mädchen“, „Die Biene“ und „Die grüne Flöte“. Vgl. ebd., S. 111–136 u. 311–381. 203 Vgl. Hugo von Hofmannsthal: „Über die Pantomime“, in: Hugo von Hofmannsthal. Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden, Bd. 1: Reden und Aufsätze I. 1891–1913, hg. von Bernd Schoeller. Frankfurt a.M.: Fischer, 1979, S. 502–505 (Orig.: Süddeutsche Monatshefte 9/1 (1911), S. 100–103). 204 Ebd., S. 502.

174 | Schauspielen im Stummfilm

sage erinnert an Herbert Tannenbaums Argument gegen den Vergleich von Kinodarstellung und Pantomime, dem zufolge es Ersterem an tänzerischen und rhythmischen Aspekten fehle (vgl. Kapitel 4.2.2). Dass die Pantomime gerade in Wien eine Renaissance erfahren sollte, hatte laut Vollmer vor allem einen traditionsbezogenen Grund: Nicht zum ersten Mal wurde die stumme Körperkunst von der Wiener Bühne entdeckt. Bereits im 19. Jahrhundert feierte diese in Form der Zauberpantomime in den Wiener Vorstadttheatern große Erfolge.205 Zu verdanken war das besonders dem Leopoldstädter Theater, wo ein eigenes erfolgreiches Pantomimenensemble eingerichtet worden war. Doch während sich die literarische Pantomime aufgrund ihres experimentellen Charakters keiner allzu großen Beliebtheit beim Publikum erfreute,206 muss das Alt-Wiener Volkstheater und mit ihm seine pantomimischen Elemente noch in der Lebensrealität der stummfilmästhetischen Theoretiker präsent gewesen sein – sei es durch die kollektive Erinnerung an die Ära des Volkstheaters oder durch die Präsenz auf den Spielplänen der Wiener Bühnen. Der Vergleich zwischen Kinoschauspieler und Pantomime lag somit durchaus auf der Hand. Beiden „fehlte“ die Sprache und beide mussten sich durch ihren Körper, ihre Mimik und Gestik verständlich machen, also eine Alternative zur verbalen Kommunikation finden. Hartmut Vollmer stellt aber auch fest – und hier schließt sich der Kreis zu den Überlegungen des vorigen Abschnitts –, dass, trotzdem es eine unbestreitbare Affinität zwischen Pantomime und Film gegeben hatte, doch ein wesentlicher Unterschied in Bezug auf ihre „Sprachlosigkeit“ bestanden hatte: „Dass der Film bis Ende der 1920er-Jahre stumm blieb, resultierte freilich nicht, wie bei der Pantomime, aus einer ästhetischen Intention, einem Stilwillen, sondern aus den eingeschränkten technischen Möglichkeiten. In diesem notgedrungenen Sprachverzicht (abgesehen von kurzen Zwischentexteinblendungen) konstatierten die Kritiker so auch ein erhebliches Defizit des Films gegenüber dem (Sprech-)Theaterstück und gleichzeitig eine

205 Vgl. Vollmer: Die literarische Pantomime, S. 18–20. Vgl. auch Astrid Monika Heiss: Die Pantomime im Alt-Wiener Volkstheater. Diss., Universität Wien, 1969, S. 1 u. 26–41. Heiss zufolge war in Wien vor allem die (burleske) Zauberpantomime, neben den ländlichen Divertissements und der Spektakelpantomime, sehr beliebt. Merkmale waren u.a. ein wiederkehrendes Handlungsschema mit stereotypem Personenkreis, eine grotesk-derbe Komik, Gestalten aus der Zauberwelt sowie der Einsatz von Bühnenmaschinerien und Dekorationsverwandlungen. 206 Vgl. Vollmer: Die literarische Pantomime, S. 503.

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Differenz zur pantomimischen Kunst. Gleichwohl war die Pantomime das Genre, an dem sich die Konstituierung einer Filmästhetik zunächst wesentlich orientierte.“

207

Letzteres stimmt auch für die Herausbildung des Berufsbildes des Stummfilmschauspielers auf theoretischer Ebene. Um die fehlenden verbalen Ausdrucksmöglichkeiten erklären zu können, orientierte man sich zunächst an der Pantomime. Doch schon bald erkannte man, dass dieser Definitionsversuch wesentliche Merkmale der Pantomime im Bereich der Rhythmik und Stilisierung ignorierte. Für manche Autoren lag der Vergleich daher mit dem „tonlosen“ Theaterschauspieler näher. In dieser Hinsicht zog man jedoch vorrangig die Konventionen der traditionellen veristischen Schauspielkunst in Betracht und ließ Überlegungen zu einer unkonventionellen, antimimetischen Schauspielkunst keinen bzw. nur wenig Raum.208 Trotz der letztgenannten Tatsache fanden die Reformen der Theateravantgarde im Bereich der Schauspielkunst Eingang in das vorliegende Kernkapitel. Zum einen spiegeln diese die sich stetig verändernden kulturellen Entwicklungen in der Lebenswelt der Autoren wider; zum anderen illustriert die Abkehr des Theaterschauspielers von der mimetischen Abbildung der Wirklichkeit den Weg, den das Theater parallel zu den Entwicklungen des Films einschlug bzw. durch die Konkurrenz des Kinos wahrscheinlich auch einschlagen musste. Während also die Kinematografie die Ziele des illusionistischen Theaters übernahm, versuchte das Theater nach alternativen Ausdrucksmöglichkeiten zu suchen. Diese fand es in antimimetischen Darstellungsformen, die nach einer „Entindividualisierung“ (Rücknahme der Persönlichkeit des Darstellers) und – in der theoretischen Utopie – auch nach einer „Entkörperlichung“ (Ersatz des Schauspielers durch planbareres „Material“) verlangten. Zu der Neubewertung des (Schauspieler-)Körpers kam zudem die Sprachskepsis der Moderne hinzu, die sich gegen das textlastige Sprechtheater wandte. Auch hier versuchte man neue Wege zu gehen und einer dieser Wege war die Wiederentdeckung der Pantomime als nonverbale Körper- bzw. Seelenkunst. Die „Entsprachlichung“ der Rollenfigur sollte es dem Darsteller ermöglichen, sich abseits inhaltsleerer Worte ausdrücken zu können und zu elementaren Ausdrucksformen zurückzufinden. In

207 Ebd., S. 484f. 208 Eine Ausnahme stellen, laut Knut Hickethier, die vom deutschen Theaterkritiker Herbert Jhering formulierten „schauspielerischen Prinzipien“ dar, die sich auf den expressionistischen Film beziehen. Vgl. Hickethier: „Schauspieler zwischen Theater und Kino in der Stummfilmzeit“, S. 36–38.

176 | Schauspielen im Stummfilm

diesem Sinne ist auch Béla Balázs’ Verständnis des Films als Rückkehr zur Muttersprache der Menschheit, einer sichtbaren Gebärdensprache, zu verstehen: „Die ganze Menschheit ist heute schon dabei, die vielfach verlernte Sprache der Mienen und Gebärden wieder zu erlernen. Nicht den Worteersatz der Taubstummensprache, sondern die visuelle Korrespondenz der unmittelbar verkörperten Seele. Der Mensch wird wieder sichtbar werden.“

209

Der Weg des vorliegenden Kernkapitels, von der Besprechung einzelner exemplarischer Beiträge zur stummfilmästhetischen Schauspielertheorie bis zu deren Verortung in filmtheoretischen und theaterhistorischen Kontexten, konnte zeigen, dass es drei wesentliche Theorieansätze zum Verständnis des Stummfilmschauspielers gegeben hatte. Alle drei, ob nun in Form der Pantomime-, Theaterschauspieler- oder Kinokünstler-Theorie, beruhten auf Vergleichen mit dem Bühnendarsteller, der in seiner veristischen Ausformung als Vergleichsmodell herangezogen wurde. Antimimetische Tendenzen des Theaters wurden hingegen bewusst oder unbewusst ausgeblendet, um mit dem Verständnis des Stummfilms als Spiegel der Wirklichkeit konform zu gehen. Aus dieser Gleichsetzung des Stummfilmschauspielers mit dem Menschendarsteller heraus kann man die Fokussierung der zeitgenössischen Theorie in Bezug auf den „fehlenden“ Ton verstehen. Denn der größte Unterschied zwischen dem Schauspieler der Bühne und jenem der Leinwand war nun einmal, dass man letzteren nicht hören konnte – und das war für die Zeitgenossen wohl der auffälligste und irritierendste „Kratzer“ am illusionistischen Image des Films.

209 Balázs: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 17.

5. Beruf „Kinokünstler“ II: Die Herausbildung des Berufsbildes in der stummfilmspezifischen Arbeitspraxis

Für Béla Balázs bedeutete die Erfindung des Stummfilms vor allem die Wiedergeburt der sichtbaren, visuellen Kultur und damit einhergehend das Wiedersichtbarwerden des Menschen. Im Kino war man folglich nicht von Worten abhängig, sondern konnte sich auf die bildhafte Sprache des Films konzentrieren.1 Unterschiedliche Zeichensysteme unterstützten den Zuschauer dabei: das Mienen- und Gebärdenspiel, die Physiognomie, die Bekleidung und die filmspezifischen Ausdrucksmöglichkeiten (Großaufnahme, Schnitt). Im Sinne von Balázs könnte die These des nachfolgenden Kernkapitels daher lauten: Der Schauspieler war durch den Stummfilm wieder sichtbar geworden. Worte konnten den Darsteller nicht mehr von seiner eigentlichen Aufgabe, eine Rolle zu verkörpern, ablenken. Den medienspezifischen Einsatz der nonverbalen Ausdrucksmittel mussten die StummfilmschauspielerInnen allerdings erst erlernen, ebenso musste das Publikum diese erst verstehen lernen. Was die ausschließliche Sichtbarkeit des Stummfilmschauspielers für die Praxis des Berufes bedeutete, soll in den folgenden Abschnitten erörtert werden. Besonderes Interesse gilt dabei den Erwartungen an das äußere Erscheinungsbild, das sich in physischer Attraktivität, modebewusstem Auftreten und dem stummfilmgerechten Einsatz von Make-Up und Kostüm manifestierte. Die inhärente Tonlosigkeit des neuen Mediums rückte naturgemäß die Bildhaftigkeit und damit das Äußere der DarstellerInnen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Damit wurde nicht nur das Aussehen zum wesentlichen Erfolgsfaktor – äußere Schwächen konnten nun nicht mehr durch eine eindrucksvolle Stimme kompensiert werden2 –, sondern auch die nonverbale Ausdruckskraft. Die Anforderun1

Vgl. Balázs: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 16–23.

2

Vgl. Pordes: Das Lichtspiel, S. 84f.

178 | Schauspielen im Stummfilm

gen an die mimischen, gestischen und gesamtkörperlichen Ausdrucksmittel werden darum Thema des zweiten Abschnitts sein, der sich neben Fragen zur Darstellungsweise auch stilistischen Fragen widmen wird. Den Abschluss des Kernkapitels bildet dann die ausführliche Beschäftigung mit stummfilmspezifischen Arbeitspraktiken und ihren Herausforderungen speziell für bühnenerfahrene SchauspielerInnen.

5.1 ERWARTUNGEN AN DAS ÄUSSERE ERSCHEINUNGSBILD Die Bildhaftigkeit des noch jungen Mediums hat die zeitgenössischen Theoretiker und Journalisten dazu veranlasst, dem Aussehen der Stummfilmmimen einen zentralen Stellenwert beizumessen. Victor E. Pordes schrieb z.B.: „Der Filmdarsteller ist auf das rein Aeußerliche gestellt. [...] Kein Geistiges kann hier die Unzulänglichkeiten des Physischen ersetzen.“3 Ebenso war für Béla Balázs das Äußere von großer Bedeutung. Er widmete „Typus und Physiognomie“ sogar ein eigenes Kapitel in Der sichtbare Mensch,4 verstand die physischen Voraussetzungen jedoch vorrangig als Mittel zur Typisierung der Charaktere und weniger als Bestandteil des Anforderungsprofils. Letzteres sprach hingegen Friedrich Porges an: „[...] der Film verlangt nun einmal vollendete Frauenschönheit, harmonische Gesichtszüge und – Jugend.“5 Tatsächlich kann der Beruf bzw. das Berufsbild des Stummfilmschauspielers nicht erörtert werden, ohne dem Aussehen, das neben dem darstellerischen Können und dem Verständnis für stummfilmspezifische Arbeitspraktiken eine der wichtigsten Anforderungen darstellte, umfangreiche Beachtung zu schenken. Die nachfolgenden Kapitel werden daher versuchen die einzelnen Faktoren zu bestimmen, die das äußere Erscheinungsbild idealerweise prägen sollten. Physische Attraktivität, modebewusstes Auftreten und filmgerechtes Styling sind dabei die Überbegriffe mit denen gearbeitet werden soll. Im Konkreten geht es um die Frage, welchen Stellenwert Schönheit, Mode, Make-Up und Kostüm für die StummfilmschauspielerInnen hatten und welche Aspekte es jeweils in der praktischen Ausführung zu beachten galt.

3

Ebd.

4

Vgl. Balázs: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 37–43.

5

Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 44.

5. Beruf „Kinokünstler“ II | 179

5.1.1 Physische Attraktivität „Der Filmstar hat schön zu sein“, schrieb Béla Balázs 1924 und brachte damit ein zentrales Charakteristikum des (idealen) Stummfilmschauspielers auf den Punkt. Sowohl in der Theorie als auch in der Praxis setzte sich die Idee fest, dass aufgrund der visuellen Sprache des Stummfilms ein schönes Äußeres grundlegend zur Wirkung und zum Erfolg des Filmdarstellers beitrug. Doch Schönheit liegt bekanntlich nicht nur im Auge des Betrachters, sie ist generell eine variable Größe, die „je nach der historischen Epoche und dem Land verschiedene Gesichter“6 zeigt. Folglich muss man auch im Zusammenhang mit dem Stummfilmschauspieler den Begriff der Schönheit hinterfragen bzw. nach den Beurteilungskriterien fragen. Die Auswertung der zeitgenössischen Filmperiodika lässt den Schluss zu, dass Schönheit im Sinne von physischer Attraktivität eine Kombination aus idealem Filmgesicht, schlanker Figur bzw. trainiertem Körper und jugendlichem Aussehen meinte. Vor allem dem Gesicht kam eine besondere Bedeutung zu, da man es den ZuschauerInnen mittels Großaufnahme aus nächster Nähe zeigen konnte und dadurch jede Unregelmäßigkeit oder Alterserscheinung sichtbar wurde. Es verwundert darum nicht, dass man das ideale Filmgesicht im zeitgenössischen Kontext als Gesicht mit regelmäßigen und jugendlichen Gesichtszügen definierte, das von jeder Seite und aus der Nähe gefilmt makellos erscheinen sollte. Der Kinowoche zufolge bedeutete dies im Detail: „[...] ein richtiges Filmgesicht soll eher breit sein, die Züge ausdrucksvoll und möglichst regelmäßig, insbesondere die Nase ziemlich korrekt und gerade geschnitten mit Rücksicht auf das Profil.“7 Noch genauer wurden die grundlegenden Merkmale eines idealen Filmgesichts 1928 in Film im Bild beschrieben. Demnach verlangte die Filmbranche: in 80% der Fälle eine länglich-ovale Gesichtsform, kein hervortretendes Kinn und keine hervortretenden Backenknochen, eine schmale und unauffällige Nase, einen kleinen Mund, weiße, gepflegte und lückenlose Zähne, keine abstehenden

6

Umberto Eco: „Einführung“, in: Die Geschichte der Schönheit, hg. von Umberto Eco, übers. von Friederike Hausmann, 4. Aufl. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2012 (= dtv 34369), S. 8–15, hier S. 14 (Orig.: Storia della Bellezza. Milano: Bompiani, 2004). Vgl. auch Hugo Rappart: „Der Frauentyp im Wandel der Filmjahre“, in: Mein Film 2/71 (1927), S. 9f.

7

O.N.: „Das Filmgesicht“, in: Die Kinowoche 2/13 (1920), S. 14–16, hier S. 14.

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oder zu großen Ohren sowie große, strahlende Augen in einer dunklen Farbe.8 Allan Dwan, ein amerikanischer Filmregisseur, soll sogar die genauen Maße eines idealen Filmgesichts bestimmt haben: „Die Entfernung von der Spitze des Kinns bis zur Basis der Nase muß ebenso groß sein wie die Entfernung von der Nasenspitze bis zu einem Punkt mitten zwischen den Augenbrauen; die Entfernung von einem Ohr zum anderen muss gleich groß sein mit der von der Spitze des Kinns bis zum Scheitel des Kopfes. Der Mund soll beim Lächeln nicht länger sein, als wenn er sich in Ruhestellung befindet. Der Zwischenraum zwischen den Augen darf nicht größer sein als die Entfernung von einem Augenwinkel zum anderen; die Spitze des Ohrs muß mit der Linie der Augenbrauen in gleicher Höhe liegen und die [Nase] darf aus dem Gesicht nicht mehr als drei Viertelzoll herausragen.“9

Die Kinowoche, die Dwans Angaben 1921 abdruckte, wies darauf hin, dass diese zwar eine Möglichkeit für angehende FilmschauspielerInnen sei, die Filmeignung ihres Gesichts zu ermitteln, jedoch auch andere wesentliche Eigenschaften, wie die Farbe von Haut, Haaren und Augen, nicht außer Acht gelassen werden sollten. Denn neben ökonomischen Überlegungen in Bezug auf das jeweilige Schönheitsideal bestimmten auch technische Gegebenheiten (vgl. Kapitel 5.1.3)

8

Vgl. Erwin Wolfgang Nack: „Filmgesicht – Filmmimik“, in: Film im Bild 1/5 (1928), S. 5.

9

O.N.: „Das Filmgesicht“, in: Die Kinowoche 3/25 (1921), S. 13. Dwans Angaben waren ein Versuch, die idealen Proportionen eines Filmgesichts festzulegen, und erinnern damit an die kunstästhetische Suche nach den idealen Körperproportionen. Schon seit der Antike wurde etwas als schön beurteilt, das wohlproportioniert war. In der herkömmlichen Tradition, deren Grundlage auf den normativen Ansätzen von Polyklet (5. Jh. v. Chr.) und Vitruv (1. Jh. v. Chr.) beruhen, ist es darum das Ziel gewesen, ideale auf den Körper bezogene Maßeinheiten zu eruieren und einen (oder mehrere) „Musterkörper“ zu kreieren. Um dies zu erreichen, wurde z.B. das Verhältnis der Körperteile zueinander bestimmt (A:B = B:C) oder die richtigen Proportionen des Körpers als Teile der Gesamtgröße erfasst (bei Vitruv sollte z.B. das Gesicht 1/10 der Körperhöhe betragen). Vgl. Umberto Eco: „Schönheit als Proportion und Harmonie“, in: Die Geschichte der Schönheit, hg. von Eco, 2012, S. 60–97, hier S. 61 u. 73f. (Orig.: Storia della Bellezza, 2004); Eckhard Leuschner: „Proportion“, in: Lexikon Kunstwissenschaft. Hundert Grundbegriffe, hg. von Stefan Jordan und Jürgen Müller. Stuttgart: Reclam, 2012, S. 280–283. Eine umfassende und interdisziplinäre Untersuchung, die eine Verbindung zwischen idealem Filmgesicht und Proportionslehre herstellt, steht noch aus.

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die grundlegenden Merkmale eines idealen Filmgesichts, was besonders im Hinblick auf die Farbe einzelner Gesichtspartien zu restriktiven Auflagen führte. So konnte u.a. eine helle Augen- oder Haarfarbe entstellend wirken, da sie zu dunkel auf der Leinwand wiedergegeben wurde. Ein großes Problem waren in dieser Hinsicht auch Goldzähne, die als schwarze Flecken erschienen.10 Aus diesem Grund wurde der Pflege der Zähne und des Gesichts große Bedeutung zugemessen. Davon profitierte die Kosmetikindustrie, die sich den Bedürfnissen der FilmdarstellerInnen anpasste. In Wien gab es z.B. das Kosmetikinstitut „Madeleine“ in der Lange Gasse 67, dessen Behandlungsmethode mit orientalischen Wässerchen und Salben im Kino-Journal beworben wurde.11 Eine einzigartige Illustration des idealen Filmgesichts findet sich in einer Ausgabe der Publikumszeitschrift Mein Film von 1926 (Abbildung 2). Diese trägt den Titel „Brauchbare Filmdarsteller-Nasen“ und zeigt verschiedene weibliche und männliche Gesichter im Profil. Die Bildunterschrift verrät, dass die Zeichnung dem Filmnachwuchs verdeutlichen sollte, „welche Profile, insbesondere was die Formen der Nasen anlangt, im Filmbild vorteilhaft“ wirkten.12 Mit Illustrationen wie diesen sowie den zuvor zitierten Beschreibungen prägten auch die Stummfilmperiodika die Idealvorstellung eines kameratauglichen Gesichts. Doch obwohl bestimmte äußerliche Gegebenheiten als ideal angesehen wurden, betonte man ebenfalls, dass keine allgemeingültigen Normen oder feststehenden Regeln der Realität gerecht werden konnten.13 Idealerweise sollte der Regisseur von Fall zu Fall die Eignung eines Gesichts für den Film feststellen. Zudem bewies das außergewöhnliche Aussehen von Stummfilmstars wie Asta Nielsen oder Mary Pickford, dass man ohne die von Fachleuten, der Presse und dem Publikum bestimmten Schönheitsideale erfolgreich sein konnte.14

10 Vgl. o.N.: „Die Goldzähne der Filmdarsteller“, in: Die Kinowoche 3/12 (1921), S. 12. 11 Vgl. o.N.: „Film und Körperpflege“, in: Das Kino-Journal 20/899 (1927), S. 9f. Madame Madeleine (eig. Magdalena Panesch) war eine Kosmetikerin, die laut dem Branchenverzeichnis des Wiener Adreßbuchs zumindest zwischen 1926 und 1938 als „Schönheitspflegerin“ in Wien tätig war. Vgl. Adolph Lehmann (Begr.): Wiener Adreßbuch. Lehmanns Wohnungsanzeiger, Jg. 1926, Bd. 2, Teil III. Wien: Österreichische Anzeigen-Gesellschaft, 1926, S. 547; ebd., Jg. 1938, Bd. 2, Teil III, S. 320. 12 O.N.: „Brauchbare Filmdarsteller-Nasen . . . .“, in: Mein Film 1/10 (1926), S. 7 (Orig.: nicht eruierbar). 13 Vgl. u.a. o.N.: „Das Filmgesicht“ [1920], S. 14; o.N.: „Das Filmgesicht“ [1921], S. 13; Nack: „Filmgesicht – Filmmimik“, S. 5. 14 Vgl. ebd.; o.N.: „Das schöne Gesicht“, in: Das Kino-Journal 18/787 (1925), S. 3f.

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Abbildung 2: Ideale Filmdarsteller-Nasen

Quelle: Mein Film, 1926 (UB Wien)

Trotz dieser Tatsache wurde in den Filmperiodika, neben einem makellosen und wohlproportionierten Gesicht, zunehmend auch ein schlanker und trainierter Körper als physische Voraussetzung propagiert, um beim Stummfilm erfolgreich arbeiten zu können. Diese Anforderung wurde aber nicht nur an die FilmdarstellerInnen gestellt, sondern entsprach ebenso dem zeitgenössischen Körperbild, das sich seit Ende des 19. Jahrhunderts in Europa durchzusetzen begann und das einen durch Selbstkontrolle (Diät, Sport) geformten Körper zum Ideal erhoben hatte. Wie Michael Cowan und Kai Marcel Sicks zeigen, war der Wandel in der „Imagination von Idealkörpern“ von verschiedenen Faktoren beeinflusst: 1. Maßgeblichen Einfluss auf das neue Körperverständnis hatte die Industrialisierung und damit einhergehend der auf Effizienz und Leistung ausgerichtete Arbeitsprozess, der das Bild eines effizienten und leistungsfähigen/-steigernden Körpers (mit-)prägte. Ähnlich diszipliniert wie eine Maschine sollte nun auch der Körper funktionieren. Nicht ohne Grund wächst die Bedeutung des Sports Ende des 19. Jahrhunderts enorm an. Doch das neue Körperideal fand nicht nur Anhänger, sondern provozierte auch Gegenbewegungen. Die um 1900 aufkommenden Lebensreform- und Körperkulturbewegungen, wie etwa die FKKBewegung oder der Vegetarismus, setzten den monoton arbeitenden und seelenlosen „Maschinenkörper“ mit dem Verlust der Subjektivität gleich und stellten ihm das Ideal eines natürlichen Körpers gegenüber, den das Individuum durch Bewegung im Freien und gesunde Ernährung selbst und nach den eigenen Bedürfnissen gestalten konnte.15

15 Vgl. Michael Cowan und Kai Marcel Sicks: „Technik, Krieg und Medien. Zur Imagination von Idealkörpern in den zwanziger Jahren“, in: Leibhaftige Moderne. Körper in Kunst und Massenmedien 1918 bis 1933, hg. von Michael Cowan und Kai Marcel Sicks. Bielefeld: transcript, 2005, S. 13–29, hier S. 15f. u. 18. Auch Erika FischerLichte macht darauf aufmerksam, dass die genannten Gegenbewegungen einen gesunden und natürlichen Lebensstil als Gegenstück zum technisierten Körper bzw. eine Reform der Lebensweise für beide Geschlechter in Bezug auf Ernährung, Hygiene,

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2. Mit der Industrialisierung einher ging auch eine Verbesserung der Mobilität (Eisenbahn, Auto, Flugzeug) und der Kommunikationsfähigkeit (Telefon), die Tempo und Bewegung in das Leben des modernen Menschen brachten. In der Kunst und den Medien äußerte sich das durch die Ablösung des Ideals der „statischen Unbewegtheit“ durch jenes eines in Bewegung befindlichen Körpers. Als schön galten nun „Repräsentationen, die den Körper entweder in einem einzigen dynamischen Moment (in Skulpturen, Gemälden, Momentfotografien) oder in Bewegungsabläufen (im Tanz, im Film oder in der Chronofotografie)“ darstellten.16 3. Ein weiterer wesentlicher Faktor, der das moderne Körperbild mitbestimmte, war der Erste Weltkrieg. Eine Folge dieses Krieges waren entstellte und verstümmelte Körper, die das Alltagsbild prägten und die Vorstellung von einem gestählten Körper, der im Gegensatz zu den kriegsversehrten Körpern stand, forcierten. Anstelle des Gefühls von Verletzlichkeit und Kriegsdemütigung wurde eine neue und selbstbewusste Identität nun in einem schönen, d.h. starken und gesunden Körper gesucht.17 4. Die Entwicklung hin zur westlichen Massengesellschaft, die sich an den USA als Vorbild orientierte, führte außerdem dazu, dass das Individuum in der Masse des großstädtischen Raums verschwand und der durchschnittliche Mensch, definiert etwa durch Modetrends und Körpernormen, gefördert wurde. Allerdings beobachten Cowan und Sicks hier ein Paradoxon: Während das Individuum in der Moderne an Unterscheidbarkeit und Identität verliert, gewinnt es durch gruppeninterne Abgrenzung zugleich auch an Identität. Als Beispiel nennen sie die Neue Frau, deren Emanzipationsbestrebungen untrennbar mit ihrem schlanken, androgynen und sportlichen Äußeren, das besonders mit dem Tragen kurzer Röcke und dem Bubikopf assoziiert wurde (und wird), verbunden ist.18 Aufgrund der genannten Faktoren entwickelte sich eine Vorstellung von Schönheit, die den jugendlichen, schlanken und sportlichen Körper zum Ideal erhob. An der Verbreitung dieses Körperbildes war der tiefgreifende Wandel in der Medienlandschaft Anfang des 20. Jahrhunderts maßgeblich beteiligt. Allerdings nahmen nicht nur neue Unterhaltungs- und Freizeitmedien, wie das Kino und die Illustrierten, Einfluss auf die Imagination des Körpers, sondern der zeitgenössische Diskurs über den Körper beeinflusste auch die Entwicklung neuer,

Kleidung, Wohnung, Sexualverhalten und Freizeitgestaltung anstrebten. Vgl. FischerLichte: „Einleitung“, S. 2–4 bzw. Kapitel 4.3.2. 16 Cowan und Sicks: „Technik, Krieg und Medien“, S. 17. 17 Vgl. ebd., S. 19f. 18 Vgl. ebd., S. 20f.

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die Bewegung einfangender Medientechnologien wie der Kinematografie. Der moderne Körper wurde darum einerseits zum Objekt neuer Massenmedien, andererseits wurde er selbst auch zum Medium neuer performativer Praktiken, wie dem Ausdruckstanz, dem Varietétheater, dem Massensport oder der Schönheitskonkurrenzen, in deren Zentrum der Körper und seine Ausdrucksformen standen.19 Für den Filmdarsteller bedeutete die dem Zeitgeist entsprechende und von Hollywood zusätzlich forcierte „schlanke Linie“ aber vor allem Entbehrungen. Bezeichnend dafür sind die Diättipps und Abmagerungskuren amerikanischer Filmstars, die auch die europäischen KollegInnen und Filmschauspielinteressierten in der Perfektionierung ihres Körpers unterstützen sollten. Zum Beispiel verriet US-Star Corinne Griffith, dass sie sich durch den „reichliche[n] Genuß von rohen Mohrrüben“ schlank halte.20 Auch in der Bühne von 1930 findet sich eine Hollywood-Diät, die voll und ganz der „Reduceomania“, der gesundheitsgefährdenden Abmagerungssucht nach dem Motto „Abnehmen, um jeden Preis!“,21 gerecht wird: „1. Tag [von 18, A.D.]: Frühstück: Eine halbe Grapefruit, schwarzer Kaffee oder Tee. (Dasselbe an allen Tagen.) Mittags: Halbe Grapefruit, Ei, Salat, acht Scheiben Gurke, schwarzer Kaffee oder Tee. Abends: Zwei Eier, Tomate, halbe Grapefruit, Kaffee.“22 Dass sich auch Männer dem zeitgenössischen Schlankheitsideal unterwarfen, zeigt beispielhaft ein Beitrag von Emil Jannings aus dem Jahr 1928 mit dem Titel „Ich lebe diät!“. Darin schrieb der zu diesem Zeitpunkt in Hollywood lebende deutsche Filmstar, dass auch er sich der „moderne[n], schlanke[n] Linie“ beugen müsse und seine Frau darauf bedacht sei, dass er, der „seit jeher ein Faible für gute Küche“ gehabt habe, seine Diätvorschriften einhalte. Im Konkreten bedeute dies: viel Obst, viele Eisgetränke, Eiweiß in Maßen und kein Alkohol.23 Über die schlanke Figur hinaus wurde von den StummfilmschauspielerInnen außerdem ein trainierter Körper verlangt. Die sportliche Betätigung wurde zunehmend unerlässlich, um schlank zu bleiben (oder zu werden) und um fit zu sein für die oft Sportlichkeit erfordernden Filmaufnahmen (vgl. Kapitel 5.2.3). Hugo Schwerdtner (1875–1936), Facharzt für physikalische Heilmethoden und Leiter des Wiener Zander-Instituts für Heilgymnastik, wies diesbezüglich in ei-

19 Vgl. ebd., S. 22f. 20 O.N.: „Mohrrüben machen schlank“, in: Film im Bild 1/7 (1928), S. 10. 21 O.N.: „Filmstars müssen abmagern! Die Opfer der amerikanischen Abmagerungsseuche“, in: Mein Film 1/28 (1926), S. 6. 22 O.N.: „Hollywood-Diät“, in: Die Bühne 7/283 (1930), S. 9. 23 Emil Jannings: „Ich lebe diät!“, in: Mein Film 3/112 (1928), S. 3.

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ner Ausgabe der Bühne von 1926 auf die notwendige „[k]örperliche Schulung der Künstler“ hin, die die häufigen Verletzungen und Unfälle zukünftig vermeiden helfen sollte.24 Die sportliche Betätigung diente aber nicht nur der eigenen Gesundheit und Fitness, sondern auch einer verstärkten Publicity. Reich illustrierte Fotostrecken in publikumsorientierten Zeitschriften zeigten darum regelmäßig internationale Stummfilmstars beim vorbildhaften Ausüben der verschiedensten Sportarten.25 Ein weiteres Merkmal des Schönheitsideals von StummfilmschauspielerInnen war ein jugendliches Aussehen. Als ideales Filmalter wurde der Zeitraum zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr definiert, 26 weshalb viele etablierte Stummfilmstars, deren Alter meist weiter fortgeschritten war, begannen, ihr Geburtsjahr zu verheimlichen oder „anzupassen“, um weiterhin in ihrem Beruf tätig sein zu können.27 In dieser Hinsicht stellte der Film speziell für Frauen keine berufliche Erleichterung dar. Denn wie in Kernkapitel 3 gezeigt werden konnte, erlebten Theaterschauspielerinnen ihren Karrierehöhepunkt in der Regel vor ihrem 30. Geburtstag und mussten danach häufig ein Leben abseits der Bühne fristen. Man könnte sogar sagen, dass der Film ihre Situation noch verschlechterte, da die Großaufnahme jede Form der Alterserscheinung vergrößert sichtbar machte. Die auch im Ausland erfolgreiche österreichische Schauspielerin Nora Gregor (1901–1949) riet ihren Kolleginnen daher: „[Oh, film’, solang’ du filmen kannst . . .] Man versäumt beim Theater nicht so rasch die ‚Überfuhr‘, wie beim Film! Das Objektiv des Filmaufnahmeapparates ist der unbarmherzige Enthüller in bezug auf – – – na sagen wir: sich einstellende Alterserscheinungen. Ja, ja . . . Filme, Diva, so lange du filmen kannst! Bevor sich die Fältchen und Falten um deine Lippen und um deine Augenwinkel graben! [...] Filme, filme, so lange das Gesicht jung

24 Vgl. Hugo Schwerdtner: „Körperliche Schulung der Künstler“, in: Die Bühne 3/72 (1926), S. 56. 25 Vgl. o.N. [F.]: „Zweierlei Sport“, in: Die Filmwelt 7/2 (1925), S. 9; o.N.: „Der Filmstar muss einen durchtrainierten Körper haben“, in: Die Bühne 3/94 (1926), S. 42f.; Waldemar Lydor: „Schlank ohne Zwang“, in: Mein Film 2/84 (1927), S. 5f., hier S. 5; o.N.: „Stars im Training“, in: Die Bühne 7/276 (1930), S. 19f. 26 Vgl. o.N.: „Gespielte und echte Jugend“, in: Mein Film 3/112 (1928), S. 4f., hier S. 4. 27 Vgl. Gerhard Krause: „Gestatten Sie: Ihr Lebensjahr? Was die Filmprominenten angeben“, in: Die Bühne 3/108 (1926), S. 33f. (Bez./Orig.: nicht eruierbar); Robert Ramin: „Vergessene Filmstars“, in: Das Kino-Journal 20/862 (1927), S. 7–9.

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aussieht . . . (Und nicht länger!) Denn die Schminktechnik kann nicht viel ausrichten beim Film . . .“28

Die Frage, die sich einzelne AutorInnen allerdings zu stellen begannen, war, ob das tatsächliche Alter einer Filmschauspielerin eine so große Rolle spielen durfte oder ob nicht vielmehr das schauspielerische Können bzw. die darstellerische Erfahrung im Vordergrund stehen sollte. In einer mehrteiligen Serie von Vera Bern (1888–unbek.) mit dem Titel „Vom Alter unserer Film-Divas“, die in mehreren österreichischen Filmzeitschriften 1921/22 abgedruckt worden war,29 hieß es diesbezüglich: „Es kommt nicht darauf an, ob sie [die Filmdiva, A.D.] 15, oder 20, oder 30, oder 40 Jahre alt ist. Nicht das Geburtsjahr bestimmt das Alter, sondern die Uebertragungsfähigkeit der eigenen Empfindungen auf andere.“30 Die Altersdebatte führte schließlich auch zu der Frage, ob ein schönes bzw. attraktives Äußeres ausreichte, um beim Film erfolgreich zu sein. Vor allem Frauen wurde der Vorwurf gemacht, ohne jegliches schauspielerisches Talent Erfolge feiern zu können. So liest man in den (ausschließlich von Männern herausgegebenen Filmzeitschriften) nicht selten Aussagen wie diese: „Niemand wird behaupten wollen, daß die Beliebtheit der weiblichen Kinosterne in erster Linie auf ihr hochentwickeltes Spiel zurückzuführen ist. Verwandlungsfähigkeit, Wandlungsfähigkeit, Aufgehen in der darzustellenden Rolle, Charakterisierung, kurz das Um und Auf einer schauspielerischen Leistung bildet keineswegs die Basis der Kunst unserer weiblichen Kinosterne. Vielmehr ist es in den meisten Fällen der Reiz der Persönlichkeit, die besondere Anmut, die Grazie, das Temperament, die Pflege des Äußeren, die Schönheit, die Rasse und sonstige persönliche Eigenschaften, welche die Stärke der weiblichen Filmsterne ausmachen.“31

28 Nora Gregor: „Oh, film’, solang’ du filmen kannst . . . “, in: Die Bühne 1/2 (1924), S. 33. Die eckigen Klammern kennzeichnen den Titel des Artikels. 29 Vgl. Vera Bern: „Vom Alter unserer Filmdivas“, in: Die Kinowoche 3/17 (1921), S. 4–8 – Komödie 2/21 (1921), S. 11f. – Komödie 2/22 (1921), S. 13f.; „Vom Alter unserer Film-Divas“, in: Die Filmwelt 4/19 (1922), S. 10 – Die Filmwelt 4/20 (1922), S. 8f. – Die Filmwelt 4/21 (1922), S. 8 – Die Filmwelt 4/22–23 (1922), S. 12f. (Orig.: Der Kinematograph 15/739 (1921), n.pag.). 30 Ebd. [Die Filmwelt 4/22–23 (1922)], S. 13. 31 Poldi Sch.: „Weibliche Paraderollen im Film“, in: Neue Filmwoche 1/49 (1919), S. 12f., hier S. 12. Die Verfasserin distanziert sich von jeglichen negativen Konnotationen, die mit dem Wort „Rasse“ in Verbindung gebracht werden könnten.

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„Die Schönheit der Frau ist beim Film das wichtigste Erfordernis. Sie siegt auch dann, wenn die darstellerische Kraft an zweiter Stelle steht, denn Amerika hat uns gelehrt, daß hochästhetische Erfordernisse allen anderen Qualitäten der Künstlerin vorausgehen.“32

Nachwuchsschauspielerinnen wurden daher in den 1920er Jahren zunehmend mithilfe von Schönheitskonkurrenzen gesucht, wie Kapitel 6.2.4 zur Talentsuche in den Publikumszeitschriften zeigen wird. Zudem gab es auch Preisausschreiben, die die schönste Kinoschauspielerin küren sollten.33 In Wien wurde z.B. die aus Mähren stammende Stummfilmdiva Carmen Cartellieri 1922 zur Filmschönheitskönigin gewählt. Die Darstellerin wollte aber noch mehr: Ihr „Ehrgeiz besteht nicht nur darin, eine anerkannt schöne Frau zu sein, nein, ihr Streben geht noch höher, sie will auch als Filmschauspielerin sich die Anerkennung und Bewunderung des Publikums erringen“34. Während der Wunsch Cartellieris um Anerkennung ihrer Kunst für ihre Geschlechtsgenossinnen nur in Ausnahmefällen Realität war, wusste man im Hinblick auf ihre männlichen Kollegen schon längst: Schönheit allein genügte nicht, man(n) musste auch darstellerisches Können beweisen. „Sobald er nicht schön angezogen ist, vermag er auch nicht mehr genügend zu wirken, er muß spielen [...]“35, bemerkte man dazu in der Neuen Filmwoche 1919. Im Sinne der Anerkennung des Films als Kunstform sollte ein schönes Äußeres daher idealerweise gekoppelt sein mit künstlerischen Fähigkeiten (vgl. Abschnitt 5.2), um eine lebensnahe Darstellung erzielen und eine Reaktion im Zuschauer bewirken zu können.36 In Mein Film hieß es 1927 dazu: „Schönheit ohne Ausdruck ist wie Essen ohne Salz. Es gibt Gesichter, die von verblüffender Regelmäßigkeit sind. Ein feines Oval, große Augen, eine schmale Nase, ein kleiner Mund, ein zarter Teint – alles das vereinigt, muß ein nach allgemeinen Begriffen als schön

32 O.N.: „Film und Körperpflege“, S. 9. 33 Vgl. u.a. o.N. (Red.): „Wer ist die schönste Kinoschauspielerin?“, in: Die Theaterund Kinowoche 1/11 (1919), S. 20 – Die Kinowoche 1/2 (1919), S. II. Die Gewinnerinnen waren: Maria Carmi (1. Preis), Henny Porten (2. Preis), Fern Andra (3. Preis), Grete Wiesenthal (4. Preis), Dora Kaiser (5. Preis). 34 R[osa] W[achtel]: „Carmen Cartellieri[,] der schönheitspreisgekrönte Filmstar“, in: Die Filmwelt 4/3 (1922), S. 13. 35 Sch.: „Weibliche Paraderollen im Film“, S. 12. 36 Vgl. u.a. o.N. [A.W.]: „Filmkunst und Publikum“, in: Neue Kino-Rundschau 2/91 (1918), S. 50; o.N. [s.]: „Von der Schönheit im Film“, in: Das Kino-Journal 15/646 (1922), S. 3f.

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geltendes Antlitz ergeben. Trotzdem fehlt etwas, das man sich nicht erklären kann, und das Gesicht langweilt und läßt gleichgültig. Im Gegensatz zu diesen Puppenköpfen können unregelmäßige Gesichter durch die innere Ausstrahlung, durch das lebhafte Mienenspiel, einen so ausgesprochenen Reiz erhalten, daß man sie als schön bezeichnet und erst bei genauerer Nachprüfung dahinterkommt, daß diese Schönheit gar nicht in dem Schnitt des Gesichtes, sondern eben in seinem Ausdruck liegt.“

37

Deshalb kämpfte man auch auf weiblicher Seite darum, nicht nur auf das rein Äußerliche reduziert zu werden. Die berühmtesten Filmschauspielerinnen ihrer Zeit, wie Asta Nielsen, Henny Porten oder Corinne Griffith, sprachen sich in Umfragen und Erfahrungsberichten dafür aus, dass eine Filmkünstlerin eine Kombination von äußerer Schönheit, starker Persönlichkeit und darstellerischem Können aufweisen sollte.38 Die Frage nach Schönheit oder Talent, die besonders in Bezug auf die weiblichen Schauspielkräfte immer wieder gestellt worden war, sollte also im Idealfall auch beim (Stumm-)Film keine Entscheidungsfrage mehr sein. 5.1.2 Modebewusstes Auftreten Das ideale äußere Erscheinungsbild eines Stummfilmschauspielers wurde aber nicht nur an seiner physischen Attraktivität festgemacht, sondern auch an seinem Kleidungsstil. Die körperliche Eignung in Form eines filmogenen Gesichts, eines schlanken und trainierten Körpers sowie einer jugendlichen Gesamterscheinung reichte alleine nicht aus, um den Anforderungen zu genügen. „Auch das markanteste Filmgesicht nützte nicht, wenn es an der entsprechenden Garderobe mangelte“, bringt es Martina Feike auf den Punkt.39 Schönheit bedeutete für die StummfilmschauspielerInnen eben nicht nur das zeitgenössische Schönheitsideal bestmöglich zu verkörpern, sondern auch dem herrschenden Modeideal gerecht zu werden bzw. den jeweiligen Zeitgeist durch ein modebewusstes Äußeres widerzuspiegeln.

37 O.N.: „Schönheit und Wandlungsfähigkeit“, in: Mein Film 2/102 (1927), S. 13. 38 Vgl. o.N.: „Stil oder Schönheit? Eine Umfrage“, in: Das Kino-Journal 18/760 (1925), S. 5f. (Orig.: „Stil oder Schönheit? Eine ganz unparteiische Umfrage“, in: Filmland 1/2 (1924), S. 24–30, hier S. 25f.); Corinne Griffith: „Jede Frau ist schön!“, in: Film im Bild 1/19 (1928), S. 5. Vgl. auch o.N.: „Der interessante Schönheitsfehler“, in: Mein Film 3/109 (1928), S. 13. 39 Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik, S. 141.

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In dieser Hinsicht trat der Stummfilm in die Fußstapfen des Theaters. Wie die Bühne des 19. Jahrhunderts wurde auch die Leinwand zum Laufsteg. Doch im Gegensatz zur „echten“ Modenschau war der Film zeit- und ortsunabhängig, wodurch er ein größeres Publikum über einen längeren Zeitraum hindurch erreichen konnte.40 Das erkannte auch die Modebranche, die sich die breite Werbewirkung des Films zunutze machte. Ab den 1910er Jahren wurden insbesondere die weiblichen Filmstars als Mannequins eingesetzt, indem sie mit der von ihnen getragenen Kleidung direkt oder indirekt Werbung für bestimmte Modehäuser oder Modetrends machten.41 In den Filmzeitschriften interessierte man sich anfangs vor allem dafür, was international berühmte Stars wie Asta Nielsen bei öffentlichen Auftritten trugen bzw. in welchen Modesalons sie ihre Filmtoiletten schneidern ließen.42 Mit Aufkommen der Publikumsperiodika in den 1920er Jahren finden sich vermehrt auch Moderubriken in Filmillustrierten wie der Filmwelt oder Mein Film, die Fotostrecken von Filmstars, die die neuesten Kollektionen präsentierten, zeigen. Auch in Wien bewarben verschiedene Maisons, Ateliers und Modehäuser ihre „Toiletten“ mit österreichischen Stummfilmgrößen. Lucy Doraine, Magda Sonja, Grit Haid oder auch Dora Kaiser wurden in den neuesten Modellen der Modebranche abgebildet.43 Besonders beworben wurden die „Toiletten für die Filmschauspielerin“ von Ida Reich & Bruder, einem Modehaus auf der Wiener Mariahilfer Straße (Abbildung 3).44 Die Filmwelt schrieb über das Unternehmen 1923: „Man kann sonach die Firma Ida Reich & Bruder

40 Vgl. o.N. [F.B.]: „Filmwelt-Modeschau im Lichtspiel“, in: Die Filmwelt 4/6 (1922), S. 4–6, hier S. 4. 41 Vgl. Friedrich Porges (Red.): „Der Filmstar als Mannequin“, in: Die Bühne 2/40 (1925), S. 45; o.N.: „Filmschauspielerinnen als Modemodelle“, in: Die Filmwelt 1/9 (1919), S. 3. Im Filmwelt-Beitrag wurde dieser Trend jedoch kritisiert, weil er nichts mit Kunst zu tun habe. 42 Vgl. u.a. o.N.: „Berlin. (Asta Nielsens Toiletten.)“, in: Die Filmwoche 1/32 (1913), S. 29; o.N.: „Modenkunst im Kino“, in: Österreichischer Komet 7/203 (1914), S. 37f. 43 Vgl. u.a. o.N.: „Lucy Doraine mit Frühjahrshüten 1920“, in: Die Filmwelt 2/26–27 (1920), S. 16f.; o.N. [Smut]: „Mode im Film. Pelzmoden“, in: Die Filmwelt 2/37 (1920), S. 1; [Ida Reich & Bruder]: „Neue Wiener Moden“, in: Die Filmwelt 5/1 (1923), S. 7 – Die Filmwelt 5/7 (1923), S. 9. 44 Vgl. u.a. [Ida Reich & Bruder]: „Toiletten für die Filmschauspielerin“, in: Die Filmwelt 5/10 (1923), S. 16. Die Firma Ida Reich & Bruder wurde 1921 ins Handelsregister eingetragen und 1942 wieder gelöscht. Vgl. WStLA, Handelsgericht, B76 – Handelsregister A: 61.216.

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als das Spezialhaus der Fi[l]msterne bezeichnen, eine Stellung, die an den guten Geschmack und Chik die denkbar größten Anforderungen stellt und erfüllt.“45 Abbildung 3: Inserat von Ida Reich & Bruder

Quelle: Die Filmwelt, 1923 (UB Wien) Neben Modefotos mit lokalen Stummfilmgrößen veröffentlichten die Filmzeitschriften auch die Meinungen inter-/nationaler Stars zum Thema Mode und Film.46 Zum Beispiel kündigte man die Beiträge von Maria Corda und Lucy Doraine in Mein Film 1926/27 wie folgt an: „Maria Corda, die erst kürzlich wieder [...] Gelegenheit hatte, ihre berühmten Toilettenkünste spielen zu lassen, plaudert im nachstehenden über das Thema, das nicht nur für die Filmdiven, sondern auch für alle anderen weiblichen Wesen stets eines der wichtigsten bleiben wird.“

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45 O.N.: „[Fünfundzwanzig] herrliche Toiletten“, in: Die Filmwelt 5/9 (1923), S. 15. 46 Vgl. u.a. Fern Andra: „Aus dem Reiche der Mode“, in: Neue Filmwoche 1/50 (1919), S. 9f.; Maria Corda: „Die Kunst, sich anzuziehen“, in: Mein Film 1/50 (1926), S. 15; Lucy Doraine: „Man kann auch anders . . . Betrachtungen über die heutige Mode“, in: Mein Film 2/72 (1927), S. 13; Corinne Griffith: „Wie ziehe ich mich an?“, in: Die Bühne 3/92 (1926), S. 39 – Helmut Bettauers Wochenschrift 2/2 (1928), S. 17f.; Asta Nielsen: „Modefragen des Films“, in: Das Kino-Journal 14/591 (1921), S. [1]f. – Die Kinowoche 3/36–37 (1921), S. 14; o.N.: „Asta Nielsen über die Mode im Film“, in: Neue Filmwoche 1/42 (1919), S. [3]f. 47 Corda: „Die Kunst, sich anzuziehen“, S. 50. Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt.

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„Es wird unsere Leserinnen gewiß besonders interessieren, in den aktuellen Modefragen die Meinung einer Künstlerin zu hören, die nicht nur zu den faszinierendsten, sondern auch zu den bestangezogenen Frauen des Films gehört.“

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Das Interesse an (Film-)Mode, das, wie die Zitate zeigen, vor allem Frauen zugeschrieben wurde, erreichte in Wien Anfang der 1920er Jahre seinen Höhepunkt, indem der sogenannte Modefilm aufkam. Friedrich Porges verortete den Ursprung des „lebenden Modealbums“ in Frankreich, räumte aber zugleich ein: „Bei uns hat man auch in speziellen und in gewöhnlichen Films wiederholt Modenschauen gezeigt, und es herrscht im allgemeinen eben auch bei uns das Bestreben vor, neue, elegante Frauenmode im Film zu zeigen.“49 In Wien inszenierte die Filmwelt 1922 zwei Modefilme, die den expliziten Zweck hatten, die neueste Mode eines lokalen Modehauses im Rahmen einer fiktiven Handlung und unter Mitwirkung von Wiener Filmstars in Szene zu setzen. Der erste Filmwelt-Modefilm hieß MARYS WEG ZUM FILMSTAR und war in der Hauptrolle mit Magda Sonja besetzt (Abbildung 4).50 Die Filmtoiletten wurden vom Atelier Horak (Wien III., Salesianergasse 26)51 und dem Pelzhaus Anders (Wien VII., Mariahilfer Straße 114)52, die Schuhe vom Schuhhaus Franklin (Wien VII., Neubaugasse 12–14)53 zur Verfügung gestellt. Im selben Jahr folgte

48 Doraine: „Man kann auch anders“, S. 13. Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt. 49 Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 47. Vgl. auch o.N.: „Österreichs Filmkunst und Filmindustrie“, S. 73f. / S. 247f. Laut dem Mein Film-Buch wurde der erste Wiener Modefilm von der Sascha-Meßter hergestellt und zeigte Hilde von Radnay in der Hauptrolle. Der Titel wird im Essay nicht genannt, aber vermutlich handelte es sich um den Film DER VIERERZUG von 1917. 50 Vgl. o.N. [F.B.]: „Filmwelt-Modeschau im Lichtspiel“, S. 4–6. 51 Das Atelier Horak (eig. Gottlieb Horak) wurde erst 1925 ins Handelsregister eingetragen. Einträge zum Inhaber, dem Kleidermacher Gottlieb Horak, gibt es im Lehmann jedoch schon früher, der frühste stammt von 1914. Vgl. Adolph Lehmann (Begr.): Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger nebst Handels- und Gewerbe-Adreßbuch für die k.k. Reichs-Haupt- und Residenzstadt Wien, Jg. 1914, Bd. 2, Teil VII. Wien: Hölder, 1914, S. 521; WStLA, Handelsgericht, B76 – Handelsregister A: 44.50a. 52 Das Pelzhaus Anders (eig. Wiener Pelz-Import-Haus E. Anders, ab 1925 nur E. Anders) wurde 1918 ins Handelsregister eingetragen und 1941 wieder gelöscht. Vgl. WStLA, Handelsgericht, B76 – Handelsregister A: 37.174. 53 Das Schuhhaus Franklin existierte von 1919 bis 1932 – bis 1924 als Franklin Schuhwarenerzeugung und Reparaturen Ges.m.b.H., ab 1925 als Schuhhaus Franklin, Inha-

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ein weiterer Modefilm der Filmwelt mit dem Titel DER VERWECHSELTE FILMSTAR. Ein Foto der mitwirkenden SchauspielerInnen zeigt neben Anny Milety, der Hauptdarstellerin, auch den jungen Willi Forst.54 Hauptausstatter war dieses Mal die zuvor erwähnte Firma Ida Reich & Bruder (Wien VI., Mariahilfer Straße 39). Zum Erfolg und der Werbewirkung des Modefilms bemerkte man in der Filmwelt 1922: „Das nicht nur anhaltende, sondern sich immer steigernde Interesse, welches dem neuesten Modefilm der ‚Filmwelt‘ entgegengebracht wird, beweist, in welch hohem Maße sich die Modekunst dem Film dienstbar machen kann; dies umsomehr, wenn ein führendes Modehaus, wie es heute die Firma Ida Reich & Bruder ist, ihre neuen Modelle auf diesem Wege, sozusagen, ‚allgemein, in Mode‘ bringt.“

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Abbildung 4: Magda Sonja im Modefilm MARYS WEG ZUM FILMSTAR

Quelle: Die Filmwelt, 1922 (UB Wien)

ber S. Frankl. Vgl. WStLA, Handelsgericht, B78 – Handelsregister C: 30.206; WStLA, Handelsgericht, B76 – Handelsregister A: 38.213a. 54 Vgl. Mizzi Neumann: „Die Mode im Film. Ein neuer Modefilm der ‚Filmwelt‘“ in: Die Filmwelt 4/16 (1922), S. 5–7. Das erwähnte Foto wird hier nicht gezeigt, da die Qualität des Bildes es nicht erlaubt, einzelne Gesichter zu erkennen. Die Namen der Mitwirkenden waren der Bildunterschrift zu entnehmen. 55 O.N.: „Moden im Film“, in: Die Filmwelt 4/17 (1922), S. 11.

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Dass Film und Mode eine enge Symbiose eingingen, steht außer Frage. Im Rahmen dieser Arbeit muss jedoch vorrangig nach der Bedeutung dieser Symbiose für den Beruf des Stummfilmschauspielers und der Stummfilmschauspielerin gefragt werden. Grundsätzlich gilt es dabei mehrere Faktoren zu beachten. Denn sowohl der Status des Schauspielers als auch das Genre des Films und der Zeitpunkt der Produktion bestimmten, ob und inwiefern die Berufsausübenden für ihre Garderobe selbst verantwortlich waren bzw. ihre Kostüme selbst stellen mussten. Zum Beispiel war ein modisches Auftreten – auch abseits der Leinwand – primär für den Star von Bedeutung, der sich die benötigten Toiletten dafür eigens in Modehäusern anfertigen ließ. StatistInnen und KleindarstellerInnen hatten hingegen vor allem dafür zu sorgen, dass sie die für eine Szene notwendige Garderobe besaßen (vgl. Kapitel 6.1.3). Gemäß dem Kollektivvertrag von 1919 (vgl. Kapitel 6.3.2) wurden jene Personen „mit Aufwand“ sogar besser bezahlt. In der Regel waren damit elegante Abendgarderoben für den „Gesellschaftsfilm“56 gemeint, Kleidung für historische Filme wurde zumeist von den Filmfirmen zur Verfügung gestellt. In den 1910er Jahren musste in dieser Hinsicht zwar noch auf den Kostümfundus von Theaterhäusern zurückgegriffen werden, aber schon während und nach dem Ersten Weltkrieg entstanden in Wien die ersten größeren Filmateliers (vgl. Kapitel 5.3.4) mit eigenem Kostümfundus. Das Genre und der Zeitpunkt der Aufnahme müssen darum, wie zuvor erwähnt, als zwei weitere Faktoren gelten, die den Bedarf an modischen Filmkostümen bestimmten. Der sogenannte Toilettenwahnsinn dürfte beim Film folglich vor allem die Stars betroffen haben. Denn wie im Theater57 wurden einzelne populäre SchauspielerInnen vom Publikum verehrt (vgl. Abschnitt 7.2) und in ihrem Kleidungsstil nachgeahmt. Die Stummfilmstars wurden deshalb zu Modevorbildern, die Modetrends mitkreierten. „Darum ist auch im Film immer ‚modern‘, was die wirkliche Künstlerin trägt, [...] und was sie trägt, ist schön, ist Mode!“58, schrieb

56 Vgl. Pordes: Das Lichtspiel, S. 103f. Victor E. Pordes definierte dieses Genre als „Lichtspiele, deren Handlung in den Kreisen der sogenannten Gesellschaft spielt“. Dazu zählte Pordes „den Adel, die Finanzwelt, die Intelligenz- und Künstlerkreise, den Offiziers- und Beamtenstand“. Im Mittelpunkt dieser Filme stehe darum das luxuriöse Leben der höheren Gesellschaft, das „elegante Kleidung, Schmuck, Pferde, Autos, Villen, [...] Rennen und jeder Sport sonst [...], schöne Frauen“ usw. enthalte. 57 Zum Toilettenwahnsinn der Bühne vgl. Malte Möhrmann: „Die Herren zahlen die Kostüme. Mädchen vom Theater am Rande der Prostitution“, in: Die Schauspielerin, hg. von Möhrmann, 2000, S. 292–317. 58 Franz Höbling: „Gedanken über die Mode im Film“, in: Die Filmwelt 3/2 (1921), S. 9.

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Burgschauspieler Franz Höbling (1886–1965) in der Filmwelt 1921. Für die Stars soll es aus diesem Grund nicht möglich gewesen sein, eine Filmtoilette mehr als einmal zu tragen. Zum einen hätten sie ansonsten die Gunst des Publikums, das immer die aktuellste Mode im Film sehen wollte, verloren; zum anderen kam es oft auch zu Abnutzungserscheinungen, die ein mehrfaches Tragen ohnehin vereitelt hätten. Bei den zahlreichen benötigten Toiletten pro Film muss der finanzielle Aufwand darum enorm gewesen sein. Asta Nielsen wurde diesbezüglich im Kino-Journal 1921 folgendermaßen zitiert: „Die Schmerzensseite der Mode, ihr rascher Wechsel und der damit verbundene Zwang zu immer neuen und kostspieligen Anschaffungen ist auch für eine Filmschauspielerin in nichts gemildert. Die Gesellschaftstoilette des vergangenen Vierteljahres ist im laufenden Vierteljahr unmöglich. Aber anders noch kommt hinzu, den Kleiderverbrauch einer Filmschauspielerin ins Unheimliche wachsen zu lassen. Eine Bühnenschauspielerin trägt in jedem Akt ein Kleid; das macht normaler Weise drei oder fünf Kleider an einem Abend. Ich habe Filme gespielt mit 38, 40, und 45 verschiedenen Kostümen. Fast jede Filmszene spielt in einem neuen Milieu und erfordert so auch das zugehörige Kleid. Und mit dem Film selbst ist meistens auch das Kleid erledigt. Die Ateliers sind staubig und schmutzig. Auf einem kleinen Platz müssen sich viele Menschen bewegen, wodurch die Kleider arg mitgenommen werden; dazu die dramatisch bewegten Szenen, in denen der Darstellerin oft buchstäblich die Kleider vom Leibe gerissen werden. Rettet man wirklich einmal eine Gesellschaftstoilette unversehrt aus einem Film in den anderen hinüber, so setzt sich hier bereits beim Publikum Entrüstung fest: ‚Ach, das kenne ich, das hat sie ja schon angehabt.‘ Rechnet man nun noch zu den Kleidern die zugehörigen Mäntel, Hüte und Schuhe, so kann man sich einen Begriff machen, welch ansehnliche Höhe das Toilettenbudget für eine Filmschauspielerin hat. Ihre Einnahmen scheinen nur deshalb so hoch, weil drei Viertel von ihnen auf die Kostüme gehen.“

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Auch Kete Wilheim, Redakteurin bei Mein Film, machte auf die hohen Toilettenausgaben aufmerksam und listete die benötigte Ausstattung einer Filmdiva wie folgt auf: zwei Pelzmäntel, ein Dutzend Toiletten für verschiedene Anlässe, elegante Spazier- und Sportanzüge, jeweils passende Schuhe, Hüte, Unterwäsche, Handschuhe und ergänzende Accessoires. Eine solche Frauengarderobe, die bei einem gefragten Modehaus angefertigt werden müsse, verschlinge „Summen von schwindelhafter Höhe“. 60 Zu den Toilettensorgen der Stars

59 Nielsen: „Modefragen des Films“, S. 2 / 14. 60 Vgl. Kete Wilheim (Red.): „Die Toilettensorgen der Stars“, in: Mein Film 1/47 (1926), S. 15.

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schrieb Wilheim weiters: „Gewiß – das Einkommen einer Filmdiva ist ein ansehnliches [...], – aber [um] den Aufwand zu bestreiten, den eine Filmdiva sich leisten muß, ist es dennoch in vielen Fällen gering.“61 Der beschriebene Toilettenaufwand ist u.a. auf die Schnelllebigkeit der Mode zurückzuführen. In nur wenigen Jahren hatte sich besonders die Damenmode komplett gewandelt. Trug die Frau der 1910er Jahre noch Korsett, figurbetonte Kleider und lange Haare, so pflegte die Neue Frau der 1920er Jahre einen burschikosen bzw. androgynen Stil, der das veränderte Frauen(selbst)bild widerspiegeln sollte. Über die Kombination von Weiblichkeit und Männlichkeit in der damaligen Mode war in Bettauers Wochenschrift zu lesen: „Die Mode ist scheinbar toll geworden. Dissonanzen, Uneinstimmigkeiten, Widersprüche. Oben pueril, in der Mitte maskulin, unten feminin.“62 Demnach standen der burschikose Schnitt des Bubikopfes, die maskulinen Jackenkleider und die Frackkostüme für Gleichberechtigung, während die grellroten Lippen und Schuhe sowie die kurzen, das schlanke Bein enthüllenden Röcke die Weiblichkeit betonen sollten.63 Vor allem der Bubikopf erregte in den Filmzeitschriften großes Aufsehen. So war das Abschneiden der Haare der international erfolgreichen Pola Negri ebenso einen Bericht wert wie die „Agitationsrede“ für die Beibehaltung des Bubikopfes von US-Star Colleen Moore.64 Eine detaillierte Beschreibung des Wandels in der Mode von 1900 bis 1930 würde aufgrund seiner Vielfältigkeit an dieser Stelle zu weit führen. Darum sei einerseits auf ausgewählte weiterführende Werke der umfangreich vorliegenden Fachliteratur, besonders auf Gerda Buxbaums Monografie Mode aus Wien 1815–1938, verwiesen.65 Zum anderen soll folgender Ausschnitt aus einem Mein

61 Ebd. Während die Filmdiva einen großen Aufwand an Gesellschaftstoiletten und Accessoires hatte, kam ihr männlicher Kollege hingegen mit ein paar Anzügen, einem Smoking oder einem Frack aus. Vgl. o.N. [A.R.]: „Film und Mode“, in: Das KinoJournal 13/539 (1920), S. 7f., hier S. 7; o.N. [Waldor]: „Modesorgen unserer Filmhelden“, in: Film im Bild 1/4 (1928), S. 13. 62 Hugo [Bettauer]: „Pagenkopf, Damenfrack und rote Lippen“, in: Bettauers Wochenschrift 1/1 (1924), S. 16. 63 Vgl. ebd. 64 Vgl. o.N.: „Die bezopfte Pola Negri . . . und die mit dem Bubikopf“, in: Die Bühne 2/28 (1925), S. 38; Colleen Moore: „Rettet den Bubikopf!“, in: Mein Film 1/26 (1926), S. 13. Vgl. auch Kete Wilheim: „Die Frisur der Filmdiva“, in: Mein Film 1/12 (1926), S. 15. 65 Vgl. Gerda Buxbaum: Mode aus Wien 1815–1938, hg. von der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Salzburg, Wien: Residenz, 1986; Anna Fischel et al. (Red.):

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Film-Artikel von 1926 zur Vergänglichkeit der Filmmode einen kompakten Überblick über die Entwicklungen der zeitgenössischen Mode geben: „Im Verlauf von drei Jahrzehnten wechselte die Mode. Vor allem die der Damen. Denn der Schnitt der Herrenkleidung hat sich nicht um vieles in dem vergangenen halben Jahrhundert verändert. Man kam von der Allgemeinmode des ‚Gehrocks‘ oder ‚Salonrocks‘ zum Cutaway, zum ‚Cut‘ und schließlich zum dunklen Sakko als Gesellschaftsanzug. Daneben hat sich der Straßenanzug in nicht um Vieles veränderter Form und Smoking und Frack in prinzipiell gleich gebliebener Fasson erhalten. Aber die Frauenmode! Was hat sie gerade in diesen vergangenen zwei Jahrzehnten für Wandlungen durchgemacht. Der Vergleich zwischen der Modedame von anno 1906 und der von 1926 gibt krassesten Aufschluß. [...] Von der Frisurmode des großen Haarzopfnestes bis zum Etonkopf, der Knabenfrisur, nur ein Schritt von – zehn Jahren. Von den Hüten mit den Wagenrad-großen Krempen bis zur ‚Cloche‘, von der weiten Kleidermode zur engen (aber auch umgekehrt) und von der langen bis zur kurzen (gleichfalls mit zweitweisen Umkehrungen) [...].“

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Der Film stellte die DarstellerInnen in Bezug auf die Mode allerdings vor ein Paradoxon: Da Filme noch einige Zeit nach der Aufnahme bzw. der Premiere gezeigt wurden, durfte die bei der Aufnahme getragene Kleidung nicht allzu modisch sein. Denn den zeitgenössischen AutorInnen zufolge gebe nichts das Alter eines Films schneller preis als aus der Mode gekommene Filmtoiletten. Das zeige sich z.B. an Vorkriegsfilmen, die nun durch ihre Kleidung lächerlich wirken würden, was wiederum die Illusion beeinträchtige. Es galt also „zeitlos modische“ Modelle zu finden, die auch zu einem späteren Zeitpunkt dem Zuschauer Aktualität vermittelten.67

Mode. 3000 Jahre Kostüme, Trends, Stile, Designer, übers. von Sybille HeppnerWaldschütz, Annegret Hunke-Wormser, Wiebke Krabbe und Claudia Theis-Passaro. München: Dorling Kindersley, 2013 (Orig.: Fashion. The Ultimate Book of Costume and Style. London, 2012); Ingrid Loschek: Mode im 20. Jahrhundert. Eine Kulturgeschichte unserer Zeit, 5. Aufl. München: Bruckmann, 1995 (Orig.: 1978); dies.: Reclams Mode- und Kostümlexikon, 5. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2005 (Orig.: 1987). 66 O.N.: „Ja, ja . . . . die Mode ist vergänglich! Oder: Wie sich das Alter eines Films verrät“, in: Mein Film 1/7 (1926), S. 11f., hier S. 11. 67 Vgl. u.a. Vikt[or] Ponrepo: „Wodurch wird das Alter der Films verraten“, in: Kinematographische Rundschau 10/453 (1916), S. 12 u. 56 (Orig.: Zuschrift von Viktor Ponrepo, Prager Kinobesitzer/-pionier); o.N.: „Film und Mode“, in: Neue KinoRundschau 3/135 (1919), S. 7; o.N. [J.B.]: „Die Mode im Film“, in: Die Kinowoche 2/8 (1920), S. 11f., hier S. 12; o.N. [A.R.]: „Film und Mode“, S. 7; E[ugen]

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Wie gezeigt werden konnte, hatte die Wechselbeziehung zwischen Mode und darstellender Kunst ebenso beim Stummfilm Bestand. So wie die Bühnenlieblinge wurden auch die populärsten StummfilmschauspielerInnen als Modevorbilder und WerbeträgerInnen eingesetzt, die durch den Film selbst, aber auch mithilfe von Medien wie den Mode- und Filmillustrierten eine breite Öffentlichkeit erreichen konnten. Umgekehrt führte diese „Inanspruchnahme“ der Stars zu einem erhöhten Druck auf die SchauspielerInnen, da vonseiten der Produzenten und Rezipienten nun ein modisches Auftreten vorausgesetzt wurde. 5.1.3 Filmgerechtes Styling Bisher konnten die Erwartungen an das äußere Erscheinungsbild des Stummfilmschauspielers an der physischen Attraktivität und dem modischen Auftreten festgemacht werden. Nun soll die Begriffsbestimmung um eine dritte Dimension erweitert werden, um jene des filmgerechten Stylings. Damit ist der stummfilmspezifische Einsatz von Make-up und Kostüm gemeint, der nicht vorrangig darauf abzielte, die physischen Attribute des Darstellers vorteilhaft in Erscheinung treten zu lassen. Vielmehr ging es um eine Anpassung an die technischen und künstlerischen Anforderungen des Mediums. Insofern ist auch die zeitgenössische Unterscheidung zwischen Schminke und Maske zu verstehen.68 Ersteres meinte die Verwendung von färbenden Kosmetika, um die Nachteile des für Rot- und Hauttöne unempfindlichen Filmmaterials auszugleichen bzw. den SchauspielerInnen einen möglichst natürlich wirkenden Teint zu verleihen; Zweiteres ist hingegen als eine der Rolle entsprechende Verwandlung mithilfe von theaterüblichen Tricks wie Perücken, falschen Bärten u.Ä. zu verstehen. Einen Einblick in die Schmink-, Masken- und Kostümkunst des Stummfilms – ein Thema, das in der Forschungsliteratur aus einer theoretischen oder filmanalytischen, aber seltener aus einer praxisbezogenen Perspektive betrachtet worden ist – ermöglichen besonders jene Beiträge in den publikumsorientierten Filmpe-

T[annenbaum]: „Historische und moderne Kostüme“, in: Das Kino-Journal 17/746 (1924), S. 5f.; Stefanie Kaul: „Film, Mode und Stil“, in: Das Kino-Journal 18/804 (1925), S. 10 u. 12, hier S. 12; Erwin Pagar: „Der Ruf nach der letzten Mode“, in: Das Kino-Journal 19/850 (1926), S. 2f.; Kete Wilheim: „Die Kleider der Diva“, in: Mein Film 1/11 (1926), S. 15; Marianne Frauer-Wulf: „Toilettengeheimnisse des Films [II]“, in: Mein Film 2/59 (1927), S. 13 (Orig.: Vortrag „Die Mode im Film“, Wien (Café Kosmos), 20. Jänner 1927). 68 Diese Aussage bezieht sich ausschließlich auf die österreichischen Stummfilmperiodika.

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riodika, die ab 1919 hinter die Kulissen der Filmbranche blickten. Die Frage, die sich nun stellt, ist, welche Mittel wie und warum eingesetzt wurden, um das Aussehen der StummfilmschauspielerInnen an die technischen Gegebenheiten anzupassen bzw. den künstlerischen Ansprüchen gemäß zu verändern. Das in technischer Hinsicht wichtigste Mittel war die Schminke in Form von färbendem Gesichts- und Augen-Make-up, das mehreren medienspezifischen Anforderungen genügen musste. Zunächst galt es die eingeschränkte Ton- und Farbempfindlichkeit des orthochromatischen Filmmaterials auszugleichen. „Es ist bekannt“, ist im Kino-Journal 1921 zu lesen, „daß die Lichtempfindlichkeit des Negativs für Ton- und Farbwerte noch nicht so vollkommen ist wie die Netzhaut des menschlichen Auges“69. Tatsächlich war der orthochromatische Schwarzweiß-Negativfilm, der bis Mitte der 1920er Jahre überwiegend in Verwendung war, nur empfindlich für ultraviolettes, violettes, blaues und teilweise auch für grünes und gelbes Licht. Auf Rot reagierte die Silberbromid-Emulsion hingegen gar nicht.70 Das bedeutete in der Praxis, dass Rottöne schwarz und Hauttöne sehr dunkel auf der Leinwand erschienen. Deshalb vermied man den Einsatz von Rouge und rotem Lippenstift, da dies den Eindruck von schwarzen Löchern auf den Wangen und schwarzen Strichen anstelle der Lippen erzeugt hätte.71 Auch ungeschminkte Haut sah im Film sehr viel dunkler aus als in Wirklichkeit. In den Zeitschriften erfolgte darum mehrfach der Hinweis, dass neben dem Gesicht auch die Hände zu schminken seien, da es sonst zu einem auffälligen Unterschied zwischen geschminktem Gesicht und anderen, heller getönten Körperstellen kommen könne:

69 Eugen Tannenbaum: „Die Maske im Film“, in: Das Kino-Journal 14/603 (1921), S. 2f., hier S. 2. 70 Vgl. Usai: Silent Cinema, S. 4; ders.: „Ursprünge und Überlieferung“, in: Geschichte des internationalen Films, hg. von Geoffrey Nowell-Smith, übers. von L.O. Heyde, Sonderausg. Stuttgart, Weimar: Metzler, 2006, S. 6–13, hier S. 7 (Orig.: The Oxford History of World Cinema. Oxford [u.a.]: Oxford University Press, 1996). Vgl. auch Heinrich Fuchsig: Rund um den Film. Grundriss einer allgemeinen Filmkunde. Wien, Leipzig: Jugend und Volk, 1929, S. 54. 71 Vgl. Tannenbaum: „Die Maske im Film“, S. 2. Vgl. auch Gelia Eisert: „Professioneller Film – Ein Blick hinter die Kulissen der ‚Traumfabrik‘“, in: Lebende Bilder. Eine Technikgeschichte des Films, hg. von Gerhard Kemner und Gelia Eisert. Berlin: Nicolai, 2000 (= Berliner Beiträge zur Technikgeschichte und Industriekultur 18), S. 111–135, hier S. 119f.

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„Eines wird beim Zurechtmachen für den Kurbelapparat nicht selten vergessen, daß nämlich die Hände überschminkt werden müssen, wenn der Darsteller mit nackten Armen agiert. Die natürliche dunklere Färbung der Hände würde sich sonst im Film deutlich von den heller getönten Armen [und dem geschminkten Gesicht, A.D.] abzeichnen.“72

Eva Roth warnte ihre Schauspielkolleginnen schon 1914 davor, aus Bequemlichkeit auf das Schminken zu verzichten, da die von den Atelierlampen erhitzten Gesichter „in der Photographie schwarz heraus[kämen]“. 73 Die von der Schauspielerin erwähnten Atelierlampen machen zudem auf einen weiteren Aspekt aufmerksam, der die Schminke im Stummfilm vor eine Herausforderung stellte: das künstliche Licht der Ateliers. Für Innenaufnahmen wurden üblicherweise Bogenlampen verwendet, die enorme Hitze abgaben und einen hohen Anteil an ultravioletten Strahlen aufwiesen.74 Das war nicht nur gesundheitsgefährdend für die Augen der Mitwirkenden (vgl. Kapitel 5.3.5), sondern erforderte ebenfalls den Einsatz von Farben, die keine ultravioletten Strahlen aufnahmen: „Damit das Gesicht im Film ‚gut kommt‘, verwendet man neuerdings vielfach einen lila Teint, der auf das ultraviolette Atelierlicht besonders vorteilhaft reagiert. Diese Nuance unterstützt man mit Farben, die keine ultravioletten Strahlen aufnehmen, in diesem Falle rot, um Vertiefungen zu erzielen, also etwa bei Lippen, Nasenlöchern und vor allem Augenhöhlen.“75

Folglich wurde die Farbe Rot im Stummfilm zwar verwendet, aber nicht im herkömmlichen Sinn als Rouge oder Lippenstift. Stattdessen wurde der Effekt der dunklen Wirkung ausgenutzt, um bestimmte Gesichtspartien hervorzuheben. Zu den ansonsten verwendeten Farben lassen sich darüber hinaus aber keine allgemeingültigen Aussagen treffen. Jede/r Filmdarsteller/in kannte besondere Schminktricks, über die er/sie in den Filmzeitschriften berichtete. Bevorzugt wurde ein weißes, hellblaues, hellgrünes oder hellgelbes Make-up.76 Carmen Cartellieri erklärte z.B. 1919, dass sie „die besten Erfolge mit wenig gelblichem

72 Ebd. Vgl. auch Eisert: „Professioneller Film“, S. 120. 73 Eva Roth: „Das Schminken bei Filmaufnahmen“, in: Die Filmwoche 2/54 (1914), S. 26f., hier S. 27. 74 Vgl. Eisert: „Professioneller Film“, S. 119; Fuchsig: Rund um den Film, S. 44. 75 Tannenbaum: „Die Maske im Film“, S. 2. 76 Vgl. auch Eisert: „Professioneller Film“, S. 120: „Als Schminke diente eine fettige, zarte Farbe, darüber wurde Puder in Pink (zumeist bei Frauen) oder Gelb (bei Männern) aufgetragen.“

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Puder, welcher, mit Glyzerinwasser versetzt, feucht aufgetragen“ werde, erzielt habe.77 Auch Pola Negri schwor auf hellgelbe (oder weiße) Schminke. Zudem empfahl sie, die Augen grau oder altrot zu schminken.78 Praktische Tipps verriet außerdem Marianne Frauer-Wulf, eine Wiener Modeberaterin, die am 20. Jänner 1927 im Café Cosmos einen Vortrag mit dem Titel „Die Mode im Film“ gehalten hatte.79 Mein Film gab die Inhalte auszugsweise wieder, zur Farbwahl heißt es u.a.: „Die Filmkünstler bedienen sich [...] einer gelbroten Schminke, die bei den Damen, um den zarteren Hautton zu erzielen, mit einem bläulichen Hauch überzogen wird, und umranden die Augen mit dunkelgrünen oder dunkelvioletten Schatten.“80 Was diese und andere auf subjektiven Erfahrungen beruhenden Artikel zeigen, ist, dass FilmschauspielerInnen für ihr Make-up weitestgehend selbst verantwortlich waren. Darum war es wichtig, dass diese um die Effekte wussten, die bestimmte Farbtöne auf der Leinwand zur Folge hatten. Vor allem für DarstellerInnen kleinerer Rollen oder StatistInnen war es von Vorteil, Grundkenntnisse in der stummfilmspezifischen Schminkkunst zu besitzen. Informationen dazu konnte man sowohl in den zeitgenössischen Zeitschriften und Publikationen als auch bei Vorträgen erhalten, wie ein Foto vom Schminkunterricht Lucy Doraines an der Deutschen Filmschule in München zeigt (Abbildung 5). Neben der Möglichkeit, durch die Erfahrung anderer zu profitieren, war es aber auch notwendig, selbst Erfahrungen zu sammeln. „Ebensowenig, wie man das Malen, Bildhauen oder die Musik lediglich aus Büchern erlernen kann, entwickelt sich die Kunst des Schminkens erst aus langer Praxis, vielen Erfahrungen und individuell angepaßtem Unterricht“, heißt es dazu in der Bühne 1926.81

77 Carmen Cartellieri: „Film und Kunst“, in: Die Kinowoche 1/13 (1919), S. [1]f., hier S. [1]. Die Wahl der Farbe machte Cartellieri darüber hinaus auch vom (Haut-)Typ abhängig. 78 Vgl. Pola Negri: „Hinter den Kulissen des Films“, in: Neue Filmwoche 1/40 (1919), S. 6 u. 10, hier S. 6. 79 Vgl. [Vereinigung der Kinofreunde]: „Programm der Kinogemeinde“, in: Mein Film 2/54 (1927), S. 54 – Mein Film 2/55 (1927), S. VIII – Mein Film 2/56 (1927), VIII. 80 [Marianne Frauer-Wulf]: „Toilettengeheimnisse des Films [I]“, in: Mein Film 2/58 (1927), S. 15 (Orig.: Vortrag „Die Mode im Film“, Wien (Café Kosmos), 20. Jänner 1927). 81 O.N.: „Über die Wichtigkeit der Maskenkunst für Bühne und Film“, in: Die Bühne 3/68 (1926), S. 36.

5. Beruf „Kinokünstler“ II | 201

Abbildung 5: Lucy Doraine lehrt filmgerechte Schminktechniken in München

Quelle: Die Bühne, 1924 (UB Wien)

Über persönliche Präferenzen und Erfahrungen hinaus erkannte die Filmbranche zudem, dass die starke Theaterschminke beim Film – vor allem in der Großaufnahme – unnatürlich wirkte, und forderte ein möglichst natürliches Aussehen.82 Idealerweise sollte der Schauspieler die von seiner Rolle geforderten Eigenschaften bereits mitbringen. Dieser Auffassung war z.B. Victor E. Pordes: „Dieselbe Maske, die, im Rampenlicht gesehen, echt und lebenswahr anmutet, wird im grellen Licht der Aufnahme zu einer leichenhaften, gefärbten Fratze, die widerlich wirkt. Deshalb verträgt der Film nur ganz leichte Nachhilfe mit Puder oder Schminke, rote Lippenschminke fast gar nicht, weil sie im Bilde schwarz wirkt. Auch die Wirkung der Maske aufs bloße Auge trügt meistens, weil die Kamera eben viel schärfer alles zeichnet[,] als wir es sehen, und das projizierte Bild alle Mängel des Objekts noch bedeutend wiedergibt. Der Schauspieler spiele deshalb, wie gesagt, womöglich mit seinen eigenen Bedingungen.“83

Die Forderung, dass der Schauspieler „mit seinen eigenen Bedingungen“ spielen sollte, führte u.a. dazu, dass ähnlich der Rollenfächer im Theater nun auch beim Film in Bezug auf das äußere Erscheinungsbild nach Typen gesucht wurde (vgl. Kapitel 7.2.4). Was Pordes in Bezug auf die Maskenkunst ebenfalls ansprach, war das „scharfe Auge der Kamera“, das alles Künstliche verrate.84 Der Respekt, man

82 Vgl. Helene Littmann: „Etwas vom Schminken“, in: Neue Kino-Rundschau 4/153 (1920), S. 2f. 83 Pordes: Das Lichtspiel, S. 89f. 84 Ebd., S. 89.

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kann fast sagen die Angst vor der Großaufnahme, ist neben dem orthochromatischen Filmmaterial und dem künstlichem Licht ein weiterer wichtiger Faktor für die Schminkkunst im Stummfilm. Béla Balázs bemerkte darum 1924: „[...] der Film verträgt eine Mas[k]ierung viel weniger als das Theater (die Großaufnahmen entlarven alles Falsche!).“85 In den Filmperiodika wurde die Schminke daher als Retuschemöglichkeit ähnlich der fotografischen Retusche gesehen, die es vermochte, jegliche Unebenheiten des Teints wie Falten, Sommersprossen oder Muttermale zu verdecken.86 Dasselbe galt auch für bestimmte Gesichtspartien, die entweder versteckt oder hervorgehoben werden konnten. Dennoch waren den Retuschemöglichkeiten Grenzen gesetzt, wie man im Kino-Journal 1922 bemerkte: „Die Schminke darf im Film nicht verdecken wollen, kann nichts verändern und verschwinden lassen. Sie kann nur im leichtesten Maße unterstreichen.“87 Doch obwohl die stummfilmspezifische Schminke aus den genannten Gründen als unerlässliches Hilfsmittel für StummfilmdarstellerInnen gesehen wurde, gab es Versuche, auch mit wenig Schminke auszukommen. „Es ist der Ehrgeiz moderner Kameraleute, gute photographische Wirkungen auch ohne allzu erhebliche Benutzung des Schminktopfes zu erzielen, denn es versteht sich von selbst, daß ein zu verschminktes Gesicht an mimischen Ausdrucksmöglichkeiten verliert“88, war im Filmboten dazu zu lesen. Darüber hinaus machte die Entwicklung der Filmtechnik große Fortschritte und so wurde bereits 1912 von der Firma Eastman Kodak im Auftrag von Gaumont der panchromatische Film entwickelt, der farbempfindlicher war als der bisher verwendete orthochromatische Film und daher eine weite Palette an Grautönen abbilden konnte. Dennoch wurde das panchromatische Filmmaterial erst gegen Ende der 1920er Jahren zum Standardfilmmaterial großer Filmproduktionen, da es anfangs zu teuer und zu lichtempfindlich war.89

85 Balázs: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films, S. 37f. 86 Vgl. Tannenbaum: „Die Maske im Film“, S. 2; o.N. [A. Nbgr.]: „Ohne Schminke“, in: Das Kino-Journal 17/701 (1924), S. 5f., hier S. 6. 87 Albin Roßlau: „Das Filmgesicht“, in: Das Kino-Journal 15/625 (1922), S. 2f., hier S. 3. 88 O.N.: „Schauspieler ohne Schminke“, in: Der Filmbote 9/33 (1926), S. 21. 89 Vgl. Fuchsig: Rund um den Film, S. 54; Usai: Silent Cinema, S. 4; ders.: „Ursprünge und Überlieferung“, S. 7. Durchgesetzt hatte sich das panchromatische Filmmaterial erst 1926. Vgl. Eisert: „Professioneller Film“, S. 119.

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Während also die Schminkkunst für StummfilmschauspielerInnen zu einem obligatorischen Aspekt ihrer Arbeit wurde, stellte die Maske eine optionale Möglichkeit zur optimalen Charakterisierung einer Figur dar. Den Traditionen des Theaters entsprechend wurde auch beim Stummfilm mit Perücken, angeklebten Bärten, raffinierten Schminktechniken und ähnlichen Tricks gearbeitet. Allerdings hatte man erkannt, dass die meisten Maskentricks nicht einfach vom Theater abgeschaut werden sollten. Damit die Wirklichkeitsillusion aufrechterhalten bleiben konnte, musste vor allem aufgrund der Großaufnahme sorgfältig gearbeitet werden. Deshalb wurde die Maskenkunst in der Regel Spezialisten überlassen, die zwar Erfahrungen am Theater gesammelt hatten, aber nun neue Wege finden mussten, ihr Wissen den Anforderungen des Mediums entsprechend anzupassen.90 Da die Maskenkunst jedoch nicht im direkten Aufgabenbereich der StummfilmdarstellerInnen lag, wird das Thema in dieser Arbeit nicht näher behandelt. Eine weitere Möglichkeit zur lebensnahen Charakterisierung soll aber im Folgenden noch Erwähnung finden: das Filmkostüm. Im Unterschied zum vorigen Kapitel, in dem das Kostüm im Kontext des Zusammenwirkens von Mode und Film besprochen worden ist, geht es nun um die filmspezifischen Anforderungen. Denn auch das Filmkostüm, ob modern oder historisch, musste sich den Bedingungen des orthochromatischen Films beugen. Das bedeutete vor allem eine sorgsame Auswahl der Muster, Farben und Stoffe. Auch hier galt: „Die Photographie [Synonym für den Film, A.D.] hebt Wirkungen auf, während sie wieder andere verstärkt, ändert Farben, löst die Gegensätze oder unterstreicht sie.“91 Da es den StummfilmschauspielerInnen bis zum Aufkommen größerer Filmateliers mit eigenen Kostümabteilungen weitestgehend selbst überlassen war, sich entsprechend zu kleiden, war das Wissen um die Wirkung von Mustern, Farben und Stoffen wichtig. Dass es diesbezüglich gerade bei unerfahrenen AnfängerInnen zu Fehleinschätzungen kommen konnte, zeigt folgende Anekdote von Renate Renée, einer Wiener Filmschauspielerin: „Die Eigenart des Filmbildes, die Farbenwirkungen der Wirklichkeit zu verändern, stellen die Schauspielerin, ehe sie die entsprechenden Erfahrungen gesammelt hat, oft vor seltsame Überraschungen. Ich erinnere mich aus meinen Anfängen einer solchen Episode. Ich hatte es mir, trotz der Warnungen des Regisseurs, in den Kopf gesetzt, ein Kleid von wundervoll frischer, maigrüner Farbe anzulegen, das mich gut kleidete und meiner Mei-

90 Zur Maske vgl. u.a. Pordes: Das Lichtspiel, S. 89f.; Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 35f. 91 [Ola Alsen]: „Moden im Film. Geschmacksförderung durch den Film“, in: Das KinoJournal 15/623 (1922), S. 5f., hier S. 6. (Orig.: UfA-Blätter o.Jg./o.Nr. (o.J.), n.pag.).

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nung nach auch im Bild sehr vorteilhaft aussehen mußte. Wer beschreibt mein Entsetzen, als dasselbe hübsche, lebhafte Kleid auf dem Filmbild als schmutzig-grauer, toter Fleck mit unklar verschwimmenden Konturen erschien! . . . Eine ähnliche Enttäuschung erlebte ich mit einem geschmackvoll und zart gemusterten Stoff, der in der Wirklichkeit ganz entzückend schien. Auf dem Filmbild waren die kleinen Blümchen des Dessins zu Pfeffer- und Kümmelkörnchen verwandelt, mit denen das Kleid besät schien.“92

In den Filmperiodika, besonders in den Fachzeitschriften Österreichischer Komet und Das Kino-Journal sowie in der Illustrierten Mein Film, setzte man sich deshalb eingehend mit den Dos and Don’ts bei der Auswahl des Filmkostüms auseinander. Zusammengefasst konnten folgende Richtlinien festgestellt werden: 1. Was das sogenannte Dessin93 betraf, sollten anstelle von leichten, hellen und unauffälligen vorzugsweise ausdrucksvolle, farbenkräftige und plastisch wirkende Musterungen verwendet werden. Wie die vorige Anekdote zeigt, bedurfte die Wahl des Musters entsprechender Erfahrung. Mal wirkte es zu verschwommen, dann wieder zu kontrastreich oder eben auch zu grell. 2. Bei der Wahl der Farben94 galt es dasselbe zu beachten wie bei färbender Schminke. Rot wirkte (zu) dunkel, Blau (zu) hell und Weiß (zu) grau. Nur Schwarz und Grau wurden wirklichkeitsgetreu abgebildet. Vor allem die Farbe Weiß stellte die Filmemacher vor Herausforderungen, da es in den häufig verwendeten Putzschürzen der Stubenmädchen, den Frackhemden der Herren oder auch in der Bett- und Tischwäsche vorkam. Anstelle reinweißer Stoffe wurde daher zu zarten Pastelltönen, besonders gelblichen und bläulichen Tönen, geraten, 95 da der orthochromatische Film diesen Farbtönen gegenüber besonders empfindlich war. In diesem Sinne ist es auch zu verstehen, dass grundsätzlich von allzu hellen Farben abgeraten wurde, um ungewollte Wirkungen ähnlich der ungeschminkten Haut zu vermeiden. Im Kino-Journal empfahl man im Jänner

92 Renate Renée: „Mondäne Filmtoiletten“, in: Mein Film 1/21 (1926), S. 15. 93 Vgl. Frauer-Wulf: „Toilettengeheimnisse des Films [II]“, S. 13. Vgl. auch o.N.: „Wer liefert die Kostüme für die Filmindustrie?“, in: Österreichischer Komet 6/174 (1913), S. 3f., hier S. 4 – „Die Kostüme für die Filmindustrie?“, in: Österreichischer Komet 8/260 (1915), S. 4f., hier S. 5. 94 Vgl. Frauer-Wulf: „Toilettengeheimnisse des Films [II]“, S. 13. Vgl. auch o.N.: „Das Film-Kostüm“, in: Das Kino-Journal 13/[505] (1920), n.pag.; o.N.: „Die Kunst der Kino-Kostüme“, in: Das Kino-Journal 14/559 (1921), S. 2f., hier S. 3; T[annenbaum]: „Historische und moderne Kostüme“, S. 6; Wilheim: „Die Kleider der Diva“, S. 15. 95 Vgl. auch Eisert: „Professioneller Film“, S. 119.

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1920 daher besonders kräftige Farben wie Smaragdgrün, (Dunkel-)Blau und Dunkelbraun.96 3. Ein weiterer Aspekt, der eine Rolle in der Auswahl der Filmkleidung spielte, war der Stoff97, weil dieser ebenfalls unterschiedliche Wirkungen erzielen konnte. In einer Ausgabe von Mein Film 1926 riet man in dieser Hinsicht zu „schwere[r], schimmernde[r] Seide, wertvolle[n], vornehm gemusterte[n] Brokate[n] [sowie] Gold- und Silberlaméstoffe[n]“.98 Auch die zuvor zitierte Schauspielerin Renate Renée empfahl „Silber- und Goldlamé, metalldurchwirkte, groß und prägnant gemusterte Brokate [und] stark leuchtende Seidenstoffe mit reicher Pailletten-, Flitter- oder Perlenstickerei“, weil der Glanz dieser Materialien die fehlenden Farben ersetzen könne.99 Dass solche und ähnliche Tipps auf Erfahrungswerten beruhten und nur in beschränktem Maße allgemein gültig waren, zeigt z.B. ein Beitrag im Österreichischen Kometen, der – im Gegensatz zu Frau Renée – strengstens von Applikationen abriet, da diese auf der Leinwand kein klares Bild ergäben.100 Genauigkeit in der Auswahl der Kostüme wurde aus den genannten Gründen von den Zeitschriften und Theoretikern im Hinblick auf historische Treue, „ethnographische Echtheit“101 und Milieutreue gefordert. So warnte Friedrich Porges 1919 z.B. davor, dass die „vergrößerte Photographie des Films [...] ‚Toilettfehler‘ erbarmungslos“ offenbare.102 Auch in den Filmzeitschriften wurde darauf hingewiesen, dass auf die kleinsten Einzelheiten des Filmkostüms geachtet werden sollte. War das anfangs noch die Aufgabe der SchauspielerInnen und Regisseure, so wurden zunehmend eigene Filmkostümdepots aufgebaut. Das gilt vor allem für Hollywood oder Deutschland, in Österreich war die Situation etwas anders. Hierzulande griff man auf den Fundus der (Hof-)Theater und die Be-

96

Vgl. o.N.: „Das Film-Kostüm“, n.pag.

97

Vgl. Frauer-Wulf: „Toilettengeheimnisse des Films [II]“, S. 13.

98

Vgl. Wilheim: „Die Kleider der Diva“, S. 15. Brokat ist ein „[k]ostbares Seidengewebe mit erhöhtem Muster aus eingewirkten Gold- und Silberfäden“, Lamé bezeichnet „[e]in Gewebe aus Baumwolle oder Seide, das Schussfäden aus Gold- oder silberfarbigem Metall enthält“. Vgl. Fischel et al.: Mode, S. 437 u. 448.

99

Renée: „Mondäne Filmtoiletten“, S. 15.

100 Vgl. o.N.: „Wer liefert die Kostüme für die Filmindustrie?“, S. 4 / 5. 101 O.N.: „Die Kunst der Kino-Kostüme“, S. 2. 102 Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 46.

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stände von Kostümleihanstalten zurück.103 Eine plausible Erklärung dazu findet sich in Mein Film 1926: „Bei uns in Österreich gab es vor Jahren, als die Filmindustrie mit intensiver Arbeit einzusetzen schien, in den großen Ateliers eigene Schneiderwerkstätten, die für die Anfertigung wenigstens eines Teiles der benötigten Kostüme sorgten. Der Hauptteil von Kostümen, vor allem für historische Filme, mußte freilich schon damals dem Fundus der Hoftheater und bei den Kostümleihanstalten entlehnt werden. Der Stillstand in der österreichischen Produktion hat natürlich den Ausbau eines ‚Filmkostümfundus‘ gehemmt!“104

Diese Aussage deckt sich auch mit der österreichischen Filmgeschichtsschreibung. So folgte dem Aufschwung der österreichischen Filmindustrie während und kurz nach dem Ersten Weltkrieg eine ökonomische Krise, die aufgrund von Absatz- und Finanzierungsschwierigkeiten zu einem starken Rückgang der österreichischen Filmproduktion zwischen 1923 und 1925 führte (vgl. Kapitel 6.1.1).105 Dennoch wurde gerade in dieser Zeit eines der größten österreichischen Aufnahmeateliers, das Vita-Atelier am Rosenhügel (vgl. Kapitel 5.3.4), eröffnet. Ob eigener Kostümfundus oder externe Kostümleihanstalten, für StummfilmschauspielerInnen bedeutete ein Kostümfilm, wie auch das vorige Kapitel zeigen konnte, eine Erleichterung. Denn sie mussten in der Regel nicht selbst für die historischen Kostüme aufkommen und waren in dieser Hinsicht für ihr äußeres Erscheinungsbild nicht (haupt-)verantwortlich. An dieser Stelle muss jedoch

103 Vgl. Edith Hamann: „Film-Kostüme“, in: Mein Film 1/29 (1926), S. 13; o.N.: „Die Garderobe-Ausstattung eines modernen Filmateliers“, in: Österreichische FilmZeitung 2/40 (1928), S. 22f., hier S. 22; Walter Fritz und Gerhard Tötschinger: Maskerade. Kostüme des österreichischen Films. Ein Mythos. Wien: Kremayr & Scheriau, 1993, S. 52 u. 58. In Mein Film findet sich z.B. ein Inserat der „Kostüm- und Masken-Leihanstalt der Jarno-Bühnen“, die sich in der Mollardgasse 43 im 6. Bezirk befand. Man warb mit billigen Preisen, großer Auswahl, 10% Rabatt für Filmgesellschaften und Separatangeboten für Filmkostüme. Vgl. [Jarno-Bühnen]: „Kostüm- und Masken-Leihanstalt“, in: Mein Film 2/63 (1927), S. 11. 104 Hamann: „Film-Kostüme“, S. 13. 105 Vgl. Francesco Bono: „Bemerkungen zur österreichischen Filmwirtschaft und Produktion zur Zeit des Stummfilms“, in: Elektrische Schatten, hg. von Bono, Caneppele und Krenn, 1999, S. 47–75, hier S. 59–75; Armin Loacker: „Die österreichische Filmwirtschaft von den Anfängen bis zur Einführung des Tonfilms“, in: Maske und Kothurn 39/4 (1998), S. 75–123, hier S. 85–101.

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auf weiterführende Werke verwiesen werden,106 da der Zusammenhang von (historischem) Kostüm und Film zu weit vom eigentlichen Thema, den beruflichen Anforderungen an die StummfilmschauspielerInnen, wegführen würde. „Im Leben machen Kleider Leute. Im Film machen sie oft die Diva . . .“107, heißt es in Mein Film 1926. Die Frage, die man sich allerdings in den Zeitschriften zu stellen begann, war, ob das Aussehen – vor allem bei Frauen – ausreichend war, um beim Stummfilm Erfolg zu haben. Ein attraktives Äußeres, ein modebewusstes Auftreten und das Wissen um den filmgerechten Einsatz von Schminke und Kostüm waren wichtige Attribute bzw. notwendige Qualifikationen von StummfilmschauspielerInnen. Doch waren diese letztendlich nicht nur Mittel, um die Darstellung äußerlich zu komplementieren? Konnte man überhaupt ohne ein entsprechendes schauspielerisches Talent und ohne ein grundlegendes Verständnis für die stummfilmspezifischen Arbeitspraktiken vor der Kamera reüssieren? Der nächste Abschnitt versucht diese Fragen zu beantworten, indem er die Anforderungen, die der Stummfilm an die darstellerischen Fähigkeiten stellte, im Hinblick auf nonverbale und verbale Ausdrucksmittel im Detail untersucht.

5.2 ANFORDERUNGEN AN DAS DARSTELLERISCHE KÖNNEN Das äußere Erscheinungsbild war in seinen vielen Facetten ohne Zweifel ein wichtiger Bestandteil des Anforderungsprofils eines Stummfilmschauspielers/ einer Stummfilmschauspielerin. Doch, wie man in den Zeitschriften nicht müde wurde zu betonen, gehörte zum langfristigen Erfolg mehr als ein attraktives, modisches und filmgerechtes Äußeres. Ebenso zentral war eben auch ein gewisses Talent bzw. ein Verständnis für die Anforderungen des Mediums an das darstellerische Können. Die Schauspieltechniken und -erfahrungen, die sich professionelle StummfilmschauspielerInnen im Rahmen ihrer Bühnentätigkeit angeeignet hatten, waren aber in der Regel kontraproduktiv. Nicht ohne Grund schrieb Friedrich Porges 1919: „Im Film ist Miene und Geste alles. Aber sie darf nicht übertrieben sein, sonst erzielt sie das Gegenteil der beabsichtigten Wir-

106 Vgl. Fritz und Tötschinger: Maskerade; Brigitte Ruth Mayr: Kleider erzählen Geschichten. Soziokulturelle Aspekte zur Rolle der Frau und zur Charakterisierung und Stereotypisierung durch Kostüme am Beispiel des österreichischen Films von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Diss., Universität Wien, 1993. 107 Wilheim: „Die Kleider der Diva“, S. 15.

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kung.“108 Das Gegenteil waren wild gestikulierende und Grimasse schneidende SchauspielerInnen, die ungewollt lächerlich wirk/t/en. Die technisch bedingten Anforderungen an die Spielweise wurden besonders von bühnenerfahrenen DarstellerInnen unterschätzt. Zum Beispiel berichtete Burgschauspieler Franz Höbling davon, dass er eine herbe Enttäuschung erlebt hatte, als er sich zum ersten Mal im Film sah. Er habe sich gefühlt, als ob er vor einem Hohlspiegel sitze, der sein ganzes Spiel verzerrt und aller „harmonischen Uebereinstimmungen“ beraubt habe: „Mein Bild auf der Leinwand kam mir vor, wie von einem Karikaturisten entworfen, der einen besonders markanten Zug, eine intensive Gebärde outriert darstellt, um komische Wirkungen zu erzielen.“109 Was die SchauspielerInnen tun konnten, um dieser ungewollt komischen Wirkung zu entgehen, wird Thema der nachfolgenden Kapitel sein, die sich vorrangig der nonverbalen, d.h. mimischen, gestischen und gesamtkörperlichen Ausdrucksformen widmen werden. Zuvor soll aber noch eine diesbezügliche Anleitung Erwähnung finden, die in KINtop 7 abgedruckt worden ist. Die „Anweisungen für Filmschauspieler“ („Pointers on Picture Acting“, 1910) der US-amerikanischen Filmproduktionsfirma Selig Polyscope Company listeten zwanzig Dos and Don’ts für das darstellende Personal der Firma auf.110 Ursprünglich als interne Information gedacht, können die Anweisungen aus heutiger Perspektive als „Versuch der Kodifizierung und Standardisierung der schauspielerischen Praxis“111 interpretiert werden, deren Intention es war, die Beziehung Schauspieler – Raum / Körper / Kamera festzulegen. Erstaunlich an diesem Dokument ist, dass es bereits im Jahr 1910 die SchauspielerInnen dazu anhielt, die Begrenzungen des Spielfeldes zu kennen, von einer exzentrischen bzw. übertriebenen Mimik und Gestik abzusehen

108 Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 37. 109 Franz Höbling: „Film und Bühne“, in: Die Kinowoche 1/8 (1919), S. 4f., hier S. 5. 110 Vgl. The Selig Polyscope Co.: „Anweisungen für Filmschauspieler“, in: Stummes Spiel, sprechende Gesten, hg. von Kessler, Lenk und Loiperdinger, 1998, S. 29–32 (Orig.: „Pointers on Picture Acting“, 1910; reproduziert in: Kalton C. Lahue (Hg.): Motion Picture Pioneer: The Selig Polyscope Company. South Brunswick, New York: Barnes, 1973, S. 63f.): 1. Aufnahme, 2. Zur Kamera schauen, 3. Augen, 4. Abgang, 5. Briefe schreiben, 6. Briefe lesen, 7. Küssen, 8. Gesten, 9. Sich sträuben, 10. Türen schließen, 11. Im Bild, 12. Rauchen, 13. Klatsch, 14. Pünktlichkeit, 15. Maske, 16. Bärte, 17. Ärmel, 18. Flüche, 19. Fluchen Sie nicht im Film, 20. Rollen. 111 Livio Belloï: „Körper, Blick, Kamera. Die Pointers on Picture Acting der Selig Polyscope Co.“, in: Stummes Spiel, sprechende Gesten, hg. von Kessler, Lenk und Loiperdinger, 1998, S. 32–35, hier S. 32.

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und nicht (kurz) vor, während oder (kurz) nach der Filmaufnahme in die Kamera zu blicken.112 Es wurde folglich eine naturalistische Darstellungsweise eingefordert und – im Gegensatz dazu – versucht, die nonverbalen Ausdrucksformen zu normieren. Ähnliche Anweisungen konnten für Österreich nicht gefunden werden,113 jedoch gab es bis 1930 etliche Erörterungen darüber, was einen natürlichen Spielstil ausmachen sollte. Diesem Thema ist darum ein eigenes Kapitel gewidmet. Darüber hinaus wird es im Folgenden auch um nonverbale Ausdrucksformen, zusätzliche Qualifikationen und verbale Ausdrucksmöglichkeiten gehen. 5.2.1 Nonverbale Ausdrucksmittel „[D]er Schauspieler, der zum Film geht, muß sein Temperament auf zwei Drittel seiner angeborenen Veranlagung herabstimmen“114, schrieb Franz Höbling über die Intensität der Darstellung beim Stummfilm. Tatsächlich zählten ein zurückhaltendes mimisches und gestisches Spiel sowie das Wissen um dessen Wirkung bei der Vorführung zu den wichtigsten Anforderungen des Berufes. Mimik und Gestik sollten nicht übertrieben, sondern kontrolliert ausgeführt werden, was Friedrich Porges folgendermaßen konkretisierte: Das Spiel dürfe nicht ungehemmt, draufgängerisch, heftig oder allzu beweglich sein, sondern der Schauspieler solle „Herr seiner Bewegungen“ sein, die er entsprechend verstärken oder abschwächen können müsse.115 Den Grund, warum die große Geste im Stummfilm nicht funktionierte, erläuterte Porges anhand eines Beispiels: „Es sei nur beispielsweise eine große dramatische Szene angenommen. Würde da der Schauspieler, wie in der großen Szene eines klassischen Dramas, in dem er das gesprochene Wort durch große Gesten unterstützt, mit den Händen und mit dem Körper in großen, starken und auch raschen Bewegungen sich ausleben, dann würde das im vorgeführ-

112 Vgl. ebd, S. 33–35. 113 Eine Ausnahme stellt „In [acht] Lektionen Filmschauspieler“ in Bettauers Wochenschrift 1927 dar. Dabei handelt es sich allerdings um einen Abdruck aus dem USamerikanischen Filmmagazin Photoplay. Außerdem wurden die acht Lektionen (Gesichtsausdrücke) nicht im Detail erklärt, sondern im Hinblick auf die Nützlichkeit ihrer Beherrschung kommentiert. Vgl. o.N.: „In [acht] Lektionen Filmschauspieler“, in: Bettauers Wochenschrift (BFR) 4/17 (1927), S. VII (Orig.: „How to be an Actor in Eight Easy Lessons“, in: Photoplay 30/5 (1926), S. 40f.). 114 Höbling: „Film und Bühne“, S. 4. 115 Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 20.

210 | Schauspielen im Stummfilm

ten Bild gewiß den Eindruck machen, als handle es sich um den Tobsuchtsanfall eines unheilbar Irren. Das ist das Geheimnis der Filmgeste: sie muß klein, weich, ausgeglichen sein.“

116

Für das Mienenspiel gelte dasselbe, es müsse ebenso sparsam und ausgeglichen eingesetzt werden wie die Geste. Eine Grimasse sei demnach kein passender Gesichtsausdruck für den Film.117 Noch detaillierter ging man in der Neuen Filmwoche auf die Anforderungen hinsichtlich der nonverbalen Ausdrucksmittel ein. In einer Ausgabe aus dem Jahr 1919 gab die Fachzeitschrift ein Interview mit einem nicht näher benannten „Direktor einer großen englischen Filmfabrik“ inhaltlich wieder, um filmambitionierte Damen darauf hinzuweisen, dass die Arbeit für den Stummfilm nicht nur ein schönes Gesicht, sondern auch ein darstellerisches Können verlange.118 Primär gehe es darum, zu wissen, wie man sich vor der Kamera zu bewegen habe, um auf der Leinwand eine natürliche Wirkung zu erzielen. Zusammenfassend lassen sich folgende Richtlinien ableiten: • Hände und Füße sollten natürlich [in alltäglicher Weise, A.D.] bewegt werden, • • • • •

um nicht steif und gezwungen zu wirken. Generell seien zu schnelle Bewegungen zu vermeiden, da diese auf der Leinwand „häufig grotesk und geradezu lächerlich“ wirken würden. Man müsse auch auf kleinste Bewegungen achten, da sich „die geringste ungeschickte und vordringliche Geste unangenehm bemerkbar“ mache. Man solle ausschließlich ohne Worte verständliche Gesten einsetzen, um dem Publikum die Rezeption zu erleichtern. Die Anfängerin müsse zudem das Gehen für den Film üben, da man sich nicht zu schnell, zu langsam oder zu „eckig“ fortbewegen dürfe. Auch das Lachen müsse für den Film erlernt werden, da das Gesicht schnell zu einer verzerrten Grimasse verkomme.119

116 Ebd., S. 37. 117 Vgl. ebd., S. 38. 118 Vgl. o.N.: „Die Kunst des Filmens“, in: Neue Filmwoche 1/48 (1919), S. 17f. – „Die Ausbildung zur Filmschauspielerin“, in: Neue Kino-Rundschau 3/137 (1919), S. 17. 119 Ebd., S. 17f.

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Wenn man von der geschlechtsspezifischen Adressierung des Artikels absieht, bietet dieser einen ersten Einblick in die mimischen und gestischen Anforderungen, die der Stummfilm an seine SchauspielerInnen stellte. Viele Details gab es zu beachten, die vor allem AnfängerInnen erst erlernen mussten. Bereits 1913 bezeichnete die Filmwoche ein ausgeprägtes Mienenspiel als Haupteigenschaft der StummfilmdarstellerInnen und definierte dieses als „Gabe der stummen Beredtsamkeit des Auges, des Mundes und der Gesamtheit der Gesichtsmuskeln“.120 Kurz gesagt sollten sich die Emotionen und Gedanken einer Figur im Gesicht des Schauspielers widerspiegeln. Außerdem machte die Filmwoche darauf aufmerksam, dass aufgrund des Aufnahmeapparates – gemeint war der Einsatz von Großaufnahmen des Gesichts – eine langsame und präzise Ausführung der Mimik notwendig sei.121 Besonders für bühnenerfahrene SchauspielerInnen war die Fokussierung auf ihren Gesichtsausdruck eine neue Erfahrung. Burgschauspieler Franz Höbling verglich die Großaufnahme deshalb mit einem Theaterzuschauer, „der dem Darsteller auf den Leib gerückt“ sei.122 Auch Carmen Cartellieri äußerte sich in der Kinowoche 1919 zum Zusammenhang zwischen Großaufnahme und nuancierter Mimik: „Der Film stellt wohl die größten Anforderungen an [die] Mimik, bedeutend mehr als die Bühne. Die ungeheure Vergrößerung des Bildes zeigt jedes Fältchen, das leiseste Zucken des Mundwinkels, nichts bleibt verborgen. Das Versagen mancher Bühnenkünstler ist auf 123

den Mangel an fein nüancierter Mimik zurückzuführen.“

Wie Cartellieri erkennt auch der deutsche Filmwissenschaftler Thomas Koebner ein filmdarstellerisches Defizit bei den bühnenerfahrenen SchauspielerInnen. Er findet es „merkwürdig“, dass nur wenige zu einer „Feinabstufung“ der nonverbalen Ausdrucksmittel imstande gewesen seien. Mögliche Gründe sieht Koebner in den darstellerischen Gewohnheiten, den theaterhistorischen Entwicklungen und den ungewohnten, von der Bühne abweichenden Arbeitspraktiken des Films. So traten viele StummfilmschauspielerInnen, die auch ein paralleles Theaterengagement hatten, allabendlich vor Publikum auf, das ihr Mienen- und Ges-

120 O.N.: „Filmschauspieler“, in: Die Filmwoche 1/24 (1913), S. 10 u. 12, hier S. 12. 121 Vgl. ebd. 122 Höbling: „Film und Bühne“, S. 5. 123 Cartellieri: „Film und Kunst“, S. [1]. Burgschauspielerin Gisela Wilke (1882–1958) hielt den Film darum für geeignet, die „verkümmerte“ Mimik des Theaterschauspielers zu schulen bzw. wieder feiner und differenzierter werden zu lassen. Vgl. Gis[el]a Wilke: „Flimmersplitter“, in: Die Kinowoche 2/5 (1920), S. 4f., hier S. 4.

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tenspiel bis in die hintersten Reihen erkennen können sollte. Zudem waren „pathetische Riesengebärden“ mit dem expressionistischen Schauspielstil in das (deutsche) Theater eingezogen, die jedoch nicht in den beengten Spielraum des Films passten, der die DarstellerInnen dazu anhielt, Mimik und Gestik zu reduzieren.124 Aufgrund des beschränkten szenischen Raums sollte das Mienen- und Gestenspiel der SchauspielerInnen darum im Idealfall präzise und nuanciert sein. Große Gesten liefen Gefahr, „aus dem Bild zu fallen“ und zu starke Gesichtsausdrücke verkamen schnell zur Grimasse, wodurch die intendierte Wirkung ungewollt torpediert werden konnte. Zu einem „kamera- und montageangepassten Spiel“125, wie es Koebner bezeichnet, gehörte aber nicht nur das Wissen um die räumliche, sondern auch die – man könnte sagen – rhythmische Begrenzung der Darstellung. Denn die Aufnahmegeschwindigkeit der Kamera, die bei 16–18 Bildern pro Sekunde126 lag, und die Diskrepanz zur Vorführgeschwindigkeit, die sich Mitte der 1920er Jahre bei 30–40 Bildern pro Sekunde127 einpendelte, verlangte von den SchauspielerInnen eine Verlangsamung der idealerweise fließend ausgeführten Bewegungen.128 Dazu schrieb Carmen Cartellieri: „Ein wichtiges Moment für den Kunstwert des Films ist das Tempo der Aufnahme und der Vorführung. Beide müssen gleich schnell gekurbelt werden. Da die Projektion erfahrungsgemäß rascher gekurbelt wird als die Aufnahme, muß das Spiel der Darsteller langsam und ruhig sein. Jede hastige Bewegung wird im Kino zum Zerrbild oder zur Grimasse. Nur dann, wenn alle Bewegungen ruhig und abgemessen sind, erscheint die künstleri129

sche Leistung naturwahr auf der Leinwand.“

124 Koebner: „Leibesvisitation“, S. 98. 125 Ebd. 126 Vgl. Eisert: „Professioneller Film“, S. 122. 127 Vgl. ebd., S. 134. 128 Vgl. Fuchsig: Rund um den Film, S. 114: „Die Vorführgeschwindigkeit soll bei gewöhnlichen Filmen der Aufnahmegeschwindigkeit gleich sein; ist die erstere größer (kleiner) als letztere, sind die Bewegungen hastig und unnatürlich (langsamer und eckig) [...]“. Vgl. dazu auch Koebner: „Leibesvisitation“, S. 99. 129 Cartellieri: „Film und Kunst“, S. 2.

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Dieselbe Beobachtung machte auch Franz Höbling: „Der eine braucht weniger lang als der andere, aber lernen müssen sie es alle: die Gebärde zu dämpfen, abzurunden, auszugleichen. Jede rasche, zufahrende Geste erscheint auf der Leinwand gesteigert und beschleunigt. Das Problem liegt darin, das Spiel des Darstellers mit dem Tempo des abrollenden Films in Uebereinstimmung zu bringen.“

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Zusammenfassen lässt sich der Einsatz nonverbaler Ausdrucksmittel nun folgendermaßen: Das Mienen- und Gebärdenspiel sowie die gesamtkörperlichen Bewegungen sollten ruhig, fein nuanciert und auf das Wesentliche reduziert ausgeführt werden. Dieses Ergebnis mag überraschen, da spätere Generationen den Darstellungsstil in den Stummfilmen zumeist als übertrieben und dadurch erheiternd wahrgenommen haben. Darum gilt es als Nächstes nach den Kritierien eines „natürlichen“ Spielstils zu fragen. 5.2.2 Zur Frage der „Natürlichkeit“ Die Frage nach der „Natürlichkeit“ einer Stummfilmdarstellung ist zunächst eine Frage, die lange nach dem Ende der Stummfilmzeit von der Filmwissenschaft gestellt wurde. Insbesondere in den 1990ern beschäftigten sich FilmhistorikerInnen aus dem angloamerikanischen und deutschsprachigen Raum mit den Schauspielstilen der Stummfilmzeit (vgl. Abschnitt 1.3). Diesen Forschungsarbeiten ist gemeinsam, dass sie einen Zusammenhang zwischen dem jeweiligen Darstellungsstil und der technischen oder narrativen Entwicklung des Films sahen und zudem Einflüsse aus anderen Medien, besonders dem Theater, mit in Betracht zogen. Methodisch im Zentrum steht in der Regel eine detaillierte und kontextualisierte Filmanalyse eines zeitlich und geografisch abgesteckten Analysekorpus. Die jeweiligen Untersuchungsergebnisse haben – und zwar unabhängig davon, ob die AutorInnen eine teleologische Sichtweise ablehnten oder nicht – vor allem eines bestätigt: die Veränderung der Darstellungsweise bzw. den Übergang von einem älteren zu einem neueren Spielstil. Allerdings war man bemüht, diesen Übergang nicht zu werten, also die Skizzierung einer Entwicklung von einem „schlechteren“ bühnenkonventionellen zu einem „besseren“ stummfilmspezifischen Spielstil zu vermeiden. Eine in dieser Hinsicht viel beachtete Studie ist Roberta E. Pearsons Monografie Eloquent Gestures, die 1992 publiziert wurde. Pearson unterscheidet darin

130 Höbling: „Film und Bühne“, S. 5.

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zwischen dem histrionic code und dem verisimilar code.131 Sie argumentiert, dass diese Stilrichtungen keine qualitativen Kategorien darstellen, sondern unter verschiedenen (kultur-)historischen Gesichtspunkten zu analysieren sind. Für die US-amerikanische Filmgeschichte hat Pearson z.B. festgestellt, dass sich zwischen 1908 und 1913 ein Wandel des Schauspielstils vollzogen hatte – von einer dem amerikanischen Melodrama verhafteten Darstellungsweise, die stilisierte und kodifizierte Posen sowie Zeigegestik bevorzugte, hin zu einem Spielstil, der die Abbildung der Lebensrealität zum darstellerischen Ideal erhoben hatte und darum ein naturalistisches bzw. individualisiertes Mienen- und Gestenspiel forderte, das verstärkt Requisiten in die Darstellung integrieren sollte. Auch wenn Pearsons Studie in einem spezifisch historischen und kulturellen Kontext verankert ist, hat diese doch eine allgemeingültigere Bedeutung: „[...] this book has not only failed to construct a definitive theory for the study of cinematic performance but it has proposed an argument the whole thrust of which mitigates against such a construction, since any particular performance mode must be studied within the context of the specific historical and cultural conditions that gave rise to it. The various methods used in this book nonetheless do have some general applicability beyond the study of the transformation of performance style in the Griffith Biograph films between 1908 and 1913.“

132

Daraus folgt, dass, um wirklich beurteilen zu können, wie „un-/natürlich“ eine schauspielerische Darstellung auf den damaligen Zuschauer gewirkt hatte, man die Rezeptionsgewohnheiten eines modernen (Ton-)Filmzuschauers ablegen und das Gesehene in (kultur-)historische Zusammenhänge stellen muss. Zum zeitgenössischen Verständnis eines natürlichen Spielstils soll das vorliegende Kapitel einen weiteren Puzzlestein hinzufügen, indem es sich ausschließlich auf die Analyse österreichischer Stummfilmperiodika stützt. Diesbezüglich haben sich zwei Beobachtungen machen lassen: 1. Die zeitgenössischen AutorInnen stellten fest, dass sich der Schauspielstil seit den Anfängen des Stummfilms verändert hatte. 2. Es wurde zwischen einem Spielstil vor und nach dem Ersten Weltkrieg unterschieden. In der Regel wurde der ältere Stil durch den Begriff „Mimiker“ negativ konnotiert und als Gegensatz zu einem neueren, moderneren Stil gesehen, in dessen Zentrum ein lebenswahres, zurückhaltendes und nuanciertes Spiel stand. Im Kino-Journal von 1920 findet sich z.B. ein Bei-

131 Vgl. Pearson: Eloquent Gestures, S. 18–51 u. 140–145; dies.: „The Histrionic and Verisimilar Codes in the Biograph Films“, S. [59]–68. 132 Ebd., S. 144.

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trag mit dem Titel „Der Stil des Darstellers“, der zwischen einer alten und einer neuen Richtung unterschied. Zwar war der Artikel von dem deutschen Journalisten Paul Ickes verfasst worden, aber das Kino-Journal betonte, dass sich dessen Ausführungen mit den eigenen Bestrebungen, „den Filmstil der höchsten künstlerischen Form zuzuführen“, decken würden und man darin eine Ergänzung der eigenen Absichten sehe.133 Dem Kino-Journal zufolge könne darum auch für Österreich die von Ickes getroffene Unterscheidung zwischen stereotyper Gestikulation und reduziertem Körperausdruck gelten, die er wie folgt ausführte: „Die alte Richtung, sozusagen die gröbere, ist die der stereotypen Gestikulation, bei der für jede seelische Bewegung von vornherein eine bestimmte körperliche als adäquat festzustehen scheint, die immer auf eine schulmäßig erlernte Geste hinweist. Die neue Richtung verzichtet auf diese einfache Skala und bemüht sich, wozu die vergrößerte Darstellung im Film ja auch vorzüglich geeignet ist, die körperlichen Bewegungen auf ein Minimum zu reduzieren und durch Geringfügigkeiten seelische Vorgänge anzudeuten, sie ge134

wissermaßen nur erraten zu lassen.“

Diese Beobachtung deckt sich auch mit den Forschungsergebnissen der 1990erStudien. Auf der einen Seite gab es einen normierten Darstellungsstil, bei dem eine bestimmte seelische Regung einem bestimmten körperlichen Ausdruck entsprach; auf der anderen Seite konnte eine reduzierte Körpersprache beobachtet werden, die emotionale Zustände nur andeutete und als lebensnäher galt als die „alte Richtung“. Natürlich kann ein Artikel nicht als allgemeingültig gelten, aber diese Zweiteilung der Stilrichtungen lässt sich ebenfalls in anderen Beiträgen aus den verschiedensten Jahren finden. So differenzierte der Österreichische Komet bereits 1914 zwischen unnatürlichen und einstudierten Posen einerseits und einem verfeinerten und vertieften Gebärdenspiel andererseits.135 Auch Mein Film trifft gegen Ende der Stummfilmzeit (1927) eine ähnliche Unterscheidung. Der „Kunstschauspieler“ sei ein Charakterdarsteller, der gestützt auf die Spieltechniken der Bühne ein Zuviel an Aktion anbiete, wohingegen der „Naturschauspieler“ als Gefühlsdarsteller seine Persönlichkeit und damit die Echtheit seines Gefühls in die Rolle miteinbringe.136

133 Anmerkung der Redaktion zu Paul Ickes: „Der Stil des Darstellers“, in: Neue KinoRundschau 4/148 (1920), S. 7–9, hier S. 7 (Orig.: Film-Kurier). 134 Ebd. 135 Vgl. o.N. [x.]: „Kino-Mimik“, in: Österreichischer Komet 7/213 (1914), S. 2 u. 4. 136 Vgl. o.N.: „Natur oder Kunst?“, in: Mein Film 2/94 (1927), S. 4.

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Gerade der letztgenannte Beitrag in Mein Film lässt den Schluss zu, dass der Spielstil nicht nur eine Frage der zeitgenössischen ästhetischen Rahmenbedingungen, sondern auch eine Frage tradierter Spieltraditionen und individueller Entscheidungen war. Zudem macht der Artikel auf einen weiteren Faktor aufmerksam, der den Darstellungsstil beeinflussen konnte: die Erfahrung. So zeige das unnatürliche Verhalten von AnfängerInnen vor der Kamera, dass ein natürliches („alltägliches“) Spiel paradoxerweise erst erlernt werden müsse: „Es ist übrigens gar nicht so leicht, natürlich oder ‚ich selbst‘ beim Film zu sein. Es ist erwiesen, daß der Debütant die einfachsten Dinge, die er sonst im alltäglichen Leben hunderte Male macht, wie einige Schritte gehen, eine Tasse Tee trinken, eine Zigarette rauchen usw., im Licht der Lampen nicht natürlich, also wie gewöhnlich machen kann. Er wird sich geziert und gespreizt benehmen, der unmögliche stolzierende Gang des Debütanten ist allgemein bekannt, kurz, er bringt es einfach nicht zusammen, ‚er selbst zu sein‘. So paradox dies klingen mag: es gehört eine große Routine dazu, im Film natürlich zu sein.“

137

Dieser Meinung war auch Friedrich Porges: „Junge Schauspielerinnen, die zum erstenmal filmen, zeigen in der Regel am anschaulichsten, wie man die Geste im Film – nicht gebrauchen darf.“138 Porges zufolge äußere sich die Unerfahrenheit der Filmneulinge besonders dadurch, dass sie sich zu schnell bewegen würden und so die Seriosität einer Szene ernstlich in Gefahr brächten.139 Neben allgemeineren Erörterungen zu einem natürlichen Spielstil entzündete sich die Natürlichkeitsdebatte aber vor allem an der Echtheit und Glaubhaftigkeit von dargestellten Emotionen. Besonders im Fokus stand Asta Nielsen, der man vorwarf, Glyzerin, eine farb- und geruchlose, dickflüssige und süßlich schmeckende Flüssigkeit140, für die Erzeugung ihrer Tränen zu verwenden.141

137 Ebd. Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt. 138 Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 37f. 139 Ebd., S. 38. 140 Vgl. James zu Hüningen: „Glyzerin“, Lexikon der Filmbegriffe, 2011, filmlexikon. uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=2311, 11.04.2016. 141 Vgl. u.a. o.N.: „Die Tränen des Filmdarstellers“, in: Neue Kino-Rundschau 4/198 (1920), S. 12 (Orig.: „Die Tränen der Asta Nielsen“, in: Lichtbild-Bühne 13/49 (1920), S. 34). Die Echtheit der Tränen wurde bereits in der Schauspieltheorie des 18. Jahrhunderts diskutiert. Vgl. Renate Möhrmann: „Bewundert viel und viel gescholten. Schauspieler im Spiegel der Theaterwissenschaft“, in: Theaterwissenschaft heute. Eine Einführung, hg. von Renate Möhrmann. Berlin: Reimer, 1990, S. 81–

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Damit wurde auch ein Zweifel an Nielsens darstellerischen Fähigkeiten impliziert, was Schauspielkollege und Filmstar Paul Wegener dazu veranlasste, die „Duse des Films“ in der deutschen Filmpresse zu verteidigen. Sein Text wurde mehrfach in den österreichischen Filmzeitschriften abgedruckt,142 u.a. heißt es an einer Stelle: „Ich habe im Herbst mit Asta Nielsen einen Film [...] gespielt. In diesem Film hat Frau Nielsen in zwei Szenen mit mir zu weinen. Wir haben unsere Szenen sorgfältig ausgearbeitet und mehrmals geprobt. Frau Nielsen hat dann während der Aufnahmen helle Tränen geweint, ohne sich Glyzerin einzuträufeln. Man könnte vielleicht den Einwurf machen, sie hätte auch mich getäuscht und heimlich im letzten Moment sich doch eine Einspritzung gemacht. Hiergegen ist zu bemerken, daß ich ihr in einer Szene die Tränen von den Wangen zu küssen habe und ich konstatiere, daß die Tränen wässrig und salzig waren. Glyzerin ist aber bekanntlich fettig und süß.“

143

Von da an sind Filmtränen ein wiederkehrendes Thema in den Filmzeitschriften. Unter anderem beschrieb Georg C. Klaren (1900–1962), Dramaturg der VitaFilm und Journalist, in Mein Film 1924, wie Tränen (nicht) erzeugt werden sollten. Als falsche Vorstellung entlarvte er zunächst die Idee, dass SchauspielerInnen eine Zwiebel unter die Nase gehalten bekämen, um ohne eigenen emotionalen Aufwand Tränen produzieren zu können (Abbildung 6). Weiters riet Klaren davon ab, Glyzerin zu verwenden, da die Tränen im Idealfall aus dem Innersten, durch Einfühlung in die darzustellende Rolle, von selbst kommen sollten.144 Dieser Meinung war man auch in der Bühne im Jahr 1926. Hier ging man aber noch einen Schritt weiter und erklärte, wie Tränen auf natürliche Weise erzeugt wer-

106, hier S. 88; Jens Roselt: „Seelen mit Methode. Einführung“, in: Seelen mit Methode, hg. von Roselt, 2009, S. 8–71, hier S. 47. 142 Vgl. Paul Wegener: „Asta Nielsens Tränen“, in: Die Kinowoche 3/4 (1921), S. 17f. – „Tränen von Asta Nielsen“, in: Komödie 2/3 (1921), S. 27 (Orig.: „Asta Nielsens Tränen“, in: Der Film 6/2 (1921), S. 39). 143 Ebd., S. 18 / 27. 144 Vgl. Georg Klaren: „Tränen im Film“, in: Die Filmwelt 6/27 (1924), S. 4. Der Artikel enthält auch eine Zeichnung des Wiener Karikaturisten, Illustrators und Trickfilmzeichners Peter Eng (1892–1938), der zu folgender nicht ernst gemeinter Beschreibung eine Zeichnung anfertigte (Abbildung 6): „Man nehme eine gute ausgereifte Zwiebel, schneide sie möglichst frisch auf und gebe sie der Diva [...] zwanzig Zentimeter unter der Nase, gerade soweit, daß sie nicht mit ins Bild kommt, und gerade so nahe, daß sie die schönsten Tränen vergießt.“

218 | Schauspielen im Stummfilm

den könnten. Insgesamt werden drei Möglichkeiten genannt: (1) an etwas Trauriges denken, (2) berührende Musik hören, (3) durch reine Willenskraft bzw. Autosuggestion. Letzteres hielt der Autor für ein Mittel wahrer Künstlerschaft.145 Abbildung 6: Wie Tränen nicht erzeugt werden sollten

Quelle: Die Filmwelt, 1924 (UB Wien)

Darüber hinaus gab ein Beitrag in Mein Film aus dem Jahr 1928 über die Vorund Nachteile der jeweiligen Tränenerzeugungsmethode Auskunft. Die Angaben der Autorin lassen sich in Form einer Tabelle wiedergeben (vgl. Tabelle 6).146 Der Punkt „Vorbereitung notwendig“, der als Nachteil der Einfühlung angeführt wird, meint, dass der Schauspieler eine gewisse Zeit benötigte, um vom Alltagsgefühl in die geforderte Stimmung hineinzufinden. Wie im zuvor besprochenen Artikel der Bühne von 1926 wurden auch hier schmerzvolle Erinnerungen, das Hören von Musik sowie die (durch den Filmregisseur) suggerierte Stimmung als Mittel genannt, die den Einfühlungsprozess erleichtern sollten.147 Wenn dies alles nichts half, dann konnte man, den Anekdoten eines Wiener Aufnahmeleiters

145 Vgl. o.N.: „Wie Film-Tränen werden . . .“, in: Die Bühne 3/85 (1926), S. 28. 146 Vgl. Kete Wilheim: „Filmtränen“, in: Mein Film 3/147 (1928), S. 6f. Die Angaben in eckigen Klammern geben implizierte, aber nicht explizit beschriebene Inhalte wieder. 147 Vgl. ebd., S. 6f.

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zufolge, notfalls auch zu ungewöhnlicheren bzw. drastischeren Mitteln wie Beschimpfungen oder Androhungen greifen.148 Tabelle 6: Filmtränen – Vor- und Nachteile unterschiedlicher Methoden (1928) Vorteile Glyzerin

+ [keine emotionale Verausgabung]

Wasser

+ [keine emotionale Verausgabung]

Einfühlung

+ entsprechender Gesichtsausdruck

Nachteile - brennt - emotionslose Mimik - rinnt (zu) schnell - verwischt Schminke - Vorbereitung notwendig - Emotionalität

Neben der Fähigkeit, glaubhaft weinen zu können, war auch die Plausibilität von Sterbeszenen ein Indikator für die Natürlichkeit des Spielstils. Im Kino-Journal wurde 1922 diesbezüglich die These aufgestellt, dass die Darstellung des Todes deshalb kein Leichtes sei, weil kein Lebender den Tod je erlebt habe. Die Diskrepanz zwischen Realität und Kunst sei aber nicht nur dem Mangel an Erfahrung geschuldet, sondern ebenfalls dadurch zu erklären, dass die Realität entweder zu unspektakulär oder zu ekelerregend sei, weshalb die SchauspielerInnen ihre eigene(n) Version(en) des Sterbens kreieren müssten. Viele würden jedoch an dieser Herausforderung scheitern, wie die oft schablonenhafte oder unfreiwillig komische Darstellung des Sterbens im Film und auf der Bühne zeige. Denn in der Realität falle ein Mensch, der z.B. durch einen Stich oder einen Schuss ins Herz getötet werde, nur selten sofort um, sondern könne sich noch eine kurze Zeit lang bewegen oder sogar ein Stück gehen.149 Dass der Tod schlecht gespielt wurde, der Meinung war man im KinoJournal auch drei Jahre später. Der anonyme Verfasser des Artikels mit dem Titel „Der gekurbelte Tod“ ging aber davon aus, dass es verschiedene (Vor-) Phasen zu sterben gab, die qualitativ unterschiedlich gespielt wurden. Die Bewusstlosigkeit vor dem eigentlichen Tod werde meistens gut getroffen, auch der natürliche Tod bereite wenige Schwierigkeiten.150 Die größte Herausforderung für den Schauspieler sei hingegen der gewaltsame Tod, der häufig nach Schema F inszeniert werde:

148 Vgl. Franz Hoffmann: „Wie Filmtränen echt werden!“, in: Mein Film 4/208 (1929), S. 2. 149 Vgl. Albin Roßlau: „Das Sterben im Film“, in: Das Kino-Journal 15/634 (1922), S. 9f., hier S. 9. 150 Vgl. o.N.: „Der gekurbelte Tod“, in: Das Kino-Journal 18/790 (1925), S. 6–8.

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„Es bleibt also wieder alles der darstellerischen Kunst des Gemeuchelten überlassen, um dem Filmdichter zu seinem Recht zu verhelfen. Tatsächlich stehen den Opfern von Dolch und Revolver großartige Sensationen offen. Sie taumeln (Achtung, daß im Rücken kein Hindernis vorhanden ist!). Dann knickt zuerst das eine Bein in der Kniekehle. Schräge Leidensstellung. Dann klappt das andere Bein zusammen. Der Mann stürzt hintenüber. Ist er tüchtig und filmgymnastisch veranlagt, so wird er – ohne Schaden zu nehmen – auf den Kopf fallen. Schmerzgebärde und Abschied vom Erdwallen mit Großaufnahme. Dann aus. Der Mann ist tot. Mausetot. Aber – ist er auch wirklich tot? Nein, er ist es noch nicht. Er lebt meistens noch fünfzig Meter Todeskampf. Mit Leibesverrenkungen und mimischem Veitstanz, Lippenzucken, Augenrollen, Haarsträuben. Erst dann ist er richtig tot.“

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Um diese Formelhaftigkeit zukünftig zu vermeiden, schlug der Autor vor, das Fach „Sterben“ in seriösen Filmschulen einzuführen. Makaber ist hingegen seine zweite Idee, Selbstmörder in den Dienst des Films zu stellen, um wirklich echte Emotionen auf die Leinwand zu bringen.152 Bisher konnte gezeigt werden, warum ein Schauspielstil als wenig natürlich eingestuft worden war. Mangelnde Erfahrung, fehlendes Wissen, geringe emotionale Involviertheit und traditionelle Bühnenausbildungen standen im Gegensatz zu dem zu Beginn skizzierten neuen Spielstil, der sich einer naturalistischen Darstellung verschrieben hatte. Eine Frage ist allerdings noch offen geblieben, nämlich jene nach der konkreten Bedeutung des vielfältigen und stark konnotierten Begriffs der Natürlichkeit. Eine stellvertretende Antwort findet sich in der Filmwelt aus dem Jahr 1923: „[Was verlangt man von einem Filmschauspieler?] Hauptsächlich wohl die Verkörperung seiner Rolle. Der wahre Schauspieler muß sich so verstellen können, daß jede Gestalt, welche er uns vorführt, völlig lebenswahr erscheint. Er muß daher jede Rolle naturgetreu wiedergeben; wir müssen seine Handlungen, die aus seiner Natur entspringen, verstehen und ihnen folgen können; wir müssen Verständnis für ihn haben, d.h.[,] wir müssen ihm 153

‚glauben‘.“

151 Ebd., S. 7. 152 Vgl. ebd., 7f. 153 Erwin Bernhard: „Was verlangt man von einem Filmschauspieler?“, in: Die Filmwelt 5/24 (1923), S. 3f., hier S. 3. Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt. Die eckigen Klammern kennzeichnen den Titel des Artikels, der zum Verständnis des einleitenden Satzes beiträgt.

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Diese Beschreibung erinnert an Gerda Baumbachs Definition des veristischen Schauspielstils, der in Kapitel 4.3.1 besprochen worden ist. Auch im Stummfilm galten die Nachahmung des Lebens, die Illusion der Wirklichkeit sowie die Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Rollenfigur als Gradmesser für eine plausible Darstellung. Der überwiegend naturalistische Anspruch des Stummfilms, alles so „echt wie möglich“ zu gestalten, galt als Ziel und Daseinszweck des neuen Mediums. In allen Bereichen, nicht nur der Schauspielkunst, sollte die Illusion um jeden Preis aufrechterhalten und die Künstlichkeit verdeckt werden. Das erklärt auch die Ansprüche an Make-up und Kostüm sowie die Forderungen an ein zurückhaltendes und nuanciertes Mienen- und Gebärdenspiel. Denn medienspezifische Errungenschaften wie die Großaufnahme ließen zu große Gesten und eine übertriebene Mimik unnatürlich wirken. So konnte die „unbarmherzige Echtheit“ des Filmbildes einen „zum Schrei geöffnete[n] photographierte[n] Mund, das vom Weinen entstellte Gesicht, die im Lachen fast verschwindenden Augen“ ungewollt zur Grimasse erstarren lassen.154 Wenn also Natürlichkeit mit der (vermeintlichen) Nähe zum Leben gleichgesetzt wurde, dann ist es nachvollziehbar, dass das Grimassenschneiden zum Tabu geworden war. Dass der „natürliche“ Schauspielstil bisher im Zentrum gestanden hat, soll nicht heißen, dass es nicht auch avantgardistische Bestrebungen im Stummfilm gegeben hatte, die wie der deutsche Expressionismus mit naturalistischen Tendenzen zu brechen versuchten.155 Ebenso war der überzeichnete Darstellungsstil der KomikerInnen von realitätsabbildenden Ansprüchen weit entfernt. Der Grund, warum dem naturalistischen Spielstil so viel Gewicht gegeben worden ist, liegt darin, dass man in den österreichischen Filmperiodika vorrangig mit dem Darstellungsstil im „Mainstreamfilm“, dem narrativen Spielfilm, beschäftigte. Zudem liegt die Vermutung nahe, dass der durchschnittliche, in Wien tätige Filmschauspieler kaum für avantgardistische Experimente eingesetzt wurde.156

154 Ida Bock: „Die Macht des Wortes“, in: Die Kinowoche 2/20 (1920), S. [3]f., hier S. 4. Ida Bock (1872–1940) war eine Wiener Redakteurin und Schriftstellerin. 155 Vgl. Hickethier: „Schauspieler zwischen Theater und Kino in der Stummfilmzeit“, S. 36–38. 156 Der expressionistische Film hatte in Österreich keine ähnlich große Bedeutung wie in Deutschland. In dieser Hinsicht bezeichnend ist auch die Tatsache, dass die Hauptrolle in ORLAC’S HÄNDE (Pan, 1925), dem bedeutendsten expressionistischen Stummfilm Österreichs, von dem deutschen Filmstar Conrad Veidt verkörpert wurde. Vgl. Dassanowsky: Austrian Cinema, S. 31.

222 | Schauspielen im Stummfilm

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in den österreichischen Stummfilmzeitschriften spätestens nach Ende des Ersten Weltkriegs eine natürliche (glaubhafte, lebensnahe) Spielweise gefordert wurde. Das bedeutete eine Loslösung von den für die Zeitgenossen schablonenhaft wirkenden Spieltraditionen der Bühne hin zu einem (im Vergleich) minimalistisch erscheinenden Mienenund Gestenspiel, dessen Wirkung durch die Großaufnahme verstärkt werden konnte. Ziel war es, die ZuschauerInnen glauben zu machen, der Darsteller fühle die Emotionen tatsächlich. Wie weit er sich dabei in die Rolle einfühlte, war seinen eigenen Grenzen und künstlerischen Ambitionen überlassen. 5.2.3 Zusätzliche Qualifikationen Die letzten beiden Kapitel haben sich mit den nonverbalen Ausdrucksmitteln auf schauspieltechnischer und -stilistischer Ebene beschäftigt. Nun stellt sich die Frage, welche zusätzlichen Qualifikationen in diesem Bereich von Vorteil waren. Die Auswertung der österreichischen Stummfilmperiodika hat dabei zwei Themenbereiche zum Vorschein gebracht: einen gewissen Grad an Sportlichkeit zum einen und einen gekonnten Umgang mit Requisiten zum anderen. Jeder Bereich für sich könnte (und sollte) Thema eigener Forschungsarbeiten sein, darum ist auch hier eine ausschließlich berufs- bzw. praxisrelevante Auswahl vorgenommen worden. Zur Sportlichkeit ist bereits einiges im vorigen Abschnitt gesagt worden. Generell fällt auf, dass dieses Thema viel Raum in den Stummfilmzeitschriften eingenommen hatte. Drei Teilbereiche lassen sich dabei festmachen: (1) Sport in Form von Fitness, um seinen Körper zu trainieren (vgl. Kapitel 5.1.1), (2) Sport als Extremsport, um für die „Stunts“ eines Sensationsfilms vorbereitet zu sein (vgl. Kapitel 5.3.5) und (3) Sport in Form von (Grund-)Kenntnissen diverser Sportarten, um in sportlichen Szenen voll einsatzfähig zu sein. Fähigkeiten dieser Art konnten die Arbeitschancen erhöhen, was auch Friedrich Porges 1919 bestätigte. Demnach seien „sportlich gut ausgebildete Schauspieler“ für den Regisseur von Vorteil, da diese artistische Szenen selbst spielen könnten. Es spare Zeit und Geld, wenn man keinen Ersatz für den Hauptdarsteller, der die Szenen aus Mangel an Sportlichkeit nicht selbst ausführen könne, finden müsse.157 Denn in vielen Filmen kamen Szenen vor, die Kenntnisse klassischer und „moderner“ Sportarten erforderten. Zu den diesbezüglichen Anforderungen heißt es in der Rády-Maller-Revue 1912:

157 Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 43.

5. Beruf „Kinokünstler“ II | 223

„Wie oft hört man nicht in Kinotheatern: ‚Ach, das kann ich auch! Was ist denn dabei[,] Gesichter vor einem Photographen-Apparat zu schneiden‘! [...] Aber neben dem ‚Gesichterschneiden‘ gibt es noch viele andere Dinge, die zum Rüstzeug eines Kinoschauspielers unentbehrlich sind. Wird ein Kinoschauspieler engagiert, so wünscht der Direktor zu wissen, ob er gut reiten kann [...], ob er schwimmen, tanzen, Schlittschuh- oder Rollschuhlaufen kann usw. Ob er ein guter Fechter, Ringkämpfer oder Seemann ist? Ob er ein Automobil zu lenken vermag.“

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Um Kenntnisse, die man nicht hatte, zu erwerben, wurden auch Kurse angeboten. Für Wien fand sich z.B. eine Annonce eines „Spezial-Reitinstitut[s] für Filmaufnahmen“, das sich in der Kaiser-Josef-Straße 24–28 befand. Inhaber war Max L. Kirnbauer,159 der den FilmdarstellerInnen folgendes Angebot machte: „Für P.T. Filmschauspieler(innen) erstklassiger Spezialunterricht zu bedeutend ermäßigten Preisen.“160 Darüber hinaus offerierte das Reitinstitut „erstklassige Berufsreiter und erprobte Filmdarsteller[,] die jeder Anforderung entsprechen [...] zu den kulantesten Bedingungen“.161 Inserate wie diese lassen die Bedeutung der Zusatzqualifikationen im Bereich Sport erahnen. Denn das Nichtkönnen eines Schauspielers, das von einem Zuschauer bemerkt wurde, war letztlich auch der naturalistischen Wirkung abträglich. Dasselbe galt ebenso für den Umgang mit Requisiten, die gekonnt bzw. auf natürliche Art und Weise in die Darstellung eingebaut werden sollten. Zu diesem Thema gab es ebenfalls zahlreiche zeitgenössische Artikel zu finden, die jedoch größtenteils aus der Perspektive eines Filmdichters/-dramaturgen oder -regisseurs verfasst worden waren. Für den Filmschauspieler ging es aber nicht darum, ob der Einsatz eines Requisits in der gesamten Handlung Sinn machte (oder, wie der zeitgenössische Vorwurf lautete, nur inhaltliche Löcher stopfte),162 sondern

158 O.N. [F.]: „Was ein Kinoschauspieler leisten muß“, in: Österreichischer Komet 5/116 (1912), S. 7 – Rády-Maller-Revue 3/6 (1912), S. 17 (Bez.: nicht eruierbar). 159 Die Firma Praterstern-Tattersall Max L. Kirnbauer wurde 1913 ins Handelsregister eingetragen und 1932 „[i]nfolge dauernder Betriebseinstellung“ wieder gelöscht. Vgl. WStLA, Handelsgericht, B76 – Handelsregister A: 26.130. 160 [Max L. Kirnbauer]: „Spezial-Reitinstitut für Filmaufnahmen“, in: Die Filmwelt 2/40 (1920), S. 14. 161 Ebd. 162 So kritisierte z.B. Victor E. Pordes, dass Autoren Briefe u.Ä. als Lückenfüller der Handlung benützen, aber nicht als „psychologisch charakterisierende[n] Behelf“ ausnützen würden. Es fehle an einer „Dramaturgie der Gegenstände“. Vgl. Pordes: Das Lichtspiel, S. 52–54.

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wie er das Requisit in sein Spiel integrieren konnte, um seine Darstellung zu ergänzen. Auf keinen Fall durfte das Requisit die Szene beherrschen. Zum Negativbeispiel avancierte in dieser Hinsicht das Rauchen im Film. Ähnlich dem Vorwurf, Briefe seien nur Ausdruck der Einfallslosigkeit eines Filmautors,163 waren Zigaretten zum Sinnbild für die Talentlosigkeit eines Filmschauspielers geworden. Davon zeugen z.B. die Beiträge von Paul Sorgenfrei, einem deutschen Journalisten. Unter dem Titel „Die obligate Filmzigarette“ druckte die Kinematographische Rundschau 1914 einen von Sorgenfreis Artikeln ab, worin der Autor die Zigarette als „unentbehrlichen ‚Ausstattungsgegenstand‘ filmdramatischer Darstellungen“ kritisierte: „Man kann sehr oft vermuten, daß der Schauspieler die Zigarette lediglich zur Hand nimmt, weil er sonst nicht weiß, was für Bewegungen er machen soll. Sie wird dadurch zum – Verlegenheitsinstrument oder zum Füllsel! [...] Es mag eine Kunst sein, eine sonst bedeutungslose Stellung ohne Zuhilfenahme der Zigarette künstlerisch auszufüllen. Aber die Kunst des Schauspielers muß das können! Mimik und Bewegungen muß der Schauspieler jederzeit während seines Auftretens, sei es auf der Bühne, sei es im Film, derart beherrschen und verwenden können, daß er – nicht zur Zigarette zu greifen braucht, um seine Hilfslosigkeit zu verdecken.“

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Sorgenfrei kritisierte die Filmzigarette dafür, dass sie als Ersatz für darstellerisches Können diene. Er hinterfragte damit die Notwendigkeit des Rauchens im Film generell, das nur in den seltensten Fällen wirklich Teil der Handlung sei, und forderte ein starkes mimisches und gestisches Spiel anstelle des Einsatzes von Requisiten wie der Filmzigarette. 1919 veröffentlichte die Neue Kino-Rundschau erneut einen Artikel von Paul Sorgenfrei zum selben Thema. Dieses Mal schien der Autor das Rauchen im Film als „notwendige[s] Übel“ zu akzeptieren, schränkte diese Anerkennung aber ein, indem er die Filmzigarette nur dann für akzeptabel hielt, wenn sie künstlerisch eingesetzt wurde.165 Sie sollte Teil der Rollengestaltung sein und nicht dazu dienen, darstellerische Unbeholfenheiten auszugleichen: „Immer muß die Persönlichkeit [der zur spielenden Rolle, A.D.] im Vordergrunde stehen, niemals die Zigarette! Oft ist aber das Umgekehrte der Fall: da scheint die Ziga-

163 Ebd. 164 P[aul] S[orgenfrei]: „Die obligate Filmzigarette“, in: Kinematographische Rundschau 8/310 (1914), S. 30. 165 Paul Sorgenfrei: „Die obligate Filmzigarette“, in: Neue Kino-Rundschau 3/137 (1919), S. 17f.

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rette die Hauptrolle zu spielen.“166 Den künstlerischen Gebrauch erläuterte Sorgenfrei anhand mehrerer Vergleiche: So rauche der Kavalier anders als der Bauer, der Liebhaber anders als der Intrigant und die Dame anders als der Herr, was sich in unterschiedlichen Verhaltensweisen beim Halten, Anzünden und Rauchen einer Zigarette äußere.167 Sorgenfreis Beiträge zur Filmzigarette zeigen beispielhaft, wie Requisiten im Stummfilm (nicht) eingesetzt werden sollten. Mit der idealen Handhabung von Requisiten befasste sich 1928 auch die Bühne, in der man rückblickend den zu häufigen und „primitiven“ Einsatz von Briefen und Revolvern in den frühen Jahren des (Spiel-)Films kritisierte: „Das primitivste und wohl am häufigsten benutzte Filmrequisit ist der Brief. Besonders in den Anfangsstadien des Films [...] wurde immerzu mit Briefen, Telegrammen, Zeitungsausschnitten usw. operiert. In fast jedem Akt trat ein Postbote auf und überreichte feierlichst ein gewichtiges versiegeltes Schreiben, das irgendeine traurige Nachricht oder eine unerwartete Freudenbotschaft enthielt, die dann in großen Lettern auf der Leinwand zu lesen war. Ein anderes beliebtes Requisit, das dazu diente, das Publikum über den Gang der Ereignisse oder den Gemütszustand der Personen zu informieren, war der geladene Revolver, der immer im Schreibtisch schußbereit lag und der bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit drohend gezückt wurde.“

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Mittlerweile habe man es aber verstanden, Requisiten zur Unterstützung von „verschiedenartigsten Seelenregungen, von der zartesten Gemütsstimmung bis zum leidenschaftlichen Temperamentsausbruch“ einzusetzen. Laut der Bühne gebe es zwei Möglichkeiten, um dem Publikum Emotionen verständlich zu machen: das stumme Gebärdenspiel und die sinngemäße Anwendung des Requisits.169 Letzteres meinte die Integration von Briefen u.Ä. in die Darstellung, d.h., Requisiten sollten die nonverbalen Ausdrucksmittel des Schauspielers ergänzen und den Gemütszustand bzw. die Charaktereigenschaften einer Figur verdeutlichen. An dieser Stelle kann man folglich festhalten, dass von StummfilmschauspielerInnen, zusätzlich zu einer an das Medium angepassten Spieltechnik und einem natürlichen Spielstil, idealerweise auch sportliche Fähigkeiten und ein in die Darstellung integrierter Umgang mit Requisiten erwartet wurden. Damit ist

166 Ebd., S. 18. 167 Ebd. 168 O.N.: „Das Requisit als Darsteller“, in: Die Bühne 5/181 (1928), S. 31f., hier S. 31. 169 Ebd.

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das Anforderungsprofil im Bereich des darstellerischen Könnens aber noch nicht vollständig erfasst. Denn StummfilmdarstellerInnen sollten ebenfalls ein Bewusstsein dafür haben, wie sie Dialoge bzw. den Akt des Sprechens und Zuhörens in ihre Darstellung einbauen konnten. 5.2.4 Verbale Ausdrucksmöglichkeiten Der Stummfilm war niemals stumm, weder bei der Projektion170 noch bei der Produktion. So wurde nicht nur während der Filmvorführung, sondern auch während der Filmaufnahme gesprochen. Doch wenn die ZuschauerInnen die von den SchauspielerInnen verbalisierten Worte nicht hören konnten, dann stellt sich die Frage, warum und vor allem was vor der Kamera tatsächlich gesprochen wurde. Besonders der Inhalt des Gesprochenen bot immer wieder Anlass für Spekulationen. Nicht selten gab es den Vorwurf, dass die SchauspielerInnen vom Filmmanuskript abweichende Zeilen sprachen und sich mehr den alltäglichen Problemen in ihren Dialogen widmeten als den inhaltlichen Anforderungen der Szene. In der Neuen Filmwoche von 1919 findet sich ein Beitrag mit dem Titel „Was sprechen die Leute im Film?“, der dazu folgendermaßen Stellung nahm: „In vielen Filmszenen sieht man die Schauspieler miteinander reden und viele Leute haben sich wohl öfters gedacht, was sie wohl untereinander sprechen mögen. Wir können nun verraten, daß es in der Kindheit des Films oft passierte, daß der Held vor seiner Angebeteten auf den Knien lag und zu ihr sagte: ‚Gottlob, wenn diese Szene vorüber ist, gehen wir mittagessen!‘ oder ‚Gott, wie warm ist es heute wieder hier!‘ statt der ernsten Liebeserklärung, welche die Szene verlangte.“

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170 Neben der Musikbegleitung gab es in den Anfängen des Stummfilms (in Wien offiziell nur bis 1910) auch den Erklärer, der dem Publikum im Kinosaal die gesehenen Inhalte live erläuterte. Vgl. Anna Denk: „Dieses ist der Vafiehrer“: Das Ende der Stummfilmerklärer im Kontext der Wiener Kinogeschichte. Dipl., Universität Wien, 2010; dies.: „Warum der Stummfilmerklärer aus den Wiener Kinos verschwand“, Medienimpulse [20]/4 (2011), www.medienimpulse.at/articles/view/364, 29.09. 2015. 171 Chrysis: „Was sprechen die Leute im Film?“, in: Neue Filmwoche 1/45 (1919), S. 12.

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Der Autor des Artikels fuhr dann fort, indem er bekräftigte, dass diese Vorgehensweise nun aufgrund der Kunstansprüche des Films nicht mehr üblich sei. Heutzutage bereite der Regisseur vorab „Wechselreden“ vor, die den widersinnig improvisierten Dialogen Einhalt geböten.172 Isabelle Raynauld, deren Forschungsschwerpunkt u.a. historische Drehbücher sind, würde den Ausführungen in der Neuen Filmwoche vermutlich widersprechen. Ihre vergleichende Analyse von französischen Originaldrehbüchern und Filmen, die im Zeitraum zwischen 1895 und 1915 entstanden waren, hat ergeben, dass sich StummfilmschauspielerInnen in der Regel an die vorgegebenen Dialoge hielten und keine von der Szene abweichenden Gespräche führten.173 Überprüft hatte Raynauld ihre ursprüngliche Hypothese u.a. mithilfe eines Experiments, im Zuge dessen sie einer gehörlosen Person (ein professioneller Lippenleser) über 25 Gaumont-Filme vorführte und diese bat, das Gesprochene von den Lippen abzulesen. Anschließend wurden die gewonnenen Erkenntnisse mit den noch existierenden Drehbüchern verglichen, was Raynauld zu nachstehender Schlussfolgerung geführt hat: „[...] the characters say the lines that are written in the script. While they often expand upon them, they nonetheless always stay in the context of the action, respect the unfolding of the story, and refrain from going into unrelated nondiegetic topics [...].”174 Das von Raynauld durchgeführte Experiment mag zwar methodisch zu hinterfragen sein,175 ist jedoch filmhistorisch spannend, da in den Stummfilmzeitschriften zahlreiche Berichte über „Taubstumme“ zu finden waren, die, aufgrund dessen, dass sie das Gesprochene tatsächlich verstanden, eine zur intendierten Wirkung gegensätzliche Reaktion auf eine Szene zeigten, also z.B. bei einer traurigen Szene lachten. Von Zwischenfällen dieser Art wurde in den österreichischen Filmzeitschriften besonders in den 1910er Jahren wiederholt berich-

172 Ebd. 173 Vgl. Isabelle Raynauld: „Dialogues in Early Silent Sound Screenplays: What Actors Really Said“, in: The Sounds of Early Cinema, hg. von Richard Abel und Rick Altman. Bloomington, Indianapolis: Indiana University Press, 2001, S. 69–78. 174 Ebd., S. 73. 175 Aussagekräftiger wäre ein Experiment mit einer höheren Zahl an TeilnehmerInnen gewesen. Zudem kann die Untersuchung von rund 25 französischen Stummfilmen bzw. Drehbüchern einer einzigen Filmfirma nicht als universell gültig angesehen werden. Zugute halten muss man Raynauld aber, dass sich ihre Studie nicht auf dieses (aus privatem Interesse entstandene) Experiment, sondern auf eine jahrelange Sammlung und Analyse von insgesamt 5348 Pathé- und Méliès-Synopsen und Drehbüchern gestützt hat. Vgl. ebd., S. 69.

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tet.176 Stellvertretend soll hier die diesbezügliche Bemerkung in der zuvor erwähnten Ausgabe der Neuen Filmwoche zitiert werden: „In der Regel können gewöhnliche Menschen aus den Bewegungen der Lippen nicht ersehen, was gesprochen wird. Man erinnert sich aber an den Fall, daß ein Taubstummer der Aufführung eines Filmdramas beiwohnte und bei den ernstesten Szenen sich vor Lachen schüttelte, weil er von den Lippen der Darsteller ihre Wechselgespräche ablas, während die übrigen nichtsahnenden Zuschauer der tiefernsten Handlung andächtig und schluchzend folgten.“

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Der Kunstanspruch des Films und der Einsatz von Drehvorlagen dürften bis spätestens Anfang der 1920er Jahren den improvisierten und manchmal vielleicht auch widersinnigen Konversationen im Stummfilm weitestgehend ein Ende gesetzt haben.178 Die Frage nach dem Warum ist damit allerdings noch nicht beantwortet. Isabelle Raynauld vermutet die Antwort darin, dass Filme von Hörenden für Hörende gemacht wurden. Denn obwohl es aufgrund des technischen Entwicklungsstands noch keinen in den Film integrierten synchronen Ton gab, waren Töne und Geräusche in den Drehbüchern vorgesehen. Deshalb wurde der Akt des Sprechens, des (Zu-)Hörens und auch des Schweigens im Stummfilm dargestellt. Auf diese Weise konnte das dramatische Potenzial des Tons genutzt und der natürliche Eindruck eines Gesprächs gefördert werden. Raynauld schreibt dazu: „[...] the ‚silent era‘ actor not only had to memorize his prescripted lines, but he had to speak his part for the hearing world, keep his mouth in motion for the spectators to see, whether they could hear him or not!“179 Über das Warum machte sich auch die deutsche Medienwissenschaftlerin Petra Löffler Gedanken. Wie Raynauld geht Löffler davon aus, dass das sichtbare Sprechen im Stummfilm bewusst eingesetzt wurde. Demnach war die Mund-

176 Vgl. u.a. o.N.: „Die ‚verstandene‘ Sprache der Kinoschauspieler“, in: Kinematographische Rundschau 5/196 (1911), S. 4 (Orig.: „Taubstumme im Kinotheater“, in: Die Zeit 3302, 2. Dezember 1911, S. 6f.); Walter Thielemann: „Kino und Taubstummensprache“, in: Kinematographische Wochenschau 4/43 (1913), S. 3–5 – Österreichischer Komet 8/252 (1915), S. 6f. 177 Chrysis: „Was sprechen die Leute im Film?“, S. 12. 178 Vgl. Friedrich Porges: „Das Buch des Films“, in: Die Kinowoche 3/44–45 (1921), S. 6–8, hier S. 6. Laut Friedrich Porges erlaubten auch die „ersten Wiener Filmbücher“ (um 1910/11) aufgrund ihrer „respektable[n] Ausführlichkeit“ kaum StegreifEinlagen. 179 Raynauld: „Dialogues in Early Silent Sound Screenplays“, S. 75.

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bzw. Artikulationsbewegung einerseits ein Indiz, das auf etwas hinwies, das sonst der Aufmerksamkeit entgangen wäre, und andererseits eine Ausdrucksbewegung, die „Nuancen psychischer Prozesse“ offenbarte. Der Zweck der sichtbaren Sprache lag darum sowohl in den akustischen Effekten, die im Zuschauer erzeugt werden sollten, als auch im filmischen Realismus der Handlung, der durch die Sprechbewegungen unterstützt wurde. Des Weiteren intensivierte das Sprechen die mimische Ausdrucksbewegung des Darstellers.180 Letzteres entspricht auch der verbreiteten zeitgenössischen Meinung, die sich in der Formel „starker verbaler Ausdruck = starker mimischer und gestischer Ausdruck“ zusammenfassen lässt. Victor E. Pordes war z.B. der Auffassung, dass das gesprochene Wort „die dazugehörige Geste“ auslöse, sie geradezu anfeuere.181 Darüber hinausgehende schauspielspezifische Gründe für das Sprechen im Stummfilm wurden in der Filmwoche 1919 genannt. So sollte der vom Regisseur vorgegebene Text die Arbeit des Stummfilmschauspielers erleichtern, weil es zu viel verlangt gewesen wäre, neben dem (emotionalen) Spiel zusätzlich einen passenden Text zu improvisieren. Außerdem hatten die gesprochenen Worte die Aufgabe, die Mitwirkenden in die richtige Stimmung zu versetzen und ihnen Anhaltspunkte für ihren Einsatz zu bieten.182 Folglich kann man sagen, dass aufgrund ästhetischer Motive (realistischer Eindruck) und aus praktischen Überlegungen heraus (intensivere Mimik, Einfühlung, Erleichterung des Ensemblespiels) im Stummfilm gesprochen wurde. Eine Frage bleibt aber dennoch offen: Wie konnten Dialoge sichtbar bzw. verständlich gemacht werden? Diese Frage wurde besonders in den zeitgenössischen, praxisorientierten Filmmonografien beantwortet. Zum Beispiel war für Urban Gad dieses Thema „von größter Bedeutung“.183 Er beschrieb im Kapitel „Die Sprache beim Film“, dass die ausschließlich sichtbaren Dialoge mithilfe des deutlichen Einsatzes von Mimik, Gestik und Bewegung verständlich ausgedrückt werden sollten. Wichtig dabei war die Reaktion des Zuhörenden, da auf dessen Gesicht der Inhalt des Gesprochenen für den Zuschauer ablesbar sei: „Man sieht das Gespräch also meistens auf dem Gesicht dessen, der schweigt, hört es durch den, der spricht.“184 Für Gad musste ein guter Filmschauspieler darum die Fähigkeit

180 Petra Löffler: „Eine sichtbare Sprache. Sprechende Münder im stummen Film“, in: montage/av 13/2 (2004), S. 54–74, hier S. 54–57. 181 Pordes: Das Lichtspiel, S. 89. 182 Vgl. Chrysis: „Was sprechen die Leute im Film?“, S. 12; Porges: „Das Buch des Films“, S. 8. 183 Gad: Der Film, S. 155f. 184 Ebd., S. 156. Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt.

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besitzen, „klar und ausdrucksvoll zu sprechen und angespannt und teilnehmend zu lauschen [...]“.185 Auch Victor E. Pordes hatte 1919 darauf hingewiesen, dass das Publikum den Stummfilmschauspieler nicht als stumm empfinde, da es ihn sprechen „sehen“ könne. Dies sei „ein Eindruck wie oft im Leben, wo man zum Beispiel auf einige Entfernung oder durch eine dicke Glasscheibe Leute sprechen“ sehe, ohne etwas zu hören. Man könne auf den ersten Blick schon erkennen, um welche Art der Unterhaltung (z.B. ein Streitgespräch) es sich handle, da sich der Inhalt in der Mimik, den Gesten und der Körperhaltung widerspiegle.186 Pordes zog daraus folgenden Schluss für die Filmdarstellung: „Und deshalb ist es gar nicht notwendig, ja direkt zweckwidrig, daß die Darsteller beim Spiel so deutlich artikulieren, daß man einzelne Worte ihnen gleichsam vom Mund ablesen kann. Der Film ist ja nicht für ein Publikum von Taubstummen bestimmt. Außerdem besteht dabei die Gefahr, daß der Schauspieler unwillkürlich annimmt, er habe durch die deutliche Aussprache sich genug verständlich gemacht und deshalb die Geste vernachlässigt. Umgekehrt, wenn er Worte nur nebenbei spricht und sie außerdem nur markiert, bestrebt er sich unwillkürlich, mehr durch die Sprache des ganzen Körpers zu sagen.“

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Der Stummfilmschauspieler sollte sich deshalb verbal ausdrücken, durfte dabei aber nicht auf seine nonverbalen Ausdrucksmittel vergessen. Denn nur aufgrund seiner mimischen, gestischen und gesamtkörperlichen Ausdrucksmöglichkeiten konnte man ihn sprechen „sehen“. Fest steht jedenfalls, dass – auch wenn sich die im vorigen Kernkapitel vorgestellten Theoretiker je nach Theorieansatz nicht darüber einig waren, ob im Film gesprochen werden sollte oder nicht – das Sprechen ein fixer Bestandteil der stummspezifischen Praxis war. Daher stellte sich weniger die Frage, ob, sondern was und wie gesprochen werden sollte, um die Inhalte für das Publikum verständlich zu transportieren. Die Frage nach dem Warum scheint vor allem aus unserer heutigen, an den „sprechenden Film“ gewöhnten Perspektive relevant zu sein. Für die Zeitgenossen dürfte das Sprechen vor der Kamera bzw. auf der Leinwand eine selbstverständliche stummfilmästhetische und -darstellerische Praktik gewesen sein. Abschließend lässt sich festhalten, dass insgesamt vier Qualifikationen im Bereich des darstellerischen Könnens von Vorteil waren:

185 Ebd. 186 Pordes: Das Lichtspiel, S. 89. 187 Ebd.

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1. StummfilmschauspielerInnen sollten ein grundlegendes Verständnis für die Aufnahmetechnik besitzen. Dieses äußerte sich in der verlangsamten und reduzierten Ausführung nonverbaler Ausdrucksmittel, die keine der eigentlichen Intention entgegengesetzte Wirkung provozierte. 2. StummfilmschauspielerInnen wurden dazu angehalten, „natürlich“ bzw. gemäß veristischer Kriterien zu spielen. Ziel der Darstellung war folglich die wirklichkeitsgetreue Nachahmung der Lebensrealität einer darzustellenden Figur. 3. Zusätzliche Kenntnisse im Bereich Sport und Requisiten waren ein Wettbewerbsvorteil. StummfilmschauspielerInnen sollten idealerweise verschiedene Sportarten in ihren Grundzügen beherrschen. Zudem war es notwendig, Requisiten gekonnt in die Darstellung zu integrieren, ohne diese zur Hauptattraktion werden zu lassen. 4. StummfilmschauspielerInnen sollten während der Filmaufnahme sprechen. Zwar konnten die ZuschauerInnen das Gesprochene bei der Wiedergabe des Films nicht hören, jedoch trug das sichtbare Sprechen zur Glaubwürdigkeit der Darstellung bei. Ebenso enthielt die Reaktion des Zuhörenden wesentliche inhaltliche Informationen.

5.3 STUMMFILMSPEZIFISCHE ARBEITSPRAKTIKEN Nachdem die beiden vorhergehenden Abschnitte die Anforderungen im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild und das darstellerische Können erarbeitet haben, sollen im Folgenden auch die stummfilmspezifischen Arbeitspraktiken, die sich wesentlich vom Theater unterschieden, untersucht werden. Dieses Thema ist noch kaum bzw. nur in Teilbereichen erforscht und wird meistens aus einer technischen Perspektive beleuchtet.188 Darum stützen sich die folgenden Ausführungen hauptsächlich auf drei zeitgenössische Quellen, die sich als besonders ergiebig erwiesen haben: (1) Fachartikel aus dem Kino-Journal, (2) Erfahrungsberichte aus der Kinowoche, (3) praxisbezogene selbstständige Publikationen mit Schwerpunkt Filmdarstellung189. Hervorzuheben sind dabei die Erfahrungsbe-

188 Vgl. z.B. Eisert: „Professioneller Film“, S. 111–135; Wolfgang Samlowski und Hans J. Wulff: „Vom Sichtbarmachen zur kunstvollen Gestaltung: Geschichte des Filmlichts“, in: Licht und Leitung, hg. von Lorenz Engell, Bernhard Siegert und Joseph Vogl. Weimar: Universitätsverlag, 2002 (= Archiv für Mediengeschichte 2002), S. 169–184. 189 Vgl. vor allem Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 19–47.

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richte von Wiener bzw. in Wien tätiger SchauspielerInnen, die in Form einer Artikelserie in der Kinowoche zwischen 1919 und 1920 publiziert wurden. Mitglieder der unterschiedlichsten Wiener Bühnen (Apollotheater, Burgtheater, Bürgertheater, Jarnobühnen, Deutsches Volkstheater, Theater an der Wien) gaben im Rahmen dieser Serie in mehrseitigen Beiträgen ihre Erfahrungen mit dem „Flimmern“ wieder und verglichen diese mit den ihnen vertrauten Bühnenpraktiken. Abgesehen von dem informativen Wert stellen die Erfahrungsberichte auch deshalb eine Besonderheit dar, weil es sich bei den Texten um Originale handeln dürfte.190 Die Auswertung der drei genannten Quellen hat zu der Erkenntnis geführt, dass sich die stummfilmspezifischen Arbeitspraktiken auf fünf Aspekte reduzieren lassen, die sich primär am Vergleich mit der Bühne orientieren. Demnach waren die Filmaufnahmen für die SchauspielerInnen in der Regel bestimmt von (1) einer improvisierten statt „organisch“ erarbeiteten Rollengestaltung, (2) einem dekorationsbestimmten statt chronologischen Szenenablauf, (3) der fehlenden unmittelbaren Resonanz eines Live-Publikums, (4) einer turbulenten Arbeitsatmosphäre im Atelier und bei Freilichtaufnahmen sowie (5) einem erhöhten Unfall-, Verletzungs- und Erkrankungsrisiko. Jedem dieser Aspekte ist im Folgenden ein Kapitel gewidmet. 5.3.1 Improvisierte Rollengestaltung Eine der größten Herausforderungen für SchauspielerInnen, vor allem für jene, die von der Bühne kamen, war die improvisierte Rollengestaltung. Im Gegensatz zum Theater bekamen die DarstellerInnen beim Film keine Möglichkeit, in ihre Rolle hinzuwachsen. Zumeist erhielten sie erst kurz vor der Aufnahme Teilinformationen zu der zu spielenden Szene und mussten, ohne das gesamte „Szenarium“ zu kennen, ihre Rolle gestalten. Unterstützung erhielten sie dabei vom Regisseur, der ihnen am Aufnahmeort ihre Aufgabe erklärte und gegebenenfalls seine Ideen auch selbst vorführte. Anschließend wurden die einzelnen Bewegungsabläufe und Interaktionen in der entsprechenden Kulisse mit Maske und Kostüm ein paar Mal191 geprobt. War der Regisseur zufrieden, konnte mit der

190 Vgl. o.N. (Red.): „Wichtig! Voranzeige! Achtung!“, in: Die Kinowoche 1/7 (1919), S. [1]: „Originalberichte sind die ‚Spezialität‘ der Kinowoche und werden die Leser fesseln.“ 191 Friedrich Porges zufolge wurde in der Regel drei- bis viermal, manchmal auch öfters, geprobt. Vgl. Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 22. Anzunehmen ist, dass die Häufigkeit der Proben von mehreren Faktoren abhängig war, wie z.B. von der

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Filmaufnahme begonnen werden. Währenddessen stand es dem Regisseur (und auch dem Operateur) frei, den SchauspielerInnen weitere Anweisungen zuzurufen, die diese spontan und ohne in Richtung des Regisseurs bzw. in die Kamera zu schauen, umzusetzen hatten. Da das Filmmaterial kostbar war, sollte die Aufnahme so rasch wie möglich gelingen,192 was von den Mitwirkenden eine hohe Konzentrationsfähigkeit erforderte. Den Ablauf einer Filmaufnahme beschrieb ein Mitglied des Klubs der Wiener Filmdarsteller (vgl. Kapitel 6.3.3) 1921 folgendermaßen: „Vor jeder Szene, die vom Regisseur gestellt wird, erklärt derselbe den Mitwirkenden die Handlung, erklärt auch jedem einzelnen seine Aufgabe, zeigt ihm eventuell, wie er seine Rolle zu spielen hat, selbst vor. Ist nun nach mancherlei Änderungen und nach mehrmaligen Proben die betreffende Szene so weit gediehen, daß zur Aufnahme geschritten werden kann, dann erschallt der laute Ruf des Regisseurs: ‚Achtung, Aufnahme!!!‘ Alles, was jetzt nicht beschäftigt ist, muß sofort verschwinden, rasch fixiert noch jeder seinen Aufstellungsplatz, und auf ein ‚Los‘ des Operateurs wird zu spielen begonnen. Der Regisseur [...] ruft den Darstellern fast jede Bewegung, die zu machen ist, zu. ‚Langsam vorgehen, begrüßen, Platz anweisen, setzen!‘ so erschallt es. Im letzten Moment fällt ihm oft noch eine Änderung ein, die vielleicht noch besser wirken könnte. Sofort wird sie zugerufen und die Mitwirkenden müssen während des Spiels, das sowieso alle Nerven in Anspruch nimmt, auch noch darauf scharf aufpassen. [...] Der scharfe und geübte Blick des Operateurs muß auch sofort alles merken, was für die Aufnahme nicht günstig oder störend sein könnte, und so hat er auch fortwährend zu rufen und zu ändern. Er muß es ja sehen, wenn das Gesicht eines Schauspielers in den Schatten kommt oder wenn eine Person durch die andere verdeckt wird.“

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Den Herausforderungen der improvisierten Rollengestaltung (kein vorheriges Rollenstudium, kaum Probemöglichkeiten, Einweisung vor Ort) einerseits und den daraus resultierenden Anforderungen (Spontaneität, Improvisation, Konzentration) andererseits waren sich auch die SchauspielerInnen, die ihre Erfah-

Arbeitsweise des Regisseurs oder der Qualität der Filmaufnahme. Vgl. o.N.: „Wie ein Film entsteht. IV. Regieführung“, in: Mein Film 1/17 (1926), S. 11. 192 Dennoch konnte es vorkommen, dass eine Szene nochmals „gekurbelt“ werden musste, um ein qualitativ gutes Negativ zu erhalten. Vgl. Hans Matias: „Plauderei über Filmaufnahmen“, in: Die Filmwelt-Almanach 1 (1921), S. 4, 6 u. 8, hier S. 6 u. 8; o.N.: „Wie ein Film entsteht. IV. Regieführung“, S. 11. 193 Ebd., S. 6. Eine ähnliche Beschreibung vgl. auch Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 21f.

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rungen in der Kinowoche mitteilten, nur allzu bewusst. Viktor Kutschera (1863– 1933) schrieb z.B. zur Unkenntnis der FilmschauspielerInnen in Bezug auf ihre Rolle: „Ich kenne nichts davon [von dem Film, A.D.] wie das Szenarium und die Art des Charakters, den ich darzustellen habe. Das wäre auf dem Theater vielleicht bei einer Operette [...], aber nie auf der Prosabühne denkbar.“194 Auch Kutscheras Tochter, Burgschauspielerin Tilly Kutschera, äußerte sich zu den Arbeitsanforderungen beim Film, insbesondere zur Improvisation. Das Filmen sei „ein ewiges Probieren, ein fortwährendes von allen möglichen äußeren Momenten bestimmtes Improvisieren“, es gebe „kein langsames Ausreifen der inneren Gestaltung, kein[en] kontinuierliche[n] Schaffungsprozeß“. Daher sei die Bühnendarstellung Synthese und die Filmdarstellung Analyse, d.h. „Auflösung in einzelne Wirkungsmomente“.195 Die Notwendigkeit zu improvisieren fand auch Kutscheras Kollegin Maria Mayen (1885/92–1978), ebenfalls Mitglied des Burgtheaters, schwierig. Sie störte sich daran, dass man „den betreffenden Darstellungsakt reproduzieren“ musste, ohne die vorherigen oder nachfolgenden Szenen zu kennen, und zudem auf die Anweisungen des Regisseurs sowie die „dürftigen Wort[e] des Textbuches, das man sehr oft erst auf der Szene in die Hand“ bekam, angewiesen war. Das sei gerade am „Anfang durchaus keine leichte Sache für jemand, der gewöhnt ist, das künstlerische Erlebnis in sich ausreifen zu lassen“.196 Die von Mayen angesprochene Praxis, die Drehvorlage den DarstellerInnen erst kurz vor der Aufnahme zu geben, hielt auch die in Deutschland tätige Schauspielerin Ressel Orla (1889–1931) für eine schlechte Angewohnheit der Filmbranche und forderte in einem Artikel, der 1920 im Kino-Journal abgedruckt wurde, dass diese Unsitte ein Ende nehmen sollte: „Für das Studium einer Rolle sollte man dem Hauptdarsteller unbedingt reichlich eine Woche ungestört Zeit lassen. Derjenige Film ist darstellerisch der beste, der ein gleich gutes Gesamtspiel vorausgesetzt, die meisten Spieleinfälle hat. Einige dieser Spieleinfälle können beim erstmaligen Durchlesen des Manuskripts sofort gefunden werden. Viele andere tauchen aber erst dann auf, nachdem man sich Stunden und Tage intensiv mit seiner Rolle beschäftigt hat. [...] Die verbreitete Unsitte, dem Hauptdarsteller das Filmmanu-

194 Viktor Kutschera: „Gedanken über den Film“, in: Die Kinowoche 2/4 (1920), S. 2– 5, hier S. 3. 195 Tilly Kutschera: „Einfälle und Ausfälle“, in: Die Kinowoche 1/10 (1919), S. 3f., hier S. 4. 196 Maria Mayen: „Die Poesie im Film“, in: Die Kinowoche 1/11 (1919), S. 3f., hier S. 3.

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skript womöglich erst am Abend vor dem ersten Aufnahmetag zum ‚Studium‘ zu übergeben, muß wirklich aufhören.“

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Die Spontaneität und Improvisation, die der Stummfilm verlangte, mag folglich bei bühnenerfahrenen SchauspielerInnen ein Gefühl der Überforderung oder des Ausgeliefertseins hervorgerufen haben. Auch die Abhängigkeit von den Anweisungen des Regisseurs war für so manchen Bühnendarsteller gewöhnungsbedürftig. Nicht ohne Grund schrieb der österreichische Theater- und Filmschauspieler Hans Lackner (1876–1930) in der Kinowoche: „Ich lehne dieses gewisse Improvisieren auf Befehl ab, diese Art, den Künstler vor eine Dekoration hinzustellen und ihm aufzutragen: jetzt haben sie diesen oder jenen Gefühlsausdruck zu mimen.“198 Tatsächlich kam dem Regisseur bei Stummfilmaufnahmen eine große Bedeutung zu. Da er oft als Einziger einen Überblick über das gesamte Filmprojekt hatte, lag es auch an ihm, die Mitwirkenden durch eine Aufnahme zu führen. Wie eingangs erwähnt, hatte der Stummfilmregisseur dabei die Aufgabe, die Proben zu leiten, d.h. den SchauspielerInnen und StatistInnen die nächste Szene zu erklären und nötigenfalls einzelne Rollen vorzuspielen. Richard Waldemar (1869–1946), österreichischer Schauspieler und Operettenkomiker, sah den Filmregisseur deshalb als Mentor einerseits und als Diktator andererseits, der seine Macht nicht ausnützen dürfe, um „die Eigenart der Mitwirkenden zu unterdrücken und sie in die Zwangsjacke eines fremden Willen zu zwängen“.199 Hingegen müsse er es verstehen, seine DarstellerInnen zu Höchstleistungen anzuspornen.200 Die verschiedenen Rollen des Stummfilmregisseurs in Bezug auf die SchauspielerInnenführung beschrieb auch der Wiener Redakteur Hans Wantoch (1885–unbek.) in einem Artikel des Österreichischen Kometen von 1918. Demnach sei der Filmregisseur Universalschauspieler, Textdichter, Inspizient, Kritiker und Zuschauer in einem. Denn seine Aufgabe sei es, den SchauspielerInnen ihre jeweilige Rolle vorzuspielen und die entsprechenden Dialogzeilen vorzusprechen. Darüber hinaus müsse er während der Darstellung Anweisungen zuru-

197 Ressel Orla: „Grundlagen der Filmdarstellung“, in: Das Kino-Journal 13/6 [507] (1920), n.pag. 198 Hans Lackner: „Im Lichtkegel der Jupiterlampen“, in: Die Kinowoche 2/2 (1920), S. 4f., hier S. 5. 199 Richard Waldemar: „Glossen zum Flimmern“, in: Die Kinowoche 1/11 (1919), S. 10f., hier S. 11. 200 Vgl. ebd.

236 | Schauspielen im Stummfilm

fen und den Darsteller fortwährend tadeln oder loben. Auf diese Weise bläue der Regisseur „Filmmeter für Filmmeter [...] den Künstlern ihre Rolle ein“.201 Eine weitere wichtige Aufgabe, die der Stummfilmregisseur folglich übernahm, war das Zurufen während der Aufnahme. Dazu gibt es einen Artikel aus dem Jahr 1912, der ebenfalls im Österreichischen Kometen veröffentlicht wurde und in dem ein Wiener Fachmann über die „Fehler bei Aufnahme und Wiedergabe der Films“ sprach. Einer dieser Fehler betraf das „Soufflieren“, das für den Schauspieler die Herausforderung bot, weiterspielen zu müssen, ohne den Sprechenden anzuschauen: „Dem Regisseur erscheint es mitunter nötig, dem Schauspieler trotz vorhergegangener Proben, während dessen Spiel vor dem Apparat, noch Bemerkungen und Winke zu geben. Der Akteur, vergessend, dass jede seiner Bewegungen vom Apparate festgehalten wird, blickt unwillkürlich auf den Sprechenden; hernach bei der Wiedergabe auf der Leinwand irrt sein Blick von der Szene heraus ins Leere, was ebenso störend wirkt, wie der sprechende Künstler, der den Souffleurkasten nicht aus den Augen lässt.“

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Es ist anzunehmen, dass diese stummfilmspezifische Herausforderung für die SchauspielerInnen auch in den folgenden Jahren bestehen blieb. Denn dass die Filmregisseure nicht nur 1912, sondern noch in den späten 1920er Jahren souffliert hatten, beweist z.B. ein diesbezüglicher Hinweis in Bettauers Filmrevue von 1927.203 Aufgegeben werden musste die der Fotografie ähnliche Praktik vermutlich erst mit Einführung des Tonfilms.

201 Hans Wantoch: „Hinter den Kinokulissen“, in: Österreichischer Komet 11/433 (1918), S. 3f. Der deutsche Filmregisseur Ernst Lubitsch ging sogar so weit, dass er ein gewisses schauspielerisches Talent bei einem guten Filmregisseur voraussetzte. Denn wenn dieser nur Mängel in der Darstellung sehen könne, bleibe er immer Kritiker und könne nicht schöpferisch tätig sein. Lubitsch zufolge müsse der ideale Regisseur daher „fähig sein, jede Person seines Stückes selber schauspielerisch zu gestalten“. Vgl. Ernst Lubitsch: „Filmtalent und Filmkunst“, in: Das Kino-Journal 14/561 (1921), S. 2–4, hier S. 2f. – Die Kinowoche 3/6 (1921), S. 3f. u. 6, hier S. 3. 202 Egon d’Ivellio: „Fehler bei Aufnahme und Wiedergabe der Films“, in: Österreichischer Komet 5/125 (1912), S. 4f., hier S. 4. 203 Vgl. o.N.: „Aus der Werkstatt des Films“, in: Bettauers Wochenschrift (BFR) 4/17 (1927), S. V.

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5.3.2 Dekorationsbestimmter Szenenablauf Eine weitere Herausforderung für SchauspielerInnen war der dekorationsbestimmte Szenenablauf. Der von der Verfasserin gewählte Begriff soll verdeutlichen, dass man sich schon bei Stummfilmaufnahmen nicht nach der chronologischen bzw. logischen Entwicklung der Handlung richtete, sondern sich ausschließlich am Ort der Szene und an den sogenannten „Dekorationen“ orientierte. Daher wurden oft zeitlich weit auseinander liegende Szenen hintereinander gedreht oder emotional hochdramatische Szenen an verschiedenen Tagen aufgenommen. Im Kino-Journal wurde diese Praktik 1919 folgendermaßen erklärt: „Es ist wohl zu wenig bekannt, daß beim Film sich die Aufnahmen nicht in derselben Reihenfolge entwickeln, wie man später den Film abrollen sieht, d.h. die Szenen werden nicht in der logischen Entwicklung des Stückes und nicht aktweise aufgenommen, sondern nach dem Ort der Handlung. Alle Szenen, die in ein und derselben Dekoration spielen[,] werden hintereinander gekurbelt, unabhängig von der Zeit der Handlung. [...] Das bietet natürlich für den Darsteller Schwierigkeiten verschiedenster Art.“

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Diese Vorgehensweise machte besonders TheaterschauspielerInnen zu schaffen, die es gewöhnt waren, ihre Rollen „organisch“ zu gestalten. Eine Schwierigkeit lag u.a. darin begründet, dass die DarstellerInnen aus der Rolle gerissen wurden und immer wieder neu in die entsprechenden Emotionen hineinfinden mussten. „Das Aus-der-Stimmung-[R]eißen ist die schwierigste Klippe überhaupt für den Filmdarsteller“ 205 , heißt es dazu in der zuvor zitierten Ausgabe des KinoJournals. Victor E. Pordes sprach in diesem Zusammenhang von „Seelenakrobatik“ und verglich die Praktik des dekorationsbestimmten Szenenablaufs mit einem Mosaik: „Richtig gesehen, ist sie [die schauspielerische Leistung, A.D.] eine Art von Mosaik. Szenen, die psychologisch und zeitlich gar nicht zueinander gehören, ja in Charakter, Stimmungswert, Intensität einander diametral entgegengesetzt sind, werden nacheinander gespielt.“206 Dazu äußerten sich auch einige österreichische TheaterschauspielerInnen in der Kinowoche. Hans Lackner empfand den dekorationsbestimmten Szenenablauf z.B. als eine den „besonderen Verhältnisse[n]“ der Filmarbeit geschuldete

204 O.N.: „Die schauspielerische Leistung im Film“, in: Das Kino-Journal 12/492 (1919), S. 6 u. 8, hier S. 6. Vgl. auch o.N.: „Wie ein Film entsteht. IV. Regieführung“, S. 11. 205 Ebd., S. 8. 206 Pordes: „Filmschauspieler“, S. 19.

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„Beeinträchtigung der künstlerischen Arbeit“. Der Schauspieler dürfe eine Szene nicht spielen, ohne die komplette Rolle zu kennen, da er sich ein Bild vom Vorangegangenen machen müsse.207 Ebenso hielt Viktor Kutschera diese Praktik für gewöhnungsbedürftig. Dass die Szenen nicht nach „dem organischen Verlauf der Handlung“, sondern durcheinander bzw. dekoratonsbestimmt gefilmt und gespielt werden müssten, sei besonders für einen erfahrenen Bühnendarsteller „ungewohnt und unangenehm“.208 Darum zählte auch der aus Berlin stammende Burgschauspieler Werner Schott (1891–1965) den nicht chronologischen Szenenablauf zu den negativen Aspekten des Filmens: „Beim Film gibt es kein organisches Schaffen. Wenn ich eine Rolle studiere, so komponiere ich sie nicht kaleidoskopartig aus einzelnen Momenten, ich gehe nicht analytisch vor, sondern synthetisch. Beim Film gibt der Dekorationschef die Reihenfolge an, in der die Szenen gekurbelt werden. Alles, was vor demselben Aufbau gespielt wird, wird hintereinander gedreht. Was im Freien spielt, wird gewöhnlich auch in einem Zuge erledigt. So ist der Schauspieler gezwungen, ständig zu improvisieren, sich die stimmungsmäßigen Voraussetzungen selbst zu suggerieren, die dem jeweiligen Gehalt der Szene entspricht.“

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Über die neue Form der Rollengestaltung hinaus bedingte der dekorationsbestimmte Szenenablauf auch Schwierigkeiten im Bereich der Continuity. Durch das Auseinanderreißen der Szenen musste auf den passenden Anschluss geachtet werden, um Fehler etwa in Bezug auf Kleidung und Make-up zu vermeiden. Wie die zahlreichen Anekdoten und Beispiele in den Filmzeitschriften zeigen, dürften Anschlussfehler dennoch keine Seltenheit gewesen sein. So wird z.B. im Kino-Journal eine Szene beschrieben, in der ein Held wütend aus einem Zimmer stürmt und sich im Hinausgehen einen Filzhut aufsetzt. Als derselbe seine Braut mit deren Untreue konfrontiert, trägt er plötzlich einen Strohhut.210 „Das Publikum merkt meist diese Fehler nicht, die ja auch vielleicht den Regisseur ebenso treffen, wie den Darsteller“211, kommentierte der Verfasser des Artikels diesen Fauxpas.

207 Lackner: „Im Lichtkegel der Jupiterlampen“, S. 5. 208 Kutschera: „Gedanken über den Film“, S. 3. 209 Werner Schott: „Meine Erfahrungen vor dem Kurbelkasten“, in: Die Kinowoche 1/13 (1919), S. 2f., hier S. 3. 210 Vgl. o.N.: „Die schauspielerische Leistung im Film“, S. 8. 211 Ebd.

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Laut des im vorigen Kapitel zitierten Artikels des Klubs der Wiener Filmdarsteller sollten Unstimmigkeiten und Abweichungen deshalb mithilfe eines Journals, in dem alle Details festgehalten wurden, vermieden werden. Der Hilfsregisseur notierte darin von allen Mitwirkenden „die Art und Beschaffenheit der Bekleidung“ und hatte so eine Kontrollmöglichkeit bei der Fortsetzung der Aufnahme zur Verfügung.212 Dem österreichischen Schauspieler und Regisseur Julius Brandt (1873–1949) zufolge war das Continuity-Problem auch dadurch zu lösen, indem man den SchauspielerInnen die Informationen zu ihren Szenen und Kostümen nicht vorenthalte. In der Filmwoche von 1913 ist diesbezüglich zu lesen: „Da die Bilder, nicht wie sich der Laie vorstellt, nach der Reihe gemacht werden, sondern durcheinander, so z.B. Szene 2, 36, 56, 108 usw., so ist es unbedingt erforderlich, daß sich die Darsteller, welche gleichfalls eine Abschrift zu bekommen haben, genau darüber im Klaren sind, welches Kostüm sie in den einzelnen Szenen angehabt haben. Sonst kann es vorkommen, daß ein Vater durchs Fenster blickend, seine mit einer hellen Bluse behaftete Tochter bittet, ihm die schöne Rose aus dem Garten zu bringen, die Tochter das Zimmer verläßt und, da die nächste Aufnahme einige Tage später stattfindet, mit einer schwarzen Bluse zurückkehrt. Derlei wirkt lächerlich und darf nicht vorkommen.“

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Der dekorationsbestimmte Szenenablauf brachte für die StummfilmdarstellerInnen folglich zwei große Herausforderungen mit sich. Zum einen mussten sie die einzelnen Szenen herausgelöst aus dem Gesamtgefüge der Handlung spielen und sich emotional immer wieder neu an die jeweilige Szene herantasten. Dabei entstand das Gefühl einer mosaik- oder kaleidoskopartigen Rollengestaltung, die im Gegensatz zum organischen Aufbau einer Bühnenrolle stand. Zum anderen bedeutete das Zerlegen der Szenen nach Handlungsort ein Fehlerpotenzial speziell in den Bereichen Kostüm, Maske und Requisiten. Beides hatte Auswirkungen auf die darstellerische Qualität. Doch während sich der Theaterschauspieler gegebenenfalls von Szene zu Szene oder von Abend zu Abend steigern konnte, sollte die Darstellung des Filmschauspielers, trotz des unzusammenhängenden Szenenablaufs, so rasch wie möglich gelingen, um keine Zeit und kein teures Filmmaterial durch Wiederholungen der Aufnahmen zu verschwenden. Das bedeutete, dass sich der Filmschauspieler immer „vollständig in der Gewalt“ haben

212 Matias: „Plauderei über Filmaufnahmen“, S. 6. 213 Julius Brandt: „Regie und Darstellung im Kino“, in: Die Filmwoche 1/26 (1913), S. 6 u. 8, hier S. 8.

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musste, also konzentriert zu arbeiten hatte.214 Dazu bemerkte Burgschauspielerin Hedwig Bleibtreu (1868–1958) in der Komödie von 1923: „Beim Film ist die erste und zugleich schwierigste Voraussetzung für die künstlerische Wirkung das Talent der Konzentration. Die Konzentration muß mitunter im Augenblick eintreten, was weit schwerer ist[,] als es den Anschein haben mag.“215 5.3.3 Fehlende Resonanz des Publikums Ein maßgeblicher Faktor für die darstellerische Qualität eines Theaterschauspielers war die unmittelbare Resonanz des Publikums. Burgschauspieler Werner Schott merkte in der Kinowoche diesbezüglich an: „Das Publikum im Theater fördert den Schauspieler, wenn er merkt, daß es mit ihm geht, es wirkt störend, wenn er den Widerspruch fühlt oder nur den Mangel an Resonanz.“216 Bei Filmaufnahmen mussten die SchauspielerInnen jedoch ohne die suggestive Kraft der ZuschauerInnen auskommen. Schott zufolge gebe es beim Film daher weder ein den Schauspieler förderndes noch ein missgünstig belauerndes Publikum. Der Zuschauer sei „sozusagen etwas Transzendentes für den Schauspieler, das im Moment des Schaffens keine Realität“ besitze.217 Dass diese „Transzendenz“ eine durchaus positive Entwicklung für die Schauspielkunst bedeuten konnte, das bestätigten auch andere bühnenerfahrene DarstellerInnen. In der Kinowoche schrieb z.B. Lina Woiwode (1886–1971), u.a. Schauspielerin am Deutschen Volkstheater, dass es für den Filmschauspieler sehr erfreulich sei, dass es keine fühlbare und persönliche Wechselbeziehung zum Kinopublikum gebe.218 Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die zeitgenössischen AutorInnen mit „Publikum“ ausschließlich die ZuschauerInnen im Kinosaal meinten bzw. auf die Zuschauenden vor Ort vergaßen. Dabei waren, je weiter sich die Branche entwickelte, immer mehr Personen bei einer Filmaufnahme anwesend: SchauspielkollegInnen, Statist- und KomparsInnen, Hilfs-/Regisseure, Kameramänner, Bühnenarbeiter, Beleuchtungstechniker, FriseurInnen, GarderobierInnen, Musiker, Produzenten und manchmal auch Journalisten.219 Eine Zeichnung des mexi-

214 O.N.: „Die schauspielerische Leistung im Film“, S. 8. 215 Hedwig Bleibtreu: „Mein Filmdebüt“, in: Komödie 4/49 (1923), S. 29. 216 Schott: „Meine Erfahrungen vor dem Kurbelkasten“, S. 2. 217 Ebd. 218 Lina Woiwode: „Vom Kinopublikum und von der Kinokunst“, in: Die Kinowoche 2/4 (1920), S. 5f., hier S. 6. 219 Vgl. o.N.: „Wie ein Film entsteht. III. Die Arbeit im Filmatelier“, in: Mein Film 1/16 (1926), S. 7f. Statt von „Produzenten“ ist hier von einem „kommerzielle[n]

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kanischen Karikaturisten Miguel Covarrubias, die in einer Ausgabe der Bühne von 1926 abgedruckt wurde, zeigt die an einer Filmaufnahme beteiligten Personen auf einen Blick (Abbildung 7).220 Abbildung 7: Stadien einer Filmaufnahme

Quelle: Die Bühne, 1926 (UB Wien)

Dennoch bemerkten bühnenerfahrene SchauspielerInnen einen Unterschied zur unmittelbaren Resonanz eines Theaterpublikums, was, wie zuvor erwähnt, auch Vorteile haben konnte. Die positive Wirkung der fehlenden Suggestionskraft wurde vor allem in zwei Bereichen festgestellt. Den ersten Vorteil sah man darin, dass die SchauspielerInnen während der Darstellung nicht mehr um die Gunst der ZuschauerInnen buhlen müssten. Wenn der Filmschauspieler aber trotzdem einen nachhaltigen Eindruck beim Publikum hinterlassen wolle, könne

Vertreter der betreffenden Filmgesellschaft“ die Rede. Die erwähnten Musiker (zumindest ein Klavierspieler) hatten die Aufgabe, eine Szene mit Musik zu begleiten und die Mitwirkenden in die entsprechende Stimmung zu versetzen. 220 Vgl. [Miguel] Covarrubias: „Filmaufnahme. Eine Szene aus einem Filmatelier, in der die Entwicklungsstadien eines Films gezeigt werden“, in: Die Bühne 3/77 (1926), S. 26f. (Orig.: „Motion Picture Art in the Making: An Actual Scene in a Studio. Showing Some Stages in the Evolution of a ‚Movie‘“, in: Vanity Fair 26/1 (1926), S. 54f.). Eine ähnliche, allerdings weniger prägnante Zeichnung mit WienBezug konnte im selben Jahrgang der Bühne gefunden werden. Vgl. Sipos: „Hochbetrieb in den Wiener Filmateliers“, in: Die Bühne 3/97 (1926), S. 22.

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er das nun nur durch das Aufgehen in seiner Rolle, ein natürliches Spiel sowie eine charakterisierende Mimik erreichen. Der zweite Vorteil, den man der fehlenden Resonanz daher zusprach, war eine naturalistischere Darstellung.221 Werner Schott erklärte diesen Zusammenhang folgendermaßen: „[D]er Künstler ist in seinen Bewegungen viel weniger gebunden als beim Theater. Auf der Bühne muß der Darsteller immer darauf Rücksicht nehmen, daß er dem Zuschauer nicht den Rücken kehrt, weil er sonst nicht verstanden wird. Dadurch werden auf der Sprechbühne manche unnatürliche Gruppierungen bedingt, die beim Film vermieden werden. So wird es dem Schauspieler vor dem Kurbelkasten erleichtert, die volle Natürlichkeit des Spiels zu erreichen.“

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Demnach musste der Stummfilmschauspieler auf das Publikum keine Rücksicht mehr nehmen und konnte sich frei bewegen, ohne fürchten zu müssen, dass er den ZuschauerInnen den Rücken zudrehte oder dass er akustisch nicht mehr verstanden wurde. Ganz so uneingeschränkt waren die Bewegungsabläufe allerdings auch beim Stummfilm nicht. So durfte es den DarstellerInnen z.B. nicht passieren, dass sie aus dem Bild ragten oder andere Mitspielende unabsichtlich mit ihren Körpern verdeckten. Auf jeden Fall war es für bühnenerfahrene SchauspielerInnen eine Gewöhnungssache, dass sie kein Publikum direkt vor sich hatten, das sie zu Höchstleistung anspornte. Ob einem Darsteller dieser Aspekt tatsächlich fehlte oder nicht, machte Margarete Köckeritz-Bernau (1888–unbek.) allerdings von der Bühnenerfahrung des Betreffenden abhängig: „Der Anfänger wird sich im Atelier freier, zwangloser fühlen als auf der Bühne. Er empfindet das Publikum als die Verkörperung aller feindlichen Mächte, die auf ihn eindringen. Er hat zehn Hände und zehn Füße und weiß nichts mit ihnen anzufangen, empfindet seinen Körper als etwas, das ihm überall im Wege steht. Bei dem reifen Künstler ist es anders. Er braucht das Publikum, ihn fördert dieser gegenseitige Reiz, diese wechselseitige Suggestion, die von der Bühne in das geheimnisvolle Dämmerdunkel des Theaters hi-

221 Vgl. o.N. [Oly]: „Schauspielkunst und Film“, in: Das Kino-Journal 13/4 [505] (1920), n.pag. Ganz ohne das Wetteifern um die Gunst des Publikums kamen aber auch die Stummfilmmimen nicht aus, wie Kernkapitel 7 zum Filmstarwesen zeigen wird. 222 Schott: „Meine Erfahrungen vor dem Kurbelkasten“, S. 2. Vgl. auch o.N. [Oly]: „Schauspielkunst und Film“, n.pag.

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nauf und umgekehrt wirksam ist. So ist es auch zu erklären, daß der Anfänger, der Dilettant im Film oft viel besser ist, als der routinierte Künstler.“

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Die fehlende suggestive Wechselbeziehung zwischen Schauspieler und Zuschauer, die laut Werner Schott „zu den interessantesten Problemen der Schauspielerpsychologie“ gehöre,224 hatte also einerseits den Effekt, dass die DarstellerInnen während der Filmvorführung/-aufnahme durch nichts anderes als durch ihre Leistung (und ihr Aussehen) um die Gunst des Kinopublikums buhlen konnten. Daher war die Qualität dieser Leistung andererseits nicht mehr von der Resonanz der ZuschauerInnen, sondern primär von der Darstellungsweise des Schauspielers bestimmt. Wie gezeigt worden ist, müssen diese Schlussfolgerungen, die sich vorrangig an den Erfahrungsberichten der Kinowoche orientieren, jedoch kritisch hinterfragt werden. Denn auch wenn kein großes Theaterpublikum den Filmaufnahmen beiwohnte, so gab es dennoch ZuschauerInnen: die Mitglieder der Filmcrew am Set, unerwünschte BeobachterInnen bei Freilichtaufnahmen und schließlich das Publikum in der Imagination des Schauspielers. Davon abgesehen gab es zudem das „echte“ Publikum im Kino, das zwar nicht bei der Aufnahme anwesend war, das es aber dennoch in der Hand hatte, einem Darsteller zu einer Starkarriere zu verhelfen. Die Gunst des Publikums war somit auch für den Erfolg eines Stummfilmschauspielers maßgebend, nur – und das war vermutlich die Herausforderung dabei – konnte er keinen unmittelbaren Einfluss darauf nehmen, indem er sein Spiel so lange variierte, bis es zu einer positiven Resonanz kam. 5.3.4 Turbulente Arbeitsatmosphäre Das nachfolgende Kapitel richtet nun seine Aufmerksamkeit auf jene Orte, an denen Stummfilmaufnahmen stattfanden: die Aufnahmeateliers, Filmstädte und Straßen Wiens.225 Da diese Thematik eigene Forschungsarbeiten füllt und noch

223 Margarethe Köckeritz-Bernau: „Randbemerkungen zum Film“, in: Die Kinowoche 2/1 (1920), S. 3f., hier S. 4. Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt. 224 Schott: „Meine Erfahrungen vor dem Kurbelkasten“, S. 2. 225 Vgl. o.N.: „Wie ein Film entsteht. V. Freiaufnahmen“, in: Mein Film 1/19 (1926), S. VII. Laut Mein Film wurde zunehmend davon abgesehen, Aufnahmen im (der Öffentlichkeit zugänglichen) Freien zu machen, da die Ateliers und Filmstädte einen vor unerwünschtem Publikum geschützten Raum und eine entsprechende technische Ausstattung boten.

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füllen könnte, mussten auch hier die für den Schauspielerberuf relevanten Aspekte herausgearbeitet werden. Damit ist besonders die Arbeitsatmosphäre im Atelier und bei Freilichtaufnahmen gemeint. 1919 bemerkte Burgschauspielerin Tilly Kutschera zu Letzterem: „Die Freilichtaufnahme ist etwas Köstliches und sie entschädigt für manche Unbill und manche Mühsal, die man im Atelier ertragen muß.“226 Zwar mag die Arbeit im Freien besonders für BühnendarstellerInnen eine willkommene Abwechslung zur Atelierarbeit gewesen sein, doch werden in vielen zeitgenössischen (Erfahrungs-)Berichten auch die Herausforderungen bei Freilichtaufnahmen beschrieben. Richard Waldemar erzählte z.B. in der Kinowoche 1919, dass er sich bei den Aufnahmen zu JOHANN STRAUSS AN DER SCHÖNEN BLAUEN DONAU (Wiener Kunstfilm, 1913), seinem Filmdebüt, „furchtbar geschämt“ habe, als er mit Kostüm und Maske durch die Stadt fahren und anschließend „en plein air beim helllichten Tageslicht vor einem zahlreich zusammengelaufenen Publikum in Grinzing“ habe spielen müssen.227 Tatsächlich dürften ungebetene ZuschauerInnen ein Problem bei Aufnahmen im Freien dargestellt haben. Dazu bemerkte der Klub der Wiener Filmdarsteller 1921: „Man hat ja bei diesen [Freilichtaufnahmen, A.D.] mit viel mehr Schwierigkeiten zu kämpfen als im Atelier. Hier sammeln sich schon nach ein paar Minuten Zuschauer an, die immer mehr werden. Wer gerade dazu kommt, wie auf der Straße eine Filmaufnahme gemacht wird, ist natürlich nicht mehr wegzukriegen, bevor er nicht genügend gesehen [hat]. Diese Zuschauer sind aber für die Aufnahme sehr gefährlich. Wird nicht ganz genau aufgepaßt, so sind gleich ein paar dieser Passanten mit im Bilde und können dadurch ein paar Meter Film unbrauchbar machen.“

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Unbrauchbar wurden Filmaufnahmen aber nicht nur, wenn sich neugierige Passanten (un-)absichtlicherweise ins Bild drängten, sondern auch wenn diese bei vermeintlich gefahrvollen Szenen aktiv einschritten. J. H. Groß (um 1856– 1914), Oberregisseur des Wiener Apollotheaters, berichtete diesbezüglich von einer verdorbenen Aufnahme im Rahmen der Dreharbeiten zu KAISER JOSEF II (Sascha, 1912). Else Heller vom Bürgertheater sollte in der zu drehenden Szene eine Frau aus dem Volk spielen, die erschöpft zusammenbricht und vom gerade vorbeikommenden Kaiser aufgefangen wird. Die Szene war jedoch von einem Mann aus der Zuschauermenge gestört worden, der sich bemüßigt fühlte, der

226 Kutschera: „Einfälle und Ausfälle“, S. 4. 227 Waldemar: „Glossen zum Flimmern“, S. 10. 228 Matias: „Plauderei über Filmaufnahmen“, S. 8.

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„armen Frau“ zu Hilfe zu kommen. Groß beendete die Anekdote mit den Worten: „Der Film war verdorben.“229 Die Passanten waren aber nicht immer ungebetene Zaungäste, sondern konnten durchaus auch (unbewusst) zur „lebhaften Staffage“ einer Filmszene bzw. zu kostenlosen Filmstatisten werden.230 Eine solche Begebenheit schilderte Willi Forst (1903–1980) in einer Ausgabe von Mein Film 1927. Für den Film CAFÉ ELEKTRIC (Sascha, 1927) sollte mit ihm eine Diebstahlsszene in der Kärntnerstraße gedreht werden. Die Passanten wurden nicht darüber informiert, dass es sich um eine gestellte Szene handelte, und schritten couragiert ein, als der vermeintliche Dieb (Forst) einer Dame die Handtasche entriss. Die aufgebrachte Menge verfolgte Forst, dem es aber gelang, die eskalierende Szene zu Ende spielen und sich zu retten, indem er die Passanten schließlich lachend aufklärte.231 Eine weitere Herausforderung, die sich bei Freilichtaufnahmen ergab, war die Kommunikation zwischen den DarstellerInnen und dem Regisseur. Dieses Problem betraf vor allem die beliebten Massenszenen für die Monumentalfilme der 1920er Jahre. Der Klub der Wiener Filmdarsteller erklärte dazu: „Bei Aufnahmen im Freien mit vielen Mitwirkenden – es kommt vor, daß diese in die Hunderte und manchmal sogar in die Tausende gehen – kann der Regisseur natürlich nicht mit einfachem Zurufen fertig werden. Er nimmt dann ein Sprachrohr zu Hilfe oder signalisiert die einzelnen Phasen durch Pfeifen. Ich habe Aufnahmen mitgemacht, wo die Entfernungen vom Apparat, also auch vom Standort des Regisseurs, bis zu den letzten Komparseriegruppen so groß waren, daß er sich, um ihnen Instruktionen zu geben, eines Reitpferdes bediente, da er sonst zu lange gebraucht hätte, um zu ihnen zu gelangen. Neuerdings werden in Schönbrunn Aufnahmen gemacht, wo der Regisseur die Entfernungen 232

sogar mittels Auto zurücklegte.“

Doch nicht nur die Freilichtaufnahmen boten Herausforderungen für SchauspielerInnen, auch die Atelieraufnahmen waren speziell für bühnenerfahrene DarstellerInnen gewöhnungsbedürftig. Hitze, Lärm und lange Wartezeiten waren

229 J. H. Groß: „Die Wiener Kinokunst“, in: Österreichischer Komet 6/151 (1913), S. 4f., hier S. 4 – Österreichischer Komet 8/280 (1915), S. [1]f., hier S. [1]. 230 Vgl. o.N.: „Eine Wiener Vorstadtrauferei zu Kinozwecken“, in: Österreichischer Komet 6/178 (1913), S. 32; o.N.: „Hansi Niese am Naschmarkt“, in: Österreichischer Komet 6/185 (1913), S. 40. 231 Vgl. Willi Forst: „Außenaufnahmen zu ‚Café Elektric‘“, in: Mein Film 2/100 (1927), S. 8. 232 Matias: „Plauderei über Filmaufnahmen“, S. 8.

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keine Seltenheit, weshalb Tilly Kutschera das Ertragen von Hitze und das Aufbringen von Geduld zu den wichtigsten Geboten für FilmschauspielerInnen zählte.233 Zu Letzterem bzw. zur üblichen Unpünktlichkeit am Filmset schrieb auch Richard Waldemar: „Wissen Sie, was mich bei meiner Filmtätigkeit verdrossen hat? Die Unpünktlichkeit, an der der ganze Betrieb in den Filmfabriken krankt. Wenn man für 9 Uhr ins Atelier bestellt ist, dann kann man sicher sein, daß noch nicht das geringste vorbereitet ist, wenn man zu der angesetzten Zeit dort ist. Der szenische Aufbau ist nicht fertig, der Hilfsregisseur hat die Komparsen noch nicht zusammengebracht, der Herr Regisseur ist weit und breit nicht zu sehen. Um 3 Uhr Nachmittag kann die Aufnahme beginnen, wenn man Glück hat.“

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Neben den langen Wartezeiten machte zudem die Geräuschkulisse den SchauspielerInnen zu schaffen. Lärmquellen waren vor allem im technischen Equipment (Lampen, Kameras) und beim handwerklichen Personal (Auf- und Abbau der Kulissen) zu finden.235 Burgschauspieler Werner Schott warnte 1919 Kollegen mit dünnem Nervenkostüm deshalb davor, zum Film zu gehen. So jemand könne „sich kaum behaglich fühlen in dem surrenden Geräusch der Jupiterlampen, in dem nervösen Spiel der Reflektoren, in all dem verwirrenden Getriebe der Ateliers“236. Das von Schott angesprochene „verwirrende Getriebe“ wurde in einem Artikel von Bettauers Wochenschrift 1927 noch ausführlicher beschrieben: „Darsteller in Kostümen, Arbeiter in blauen Zwilchanzügen, Männer in weißen und schwarzen Kitteln bei den Aufnahmeapparaten, Friseure in weißen Jacken, Beleuchtungsmittel aller Arten, deren Kabel kreuz und quer den Boden bedecken, Dekorationswände mit weit nach rückwärts greifenden Stützen, eine Unmasse von Möbeln, Requisiten, Farbtöpfen, Werkzeugen, Leitern und allem Möglichen noch, das ganze in eine dichte Wolke von Nervosität, Geschrei, Arbeitslärm und hochgradiger Hitze gehüllt, – das sind die ersten Eindrücke, die den Laien bei seinem Eintritt ins Atelier als unentwirrbares Durcheinander zum Bewusstsein kommen.“

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233 Vgl. Kutschera: „Einfälle und Ausfälle“, S. 3. 234 Waldemar: „Glossen zum Flimmern“, S. 10. 235 Vgl. o.N.: „Wie ein Film entsteht. III. Die Arbeit im Filmatelier“, S. 8; A. Anders: „Rund um die Filmszene. Stimmungsmischmasch im Atelier“, in: Mein Film 4/182 (1929), S. 8–10, hier S. 9. 236 Schott: „Meine Erfahrungen vor dem Kurbelkasten“, S. 2. 237 O.N.: „Aus der Werkstatt des Films“, S. V.

5. Beruf „Kinokünstler“ II | 247

Zu den bereits genannten Herausforderungen für SchauspielerInnen an ihrem Arbeitsplatz kam außerdem noch die zuvor erwähnte Hitze hinzu, die bei Freilichtateliers von der Sonne und bei Kunstlichtateliers durch die üblicherweise eingesetzten Bogenlampen verursacht wurde. Die daraus resultierenden Konsequenzen für die Gesundheit der Mitwirkenden wird Thema des nächsten Kapitels sein. Ein weiterer Kritikpunkt findet sich darüber hinaus im Kinowoche-Artikel von Lisa Woiwode. Darin schrieb die Schauspielerin, dass der Betrieb in den Wiener Ateliers nicht dazu angetan sei, die Lust am Filmen zu steigern. Denn sie komme sich in den zumeist „beschränkten Räumlichkeiten“ beengt vor. In Berlin sei man da bereits besser ausgestattet, es gebe „Bäder, Erfrischungs- und Unterhaltungsräume“, in denen man sich nach den Strapazen der Filmaufnahmen erholen könne.238 Woiwodes Kritik scheint auf den ersten Blick unrichtig, hatte doch auch Wien große Filmateliers. Beachtet man jedoch das Publikationsdatum (Februar 1920), dann wird klar, dass die größten (Kunstlicht-)Ateliers noch nicht gebaut waren bzw. sich erst in der Bauphase befanden. So wurde das bis dahin größte Aufnahmeatelier Wiens, das Vita-Atelier am Rosenhügel, erst 1923 fertiggestellt. Ein Jahr später listete der Filmwelt-Almanach insgesamt zwölf Filmateliers für Wien auf (vgl. Tabelle 7).239 In den österreichischen Stummfilmzeitschriften lassen sich besonders zu den zwei der größten und bedeutendsten Wiener „Film-Aufnahme-Ateliers“, dem Sascha-Atelier in Sievering und dem VitaAtelier am Rosenhügel, detaillierte Beschreibungen finden, die im Zuge ihrer Eröffnung publiziert wurden.240 Es würde jedoch den Rahmen des vorliegenden

238 Woiwode: „Vom Kinopublikum und von der Kinokunst“, S. 6. 239 Vgl. o.N.: „Adressenteil. Film-Aufnahme-Ateliers“, in: Die Filmwelt-Almanach 4 (1924), S. 83. In Berlin waren es Anfang der 1920er Jahre rund 15 Ateliers. Vgl. Eisert: „Professioneller Film“, S. 115. 240 Angaben zu den Maßen, der Konstruktion und der Ausstattung finden sich für das Sascha-Meßter-Atelier, das erste freistehende Tageslichtatelier Wiens, in: o.N.: „Das erste große Aufnahme-Atelier in Wien“, in: Kinematographische Rundschau 10/447 (1916), S. 45; o.N.: „Das große Atelier der Sascha-Meßter-Filmfabrik“, in: Kinematographische Rundschau 11/464 (1917), S. 8 u. 10; o.N.: „Das neue Atelier der Sascha-Meßter-Fabrik“, in: Die Filmwoche 5/196 (1917), S. 8 – „Eine neue Stätte der Filmindustrie. (Das neue Atelier der Sascha-Meßter-Fabrik)“, in: Österreichischer Komet 10/350 (1917), S. 12. Zum Vita-Atelier, bei der Eröffnung 1923 das größte und technisch modernst eingerichtete Kunstlichtatelier, vgl.: o.N.: „Das neue Vita-Atelier“, in: Die Filmwelt 5/27 (1923), S. 3–7; o.N. (k): „Das neue VitaAtelier“, in: Komödie 4/49 (1923), S. 26f.; o.N.: „Die Eröffnung der neuen ‚Vita‘-

248 | Schauspielen im Stummfilm

Kapitels sprengen, die diesbezüglichen Informationen sowie die weitere Entwicklung der genannten Ateliers im Detail anzuführen. Darum muss an dieser Stelle auf die weiterführende Forschungs- und Sekundärliteratur zum Thema verwiesen werden.241 Tabelle 7: Filmateliers in Wien (1924) Name

Standort

Größe

Astoria-Atelier

XX., Marchfeldstraße 18

mittel

Dreamland-Atelier

XIX., Hohe Warte 8

groß

Eywo-Atelier

IV., Margaretenstraße 36

klein

Kunstfilm-Atelier

VII., Neustiftgasse 1

klein

Listo-Atelier

VI., Gumpendorferstraße 132

mittel

Mondial-Atelier

I., Bauernmarkt 24

klein

Ottol-Filmatelier

VII., Kaiserstraße 57

klein

Pavo-Atelier

I., Singerstraße 8

klein

Sascha-Atelier

XIX., Sieveringerstraße 135

groß

Schönbrunn-Atelier

XIII., Maxing[straße] 13a

groß

Staatliche Film-Hauptstelle

VIII., [Keine Angaben]

klein

Vita-Atelier

XIII., Mauer-Rosenhügel

groß

Ateliers“, in: Der Filmbote 6/49 (1923), S. 9–12; o.N.: „Die Eröffnung des VitaAteliers“, in: Das Kino-Journal 16/697 (1923), S. 6. Vgl. auch o.N.: „Österreichs Filmkunst und Filmindustrie“, S. 73 / 247 u. S. 79 / 253. 241 Vgl. u.a. Bettina Fibich: Das Projekt „Filmstadt Wien“. Die historische Entwicklung der Wiener Rosenhügel-Ateliers (1919–1999), Bd. 1. Dipl., Universität Wien, 2000; Armin Loacker: „Hollywood in Mauer. Kurze Geschichte eines Traums“, in: Liesing. Wien: Pichler, 2002 (= Wiener Bezirkshandbücher; 23. Bezirk), S. 94–120; Gertraud Steiner: Traumfabrik Rosenhügel. Vita-Film. Tobis-Sascha. Wien-Film. Filmstadt Wien. Wien: Compress, 1997; Christian F. Winkler: Wien-Film. Träume aus Zelluloid. Die Wiege des österreichischen Films. Erfurt: Sutton, 2007 (Orig.: Ders. und Franz Antel: Hollywood an der Donau. Geschichte der Wien-Film in Sievering. Wien: Österreichische Staatsdruckerei, 1991 (= Edition S)).

5. Beruf „Kinokünstler“ II | 249

5.3.5 Exkurs: Unfall-, Verletzungs- und Erkrankungsrisiko Das letzte Kapitel soll nun einem Aspekt des Anforderungsprofils gewidmet sein, dem bisher in der Forschungsliteratur wenig Aufmerksamkeit zuteilgeworden ist: den körperlichen Risiken. Besonders mit dem Unfall- und Verletzungsrisiko beschäftigten sich die Stummfilmzeitschriften ausführlich, die voll von Kurznachrichten, Erörterungen und Anekdoten über Zwischenfälle sind, die sich während Dreharbeiten ereignet hatten. Körperliche Beeinträchtigungen durch Unfälle und Verletzungen waren vor allem bei den sogenannten „Sensationsfilmen“ keine Seltenheit, die von den SchauspielerInnen risikoreiche Stunts verlangten, die das Publikum durch ihre Realitätsnähe beeindrucken sollten. „Die Kinoregisseure haben den Realismus zur Tagesordnung erhoben und eine aufregende Szene muß der Wirklichkeit so nahe kommen, daß sie kaum weniger gefährlich aussieht, als die Sensation selbst“242, bemerkte man dazu in der Kinowoche 1920. Ein Gefahrenpotenzial besaßen folglich „alle Filmaufnahmen, die Sensation sein soll[t]en“243. Das traf primär auf Akrobatenkunststücke, Raubtierkämpfe sowie inszenierte Katastrophen z.B. in Form von Bränden oder Explosionen zu. 1919 schrieb der österreichische Stummfilmstar Magda Sonja in der Kinowoche, dass „[e]in toller Ritt, ein Sprung aus dem fahrenden Zug, ein Fenstersturz, eine Kletterpartie auf einem Steildach [...] für das Durchschnittspublikum des Kinos immer noch die spannendsten Momente im Film“ seien.244 Tatsächlich gehörten akrobatische Einlagen, die wir heute als Stunts bezeichnen würden, zu den fixen Bestandteilen vieler Stummfilme. Alles im Bereich Fallen, Klettern und Springen gefiel Zuschauern und Filmemachern gleichermaßen. Das bewusste Eingehen von Risiken gepaart mit mangelnden Sicherheitsvorkehrungen sowie der Einsatz ungeeigneter SchauspielerInnen führte daher wiederholt zu Vorfällen. Auch die Wiener Filmbranche blieb davon nicht verschont. So stürzte z.B. Poldi [Müller], Soubrette des Bürgertheaters, 1916 bei Dreharbeiten

242 O.N.: „Die ‚echten‘ Kinounfälle. Das Heldentum hinter den Kulissen des Films“, in: Die Kinowoche 2/16 (1920), S. 18f., hier S. 18. Ein zeitgenössisches Gerücht besagte deshalb auch, dass man im Falle eines ungewollten Unfalls der realen Sensation wegen einfach weiterkurbelte und die Rettung des Verunglückten hintanstellte. Vgl. ebd. 243 Friedrich Porges: „Die Gefahren der Raubtierfilme“, in: Der Kinofreund 1/6 (1924), S. 4f., hier S. 5. 244 Magda Sonja: „Vom ungemütlichen Filmen“, in: Die Kinowoche 1/8 (1919) , S. 2– 4, hier S. 2.

250 | Schauspielen im Stummfilm

in Rodaun aus dem ersten Stock eines Hauses, als sich die Knoten des Leintuchs, an dem sie sich herunterlassen sollte, lösten.245 Ähnlich erging es auch Magda Sonja und Liane Haid, die jedoch im Gegensatz zu Poldi Müller nicht unverletzt blieben. Im Prozess gegen ihre Entdeckerfirma, die Wiener Kunstfilm, gab Liane Haid zu Protokoll, dass sie sich für die Filmaufnahmen zu ihrem ersten Film MIT HERZ UND HAND FÜRS VATERLAND (Wiener Kunstfilm, 1915) von der Ruine Rauenstein habe abseilen müssen, während unter ihr ein Feuer gelodert habe.246 Welche Verletzung sie sich dabei zugezogen hatte, ließ Haid jedoch offen. Ihre Kollegin Magda Sonja, Star der Sascha-Meßter-Film, war in Bezug auf den Unfall, der sich im Rahmen der Dreharbeiten zu ihrem Debütfilm (DER BRIEF EINER TOTEN, 1917) ereignet hatte, auskunftsfreudiger. 1919 schilderte sie den Unfallhergang in der Kinowoche: „[...] ich [...] mußte an zusammengebundenen Leintüchern aus der Höhe des zweiten Stockes hinunterbaumeln. [...] Dreimal mußte ich die gefährliche Kletterpartie wiederholen. Das dritte Mal versagten die ermatteten und vom Frost erstarrten Glieder den Dienst – ich fiel aus Stockhöhe in die Tiefe. Die Knochen blieben merkwürdigerweise heil, aber sonst war ich sehr übel zugerichtet und sah sehr verbogen aus. Nur der Spieleifer gab mir Leben. Ich stand auf, versuchte einige Schritte – und fiel dann ohnmächtig zusammen.“

247

Um insbesondere die (gut bezahlten) Stars zu schützen, dürften deshalb auch schon Stuntmen eingesetzt worden sein. Hinweise darauf finden sich z.B. in Friedrich Porges’ Filmmonografie, die den „Kinoartisten“ ein eigenes Kapitel widmet.248 Porges zufolge waren diese „Pseudo-Hauptdarsteller“ häufig Zirkusoder Varietéakrobaten, die mit der Maske und im Kostüm des eigentlichen Hauptdarstellers gefährliche Szenen an dessen Stelle ausführten.249 Eine ähnliche Beschreibung findet sich auch im Kino-Journal von 1924: „Meist geschieht es

245 Vgl. o.N.: „Unfall bei einer Filmdarstellung“, in: Österreichischer Komet 9/302 (1916), S. 4. Der Film wird im Artikel nicht explizit genannt. Hinweise im Text (Robert-Müller-Film, Repertoirestück der Wiener Bühnen) lassen aber den Schluss zu, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um EINEN JUX WILL ER SICH MACHEN

(1916) handelt.

246 Vgl. o.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid. Die Wiener Kunstfilmgesellschaft als Klägerin. (Eigenbericht.)“, in: Die Filmwoche 6/262 (1918), S. [7], 12, 25 u. 72, hier S. 25. Vgl. auch Abschnitt 7.3. 247 Sonja: „Vom ungemütlichen Filmen“, S. 2f. 248 Vgl. Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 41–43. 249 Vgl. ebd., S. 42f.

5. Beruf „Kinokünstler“ II | 251

nun, daß Stars, die nicht ausgesprochene Akrobaten sind, bei solchen Sensationsaufnahmen durch echte Akrobaten – als Doppelgänger im gleichen Kostüm, mit ähnlicher Gestalt und ähnlichen Gesichtszügen – ersetzt werden.“250 Unglücksfälle ereigneten sich aber nicht nur bei Akrobatenkunststücken, sondern auch bei den sogenannten Raubtierfilmen, deren Hauptinhalt der Kampf gegen bzw. die Verfolgung durch ein gefährlich anmutendes Tier (zumeist eine Raubkatze oder ein Reptil) war. Laut Friedrich Porges erfreute sich dieses Genre besonders in Amerika großer Beliebtheit, in Wien sei man diesbezüglich etwas „zahmer“ gewesen. 251 Zum Beispiel wurde bei den Dreharbeiten zu DAS SATANSWEIB (Sascha, 1915) der Hauptdarsteller und Regisseur Alfred Ardonne von einer Schlange gebissen, die jedoch ungiftig war und lediglich eine Bisswunde hinterließ.252 Auch bei den Filmaufnahmen zu CLOWN AUS LIEBE (Vita, 1924) mit Max Linder ließ man sich nicht auf das Risiko ein, dass dem Hauptdarsteller und französischen Superstar etwas passieren würde. Daher setzte die Vita-Film einen alten, gutmütigen und überfütterten Löwen ein, dem das Anlaufen und Abspringen durch ein eingewachstes Parkett erschwert wurde. Zusätzlich hielt sich ein mit Fackeln und Revolver bewaffneter Dompteur im Käfig bereit, um im Notfall eingreifen zu können.253 Nicht zu unterschätzende Gefahrenquellen waren, neben Akrobatenkunststücken und Raubtierszenen, zudem inszenierte Unfälle mit dem Auto oder der Eisenbahn sowie außer Kontrolle geratene Brände und Explosionen. Besonders die für Monumentalfilme bekannte Sascha-Film sorgte aufgrund einer erhöhten Unfallrate in den österreichischen Filmzeitschriften für Negativschlagzeilen. Die Filmwelt fühlte sich daher 1923 veranlasst, anzumerken: „Es wäre immerhin angezeigt, wenn die Sascha der persönlichen Sicherheit ihrer Darsteller ein erhöhtes Augenmerk zuwenden wollte.“ 254 Unter anderem kam es 1921 während

250 Christian Bouchholtz: „Lebensgefährliche Filmaufnahmen“, in: Das Kino-Journal 17/707 (1924), S. 3f. u. 6, hier S. 4. 251 Porges: „Die Gefahren der Raubtierfilme“, S. 4. 252 Vgl. o.N.: „Ein aufregender Zwischenfall bei der Aufnahme des Palmay-Films“, in: Kinematographische Rundschau 8/311 (1914), S. 97 (Bez.: O.N.: „Kampf mit einer Tigerschlange bei einer Filmaufnahme in Wien“, in: Illustrirtes Wiener Extrablatt 49, 19. Februar 1914, S. 5); o.N.: „Kampf mit einer Tigerschlange bei einer Filmaufnahme“, in: Österreichischer Komet 7/197 (1914), S. 34 (Orig.: „Kampf mit einer Tigerschlange bei einer Filmaufnahme in Wien“, S. 5). 253 Vgl. o.N.: „Vorsichtsmaßnahmen bei Raubtierfilmen“, in: Der Kinofreund 1/5 (1924), S. 2f. 254 O.N.: „Unfälle bei einer Filmaufnahme“, in: Die Filmwelt 5/9 (1923), S. 14.

252 | Schauspielen im Stummfilm

Dreharbeiten aufgrund eines pyrotechnischen Fehlers zu einem verheerenden Zugbrand. Die SchauspielerInnen und StatistInnen kamen zwar weitestgehend unverletzt davon, aber die abgebrannten Waggons eines Sonderzuges sollen einen finanziellen Schaden von 16 Millionen Kronen verursacht haben.255 Weniger glimpflich ging hingegen ein pyrotechnisches Missgeschick bei den Filmaufnahmen zu DER JUNGE MEDARDUS (1923) aus. Bei einer absichtlich herbeigeführten Explosion zog sich ein Mitwirkender eine Riss- und Quetschwunde am rechten Unterschenkel zu, die sich infizierte und schließlich zu seinem Tod führte. Zusätzlich wurden zu einem späteren Zeitpunkt drei weitere Menschen verletzt. 256 Auch in der ORF-Dokumentation „Filmgeschichten aus Österreich“ (1970) wird von einem Zwischenfall bei den Dreharbeiten zu SODOM UND GOMORRHA (1922) erzählt. Walter Slezak (1902–1983), der einer der Hauptdarsteller des Films war, erinnert sich in der Dokumentation daran, dass der zuständige Pyrotechniker ihn beinahe zusammen mit Lucy Doraine in die Luft gesprengt hätte. Nur auf Doraines Drängen hin sei die Szene, in der ein Floß durch eine Sturzwelle umgekippt werden sollte, vorher noch einmal geprobt worden.257 Zu den rechtlichen Folgen dieser Unfälle ist weitestgehend nichts bekannt, nur vereinzelt lassen sich diesbezügliche Hinweise finden, wie z.B.: „Kertész ist auch in einige Rechtsstreitigkeiten verwickelt, die in Zusammenhang mit außer Kontrolle geratenen Film-Katastrophen stehen.“258

255 Vgl. o.N.: „Unfälle bei Filmaufnahmen“, in: Die Filmwelt 3/13 (1921), S. 13f. Wahrscheinlich handelt es sich hier um den Film WEGE DES SCHRECKENS (Sascha, 1921). 256 Vgl. o.N.: „Unfälle bei einer Filmaufnahme“, S. 14. 257 Filmgeschichten aus Österreich. Folge 2 – Es waren einmal zwei Grafen, R.: Helmuth Dimko, Walter Fritz, ORF, 03.11.1970, 00:50:18–00:52:09. 258 Elisabeth Büttner und Christian Dewald: „Michael Kertész. Filmarbeit in Österreich bzw. bei der Sascha-Filmindustrie A.-G., Wien, 1919–1926“, in: Elektrische Schatten, hg. von Bono, Caneppele und Krenn, 1999, S. 101–137, hier S. 108. Weitere Details bleiben aus. Informativer ist hingegen eine kurze Notiz in der Filmwelt von 1923, der zu entnehmen ist, dass der zuständige Pyrotechniker Otto Wannemacher in einem Strafprozess wegen einer missglückten Explosion im Rahmen der Dreharbeiten zu SODOM UND GOMORRHA zu zehn Tagen Arrest und einer Geldstrafe in der Höhe von einer halben Million Kronen verurteilt wurde. Vgl. o.N.: „[Wie wir bereits berichteten]“, in: Die Filmwelt 5/1 (1923), S. 14. Auch in der Tagespresse wurde über den „Fall Wannemacher“ berichtet, vgl. u.a. o.N.: „Graz, 5. Januar. (Eine verhängnisvolle Filmaufnahme.)“, in: Neue Freie Presse 20950, 6. Jänner 1923, S. 16; o.N.: „Lebensgefährliche Filmaufnahme. Ein gerichtliches Nachspiel zu ‚Sodom

5. Beruf „Kinokünstler“ II | 253

Über absichtlich herbeigeführte und außer Kontrolle geratene Gefahrensituationen259 hinaus gab es außerdem unbeabsichtigte und nicht kontrollierbare Risiken, die eine Filmaufnahme erschwerten. Unter anderem konnte der Übereifer eines Darstellers zu dessen Selbstgefährdung führen. In dieser Hinsicht machte besonders der „Spiegel-Unfall“ von Lucy Doraine Schlagzeilen: „Der Star der Sascha-Filmindustrie-A.G., Fräulein Lucy Doraine, hat bei den Aufnahmen der letzten Szenen zu dem großen Exklusivfilm ‚Die Gottesgeisel‘ [1920] einen schweren Unfall erlitten. Fräulein Doraine erblickt vor einem großen Spiegel stehend, die Vision ihres ungetreuen Geliebten und hat von wahnsinniger Eifersucht erfaßt, mit der Faust den Spiegel zu zerbrechen. Sie tat dies in so realistischer Weise, daß ein großes Stück dieses in Trümmer gegangenen Spiegels unglücklicherweise gegen ihren rechten Fußschenkel fiel, einen bis an den Knochen reichende Rißquetschwunde verursachend. Trotz ihrer Schmerzen und des Blutverlustes spielte sie ihre große Szene zu Ende. Dann erst wurde ihr ärztliche Hilfe zuteil.“

260

Neben dem Filmboten berichteten auch das Kino-Journal und die Neue KinoRundschau über den Unfall. 261 Die Kinowoche veröffentlichte sogar einen Kommentar von Friedrich Porges, dem zufolge Doraine „Opfer ihres Temperaments“ und ihrer „Hingabe an die Darstellungskunst“ geworden sei.262

und Gomorrha‘“, in: Neues Wiener Journal 10465, 6. Jänner 1923, S. 13; o.N.: „Leoben, 1. Jänner. (Eine Filmaufnahme mit tragischem Ausgang.)“, in: Neues Grazer Tagblatt 8, 6. Jänner 1923, S. 8. 259 Ein weiteres Beispiel, das jedoch in keinem Zusammenhang mit der Sascha-Film steht, ist Folgendes: In einer Notiz im Wiener Kino wurde darüber berichtet, dass Eugen Neufeld (1882–1950), der ältere Bruder von Filmstar Max Neufeld, während der Dreharbeiten zu DIE TOCHTER DER FRAU VON LARSAC (Helios, 1925) verletzt wurde, weil ihm seine Filmpartnerin unabsichtlich einen Dolch zwischen seine Rippen gestoßen und dabei eine drei Zentimeter tiefe Wunde hinterlassen hatte. Vgl. o.N. [B.B.]: „Unglücksaufnahme bei einer Filmaufnahme in Wien“, in: Wiener Kino 2/27 (1924), S. 6. 260 O.N.: „Ein Unfall Lucy Doraines“, in: Der Filmbote 3/18 (1920), S. 14. 261 Vgl. ebd.; o.N.: „Unfall im Sascha-Film-Atelier“, in: Das Kino-Journal 13/518 (1920), S. 21 – „Unfall im Sascha-Film-Atelier“, in: Neue Kino-Rundschau 4/165 (1920), S. 10. 262 Friedrich Porges: „Was einem Filmstar passieren kann“, in: Die Kinowoche 2/6 (1920), S. 6.

254 | Schauspielen im Stummfilm

Ebenfalls nicht zu unterschätzen waren in Bezug auf nicht kontrollierbare Risiken wetter- und jahreszeitenbedingte Herausforderungen, wie Wetterumschwünge oder extreme Temperaturen, die die Gesundheit der SchauspielerInnen und der Statisterie gefährden konnten. Zu Letzterem ist im Kino-Journal von 1924 zu lesen: „Wer weiß, wie viele von diesen nicht wohl ernährten Menschen sich Grippe und Lungenentzündung und später vielleicht den Tod geholt haben?“263 Über Filmaufnahmen bei extremen Temperaturen klagten aber auch die Filmstars Liane Haid und Magda Sonja. Befragt zu den Arbeitsbedingungen bei der Wiener Kunstfilm, sagte Haid 1918 aus, dass sie im ungeheizten Atelier und bei kalten Temperaturen im Freien habe filmen müssen. Dabei habe sie sich mehrmals schwere Erkältungen zugezogen.264 Während man Liane Haid unter Umständen der Übertreibung bezichtigen könnte, um den Prozessausgang zu ihren Gunsten zu beeinflussen, liegt bei Magda Sonja kein Grund vor, ihre Erinnerung an die Bedingungen eines Kostümwechsels während der Wintermonate anzuzweifeln: „Wissen Sie, wo ich diesen Toilettenwechsel vornehmen mußte? Hinter einer durch ein Leintuch improvisierten spanischen Wand. Ich war buchstäblich blau und grün vor Kälte.“265 Ein weiteres gesundheitsgefährdendes Risiko kam schließlich von der technischen Seite des Filmens. Das ultraviolette Licht der üblicherweise in den Ateliers verwendeten Bogenlampen war schädlich für die Augen und führte nicht selten zu Entzündungen derselben.266 Probleme dieser Art hatte bereits Alexander Girardi bei den Dreharbeiten zu DER MILLIONENONKEL (Sascha, 1913). Seinem Sohn zufolge hatte ihn das „schädliche Licht der Quecksilberlampen“ stark mitgenommen und ihm eine chronische Augenentzündung beschert.267 Ebenso berichteten die Burgschauspielerin Blanka Glossy (1893–1952) und Louise Kartousch (1886–1964) vom Theater an der Wien von Augenent-

263 Bouchholtz: „Lebensgefährliche Filmaufnahmen“, S. 4. 264 O.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid“, S. 25. 265 Sonja: „Vom ungemütlichen Filmen“, S. 3. Um welchen Film es sich bei obigem Zitat handelt, ist aufgrund der spärlichen Hinweise im Text nicht eruierbar. 266 Vgl. Eisert: „Professioneller Film“, S. 119; Fuchsig: Rund um den Film, S. 55; Samlowski und Wulff: „Vom Sichtbarmachen zur kunstvollen Gestaltung, S. 174. 267 Vgl. Anton Maria Girardi: Das Schicksal setzt den Hobel an. Der Lebensroman Alexander Girardis, Jubiläumsausg. Wien: Göschl, [1950], S. 308 (Orig.: Braunschweig: Vieweg, 1941). Eigentlich ging man davon aus, dass das Licht der Quecksilberlampen keine Schädigung der Augen zur Folge hatte. Deshalb liegt der Verdacht nahe, dass es sich hier um einen Irrtum handelt. Vgl. Eisert: „Professioneller Film“, S. 119.

5. Beruf „Kinokünstler“ II | 255

zündungen, die sie sich infolge von Filmaufnahmen zugezogen hatten.268 Besonders Glossy war von den Dreharbeiten zu ihrem ersten Film (JOHANN STRAUSS AN DER SCHÖNEN BLAUEN DONAU, 1913) traumatisiert: „Man stellte mich in einen ganzen Feuerzauber von offenen, unverdeckten Jupiterlampen hinein, die mir ganz nahe an den Leib gerückt wurden. Es war entsetzlich in dieser wahnwitzigen Ausstrahlung von Hitze und Licht. Dazu flitzten kleine, glühende Kohlenteilchen herum, die auf die Gegenstände ringsum niederfielen und den Teppich, auf dem ich stand, einige Male in Brand steckten. [...] Plötzlich wurde es dunkel um mich. Ich sah nichts mehr. Nach einiger Zeit bekam ich rote und grüne Farbeneindrücke. Das verging wieder, 269

aber als ich nach Hause kam, konstatierte der Arzt eine Regenbogenhautentzündung.“

Es ist anzunehmen, dass die von Glossy beschriebenen herumflitzenden Kohleteilchen von unverglasten Kohlebogenlampen stammten. Aus diesen konnten glühende Kohlepartikel herabfallen, die nicht nur augenschädlich, sondern auch brandgefährlich waren.270 Doch trotz der beschriebenen körperlichen Gefahren und den Anforderungen, die der Stummfilm an die SchauspielerInnen hinsichtlich der Filmaufnahmen stellte (improvisierte Rollengestaltung, dekorationsbestimmter Szenenablauf, fehlende unmittelbare Resonanz des Publikums, turbulente Arbeitsatmosphäre), entwickelte sich die filmdarstellerische Tätigkeit zum Mode- und Traumberuf der 1920er Jahre. Wenige der von einer Starkarriere träumenden KinobesucherInnen setzten sich allerdings mit den tatsächlichen Herausforderungen des Berufes auseinander und hofften, dass ihr gutes Aussehen ihnen den Weg zum Erfolg ebnen würde. Wie gezeigt werden konnte, gehörten zum Anforderungsprofil aber weit mehr als physische Attraktivität, ein modisches Auftreten und ein kamerataugliches Styling. Auch das darstellerische Können gepaart mit einem Verständnis für die technischen Bedingungen des Mediums waren, wie die zahlreichen Beispiele veranschaulicht haben, eine Voraussetzung für die erfolgreiche Arbeit als StummfilmschauspielerIn. Der drei Eckpfeiler des Anforderungsprofils – ein stummfilmgeeignetes Äußeres, ein möglichst natürliches Spiel vor der Kamera und ein grundlegendes Wissen um die medienspezifischen Arbeitspraktiken – waren sich aber vorrangig nur die Branchenkenner bewusst. In den zeitgenössischen Filmperiodika warnte man daher zunehmend da-

268 Vgl. Blanka Glossy: „Mein Filmdebüt“, in: Die Kinowoche 1/12 (1919), S. 5f.; Louise Kartousch: „Der Film und ich“, in: Die Kinowoche 1/13 (1919), S. 3f. 269 Glossy: „Mein Filmdebüt“, S. 5. 270 Vgl. Eisert: „Professioneller Film“, S. 119.

256 | Schauspielen im Stummfilm

vor, ohne vorherige Schauspielerfahrung und entsprechende Filmeignung eine Karriere beim Film anzustreben. Das folgende Kernkapitel setzt sich deshalb mit der Entwicklung zum Mode- und Traumberuf auseinander und erörtert die Konsequenzen der damit zusammenhängenden prekären Arbeits- und Ausbildungssituation für die fortschreitende Verberuflichung der filmdarstellerischen Tätigkeit.

6. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I: Konsequenzen der realen Arbeits- und Ausbildungssituation für die Verberuflichung

Mit Aufkommen der Filmillustrierten nach 1918, die ihren LeserInnen reich bebilderte Einblicke in die scheinbar glamouröse Welt des Films und seiner Stars gaben, nahm auch der Wunsch filmbegeisteter KinobesucherInnen zu, selbst den Schritt zu wagen und FilmschauspielerIn zu werden.1 Die eigenen Talente überschätzend und das Anforderungsprofil sowie die Arbeitsmarktsituation unterschätzend ließen vor allem junge Menschen ihr bisheriges Leben hinter sich, um auf vermeintlich einfachem Wege reich und berühmt zu werden. Doch anstatt der wirtschaftlich herausfordernden Verhältnisse der Nachkriegszeit zu entkommen, endeten die hoffnungsvoll begonnenen Karrieren meist in der Wiener Filmbörse, wo sich arbeitssuchende FilmstatistInnen mit strapaziösen und gering bezahlten Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten versuchten. Die prekäre Arbeitssituation wurde zudem dadurch verschlimmert, dass BetrügerInnen den Engagementsuchenden eine Starkarriere beim Film versprachen, wenn diese bereit waren, zuvor einen kostenpflichtigen Schauspielkurs zu absolvieren. Nach einer oft wochenlangen und inhaltsleeren Ausbildung wurden die Ausbildungswilligen jedoch finanziell betrogen und ohne Engagement zurückgelassen. Der Wiener Filmschulskandal und dessen Bekämpfung wurden darum zum Dauerthema in den österreichischen Stummfilmperiodika. Man forderte behördliches Einschreiten und dachte laut über die Gründung einer seriösen österreichischen Filmschule nach. Doch während eine eigene Filmschule ein Gedankenexperiment blieb,

1

Den Wunsch gab es sicherlich auch schon zuvor, aber die „Schlüsselloch-Berichterstattung“ der Filmillustrierten verstärkte die Sehnsüchte des Kinopublikums zusätzlich (vgl. Kapitel 5.1.1).

258 | Schauspielen im Stummfilm

setzten sich die Filmzeitschriften aktiv für die Nachwuchsförderung ein, indem sie seriöse „Castings“ in Form von Schönheitskonkurrenzen und Talentwettbewerben organisierten. Allerdings kamen die diesbezüglichen Bemühungen kaum gegen die unseriösen Ausbildungsmöglichkeiten und die reale Beschäftigungssituation an. Deshalb wurde schon bald eine erste Interessenvertretung gegründet, die sich für die Rechte des neuen Berufsstands einsetzte.

6.1 DAS ÜBERANGEBOT AN STUMMFILMDARSTELLERN Im „Film-Briefkasten“ von Bettauers Wochenschrift aus dem Jahr 1926 findet sich folgende Antwort an eine Wienerin, die eine Karriere beim Film beginnen wollte: „Annerl, Wien X. Der Andrang zum Film ist noch immer so groß und unsere Produktion in Österreich so klein, daß der Beruf eines Filmdarstellers nur als Nebenbeschäftigung für Berufsschauspieler betrachtet werden kann. Wenn Sie eine Stellung in Aussicht haben, so raten wir Ihnen dringend, diese anzunehmen und sich nicht in fruchtlosen Phantasien, in denen Sie sich bereits als Star sehen, zu ergeben.“

2

Annerl, die Adressatin dieser Antwort, steht für all jene, die der sogenannten Flimmeritis3, dem Filmfieber, anheimgefallen waren. Zu Beginn der 1920er Jahre erlagen begeisterte KinogeherInnen der Illusion, sie könnten mühelos selbst zum Filmstar werden. Allen Warnungen zum Trotz träumten sie von hohen Gagen, internationalem Ruhm und einem sorgenfreien Dasein. Das „bisserl vor der Kamera mimen“ würde ihnen ein Leben abseits des harten Nachkriegsalltags ermöglichen, weit weg von Arbeitslosigkeit und materiellen Entbehrungen. Die Träume der FilmaspirantInnen, schauspielunerfahrener Laien mit dem Wunsch,

2

O.N.: „Annerl, Wien X.“, in: Bettauers Wochenschrift 3/49 (1926), S. [20].

3

Der Ursprung der Wortneuschöpfung konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Allerdings erschien bereits im Jahr 1918 eine Publikation des deutschen Journalisten Egon Jacobsohn mit dem Titel Flimmeritis. Darin definierte Jacobsohn das Phänomen als „[...] eine moderne Seuche, die plötzlich sonst ziemlich harmlose und vernünftige Bürger überfällt, wilden Aufruhr und gemeingefährlichen Wahnsinn verbreitet. ‚Flimmeritis‘ ist der durch nichts abzuschreckende Wunsch, Filmstar zu werden.“ Vgl. Egon Jacobsohn: Flimmeritis. Was jeder vom Kino wissen muß. Plaudereien, 3. Aufl. Berlin: Illustrierte Filmwoche, 1919 (Orig.: 1918), S. 5.

6. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I | 259

Karriere beim Film zu machen, kollidierten daher mit der wenig glamourösen Berufsrealität. Selbst wenn eine gewisse Filmeignung in Form eines kameratauglichen Aussehens und eines darstellerischen Talents vorhanden war, bedeutete dies noch keine Starkarriere. Regelmäßige Engagements waren rar und besonders BerufsanfängerInnen mussten lange Wartezeiten erdulden, währenddessen sie vergebens auf ein Engagement hofften. Vor allem in Österreich, das nach dem Zusammenbruch der Monarchie mit einem stark verkleinerten Absatzmarkt, finanzieller Instabilität und internationaler Konkurrenz am Filmmarkt zu kämpfen hatte, soll das Angebot an FilmdarstellerInnen bei Weitem die tatsächliche Nachfrage überstiegen haben.4 6.1.1 Fehleinschätzung der realen Arbeitsmarktsituation 1927 brachte Friedrich Porges die einleitend angesprochene Problematik in seinem Aufsatz „Zum Film wollen...“ auf den Punkt: „Der Filmberuf ist überschätzt, was seine Aussichten anlangt, und unterschätzt in [B]ezug auf die Schwierigkeit seiner Ausübung.“5 Tatsächlich galt die Fehleinschätzung der Arbeitsmarktsituation als einer der Hauptgründe für die Arbeitslosigkeit unter den FilmdarstellerInnen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatten sich die österreichische Spielfilmindustrie und damit der Bedarf an Kinomimen nur langsam entwickelt. Als in Wien 1906/07 die ersten Schritte hin zu einer regelmäßigen inländischen Filmproduktion gemacht wurden, waren in anderen europäischen Ländern,

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Statistiken konnten für den österreichischen Filmmarkt bzw. die Situation in Wien keine gefunden werden, da umfangreiche Berufsstatistiken für die Jahre zwischen 1910 und 1934 fehlen (vgl. Abschnitt 8.3). In Hollywood, wo die Beschäftigungssituation der „Extras“ eine ähnliche gewesen war, sollen z.B. 1927 14.000 Menschen beim Central Casting Bureau registriert gewesen sein. Der tägliche Bedarf der Studios lag jedoch nur bei 698. Vgl. Ruth Waterbury: „Als Extra-Girl in Hollywood“, in: Mein Film 2/65 (1927), S. 5 (Orig.: „The Truth About Breaking into the Movies“, in: Photoplay 31/3 (1927), S. 40f. u. 130–132, hier S. 40). Für weitere Statistiken die Situation in Hollywood der 1920er Jahre betreffend vgl. Segrave: Extras of Early Hollywood, S. 155–160. Hier gilt es allerdings zu beachten, dass die Statistiken auf den ab 1927 veröffentlichten Daten des Central Casting Bureau beruhen. Darum werden nur die im Bureau registrierten Extras berücksichtigt. Außerdem fehlt in den meisten Fällen eine Gegenüberstellung von registrierten und tatsächlich engagierten StatistInnen.

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Friedrich Porges: „Zum Film wollen . . .“, in: Mein Film-Buch 1 (1927), S. 25–38, hier S. 27.

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wie Frankreich, Deutschland oder Dänemark, schon seit Jahren Filme produziert und Stars aufgebaut worden.6 Nicht ohne Grund waren die ersten Filmfirmen in Wien in internationaler, zumeist französischer, Hand. Die ersten inländischen Filmfabriken, die sich einer Filmerzeugung auf kommerzieller Basis widmeten, entstanden zwischen 1910 und 1914. Neben kleineren Firmen7 wurden in dieser Zeit auch die zwei großen „Player“ der österreichischen Stummfilmindustrie gegründet: die Wiener Kunstfilm8 und die Sascha-Film. Schon in dieser Anfangszeit scheint der Bedarf an FilmdarstellerInnen gering gewesen zu sein, wie diese Notiz aus dem Welttheater von 1912 zeigt: „An viele Kino-Darsteller. Wir können uns nicht in Korrespondenzen einlassen. In Wien benötigt zur Zeit keine Firma schauspielerische Kräfte.“9 Wenn die Firmen darstellerisches Personal für ihre Filme benötigten, dann suchten sie gezielt auf den Wiener Bühnen danach. Der Einsatz von erstrangigen Kräften sollte eine Garantie dafür sein, dass der Umsatz stieg und sich das Image des Kinos, das weitestgehend als Jahrmarktsattraktion verschrien war, verbesserte. Einen bedeutenden Aufschwung erfuhr die österreichische Stummfilmindustrie während des Ersten Weltkrieges, da es zu Einfuhrbeschränkungen und -verboten ausländischer Filme kam und man den Bedarf nun durch inländische Produkte zu decken versuchte. Infolge dieses Aufschwungs wurden neue Filmfirmen10 gegründet, Wiens erstes Freilichtatelier in Sievering errichtet und die

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Dabei gilt es zu beachten, dass es in der ungarischen Reichshälfte der k.u.k. Monarchie bereits 1898 zur Gründung einer Filmproduktionsfirma gekommen war. Vgl. Loacker: „Die österreichische Filmwirtschaft von den Anfängen bis zur Einführung des Tonfilms“, S. 77.

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Gegründet wurden Anfang der 1910er Jahre u.a. die: Dramagraph-Film, Kallos-Film, Emel-Film, Jupiter-Film, Vindobona-/Helios-/Duca-/Austria-Film. Vgl. Bono: „Bemerkungen zur österreichischen Filmwirtschaft und Produktion zur Zeit des Stummfilms“, S. 55.

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Die Wiener Kunstfilm war bereits die zweite Filmfirma des Ehepaars Kolm. 1910 hatten sie die Erste Österreichische Kinofilms-Industrie gegründet, deren Namen sie noch im selben Jahr in Österreichisch-ungarische Kinoindustrie umänderten. Im Jahr darauf verließen sie die Firma, um die Wiener Kunstfilm zu gründen. 1919 wurde die Wiener Kunstfilm zur Vita-Film, die von der Depositenbank, einem Kreditinstitut, finanziell unterstützt wurde. Vgl. ebd., S. 53f., 66 u. 68.

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O.N.: „An viele Kino-Darsteller“, in: Das Welttheater 1/11 (1912), S. 15.

10 Gegründet wurden u.a. die Burg-Film und die Regent-Film. Vgl. Bono: „Bemerkungen zur österreichischen Filmwirtschaft und Produktion zur Zeit des Stummfilms“, S. 60. Zur Regent-Film, die ein Schwindelunternehmen war, vgl. Kapitel 6.2.2.

6. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I | 261

ersten österreichischen Stummfilmstars beworben. Zu diesen zählten u.a. Liane Haid, Max Neufeld, Dora Kaiser und Magda Sonja (vgl. Anhang C). Nach Kriegsende ging die Blütezeit des österreichischen Films noch bis 1922 weiter. Abermals wurden zahlreiche neue Filmfirmen 11 gegründet, die Filmproduktion erreichte ihren Höhepunkt. Man produzierte Monumentalstummfilme im großen Stil und nach amerikanischem Vorbild (vgl. Kapitel 6.1.3). Hunderte Menschen fanden im „Heer der Komparsen“ in dieser Zeit Arbeit. Doch nach und nach waren die Folgen des Krieges auch für die österreichische Filmwirtschaft spürbar, die durch die ökonomische Krise innerhalb von drei Jahren (1923–1925) in die Knie gezwungen wurde.12 Die Gründe dafür waren vielfältig und werden in der Forschungsliteratur unterschiedlich gewichtet. Der italienische Historiker Francesco Bono sieht vor allem einen Zusammenhang mit den Absatz- und Finanzierungsschwierigkeiten, mit denen die österreichischen Filmproduzenten Mitte der 1920er Jahre zu kämpfen hatten. Bono zufolge war der inländische Markt durch den Wegfall der Kronländer zu klein geworden, um die Herstellungskosten eines Films hereinzubringen. Dadurch mussten rund 90% der Kosten durch den Export abgedeckt werden, was zu einer Abhängigkeit vom Ausland führte. Zudem ließ die Inflation die Herstellungskosten eines Films eklatant steigen. Lagen die Kosten im Jahr 1922 noch bei 80 Millionen Kronen, so stiegen diese 1924 bereits auf 50 Milliarden Kronen an. Allerdings hatte der Wertverfall der Krone gegenüber fremdländischen Valuta auch den Export begünstigt. Doch die zunehmende „Instabilität einer Valuta gegenüber der anderen“13 sowie die Einführung des Schillings im Dezember 1924 führten zu Absatzproblemen, da die Filme nun nicht mehr kostengünstig bzw. gewinnbringend im Ausland verkauft werden konnten. Der Wiener Börsenkrach im Frühjahr 1924 hatte dann sein Übriges getan und führte zum Konkurs vieler Filmunternehmen – auch der Vita-Film. Generell wurden in dieser Zeit viele Firmen gegründet, die jedoch bald wieder schließen mussten. Ihre Besitzer waren Spekulanten, denen die finanziellen Mittel fehlten, um langfristig erfolgreich zu sein.

11 Gegründet wurden u.a. die: Fiat-Film, Eos-Film, Emge-Film, Listo-Film, Schönbrunn-Film, Mondial-Film, Pan-Film, Dreamland Film Company, Micco-Film, Astoria-Film. Vgl. ebd., S. 66. 12 Vgl. ebd., S. 70. 13 Ebd., S. 73.

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Dazu kam noch, dass der geschwächte Markt mit ausländischen Produkten, nun überwiegend aus Amerika, überflutet wurde.14 Eine von Bonos Darstellung abweichende bzw. eine vertiefende Sicht bietet der österreichische Filmwissenschaftler Armin Loacker, der die filmwirtschaftlichen Entwicklungen der Nachkriegszeit vorrangig im Kontext der Inflation interpretiert und in diesem Zusammenhang von einem „Inflationsboom“ (1918– 1922) spricht, dem eine „Stabilisierungskrise“ (1923–1925) gefolgt war. Ersteres, der enorme Aufschwung der österreichischen Filmproduktion Anfang der 1920er Jahre, führt Loacker auf den Exportvorteil zurück, der sich durch das „Mißverhältnis von Valutaparitäten und Lebenshaltungskosten“15 ergeben hatte. Dadurch konnten Filme im Ausland unter dem Weltmarktpreisniveau verkauft werden und dennoch die Herstellungskosten im Inland gedeckt bzw. sogar Gewinne erzielt werden. Das bedeutete, dass die Investitionen stiegen und es zu einem regelrechten Gründungsfieber kam, im Zuge dessen zahlreiche Filmfirmen und -produktionsstätten ins Leben gerufen wurden. Doch mit der Hyperinflation relativierte sich das Verhältnis zwischen Devisenkurs und Lebenshaltungskosten, womit der Exportvorteil verloren ging. Außerdem kam 1922 die Entwertung der Krone zum Stillstand, was einen starken Produktionsrückgang zur Folge hatte. Wurden 1921/22 noch 138 abendfüllende Spielfilme produziert, so waren es 1923 nur mehr 26, 1924 nur mehr 15 und 1925 überhaupt nur mehr fünf lange Filme. Hinzu kam, dass die wilden Börsenspekulationen 1924 im Wiener Börsenkrach endeten und Bankpleiten zur Folge hatten, von der auch alteingesessene Bankhäuser betroffen waren. Zahlreiche während des Inflationsbooms gegründete Filmfirmen und -ateliers fielen diesem Umstand zum Opfer und gingen Bankrott. Der totale Zusammenbruch der Filmwirtschaft erfolgte schließlich 1925, u.a. weil die Produktions- und Exportschwierigkeiten zu einem Anstieg von Filmimporten führten. Loacker betont aber, dass kein ausschließlicher Zusammenhang zwischen der Überflutung des österreichischen Marktes mit ausländischen, vor allem US-amerikanischen Filmen und dem Zusammenbruch der österreichischen Filmwirtschaft gesehen werden könne. Selbst in Zeiten der Konjunktur hätten die inländischen Filmproduzenten nur ein Zehntel des Film-

14 Vgl. ebd., S. 70–74. Vgl. auch Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik, S. 11–13; Nöhrer: Der Einfluss der wirtschaftlichen und politischen Situation auf Film- und Kinowesen in den Jahren 1918 bis 1929, S. 96–100. 15 Loacker: „Die österreichische Filmwirtschaft von den Anfängen bis zur Einführung des Tonfilms“, S. 92.

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bedarfs in Österreich abdecken können. Dadurch habe sich automatisch eine Dominanz ausländischer Filme ergeben.16 Auch wenn sich die Forschung nicht einig ist, welche Faktoren für die Krise der österreichischen Filmwirtschaft ausschlaggebend waren, steht dennoch fest, dass sich eine Entspannung erst im Jahr 1926 abzeichnete, als ein Kontingentierungsgesetz nach deutschem Vorbild beschlossen wurde, das das Verhältnis von importierten Filmen zu den im Inland produzierten Filmen bestimmte. Ursprünglich wurde das Verhältnis auf 1:20 – für einen österreichischen Film konnten zwanzig ausländische Filme importiert werden – festgelegt, später aber wieder etwas gelockert. Doch obwohl die heimische Filmproduktion sich langsam erholte, „waren die Zeiten der Großproduktionen im österreichischen Kino vorbei [...] und der Traum verblich, eine Rolle auf der Weltbühne einzunehmen, ein Hollywood am Ufer der schönen, blauen Donau zu errichten.“17 Der Exkurs zur Entwicklung der österreichischen Stummfilmwirtschaft sollte zeigen, dass der Bedarf an FilmdarstellerInnen in Wien nur kurz nach dem Ersten Weltkrieg bzw. in den ersten Jahren der 1920er Jahre hoch war. Davor und danach dürfte das Angebot die Nachfrage überstiegen haben. Erfolgschancen erhoffte sich der ein oder andere daher im Ausland (z.B. in Deutschland). Doch auch dort hatte man mit denselben Problemen zu kämpfen.18 Sogar in Hollywood war die Situation, trotz größerem Arbeitsmarkt und höherem Bedarf an darstellerischem Personal, ähnlich. Wie die eindrucksvolle Reportage einer USReporterin zeigt,19 war die Arbeitssuche in Los Angeles zum skrupellos geführten Überlebenskampf geworden. Die amerikanischen Extras, FilmaspirantInnen auf der Suche nach einem Engagement als StatistInnen/KomparsInnen, waren folglich wenig begeistert über die europäische Konkurrenz, die in verstärktem Maße auf den US-amerikanischen Markt drängte.20 Der deutsche Regisseur E. A. Dupont, der auch in Hollywood tätig war, sagte in einem Interview anlässlich

16 Vgl. ebd., S. 91–97. 17 Bono: „Bemerkungen zur österreichischen Filmwirtschaft und Produktion zur Zeit des Stummfilms“, S. 75. 18 Vgl. Porges: „Zum Film wollen . . .“, S. 27f. 19 Vgl. Ruth Waterbury: „Als Extra-Girl in Hollywood“, in: Mein Film 2/62 (1927), S. 4 – Mein Film 2/63 (1927), S. 5 – Mein Film 2/64 (1927), S. 5 – Mein Film 2/65 (1927), S. 5 – Mein Film 2/66 (1927), S. 5 – Mein Film 2/67 (1927), S. 5f. (Orig.: „The Truth About Breaking into the Movies“, in: Photoplay 31/2 (1927), S. 38f. u. 106–108 – Photoplay 31/3 (1927), S. 40f. u. 130–132). 20 Vgl. Porges: „Zum Film wollen . . .“, S. 27.

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seines Österreich-Besuchs in Bezug auf die Chancen für arbeitssuchende FilmschauspielerInnen aus Europa: „Trotz dem großen Bedarf an Menschenmaterial für den Film in Hollywood sind die Aussichten für jene, die etwa aus Europa dorthin kommen, um zu filmen, äußerst gering. Es kann ihnen vielleicht mit größter Mühe gelingen, in die Komparserie aufgenommen zu werden, aber nicht etwa bei einer bestimmten Firma, sondern bei dem Zentralbureau in Hollywood, welchem die Besorgung der Komparserie für die Filme übertragen ist.“

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Neben der Fehleinschätzung der in- und ausländischen Arbeitsmarktsituation sind weitere Gründe für das Scheitern ambitionierter Filmkarrieren auch darin zu sehen, dass diesen falsche Motive und Vorstellungen zugrunde lagen. Während die einen auf der Suche nach Anerkennung waren, wollten die anderen dem Alltags-, Berufs- oder Studentenleben entfliehen oder sich aus der Arbeitslosigkeit retten.22 Dazu kam in vielen Fällen die Überschätzung der eigenen Möglichkeiten, die mit einem fehlenden Wissen um die realen Arbeitsanforderungen einherging.23 Entgegen der weit verbreiteten Ansicht reichte Schönheit alleine nicht aus, um erfolgreich als StummfilmdarstellerIn arbeiten zu können. Vielmehr war ein kamerataugliches Äußeres in der Kombination mit einem an das Medium angepassten schauspielerischen Können notwendig (vgl. Kernkapitel 5). In seinem Aufsatz „Zum Film wollen...“ empfahl Friedrich Porges hinsichtlich der Einschätzung der individuellen Filmeignung daher die objektive Beurteilung eines Fachmannes einzuholen. Dieser könne sich mithilfe einer Probeaufnahme ein realistisches Bild von den Leinwandqualitäten einer Person machen. Nur so sei es möglich, sich einen Eindruck vom Körper und seinen Proportionen sowie von der mimischen, gestischen und gesamtkörperlichen Ausdruckskraft zu verschaffen.24 Wer danach „noch an sich und an sein Filmtalent glaubt, der verzage nicht und verfolge auch weiterhin sein Ziel“25, riet Porges zum Schluss seines Aufsatzes.

21 O.N.: „Hat man in Hollywood Aussicht auf Filmengagement? Regisseur E. A. Dupont beantwortete uns diese Frage“, in: Mein Film 1/41 (1926), S. 5. 22 Vgl. Porges: „Zum Film wollen . . .“, S. 26f. 23 Vgl. ebd., S. 28–33. 24 Vgl. ebd., S. 33–36. Vgl. auch [James Ryan]: „Wozu macht man Probeaufnahmen?“, in: Mein Film 1/10 (1926), S. 7. 25 Porges: „Zum Film wollen . . .“, S. 38.

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6.1.2 Möglichkeiten der Engagementsuche/-vermittlung Trotz der prekären Beschäftigungssituation von StummfilmdarstellerInnen in Wien entschieden sich filmambitionierte, zumeist junge Menschen dennoch dafür, auf Engagementsuche zu gehen. Dafür gab es insgesamt drei Möglichkeiten. Man konnte entweder selbst in Kontakt mit einer Filmfirma treten, z.B. in Form eines Inserats oder einer Initiativbewerbung, oder man nahm das Angebot der Wiener Filmbörse26, der ersten und lange Zeit einzigen seriösen Arbeitsvermittlungsplattform für StummfilmdarstellerInnen in Wien, in Anspruch. Eine weitere Möglichkeit der Engagementvermittlung boten zudem Agenturen, wie sie in der Theaterbranche seit dem 19. Jahrhundert üblich waren. Die ersten Filmagenturen in Wien wurden allerdings erst gegen Ende der Stummfilmzeit, 1927 und 1929, gegründet. Mit Ausnahme der ersten Option lag der aktivere Part bei der Engagementvermittlung zumeist bei den Arbeitgebern. Die Arbeitssuchenden hatten hingegen die Rolle der Wartenden zu übernehmen, die von Vertretern der Filmfirmen ausgewählt wurden. Das traf besonders auf die Wiener Filmbörse zu, die am 15. April 1919 vom Verband der Filmdarsteller (vgl. Abschnitt 6.3) als Arbeitsvermittlungsstelle – nach Berliner Vorbild27 – eröffnet worden war und von da an als zentrale Anlaufstelle für arbeitssuchende StummfilmdarstellerInnen galt. Zur Funktion der Börse schrieb der Filmbote anlässlich ihrer Eröffnung: „Ihr Zweck ist, eine Zentrale zu schaffen, an der die Filmregisseure die Darsteller für einen Film, und zwar sowohl Solodarsteller als auch Statisten männlichen und weiblichen Geschlechts, engagieren können.“28 Die Filmbörse, die anfangs im Café Filmbörse in der Rechten Wienzeile 33 zu finden war, sollte daher eine Plattform zur ersten Kontaktaufnahme zwischen SchauspielerInnen und Hilfsregisseuren bieten. Letzteren kam in der Regel die Aufgabe der Besetzung zu.

26 Es gab bereits zwischen Frühjahr 1912 und Frühjahr 1913 eine Filmbörse in Wien. Diese hatte jedoch den Zweck, den Vertretern der Wiener Kinobranche die aktuellsten Filmneuheiten vorzuführen und zur Auswahl (zum Verleih) anzubieten. Vgl. Pauer: Österreichische Filmpublizistik in der Pionier- und Aufbruchszeit der Kinematographie 1895–1918, S. 110–112. 27 Um den Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zu sprengen, geht die Verfasserin nicht auf das umfangreiche Thema der Berliner Filmbörsen/-cafés ein, zu denen es ab 1912 regelmäßig Berichte in den österreichischen Filmzeitschriften zu finden gibt. Vgl. o.N.: „Die Wiener Filmbörse“, in: Der Filmbote 2/37 (1919), S. 6. 28 Ebd. Vgl. auch o.N.: „Filmbörse“, in: Die Pause 1/6–7 (1919), n.pag.

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Wie zeitaufwendig die Suche nach dem geeigneten darstellerischen Personal bis 1919 gewesen war, skizzierte Friedrich Porges in Fünfzig Meter Kinoweisheit: „Da durcheilt der Hilfsregisseur tagelang alle Theatercafés, um den Schauspielern und Schauspielerinnen nachzujagen, die der Regisseur, Einfällen folgend, zu Darstellern des Films bestimmt hat (erst in jüngster Zeit sind die Darsteller kleinerer Filmrollen auch bei uns, wie in Berlin, auf der ‚Filmbörse‘ in der Rechten Wienzeile zu bestimmten Tagesstunden vereint zu finden), da muß er die Treppe auf, Treppe ab die Wohnhäuser, in denen die Darsteller wohnen, durchsuchen, bis er die betreffenden zu Hause findet, bis er sie dem Regisseur gebracht, beziehungsweise eine Zusammenkunft zwischen diesem und ihnen herbeigeführt hat, und dann – sind es erst recht nicht die richtigen und die Suche beginnt von neuem. Denn die Schauspielerin oder der Schauspieler, vom Regisseur sozusagen aus dem Kopf, aus der Erinnerung heraus gewählt, zeigt sich bei der Zusammenkunft, eventuell bei einer Probeaufnahme ungeeignet für die in Betracht kommende Filmrolle, oder die Künstler wollen selbst die angebotenen Rollen nicht spielen. Dann wird die Honorarfrage besprochen: ein Hindernisreiten! Dann kommen Vertragsklauseln entweder seitens der Fabrik, die der Schauspieler nicht erfüllen will, oder seitens des Schauspielers, die bei der Fabrik keine Sympathien finden. [...] Und dabei soll alles in drei Tagen erledigt sein.“

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Auch die Suche nach der Filmkomparserie beschrieb Porges als herausfordernd, da es galt, Personen zu finden, die nicht nur das entsprechende Äußere mitbrachten, sondern ebenso die für die Rolle/n angemessene Garderobe besaßen. Porges empfahl daher die Komparserie sowohl aus Berufsstatisten des Theaters als auch Personen aus dem Bekanntenkreis (idealerweise Damen und Herren der Gesellschaft) zusammenzustellen.30 Auf diese Weise gestaltete sich aber die Suche nach geeigneten KandidatInnen, besonders bei einer Komparserie mit hoher Personenzahl, aufwendig, weshalb die Filmbörse gerade hier eine Erleichterung darstellte. Im Laufe der 1920er Jahre scheint diese sich dadurch jedoch zur Börse der Filmkomparserie und zum „Markt der Massen“31 entwickelt zu haben, der in den Filmzeitschriften zunehmend polarisierte und stark kritisiert wurde (vgl. Kapitel 6.1.3).

29 Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 26f. 30 Vgl. ebd., S. 27f. 31 Vgl. Max Frankenstein: „Der Markt der Massen . . .“, in: Die Bühne 2/15 (1925), S. 50f., hier S. 50.

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Von der späteren Kritik an der Filmbörse war 1919 allerdings noch nichts zu bemerken. Die Eröffnung der Filmbörse wurde als nunmehr „ständige Institution“ gefeiert, die das immer reger werdende Wiener Filmleben in positiver Weise ergänzen werde.32 Außerdem regelte die Filmbörse erstmals offiziell die Besetzungsmodalitäten zwischen FilmdarstellerInnen und -fabrikanten. Die Geschäftsordnung von 191933 hielt daher in 13 Punkten die Rechte und Pflichten beider Seiten fest: 1./2. Der Zutritt zur Filmbörse war nur Mitgliedern und HospitantInnen des Verbandes der Filmdarsteller, den vom Vorstand Eingeladenen sowie den Vertretern der Filmfabriken (Inhaber, Hilfsregisseure, Regisseure, Sekretäre, Bevollmächtigte) gestattet. Deshalb musste die erteilte Berechtigung in Form einer Mitgliedskarte, eines Hospitantenscheins [oder einer Firmenlegitimation]34 jederzeit vorweisbar sein. 3. Die Arbeitssuchenden wurden dazu aufgefordert, sich in der Börse sittlich zu benehmen. Unter anderem war es ihnen verboten, die Vertreter der Filmfirmen während ihres Besuches anzusprechen und damit zu belästigen. Auf diesen Punkt wurde in der Neuen Kino-Rundschau 1919 nochmals ausdrücklich hingewiesen: „Zur strikten Darnachrichtung! Laut Punkt 3 der Geschäftsordnung ist es strenge untersagt, die Herren Regisseure und Hilfsregisseure, welche auf die Filmbörse zwecks Engagementsabschlüsse kommen, irgendwie zu belästigen, anzusprechen oder sich vorzudrängen und zu diesem Zwecke von den Tischen aufzustehen und beim Bureaueingang Aufstellung zu nehmen. Es wird keine wie immer geartete Protektion geübt und hat der Regisseur einzig und allein freie Wahl der Engagements nach Angabe und Auftrag seiner Firma vorzunehmen. [...] Gegen Zuwiderhandelnde wird strengstens vorgegangen.“

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32 O.N.: „Die Wiener Filmbörse“, S. 6. 33 Geschäftsordnung und Protokoll der Eröffnung vgl. o.N.: „Die Filmbörse“, in: Neue Kino-Rundschau 3/111 (1919), S. 2–5 sowie Anhang B. 34 Die Firmenlegitimation wird in der Geschäftsordnung von 1919 nicht erwähnt, ist jedoch fixer Bestandteil der Börsenordnung ab 1923 (Punkt 8). Ursprünglich sollte diese Legitimation 1000 Kronen kosten und wurde für ein Jahr ausgestellt (Punkt 9). Letzteres wurde aus späteren Versionen gestrichen. Vgl. WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Börsenordnung 1923/25/28). 35 Alfons Bolz-Feigl: „Zur strikten Darnachrichtung!“, in: Neue Kino-Rundschau 3/116 (1919), S. 6 (Bez.: O.N.: „Die Filmbörse“, S. 3). Vgl. auch [Verband der Filmdarsteller]: „Die Sektion geistiger Arbeiter“, in: Neue Kino-Rundschau 3/118 (1919), S. 18.

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Daher hatte man abzuwarten, bis der (Hilfs-)Regisseur seine Auswahl traf und diejenigen, mit denen er einen Engagementabschluss tätigen wollte, aufrief. In der Börsenordnung ging man in dieser Hinsicht ab 1923 noch einen Schritt weiter. Darin heißt es, dass jedes besuchende Mitglied in den Börsenräumen einen Platz zu wählen habe und denselben bei Anwesenheit von Firmenvertretern unter keinen Umständen – bei sofortiger Ausweisung aus dem Börsenlokal und Verhängung des Disziplinarverfahrens – verlassen dürfe.36 4.–6. Abgeschlossene Engagements mussten der Filmbörse gemeldet werden. Dabei war es jedoch unerheblich, ob es sich um einen direkten Abschluss (ohne Beteiligung der Filmbörse)37 oder um einen von der Filmbörse vermittelten Abschluss handelte. Parallele Engagements bei Bühne und Film bedurften zudem der schriftlichen Einwilligung des betroffenen Theater- oder Varietédirektors. Aus diesem Grund musste der tatsächliche Engagementabschluss mit einer Filmfirma der jeweiligen Direktion gemeldet werden. Mit dieser Regelung wollte man offenbar Differenzen vermeiden, die erneut schwerwiegende Folgen für den Schauspielerstand und die Filmbranche nach sich ziehen hätten können (vgl. Kapitel 3.3.2). 7. Ein Vertrauensmann musste während jeder Aufnahme vor Ort sein, um gegebenenfalls zwischen den DarstellerInnen und den Filmfabrikanten vermitteln zu können. Dem Vertrauensmann, der ein ordentliches Mitglied des Verbandes sein musste, kam daher die Funktion einer Schlichtungsinstanz zu. Eingeführt wurde diese Position vermutlich, um die Eskalation von Konflikten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu vermeiden. Erst ein Jahr vor Entstehung der Filmbörse prozessierte die Wiener Kunstfilm gegen Liane Haid. Beide Parteien beschuldigten sich gegenseitig, vertragsbrüchig geworden zu sein und respektlos gehandelt zu haben (vgl. Abschnitt 7.3). 8.–11. Die Arbeitssuchenden hatten die Abmachungen zwischen dem Verband der Filmdarsteller und den Filmfabriken zu akzeptieren. Welche Abmachungen gemeint waren, wurde nicht näher ausgeführt. Gemeint sein könnte, neben der Geschäftsordnung der Filmbörse, auch der zu diesem Zeitpunkt noch in Verhandlung befindliche Kollektivvertrag. Der Verstoß gegen die Abmachungen in der Geschäftsordnung wurde mit dem Ausschluss aus der Filmbörse geahndet.

36 WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Börsenordnung 1923/25/ 28, Punkt 5). 37 1923 scheinen börsenunabhängige Engagements jedoch unerwünscht gewesen zu sein. In diesem Jahr heißt es in der Börsenordnung: „Mitgliedern des Verbandes ist es strenge verboten, Engagements im [direkten, A.D.] Auftrage von Firmen oder deren Organen zu tätigen.“ Vgl. ebd. (Börsenordnung 1923, Punkt 6).

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Mitglieder und HospitantInnen hatten zu diesem Zweck das Recht, Beschwerde gegen bestehende Missstände oder Verletzungen der Geschäftsordnung beim Vorstand einzulegen. Je ein Vorstandsmitglied hatte überdies einmal pro Tag in der Börse Inspektionsdienst zu leisten, um den Geschäftsverkehr zu überwachen. 12.–[13.]38 Die letzten beiden Punkte der Geschäftsordnung regelten schließlich das Finanzielle. Grundsätzlich sollte die Arbeitsvermittlung für FilmdarstellerInnen kostenlos sein. Die Filmbörse erlaubte es sich aber trotzdem, 1% der Filmgage einzubehalten, was direkt vom Honorar abgezogen werden sollte. Gerechtfertigt wurde diese Abgabepflicht damit, dass die Börse ihre Kosten decken musste. „Diese Leistung ist so minimal, daß sie kaum jemandem beschwerlich fallen kann“39, bemerkte der damalige Vizepräsident des Verbandes in seiner Rede anlässlich der Eröffnung der Filmbörse. Ab 1923 gab es zusätzlich zur Geschäftsordnung von 1919 auch eine Börsenordnung, die zusammen mit den Vereinsstatuten des Verbandes der Filmdarsteller bei der Vereinsbehörde eingereicht worden war. Im Grunde regelte die Börsenordnung die Aufgaben der Börsenleitung und ihrer Organe 40 und enthielt einmal mehr Verhaltensregeln für die BörsenbesucherInnen. Auch die Statuten des Verbandes, die ab 1922 einen eigenen Paragraphen (§ 22) zur Filmbörse enthielten, machten 1928 nochmals darauf aufmerksam, dass „[w]ährend der Anwesenheit von Firmenvertretern [...] der Aufenthalt in der Kanzlei, vor der Kanzleitüre und den Kanzleischaltern verboten“ war. Dort hatten sich ausschließlich „die ihren Dienst besorgenden Kanzleiorgane aufzuhalten“.41 Zudem wies § 22 darauf hin, dass der Verband der Filmdarsteller die Räumlichkeiten der Filmbörse einzig und allein zum „Zwecke des Engagementabschlusses“ zur Verfügung stellte, aber keinerlei Verantwortung für die Engagementvermittlung

38 Eigentlich gibt es keinen 13. Punkt, sondern es handelt sich dabei um die „Schlußbestimmung“ der Geschäftsordnung. Vgl. o.N.: „Die Filmbörse“, S. 4. 39 Ebd. 40 Die Leitung der Börse hatten, laut den Statuten des Verbandes der Filmdarsteller, 1920 inne: ein Börsensekretär, ein Vorstandsmitglied und ein Börsenverwalter. 1923 sollte die Börsenleitung aus einem Börsenleiter, einem Börsensekretär, zwei Vorstandsmitgliedern und einem ordentlichen Mitglied bestehen; ab 1925 lag die Börsenleitung nur mehr in den Händen des Verbandssekretärs. Vgl. WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1920/23/25/28, § 22; Börsenordnung 1923/25/28, Punkt 2). 41 Ebd. (Statuten 1928, § 22).

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übernahm. Aufgabe des Verbandes war es ausschließlich, für die Einhaltung der Börsenordnung zu sorgen.42 Bereits am 24. Mai 1919 konnte die Filmbörse in der Neuen Kino-Rundschau verkünden: „Seit dem kurzen Bestande des Verbandes der Filmdarsteller wurden insgesamt zirka 650 Engagements abgeschlossen, wovon 350 auf der Filmbörse und 300 im direkten Verkehre der Darsteller mit den Fabrikanten reguliert wurden.“43 Die Wiener Filmbörse entwickelte sich in der Folge zur zentralen Anlaufstelle für arbeitssuchende StummfilmdarstellerInnen in Wien. Denn neben der Filmbörse gab es sonst kaum seriöse Möglichkeiten, an Filmengagements zu kommen. Die anderen Optionen, die eingangs erwähnt worden sind, wie Inserate und Initiativbewerbungen, boten meist geringere Erfolgschancen. Außerdem konnte man auf BetrügerInnen hereinfallen, die nicht einzulösende Versprechungen machten, die sie sich zu hohen Preisen vergelten ließen. Dennoch wurden die klassischen Bewerbungswege gerade im Bereich der Annoncen genutzt. Inseriert wurde sowohl in Fach- als auch in Publikumszeitschriften, wo nach folgenden Attributen gesucht wurde: jung, schlank, schön, (aus-)gebildet, sportlich, im Besitz einer „guten“ Garderobe. Dass das im vorigen Kernkapitel erarbeitete Anforderungsprofil so auch durch Zeitschrifteninserate mitgeprägt worden war, können folgende Beispiele veranschaulichen: „Verbindung mit einer Filmfabrik sucht junger, feingebildeter Herr, große, elegante Erscheinung von auffallend hübschem Aeußeren, gewandter Sportsmann als Darsteller (Verfasser von Dramen, Lustspielen und Sportsstücken.) Gefl. Offerte unter ‚N. F. C. K.‘ an die Admin. d. Bl.“

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„Erstklassige Filmfabrik sucht Damen aus der Gesellschaft zur Mitwirkung bei Filmaufnahmen. Adresse in der Redaktion der ‚Neuen Filmwoche‘, VII., Neubaugasse 2 zu erfragen.“

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„Große schlanke Dame möchte bei Filmaufnahmen in der Komparserie mitwirken. Verfügt über gute Garderobe. Unter ‚Nur zum Vergnügen‘ a.d. Adm.“

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42 Ebd. (Statuten 1920/23/25/28, § 22). 43 O.N.: „Filmengagements“, in: Neue Kino-Rundschau 3/116 (1919), S. 6. 44 O.N.: „[Verbindung mit einer Filmfabrik sucht]“, in: Kinematographische Rundschau 8/306 (1914), S. 118. 45 O.N.: „[Erstklassige Filmfabrik sucht]“, in: Neue Filmwoche 1/46 (1919), S. 18. Bei Inseraten, die Mitwirkende für einen Film suchten, war jedoch Vorsicht geboten, da diese von Betrügern stammen konnten (vgl. Kapitel 6.2.1 und 6.2.2).

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Eine weitere Möglichkeit, um in Wien an (Stumm-)Filmrollen zu kommen, entwickelte sich sehr spät. Erst 1927 und 1929 gab es erste Ansätze, Vermittlungsagenturen für FilmdarstellerInnen zu eröffnen. Diesbezüglich sind jedoch kaum Details bekannt, auch die Filmzeitschriften geben darüber nur spärlich Auskunft. Dabei wurde die erste Agentur sogar von einer österreichischen Filmzeitschrift ins Leben gerufen. 1927 startete Mein Film die Aktion „Ein Archiv der Filmaspiranten“ und wollte damit eine (kostenlose) Plattform für die Vermittlung zwischen angehenden FilmdarstellerInnen und Filmfirmen anbieten.47 Den Beschreibungen ist zu entnehmen, dass das „Archiv“ einer Castingagentur im heutigen Sinne entsprach, dessen Ziel es war, eine große Fotokartei aufzubauen. Zu diesem Zweck sollten die BewerberInnen je ein Foto im Postkartenformat mit einer kurzen Beschreibung einschicken. Die Auswahl des Fotos wurde den BewerberInnen überlassen: „Dem Archiv einverleibt kann jedoch nur ein Bild von jeder Person werden, und es wird natürlich Sache des Einsenders sein, das ihm am günstigsten Erscheinende auszuwählen.“48 Dem Foto beigelegt werden musste ein Blatt Papier, auf dem der Bewerber neun persönliche Fragen („möglichst in Schreibmaschinenschrift“49) zum Alter, zur Ausbildung, zur Sportlichkeit, zum derzeitigen Beruf, zum Aussehen (Größe, Augen- sowie Haarfarbe) und zum gewünschten Rollenfach beantworten sollte. Nur wenn beides, das Foto und die Antworten, unter dem Kennwort „Filmarchiv“ übermittelt wurden, konnte der Einsender in die Kartei des Filmaspiranten-Archivs aufgenommen werden. Andere Aufnahmebedingungen gab es nicht, Mein Film wollte sich ausschließlich auf die Vermittlerrolle beschränken. Das zeigt auch folgender Hinweis für die EinsenderInnen: „Es sei aber gleich im vorhinein ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß Urgenzen, ob das Bild angekommen ist, oder ob schon irgendeine Entscheidung getroffen ist, völlig zwecklos sind, da auf solche Anfragen prinzipiell nicht geantwortet werden kann. Bei der großen Arbeitsleistung, die das neu zu errichtende Archiv von uns fordern wird, würde es natürlich ganz unmöglich sein, den Empfang jedes einzelnen Bildes zu bestätigen oder über Aussichten der Bewerber Auskunft zu geben. Wir haben bei unserem Filmarchiv nur die Rolle des Vermittlers, können also an den Einsendungen auch keine Kritik üben.“

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46 O.N.: „[Große schlanke Dame möchte]“, in: Wiener Kino 2/12 (1924), S. 7. 47 Vgl. o.N.: „Ein Archiv der Filmaspiranten. Organisierung derer, die zum Film wollen – Eine neue Aktion unserer Zeitschrift“, in: Mein Film 2/79 (1927), S. 2. 48 Ebd. Die Kursivsetzung wurde von der Verfasserin hinzugefügt. 49 Ebd. 50 Ebd.

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Gemäß der kritikfreien Vermittlungsrolle wollte Mein Film das eingesandte Foto inklusive der persönlichen Informationen in ihre nach Typen geordnete Kartei aufnehmen und diejenigen Personen, die von einer Filmfirma ausgewählt wurden, verständigen. Die Auswahl hatte letztendlich der Filmregisseur zu treffen, der sich bei einem persönlichen Vorstellungsgespräch bzw. einer Probeaufnahme ein Bild von der gewählten Person machen konnte. Über den weiteren Verlauf der Mein Film-Aktion ist nur wenig bekannt. In Nummer 85 von Mein Film (ebenfalls 1927) wurde noch einmal auf die Aktion aufmerksam gemacht, ebenso wurden nochmals die Bewerbungsrichtlinien dargelegt. Zum bisherigen Erfolg der Aktion heißt es zudem, dass dem Aufruf ein „ganz ungeheure[r] Widerhall“ gefolgt sei und „viele hunderte Bilder“ eingesandt worden seien. Als Beispiel wurde eine Seite aus dem „Filmarchiv“, die ein Foto und eine kurze Personenbeschreibung einer Filmaspirantin (Mary Nowak, Abbildung 8) enthält, abgedruckt. Außerdem machte man darauf aufmerksam, dass es bereits gelungen sei, erfolgreich Kontakte zur Filmindustrie herzustellen, detaillierte Angaben wurden dazu jedoch nicht gemacht.51 Auch Friedrich Porges, Herausgeber von Mein Film, erwähnte den Erfolg der Agentur in seiner Rubrik „Filmtagebuch des Herausgebers“ nur kurz: „Vor Besetzung fast jeden Films kommen die Regieassistenten, ja auch Regisseure zu uns und nehmen Einblick in das ‚Bilderbuch‘, besichtigen die Photos [...].“52 Ähnlich mager ist auch die Quellenlage zur zweiten Wiener Filmagentur, über die in den Filmzeitschriften berichtet wurde: die 1929 eröffnete Agentur Hugelmann, die von einem Schauspieler namens Oskar Hugelmann (1891– 1967)53 gegründet wurde. Sie soll die erste behördlich konzessionierte Filmagentur in Wien gewesen sein. Ziel war „die Vermittlung von Engagements aller Darsteller des In- und Auslandes, sowie aller Arten von Episoden-Typen und

51 O.N.: „Unser Filmarchiv“, in: Mein Film 2/85 (1927), S. 7. 52 [Friedrich Porges]: „Eine Antwort an viele“, in: Mein Film 3/145 (1928), S. 11f., hier S. 12. 53 Über Oskar Hugelmann ist kaum etwas bekannt. Am aufschlussreichsten waren bisher die Einträge in den Verzeichnissen des Wiener Adreßbuchs. Diesen ist zu entnehmen, dass Oskar Hugelmann im Branchenverzeichnis in der Kategorie „Theater-, Konzertund Varietéagenten“ zwischen 1930 und 1933 angeführt wurde. Vgl. Lehmann: Wiener Adreßbuch, Jg. 1930, Bd. 2, Teil II, S. 546; ebd., Jg. 1933, Bd. 2, Teil II, Abschnitt 1, S. 438. Im Namensverzeichnis lässt sich die früheste Eintragung bereits 1925 finden. Vgl. ebd., Jg. 1925, Bd. 1, Teil I, S. 687. Letzteres gibt auch darüber Auskunft, dass Oskar Hugelmann als Schauspieler und Regisseur tätig war.

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Edelkomparsen zu sehr günstigen Bedingungen.“54 Das im Gegensatz zum Filmaspiranten-Archiv kostenpflichtige Service umfasste Beratung, Evidenz, Probeaufnahmen und Kontakte zur Filmindustrie für bereits tätige Filmdarsteller und Neulinge.55 Zu finden war die Agentur in der Neubaugasse 36.56 Abbildung 8: Beispieleintrag im „Archiv der Filmaspiranten“

Quelle: Mein Film, 1927 (UB Wien)

54 O.N.: „Eröffnung einer Filmagentur“, in: Österreichische Film-Zeitung 3/9 (1929), S. 79. 55 Vgl. o.N.: „Filmagentur“, in: Das Bild im Dienste der Schule und Volksbildung 6/3 (1929), S. 66. 56 Vgl. o.N.: „Engagementvermittlungsstelle für Filmdarsteller“, in: I.A.O., Internationales Artisten-Organ 4/1 (1929), S. 3; o.N.: „Eröffnung einer Filmagentur“, S. 79.

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Ob Wiener Filmbörse, Inserat/Initiativbewerbung oder Agentur, eine Beschäftigungsgarantie konnte keine dieser Möglichkeiten der Engagementsuche/-vermittlung bieten. Wenn die angehenden StummfilmschauspielerInnen allerdings doch ein Engagement ergattern konnten, dann kamen sie den zeitgenössischen Berichten zufolge meistens im „Heer der Komparsen“ unter. 6.1.3 Beschäftigung im „Heer der Komparsen“ Engagements in Form von StatistInnen-/KomparsInnenrollen waren vor allem in der Wiener Filmbörse zu finden. Dort sollen „die Namenlosen der Flimmerkunst“57 täglich darauf gewartet haben, für eine der begehrten Rollen im „Heer der Komparsen“58 ausgewählt zu werden. An dieser Stelle muss zunächst aber angemerkt werden, dass die Begriffe Statist und Komparse im zeitgenössischen Kontext synonym verwendet wurden. Zum Beispiel sprach Friedrich Porges in Fünfzig Meter Kinoweisheit sowohl von der „Filmkomparserie“ als auch von der „Filmstatistin“.59 Eine (implizite) Unterscheidung scheint er damit aber nicht bezweckt zu haben. Im Theater wurden die beiden Termini hingegen differenzierter verwendet, indem ihre Definitionen an zwei Faktoren festgemacht wurden: an der Involvierung in die Handlung bzw. ins Bühnengeschehen und damit einhergehend am erforderlichen darstellerischen Einsatz. So wurde die Komparsenrolle in der Regel mit einer stummen Nebenrolle, „die ein Minimum an schauspielerischem Ausdruck erfordert[e]“60, gleichgesetzt, während man den Statisten als Person, die im Hintergrund bleibend die Szenerie auffüllte und meistens über keine Schauspielausbildung verfügte, verstand.61 Diese Differenzierung basiert nicht zuletzt auf der theaterhistorischen Entwicklung der Statisterie/Komparserie vom die Schaulust befriedigenden zum in die Darstellung integrierten Bühnenelement. Zunehmend bezogen die Theatermacher die stummen DarstellerInnen in ihre künstlerischen Überlegungen mit ein und begannen SchauspielschülerInnen bzw. junge Schau-

57 O.N.: „Auf der Filmbörse“, in: Die Kinowoche 1/9 (1919), S. 9. 58 Die Metapher ist einer Überschrift eines Artikels, der in der Kinowoche 1921 abgedruckt wurde, entnommen. Der Ursprung ist nicht bekannt, möglicherweise ist der Autor des Artikels (Egon Jacobsohn) der Urheber. Vgl. [Egon Jacobsohn]: „Das Heer der Komparsen“, in: Die Kinowoche 3/19 (1921), S. [3]–5, hier S. [3]. 59 Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 27f. 60 Michaela Wetzstein: Studien zur Geschichte der Komparserie. Dipl., Universität Wien, 1993, S. 14. 61 Vgl. ebd., S. 13f.

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spielerInnen als StatistInnen und KomparsInnen einzusetzen.62 Mit dem Aufkommen der Geschäftstheater im 19. Jahrhundert erfuhr diese Entwicklung jedoch einen negativen Trend. Um (Personal-)Kosten einzusparen, verpflichteten die Theaterdirektoren ihre SchauspielerInnen vertraglich dazu, jede auch noch so kleine Rolle anzunehmen. Nicht selten bedeutete dies aber ein dauerhaftes Dasein als StatistIn bzw. Klein- und KleinstdarstellerIn in zweit- und drittklassigen Theaterhäusern.63 Allerdings darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass den StatistInnen/KomparsInnen häufig die notwendige schauspielerische Ausbildung fehlte, um in „höhere künstlerische Regionen“ aufsteigen zu können.64 Da sie sich ihr Können durch Anpassung und Nachahmung aneignen mussten, bezeichnet Helga Terharen die Komparsinnen in ihrer Dissertation zur Situation der Schauspielerinnen im Wiener Hofburgtheater 1888–1918 als „die braven, biederen Handwerker des Schauspielergewerbes“.65 Während also die Problematik der Statisterie/Komparserie (kaum Aufstiegschancen, fehlende Ausbildung, geringe Bezahlung) keine neue war, trieb die Filmindustrie diese dennoch auf eine nie dagewesene Spitze. In der Neuen KinoRundschau ist zur wirtschaftlichen Lage der StatistInnen/KomparsInnen zu lesen: „In der ganzen Filmindustrie dürfte wohl kaum ein Erwerbszweig so fragwürdig sein, wie jener der Filmdarsteller, und unter diesen jener der Statisten. Als Folie für ein wirksames Bild voll Leben ist die Komparserie unentbehrlich und ihre Notwendigkeit wird daher von allen Beteiligten der Kinoindustrie einstimmig anerkannt. Aber während alle einzelnen Zweige dieser aufblühenden Erwerbsentfaltung durch zeitsichere Entlohnung (Monats-, Wochen-, Jahresgehalt) die Gewähr eines Einkommens haben, steht der in die Komparserie oder für kleine Rollen eingeteilte Filmdarsteller hilflos und schwankend als Taglöhner da, trotzdem er ein wichtiger Bestandteil des ganzen, großes Betriebes ist.“

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62 Vgl. ebd., S. 86f. 63 Vgl. Kretschmer: Die soziale Stellung der Schauspielerin im Wiener Theater des 19. Jahrhunderts, S. 116–118. 64 Terharen: Von der Schmierenkomödiantin zur Hofschauspielerin, S. 131. 65 Ebd. 66 O.N. [Nurso]: „Die wirtschaftliche Lage der Filmdarsteller“, in: Neue Kino-Rundschau 3/144 (1919), S. [5]–7, hier S. [5]f. (Orig.: Zuschrift vom Verband der Filmdarsteller). Auch hier wird der synonyme Gebrauch von „Statist“ und „Komparse“ deutlich.

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Erschwerend kam außerdem hinzu, dass trotz der geringen Bezahlung und des unregelmäßigen Einkommens hohe Ansprüche an die StatistInnen/KomparsInnen gestellt wurden. Friedrich Porges machte diesbezüglich darauf aufmerksam, dass für den Film nur Personen in Betracht kommen könnten, die erstens eine entsprechende Garderobe besäßen (oder sie sich zumindest leicht beschaffen könnten) und die zweitens auch „in den Rahmen passen“ würden, also gut aussähen.67 Das galt umso mehr für die sogenannten Gesellschaftsszenen, die eine luxuriöse Garderobe sowie ein angemessenes Benehmen erforderten. Daraus ergab sich eine Differenzierung der Berufsgruppe in Laienstatisten/-komparsen (Privatpersonen meistens aus höheren Gesellschaftsschichten), Berufsstatisten/ -komparsen (aus dem Theater, FilmaspirantInnen) und Edelstatisten/-komparsen (die oberste Ebene der Hierarchie).68 Während bei der ersten Gruppe, den Laien, das Aussehen und die zumeist kostbaren Toiletten aus Privatbesitz ausreichend waren, musste die zweite Gruppe zusätzlich ein gewisses Maß an schauspielerischem Talent mitbringen. Die dritte Gruppe, die Edelstatisten, erfüllten hingegen alle Anforderungen an Aussehen, Ausstattung und darstellerischem Können in bester Qualität. Sie waren die „Könige der Filmbörse“69, weil sie sich mit ihren modernen Gesellschaftstoiletten und ihrem makellosen Aussehen von der breiten Masse abhoben.70 Dass StatistInnen/KomparsInnen nun auch ein schauspielerisches Talent mitbringen mussten, sei Mein Film zufolge der Entwicklung weg von Massen- hin zu kleineren Gruppenszenen geschuldet. Früher habe die Statisterie nur in der Masse wirken müssen, nun sei es aber die Aufgabe der einzelnen KomparsInnen, in einer Szene stark zu sein bzw. (glaubhaft) zu spielen.71 Tatsächlich war die Hochblüte der Monumentalstummfilm-Produktion zum Zeitpunkt des Artikels (1926) bereits vorbei. Zu Beginn der 1920er Jahre eiferten die österreichischen Filmfirmen, allen voran die Sascha- und die Vita-Film, den amerikanischen Großproduktionen nach und produzierten Filme mit hohem Ausstattungs- und Menschenaufwand.72 Massenszenen mit hunderten und tau-

67 Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 27. 68 Vgl. u.a. ebd., S. 27f.; o.N.: „Auf der Filmbörse“, S. 9; o.N.: „Der Star einer Szene . . . Aufgabe und Bedeutung des Film-Komparsen“, in: Mein Film 1/11 (1926), S. 7f. 69 Ewald André Dupont: „Menschenmarkt“, in: Der Kinofreund 1/11 (1924), S. 6f., hier S. 7 (Orig.: Film-Hölle). 70 Zu den Edelkomparsen vgl. auch o.N.: „Ein Tag Edelkomparse“, in: Bettauers Wochenschrift (BFR) 1/13 (1927), S. VI. 71 Vgl. o.N.: „Der Star einer Szene“, S. 8. 72 Vgl. Barbara Pluch: Der österreichische Monumentalstummfilm – Ein Beitrag zur Filmgeschichte der zwanziger Jahre. Dipl., Universität Wien, 1989, S. 18. Pluchs

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senden StatistInnen waren keine Seltenheit.73 Zwischen 1921 und 1924 entstanden die bekanntesten Filme der österreichischen Stummfilmzeit, wie SODOM UND GOMORRHA (1922), DER JUNGE MEDARDUS (1923) oder DIE SKLAVEN74 KÖNIGIN (1924). Die letzten Filme dieses Genres, DIE RACHE DES PHARAO und SALAMMBÔ, wurden 1924 hergestellt und Anfang 1925 uraufgeführt. Damit war die Blütezeit des österreichischen Monumentalstummfilms und somit der Filmstatisterie vorüber, wie auch der langjährige Leiter der Filmbörse, Kurt Stammler, 1927 rückblickend feststellte. In Mein Film heißt es dazu: „[D]ie Zeiten der großen Ausstattungsfilme sind überhaupt vorbei. Herr Stammler [...] erzählt mit Vergnügen von den seligen Zeiten, da Kert[é]sz oder Korda tausende Menschen Komparserie benötigten.“75 Mit dem Rückgang der Produktion von Monumentalstummfilmen war es schwieriger geworden, als KomparsIn/StatistIn beim Film Arbeit zu finden. Darum war nun die Wiener Filmbörse zu jenem Ort geworden, wo man auf ein Engagement bzw. auf den besseren Zeiten versprechenden nächsten Tag wartete. Dort soll man aber immer dieselbe, stereotype Antwort auf die Frage „Wird heute noch etwas los sein?“ erhalten haben: „Vielleicht morgen! – Vielleicht morgen . . .“76 In den österreichischen Stummfilmperiodika wurde die Filmbörse deshalb vermehrt kritisiert. Sie geriet in Verruf als skrupelloser „Markt der Hoffnungen“77 und als „moderner Sklavenmarkt“78. Auch vor Vergleichen mit (Vieh-)Märkten oder der Musterung beim Heer79 schreckten die Journalisten nicht zurück. In einer Rubik namens „Filmabschnitzel“ der Kinozeitschrift Wie-

Genredefinition besteht aus zwei Komponenten: „großer Aufwand an Ausstattung (gebaute Filmarchitektur und Kostüme)“ und „Verwendung von Massenszenen“. 73 Die Anzahl der mitwirkenden StatistInnen schwankte je nach Film und Quelle. Zum Beispiel sollen bei SODOM UND GOMORRHA zwischen 3000 und 14.000 Statisten mitgewirkt haben. Vgl. Fritz: Im Kino erlebe ich die Welt, S. 94. 74 Vgl. Pluch: Der österreichische Monumentalstummfilm, S. 49–86; vgl. auch die ausführlichen Analysen in: Armin Loacker und Ines Steiner (Hg.): Imaginierte Antike. Österreichische Monumental-Stummfilme. Historienbilder und Geschichtskonstruktionen in Sodom und Gomorrha, Samson und Delila, Die Sklavenkönigin und Salammbô. Wien: Filmarchiv Austria, 2002. 75 Hugo [Rappart]: „Auf der Wiener ‚Filmbörse‘“, in: Mein Film 2/85 (1927), S. 4. 76 Ebd. 77 O.N. [F.P.]: „Der Markt der Hoffnungen“, in: Wiener Kino 2/22 (1924), S. 3. 78 Frankenstein: „Der Markt der Massen . . .“, S. 50. 79 Vgl. [Alexander Stern]: „Die Filmbörse“, in: Die Kinowoche 3/12 (1921), S. [3]f., hier S. 4.

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ner Film-Ring wurde die Situation der StatistInnen darüber hinaus mit einem Wortspiel dargestellt: „Statisten sind Menschen, die ihr Dasein ihrem da sein verdanken.“80 Dieses Dasein, ob vor der Kamera oder in der Wiener Filmbörse, wurde in vielfältigen, teils emotionalen Berichten beschrieben, deren Inhalte sich folgendermaßen zusammenfassen lassen: In einem Kaffeehaus, das von außen einem durchschnittlichen Wiener Café81 glich, versammelten sich die Namenlosen der Branche täglich, um auf die Hilfsregisseure zu warten, die im Auftrag einer Filmfabrik bzw. eines Regisseurs Statisten- und Komparsenrollen zu besetzen hatten. Sobald die Vertreter der Filmfirmen in der Börse erschienen, sollen tumultartige Szenen losgebrochen sein – und das, obwohl ein lautes, marktähnliches Anpreisen der eigenen Qualitäten in der Geschäftsordnung der Filmbörse ausdrücklich verboten war (vgl. Kapitel 6.1.2 und Anhang B).82 Doch für die Wartenden waren die Hilfsregisseure wichtige Entscheidungsträger, die über den Karriereverlauf bestimmen konnten. In Bettauers Wochenschrift wurde das emotionale Auf und Ab in der Filmbörse 1926 eindringlich beschrieben: „Es ist ein reges Leben und Treiben in der Börse, das seinen Höhepunkt erreicht, wenn irgendein Hilfsregisseur kommt, um zu engagieren. Dann werden sie alle gespannt, u[nd] in den Augen der Engagi[e]rten leuchtet es. Bedeutet doch der kleine Zettel [der Engagementschein, A.D.], den sie in die Hand gedrückt bekommen, 10 Schilling Verdienst! Wer weiß, wann ihnen das wieder blüht. Sind die Hilfsregisseure verschwunden, flaut auch langsam das L[e]ben ab in der Filmbörse, allmählich wird es stiller, die Komparsen gehen, und hoffen auf morgen.“

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80 Paul Reno: „[Statisten]“, in: Wiener Film-Ring 1/5 (1923), S. 6. Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt. 81 Ursprünglich war die Wiener Filmbörse im Café Filmbörse in der Rechten Wienzeile 33 im vierten Bezirk angesiedelt (vgl. Kapitel 6.1.2). Mehrfach musste jedoch der Standort gewechselt werden: „Der mehrfache Wechsel des Standortes und der für die Börsentätigkeit notwendigen Räumlichkeiten verursachten den Verantwortlichen manche große Sorge. Immer wieder mußte in einem gastfreundlichen Café in einem der zentral gelegenen Bezirke Zuflucht gefunden werden.“ Vgl. Heinz Hanus: 50 Jahre österreichischer Film. 35 Jahre Filmbund. Aufbau und Ausbau der Berufsorganisationen für die Filmschaffenden Österreichs. Wien: Malecki, 1958, S. 4. 82 Vgl. auch Frankenstein: „Der Markt der Massen . . .“, S. 50. 83 Heinz Martin: „Eine Stunde in der Wiener Filmbörse“, in: Bettauers Wochenschrift 3/51 (1926), S. 19.

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Eine ähnliche Beschreibung findet sich auch in Mein Film von 1927: „Da sitzen sie [die KomparsInnen, A.D.] in den Nischen des Kaffeehauses, mit kaum zurückgedrängter Nervosität und warten . . . Und wenn dann wirklich einer der Hilfsregisseure kommt, erreicht die Aufregung ihren Siedepunkt. [...] Es müssen furchtbare Minuten sein, diese Minuten der Erwartung. ‚Wird er mich nehmen, oder nicht . . .?‘ Und doch stehen nur ein oder zwei Tage Arbeit auf dem Spiel . . . Und diesen kurzen Minuten der Ent84

scheidung leben die Besucher der ‚Filmbörse‘ viele Tage entgegen. Abend für Abend.“

Ein Filmengagement bedeutete allerdings nicht unbedingt eine dauerhafte Verbesserung der Lebensumstände. In der Regel wurden StatistInnen/KomparsInnen nur für wenige Tage engagiert und erhielten dann für eine körperlich anstrengende Arbeit, zu der sie ihre eigene Garderobe mitbringen sollten, eine geringe finanzielle Entschädigung. In einer mehrteiligen kritischen Erörterung mit dem Titel „Massenausbeutung der Film-Proletarier“ wurde über das Elend der KomparsInnen in Deutschland berichtet.85 Im Resümee bezieht sich der Verfasser auch auf die Situation in Wien: „[D]ie angeführten Beispiele in den vorigen Artikeln und diesem Sermon mögen genügen, um zu beweisen, daß es ein ungemein trauriger Beruf ist, der Beruf des Filmproletariats. Nicht allein, daß man ungeheure Ansprüche an ihre physische Leistungsfähigkeit und Ausdauer stellt, [...] nein, man speist sie auch noch mit Hungerlöhnen ab, die es ihnen kaum ermöglichen, das nackte Leben zu fristen, geschweige denn für Anschaffungen von Garderoben und anderen unentbehrlichen Utensilien zu sorgen. Es ist ein tragisches Kapitel in der Filmgeschichte, das Kapitel der Filmkomparserie. [...] Da die Wiener Komparserie viel weniger beschäftigt wird, als beispielsweise die Berliner, ist das Elend unter ihr noch viel größer und erschreckender . . . und das Herz im Leibe krampft sich einem zusammen, wie diese bedauernswerten Leute betteln und flehen um einen Tag Beschäftigung, wie sie glücklich sind, wenn man ihnen acht Schilling in die Hand drückt . . . bedeuten doch diese acht Schillinge wieder ein bis zwei Tage kärglichen Lebens.“

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84 [Rappart]: „Auf der Wiener ‚Filmbörse‘“, S. 4. 85 Vgl. Heinz Martin: „Massenausbeutung der Film-Proletarier. Geschäftsgeist contra Not“, in: Bettauers Wochenschrift 3/45 (1926), S. 15 – Bettauers Wochenschrift 3/46 (1926), S. 8 – Bettauers Wochenschrift 3/47 (1926), S. 15. 86 Ebd. [Nr. 47], S. 15.

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Folglich standen dem Traum vom Filmstardarsein in der Realität schwierige Arbeitsbedingungen gegenüber. Denn obwohl die Honorare gering waren, wurden trotzdem hohe Ansprüche an das physische Aussehen, das darstellerische Können und die Garderobe der StatistInnen/KomparsInnen gestellt. „Wer will noch Statist werden!???“87, fragte man sich darum 1923 im Feuilleton des Wiener Film-Rings. Dass es aber nicht nur Kritik an der Arbeitssituation bzw. an der Institution der Filmbörse, sondern auch an den StatistInnen/KomparsInnen selbst gab, darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Letzteres soll durch die nachfolgende Skizzierung des Konflikts mit den Wiener Filmindustriellen von 1920/21 veranschaulicht werden, der ebenso die unterschiedlichen Interessen und Intentionen innerhalb der Filmbranche aufzeigt: In insgesamt sieben Ausgaben berichtete der Filmbote 1920 von der sogenannten Statistenplage.88 Als Organ der Filmindustriellen wetterte die Zeitschrift darin gegen die StatistInnen und ihre vermeintlich unverschämte Forderung nach einer Erhöhung des Tageshonorars auf 100–140 Kronen bzw. später 150–200 Kronen. Für Unmut sorgte aber nicht nur die Forderung an sich, sondern auch die Durchsetzung derselben. Denn nachdem es die Filmfabrikanten abgelehnt hatten, das Mindesthonorar zu erhöhen, sollen einzelne Personen versucht haben, durch „terroristische Akte“, wie die Störung der Filmaufnahmen mittels Arbeitsverweigerung, eine Honorarerhöhung zu erzwingen. Laut dem Filmboten sei daran der Verband der Filmdarsteller schuld gewesen. Dieser beteuerte aber, dass Nichtmitglieder die Verantwortung für den Streik trügen. Eine zufriedenstellende Lösung der Auseinandersetzung dürfte es vorerst keine gegeben haben, da der Konflikt bereits im Jahr darauf wieder aufflammte.89 Der Filmbote berichtete diesbezüglich 1921, dass die Filmfabrikanten und der Verband der Filmdarsteller ein Abkommen getroffen hätten, das Erstere dazu verpflichte, ein bestimmtes Kontingent an organisierten StatistInnen zu engagieren (mind. 70% bei einem Bedarf von 200 StatistInnen). Da der Prozentsatz bei Aufnahmen der Sascha-Film am 20. Mai 1921 weit darunter gelegen habe, sei es am Wiener Südbahnhof kurz vor der Abfahrt zum Drehort zu einem Boy-

87 Ralph Korsten: „Filmstatisten“, in: Wiener Film-Ring 1/2 (1923), S. 2. 88 Vgl. o.N.: „Komparserie“, in: Der Filmbote 3/18 (1920), S. 2f.; o.N.: „Uebergriffe der Filmstatisten“, in: Der Filmbote 3/22 (1920), S. 20; o.N.: „Die Uebergriffe der Statisten“, in: Der Filmbote 3/23 (1920), S. 32f.; o.N.: „Es geht nicht mehr weiter!“, in: Der Filmbote 3/31 (1920), S. [5]f.; o.N.: „Statistenplage“, in: Der Filmbote 3/33 (1920), S. 2–4; o.N.: „Statistenplage und kein Ende“, in: Der Filmbote 3/37 (1920), S. [9]f.; o.N.: „Die Komparserie“, in: Der Filmbote 3/39 (1920), S. 10–12. 89 Vgl. o.N.: „Die Komparserie“, in: Der Filmbote 4/22 (1921), S. 15.

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kott gekommen. Obwohl der Verband der Filmdarsteller versprochen habe, sich nicht einzumischen, seien der Sascha-Film dennoch insgesamt 70 weitere organisierte StatistInnen „aufoktroyiert“ worden. Der Filmbote kündigte daraufhin im Namen der Filmindustriellen gerichtliche Konsequenzen und einen Boykott der organisierten StatistInnen an. Die Neutralität des Filmboten muss jedoch infrage gestellt werden. Denn neben der vermeintlichen Tatsachenschilderung des Verbandsorgans konnte auch eine konträre Darstellung der Ereignisse in der Wiener Arbeiter-Zeitung gefunden werden. Den entsprechenden Hinweis lieferte der Filmbote selbst: „Die ‚Arbeiter-Zeitung‘ hat diese Vorfälle in der üblichen Weise ausgeschrotet, wobei sie sich auf ganz falsche Informationen stützte.“90 Die deshalb von der Verfasserin initiierte Recherche nach dem entsprechenden Artikel war erfolgreich und führte zu folgendem Ergebnis: Den Angaben der Arbeiter-Zeitung zufolge, die ihrem Namen entsprechend auf der Seite der ArbeitnehmerInnen stand und sich als Zentralorgan der Sozialdemokratie Deutschösterreichs verstand, kümmere sich die Sascha-Film nicht um die Vereinbarungen, die sie mit dem Verband der Filmdarsteller getroffen habe, und erkenne damit den Verband nicht an. Die Sascha-Film zahle folglich die vereinbarten Honorar-Tarife nicht und boykottiere die „aufoktroyierten“ organisierten StatistInnen durch Diebstahlgerüchte und Aufhetzung der weiteren Belegschaft. Zudem annonciere die Sascha-Film weiterhin fleißig in „bürgerlichen Blättern“, um nicht organisierte StatistInnen zu finden, die für weniger Geld arbeiten würden. Die Arbeiter-Zeitung fasste die Ereignisse einleitend folgendermaßen zusammen: „Seit ungefähr einem Jahre bestehen zwischen dem Verband der Filmdarsteller, Artisten und Schauspieler und der Sascha-Filmgesellschaft in der Siebensterngasse tiefgehende Differenzen, weil diese Firma, die zu den reichsten Filmgesellschaften auf dem Wiener Platz gehört, die Organisation nicht anerkennen und nicht nach ihren Tarifen bezahlen will. Bisher behalf sich diese Gesellschaft mit unorganisierten Leuten, die sie auf alle 91

mögliche Art anzuwerben versucht hat.“

Der Filmbote auf der einen Seite und die Arbeiter-Zeitung auf der anderen vertraten offensichtlich gegensätzliche Interessen. Während der Filmbote als offizielles Organ der Filmindustriellen für die Arbeitgeber/die Filmfabrikanten eintrat, positionierte sich die Arbeiter-Zeitung eindeutig als Sprachrohr der Arbeitneh-

90 Ebd. (Bez.: O.N.: „Die Ausbeutungsmethoden der Sascha-Filmgesellschaft“, in: Arbeiter-Zeitung 138, 22. Mai 1921, S. 5f.). 91 O.N.: „Die Ausbeutungsmethoden der Sascha-Filmgesellschaft“, S. 5.

282 | Schauspielen im Stummfilm

merInnen/der FilmstatistInnen. Dieselbe Position nahmen auch viele publikumsorientierte Filmzeitschriften ein, die sich nicht nur auf die Seite der Berufsausübenden, sondern auch jene der FilmaspirantInnen stellten, indem sie diese über die Herausforderungen und Gefahren des Berufes informierten. 6.1.4 Aufklärungsarbeit in den Stummfilmzeitschriften Um ihre LeserInnen davon abzubringen, eine Karriere als FilmschauspielerInnen zu beginnen, veröffentlichten die Stummfilmperiodika ab 1919 zahlreiche Beiträge, die vor der Flimmeritis-Falle92 warnten. In dieser Hinsicht besonders engagiert waren die Publikumszeitschriften, die objektiv beschreibende, subjektiv warnende oder auch fiktiv-literarische Texte abdruckten, die nur ein Ziel verfolgten: Den Träumen, Hoffnungen und Illusionen ihrer Leserschaft ein realistisches und nicht selten auch ein abschreckendes Bild von den Berufsanforderungen und Arbeitsbedingungen beim Stummfilm entgegenzustellen. Exemplarisch sollen einige dieser Texte im Folgenden besprochen werden. Der Schwerpunkt liegt auf den warnenden bzw. aufklärenden Beiträgen österreichischer AutorInnen, insbesondere der umfangreichen Aufklärungsarbeit von Friedrich Porges, der wie kein anderer seine Aufgaben darin sah, sein Fachwissen weiterzugeben und jungen FilmaspirantInnen beratend zur Seite zu stehen. Ein beliebter Weg, um vor dem Beruf des Stummfilmschauspielers zu warnen, waren literarische Texte fiktiven oder humoristischen Inhalts. Gedichte (zumeist Balladen), Kurzgeschichten, Fortsetzungsromane und Briefe an imaginäre Personen sollten auf kreative Weise vor Augen führen, was mit Menschen passieren konnte, die ihren Filmträumen nachgingen. Der Ratschlag dieser Warnliteratur93 lautete darum in der Regel, dass man seine sichere Existenz nicht für den Film aufgeben solle, weil einem ansonsten ein ähnliches Schicksal widerfahre wie den jeweiligen ProtagonistInnen. Das Fräulein Nepustil in der Ballade von Illustrator Peter Eng94 fällt z.B. auf einen Kinoschuldirektor namens Fruse herein, der sie mit einem Engagement ködert, zu dem es aber nie kommen sollte. Jahre später sieht die verzweifelte Nepustil schließlich keinen Ausweg mehr und erhängt sich an einem Filmband.

92 Der Begriff wurde von der Verfasserin gewählt und ist in dieser Form nicht in den zeitgenössischen Texten zu finden. 93 Zur Warnliteratur, die den Beruf des Theaterschauspielers bzw. der Theaterschauspielerin zum Inhalt hatte, vgl. Kapitel 3.1.1. 94 Vgl. Peter Eng: „Die bestrafte Eitelkeit. Eine Filmballade“, in: Die Theater- und Kinowoche 1/3 (1919), S. [29]f.

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Der betrügerische Kinoschuldirektor wittert ausgerechnet in diesem Moment ein Geschäft und lässt das erhängte Schreibmaschinenfräulein filmen. So ist Margarete Nepustil zwar letztendlich gefilmt worden, doch dafür hat sie mit ihrem Leben bezahlen müssen. Peter Eng, der damit auf extreme Weise vor den Auswirkungen der Flimmeritis und den Gefahren durch die Schwindelschulen (vgl. Kapitel 6.2.1 und 6.2.2) warnen wollte, riet jungen Frauen daher: „Mädel vor der weißen Leinwand, Hüte dich vorm Flimmerlicht. Bist du schön? Das ist kein Einwand, Heirate ! doch filme nicht. Drum beherz’ge diese Zeilen. [...] Daraus, Mädel, zieh die Lehre: Lasse fein das Filmen sein, Das ist keine Karriere Für ein braves Tippfräulein. Bleibe fest in Deinem warmen Stillen Komptoiridyll, Sonst ergeht’s Dir wie der armen Margarete Nepustil.“

95

Was bei diesem und ähnlichen Texten auffällt, ist, dass überwiegend Frauen im Zentrum der Geschichten standen.96 Generell scheint die Meinung vorgeherrscht zu haben, dass vornehmlich das „schwächere“ Geschlecht für das Filmfieber anfällig sei. Vor allem die „weiblichen Angehörigen des gebildeten Mittelstandes, denen die vier Wände in Haus und Kontor zu eng, der Erwerb [...] zu schmal“ geworden seien, sollen den Drang verspürt haben, zum Film zu gehen.97 Inwieweit das der Wahrheit entspricht, lässt sich heute, ohne entsprechende Statisti-

95 Ebd. 96 Das ist z.B. auch der Fall in einer Ballade im Wiener Filmring von 1923, in der es um eine junge Frau namens Lizzi geht, die auf ihrem Weg zum Filmstar sexuell ausgenutzt wird. Vgl. E[ugen] Zink: „Lizzis Weg zum Film. Eine wahre Begebenheit“, in: Wiener Film-Ring 1/6 (1923), S. 6. 97 Ada Menz: „Der Film und die Dame“, in: Das Kino-Journal 16/667 (1923), S. 3–5, hier S. 3.

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ken, nur mehr schwer nachprüfen. Fest steht aber, dass in den meisten Beiträgen, die von Männern verfasst wurden, eine wertkonservative und antiemanzipatorische Sichtweise zum Vorschein kam, die Frauen lieber vor dem Herd als vor der Kamera sehen wollte. Eine diesbezügliche Ausnahme stellt eine Ballade aus der Filmwelt von 1923 dar.98 Darin wird ein Bild von einem jungen Mann namens Sebastian Patzerl gezeichnet, der von einer Karriere beim Film träumt. Er scheitert jedoch, da es ihm an Aussehen, Garderobe und Talent mangelt. Auch seine Ambitionen, Filmschriftsteller zu werden, bleiben erfolglos. Schließlich endet der als Filmstar und Filmautor gescheiterte Patzerl als Billeteur in einem Kino. Die Ballade beginnt darum mit folgender Botschaft: „Es hat dies Gedichtchen eine Moral. Die gleichzeitig diene als Warnungssignal Für alle jene Damen und Herrn, Welche zum Filme gingen so gern. Glaubt meinen Worten, hört meinen Einwand; 99

Es ist nicht für jeden die flimmernde Leinwand.“

Vor dem Wunsch, „zum Film zu wollen“, und seinen möglichen Konsequenzen wurde aber auch in Form von Kurzgeschichten gewarnt. In einem solchen Text von Rosa Wachtel (um 1900–unbek.), einer österreichischen Journalistin und Filmautorin,100 gibt ein junger Mann namens Franz Müller alles für seinen Filmstartraum auf. Er kündigt seinen Posten als Volontär und überwirft sich mit seinen Eltern. Kurz darauf ist er einer von vielen engagementlosen StatistInnen in der Wiener Filmbörse. Als er schließlich doch für einen Film engagiert wird, stürzt er bei einem Stunt ab, für den er sich anstelle des Hauptdarstellers bereitwillig zur Verfügung gestellt hatte. Für Rosa Wachtel und ihren Protagonisten stellt sich daher die Frage:

98

Vgl. Richard Engel: „Der Flimmerjüngling. Ein Kinodrama mit ‚unglücklichem‘ Ausgang“, in: Die Filmwelt 5/11 (1923), S. 13.

99

Ebd. Ähnlich ist auch die Filmballade von Josef Willner, in der es um alle „Damen“ und „Herren“ geht, die sich in ihren Träumen schon als Filmstars sehen, in Wirklichkeit aber als arbeitssuchende StatistInnen enden. Vgl. Josef Willner: „Wie man Filmstar wird!“, in: Die Filmwelt 7/4 (1925), S. 3f.

100 Vgl. Rosa Wachtel: „Der Statist. Eine traurige Geschichte“, in: Die Filmwelt 4/9 (1922), S. 11f.

6. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I | 285

„Ist der Beruf und das private Leben der berühmten Filmsterne wirklich so ideal und beneidenswert, daß er, Franz Müller, um das gleiche zu erreichen, seinen Posten als Volontär aufgab, sich mit Vater und Mutter zerkriegte und nun schon seit einem halben Jahr Statist an der Filmbörse ist, ohne noch um einen Schritt vorwärts gekommen zu sein. Statist! Der Name ist sein Schicksal. Er ist nur Begleiter einer Handlung, nur Rahmen, leere Wiederholung eines Kostüms, das ein anderer trägt. Er ist Requisit; wandelnde Kulisse, umgibt er diejenigen, die das Sein und den Bau des Films bestimmen. Das hatte er erreicht. Das war die Frucht seines Willens, seiner Träume, seiner Sehnsucht. Jetzt geht er tagtäglich den Weg durch die Neubaugasse zur Börse und wie oft geht er nach einigen Stunden nutzlosen Wartens denselben Weg zurück, niedergeschlagen, niedergedrückt, 101

weil er für den nächsten Tag nicht einmal ein Engagement als Statist bekommen [hat].“

Neben den Kurzgeschichten gab es zudem auch Fortsetzungsromane, die die warnende Botschaft aber häufig in eine Liebesgeschichte oder in ein Abenteuer verpackten. Beispiele sind „Film-Leben! Dichtung und Wahrheit aus dem Leben einer Filmschauspielerin“ in der Filmwelt 1922–24102 oder „Die Diva von der Straße“ im Wiener Kino 1925103. An dieser Stelle soll jedoch nicht näher auf die jeweiligen, zumeist unvollständigen Inhalte eingegangen werden, da andere Textgattungen prägnantere Beispiele der Warnliteratur darstellen, indem sie den Beruf des Stummfilmdarstellers (mit seinen negativen Aspekten) ins Zentrum ihrer Handlung stellten.104

101 Ebd, S. 11. 102 Vgl. Elly Webers: „Film-Leben! Dichtung und Wahrheit aus dem Leben einer Filmschauspielerin“, in: Die Filmwelt 4/12 (1922), S. 6f. [1. Teil] – Die Filmwelt 6/3 (1924), S. 10 [38. Teil]. 103 Vgl. B. A. Ckard: „Die Diva von der Straße“, in: Wiener Kino 3/2 (1925), S. 11f. [1. Teil] – Wiener Kino 3/12 (1925), S. 10f. [9. Teil]. Der Schluss des Fortsetzungsromans fehlt, da das Wiener Kino mit Nr. 12 (1925) eingegangen zu sein scheint (vgl. Anhang A). 104 In Elly Webers Fortsetzungsroman „Film-Leben!“ geht es z.B. um eine junge Frau aus Wien, die Filmschauspielerin werden will, aber von ihrer wertkonservativen Mutter und ihrem Verlobten zurückgehalten wird. Erst als dieser sie betrügt, schafft Hella mithilfe ihres leiblichen Vaters, eines Berufsschauspielers, in der 23. (!) Fortsetzung den Sprung zum Film und wird eine erfolgreiche Filmdarstellerin. Bis zum Schluss des Romans (38. Fortsetzung) steht dennoch Hellas Liebesleben im Vordergrund, das sich vor dem Hintergrund ihrer beruflichen Tätigkeit in der Wiener Filmwelt abspielt. Vgl. Webers: „Film-Leben!“, 1.–38. Fortsetzung.

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Eine weitere Möglichkeit, um falsche Vorstellungen den Beruf betreffend aufzuklären, waren Briefe einer Zeitschriftenredaktion an zumeist fiktive Personen. Ein solches Beispiel findet sich in der Kinowoche von 1921.105 Dabei handelt es sich um einen Brief der Redaktion an das (vermutlich) fiktive Fräulein Putzi, die für all jene Frauen stehen sollte, die in die Redaktion kamen und wissen wollten, wie man zum Film kommen könne. Die Kinowoche warnt Fräulein Putzi und ihre Geschlechtsgenossinnen allerdings eindringlich davor, diesen Schritt zu tun: „Fräulein Putzi, gehen Sie nicht zum Film! Sehen Sie, Fräulein Putzi, Sie sind kein Einzelfall. Genau so wie Sie denken viele, viele Mädchen, die im Kino sitzen und auf der Leinwand eine Künstlerin bewundern: Das treffe ich auch. Und wenn sie von den angeblichen Riesengagen hören: Das möchte ich auch. Und wenn sie dann in der Zeitung von einer ‚Film‘-Schule lesen: Das tu ich auch.“

106

Im weiteren Verlauf des Briefes beschreibt die Kinowoche die Arbeitsbedingungen der meisten Filmaspirantinnen: Sie würden ohne Ausnahme ein Dasein als Komparsin fristen, hätten lange Arbeitstage und niedrige Honorare zu erdulden und würden nicht selten auf die zahlreichen Filmschulschwindler hereinfallen. Abschließend gibt man Fräulein Putzi darum den Tipp, sich nicht an den Film zu verschwenden und stattdessen ihre Schönheit für ihren zukünftigen Ehemann zu pflegen. „Wir glauben, Ihnen einen guten Rat gegeben zu haben und bitten Sie, glauben Sie der ‚Kinowoche‘“107, heißt es zum Schluss. Auch Victor E. Pordes wendete sich in Form eines Briefes an eine vermutlich fiktive „Gnädigste“, um ihre Frage, ob sie aufgrund ihrer Schönheit ein Filmstar werden könne, zu beantworten.108 In seiner Antwort erklärte er, dass der Film „photographierte Bewegung“ sei und nur das Objektiv die Frage nach der Filmeignung, der glaubhaften Bewegung vor der Kamera, beantworten könne. Nur wer auch filmschauspielerisches Talent vorweise, bestehe vor dem Objektiv und dem Regisseur. Pordes warnte die „Gnädigste“ zwar nicht explizit davor, sich als Filmstar zu versuchen, aber er antwortete ihr mit einer Reihe von Gegenfragen, die zum Nachdenken anregen sollten, etwa: „Können Sie lachen und

105 Vgl. o.N. (Red.): „Fräulein Putzi, gehen Sie nicht zum Film!“, in: Die Kinowoche 3/7 (1921), S. [3]f. 106 Ebd., S. [3]. 107 Ebd., S. 4. 108 Vgl. Victor E. Pordes: „Die schöne Frau im Film“, in: Komödie 1/7 (1920), S. 22.

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weinen? Haben Sie die Lebhaftigkeit der Mimik, in der sich jede kleinste Regung in lebendigen Ausdruck, Geste, Bewegung umsetzt?“109 Ein anderes Beispiel findet sich im Wiener Kino von 1924.110 In diesem Brief erhält ein junger Mann (Erich) Ratschläge, damit er nicht zum Film geht. Der Text ist so aufgebaut, dass verschiedene Szenarien am Weg zum Filmstarruhm durchgespielt werden. Dabei gibt es immer zwei Wege: einen guten, der den Filmaspiranten von seinem Traum abbringt, und einen schlechten, der ihn immer weiter hoffen lässt: „Sie stellen, lieber Freund Erich, vier kitzliche Fragen [...]. Ich möchte diese Fragen etwas ausführlicher beantworten. [...] Wie kommen Sie zum Film? Sie setzen sich in einen Straßenbahnwagen, welcher in die Gegend der Neubaugasse fährt. Bekommen Sie keinen solchen Straßenbahnwagen, dann ist alles in Ordnung, denn Sie kommen nicht einmal in die Nähe des Films. Bekommen Sie aber einen, dann lan[d]en Sie in der Wiener Filmgegend Mariahilferstraße–Neubaugasse–Siebensterngasse an und in diesem Falle gibt es wieder zwei Möglichkeiten: Entweder werden Sie vom Bürodiener einer Filmgesellschaft glatt auf die Straße befördert oder Sie werden zum zweiten Vizehilfsregisseurstellvertreteraspiranten vorgelassen. [...] Werden Sie vom Bürodiener unsanft auf die Straße befördert, so ist alles in Ordnung [...].“

111

Über solche Briefe hinaus gab es auch Erfahrungsberichte, die eingesetzt wurden, um die LeserInnen davor zu warnen, dieselben negativen Erfahrungen zu machen wie der Autor oder Bekannte desselben. Zum Beispiel berichtete der österreichische Journalist Fred Heller (1889–1949) 1923 im Wiener Kino vom Fräulein Trude,112 die sich auf seine Empfehlung hin bei einem Filmregisseur vorstellen ging. Trude wurde probegefilmt. Doch obwohl sie sich gut anstellte, wurde sie nicht engagiert. Keine der Bewerberinnen gefiel dem Regisseur. Heller beschrieb diesen Moment so: „‚Bah!‘ machte er. Nicht mehr als ‚bah‘. Seine Hand, so wegwerfend hingeworfen, sagte das übrige. ‚Da waren die siebenundzwanzig anderen,‘ fügte er gedrängt hinzu, ‚noch hübscher, und ich kann sie nicht brauchen.‘“ 113 Der Erfahrungsbericht sollte veranschaulichen, wie mit

109 Ebd. 110 Vgl. o.N. [Antonio]: „Wie komme ich zum Film? Ratschläge an einen jungen Mann, damit er nicht zum Film geht“, in: Wiener Kino 2/5 (1924), S. [2]f. 111 Ebd., S. [2]. 112 Vgl. Fred Heller: „Filmschönheit. Oder: Der ehrbare Antrag“, in: Wiener Kino 1/1 (1923), S. 5. 113 Ebd.

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hoffnungsvollen jungen Frauen in der Filmbranche umgegangen wurde. Während für Trude das Probefilmen schon der erste Schritt zum Stardasein bedeutete, war sie für den Regisseur nur eine von vielen, die seine Erwartungen nicht erfüllen konnte. Von der großen Starkarriere träumte auch der in Wien tätige Journalist Alexander Stern (Pseudonym: Ast, 1886/94–1949), Autor eines weiteren Erfahrungsberichts mit dem Titel „Wie ich filmte“.114 Sterns Ausflug zum Film endete damit, dass er als Komparse hauptsächlich damit beschäftigt war zu warten und dadurch nicht die Art von Aufmerksamkeit erhielt, die er sich erhofft hatte: „Es hat zu meinen ältesten und gänzlich unbefriedigten Sehnsüchten gehört, ein Filmstar zu werden. Ich [...] treffe es weit besser als alle diese Leute, die in aller Munde sind, und kam doch nicht dazu, mein Licht leuchten zu lassen.“115 Die bisher zitierten Texte sollten exemplarisch zeigen, dass die zeitgenössischen AutorInnen ihre LeserInnen davor bewahren wollten, dieselben Fehler zu begehen wie schon viele vor ihnen. Die Botschaft war klar: Geht nicht zum Film! Ein Vertreter der Wiener Filmpresse, der sich besonders stark für die Aufklärungsarbeit einsetzte, war Friedrich Porges. Der Journalist benutzte so gut wie alle „Kanäle“, um vor dem Beruf des Filmschauspielers zu warnen bzw. um ein realistisches Bild davon zu vermitteln, was den Schauspielnachwuchs erwartete. Bereits 1919 hatte Porges seine Monografie Fünfzig Meter Kinoweisheiten publiziert (vgl. Kapitel 4.1.2), die auch als Rat gebendes Handbuch gelten kann. Immer wieder richtete sich Porges darin an die LeserInnen und deckte Diskrepanzen zwischen deren Vorstellungen und der Realität auf. Über seine Filmmonografie hinaus veröffentlichte Porges ebenso aufklärende Artikel, zuerst in der Film-Bühne und ab 1926 in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Mein Film. Auch seine Botschaft lautete immer gleich: Man solle es sich gut überlegen, ob man tatsächlich eine Karriere beim Film beginnen wolle, da nicht jeder aufgrund der hohen Anforderungen für den Beruf des Filmschauspielers geeignet sei. Porges war es darum ein Anliegen, dass die filmambitionierten LeserInnen sich ein realistisches Bild zuerst von den Anforderungen und dann von sich selbst machten. 1924 veröffentlichte er in der Bühne z.B. elf Gebote für „die, die zum Film wollen“ und kommentierte diese mit den Worten: „Es ist manches harte Gebot in der Bibel für Filmaspiranten verzeichnet, das

114 Vgl. [Alexander Stern]: „Wie ich filmte“, in: Die Kinowoche 3/16 (1921), S. [3]f. 115 Ebd., S. [3]. Einen ähnlichen Erfahrungsbericht vgl. B. Aterol: „Ein Filmaufnahmetag. Zur Warnung und Belehrung“, in: Der Kinofreund 1/2 (1924), S. 4–6. – Henryk Schnapek: „Ein Filmaufnahmetag. Zur Warnung und Belehrung . . .“, in: Die moderne Kinopost 1/10 (1925), S. [3–6].

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nicht von jedermann befolgt und erfüllt werden kann.“116 In den elf Geboten beschrieb Porges, was angehende FilmschauspielerInnen mitbringen sollten: 1. ein schauspielerisches Talent, 2. Schauspielerfahrung, 3. ein ebenmäßiges Gesicht, 4. ein ästhetisches Äußeres, 5. ein Wissen um die geringen Erfolgschancen, 6. eine modische Garderobe, 7. einen künstlerischen Geschmack, 8. ein starkes mimisches Talent, 9. Misstrauen gegenüber Filmschulen, 10. ein Vertrauen gegenüber den Bestrebungen der Bühne, wahre Talente zu fördern, 11. die Fähigkeit, die eigenen Hoffnungen im Zaum zu halten.117 In den elf Geboten adressierte Porges den Leser direkt, indem er ihn duzte: Du sollst, Du darfst nicht, Du musst. Dem strengen Ton ist er auch 1927 treu geblieben: „Schlagt euch solche kindliche[n], urdumme[n] Gedanken aus dem Kopf, ihr kleinen Dreizehnjährigen, Vierzehnjährigen, Fünfzehnjährigen! Träume dürfen, sollen schön sein! Aber man muß sie Träume sein lassen und darf sich nicht einbilden, daß man sie, wenn man nur will, in die Wirklichkeit umsetzen kann. Etwa damit, daß man von daheim fortläuft und den ‚Weg zum Filmruhm‘ sucht! Nein, nein, meine Lieben, so geht das 118

nicht!“

Direkte Adressierung scheint generell ein beliebtes Stilmittel gewesen zu sein, wenn es den Filmjournalisten darum ging, ihre LeserInnen zu warnen.119 Auch Fred King, der Präsident des Klubs der Wiener Filmdarsteller (vgl. Kapitel 6.3.3), griff dazu und kam bei seinem Ratschlag kurz und knapp auf den Punkt: „Lasset es!“120

116 Fr[iedrich] P[orges]: „Du sollst – Du mußt – Du darfst nicht . . ! Die elf Gebote für die, die zum Film wollen“, in: Die Bühne 1/7 (1924), S. 77. 117 Vgl. ebd. 118 [Friedrich Porges]: „Unter dem Kopf ‚Der Filmstartraum einer Bürgerschülerin‘ brachte eine Zeitung den Bericht über die Flucht eines kleinen Mädchens aus dem Elternhaus“, in: Mein Film 2/61 (1927), S. 14. 119 Vgl. u.a. Paul Ollop: „Wie komme ich zum Film?“, in: Die Filmwelt – Almanach 4 (1924), S. 33f.; o.N. [G. S.]: „Wollen Sie zum Film“, in: Mein Film 3/123 (1928), S. 15f.; Heinz Udo Brachvogel: „Blond oder Schwarz? Ein Beitrag zu der vielerörterten Frage: ‚Wie komme ich zum Film?‘“, in: Mein Film 4/209 (1929), S. 13. 120 Fred King: „Wie kommt man zum Film?“, in: Die Filmwelt – Almanach 1 (1921), S. 14 u. 16, hier S. 16.

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Friedrich Porges wollte aber nicht nur an einen anonymen Leserkreis schreiben, sondern auch Aufklärungsarbeit im direkten Kontakt mit den Menschen leisten. Deshalb bot er zum einen Sprechstunden in der Mein Film-Redaktion an (Abbildung 9).121 Er war überzeugt davon, dass es ihm auf diese Weise gelinge, möglichst viele junge Leute von dem unbesonnenen Schritt abzuhalten, ihre gesicherte Existenz für das ungewisse Dasein eines Filmdarstellers aufzugeben.122 Zum anderen hielt Porges auch Vorträge über die beruflichen Anforderungen. Am 9. Jänner 1927 sprach er z.B. im Michelbeuern-Theater-Kino (Kreuzgasse 27) über die Eignung zum Filmdarsteller.123 Des Weiteren hielt er im Rahmen der „Dramatischen Kurse“, die in der Komödie (Johannesgasse 4) veranstaltet wurden, eine Vorlesung über Darstellung, Regie und Dramaturgie des Films.124 Über seine Vortrags- und Aufklärungsarbeit schrieb er 1928: „Seit jeher habe ich es für meine Aufgabe gehalten, in bezug auf die Beurteilung solcher junger Leute, die durchaus ‚zum Film wollen‘, streng objektiv zu sein, und ich habe ja in zahlreichen Vorträgen von den Schwierigkeiten gesprochen, die sich jenen zum Film Wollenden entgegenstellen. Ich habe es wiederholt deutlich gemacht, daß vielleicht viele berufen, aber nur sehr, sehr wenige auserkoren sind . . . Ich habe vor übertriebenen Hoffnungen gewarnt. Ich habe auch immer wieder erklärt, daß es eine ‚Schulung‘ zum Filmdarsteller nicht gibt [...]. Die Eignung zum Filmdarsteller bestimmen nicht allein das Äußere, sondern das Einfühlungstalent, der Reichtum an Gefühlen, die Fähigkeit, diesen Gefühlen Ausdruck, mimischen Reflex zu verleihen.“

125

Was Friedrich Porges hier ausführte, war auch die zeitgenössische Antwort auf die viel gestellte Frage „Wie komme ich zum Film?“. Im Grunde genommen beschrieb er, wie auch andere AutorInnen,126 die im vorigen Kernkapitel erläuter-

121 Vgl. o.N.: „Sprechstunden der Redaktion ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 1/12 (1926), S.10. 122 Vgl. [Friedrich Porges]: „Die Zeitschrift ‚Mein Film‘ veranstaltet öffentliche Filmprüfungen“, in: Mein Film 4/180 (1929), S. 6f., hier S. 6. 123 Vgl. [Vereinigung der Kinofreunde]: „Vortrag Friedrich Porges bei der Kinogemeinde“, in: Mein Film 2/54 (1927), S. VIII. 124 Vgl. o.N.: „Dramatische Kurse in der Komödie“, in: Mein Film 4/198 (1929), S. 2. 125 Porges: „Die Zeitschrift ‚Mein Film‘ veranstaltet öffentliche Filmprüfungen“, S. 6. 126 Vgl. u.a. o.N.: „Wie kommt man zum Film?“, in: Die Kinowoche 2/18 (1920), S. [3]–5; King: „Wie kommt man zum Film?“, S. 14 u. 16; J. Steinauer: „Talent und Protektion“, in: Die Filmwelt 4/18 (1922), S. 3f.; o.N.: „Der Weg zum Filmstar“, in: Die Filmwelt – Almanach 3 (1923), S. 16–18; Menz: „Der Film und die Dame“,

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ten primären Anforderungen an StummfilmschauspielerInnen: ein kamerataugliches Aussehen und ein darstellerisches Talent. Dementsprechend waren nicht alle, die „zum Film wollten“ geeignet, weshalb Porges dazu aufrief, mit voller Objektivität seine Filmeignung einzuschätzen bzw. einschätzen zu lassen. Er empfahl darum, sich Rat bei einem Fachmann der Branche zu holen, der die Eignung durch sein Branchenwissen und eine Probeaufnahme beurteilen könne (vgl. Kapitel 6.1.1). Zudem riet er dazu, sich vor dem Kontakt mit der Filmbranche einer „Spiegelprobe“ zu unterziehen. Dafür sollte man vor einen Spiegel treten und sich in eine konkrete Stimmung versetzen. Wenn die Stimmung echt sei, dann spiegle sie sich u.a. im Gesichtsausdruck wider. Würden die Mienen allerdings nicht dem „seelischen Befehl“ gehorchen, fehle es einem an Begabung, sich in eine Rolle einfühlen zu können.127 Doch selbst wenn ein gewisses Talent vorhanden war, sollte dieses auf keinen Fall in einer Filmschule trainiert werden. Wie der nächste Abschnitt zeigen wird, war die von Porges gepredigte Selbsteinschätzung auch wichtig, um nicht auf Betrüger hereinzufallen, die fälschlicherweise versprachen, jede/n – unabhängig von ihrer/seiner tatsächlichen Begabung – zu einem Star zu machen. Abbildung 9: Sprechstunde in der Mein Film-Redaktion

Quelle: Mein Film, 1926 (UB Wien)

S. 3; Ollop: „Wie komme ich zum Film?“, S. 33f.; o.N.: „Wer ist zum Film berufen?“, in: Bettauers Wochenschrift (BFR) 1/15 (1927), S. V; o.N. [G.S.]: „Wollen Sie zum Film“, S. 16; Brachvogel: „Blond oder Schwarz?, S. 13. 127 [Porges]: „Eine Antwort an viele“, S. 12.

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6.2 DIE NOTWENDIGKEIT EINER (STUMM-)FILMSPEZIFISCHEN AUSBILDUNG Während die einen versuchten, ohne schauspielerische Vorbildung und Erfahrung eine Filmschauspielkarriere zu beginnen, wollten die anderen sich vorher ausbilden lassen. Da es jedoch keine seriösen Ausbildungsmöglichkeiten für StummfilmdarstellerInnen in Wien gab, fielen Ausbildungswillige unweigerlich BetrügerInnen zum Opfer, deren oberstes Ziel die eigene finanzielle Bereicherung war. Der Wiener Filmschulskandal und der Kampf gegen einzelne FilmschulbetrügerInnen war daher ein ständiges Thema in den österreichischen Stummfilmperiodika. Neben der Forderung nach strafrechtlicher Verfolgung gab es auch Ideen, wie man den Schwindelschulen selbst entgegenwirken könnte. Die Filmzeitschriften versuchten darum einerseits über Talentwettbewerbe geeigneten Schauspielnachwuchs zu rekrutieren, andererseits die Verwirklichung einer seriösen Filmschule, wie es sie im Ausland längst gab, anzuregen. Zu Letzterem sollte es in Österreich aber erst 1933 kommen. Die Zeit bis dahin, die geprägt war vom Betrug an ausbildungswilligen FilmaspirantInnen, ist Thema der nachfolgenden Kapitel. 6.2.1 Der Wiener Filmschulskandal „Es gibt eine Gefahr für die heranwachsende Jugend, die schlimmer ist, als hundert andere und die viele auf Abwege bringt. Das ist die Filmschule!“128, hieß es im Kino-Journal 1922. Tatsächlich waren zu diesem Zeitpunkt die Film- bzw. Kinoschulen in Wien zum Dauerthema in den Stummfilmperiodika geworden. Das Problem bestand darin, dass mit Aufschwung der österreichischen Filmwirtschaft während des Ersten Weltkriegs etliche Betrüger Schwindelschulen gegründet hatten, um so an die Ersparnisse der von einer Starkarriere träumenden Jugend zu kommen. Im Kino-Journal schrieb man dazu 1920: „Diese Flimmeritis greift leider immer mehr um sich, und gewissenlose Geschäftsleute (um nicht geradeaus zu sagen Schwindler) haben sich das denn auch massenhaft zu Nutze gemacht und jene Sorte Menschen [...] unter dem Vorwande der Ausbildung zu erstklassigen Filmschauspielern nach allen Regeln der Kunst zu schröpfen gewußt. Die sogenannten Kinoschulen sind allenthalben wie Pilze aus dem Boden gewachsen, und Unzählige

128 O.N.: „‚Zum Film wollen . . .‘ Eine Warnung“, in: Das Kino-Journal 15/620 (1922), S. 3f., hier S. 3.

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sind schon darauf reingefallen und dabei nicht nur um ihre Ersparnisse, sondern in den meisten Fällen auch um ihre bisherige gesicherte Existenz gekommen.“

129

Der Betrug war derart gestaltet, dass die Filmschulbetrüger schauspielunerfahrenen Menschen, unabhängig von ihrer tatsächlichen Filmeignung, ein Talent bescheinigten und ihnen – nach Absolvierung eines mehrwöchigen und vor allem kostenpflichtigen Kurses in ihrer Schwindelschule – ein Engagement und eine fabelhafte Karriere beim Film versprachen. Doch stattdessen waren die (finanziell) betrogenen SchülerInnen nach Beendigung ihrer „Ausbildung“ arbeitslos oder mussten ein Dasein als StatistIn/KomparsIn fristen. Die Neue Kino-Rundschau beschrieb die Situation 1918 folgendermaßen: „Erst wenn so gar kein Fabrikant einsehen will, daß der neugebackene Filmtragöde oder die frischerstandene Filmdiva ein zugkräftiger ‚Star‘ ist, wenn das bißchen Geld in die ‚Kinoschule‘ abgeflossen ist und das graue Elend an die Türe pocht, dann erkennen die armen Filmenthusiasten, daß sie Schwindlern aufgesessen sind. Manche führen dann ein elendes Leben als Statisten dritter und vierter Güte weiter und nur wenige finden die Kraft und den Mut, zu ihrem früheren Beruf zurückzukehren, der sie zwar weniger berühmt macht, dafür aber ehrlich erhält.“

130

Für den Filmboten hatte der Filmschulschwindel daher sowohl eine soziale als auch eine kriminelle Komponente. Auf der einen Seite stand die Ausbeutung Unschuldiger und die „Züchtung“ eines Filmproletariats, auf der anderen der finanzielle Betrug und manchmal sogar Unzucht.131 Den zeitgenössischen Berichten zufolge war das System, die konkrete Vorgehensweise der Filmschulschwindler, dabei immer ähnlich: Zuerst platzierte ein Betrüger ein Inserat im Anzeigenteil einer Tageszeitung. Mit demjenigen, der sich daraufhin meldete, wurde ein Termin vereinbart, der in vielen Fällen an einem abgelegenen Ort stattfand. Dort wurde der potenzielle Schüler von einem

129 O.N. [Oly]: „Kinoschulen“, in: Das Kino-Journal 13/3 [504] (1920), n.pag. – Wiener Eisbär 2/17–18 (1920), S. 5. 130 O.N.: „Eine Grazer ‚Kinoschule‘“, in: Neue Kino-Rundschau 2/74 (1918), S. 4–6, hier S. 4. 131 Vgl. o.N.: „Filmschulenskandal. Energisches Einschreiten der Polizeibehörde“, in: Der Filmbote 3/37 (1920), S. 10f. (Bez.: nicht eruierbar). Ähnliche Betrugsversuche gab es auch im Theaterwesen seit dem 19. Jahrhundert. Vgl. Stefanek: Die Schauspielererziehung im Wiener Theaterbetrieb des 19. Jahrhunderts, S. 81f.; Terharen: Von der Schmierenkomödiantin zur Hofschauspielerin, S. 93 u. 95f.

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„Lehrer“, „Professor“ oder „Regisseur“ empfangen, vor dessen Augen er eine Talentprobe ablegen musste. In der Regel war der Filmschulbetrüger vom Talent des Bewerbers, ungeachtet seiner tatsächlichen schauspielerischen Begabung und körperlichen Eignung, überzeugt, legte ihm aber zur Vollendung seines Talents nahe, einen wenige Wochen dauernden Kurs in seiner Schule zu besuchen. Nachdem die Einschreibe- und Kursgebühren bezahlt waren, fand tatsächlich ein Unterricht statt, der aber zumeist die (kontraproduktive) Idee vermittelte, dass ein bestimmter Affekt einen adäquaten physischen Ausdruck zur Folge haben sollte. Nach Beendigung des Kurses (und gegebenenfalls daran anschließender, kostenpflichtiger Aufbaukurse) erhielt der Teilnehmer ein Zeugnis, das ein Engagement bei einer beliebigen Filmfirma in Wien garantierte – ein Versprechen, das in der Realität nicht eingelöst werden konnte.132 Eine Variante dieses Systems waren Schwindelfilmfabriken, die BewerberInnen entweder nach einer zuvor zu bezahlenden Einlage einzustellen versprachen oder ihnen dazu rieten, ihrem „Talent“ in einem kostenpflichtigen Kurs der firmeninternen Schule den letzten Feinschliff zu geben.133

132 Vgl. u.a. folgende Erfahrungsberichte und Reportagen: O.N. [P.W.]: „Zum Kapitel Filmschulen. Eine Zuschrift aus dem Publikum“, in: Die Kinowoche 1/4 (1919), S. 5 (Orig.: anonyme bzw. anonymisierte Zuschrift aus dem Leserkreis); Karl Hütter: „Die Filmschule. Ein Kapitel Großstadtschwindel“, in: Neue Kino-Rundschau 3/141 (1919), S. 6–8 (Orig.: nicht eruierbar); o.N.: „Der Schwindel der Filmschulen“, in: Die Pause (FP) 1/5 (1919), n.pag. (Orig.: Alfons Bolz-Feigl: „Filmschulen!“, in: Neue Kino-Rundschau 3/114 (1919), S. 9; Hütter: „Die Filmschule“, S. 6f.); o.N.: „Eine Filmschauspielerfabrik“, in: Wiener Eisbär 2/19–20 (1920), S. 4 (Orig.: Wiener Montag-Blatt); o.N. [Florian]: „Die Schule der Grimassen“, in: Die Kinowoche 2/11 (1920), S. 10, 14 u. 16; o.N.: „Flimmer-Flunkerei. Oder: Wie man kein Filmstar werden kann“, in: Die Bühne 1/5 (1924), S. 52; o.N. [Bob]: „Ich bin Filmschüler“, in: Die Bühne 4/121 (1927), S. 35f.; F[ranz] Pollak: „‚Filmunterricht für Herren und Damen erteilt . . .‘ Die Filmschulenschwindler und ihre Opfer“, in: Mein Film 2/61 (1927), S. 10. 133 Vgl. u.a. o.N.: „Parasiten der Branche“, in: Neue Filmwoche 1/27 (1919), S. [3] (Bez.: O.N.: „Filmdrama! [Inserat 79223]“, in: Neues Wiener Tagblatt 95, 6. April 1919, S. 38; o.N.: „Filmaufnahmen! [Inserat 79224]“, in: Neues Wiener Tagblatt 95, 6. April 1919, S. 38); o.N.: „Filmschulen“, in: Neue Kino-Rundschau 3/111 (1919), S. 45 (Orig.: „Parasiten der Branche“, S. [3]); Fred Holy: „Filmschulen“, in: Die Filmwelt – Almanach 1 (1921), S. 16 u. 18; o.N. [Nt.]: „Filmschulenschwindel“, in: Der Neue Film [1]/4–5 (1921), S. 3f.

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Das beschriebene Betrugssystem war aber nicht nur ein Wiener Phänomen, sondern hatte sich in ganz Europa und auch in den USA verbreitet. Berichte über Schwindelschulen fanden sich u.a. für Berlin, Hamburg, München, Brünn, Budapest, Lemberg, England und Hollywood. Bereits im Jahr 1914 bemerkte man in der Filmwoche: „In Berlin, wo man uns ja bekanntlich nicht nur in nachahmenswerten, sondern auch in verdammenswerten Angelegenheiten stets voraus ist, steht daher der Beruf eines Filmschauspiellehrers [...] seit längerer Zeit in Blüte [...].“134 Dennoch konnten die Filmschulschwindler besonders in Wien große Erfolge feiern. Aus heutiger Sicht kann ein Zusammenhang gesehen werden zwischen einem der Flimmeritis geschuldeten Ausbildungsbedürfnis einerseits und einem Mangel an seriösen Ausbildungsmöglichkeiten andererseits (vgl. Kapitel 6.2.3). Die zeitgenössischen Filmjournalisten sahen den Erfolg der Filmschulbetrüger jedoch vor allem im Kontext der Entwicklung der österreichischen Filmwirtschaft. Demzufolge hatten die BetrügerInnen vom Aufschwung während des Ersten Weltkriegs profitiert.135 Auch in Mein Film wurde 1926 rückblickend ein solcher Zusammenhang konstatiert: „Vor ungefähr sechs Jahren [1920, A.D.], als die österreichische Filmindustrie noch in Blüte stand und für junge Leute die Aussichten gegeben schienen, beim Film Beschäftigung zu finden, haben Ausbeuter die Gelegenheit ergriffen, um jene jungen Leute, die den Wunsch hegten, zum Film zu kommen, mit Versprechungen, ihnen ein Filmengagement zu verschaffen, an sich zu locken. In Filmschulen und Filmkursen sollte die ‚Ausbildung‘ der Filmaspiranten erfolgen. Eine ganze Reihe solcher Filmschulen tauchte damals auf [...]. [...] In der Zeit, da die Wiener Filmindustrie brach lag, versuchte niemand Filmschüler zu werben, denn auch der Dümmste und Naivste ließ sich in solcher Zeit der Nichtarbeit kaum einreden, daß er beim Film Beschäftigung finden könnte. Nun [1926, A.D.] ist wieder die Zeit gekommen, in der in Wien Filme hergestellt werden, und schon tauchen wieder jene Elemente auf, die sich die Leichtgläubigkeit und Unwissenheit junger Mädchen und junger Männer zunutze machen wollen, um für sich auf betrügerische Weise Kapital 136

herauszuschlagen.“

134 O.N.: „Filmschauspiel-Schulen“, in: Die Filmwoche 2/57 (1914), S. 4 u. 21f. Vgl. auch o.N.: „Die Aufhebung der Filmschulen“, in: Die Filmwoche 6/255 (1918), S. [5]f., hier S. [5]; Peter C. Slansky: Filmhochschulen in Deutschland. Geschichte – Typologie – Architektur. München: edition text + kritik, 2011, S. 52f. 135 Vgl. o.N.: „Die leidigen Kinoschulen“, in: Die Filmwoche 4/176 (1916), S. [5]. 136 O.N.: „Kampf gegen den Filmschulenschwindel. Eine Warnung an alle, die zum Film wollen“, in: Mein Film 1/28 (1926), S. 4.

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Die Ursachen des Filmschulskandals sind aber nicht nur in den Phasen der Hochkonjunktur der österreichischen Filmwirtschaft, sondern darüber hinaus auch in den Folgen des Ersten Weltkriegs für die Wirtschaft im Allgemeinen zu sehen. Arbeitslosigkeit und Mangel an Waren aller Art führten offenbar dazu, dass der Film als verlockende Möglichkeit wahrgenommen wurde, um rasch und ohne große Strapazen zu Geld und Ruhm zu gelangen. Deshalb waren die Filmschulen so attraktiv: Scheinbar konnte man dort innerhalb weniger Wochen zum Filmschauspieler bzw. zum Filmstar ausgebildet werden. Der Betrug an Ausbildungswilligen beschäftigte die österreichischen Stummfilmperiodika daher bereits ab 1914. In chronologischer Reihenfolge sollen nun die wichtigsten Ereignisse rund um den Wiener Filmschulskandal zusammengefasst werden. Es hätte allerdings den Rahmen der vorliegenden Arbeit gesprengt, den Werdegang und die kriminellen Aktivitäten jedes einzelnen Filmschulbetrügers mithilfe zeitgenössischer Quellen zu überprüfen.137 Die folgende Skizzierung ist darum als eine Art „Pressespiegel“ gedacht, der zeigen soll, wie präsent der Filmschulskandal in den zeitgenössischen Periodika war. Quellenkritisch beleuchtet wird hingegen der herausragende Fall von „Dr. Franz Ferdinand“, dem lange Zeit erfolgreichsten Filmschulschwindler Wiens, dem das nächste Kapitel gewidmet ist. 1914–16 – Der Österreichische Komet warnte als eine der ersten Filmzeitschriften vor den zunehmend aufkommenden Kinoschulen bzw. „Filmfabriken“ in Wien.138 Besonderes Interesse zeigte das Fachperiodikum an Georg Karrer (eig. Oskar Harrer), der sich mit seinen Schülerinnen verlobt haben und als Heiratsschwindler zu zehn Monaten „Kerker“ verurteilt worden sein soll. Darüber hinaus berichtete der Österreichische Komet, dass wiederholt Betroffene in die Redaktion gekommen seien und über ihr Schicksal geklagt hätten. Der Fall eines jungen Mannes, der in einer Filmschule in der Lerchenfelderstraße um sein Geld gebracht worden war, wurde von der Fachzeitschrift folgendermaßen kommentiert: „Wir konnten dem jungen Mimen keinen anderen Trost geben, als daß er einer von jenen Dummen sei, die niemals alle werden. Allerdings müssen wir zugeben, daß sich da unter den Augen der Oeffentlichkeit eine Art Raubrittertum

137 Dasselbe gilt für die zitierten Inserate, von denen nur die relevantesten in den Tageszeitungen überprüft werden konnten. 138 Vgl. o.N.: „Ein Kapitel aus der österreichischen ‚Filmfabrikation‘“, in: Österreichischer Komet 7/238 (1914), S. [1]f.; [Karl Weiß]: „Richtigstellung“, in: Österreichischer Komet 7/239 (1914), S. 12; o.N.: „Das Geschäft mit den Kinoschulen“, in: Österreichischer Komet 8/278 (1915), S. 6; o.N.: „Das System der Kinoschulen“, in: Österreichischer Komet 9/318 (1916), S. 12 u. 21.

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herauswächst.“139 Darum forderte der Österreichische Komet das Einschreiten der Polizeidirektion und legte den Betroffenen nahe, sich in Zukunft dort zu melden.140 1914–19 – Die Filmwoche konzentrierte sich im Kampf gegen die Filmschwindelschulen auf die Analyse einzelner Inserate, die im Anzeigenteil bekannter Wiener Tageszeitungen, wie dem Illustrirten Wiener Extrablatt oder dem Neuen Wiener Tagblatt, platziert worden waren.141 Mit den Analysen wollte die Filmwoche zum einen die Öffentlichkeit warnen, zum anderen sollte die Tagespresse gegenüber solcher Inserate sensibilisiert werden. Außerdem forderte auch die Filmwoche das Einschreiten der Behörden: „Die Zahl der Geprellten erreicht aber in Wien bereits hunderte und es wäre höchste Zeit, daß die Behörde diesem Erwerbszweige ein Ende setzt.“142 1918 – Die Neue Kino-Rundschau und die Filmwoche vermeldeten, dass die Wiener Polizeidirektion die Sperrung aller unseriösen Filmschulen, die keine Schulkonzession gehabt hätten und deren primärer Zweck die finanzielle Berei-

139 O.N.: „Das Geschäft mit den Kinoschulen“, S. 6. 140 Vgl. o.N.: „Das System der Kinoschulen“, S. 12. 141 Vgl. o.N.: „Filmschauspiel-Schulen“, S. 4 u. 21f. (Bez.: [F. Bisenz]: „Junge, hübsche Damen [Inserat 55223]“, in: Illustrirtes Wiener Extrablatt 87, 29. März 1914, S. 37; [ders.]: „Vollständige, erstklassige Ausbildung [Inserat 55222]“, in: Illustrirtes Wiener Extrablatt 87, 29. März 1914, S. 38; [Dukes]: „Kino-Unterricht [Inserat 2672]“, in: Neues Wiener Tagblatt 87, 29. März 1914, S. 114); o.N.: „Filmschauspielschulen“, in: Die Filmwoche 2/58 (1914), S. 24 (Bez.: O.N.: „Junge Damen, welche Lust [Inserat 12079]“, in: Neues Wiener Tagblatt 101, 12. April 1914, S. 48); o.N.: „Zum Kapitel ‚Filmschauspiel-Schulen‘“, in: Die Filmwoche 2/59 (1914), S. 4 u. 21; o.N.: „Zum Kapitel ‚Kinoschulen‘“, in: Die Filmwoche 3/127 (1915), S. 8 (Orig.: O.N.: „Hübsche Damen hohe Gage! [Inserat 46877] / [C. und W. Godlewski]: „Die einzig richtige Ausbildung zum Filmdarsteller [Inserat 47466] / [Wiener Burgfilm-Industriegesellschaft]: „Einzig fachmänn[ische] Ausbildung in Wien [Inserat 50354]“, in: Neues Wiener Tagblatt 267, 26. September 1915, S. 89); o.N.: „Die leidigen Kinoschulen“, S. [5]; o.N.: „‚Filmunterricht‘“, in: Die Filmwoche 5/226 (1917), S. 44 (Orig.: „‚Filmunterricht‘. Zur Überwachung der Privatschulen“, in: Der Abend 178, 21. August 1917, S. 3f.); o.N.: „Zum Kapitel Kinoschulen“, in: Neue Filmwoche 1/36 (1919), S. [3]. 142 O.N.: „‚Filmunterricht‘“, S. 44. Vier Jahre später scheint sich die Situation nicht gebessert zu haben. 1922 wurde noch immer das Einschreiten der Behörden mit Nachdruck gefordert. Vgl. Fred Holy: „Ueber dumme Menschen, Hochstapler und – Filmschulen“, in: Die Filmwelt 4/6 (1922), S. 10–12 (Bez.: nicht eruierbar).

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cherung der Betreiber ohne adäquate Gegenleistung gewesen sei, angeordnet habe.143 Obwohl kurze Zeit später Inserate von Filmschulbetrügern in den Tageszeitungen veröffentlicht wurden, erklärte man Wien zum Vorbild, nachdem eine junge Frau der Neuen Kino-Rundschau geschrieben hatte, dass sie in einer Grazer Kinoschule144 betrogen worden sei: „In Wien hat die Polizeibehörde erfreulicher Weise dem Kinoschulenunfug mit energischer Hand ein Ziel gesetzt. Leider scheinen die Polizeibehörden in den Kronländern dem Wiener Beispiele nicht gefolgt zu sein, wenigstens nicht in Graz [...].“145 1919 – Ein Ziel des 1919 gegründeten Verbandes der Filmdarsteller (vgl. Abschnitt 6.3) war die Bekämpfung des Kinoschulbetruges.146 Maßnahmen zur Umsetzung dieses Ziels waren: 1. die Eröffnung der Wiener Filmbörse zur Unterstützung arbeitssuchender FilmdarstellerInnen (vgl. Kapitel 6.1.2), 2. die Nichtaufnahme bzw. der Ausschluss von FilmschülerInnen/-schulabsolventInnen, 3. die Veröffentlichung aufklärender und warnender Artikel im Verbandsorgan, der Neuen Kino-Rundschau, 4. Gespräche mit den Regierungsvertretern. Schon kurz nach der Gründung des Verbandes im April 1919 wurde daher in einer Vorstandssitzung beschlossen, „den Kampf gegen diese Parasiten mit allen gesetzlichen Mitteln aufzunehmen“147. 1920 – Der Filmbote deckte in diesem Jahr den Schwindel der ExzelsiorFilmfabrik in der Sternwartegasse 68 auf.148 Die Anschuldigungen der Fachzeit-

143 Vgl. o.N.: „Behördliche Schließung von Filmschulen“, in: Neue Kino-Rundschau 2/52 (1918), S. 59; o.N.: „Sperrung der Filmschulen“, in: Die Filmwoche 6/253 (1918), S. 8 (Orig.: Illustrirtes Wiener Extrablatt 57, 1. März 1918, S. 6); o.N.: „Die Aufhebung der Filmschulen“, S. [5]f. 144 Vgl. o.N.: „Eine Grazer ‚Kinoschule‘“, S. 4–6 (Orig.: anonymisierte Zuschrift vom 29. Juli 1918); Fero Jänny: „Eingesendet“, in: Neue Kino-Rundschau 2/75 (1918), S. 84f. (Orig.: Zuschrift). 145 O.N.: „Eine Grazer ‚Kinoschule‘“, S. 4. 146 Vgl. o.N.: „Die Filmbörse“, S. 4; [Verband der Filmdarsteller]: „Filmschulen“, in: Neue Kino-Rundschau 3/112 (1919), S. 14 – Die Filmwelt 1/8 (1919), S. 16; Alfons Bolz-Feigl: „Filmschulen!“, in: Neue Kino-Rundschau 3/114 (1919), S. 8–10 – Die Kinowoche 1/3 (1919), S. 4f.; ders.: „Der Kampf gegen die Kinoschulen“, in: Neue Kino-Rundschau 3/117 (1919), S. 6f. 147 [Verband der Filmdarsteller]: „Filmschulen“, S. 14. 148 Vgl. o.N.: „Der Filmschulenschwindel“, in: Der Filmbote 3/19 (1920), S. 14f. – Wiener Eisbär 2/21–22 (1920), S. 4f.; o.N.: „Die ‚Exzelsior‘-Filmfabrik“, in: Der Filmbote 3/20 (1920), S. 33 (Orig.: Zuschrift von Fred Bersée); o.N.: „Filmschwindel“, in: Der Filmbote 3/33 (1920), S. 13; o.N.: „Filmschulenskandal“, S. 10f.; o.N.:

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schrift blieben aber nicht lange unbeantwortet. Der Betriebsdirektor Fred Bersée (eig. Friedrich Beer) verteidigte sich und sein Unternehmen in einer Stellungnahme, die der Redaktion allerdings in stilistischer und orthografischer Hinsicht fragwürdig erschien. Als man Fred Bersée schließlich verhaftet hatte, wurde dies im Filmboten darum mit folgenden Worten kommentiert: „Unter den Verhafteten befindet sich auch der von uns oft genannte Herr Fred Bersée recte Friedrich Beer, der einmal die Frechheit besaß, eine unserer Veröffentlichungen über seine Schwindelfirma mit einer – freilich unorthographischen – Berichtigung zu beantworten.“149 1922–25 – Anfang der 1920er Jahre trat die Filmwelt ihren Feldzug gegen einzelne FilmschulschwindlerInnen an. Unter den von der Publikumszeitschrift angeprangerten Personen waren Franz Bruckmüller und Ferdinand Mezulianik150, Leopold Feßler und Rudolf Zambauer151, Eduard Remm152 , Max Gräf153, „Prof.“ Gilbert und Valy de Firbiss 154 . Besonders über den Fall Bruckmüller/Mezulianik wurde ausführlich berichtet. Trotzdem bedauerte der Filmbote, dass deren Verurteilung „in der Oeffentlichkeit [...] zu wenig bekannt geworden [sei]. Viele Hunderte von Menschen hätten diesen Prozeß in allen Phasen lesen müssen, hätten daraus Lehren schöpfen und dadurch abgeschreckt werden sollen“155.

„Verhaftung von Filmschulenschwindlern“, in: Der Filmbote 3/39 (1920), S. 12 (Bez.: nicht eruierbar). 149 O.N.: „Verhaftung von Filmschulenschwindlern“, S. 12. 150 Vgl. o.N.: „[Die Filmschul-Direktoren]“, in: Die Filmwelt 4/11 (1922), S. 15; Fred Holy: „Noch einmal der Filmschulschwindel“, in: Die Filmwelt 4/12 (1922), S. 3f. (Orig.: nicht eruierbar); o.N.: „Zum Kapitel Filmschulschwindel“, in: Die Filmwelt 7/4 (1925), S. 2. Vgl. auch o.N.: „Der Filmschulenschwindel“, in: Der Filmbote 5/23 (1922), S. 2; o.N.: „Schandflecken“, in: Der Filmbote 5/24 (1922), S. 6. 151 Vgl. Holy: „Noch einmal der Filmschulschwindel“, S. 4. 152 Vgl. o.N.: „Filmschulschwindel ohne Ende“, in: Die Filmwelt 5/20 (1923), S. 9. 153 Vgl. H[enryk] Sch[napek]: „Und immer wieder: Filmschulschwindel“, in: Die Filmwelt 6/34 (1924), S. 4f., hier S. 4; [ders.]: „Er läßt nicht nach“, in: Die Filmwelt 7/2 (1925), S. 10f., hier 11. 154 Vgl. Sch[napek]: „Er läßt nicht nach“, S. 11; o.N.: „Zum Kapitel Filmschulschwindel“, S. 2. 155 O.N.: „Der Filmschulenschwindel“ [1922], S. 2.

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1926 – Als sich aufgrund des Kontingentierungsgesetzes eine langsame Erholung der österreichischen Filmwirtschaft abzeichnete, traten in Wien wieder vermehrt Schwindelschulen und -fabriken in Erscheinung.156 In der im selben Jahr gegründeten Illustrierten Mein Film warnte man vor der neuerlichen Gefahr und betonte, dass es in Österreich keine seriöse Ausbildungsmöglichkeit für FilmschauspielerInnen gebe: „Gleichzeitig wollen wir auch eindringlichst vor den Filmschulenschwindlern warnen, die jetzt wieder aufzutauchen scheinen. Es gibt keine Ausbildung für den Film, vor allem nicht auf dem Wege von sogenannten ‚Filmschulen‘. Also nochmals: Vorsicht!!“157 Die Filmzeitschriften sahen es folglich als ihre Aufgabe an, ihre LeserInnen über die Schwindelschulen zu informieren und vor einzelnen Filmschulbetrügern zu warnen. Das taten sie entweder, wie gezeigt werden konnte, im Rahmen der Berichterstattung zu einem neuen Skandal – oder in kreativer Weise, etwa in Form von Balladen oder Karikaturen. Zum Beispiel veröffentlichte die Filmwelt 1922 eine Karikatur von Peter Eng, die eine wenig ansehnliche Frau zeigt, der von einem Filmschuldirektor großer Erfolg versprochen wird: „[N]ur ein paar Wochen in meiner Filmschule, Frau Schmalzteppinger, und binnen kurzem sind Sie die Leuchte der Wiener Filmindustrie!“158 Einige Ausgaben später zeichnete Eng wiederum einen Filmschuldirektor, der sich über seine Opfer lustig macht, indem er sie abschätzig als „Ochsen“ und „Gänse“ bezeichnet.159 Ebenfalls aus der Feder von Peter Eng stammten die Illustrationen zu seiner Ballade „Die bestrafte Eitelkeit“, die im vorigen Kapitel zur Aufklärungsarbeit in den Stummfilmperiodika besprochen worden ist. Die Bilder veranschaulichen den im Text festgehaltenen Leidensweg von Margarete Nepustil vom Schreibmaschinenfräulein zur toten Filmdarstellerin (Abbildung 10a).160 Dieses Horrorszenario sollte – als extremes Beispiel für die Gefährlichkeit der Filmschulen – abschreckend wirken. Denselben Zweck verfolgte auch eine Zeichnung von Rudolf Ma-

156 Vgl. [Friedrich Porges]: „Der Film als Beruf: VII. Warnung vor Filmschulenschwindlern“, in: Mein Film 1/10 (1926), S. 8 (Orig.: Radiovortrag „Die zum Film wollen . . . .“, Radio Wien, 27. Februar 1926, vgl. [RAVAG]: „Wiener Programme: Samstag, 27. Februar“, in: Radio-Wien 2/21 (1926), S. 846); o.N.: „Filmschwindel“, in: Mein Film 1/22 (1926), S. 2 (Bez.: nicht eruierbar); o.N.: „Warnung vor Filmschwindlern!“, in: Mein Film 1/27 (1926), S. VI; o.N.: „Kampf gegen den Filmschulenschwindel“, S. 4. 157 O.N.: „Warnung vor Filmschwindlern!“, S. VI. 158 Holy: „Ueber dumme Menschen, Hochstapler und – Filmschulen“, S. 11. 159 Holy: „Noch einmal der Filmschulschwindel“, S. 3. 160 Vgl. Eng: „Die bestrafte Eitelkeit“, S. [29]f.

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touschek in der Filmwelt von 1924 (Abbildung 10b), die die Bildunterschrift trägt: „Folgst Du nicht der ‚Filmwelt‘ schnelle / Kommst Du in die Filmschulhölle.“161 Abbildung 10a: Illustrierte Filmballade

Quelle: Die Theater- und Kinowoche, 1919 (UB Wien) 161 O.N. [A.Z.]: „Ein alter Schwindler mit einem neuen Fangnetz“, in: Die Filmwelt 6/33 (1924), S. 9f., hier S. 9.

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Abbildung 10b: Karikatur zum Wiener Filmschulskandal

Quelle: Die Filmwelt, 1924 (UB Wien)

Neben den österreichischen Stummfilmperiodika warnten zudem auch selbstständige Publikationen vor der „Filmschulhölle“. Aufmerksamkeit erregte besonders eine Broschüre mit dem Titel Kinoschulen, die 1919 in Berlin veröffentlicht wurde.162 Autor war der deutsche Journalist Egon Jacobsohn, der die Kinoschulsituation in Deutschland erstmals umfassend beschrieb und mit Zitaten aus der deutschen Filmfachpresse, Zuschriften aus dem Kinopublikum sowie Aussagen bekannter Filmpersönlichkeiten verdeutlichte. Zu diesem Zweck hatte Jacobsohn in Deutschland und in Österreich dazu aufgerufen, ihm belastendes Material zukommen zu lassen: „Der bekannte Berliner Filmschriftsteller Egon Jacobsohn arbeitet zur Zeit an einer billigen Flugschrift, die das Publikum vor den Filmschulen warnen und über die Dummfängerei dieser Unternehmen aufklären soll. Er bittet daher dringend alle Geschädigten, Kenner der Materie sowie die Redaktionen der Fach- und Tagespresse im Interesse der guten Sache um Ueberlassung von ausführlichem Tatsachenmaterial, die gegen (oder auch für) die Kinoschauspiel-Lehranstalten und ihre Leiter und Lehrer sprechen. [...] Es wäre im Interesse der Sache wünschenswert, wenn diesem Schriftsteller auch aus Wien Material zu163

flösse.“

162 Vgl. Egon Jacobsohn: Kinoschulen. [Berlin]: Geschäftsstelle des Verbandes Deutscher Filmautoren, 1919; o.N.: „Egon Jacobson [sic!]“, in: Die Kinowoche 2/3 (1920), S. 9. 163 O.N.: „Material gegen die Kinoschulen“, in: Neue Filmwoche 1/31 (1919), S. 9f. – Neue Kino-Rundschau 3/114 (1919), S. 13. Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt und sollen in diesem Fall Textpassagen hervorheben, die in

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Es ist anzunehmen, dass Jacobsohn Material aus Wien erhalten hatte, auch wenn keine Zuschriften Wiener Betroffener in der publizierten Version zu finden sind.164 Dennoch wurde die „Flugschrift“ in den österreichischen Filmzeitschriften wohlwollend aufgenommen. In einer Buchbesprechung lobte z.B. das KinoJournal die „rücksichtslose Offenheit“, mit der Jacobsohn die Machenschaften der „gewissenlosen Elemente“ der Filmbranche aufgedeckt hatte. Außerdem gab die Fachzeitschrift ihrer Hoffnung Ausdruck, dass, wer einmal in der Broschüre gelesen habe, gewiss keine Lust mehr verspüre, sich jemals einer Kinoschule anzuvertrauen.165 6.2.2 Der Fall „Dr. Franz Ferdinand“ Hauptakteur des Wiener Filmschulskandals war ein Mann, der sich selbst Dr. Franz Ferdinand nannte und der wiederholt Wege fand, ausbildungswillige WienerInnen um ihr Geld zu bringen. Neben Betrugsversuchen u.a. als Filmverleiher166 war Ferdinand besonders als Filmschul- und Filmfabriksdirektor erfolgreich. Als am längsten präsenter Kinoschulbetrüger Wiens trieb er zwischen 1915/16167 und zumindest 1927168 sein Unwesen nach dem im vorigen Kapitel

der Neuen Filmwoche, jedoch nicht in der Neuen Kino-Rundschau vorhanden sind. Einen ähnlichen Aufruf startete Fred Holy 1922 in der Filmwelt. Vgl. Holy: „Ueber dumme Menschen, Hochstapler und – Filmschulen“, S. 12; ders.: „Noch einmal der Filmschulschwindel“, S. 3f.; ders.: „Noch einmal der Filmschulschwindel. (Schluß.)“, in: Die Filmwelt 4/13 (1922), S. 3f., hier S. 4. 164 Vgl. Jacobsohn: Kinoschulen, S. 14–23. 165 O.N. [Oly]: „Kinoschulen“, n.pag. / 5. 166 Im Handelsregister ist Dr. Ferdinand 1919/20 als einer von drei Geschäftsführern der Firma Fluva Filmverleih und Vertriebsanstalt Ges.m.b.H. eingetragen. Vgl. WStLA, Handelsgericht, B78 – Handelsregister C: 28.209. 167 Früheste schriftliche Zeugnisse seines Wirkens sind eine Notiz im Österreichischen Komet zur Übernahme eines Laboratoriums zur Herstellung von Zwischentiteln und Ferdinands im Eigenverlag publiziertes Übungsbuch. Vgl. o.N.: „Regent-FilmGesellschaft/Richtigstellung“, in: Österreichischer Komet 8/278 (1915), S. 6 (Orig.: Zuschrift von „Doktor Ferdinand“); Franz Ferdinand und Elsa Ferdinand-Bielitz: Wie werde ich Kino-Darsteller? Praktische Anleitung zum Selbststudium. Mit Original-Aufnahmen aus fertigen Filmen. Wien: Eigenverlag, 1916. Zudem berichtete die Neue Kino-Rundschau 1919, dass die Regent-Filmfabrik seit vier Jahren existiere. Vgl. o.N.: „Die Regentfilm-Fabrik“, in: Neue Kino-Rundschau 3/132 (1919), S. 9 – „[Die Österreichische Filmindustrie]“, in: Die Filmwelt 1/18 (1919), S. 15.

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beschriebenen System. Die Stummfilmzeitschriften wurden daher schon bald auf Ferdinand aufmerksam und begannen ihm ab 1918 regelmäßig Artikelserien zu widmen, die vor den neuerlichen Machenschaften des Betrügers warnen sollten. Besonders aktiv waren in dieser Hinsicht der Österreichische Komet und sein Nachfolgeblatt, das Kino-Journal, sowie die Filmwelt. Wie im Folgenden gezeigt werden soll, war es den genannten Periodika gelungen, sowohl die falsche Biografie Ferdinands als auch die kriminellen Verwicklungen „des berühmtesten und berüchtigsten ‚Filmlehrers‘ von Wien“169 aufzudecken. 1919 veröffentlichte die Theater- und Kinowoche einen Artikel zu „Dr. Franz Ferdinand“, der – neben einem Foto (Abbildung 11) – auch biografische Daten enthielt. Die gemachten Angaben, wonach der 1875 in Erfurt geborene Ferdinand bisher als Schauspieler, Theaterdirektor, Oberregisseur und Schauspiellehrer vor allem in Deutschland in Erscheinung getreten sei,170 sollen aus einem Buch mit dem Titel Geistiges Deutschland stammen, das zwar existiert, aber keinen Eintrag zu seiner Person enthält.171 Das Kino-Journal ging darum 1920 daran zu beweisen, dass nichts in der Biografie des „Doktors“ stimmte.172 Nach von der Fachzeitschrift eingeholten Erkundigungen in Deutschland stellte sich heraus, dass Ferdinand die Biografie eines bereits verstorbenen gleichnamigen Schauspielers als seine eigene ausgegeben hatte. Ebenso waren sein Doktor-

168 Vgl. o.N.: „Der Herr ‚Doktor‘ Franz Ferdinand“, in: Das Kino-Journal 20/865 (1927), S. 6. 169 O.N.: „Filmschulendämmerung. Eine polizeiliche Untersuchung gegen ‚Dr. Ferdinand‘ und die Filmschulschwindler“, in: Die Filmwelt 7/3 (1925), S. [2]. 170 Vgl. o.N.: „Alte Sagen im Film“, in: Die Theater- und Kinowoche 1/13 (1919), S. [17] (Bez.: nicht eruierbar). 171 Vgl. o.N.: Geistiges Deutschland. Deutsche Zeitgenossen auf dem Gebiete der Literatur, Wissenschaften und Musik. Berlin-Charlottenburg: Eckstein, [1901]. 172 Vgl. o.N.: „‚Filmfabriken‘“, in: Das Kino-Journal 13/510 (1920), S. 2; o.N.: „Eine Schwindelgründung. Wie ‚Doktor‘ Ferdinand Aktiengesellschaften gründet“, in: Das Kino-Journal 13/515 (1920), S. 4 u. 16; o.N.: „Schwindel-Unternehmungen. Film-Schulen“, in: Das Kino-Journal 13/537 (1920), S. [1]f.; o.N.: „Eine ‚Erklärung‘“, in: Das Kino-Journal 13/539 (1920), S. [5]f.; o.N.: „Der Herr ‚Oberregisseur‘ Dr. Franz Ferdinand“, in: Das Kino-Journal 13/545 (1920), S. 2 (Bez.: [Regent-Filmfabrik]: „[Dr. Franz Ferdinand]“, in: Der Filmbote 3/39 (1920), S. 71); o.N.: „Nochmals der ‚Dr. Ferdinand‘“, in: Das Kino-Journal 13/548 (1920), S. [1]f. (Bez.: Franz Ferdinand: „Erklärung“, in: Der Filmbote 3/47 (1920), S. 61f.); o.N.: „Der sogenannte Doktor Franz Ferdinand“, in: Das Kino-Journal 13/552 (1920), S. [1].

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titel und sein Name falsch. Tatsächlich hieß der selbst ernannte Doktor Franz Ferdinand Bertram, von Beruf soll er ursprünglich Tierarzt173 gewesen sein. Ferdinand konnte also offenbar weder eine fundierte Filmerfahrung vorweisen, noch hatte er bedeutende Kontakte zur Branche. Umso frustrierender war es für das Kino-Journal, als Ferdinand 1921/22 erneut in den Tageszeitungen inserierte.174 Abbildung 11: Porträtfoto von „Dr. Franz Ferdinand“

Quelle: Die Theater- und Kinowoche, 1919 (UB Wien)

173 Vgl. o.N.: „‚Filmfabriken‘“, S. 2; o.N.: „Eine Schwindelgründung“, S. 4; o.N.: „Nochmals der ‚Dr. Ferdinand‘“, S. [1]; o.N.: „Der Herr ‚Dr.‘ Franz Ferdinand“, in: Das Kino-Journal 14/565 (1921), S. [1]f. (Bez.: nicht eruierbar). 174 Vgl. o.N.: „Der Herr ‚Dr.‘ Franz Ferdinand“, S. [1]f. (Bez.: [Regent-Filmfabrik]: „Der Weg zum Film! [Inserat 270]“, in: Sport-Tagblatt 77, 19. März 1921, S. 8); o.N.: „Und Herr Franz Ferdinand?“, in: Das Kino-Journal 15/625 (1922), S. [1]f.

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Als das Kino-Journal den Skandal 1920 aufdeckte, war Dr. Ferdinand längst kein Unbekannter mehr. Schon zuvor hatte er in Tageszeitungen und Filmzeitschriften annonciert. Während er in den Tageszeitungen aber vorrangig Inserate platzierte, die neue FilmschülerInnen akquirieren sollten, warb er in den Fachperiodika hauptsächlich für seine Firma. Den Werbeanzeigen ist zu entnehmen, dass Franz Ferdinand der Inhaber der Regent-Filmfabrik war, die aus einem Büro in der Neubaugasse 68, einem Atelier und einem Laboratorium in der Breitenseerstraße 86 bestanden haben soll. Laut der Neuen Kino-Rundschau existierte die Firma seit 1916.175 Tatsächlich dürfte sie aber schon früher bestanden haben, wie der Österreichischen Filmografie zu entnehmen ist.176 Offiziell ins Handelsregister eingetragen worden war die Firma erst im Jahr 1920, der Eintrag wurde aber bereits 1921 wieder gelöscht: „Bertram hat demnach keine Fabrik mehr, die Regent-Filmfabrik ist im Handelsregister gelöscht und es wird Sache der Polizei sein, ihm nun endlich das Handwerk zu legen.“177 Laut dem Kino-Journal übernahm noch im Jahr 1921 die Cäcilien-Filmfabrik Ges.m.b.H. die Räumlichkeiten der Regent-Filmfabrik.178 Die allerdings aus letzterer hervorgegangene Firma sah sich aufgrund der unseriösen Tätigkeiten des früheren Geschäftsführers veranlasst, am 5. Mai 1921 folgende Erklärung abzugeben:

175 Vgl. o.N.: „Die Regentfilm-Fabrik“, S. 9. Vgl. auch Lehmann: Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger, Jg. 1916, Bd. 1, Teil IV, S. 857. 176 Filmtitel der Regent-Filmfabrik aus dem Jahr 1915 sind: BRECHENDE HERZEN, DIE RACHE DES GRAFEN VON RAUHENSTEIN. Vgl. Anton Thaller (Hg.): Österreichische Filmografie, Bd. 1: Spielfilme 1906–1918. Wien: Filmarchiv Austria, 2010, S. 205 u. 234f. Ein Inserat in Lehmanns Branchenverzeichnis von 1927 benennt ebenfalls als Gründungsjahr 1915. Vgl. Lehmann: Wiener Adreßbuch, Jg. 1927, Bd. 2, Teil III, S. 162. 177 O.N.: „Der Herr ‚Dr.‘ Franz Ferdinand“, S. 2. Vgl. auch o.N.: „Regent-Film“, in: Das Kino-Journal 14/565 (1921), S. 4; WStLA, Handelsgericht, B78 – Handelsregister C: 46.80. Die Regent-Filmfabrik, die am 26.10.1920 ins Handelsregister eingetragen worden war, wurde Ende Jänner 1921 in Cäcilien-Filmfabrik umbenannt und als Ges.m.b.H. am 04.02.1921 ins Handelsregister eingetragen. Der Geschäftsführer Dr. Franz Ferdinand Bertram wurde gelöscht und stattdessen Leopold Langsteiner eingesetzt, der auch schon zuvor gemeinsam mit Bertram die Geschäfte führte. 178 Vgl. o.N.: „Regent-Film“, S. 4. Die Cäcilien-Filmfabrik Ges.m.b.H. bestand zwischen Jänner 1921 und Oktober 1922. Sowohl die Eintragung als auch die Löschung der Firma waren Änderungen eines bestehenden Handelsregistereintrags. Vgl. WStLA, Handelsgericht, B78 – Handelsregister C: 46.80.

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„Um allen Mißverständnissen und Irrtümern aus dem Wege zu gehen, die durch die Handlungsweise des Herrn Franz Ferdinand Bertram, bekannt unter dem Namen Dr. Franz Ferdinand [...] eventuell noch entstehen könnten, sehen wir uns bemüßigt, hiemit offiziell zu erklären, daß Herr Bertram mit der Firma Cäcilien-Film-Fabrik Ges.m.b.H. in keinerlei geschäftlicher Beziehung steht, also auch nicht als Geschäftsführer dieser Firma Vereinbarungen treffen, noch für diese Firma zeichnen darf. Ebensowenig hat selbstverständlich die Cäcilien-Film-Fabrik Ges.m.b.H. mit der von obgenanntem Herrn betriebenen ‚Filmschule‘ irgend etwas zu tun. Sollte Herr Bertram dennoch Behauptungen aufstellen, die mit dieser unserer Erklärung in Widerspruch stehen, würden wir derlei Behauptungen von vorneherein als unwahr bezeichnen und Herrn Bertram gegebenenfalls hiefür zur Verantwortung ziehen.“

179

Offenbar war Dr. Ferdinand zu diesem Zeitpunkt so bekannt in Wien, dass andere, sich seriös positionierende Filmfirmen von der Regent-Filmfabrik und ihrem Geschäftsführer distanzieren wollten. Die Frage, die sich nun stellt, ist, warum es gerade Franz Ferdinand Bertram zu einem so hohen Bekanntheitsgrad gebracht hatte. Aus dem Studium des vorhandenen Quellenmaterials lassen sich diesbezüglich folgende Schlüsse ziehen: Zum einen war Bertram der am längsten agierende und am geschicktesten vorgehende Filmschulschwindler Wiens, dem lange Zeit keine Gesetzesverstöße nachgewiesen werden konnten. Zum anderen hob er den Filmschulschwindel auf eine neue Ebene, indem er durch die Gründung einer Filmfabrik bereits früher im Betrugssystem ansetzte. Dazu schrieb der Österreichische Komet: „Nun taucht aber ein neuer Schwindel auf. Die Herrschaften gründen ‚Filmfabriken‘, das heißt, sie stellen einen alten Apparat auf, suchen Darsteller und da sich auf solche Annonzen immer noch Dumme finden, die ja bekanntlich nie ‚alle‘ werden, wird der Betrug in der Form gemacht, daß man den sogenannten Darstellern sagt, sie seien für den Film noch nicht reif und nun werden sie gedrillt und müssen dafür bezahlen. Die sogenannte Regentfilm-Fabrik des sogenannten Herrn Dr. Ferdinand hat mit diesem System begonnen.“

180

179 [Cäcilien-Filmfabrik Ges.m.b.H.]: „Erklärung“, in: Die Kinowoche 3/16 (1921), S. 14. 180 O.N.: „Schwindel-Schulen und Schwindel-Filmfabriken“, in: Österreichischer Komet 11/417 (1918), S. 2f., hier S. 2. (Bez.: O.N.: „‚Filmunterricht‘. Zur Überwachung der Privatschulen“, in: Der Abend 178, 21. August 1917, S. 3f.). Die Kursivsetzung wurde von der Verfasserin hinzugefügt.

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Dem Österreichischen Kometen zufolge habe Dr. Ferdinand so jahrelang „Eleven“ ausgebildet, wofür er sich einen hohen Preis bezahlen habe lassen. Seine SchülerInnen, denen er Beschäftigung versprochen habe, seien nun jedoch allesamt brotlos. Dieses Schicksal soll zu diesem Zeitpunkt (1918) bereits einige Dutzend Personen ereilt haben.181 Eine noch detailliertere Beschreibung der wohldurchdachten Vorgehensweise Dr. Ferdinands findet sich in der Filmwelt von 1924.182 Darin heißt es, basierend auf den Aussagen von Betroffenen, dass der Filmschulbetrüger für seinen dreimonatigen Unterricht 500.000 Kronen pro Monat183 verrechne. Dafür bekomme man maximal zwei Stunden Unterricht pro Woche, der aus Vorträgen über die Aufgaben eines Filmdarstellers, „Gesichts- und Körperverrenkungen“184 sowie dem Hospitieren in einem der Wiener Filmateliers bestehe. Im Gegensatz zu anderen Betrügern, die sich bezahlen ließen und anschließend spurlos verschwunden waren, scheint sich Dr. Ferdinand die Mühe gemacht zu haben, einen Schulbetrieb vorzugaukeln. Nicht ohne Grund warnten sämtliche Filmzeitschriften vor den kriminellen Machenschaften von Dr. Ferdinand. Die Filmwelt empfahl deshalb denjenigen, die „über eine Filmschule im allgemeinen und über die des Dr. Ferdinand im besonderen erschöpfender informiert sein wollen [...] die Lektüre der in den verschiedensten deutschen und österreichischen Fachzeitschriften (und auch in der ‚Filmwelt‘ Nr. 12 und 13, Jahrgang 1922) erschienenen nachdrücklichen Warnungen“185.

181 Vgl. ebd. 182 Vgl. Sch[napek]: „Und immer wieder: Filmschulschwindel“, S. 4f. 183 1922 sollen es noch 300 Kronen pro Monat gewesen sein. Vgl. Holy: „Noch einmal der Filmschulschwindel. (Schluß.)“, S. 4 (Orig.: Brief der Regent-Filmfabrik). Der eklatante Preisunterschied ist auch auf die Inflation dieser Jahre zurückzuführen (vgl. Kapitel 6.1.1). 184 Sch[napek]: „Und immer wieder: Filmschulschwindel“, S. 4. 185 O.N. [A.Z.]: „Ein alter Schwindler mit einem neuen Fangnetz“, S. 10 (Bez.: Fred Holy: „Noch einmal der Filmschulschwindel“, S. 3f.; ders.: „Noch einmal der Filmschulschwindel. (Schluß.)“, S. 3f.). Im zitierten Artikel wurde auch die Bühne angegriffen, weil diese – trotz ihrer Mission, Filmtalente auf seriösem Wege zu fördern – dem unseriösen Inserat eines nach FilmschülerInnen suchenden „Regisseurs“ (die Filmwelt vermutete, dass es sich dabei um Dr. Ferdinand handelte) im November 1924 eine Plattform geboten hatte. Pikant war auch die Tatsache, dass Friedrich Porges, der vehement gegen die Filmschulen eintrat (vgl. Kapitel 6.1.4), zu diesem Zeitpunkt der leitende Redakteur der Film-Bühne war. Vgl. ebd. (Bez.: O.N.: „Der

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Wie perfide die Pläne von Dr. Ferdinand waren, zeigt auch die Tatsache, dass er 1916 eine Publikation mit dem Titel Wie werde ich Kino-Darsteller? Praktische Anleitung zum Selbststudium im Eigenverlag veröffentlichte,186 die den Leser von der Notwendigkeit einer Schulung für FilmschauspielerInnen überzeugen sollte. Im Vorwort entlarvte der Autor darum die (vermeintliche) Falschannahme, dass KinodarstellerInnen keiner Schulung bedürften, und betonte, dass man eine Kunst nur durch „ernstes, fleißiges Vorstudium, wozu selbst die größte Begabung verpflichtet“ sei, ausüben könne.187 Eine darstellerische „Sicherheit und Reife“ sei aber nur im Selbststudium oder – noch besser – mithilfe eines gewissenhaften Lehrers zu erwerben.188 Im Folgenden stellte Dr. Ferdinand daher, nach einem kurzen Einblick ins Anforderungsprofil des Filmschauspielers, 19 Übungsszenen zur Verfügung, die der angehende Kinodarsteller beherrschen sollte (vgl. Tabelle 8).189 Die Lektüre der Szenen vermittelt den Eindruck, dass das Spiel vor der Kamera eine schematische Darstellung erfordere. Demzufolge müsse man nur lernen, welche mimischen, gestischen und körperlichen Handlungen einer bestimmten Emotion zugrunde lägen. Das zeigt sich z.B. in Übungsszene VI zur „Unverhofften Freude“: „Stellen Sie sich vor, Sie gehen in einem Park spazieren. Plötzlich richtet sich Ihr Blick auf etwas Glänzendes am Boden – direktes Hinsehen mit Bewegung der Augenbrauen. – Sie bemerken, daß Ihre Aufmerksamkeit durch ein Geldstück erregt wurde. Sie heben es auf, das Erstaunen geht langsam in einen freudigen Blick über. Neben der Beweglichkeit des Auges leises Oeffnen des Mundes, das dann langsam in die Form eines Lächelns übergeht, begleitet von den Worten: ‚Großartig, wenn man Glück hat, findet man immer etwas!‘“

190

Weg zum Film! [Inserat]“, in: Die Bühne 1/3 (1924), S. 38 – Die Bühne 1/4 (1924), S. 50). 186 Vgl. Ferdinand und Ferdinand-Bielitz: Wie werde ich Kino-Darsteller?, Titelseite. Dass Dr. Ferdinand dieses Buch im Eigenverlag veröffentlicht hatte, ist nur auf der Titelseite des Exemplars der Österreichischen Nationalbibliothek ersichtlich. Im Exemplar der Universität Wien wurde der Verlag mit Informationen zum Kommissionsverlag (Buchhandlung Hans Ponner) überklebt. 187 Ebd., S. 8. 188 Ebd., S. 9. 189 Vgl. ebd., S. 18–68. 190 Ebd., S. 28.

310 | Schauspielen im Stummfilm

Tabelle 8: Übungsszenen aus Wie werde ich Kino-Darsteller? (1916) Nr.

Titel der Übungsszene

I

Besuch bei einem Vorgesetzten

II

Schüchternheit, Befangenheit

III

Erregung mit leichter Steigerung

IV

Dreistigkeit

V

Das Anmelden durch den Diener oder Dienstmädchen

VI

Unverhoffte Freude

VII

Wiedersehen

VIII

Übung für Damen im Herrenkostüm

IX

Das Lachen

X

Sehnsucht, Erwartung

XI

Schreck

XII

Furcht

XIII

Flehentliche Bitte

XIV

Hass und Verbitterung

XV

Reue

XVI

Einbruch

XVII

Mord

XVIII

Ohnmacht

XIX

Sterben

Das Beispiel veranschaulicht auch, dass Ferdinand für die Übungsszenen die Handlung und die Dialogzeilen vorgab, womit er die Tatsache ignorierte, dass beides in der Regel vom Filmautor bzw. vom Filmregisseur vorgegeben wurde. Zudem fallen die wagen Formulierungen auf. Bei Übungsszene VI bleibt z.B. offen, wie genau „das Erstaunen“ in „einen freudigen Blick“ übergehen sollte. Der Interpretationsspielraum könnte aber beabsichtigt gewesen sein, da dieser ein zusätzliches Üben in einer Filmschule notwendig machte. Auf der letzten bedruckten Seite des Übungsbuches findet sich scheinbar nicht ohne Grund ein Inserat, das für die Schauspielausbildung der Regent-Filmfabrik warb:

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„Regent-Film-Fabrik [...] übernimmt in künstlerischer Weise die Ausbildung von HERREN und DAMEN zu Kino-Darstellern. Die ausgebildeten Schüler finden bei den Aufnahmen dauernd Beschäftigung und Verdienst.“

191

Dabei dürfte es sich um eines der frühesten Inserate der Regent-Filmfabrik handeln. Später annoncierte Ferdinand regelmäßig in den Wiener Tageszeitungen, weshalb man sich im Österreichischen Kometen 1918 fragte, wozu die RegentFilmfabrik ständig nach neuen Leuten suche und nicht die bereits „Ausgebildeten“ für ihre Zwecke verwende. Die Fachzeitschrift vermutete, dass dies daran liege, dass es bei den ehemaligen FilmschülerInnen nichts mehr zu holen gebe.192 Was an Ferdinands Publikation außerdem hervorsticht, ist die Tatsache, dass am Titelblatt eine Koautorin angeführt wird: Elsa Ferdinand-Bielitz, „[g]roßherzogl. Hofschauspielerin“.193 Auch hier dürfte die Biografie aufgebessert worden sein.194 Unter ihrem Namen, der auf die Verbindung mit Dr. Ferdinand hinweisen sollte, veröffentlichte Elsa Ferdinand-Bielitz einen Artikel mit dem Titel „Filmdarsteller“, der von der Neuen Kino-Rundschau 1918 abgedruckt worden war.195 Darin befürwortete Bielitz die Filmschulen implizit, indem sie die Mitwirkung von TheaterschauspielerInnen rigoros ablehnte und für den hauptberuflich tätigen Filmdarsteller eintrat. Am Ende des Artikels findet sich dazu folgender Kommentar der Redaktion:

191 Ebd., S. [77]. 192 Vgl. o.N.: „‚Wilde‘ Filmfabriken“, in: Österreichischer Komet 11/[422] (1918), S. 2–4, hier S. 3f. 193 Ferdinand und Ferdinand-Bielitz: Wie werde ich Kino-Darsteller?, Titelseite. 194 Elsa Bielitz, die sich ab 1907 Ferdinand-Bielitz nannte, war an der Seite von Dr. Franz Ferdinand in Deutschland und Böhmen als Schauspielerin tätig. Laut dem Neuen Theater-Almanach trat sie auch als gastierende Künstlerin, etwa als Mitglied des „Dr. Ferdinand’s Gastspielensemble“ (1907) bzw. des „Dr. Franz Ferdinands Gastspiel-Ensemble“ (1908), auf. Nach 1913 gibt es keine Almanach-Einträge mehr zu finden. Bielitz dürfte Dr. Ferdinand nach Wien gefolgt sein, der nachweislich ab 1915 in Wien für den Film tätig war. Vgl. Genossenschaft Deutscher BühnenAngehöriger (Hg.): Neuer Theater-Almanach. Theatergeschichtliches Jahr- und Adressen-Buch, Jg. 18–25. Berlin: Günther, 1907–1914. 195 Vgl. Elsa Ferdinand-Bielitz: „Filmdarsteller“, in: Neue Kino-Rundschau 2/55 (1918), S. 10 (Orig.: Illustrirtes Wiener Extrablatt 73, 17. März 1918, S. 6).

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„Wir haben den vorstehenden im ‚Ill. Wr. Extrablatt‘ erschienenen Artikel zum Abdruck gebracht, weil er, ohne es rund herauszusagen, für die Filmschulen eintritt. Die Ausführungen der Artikelschreiberin haben sicherlich vieles für sich und die Notwendigkeit von Filmschulen wird nicht unbedingt bestritten werden können. Der Kampf gegen die Filmschulen richtet sich ja auch nicht gegen solche Lehranstalten überhaupt, sondern nur gegen solche, die unter dem Deckmantel der Filmschule Schwindel und noch ärgeres treiben.“

196

Offensichtlich hatte Dr. Ferdinand in Elsa Bielitz eine Koautorin und Komplizin für seine Schwindelunternehmungen gefunden. Diese Schlussfolgerung wird auch durch die Namensverzeichnisse des Handelsgerichts im Wiener Stadt- und Landesarchiv bestätigt. Für den Zeitraum zwischen 1921 und 1926 lassen sich darin zahlreiche Klagen gegen Franz Ferdinand Bertram und Elsa FerdinandBielitz finden.197 Im Jahr der Veröffentlichung von Bielitz’ Artikel wurden auch Ferdinands Machenschaften erstmals ausführlich in den Filmfachzeitschriften besprochen.198 Den Kontext dafür bot ein spektakulärer Wiener Mordfall: 1918 wurde im Hotel Bristol die Gesellschafterin eines wohlhabenden Ehepaars aus Triest ermordet. Es handelte sich dabei um einen Raubmord, den der Neffe der Baronin, Emmo Davit, geplant hatte, um an das Bargeld und den Schmuck der Tante zu kommen.199 Der Komplize, der den Mord ausführte, war ein 17-Jähriger namens Kurt Franke, dem eine Verbindung zur Wiener Filmindustrie nachgesagt wurde. Im

196 Ebd. 197 Vgl. WStLA, Handelsgericht, B22 – Cg – Namensverzeichnisse: 57-15 Cg. 198 Vgl. o.N.: „Der Kinoregisseur als Mörder“, in: Neue Kino-Rundschau 2/65 (1918), S. 8f. (Orig.: „‚Hilfsregisseure‘. Die angebliche Filmtätigkeit des Kurt Franke“, in: Die Zeit 5628, 30. Mai 1918, S. 7); o.N.: „Stimmungsbilder. [...] – Der Mord im Bristol“, in: Die Filmwoche 6/266 (1918), S. [5] (Bez.: O.N.: „‚Hilfsregisseure‘. Die angebliche Filmtätigkeit des Kurt Franke“, S. 7); o.N.: „Kurt Franke bei der RegentFilmfabrik“, in: Österreichischer Komet 11/421 (1918), S. 4 (Bez.: [Regent-Filmfabrik]: „Regent-Filmfabrik [Inserat 95630]“, in: Neues Wiener Tagblatt 144, 30. Mai 1918, S. 36); o.N.: „‚Wilde‘ Filmfabriken“, S. 2–4; o.N.: „‚Nur lustige Sachen!‘ Der Raubmörder als ‚Kinoregisseur‘“, in: Neue Kino-Rundschau 2/75 (1918), S. [3]f.; o.N.: „Wie Angriffe auf das Kino entstehen“, in: Österreichischer Komet 11/430 (1918), S. [7]f. 199 Vgl. Maximilian Edelbacher und Harald Seyrl: Tatort Wien. Der neue Wiener Pitaval. Dokumentation der bedeutendsten Kriminalfälle Wiens. Das 20. Jahrhundert, Bd. 1: Die Zeit von 1900–1924. Wien, Scharnstein: Edition Seyrl, 2004, S. 30–32.

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Österreichischen Kometen vermutete man, dass es sich dabei um die RegentFilmfabrik handelte.200 Man war darum besorgt, dass dieser Fall nicht nur auf die besagte Firma, sondern auf die gesamte Branche zurückfallen könnte.201 Denn schon jetzt griffen die Tageszeitungen das Detail, dass der Bristolmörder für kurze Zeit ein Hilfsregisseur gewesen sein soll, auf, um sich gegen das Kino zu stellen. Dazu bemerkte die Filmwoche: „Der Mord im Hotel Bristol war wieder der Anlaß, daß schlecht informierte, aber wenig gewissenhafte Blätter auf das Kino losschlugen. Besonders die Feststellung, daß der junge Franke ‚Hilfsregisseur einer Filmanstalt‘ war, brachte die Geschaftelhuber ganz aus dem 202

Häuschen.“

Die hier nur kurz skizzierten Zusammenhänge mit dem Mord im Hotel Bristol von 1918 zeigen, dass der Filmschulskandal nicht nur den Schauspielnachwuchs betraf, sondern auch negative Auswirkungen auf die gesamte Filmbranche hatte. Darum war man sich in den Zeitschriften darüber einig, dass gegen die Betrüger, allen voran Dr. Ferdinand, etwas getan werden müsse. Man forderte die Polizeidirektion in Wien auf, dem Filmschulschwindler das Handwerk zu legen. Doch stattdessen inserierte Franz Ferdinand Bertram weiterhin in den Tageszeitungen und veranstaltete monatliche „Unterrichtskurse für Filmdarstellung“ 203 . Die diesbezügliche Verzweiflung wird offenkundig, wenn man folgende Worte im Kino-Journal liest: „Wenn man sieht, wie Ferdinand nun seit Jahren dieses Metier betreibt und sich anscheinend kein Mittel findet, ihn daran zu hindern, muß man aber darüber staunen, daß eine ‚Schule‘ der Polizei und den übrigen staunenden Behörden zum Hohne weiter bestehen kann, daß ihm hunderte Schüler bereits aufgesessen sind, bloß weil die Polizei seinen Angaben Glauben schenkt, daß er Filme produziert. Wenn die Polizei aber einmal gründlich 204

hineinfährt, müßte sie die Vorlage von Büchern und Korrespondenzen verlangen [...].“

200 Vgl. o.N.: „Kurt Franke bei der Regent-Filmfabrik“, S. 4. 201 O.N.: „‚Wilde‘ Filmfabriken“, S. 4. 202 O.N.: „Stimmungsbilder“, S. [5]. 203 O.N.: „[Der Regent-Film-Fabrik (Dir. Franz Ferdinand)]“, in: Neue Kino-Rundschau 3/116 (1919), S. 8 – „[Die ‚Regent-Filmfabrik‘ (Dr.Fr.Fer)]“, in: Die Kinowoche 1/2 (1919), S. 12. 204 O.N.: „Und Herr Franz Ferdinand?“, S. [1].

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Doch die von den Filmzeitschriften geforderten polizeilichen Untersuchungen blieben ohne Ergebnisse.205 Deshalb konnte es 1925 zu einem weiteren Höhepunkt im Fall „Dr. Ferdinand“ kommen. In diesem Jahr verklagte der selbst ernannte Doktor die Filmwelt (bzw. den Herausgeberverlag, die Universale Ges. m.b.H.) auf 700 Schilling Schadensersatz,206 weil diese ihn in ihren Artikeln diskreditiert bzw. seine nach wie vor ungestraften kriminellen Handlungen angeprangert hatte. Die Publikumszeitschrift wollte dadurch den „materiellen und ideellen Betrug“ an unschuldigen Personen offenlegen und die Branche vor ihren „Parasiten“ schützen.207 Zu diesem Zweck erbat die Filmwelt von ihren LeserInnen die Übermittlung von Erfahrungsberichten.208 Die Klage, die Dr. Ferdinand als Reaktion darauf einreichte, wurde jedoch aufgrund der belastenden Aussagen von überwiegend minderjährigen ZeugInnen abgewiesen.209 Offenbar stand die Klage auf wackligen Füßen.210 Denn anstatt eine Richtigstellung einzufordern oder auf Ehrenbeleidigung zu klagen, verlangte der Filmschulbetrüger bloß eine Entschädigung für seinen Dienstentgang. Die Filmwelt kommentierte diesen Umstand so:

205 Vgl. o.N.: „Der Herr ‚Doktor‘ Franz Ferdinand“, S. 6. 206 Vgl. o.N.: „Ferdinand Bertram klagt. Großer Erfolg unserer Aktion gegen den Filmschulenschwindel“, in: Die Filmwelt 7/6 (1925), S. 2; o.N.: „Unser Prozeß gegen Franz Ferdinand Bertram. Vertagung. – Herr Bertram wehrt sich gegen die Einvernahme von Sachverständigen“, in: Die Filmwelt 7/9 (1925), S. 2; o.N.: „Ferdinand Bertram verurteilt!“, in: Die Filmwelt 7/11 (1925), S. 8. 207 O.N.: „Filmschulendämmerung“, S. [2]. 208 Vgl. o.N.: „Neue Betrugsversuche Ferd. Bertrams“, in: Die Filmwelt 7/10 (1925), S. 8. 209 Vgl. o.N.: „Ferdinand Bertram verurteilt!“, S. 8. Die Prozessakten konnten nicht eruiert werden. Allerdings ließen sich in den Namensverzeichnissen des Handelsgerichts Wien zahlreiche Einträge finden, die Franz Ferdinand Bertram als Beklagten anführen (vgl. Abschnitt 8.3). 210 Vgl. o.N.: „Unser Prozeß gegen Franz Ferdinand Bertram“, S. 2. Die erste Verhandlung musste vertagt werden, da das Urteil über die Klageberechtigung noch ausständig war. Franz Ferdinand Bertram sollte die Klage erhärten, wehrte sich aber gegen die Einvernahme von Sachverständigen.

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„Herr Bertram hat nämlich festgestellt, daß seit dem Erscheinen der gegen seine Filmschulschwindeleien gerichteten Artikel der ‚Filmwelt‘ viele seiner Schüler noch vor Beendigung des Kurses weggeblieben sind (ach, die Armen! sie werden nie richtige Filmstars werden, da sie doch den Kurs bei Dr. Ferdinand nicht beendet haben . . .) [...]“

211

Zwei Jahre später soll Franz Ferdinand Bertram schließlich doch belangt worden sein, allerdings aus anderen Gründen als seinem langjährigen Filmschulschwindel. Das Kino-Journal berichtete 1927, dass er wegen eines Konkursvergehens zu einem dreimonatigen Arrest bedingt verurteilt worden sei.212 Damit scheint die Ära „Dr. Ferdinands“ vorbei gewesen zu sein. Bis 1930 ließ sich kein umfassender Bericht mehr über den bekanntesten Filmschulbetrüger Wiens finden.213 6.2.3 Seriöse Ausbildungsansätze Der Wiener Filmschulskandal beschäftigte die österreichischen Stummfilmzeitschriften rund zwei Jahrzehnte lang. Neben den in den vorigen Kapiteln erörterten negativen Auswirkungen auf ausbildungswillige FilmschauspielaspirantInnen hatte der Skandal aber auch einen positiven Nebeneffekt. Man begann sich Gedanken über seriöse Möglichkeiten der Nachwuchsheranbildung für den österreichischen Film zu machen. Diesbezüglich konnten sich zwei gegensätzliche Positionen herauskristallisieren: Während die einen bereits laut über eine Filmschauspielschule nachdachten, wie es sie in anderen Ländern bereits gab, waren die anderen der Meinung, dass das Filmen nicht gelehrt, sondern nur in der Praxis gelernt werden könne – und das auch nur bei entsprechend vorhandenem Talent.214 Ein Verfechter dieser Idee war z.B. Friedrich Porges, der noch im Jahr 1929 die Position vertrat, dass es eine „‚Schulung‘ zum Filmdarsteller“ nicht gebe.215 Bereits 1919 hatte er in Fünfzig Meter Kinoweisheit darauf hingewiesen:

211 O.N.: „Ferdinand Bertram klagt“, S. 2. 212 Vgl. o.N.: „Der Herr ‚Doktor‘ Franz Ferdinand“, S. 6. 213 Auch im Wiener Adreßbuch stammt der letzte Eintrag von 1928. Vgl. Lehmann: Wiener Adreßbuch, Jg. 1928, Bd. 1, Teil I, S. 93. 214 Diese Idee herrschte auch in Bezug auf das Erlernen der Bühnenschauspielkunst vor. Vgl. Stefanek: Die Schauspielererziehung im Wiener Theaterbetrieb des 19. Jahrhunderts, S. 3. 215 [Porges]: „Die Zeitschrift ‚Mein Film‘ veranstaltet öffentliche Filmprüfungen“, S. 6.

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„Es sei aber ausdrücklich festgestellt, daß es im Grunde eine Ausbildung nur zum Filmdarsteller nicht gibt. Ist bei einem jungen Menschen schauspielerisches Talent vorhanden, dann zeigt es sich vor allem auf der Bretterbühne. Kann er sich dort bewegen und erfolg216

reich wirken, dann kann der erste Versuch im Film gemacht werden, nicht früher.“

Generell schien bei Fachleuten die Vorstellung vorzuherrschen, dass eine Ausbildung zum Stummfilmschauspieler nicht erforderlich sei, weil drei praxisbezogene Komponenten ausschlaggebend seien, um in diesem Beruf erfolgreich arbeiten zu können. Als Grundvoraussetzung wurde die Eignung für den Stummfilm angesehen, die sich in einem kameratauglichen Aussehen und einem filmspezifischen Schauspieltalent äußerte (vgl. Abschnitte 5.1 und 5.2). Beides war nur durch den Fachmann und mithilfe einer Probeaufnahme festzustellen. Darüber hinaus sollte der Filmaspirant bereits Schauspielerfahrung mitbringen, die er sich idealerweise auf der Bühne angeeignet hatte. Erst wenn diese beiden Komponenten, Filmeignung und Bühnenerfahrung, vorhanden waren, konnte mit dem Training on the Job begonnen werden. Zu Letzterem bemerkte auch Magda Sonja, dass das Filmen die beste Schule und Weiterbildungsmöglichkeit für eine Filmdarstellerin sei: „Arbeit ist Schule. [...] Es gibt immer zu lernen. Weiterzulernen.“217 Obwohl Fachleute, Branchenkenner und Schwindelschulgegner davon ausgingen, dass man den Beruf des Stummfilmschauspielers nicht in einer Schule erlernen könne, kamen nach dem Ersten Weltkrieg erstmals konkrete Ideen zu einer österreichischen Filmschauspielschule auf, wo der Nachwuchs auf seriöse Weise herangebildet werden sollte. Besonders in der Österreichischen FilmZeitung, die seit 1927 bestand und dem Filmboten nachgefolgt war, setzte man sich für dieses Thema ein und überlegte, basierend auf den Konzepten ausländischer Filmschulen, in welcher Form ein Ausbildungsangebot auch in Österreich Sinn machen würde.218 Neben einer selbstständigen Filmschule, wie in Deutsch-

216 Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit, S. 39f. 217 Magda Sonja: „Mein Leid“, in: Komödie 4/31 (1923), S. 7. 218 Vgl. u.a. o.N.: „Die Filmschule. Die Notwendigkeit der Heranbildung künstlerischen Nachwuchses“, in: Österreichische Film-Zeitung 1/28 (1927), S. 6f.; o.N.: „Noch einmal die Filmschule“, in: Österreichische Film-Zeitung 1/42 (1927), S. 8– 10; o.N.: „Die Filmschule der Paramount“, in: Österreichische Film-Zeitung 1/48 (1927), S. 12.

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land219, oder einer an eine Filmfirma gebundene Schule, wie in den USA220, war es für den Filmboten und die Film-Zeitung auch vorstellbar, einen Filmschauspiel-Lehrgang in eine bestehende Schauspielschule, etwa der Akademie für Musik und darstellende Kunst, zu integrieren.221 Die Form der Ausbildungsstätte war den Schulbefürwortern jedoch nicht so wichtig wie die Tatsache, dass endlich etwas passieren musste, um den österreichischen Filmnachwuchs zu fördern. Man beklagte aufgrund der lange Zeit brachliegenden österreichischen Filmwirtschaft einen Mangel an eigenen Schauspielkräften, der dazu führte, dass entweder ausländische FilmschauspielerInnen oder Wiener Bühnengrößen für den österreichischen Film engagiert werden mussten. Zudem waren viele in Wien groß gewordene Filmstars ins Ausland gegangen, weil sie sich dort größere Karrierechancen erhofften (vgl. Kapitel 7.2.3). Der Österreichischen Film-Zeitung zufolge war die einzige Lösung für dieses Problem die Heranbildung eines eigenen Filmschauspielnachwuchses in dafür eigens eingerichteten Ausbildungsstätten: „Das [Beschäftigung österreichischer FilmschauspielerInnen in Hauptrollen, A.D.] kann sicherlich geschehen, wenn für eine planmäßige und umfassende Heranbildung von Aspiranten beiderlei Geschlechts für den Filmdarstellerberuf Sorge getragen wird. Zu diesem Zwecke erweist sich [...] die Errichtung einer Filmschauspielschule gerade bei uns als durchaus notwendig, wobei es sich selbstverständlich um eine vollkommen ernsthafte, auf rein künstlerischer Basis aufgebaute Institution handeln müßte, die ihren Frequentanten, soweit dieselben im Besitze der erforderlichen Begabung wären, in dem gleichen Ausma-

219 Als Vorbild galt die Deutsche Filmschule in München, die auch eine Abteilung für Darstellung, Szene und Regie besaß. Vgl. Slansky: Filmhochschulen in Deutschland, S. 97–116. 220 Aufsehen erregte diesbezüglich die Filmschauspielschule von Paramount, auf die im Laufe des Kapitels noch genauer eingegangen werden wird. 221 Vgl. o.N.: „Filmnachwuchs“, in: Der Filmbote 9/29 (1926), S. [3]f., hier S. 4; o.N.: „Die Filmschule“, S. 6. Das Konservatorium bzw. (ab 1909) die Akademie der Gesellschaft der Musikfreunde genoss einen hervorragenden Ruf in Wien, nicht nur weil namhafte SchauspielerInnen Unterricht erteilten, sondern weil das Konservatorium mit seiner theoretisch und praktisch fundierten Ausbildung auch die erste seriöse Theaterschule ihrer Art in Wien war. Vgl. Stefanek: Die Schauspielererziehung im Wiener Theaterbetrieb des 19. Jahrhunderts, S. 86–135; Terharen: Von der Schmierenkomödiantin zur Hofschauspielerin, S. 95–109.

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ße die Möglichkeit zur Schaffung einer Existenz zu bieten vermag, wie irgendeine andere Kunstbildungsanstalt.“

222

In der Österreichischen Film-Zeitung hatte man auch konkrete Vorstellungen hinsichtlich der Gestaltung der Schule. Als Vorbild galt die Paramount Pictures School, die von der New Yorker Famous Players-Lasky Corporation im Frühjahr 1925 gegründet worden war, um DarstellerInnen nach den Bedürfnissen der Firma auszubilden.223 Der Filmhistoriker J. B. Kaufman, der sich ausführlich mit der Schulorganisation und den Werdegängen der AbsolventInnen befasst hat, schreibt zur Bedeutung dieser Schauspielschule: „This was a bold, innovative experiment on Paramount’s part, an attempt to develop a home-grown stock company out of unknown and largely inexperienced young talent.“224 In Österreich sollten ebenfalls vor allem jene Talente eine besondere Förderung erhalten, die dem Schauspielerberuf fernstanden. Das machte auch insofern Sinn, als man immer beklagt hatte, dass BühnenkünstlerInnen nicht notwendigerweise für den Stummfilm geeignet waren.225 Auch der Lehrplan sollte sich an der Paramount-Schule ein Beispiel nehmen. Wie die Film-Zeitung berichtete, setzte sich der Unterricht dort aus drei Bestandteilen zusammen: aus Vorträgen (lectures), schauspielerischem Training (technical instruction) und sportlicher Betätigung (physical training).226 Im Bereich Sport wurde u.a. Tanzen, Fechten, Schwimmen und Reiten gelehrt. Darüber hinaus gab es Vorträge zu schauspielferneren Themen wie Dramaturgie, Regie und Beleuchtung. Den größten Teil der Ausbildung nahm aber naturgemäß die darstellerische Schulung ein. Hier wurde besonders auf die stumme Ausdruckskraft und die Körperhaltung geachtet. Ebenso wurden das Tragen von modernen und

222 O.N.: „Noch einmal die Filmschule“, S. 9. 223 Vgl. o.N.: „Die Filmschule der Paramount“, S. 12; o.N.: „Eine Filmschule der Firma Paramount“, in: Der Filmbote 8/31 (1925), S. 14; o.N.: „Die Suche nach dem Star. Die neue Paramountschule ist eröffnet“, in: Mein Film 1/21 (1926), S. 6. 224 J. B. Kaufman: „Fascinating Youth. The Story of the Paramount Pictures School“, in: Film History 4/2 (1990), S. 131–151, hier S. 131; search.ebscohost.com/login. aspx?direct=true&db=fah&AN=3138 5695&site=ehost-live, 15.01.2015. 225 Kritisiert wurden besonders das pathetische Bühnenspiel mit großer Geste sowie die mangelnde Zeit aufgrund von Proben- und Auftrittsverpflichtungen (vgl. Abschnitt 3.3). Vgl. auch o.N.: „Schauspieler und Filmdarsteller“, in: Neue Kino-Rundschau 5/226 (1921), S. [9]f., hier S. [9]. 226 Vgl. o.N.: „Die Filmschule der Paramount“, S. 12; Kaufman: „Fascinating Youth“, S. 136.

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historischen Kostümen sowie die Kunst des Schminkens und Maskierens vermittelt.227 Kaufman geht in Bezug auf die darstellerische Ausbildung noch mehr ins Detail: „Here the students were taught the proper way to sit, stand, open a door, and all the other details that would go into a normal screen performance, leading to more extensive training in the fine points of pantomime, makeup, and costuming.”228 Ein Schwerpunkt der Ausbildung war außerdem die praktische Arbeit vor der Kamera, weshalb der erste Jahrgang als Abschlussprojekt einen Film drehte.229 Begeistert von der Pionierleistung der Paramount-Schule forderte die FilmZeitung 1927 deshalb: „Betrachten wir das Unternehmen der Paramount als mustergültiges Vorbild und – schaffen wir endlich eine Filmschule!“230 Offenbar wusste der Verfasser des Artikels nicht, dass bereits im Oktober 1926 offiziell feststand, dass Paramount die Schule nicht fortführen werde. Kaufman vermutet, dass die geringe Erfolgsquote der AbsolventInnen zu dem Entschluss führte. Immerhin schafften es nur zwei Schüler, Charles „Buddy“ Rodgers und Thelma Todd, eine erfolgreiche Filmkarriere zu starten. Davon abgesehen bemängelten Zeitgenossen, dass es den AbsolventInnen an praktischer Erfahrung mangelte und neben einer schauspieltechnischen Ausbildung auch eine das Publikum ansprechende Persönlichkeit notwendig sei, um langfristig Erfolg zu haben.231 Doch obwohl die Paramount-Schule gescheitert war, erhoffte man sich von einer Filmschauspielschule in Österreich eine ausschließlich positive Wirkung: Die Filmfirmen verlören durch die Arbeit mit untalentierten, ungeeigneten und unausgebildeten Leuten kein Geld und keine Zeit mehr, die Hauptrollen wären wieder überwiegend mit österreichischen StummfilmschauspielerInnen besetzt und den Schwindelschulen könnte man nun endgültig die Lebensgrundlage entziehen. Zu einer Umsetzung in der von der Österreichischen Film-Zeitung gewünschten Form kam es, trotz aller Euphorie, jedoch vorerst nicht. Es wurde

227 Vgl. o.N.: „Die Filmschule der Paramount“, S. 12. Ähnliche Ideen hatte auch Victor E. Pordes, der 1925 vorschlug, dass der Lehrplan an einer seriösen Filmschauspielschule „Schauspielkunst im Film, die Lehre von Wesen, Dramaturgie und Regie des Films, Stil- und Kostümkunde, sowie eine Einführung in die photographische und Beleuchtungspraxis des Films umfassen“ sollte. Vgl. Vi[c]tor E. Pordes: „Der Wiener Film. Was noch alles fehlt“, in: Das Kino-Journal 18/790 (1925), S. 2f., hier S. 3 (Orig.: Die Filmtechnik 1/4 (1925), S. 74f., hier S. 75). 228 Kaufman: „Fascinating Youth“, S. 137. 229 Vgl. ebd., 139–142. Der Film hieß FASCINATING YOUTH (1926). 230 O.N.: „Die Filmschule der Paramount“, S. 12. 231 Vgl. Kaufman: „Fascinating Youth“, S. 144 u. 149.

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weder eine eigene Schule gegründet noch wurde „Film“ in die Lehrpläne der bestehenden Wiener Schauspielschulen aufgenommen. Sowohl im Konservatorium der Gesellschaft für Musikfreunde, dem 1874 eine Schauspielschule angegliedert wurde, als auch im 1928 gegründeten Max Reinhardt Seminar war der (Stumm-) Film kein Bestandteil der offiziellen Curricula. Allerdings ist es nicht auszuschließen, dass etwaige Filmerfahrungen der Lehrenden in die Ausbildung miteinflossen.232 Über die Ideen für eine eigene Filmschauspielschule hinaus gab es auch noch andere Vorschläge, wie man geeigneten Nachwuchs rekrutieren könnte. Eine Möglichkeit wurde z.B. darin gesehen, dass die Filmfirmen fixe Ensembles aufbauen, wie das im Theater üblich war. Schon 1919 schlug Victor E. Pordes diesbezüglich vor, dass ein „Betrieb selbst alle ihm irgendwie geeignet scheinenden Kräfte auf eigene Kosten bei sich unter Aufsicht des Regisseurs ausbilde[n] und sie gelegentlich zu immer wachsenden darstellerischen Aufgaben verwende[n]“ solle. 233 Dadurch ergebe sich nicht nur „eine Kontinuität des künstlerischen Spiels“, sondern auch „eine Anpassung der Darstellergruppe an die Intentionen“ des Filmregisseurs.234 Dieser Meinung war man auch in der Filmwelt: „Wir verfügen in Wien über eine ganz respektable Anzahl tüchtiger Regisseure, die oft die Geldnot, fast immer aber der Winter zwingt, zu feiern und – sehr gegen ihren Willen – müßig zu gehen. Unter diesen Männern befindet sich auch sicher eine Anzahl solcher, die über das Talent verfügen, fortbilden zu können. Warum macht man sich also nicht die freie Zeit und das Talent dieser Leute zunutze und läßt sie unter der Patronanz und Kontrolle berufener Faktoren, wie das Unterrichtsministerium oder der Bund der Kinoindustriellen (nicht zu verwechseln mit dem ‚Filmbund‘ oder der ‚Filmbörse‘) Kurse abhalten, die einen neuen Stock von Schauspielern nur für den Film heranziehen?“

235

Neben der „Lehre“ bei einem routinierten Filmregisseur könnte eine weitere Möglichkeit für die Ausbildung zum Stummfilmdarsteller auch der Privatunterricht durch erfahrene SchauspielerInnen gewesen sein. Für den Untersuchungszeitraum ist nur eine solche private Ausbildungsmöglichkeit bekannt, die in den Filmzeitschriften für Aufsehen gesorgt hatte. 1913 soll die deutsch-österrei-

232 Vgl. Universitätsarchiv der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien: schriftliche Auskunft (E-Mail) vom 12.01.2015. 233 Pordes: Das Lichtspiel, S. 138f. 234 Ebd., S. 139. 235 Franz Pollak: „Wo bleibt der Nachwuchs?“, in: Die Filmwelt 6/18 (1924), S. 3f., hier S. 3.

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chische Bühnenschauspielerin Helene Odilon (1865–1939) die Eröffnung einer Schule für Schauspielkunst mit „einem Spezialzweig für Kinodarstellung“236 geplant haben, die sich in der Riemergasse 11 im Zentrum Wiens befinden sollte.237 Odilons Vorhaben hatte man in den damals führenden Fachzeitschriften, der Kinematographischen Rundschau und dem Österreichischen Kometen, jedoch aufs Schärfste verurteilt. Kritisiert wurde, dass die Schauspielerin aufgrund der Folgen ihres Schlaganfalls, den sie 1903 erlitten habe, seit zehn Jahren nicht mehr auf der Bühne gestanden und zudem noch nie als Filmdarstellerin tätig gewesen sei.238 Deshalb habe sie keine Ahnung von der Wiener Filmlandschaft, wo man derzeit ausschließlich bekannte BühnendarstellerInnen engagiere. Odilon züchte folglich ein neues „Theaterproletariat“ heran, was unweigerlich zu einem erneuten Schauspielerelend führen werde. Im Österreichischen Kometen schrieb man dazu: „Wenn sich Frau Odilon dem Fache des Kinospiels zuwendet, dann muß man von i[h]r verlangen, daß sie sich vorher um die Verhältnisse kümmert. Wir haben derzeit keine Filmfabrik, welche solche[r] Kunstkräfte bedarf [...]. Und wenn sie solche [Dutzendware, A.D.] brauchen, laufen in Wien Hunderte Kun[s]tkräfte brotlos herum, die für jeden Betrag auftreten würden. Frau Odilon kann [...] nur das erreichen, was die Berliner Kinoschulen erreicht haben: Nämlich, das Theaterproletariat zu vermehren.“

239

Auch in der Kinematographischen Rundschau äußerte man sich in ähnlicher Weise:

236 O.N.: „Die Kinoschauspielschule der Helene Odilon“, in: Kinematographische Rundschau 7/288 (1913), S. 64 u. 70, hier S. 64. 237 Vgl. o.N.: „Frau Odilon als Kinolehrerin“, in: Österreichischer Komet 6/172 (1913), S. 8. (Bez.: [Helene Odilon]: „Helene Odilon“, in: Neues Wiener Journal 7130, 29. August 1913, S. 14 – Neues Wiener Tagblatt 237, 29. August 1913, S. 22). Der Text des Inserats, auf den sich der Österreichische Komet bezogen hatte, lautete: „Helene Odilon erteilt vom 15. September an dramatischen Unterricht unter spezieller Berücksichtigung der Kinodarstellung und verpflichtet sich, begabten Schülern sofort Engagement in Filmfabriken zu verschaffen. Anmeldungen: I., Riemergasse 11, von 12 bis 1 Uhr.“ 238 Tatsächlich drehte Helene Odilon NACH DER PREMIERE, ihren ersten und einzigen Film, erst 1914. 239 O.N.: „Frau Odilon als Kinolehrerin“, S. 8.

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„So erfreulich es erscheinen mag, daß das Kino auch auf diejenigen, die das Feuer der edlen Kunst in sich fühlen, eine so große Zugkraft ausübt, glauben wir dennoch, daß eine derartige Ueberproduktion an Kinoschauspielern eine gewisse Gefahr bildet [...]. Geht es nach dieser Richtung hin so weiter, so wird bald neben dem sprichwörtlichen Schauspielerelend auch ein sprichwörtliches Kinoschauspielerelend auftreten und zahlreiche Existenzen, die ihre Zukunft auf eine falsche und schwankende Basis aufgebaut haben, werden hier als Opfer fallen.“

240

Nichtsdestotrotz sollen sich über 150 SchülerInnen angemeldet haben, von denen Helene Odilon nur 25 der ihrer Meinung nach talentiertesten aufnahm.241 Zum weiteren Verlauf von Odilons Kinoschauspielklasse ist allerdings nichts bekannt, weil es sich dabei vermutlich um eine nicht realisierte Idee handelt. Diese Annahme wird durch die Tatsache bestärkt, dass weder Helene Odilon noch ihr Unterricht für KinoschauspielerInnen im Wiener Adressbuch Lehmann zu finden waren.242 Darüber hinaus lässt folgende Aussage zu Odilons „Kinoplänen“ im Österreichischen Kometen vom Jänner 1914 darauf schließen, dass die private Schauspielschule nie wirklich, sondern nur als Idee bestanden hatte: „Eine eigene Schule zur Ausbildung von Kinoschauspieler[n] wird die Darsteller [...] nach den besonderen Erfordernissen des Kinematographen heranbilden.“243 Überraschenderweise musste für den Untersuchungszeitraum festgestellt werden, dass es keine seriösen Ausbildungsmöglichkeiten für angehende StummfilmschauspielerInnen in Wien gegeben hatte. Überlegungen dazu gab es zwar, doch die Umsetzung dürfte an der Finanzierung und den wenig konkreten Plänen gescheitert sein. Wer auf seriösem Wege zum Film wollte, musste darum zuerst Erfahrungen auf der Bühne sammeln und sich dann durch Learning by Doing an die Arbeit vor der Kamera herantasten. Eine Alternative dazu war die Teilnahme an Schönheitskonkurrenzen und Talentwettbewerben, die als ernstzunehmende Versuche der Filmzeitschriften gedacht waren, um Talente in schauspielunerfahrenen Kreisen zu finden.

240 O.N.: „Die Kinoschauspielschule der Helene Odilon“, S. 64 u. 70. 241 Vgl. o.N.: „[Frau Helene Odilon]“, in: Kinematographische Rundschau 7/292 (1913), S. 40. 242 Für 1913 und 1914 waren keine Einträge im Branchen-, Firmen- oder Namensverzeichnis zu finden. Ebenso blieb die Durchsicht des Verzeichnisses der Unterrichtsanstalten für dramatische Bildung ohne Ergebnis. Vgl. Lehmann (Begr.): Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger, Jg. 1913 u. 1914. 243 O.N.: „Helene Odilons Kinopläne“, in: Österreichischer Komet 7/190 (1914), S. 32f., hier S. 33. Die Kursivsetzung wurde von der Verfasserin hinzugefügt.

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6.2.4 Talentsuche in den Publikumszeitschriften „Für den österreichischen Filmregisseur gibt es keine brennendere Frage als diese: Wo finden wir die Schauspieler, die wir brauchen?“244 Diese Frage stellte sich Michael Kertész 1924 in der Bühne, die, wie andere Publikumszeitschriften auch, durch Schönheitskonkurrenzen und Talentwettbewerbe den bestgeeignetsten Filmnachwuchs akquirieren wollte. Besonders hervorgetan hatte sich in diesem Bereich, neben der Bühne, auch Friedrich Porges’ Illustrierte Mein Film, die regelmäßig nach den schönsten und filmgeeignetsten Gesichtern des Landes Ausschau hielt. Das Zielpublikum waren zumeist Frauen, darum wurde z.B. nach der Wiener Filmschönheitskönigin245 , sechs Wiener Filmmädeln246 oder nach drei schönen Filmdarstellerinnen247 gesucht. Sporadisch war man zudem auf der Suche nach kameratauglichen Männern, Kindern oder Tieren.

244 Michael Kertész: „Ich suche Filmdarsteller . . .“, in: Die Bühne 1/1 (1924), S. 33. 245 Vgl. o.N.: „Die Wahl der Wiener Filmschönheitskönigin. Hilde Bird, die Siegerin“, in: Mein Film 2/54 (1927), S. 2 u. 5; Kete Wilheim (Red.): „Gespräch mit der Filmschönheitskönigin“, in: Mein Film 2/55 (1927), S. 13. Hilde Bird (1901–1998, Abbildung 12) gewann die Wahl zur Wiener Filmschönheitskönigin 1927 nicht nur mit ihrem Aussehen, sondern auch aufgrund ihres „mimischen“ Talents, das sie vor einer Jury und einem Live-Publikum beweisen musste. Mit ihrem Sieg qualifizierte sich die Wienerin für eine internationale Filmschönheitskonkurrenz, einen Zehnländer-Wettbewerb. Der Gewinnerin winkte ein Filmvertrag in Berlin, den Bird allerdings nicht gewann. Vgl. o.N.: „Die Jugoslawin, die Polin und die Österreicherin, die Erwählten der Fanamet-Konkurrenz“, in: Mein Film 2/60 (1927), S. 3. Dennoch spielte sie in einem Film mit dem Titel EHELEI mit, der 1928 von der Domo StraußFilm produziert wurde. Vgl. o.N.: „Hans Otto dreht! [...] Hilde Birds Filmdebüt“, in: Mein Film 2/61 (1927), S. 6. 246 Vgl. o.N.: „Sechs Wiener Mädeln für einen Film gesucht! Hans Pebal braucht Darstellerinnen für den Film ‚Mei Mutterl war a Weanerin‘“, in: Mein Film 3/125 (1928), S. 11 [Ausschreibung]; o.N.: „Wie man die sechs Wiener Filmmädels suchte und zwanzig fand!“, in: Mein Film 3/128 (1928), S. C [Auswahl]. 247 Vgl. o.N.: „Drei schöne Darstellerinnen für einen Film gesucht! Eine mit langem blonden Haar, eine mit dunklem Bubikopf und eine mit hellem Bubikopf!“, in: Mein Film 1/24 (1926), S. VIII [Ausschreibung]; o.N.: „Drei schöne Filmdarstellerinnen gesucht! Die ersten Probeaufnahmen der von der Jury in Wien Ausgewählten!“, in: Mein Film 2/63 (1927), S. 7 [Probeaufnahmen]; o.N.: „[Drei] schöne Darstellerinnen gesucht. Die erste engere Auswahl auf Grund der Probeaufnahmen zu unserer Konkurrenz“, in: Mein Film 2/73 (1927), S. 3 [Auswahl].

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Abbildung 12: Hilde Bird, die Wiener Filmschönheitskönigin

Quelle: Mein Film, 1927 (FAA)

Der Ablauf der Filmkonkurrenzen war immer ähnlich: Es gab eine mehr oder weniger ausführliche und grafisch gestaltete Ausschreibung in einer Publikumszeitschrift, die eine Bewerbung mit Foto verlangte. Eine Jury oder ein Filmregisseur wählte aus den Einsendungen die für das jeweilige Motto passendsten KandidatInnen aus und lud diese zu einer ersten Vorstellungsrunde ein. Aus diesem Pool an BewerberInnen wurden nun abermals die Geeignetsten ausgewählt. Diejenigen, die eine Runde weitergekommen waren, wurden dann in der Regel nochmals getestet, entweder im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung oder in Form einer Probeaufnahme. Über den Erfolg dieser Art von Talentsuche sollte Friedrich Porges 1928 sagen: „Preisausschreiben, Schönheitskonkurrenzen, Filmkonkurrenzen – das sind nicht immer die tauglichsten Mittel“248 , um geeignete FilmdarstellerInnen zu finden. Der Grund wurde darin gesehen, dass diejenigen, die tatsächlich am besten geeignet waren, sich nicht trauten, mitzumachen, während diejenigen, die ungeeignet waren, sich mangels realistischer Selbsteinschätzung in den Vordergrund drängten. In einem Resümee zu einer Schönheitskonkurrenz der Bühne fragte sich Hans Pebal (1896–1953), Chefreporter der Fox-Wochenschau in Österreich deshalb: „Wo sind alle die schönen Wienerinnen geblieben [...]? Waren

248 [Porges]: „Eine Antwort an viele“, S. 12.

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sie aus Bescheidenheit nicht gekommen?“249 Dabei hatte Pebal eine klare Vorstellung vom gesuchten Nachwuchstalent: „Um ihnen [...] die Beschaffenheit eines weiblichen Filmstars [...] noch genauer zu schildern, so stellen Sie sich ein hübsches, gutgewachsenes Mädchen vor, dessen besonderer Reiz ist: schöne große Augen, eine edel geformte Nase, ein zierlicher, kleiner Mund und Zähne, die einer Perlenschnur gleichen sollen. Wenn nun dieses gottbegnadete Kind der Schönheit außerdem in der Lage ist, durch sein Mienenspiel, besonders aber durch die Sprache seiner Augen alle jene Gefühle, die eine Rolle verlangt, zum Ausdruck zu bringen, so haben wir vorerst ein hoffnungsvolles Talent, aber noch lange keinen Star vor uns. Jetzt gilt es, die Gunst des Publikums zu erringen. Allein der Erfolg vor den großen Massen ist das ausschlaggebende Moment.“

250

Diese Beschreibung trifft auch auf andere Schönheitskonkurrenzen und Talentwettbewerbe zu, in deren Fokus immer eine Kombination aus filmtauglichem Aussehen und darstellerischem Können stand. Zwei Beispiele, die aus den zahlreichen ausgeschriebenen Wettbewerben herausgegriffen worden sind, sollen dies exemplarisch illustrieren. Ausgewählt wurden die beiden Bewerbe, da sie von zwei bedeutenden Persönlichkeiten des österreichischen Stummfilms veranstaltet worden waren. Das erste Beispiel ist ein Talentwettbewerb, den Michael Kertész (1886– 1962), Oberregisseur der Sascha-Film, 1924/25 in der Bühne ausgeschrieben hatte. Mit folgendem Text sollten potenzielle BewerberInnen angesprochen werden: „Wollen Sie filmen? Selbstverständlich wollen Sie filmen! Wer will das nicht! Gewiß!! Jeder will filmen! Jeder, der den Glanz des guten Namens und den des Goldes liebt. Alt und jung, groß und klein, dick und schmächtig, schön und häßlich, Mann, Frau, Jüngling, Fräulein, Halbkind, Kind (Mädchen mit Bubikopf, Bubi mit Hängelocken). Alle wollen sie ‚zum Film‘. [...] ‚Die Bühne‘ will da einmal Klarheit bringen. Sind Filmtalente da, dann heraus mit ihnen!! Man sucht Filmtalente. Vor allem schöne Frauen, die begabt sind, und gut aussehende junge Männer, Bonvivants, jugendliche Liebhaber, die ein backfisch-

249 Hans Pebal: „Die zum Film wollen. Erfahrungen bei der Konkurrenz der ‚Bühne‘“, in: Die Bühne 3/67 (1926), S. 43. 250 Ebd.

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bezauberndes Filmgesicht haben, intelligent sind und wahres mimisches Talent besitzen.“

251

Zusammen mit Michael Kertész wollte die Bühne den „sich unentdeckt und verkannt fühlenden Filmtalente[n]“ die Chance geben, entdeckt zu werden. Zu diesem Zweck mussten die BewerberInnen ein Foto einschicken. Eine Jury sollte dann über die „rein bildhafte Eignung für den Film“ entscheiden und die geeigneten KandidatInnen zu einer Probeaufnahme einladen. Den GewinnerInnen wurde schließlich ein Filmengagement in Kertész’ nächstem Film in Aussicht gestellt.252 Im Rahmen der Ausschreibung meldete sich Kertész auch selbst zu Wort. Unter der Überschrift „Ich suche Filmdarsteller . . .“ schrieb der bekannte Filmregisseur, dass er jungen, filmambitionierten LeserInnen eine Chance geben wolle, und gab ihnen deshalb den Rat, dass der Film in erster Linie ein geeignetes „Exterieur“ verlange. Denn Tricks, die auf der Bühne möglich seien, lasse das Objektiv nicht zu. Hoffnung sollte den LeserInnen aber das Bild in der Mitte der Ausschreibung machen, das Kertész im Profil zeigt und mit folgender Bildunterschrift versehen wurde: „Ich garantiere jenen Herren, die sich als Liebhaber, jenen Damen, die sich als Heldinnen für den Film eignen, die Karriere des Filmkünstlers innerhalb eines Jahres.“253 Die in der Ausschreibung angekündigten Probeaufnahmen fanden dann tatsächlich im März 1925 im Sascha-Filmatelier in Sievering – u.a. im Beisein von Oberregisseur Michael Kertész, Chefoperateur Gustav Ucicky, Regieassistent Arthur Gottlein und Friedrich Porges, der zu diesem Zeitpunkt die redaktionelle Leitung der Film-Bühne innehatte – statt (Abbildung 13).254 Ziel war es, die Filmeignung der BewerberInnen zu beurteilen: „[M]aßgebend [...] ist einzig und allein das bewegliche, das kinematographische Bild. Und es mag vorkommen, daß ein Kopf, der auf unbeweglichem Photo unvorteilhaft aussieht, sich im Film als ein wahrhaft lebendes Bild erweist.“255 Probeaufnahmen wurden deshalb als Feuerprobe gesehen, wenn es darum ging, das Talent vor der Kamera festzustel-

251 O.N.: „Wollen Sie filmen? ‚Die Bühne‘ bietet Ihnen die erwünschte Gelegenheit. Eine Jury entscheidet über eingesandte Photographien. Wir machen Probe-Filmaufnahmen!“, in: Die Bühne 1/1 (1924), S. 33. 252 Ebd. 253 Kertész: „Ich suche Filmdarsteller . . .“, S. 33. 254 Vgl. o.N.: „Probeaufnahmen bei der ‚Sascha‘. Oberregisseur Kertész entdeckt“, in: Die Bühne 2/20 (1925), S. 32f. 255 Ebd., S. 33.

6. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I | 327

len. Darauf wurde in den Filmzeitschriften wiederholt hingewiesen (vgl. Kapitel 6.1.1). Auch Kertész wählte aufgrund der Probeaufnahmen schließlich „sechs Damen für kleinere Rollen“ für sein nächstes Projekt DAS SPIELZEUG VON PARIS (Sascha, 1925) aus.256 Abbildung 13: Probeaufnahmen mit Michael Kertész im Sascha-Atelier

Quelle: Die Bühne, 1925 (UB Wien) Eine zweite wichtige Veranstaltung war jene, die Mein Film 1929 als erste öffentliche Filmprüfung bewarb. Es handelte sich dabei um einen seriösen Versuch, Filmschauspielnachwuchs durch eine Prüfung, die vor einer Fachjury stattfinden sollte, zu rekrutieren. Über die Zulassungsbedingungen, den Prüfungstermin und -ablauf sowie über die BewerberInnen wurde in acht Ausgaben ausführlich und regelmäßig berichtet (vgl. Tabelle 9).257 256 O.N.: „Die Probeaufnahmen“, in: Die Bühne 2/24 (1925), S. 43. Nur eine der ausgewählten Damen ist namentlich bekannt: Hella Sond. Vgl. o.N.: „Die ‚Sascha‘ arbeitet!“, in: Die Bühne 2/29 (1925), S. 37. 257 Vgl. o.N.: „Öffentliche Filmprüfungen“, in: Mein Film 4/175 (1929), S. 2; o.N.: „Öffentliche Filmprüfungen durch die Zeitschrift ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 4/176 (1929), S. 2; o.N.: „Öffentliche Filmprüfungen durch die Zeitschrift ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 4/177 (1929), S. 2; o.N.: „Öffentliche Filmprüfungen durch die Zeitschrift ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 4/178 (1929), S. 2; o.N.: „Unsere Aktion ‚Öf-

328 | Schauspielen im Stummfilm

Tabelle 9: Berichterstattung zur ersten Filmprüfung in Mein Film (1929) Ausgabe, Seite

Inhalt

Nr. 175, S. 2

Ankündigung

Nr. 176, S. 2

Zulassungsbedingungen

Nr. 177, S. 2

Zulassungsbedingungen

Nr. 178, S. 2

Ankündigungen Prüfungstermin

Nr. 179, S. 2

Anmeldeschluss, Vorstellung Jury

Nr. 179, S. 11

Fotos erster BewerberInnen

Nr. 180, S. 6f.

Zweck der Filmprüfungen

Nr. 181, S. 2

Nominierung der Prüflinge

Nr. 182, S. 6

Bericht über die Prüfung

Die erste Filmprüfung verlief nach dem üblichen Schema, nur fand die endgültige Auswahl im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung statt. Bewerben durften sich Frauen unter 25 und Männer unter 30 Jahren mittels Einsendung eines Fotos inkl. persönlicher Angaben (Name, Adresse, Geburtsjahr, Größe, Haar- und Augenfarbe). Eingeladen wurden die für am geeignetsten gehaltenen KandidatInnen, die in die Mein Film-Redaktion kommen sollten. Dort entschied eine Fachjury, wer zur Filmprüfung zugelassen wurde und wer nicht. Bei der Filmprüfung selbst, die am 8. Juni 1929 im Johann-Strauß-Theater in Wien stattfand, mussten sich die acht Prüflinge zuerst vorstellen und anschließend eine ernste und eine heitere Szene vorspielen. Die Fachjury, der u.a. Heinz Hanus, Max Neufeld und Friedrich Porges angehörten, befand, dass besonders drei BewerberInnen – Elsie Elster, Ludwig Schwab und Walter Szurovy (Abbildung 14) – „Beweise von schauspielerischer Begabung geliefert hätten und, wenn die Filmprobeaufnahme auch die Eignung ihrer äußeren Erscheinung bestätigen sollte, für den Filmberuf in Betracht“ kämen.258

fentliche Filmprüfungen‘“, in: Mein Film 4/179 (1929), S. 2; o.N.: „Die Öffentlichen Filmprüfungen von ‚MEIN FILM‘. Eine Auswahl aus den Bildereinsendungen“, in: Mein Film 4/179 (1929), S. 11; [Porges]: „Die Zeitschrift ‚Mein Film‘ veranstaltet öffentliche Filmprüfungen“, S. 6f.; o.N.: „‚Öffentliche Filmprüfungen‘“, in: Mein Film 4/181 (1929), S. 2; o.N.: „Unsere Aktion ‚Öffentliche Filmprüfungen‘“, in: Mein Film 4/182 (1929), S. 6. 258 O.N.: „Unsere Aktion ‚Öffentliche Filmprüfungen‘“ [Nr. 182], S. 6.

6. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I | 329

Abbildung 14: Kandidatenliste der ersten Filmprüfung

Quelle: Mein Film, 1929 (UB Wien)

Zum Kontext der Veranstaltung liest man in Mein Film: „Die Filmprüfungen selbst werden [...] im Rahmen der allgemein zugänglichen öffentlichen Artistenprüfungen, die bekanntlich mehrmals im Jahre von der Internationalen ArtistenOrganisation veranstaltet werden, stattfinden.“259 Bei der Artistenprüfung han259 O.N.: „Öffentliche Filmprüfungen durch die Zeitschrift ‚Mein Film‘“ [Nr. 176 u. 177], S. 2.

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delte es sich um eine staatlich anerkannte Prüfung für ArtistInnen, die absolviert werden musste, um den Mitgliedsstatus der Internationalen Artisten-Organisation (I.A.O.), der Vereinigung der österreichischen ArtistInnen, zu erhalten. Die Filmprüfungen waren an das Konzept der Artistenprüfungen angelehnt: Die Prüflinge sollten sich mit ihrem Können vor einer Fachjury und einem Publikum beweisen. Um zu bestehen, musste man mit einer Kombination aus perfekter Darbietung und professionellem Styling punkten. Die Prüfungen fanden jeden zweiten Monat in Wien statt. Beliebte Prüfungsorte waren die Olympiasäle (Rothgasse 5), das Apollo (Gumpendorfer Straße 63, Kaunitzgasse 2–4), das Ronacher (Seilerstätte 9), das Johann-Strauß-Theater (Favoritenstraße 8) und im Sommer auch der Prater.260 Der Zweck der Aktion, die Mein Film – in Anlehnung an die Artistenprüfung – ins Leben gerufen hatte, war, die für den Filmschauspielerberuf am Geeignetsten auszuwählen und denjenigen den Karriereeinstieg zu erleichtern. Dieses Ziel hatte auch Kertész verfolgt, doch Porges wollte darüber hinaus ebenso jenen KandidatInnen, die ungeeignet waren, Gewissheit verschaffen, damit diese sich anderen Berufen zuwenden konnten: „In einer einleitenden Konference [zur 1. Filmprüfung, A.D.] wies Chefredakteur Porges auf den Zweck der Filmprüfungen hin und betonte, daß den vielen jungen Menschen, die dem Filmberuf zustreben, durch diese Aktion Gelegenheit geboten werden solle, sich über ihre Begabung Gewißheit zu verschaffen und im Falle wirklicher Eignung die Aufmerksamkeit maßgebender Fachleute zu gewinnen. Andererseits sollten Kandidaten, deren Prüfung ein negatives Resultat ergäbe, dadurch gewarnt werden, die große Zahl des Filmproletariats noch zu vergrößern.“

261

260 Vgl. Alexandra Heim: „Adele und Franz“, in: Artistenleben auf vergessenen Wegen. Eine Spurensuche in Wien, hg. von Birgit Peter und Robert Kaldy-Karo. Wien, Berlin: LIT, 2013 (= Wien – Musik und Theater 4), S. 59–76, hier S. 63f.; Birgit Peter: Schaulust und Vergnügen. Zirkus, Varieté und Revue im Wien der Ersten Republik. Diss., Universität Wien, 2001, S. 127f. Über die Filmprüfungen berichtete deshalb auch das Internationale Artisten-Organ, das offizielle Fachblatt der I.A.O. Vgl. o.N.: „Filmprüfungen“, in: I.A.O., Internationales Artisten-Organ 4/5 (1929), S. 3; o.N.: „Juni-Prüfung“, in: I.A.O., Internationales Artisten-Organ 4/6 (1929), S. 2f. 261 O.N.: „Unsere Aktion ‚Öffentliche Filmprüfungen‘“ [Nr. 182], S. 6. Zum Zweck der Filmprüfungen vgl. auch [Porges]: „Die Zeitschrift ‚Mein Film‘ veranstaltet öffentliche Filmprüfungen“, S. 6f.

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Man könnte also sagen, dass Porges einen anderen Zugang zur Talentsuche hatte als Kertész. Während Letzterer den geeignetsten Filmnachwuchs aus der Sicht eines Filmschaffenden suchte und sozusagen ein „Casting“ veranstaltete, näherte Porges sich dem Thema aus der Sicht derjenigen, die zum Film wollten, und schuf mit der Filmprüfung eine Art Eignungstest für FilmaspirantInnen. Eignung war generell ein Wort, das im Zusammenhang mit den Filmkonkurrenzen immer wieder verwendet wurde und auch im Kontext der Mein FilmAktion mit einer Kombination aus äußerem Erscheinungsbild und angeborener Begabung gleichsetzt wurde. Die Etappen der Filmprüfung waren darum dazu gedacht, die beiden Aspekte der Filmeignung zu testen: Das eingesandte Foto und der Besuch in der Redaktion sollten zunächst einen ersten Eindruck von der Person, ihrem Aussehen und ihrer Persönlichkeit vermitteln. Die Fachjury hatte dann die Aufgabe, festzustellen, ob der Kandidat oder die Kandidatin die Fähigkeit besaß, sich natürlich und unbefangen vor der Kamera zu bewegen. Außerdem wurde überprüft, inwiefern der Prüfling die Anweisungen eines Filmregisseurs umsetzen konnte. Die von Mein Film initiierten Filmprüfungen waren als jährliche Aktion geplant und bestanden tatsächlich über das Jahr 1929 hinaus.262 Zum Beispiel berichtete Gusti Wolf in ihrer Autobiografie davon, dass sie daran im Jahr 1934 teilgenommen und den zweiten Preis gewonnen hatte. Von ihrem Preisgeld (300 Schilling) kaufte sie sich eine teure Robe bei Ida Reich auf der Mariahilfer Straße (vgl. Kapitel 5.1.2), um für die Kutschenfahrt der SiegerInnen durch Wien gut auszusehen.263 Die ausgewählten Beispiele konnten zeigen, dass die Filmkonkurrenzen sowohl Schönheits- als auch Talentwettbewerbe waren. Es ging darum, neue Filmgesichter im eigenen Land zu entdecken und zu fördern. Dass die Filmkonkurrenzen gerade in den 1920er Jahren ihren Höhepunkt erreichten, hatte vermutlich zwei Gründe: Erstens boten die nun in großer Zahl aufkommenden Publikums-

262 Die 2. Filmprüfung fand allerdings bereits am 07.12.1929 (wieder im JohannStrauß-Theater) statt. Bestanden hatten: Lola Werner, Mutz Dömeny, Franzi Schostul. Vgl. o.N.: „Unsere Aktion ‚Öffentliche Filmprüfungen‘“, in: Mein Film 4/202 (1929), S. 2; o.N.: „Unsere Filmprüfungs-Aktion“, in: Mein Film 4/206 (1929), S. 14; o.N.: „Verlauf und Ergebnis der zweiten Filmprüfung“, in: Mein Film 4/208 (1929), S. 9f. 263 Vgl. Gusti Wolf: Gusti Wolf erzählt aus ihrem Leben, hg. von Dagmar Saval. Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2001, S. 37–41. Im Buch wird auch folgender zeitgenössischer Beitrag erwähnt: O.N.: „Film-Festwochen – Wettbewerbe entschieden“, in: Mein Film 9/445 (1934), S. 7f.

332 | Schauspielen im Stummfilm

zeitschriften ein geeignetes Forum dafür; zweitens waren die Wettbewerbe eine Ablenkung von den Entbehrungen der Zwischenkriegszeit. Das traf auch auf reguläre Schönheitskonkurrenzen zu, die schon vor dem Krieg abgehalten worden waren, aber erst in den 1920er Jahren die volle mediale Aufmerksamkeit erhielten.264 Über den Unterhaltungsfaktor hinaus sollten die Filmkonkurrenzen zudem auch ein Bewusstsein dafür schaffen, welche Anforderungen der Beruf des Stummfilmdarstellers mit sich brachte. Auf diese Weise wollte man Talente fördern und ungeeigneten Personen ein realistisches Selbstbild vermitteln. Doch das Ziel, das „Filmproletariat“ nicht noch zu vergrößern und den Filmschwindelschulen ein Ende zu setzen, konnten auch die Schönheits- und Talentwettbewerbe nicht erreichen. Entschlossener ging diesbezüglich die erste Berufsvereinigung der österreichischen StummfilmschauspielerInnen, der Verband der Filmdarsteller und der Filmkomparserie, vor. Der nächste Abschnitt beschäftigt sich daher ausführlich mit den Zielen und Herausforderungen des Verbandes sowie dessen Beitrag zur Verberuflichung der FilmdarstellerInnen.

6.3 DER VERBAND DER FILMDARSTELLER ALS ERSTE INTERESSENVERTRETUNG Wie in den beiden vorigen Abschnitten dargelegt werden konnte, bestimmten vor allem zwei Faktoren die Arbeitsrealität der (angehenden) StummfilmschauspielerInnen: (1) eine prekäre Beschäftigungslage und (2) unseriöse Ausbildungsmöglichkeiten. Beide Faktoren sind auch als maßgebliche Motive für die Gründung der ersten Interessenvertretungen anzusehen, die den daraus resultierenden Missständen wie Engagementlosigkeit und geringe Leistungsentlohnung mit kostenloser Arbeitsvermittlung, Kollektivverträgen, Sozialleistungen und Rechtsschutz entgegenwirken wollten. Der Zusammenschluss der österreichischen FilmdarstellerInnen im Jahr 1919 folgte dabei einem internationalen Trend. Nicht nur in Wien, sondern auch in Berlin, London oder Budapest konstituierten sich zur selben Zeit Berufsverbände, deren Hauptanliegen der Kampf für faire Arbeitsbedingungen war. Mit Blick auf die Situation in Deutschland schrieb die Kinematographische Wochenschau deshalb: „Um mit der Mode mitzugehen, haben nunmehr auch die Kinoschauspieler eine Genossenschaft gebil-

264 Vgl. Elisabeth Patsios: Die Schönste der Schönen. Geschichte der Miss Austria 1929–2009. Wien, Graz, Klagenfurt: Molden, 2009, S. 12–27.

6. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I | 333

det. Man kann ihnen hierzu nur gratulieren, denn es ist ja gerechtfertigt, daß jeder seine Interessen zu wahren sucht.“265 Mit der „Mode“ gingen aber nicht nur die Filmdarsteller, auch andere Berufsgruppen der österreichischen Film- und Kinobranche machten von dem seit 1867 bestehenden Vereinsrecht Gebrauch. Die Ersten waren die Kinobesitzer, die sich bereits 1907 im Reichsverband der Kinematographenbesitzer zusammenschlossen. 1911 folgte die Vereinigung der Filmfabriken, Filmleihanstalten und Filmfirmen zum Bund der Kino-Industriellen. Im selben Jahr karikierte man im Österreichischen Kometen das Vereinigungsbedürfnis in der noch jungen Branche, indem man ein fiktives Protokoll von der konstituierenden Versammlung des Vereins der Filmfiguren veröffentlichte und diese „zeitgemäße Gründung“ mit den Worten kommentierte: „In einer Zeit, wo alles auf die Organisation hinausläuft, ist es notwendig gewesen, dass sich auch die bekannten und beliebten Figuren der Films organisiert haben [...].“266 In der Realität schlossen sich vorerst jedoch nur die Unternehmer der Filmund Kinobranche zusammen. Erst nach dem Ersten Weltkrieg, ab 1919, begannen sich auch die Filmschaffenden zu organisieren. Neben den FilmdarstellerInnen vereinigten sich ebenfalls die Kameraleute (Verband der Operateure, 1919), die Arbeiterschaft der Filmateliers, Laboratorien und Verleihbetriebe (Union der Bühnen- und Kinopersonale Österreich/Sektion Film, 1919) und die Filmregisseure (Vereinigung der Filmregisseure Wiens, 1920).267 Diese Vereine waren allerdings weniger als „gewerkschaftliche Kampforganisationen“, sondern mehr als „Bildungs-, Geselligkeits- und Unterstützungsvereine“ anzusehen.268 In diesem Sinne ist auch der 1919 gegründete Verband der Filmdarsteller zu verstehen, dessen Gründung, Organisationsstruktur, Zielsetzung und Monopolanspruch Thema der nachfolgenden Kapitel sein wird.

265 Diogenes: „Echo“, in: Kinematographische Wochenschau 3/31 (1912), S. 29. 266 O.N. [tz]: „Der Verein der Filmfiguren. (Eine zeitgemässe Gründung.)“, in: Österreichischer Komet 4/84 (1911), S. 30 u. 32, hier S. 30. 267 Vgl. Herbert Edler: Heinz Hanus. Filmschaffender und Begründer einer Berufsvereinigung für Filmschaffende (Filmbund) in der Ersten Republik. Ein Beitrag zur (Sozial-)Geschichte des österreichischen Films. Diss., Universität Wien, 1983, S. 73 u. 84–93. 268 Ebd., S. 73.

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6.3.1 Zielsetzungen und Mitgliederverwaltung Das genaue Datum der Vereinigung der österreichischen StummfilmdarstellerInnen ist nicht bekannt. Den Vereinsakten ist zu entnehmen, dass die Statuten am 17. März 1919 eingelangt waren und am 11. April 1919 bewilligt wurden.269 Anzunehmen ist daher, dass die konstituierende Versammlung kurz vorher stattgefunden hatte. Laut dem Vereinsgesetz von 1867 galt ein Verein aber ohnehin erst nach der Bewilligung der Statuten durch die Vereinsbehörde als existent, wodurch der 11. April 1919 durchaus als ein wichtiges Datum im Gründungsprozess des Verbandes gelten darf. Den Statuten wurde folglich eine große Bedeutung zugemessen, da diese die Aufgaben, Ziele und Strukturen eines Vereins/Verbandes offenlegten. Bereits 1867 war festgelegt worden, dass nachfolgende Punkte enthalten sein mussten: „a) der Zweck des Vereines, die Mittel hiezu und die Art ihrer Aufbringung; b) die Art der Bildung und Erneuerung des Vereins; c) der Sitz des Vereins; d) die Rechte und Pflichten der Vereinsglieder; e) die Organe der Vereinsleitung; f) die Erfordernisse giltiger Beschlußfassungen, Ausfertigungen und Bekanntmachungen; g) die Art der Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnisse; h) die Vertretung des Vereins nach Außen; i) die Bestimmungen über dessen Auflösung.“270

Den Statuten ist darum zu entnehmen, dass der Verband der Filmdarsteller 1919 mit Sitz in Wien und Tätigkeitsbereich in ganz Deutsch-Österreich angemeldet wurde. Erst 1923 sollte der Name in „Verband der Filmdarsteller und (der) Filmkomparserie“ (Abbildung 15a) geändert werden. Der Sitz blieb der gleiche, nur kamen noch Ortsgruppen in Graz und Salzburg dazu. Zudem wurde die Bezeichnung „Deutsch-Österreich“ durch „Republik Österreich“ ersetzt.271 An dieser Stelle muss auch angemerkt werden, dass sich nicht eindeutig feststellen lässt, ob es sich um einen eigenen Verband oder eine Sektion innerhalb des österreichischen Bühnenvereins handelte. Letzteres wird mehrmals im Filmboten

269 Vgl. WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Bewilligungserlass 1919). 270 § 4 RGBl 1867/134. 271 WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1923, §§ 1-2 u. 6).

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konstatiert.272 Laut den Vereinsakten im Wiener Stadt- und Landesarchiv war der Verband jedoch als „Hauptverein“ eingetragen worden273 bzw. wurde eine ausdrückliche Zugehörigkeit zum Bühnenverein nirgends erwähnt. Eine enge Verbindung der beiden Interessenvertretungen war dennoch gegeben.274 So war nicht nur eine doppelte Mitgliedschaft erforderlich, d.h. ordentliche Mitglieder des Verbandes der Filmdarsteller mussten ebenfalls Mitglieder des Österreichischen Bühnenvereins sein, sondern es gab außerdem personelle Überschneidungen: Der erste Präsident des Verbandes, Carl Forest (1874–1944, Abbildung 15b), war auch der Präsident des Bühnenvereins.275 Ebenso war der Begründer des Bühnenvereins, Alfons Bolz-Feigl, 1919 als Vizepräsident des Verbandes tätig. Abbildung 15a: Stempel des Verbandes der Filmdarsteller und der Filmkomparserie

Quelle: Statuten 1925 (WStLA)

272 Vgl. u.a. o.N.: „Schauspieler und Filmfabriken“, in: Der Filmbote 2/35 (1919), S. 5f., hier S. 5.: „Im Zeichen der allgemeinen Organisationsbewegung haben sich kürzlich auch die Filmdarsteller zu einer eigenen Sektion des österreichischen Bühnenvereins organisiert.“ 273 Vgl. WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Vereinskataster). 274 Präsident Carl Forest sprach in diesem Zusammenhang von einem „enge[n] Kartellverhältnis“. Vgl. Carl Forest: „Die Organisation der Filmdarsteller“, in: Die Kinowoche 2/1 (1920), S. [1]–3, hier S. 2. 275 Vgl. ebd., S. [1].

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Abbildung 15b: Carl Forest, erster Präsident des Verbandes der Filmdarsteller

Quelle: Die Kinowoche, 1920 (UB Wien)

Wie die Protokolle in der Neuen Kino-Rundschau, dem offiziellen Verbandsorgan seit dem 19. April 1919,276 zeigen, war Bolz-Feigl bei den ersten Versammlungen anwesend und aktiv am Aufbau des Verbandes beteiligt.277 Parallel dazu veröffentlichte er in der Neuen Kino-Rundschau erläuternde Texte zur Tätigkeit des Verbandes der Filmdarsteller. In der Ausgabe vom 26. April 1919 erklärte er z.B. die Zielsetzungen des Verbandes ausführlicher, als dies in den Vereinsstatuten der Fall war. „Was will der Verband der Filmdarsteller?“, fragte sich BolzFeigl einleitend und stellte anschließend fest: „§ 3 und 4 seiner Statuten besagen es deutlich.“278 276 Vgl. [Verband der Filmdarsteller]: „Die ‚Neue Kino-Rundschau‘ als offizielles Verbandsorgan!“, in: Neue Kino-Rundschau 3/112 (1919), S. 13f.; Alfons Bolz-Feigl: „Zwecke und Ziele des Verbandes der Filmdarsteller“, in: Neue Kino-Rundschau 3/112 (1919), S. 11–13, hier S. 12. 277 Vgl. u.a. o.N.: „Die Filmbörse“, S. 2–5. 278 Bolz-Feigl: „Zwecke und Ziele des Verbandes der Filmdarsteller“, S. 11f. (Bez.: WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1919, §§ 3 u. 4)).

6. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I | 337

Tatsächlich definieren die beiden Paragraphen die primären organisatorischen und inhaltlichen Ziele des Verbandes. Demgemäß stand neben der Gründung eines Zentralbüros, eines Verbandslokales (Café Filmbörse in der Rechten Wienzeile 33) und eines Verbandsorgans „in erster Linie die Förderung der sozialen und materiellen Interessen“ sowie die Erleichterung der „Lebens- u[nd] Existenzbedingungen“ der StummfilmdarstellerInnen im Vordergrund. 279 Die genannten Ziele wollte man durch den Abschluss eines Kollektivvertrags mit den Filmfabrikanten (vgl. Kapitel 6.3.2), eine kostenlose Stellenvermittlung (vgl. Kapitel 6.1.2 und 6.3.3), die Schaffung humanitärer Einrichtungen (vgl. Kapitel 6.3.4) und den Kampf gegen unseriöse Filmschulen (vgl. Kapitel 6.2.1) erreichen. Explizit in den Statuten erwähnt werden allerdings nur die geplante Gründung der Wiener Filmbörse und das angestrebte soziale Engagement, alle anderen Ziele gehen aus den Erläuterungen Bolz-Feigls hervor. Die weiteren Paragraphen der Statuten behandeln in der Folge die Mitgliederverwaltung in Bezug auf die Aufnahmekriterien, Rechte und Pflichten sowie die zu entrichtenden Mitgliedsbeiträge. Insgesamt gab es vier Mitgliedsarten im Verband der Filmdarsteller. Neben der ordentlichen Mitgliedschaft hatte man auch die Möglichkeit, unterstützendes Mitglied oder Ehrenmitglied zu werden. Letzteres war nur, wie z.B. bei Alfons Bolz-Feigl, möglich, wenn die betreffende Person den Verband in irgendeiner Weise besonders gefördert hatte.280 Welche Kriterien für die Aufnahme durch den Vorstand ausschlaggebend waren, wurde jedoch nicht näher ausgeführt. Zum unterstützenden Mitglied konnte man hingegen werden, wenn man dem Verband jährlich eine höhere Geldsumme zukommen ließ. Aufgrund der Hyperinflation bis Mitte der 1920er Jahre stieg der zu zahlende Betrag zwischen 1919 und 1925 beträchtlich an (vgl. Tabelle 10a).281

279 WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1919, § 3). 280 Bolz-Feigl, der den Verband in den ersten Monaten nach seiner Gründung unterstützte, legte sein Amt als Vizepräsident bereits im Juli 1919 zurück – offizielle Begründung war die „Überbürdung“ durch seine vielen Verpflichtungen – und wurde daraufhin vom Vorstand am 21.07.1919 zum Ehrenmitglied ernannt. Vgl. Alfons Bolz-Feigl: „Zum Abschied“, in: Neue Kino-Rundschau 3/125 (1919), S. 4f.; [Verband der Filmdarsteller]: „Vorstandssitzung am 21. Juli 1919“, in: Neue Kino-Rundschau 3/125 (1919), S. 6. 281 Vgl. WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1919–28, § 8).

338 | Schauspielen im Stummfilm

Tabelle 10a: Jährliche Mitgliedsbeiträge von unterstützenden Mitgliedern (1919–1928) Mitgliedsbeiträge unterstützender Mitglieder 1919

K 100.–

1920

K 1.000.–

1923

K 50.000.–

1925

K 500.000.–

1928

S 100.–

Die konventionellste Kategorie waren aber die ordentlichen Mitglieder, die nur Aufnahme fanden, wenn sie bereits in anderen künstlerischen Vereinigungen Mitglieder geworden waren. Welche Vereine/Verbände das betraf, veränderte sich über die Jahre. Konstant blieb indessen die Bedingung, entweder im Österreichischen Bühnenverein oder in der Internationalen Artisten-Organisation eine Mitgliedschaft zu besitzen. Damit wollte man, laut Carl Forest, eine „gewisse Auslese“ schaffen und branchenexternen „Elementen“ den Zugang zum Verband erschweren. Personen, die keine derartige Mitgliedschaft vorweisen konnten und damit nicht dem Schauspieler- oder Artistenstand angehörten, wurden daher vorerst als HospitantInnen aufgenommen. Nach einer Probezeit von drei Monaten wurde vom Vorstand darüber entschieden, ob ein Hospitant oder eine Hospitantin als ordentliches Mitglied aufgenommen werden sollte oder nicht. Carl Forest erklärte die Gründe für diese Regelung folgendermaßen: „Eine weitere wichtige Funktion der Vereinigung liegt darin, daß sie auf den Arbeitsmarkt regulierend einwirkt. Wir haben eine Bestimmung angenommen, die eine gewisse Auslese schaffen soll. Es wird grundsätzlich jeder in den Verband aufgenommen. Jene Bewerber, die dem Schauspieler- oder Artistenberuf fernstehen, haben eine dreimonatige Hospitantenzeit durchzumachen, nach deren Ablauf über ihre definitive Aufnahme entschieden wird. Der Verband wird bei Entscheidungen gewiß nicht engherzig vorgehen, wird aber doch den prinzipiellen Standpunkt nicht aufgeben können, daß die Organisierung von solchen Darstellern, die keine Aussicht haben, aus der Komparserie herauszutreten, keinen Sinn habe. Die Möglichkeit, beim Film vorwärtszukommen, ist größer als beim Theater. Der Aufnahmeapparat ist ein scharfäugiger Beobachter, der die darstellerischen Fähigkeiten genau registriert. Wem es innerhalb einer gewissen Zeit nicht gelingt, seine Befähigung nachzuweisen, der hat beim Film nichts verloren und es ist sicher gerecht, solche Elemente abzustoßen.“282 282 Forest: „Die Organisation der Filmdarsteller“, S. 2.

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Das Verhältnis zwischen ordentlichen Mitgliedern und HospitantInnen zeigen die Mitgliederverzeichnisse, die im Almanach der Film- und Kinoindustrie veröffentlicht wurden.283 Aus den Verzeichnissen geht hervor, dass für das Jahr 1920 insgesamt 1554 ordentliche Mitglieder (659 Frauen, 895 Männer) und 401 HospitantInnen (184 Frauen, 217 Männer) erfasst worden waren.284 Ein Jahr später war das Verhältnis nur geringfügig anders, da sich kaum zahlenmäßige Verschiebungen ergeben hatten.285 Der Almanach der Film- und Kinoindustrie veröffentlichte darüber hinaus auch die Namen der Verbandsmitglieder, manche sind heute noch bekannt: Rosa Albach-Retty, Liane Haid, Thea Rosenquist, Magda Sonja, Heinz Hanus, Franz Höbling, Viktor Kutschera, Wilhelm Klitsch, Michael Kertész, Hans Lackner, Hans Moser, Hubert Marischka, Max Neufeld, Eugen Neufeld, Werner Schott, Hugo Wiener, Carl von Zeska.286 Zu den Mitgliedern zählten folglich auch Bühnenlieblinge und Regisseure. Das war dem Umstand geschuldet, das neben bekannten und unbekannten FilmdarstellerInnen ebenso Mitglieder anderer Berufsgruppen zu den statutengemäßen Bedingungen aufgenommen werden durften.287 Beitreten konnte man dem Verband der Filmdarsteller mittels Beitrittserklärung, dem Vorstand stand es aber frei, die Aufnahme abzulehnen. 288 Wer jedoch aufgenommen wurde, musste ab 1920 für seine Mitgliedschaft (extra) bezahlen. Ursprünglich war nur geplant gewesen, dass 1% des Honorars nach erfolgtem Engagement an den Verband abgeführt werden sollte.289 Die wirtschaftlichen Verhältnisse dürften die Verbandsleitung allerdings dazu bewogen haben, fixe Mitgliedsbeiträge einzuführen und darüber hinaus auch Einschreibegebühren von denjenigen zu verlangen, die beitreten wollten. In beiden Fällen kam es im

283 In den Verzeichnissen des Almanachs der Film- und Kinoindustrie werden auch die HospitantInnen als ordentliche Mitglieder angeführt. Unterschieden wird hier zwischen Hospitanten/Hospitantinnen und Schauspielern/Schauspielerinnen. Vgl. o.N.: „Ordentliche Mitglieder des Verbandes der Filmdarsteller“, in: Almanach der Filmund Kinoindustrie 1 (1920), S. 252–295 – Almanach der Film- und Kinoindustrie 2 (1921), S. 252–295. 284 Vgl. ebd. 285 Vgl. ebd. 286 Vgl. ebd. 287 Vgl. WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1919, § 6). 288 Vgl. ebd. (Statuten 1919–28, § 6). 289 Vgl. Bolz-Feigl: „Zwecke und Ziele des Verbandes der Filmdarsteller“, S. 12.

340 | Schauspielen im Stummfilm

Laufe der Jahre zu eklatanten Erhöhungen, die ebenfalls im Zusammenhang mit der Hyperinflation zu sehen sind (vgl. Tabelle 10b).290 Tabelle 10b: Monatliche Mitgliedsbeiträge von ordentlichen Mitgliedern (1919–1928)291 Mitgliedsbeiträge (mit DM)

Einschreibegebühr (mit und ohne DM)

Mitgliedsbeiträge (ohne DM)

1919

1% des Honorars





Keine Angaben

1920

K 25.–



K 100.–

K 50.–

1923

K 2.000.–



K 25.000.–

K 5.000.–

1925

K 10.000.–

K 20.000.–

K 100.000.–

K 20.000.–

1928

10% des Einkommens (mindestens S 2.–)

S 5.–

S 10.–

S 4.–

Ab 1923 findet sich in den Statuten dazu folgender Zusatz: „Sollte der Verband mit diesen Beträgen das Auslangen nicht finden, so steht es dem Vorstande frei, eine Erhöhung der Beiträge vorzunehmen.“ 292 Zudem hatte der Verband die Möglichkeit, Geld durch eigene Veranstaltungen (Filmaufnahmen, Feste, Vorlesungen, Vorträge etc.) und „Schenkungen aller Art“ (§ 5) einzunehmen.293

290 Vgl. ebd.; WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1919–28, § 6). 291 DM = Doppelmitgliedschaft: Mitglieder von Partnerorganisationen (Österreichischer Bühnenverein, Artistengenossenschaft/Internationale Artistenloge; ab 1923 auch: Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger, Internationale Artisten-Organisation, Zentralverband der Film- und Kinoangehörigen Deutschlands, Organisace československého filmového herectva [Organisation der tschechoslowakischen Filmschauspieler, A.D.]) waren von den Einschreibegebühren befreit. Das änderte sich 1925, jedoch mussten diese bei Weitem niedrigere Gebühren/Beiträge bezahlen als jene InteressentInnen und Mitglieder, die keine Mitgliedschaft in einer der genannten Partnerorganisationen vorweisen konnten. Vgl. WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1919–28, § 6). 292 Ebd. (Statuten 1923/25/28, § 6). 293 Ebd. (Statuten 1919–28, § 5). Tatsächlich gingen im Jahr 1919 zumindest zwei Spenden ein, von denen die Neue Kino-Rundschau Notiz genommen hatte. Die eine stammte vom Reichsverband der Kinematographenbesitzer, der 1000 Kronen spendete. Die andere kam von den Filmindustriellen, die dem Verband bzw. der Filmbörse sogar einen Betrag in der Höhe von 10.000 Kronen gestiftet haben sollen. Vgl. [Verband der Filmdarsteller]: „Filmbörse und Reichsverband“, in: Neue Kino-Rund-

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Die Verbandsstatuten regelten aber nicht nur die Beitritts-, sondern auch die Austrittsmodalitäten. Bei diesbezüglichen Entscheidungen hatte grundsätzlich immer der Vorstand das letzte Wort. Daher war es diesem auch vorbehalten, Mitglieder, die gegen die Statuten verstießen, auszuschließen. Ansonsten erlosch die Mitgliedschaft nach dem freiwilligen Austritt oder dem Tod des Mitglieds sowie infolge der Nichtzahlung der Mitgliedsbeiträge.294 Die weiteren Bestimmungen der Statuten befassen sich schließlich mit den Aufgabengebieten der einzelnen Verbandsorgane: der Generalversammlung (ab 1920 Delegiertenversammlung), des Vorstandes und des Schiedsgerichts (ab 1920 Disziplinarausschuß). Detaillierte Ausführungen bezüglich der Organisation der einzelnen Verbandsorgane würden zu weit weg vom eigentlichen Thema führen, weshalb an dieser Stelle auf die §§ 10 bis 21 der Statuten verwiesen werden muss.295 Mit den Statuten hatte sich der Verband der Filmdarsteller ab 1919 große Ziele gesteckt. Dazu bemerkte Vizepräsident Bolz-Feigl in der Neuen KinoRundschau: „Der Verband der Filmdarsteller weiß wohl, daß der Weg, den er sich vorgezeichnet hat, nicht nur ein mühevoller ist, sondern Opfer in jeder Beziehung erfordern wird. Nichts aber kann ihn abhalten[,] von diesem Wege abzugehen.“296 Eines der herausforderndsten Ziele des Verbandes war die Durchsetzung eines Kollektivvertrages für FilmschauspielerInnen und FilmstatistInnen. Wie im Folgenden gezeigt werden soll, kam es schon bald zu Verhandlungen mit den Filmfabrikanten, sodass eine erste Fassung bereits kurz nach der Verbandsgründung vorliegen konnte. 6.3.2 Kollektivvertragliche Vereinbarungen „In der kürzlich stattgefundenen Sitzung gelangten nach längeren Verhandlungen die Filmdarsteller mit den Fabrikanten zu folgender Vereinbarung [...]“297, verlautbarte die Neue Kino-Rundschau am 17. Mai 1919 in den „Offiziellen Mit-

schau 3/112 (1919), S. 14; [ders.]: „Übereinkommen zwischen dem Verbande der Filmdarsteller und den unterfertigten Filmfabrikanten [Nachtrag]“, in: Neue KinoRundschau 3/115 (1919), S. 9f., hier S. 10. 294 Vgl. WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1919–28, § 7). 295 Vgl. ebd. (Statuten 1919–28, §§ 10–21). 296 Bolz-Feigl: „Zwecke und Ziele des Verbandes der Filmdarsteller“, S. 12. 297 [Verband der Filmdarsteller]: „Übereinkommen zwischen dem Verbande der Filmdarsteller und den unterfertigten Filmfabrikanten“, S. 9.

342 | Schauspielen im Stummfilm

teilungen des ‚Verbandes der Filmdarsteller‘ und der ‚Filmbörse‘“. Damit setzte der Verband eines seiner primären Ziele raschest um und konnte bereits kurz nach seiner Gründung Regelungen in den Bereichen Mindestgage, Reisespesen, Arbeitszeiten und Vergütungen bei Absagen seitens der Filmfirmen treffen. Die wichtigsten Vertragspunkte werden nachfolgend in komprimierter Form herausgearbeitet, eine wortwörtliche Abschrift der kollektivvertraglichen Vereinbarungen ist im Anhang zu finden (vgl. Anhang B). Der Kollektivvertrag in der Fassung vom 6. Mai 1919298 wurde nach langwierigen Verhandlungen zwischen dem Verband der Filmdarsteller und den Wiener Filmfabrikanten abgeschlossen. Die unterzeichneten Filmfirmen299 erkannten den Verband der Filmdarsteller „als einzige bestehende und berechtigte Organisation der Filmdarsteller Deutschösterreichs“ an und verpflichteten sich, nur Mitglieder und HospitantInnen des Verbandes bzw. der Filmbörse zu engagieren. Direkte, d.h. von der Filmbörse unabhängige Engagements mussten dem Verband umgehend gemeldet werden. In diesem Fall sowie bei Engagements, die die Filmbörse vermittelt hatte, mussten sogenannte „Engagementsscheine“ ausgegeben und dem Verband vorgelegt werden. Diese hatten die Personalien des Engagierten sowie Informationen zum Engagement (Art der Darstellung, Antrittsdatum, Kostümaufwand, Honorar, Diäten) zu enthalten und durften nur von den Filmfirmen „honoriert“ werden, sofern sie vom Verband zur Kenntnis genommen (abgestempelt) worden waren. Von den Formalitäten abgesehen standen aber vor allem drei Punkte300 im Zentrum der Kollektivvertragsverhandlungen, die die FilmdarstellerInnen vor der Willkür ihrer Arbeitgeber schützen sollten. Der erste betraf die allgegenwärtige Honorarfrage. Wie noch gezeigt werden soll, hatte sich der Verband beson-

298 Vgl. ebd., S. 9f.; o.N.: „Der Vertrag der Filmdarsteller“, in: Neue Filmwoche 1/31 (1919), S. 6. 299 Unterzeichnet hatten: „Saschafilm, Astoriafilm, Kunstfilm, Kinofilmindustrie, Filmag, Heliosfilm, Atlanticfilm, Fiatfilm, Artestfilm, Pavofilm, Eywofilm, Trefffilm, Listofilm, Baronfilm, Deltafilm, Hellmuthfilm.“ Vgl. [Verband der Filmdarsteller]: „Übereinkommen zwischen dem Verbande der Filmdarsteller und den unterfertigten Filmfabrikanten“, S. 10. 300 Die Neue Filmwoche gliederte die zentralsten Vereinbarungen des Kollektivvertrages in vier Punkte: (1) Arbeitszeit, (2) Mindesthonorar, (3) Diäten, (4) Vergütungen bei Entfall einer Aufnahme. Vgl. o.N.: „Der Vertrag der Filmdarsteller“, S. 6. Die folgenden Ausführungen orientieren sich aber am Kollektivvertrag, der in der Neuen Kino-Rundschau veröffentlicht wurde und der Punkt 1 und 4 zu einem zusammenfasst, d.h. die Vergütungen im Kontext von Arbeitszeit und Arbeitsort behandelt.

6. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I | 343

ders auf diesem Gebiet auf Kompromisse eingelassen. Entgegen den ursprünglich höheren Forderungen seitens der Filmdarsteller wurde letztendlich eine vereinfachte Honorarstaffelung in den Kollektivvertrag aufgenommen (vgl. Tabelle 11a).301 Tabelle 11a: Kollektivvertragliche Honorarstaffelung für FilmdarstellerInnen (1919) Tätigkeit als

Honorar in Kronen pro Aufnahmetag

Statist

30

Statist mit Aufwand

35–40

Kleine Rolle

40

Alle anderen Rollen

50 (mind.)

„Statist mit Aufwand“ meinte StatistInnen, die die benötigte Garderobe bereits mitbrachten. Als Beispiele wurden im Kollektivvertrag genannt: Frack oder Smoking bei Herren, Soiree- oder Abendtoilette bei Damen. Was hingegen unklar bleibt, sind die wagen Bezeichnungen „kleine Rolle“ und „alle anderen Rollen“. Diese werden im Vertrag selbst nicht näher erläutert. Es ist aber anzunehmen, dass mit „kleine[r] Rolle“ eine Komparsen- oder Nebenrolle, mit „alle[n] anderen Rollen“ Hauptrollen gemeint waren. Dass die gewählten Bezeichnungen auch für Zeitgenossen alles andere als eindeutig waren, zeigt das Protokoll der Vorstandssitzung vom 12. Juli 1919: „Auf Antrag des Herrn Wiene sei der nächsten Schiedsgerichtssitzung die Frage vorzulegen, was unter kleiner Rolle bezw. Statisterie zu verstehen sei [...].“302 Ein weiterer strittiger Punkt waren etwaige Diäten für Reisen außerhalb Wiens. Vereinbart wurden (je nach Zielort) mindestens 25 Kronen, falls eine Rückkehr am selben Abend nicht möglich war. Bahn-, Hotel- und Transportspesen mussten in so einem Fall von der Filmfirma getragen werden, wobei den StatistInnen nur Fahrkarten der dritten Wagenklasse bezahlt werden sollten. Ei301 Vgl. [Verband der Filmdarsteller]: „Übereinkommen zwischen dem Verbande der Filmdarsteller und den unterfertigten Filmfabrikanten“, S. 9. 302 [Verband der Filmdarsteller]: „Vorstandssitzung vom 12. Juli 1919“, in: Neue KinoRundschau 3/125 (1919), S. 5. Über eine diesbezügliche Entscheidung des Schiedsgerichts war weder in den Filmzeitschriften noch in den Vereinsakten etwas zu finden. Beim Antragsteller handelt es sich wahrscheinlich um Konrad Wiene, Bruder des bekannten deutschen Filmregisseurs Robert Wiene. Vgl. o.N.: „Ordentliche Mitglieder des Verbandes der Filmdarsteller“, S. 289.

344 | Schauspielen im Stummfilm

nen Anspruch auf volle Diäten hatten Verbandsmitglieder allerdings nur, wenn sie erst nach 14 Uhr am Folgetag in Wien eintreffen konnten. Erfolgte die Rückkehr aber bereits vor 14 Uhr, reduzierte sich ihr Anspruch auf die Hälfte. Zudem durften diese Regelungen nicht zur Anwendung kommen bei „Personen, die für besondere Massenszenen verwendet“303 wurden und die auch keine Mitglieder des Verbandes (oder HospitantInnen) waren. Möglicherweise sollten so Laien, die kurzfristig für Massenszenen304 engagiert worden waren, von den kollektivvertraglichen Vereinbarungen ausgeschlossen werden. Ohne diesen Passus wären ansonsten hunderte Menschen dem Kollektivvertrag gemäß als StatistInnen eingestuft worden und hätten ein Mindesthonorar beanspruchen können. Die dritte wesentliche Komponente der Vereinbarungen zwischen FilmdarstellerInnen und Filmfabrikanten waren die Regelungen bezüglich der Arbeitszeiten und der Vergütungsansprüche bei Absagen. Auch hier hatten die Vertragspartner Schwierigkeiten, sich zu einigen. Letztendlich fand man aber einen Konsens bei sieben Arbeitsstunden pro Aufnahmetag und einem Siebtel des Tageshonorars für jede weitere angefangene Stunde. Die Filmfirmen willigten darüber hinaus ein, den FilmdarstellerInnen ein Drittel des Tageshonorars zu vergüten, wenn die Absage bei ihrem Eintreffen am Arbeitsort erfolgte. Wurde diese aber erst nach zweistündigem Warten übermittelt, musste die Hälfte des Tageshonorars erstattet werden. Sonstige Ansprüche bestanden nicht, d.h., auch wenn eine Filmaufnahme vor dem Eintreffen am Aufnahmeort abgesagt wurde, bestand kein Anspruch auf finanzielle Entschädigung. Die Bereitschaft der Filmfabriken, Absagen überhaupt zu vergüten, führte allerdings auch zur vertraglichen Verpflichtung der FilmdarstellerInnen, nicht zu spät am Arbeitsort zu erscheinen: „Mitglieder und Hospitanten des Verbandes, durch deren Zuspätkommen eine Störung oder Verzögerung der Aufnahme verursacht wird, haben keinen Anspruch auf irgend ein Honorar.“305 Des Weiteren bestand Meldepflicht, d.h., man hatte sich sofort nach Eintreffen am Aufnahmeort beim zuständigen bzw. diensthabenden Organ der Firma (Regisseur, Hilfsregisseur, Sekretär) zu melden.

303 [Verband der Filmdarsteller]: „Übereinkommen zwischen dem Verbande der Filmdarsteller und den unterfertigten Filmfabrikanten“, S. 10. 304 Auch hier fehlt es an einer genauen Definition. Vgl. [Verband der Filmdarsteller]: „Vorstandssitzung vom 12. Juli 1919“, S. 5. 305 [Verband der Filmdarsteller]: „Übereinkommen zwischen dem Verbande der Filmdarsteller und den unterfertigten Filmfabrikanten“, S. 10.

6. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I | 345

Die getroffenen Vereinbarungen zwischen dem Verband der Filmdarsteller und den Filmfabrikanten, die hier zusammenfassend skizziert worden sind, waren Ergebnis mehrfacher und offenbar langwieriger Verhandlungen. Dass die Vertreter des Verbandes mit höheren Erwartungen in die Gespräche gegangen waren, als später erfüllt werden konnten, ist dem Kollektivvertragsentwurf zu entnehmen, den der Verband in der Neuen Kino-Rundschau im April 1919 veröffentlichte.306 Darin wird ersichtlich, dass der Verband bei zentralen Inhalten Kompromisse zu seinen Ungunsten eingehen musste. Das betraf zunächst die Honorarfrage. Wie Tabelle 11b zeigt, waren ursprünglich fünf (anstelle von vier) Tätigkeitsgruppen und um bis zu zehn Kronen höhere Honorare geplant gewesen. Gleichgeblieben waren nur die Honorare für Statisten und klein(st)e Rollen307 . Bei den restlichen Honorargruppen ließ sich der Verband herunterhandeln, die Kategorie „kleinste Rolle mit Aufwand“ wurde sogar gänzlich gestrichen. Auffällig ist zudem, dass selbst DarstellerInnen größerer Rollen zehn Kronen weniger erhalten sollten. 308 Es ist jedoch anzunehmen, dass Honorare – besonders jene der Stars – weiterhin Verhandlungssache waren. Je nach Bekanntheitsgrad dürfte die Gage daher mehr oder weniger weit über den kollektivvertraglichen Vereinbarungen gelegen haben. Wohl nicht ohne Grund wurde in der Honorargruppe der HauptdarstellerInnen von Mindestbeträgen gesprochen. Von größerer Bedeutung war der Kollektivvertrag darum für StatistInnen und KleindarstellerInnen, die nun nicht mehr mit Hungerlöhnen abgespeist werden durften.

306 Vgl. Bolz-Feigl: „Zwecke und Ziele des Verbandes der Filmdarsteller [Nachstehendes Übereinkommen]“, S. 12f.; o.N.: „Schauspieler und Filmfabriken“, S. 5f. Dem Filmboten zufolge fand die Vorbesprechung dazu am 30.03.1919 statt, u.a. unter der Anwesenheit von Carl Forest (Verbandspräsident), Gustav Stollberg (Vizepräsident) und Gustav Kotanyi (Vorstandsmitglied) sowie von den Direktoren Emil Leyde (Leyka-Film), Joseph Reményi (Filmag) und Alfred Hann (Sascha). 307 Im Kollektivvertrag wird von „kleinen Rollen“, im Vorentwurf von „kleinsten Rollen“ gesprochen. Vgl. ebd., S. 13 u. ebd., S. 6. Fraglich ist, ob die sprachliche Veränderung einen definitorischen Hintergrund hatte. 308 Vgl. ebd.; [Verband der Filmdarsteller]: „Übereinkommen zwischen dem Verbande der Filmdarsteller und den unterfertigten Filmfabrikanten“, S. 9.

346 | Schauspielen im Stummfilm

Tabelle 11b: Honorarstaffelung vor und nach den Kollektivvertragsverhandlungen (1919) Tätigkeit als

Honorar in Kronen lt. Vorentwurf

Honorar in Kronen lt. Kollektivvertrag

Statist

30

30

40

35–40

40

40

Kleinste Rolle mit Aufwand

50

--

Alle anderen Rollen

60 (mind.)

50 (mind.)

Statist mit Aufwand Klein(st)e Rolle

309

Stark geändert hatten sich darüber hinaus auch die Beträge für Reisespesen. Ursprünglich wollte der Verband: 40 Kronen und freie Bahnfahrt für Dreharbeiten außerhalb Wiens, 60 Kronen und freies Quartier bei Übernachtung und zusätzlich 40 Kronen, wenn die Ankunft in Wien erst am nächsten Tag nach 10 Uhr vormittags möglich war. Verhandelt wurden schließlich (mindestens) 25 Kronen für Dreharbeiten außerhalb Wiens, die keine Rückkehr am selben Tag erlaubten. D.h., die Tatsache, dass ein Filmdarsteller überhaupt Wien verlassen musste, um zum Drehort zu gelangen, wurde nun gar nicht vergütet. Ebenso wurde folgender Hinweis aus dem Kollektivvertrag herausgenommen: „Im Bereiche der 21 Bezirke werden keine Diäten bezahlt.“310 Wie schon beim Honorar und den Diäten mussten die FilmdarstellerInnen auch bei den Arbeitszeiten und den Entschädigungszahlungen für entgangene Engagements Kompromisse eingehen. Anstelle der geforderten sechs Arbeitsstunden pro Tag und einem Sechstel des Tageshonorars für jede weitere angefangene Stunde einigte man sich auf sieben Arbeitsstunden und ein Siebtel des Tageshonorars. Zudem schlug der Verband ursprünglich vor, dass eine abgebrochene Filmaufnahme durch ein ganzes Honorar und eine abgesagte Aufnahme durch ein halbes Honorar entschädigt werden sollte. Diese Vorschläge wurden von den Filmfabrikanten offenbar abgelehnt. Für abgesagte bzw. abgebrochene Aufnahmen mussten letztendlich keine Entschädigungszahlungen geleistet bzw. nur Bruchteile des ganzen Honorars bezahlt werden.

309 Der Filmbote nannte hier folgendes Beispiel: ein „Diener, der allein aufzutreten hat“. Vgl. o.N.: „Schauspieler und Filmfabriken“, S. 6. 310 Bolz-Feigl: „Zwecke und Ziele des Verbandes der Filmdarsteller [Nachstehendes Übereinkommen]“, S. 13.

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Laut dem Filmboten gab es im Vorentwurf des Kollektivvertrags auch technische Bestimmungen, wie „Vorsichtsmaßnahmen in [B]ezug auf [die] Beleuchtung“, und „hygienische Maßnahmen“.311 Diese sind in der unterzeichneten Version jedoch nicht zu finden. Vielleicht waren solche (und ähnliche) Bestimmungen angedacht worden, wurden dann aber nicht in den Vertragstext integriert. Das damalige Stadium des Kollektivvertrags kommentierte der Filmbote darum so: „Dies ist in großen Zügen der Inhalt der Abmachungen, die in allernächster Zeit zwischen den Filmfabriken und den Filmdarstellern perfekt werden sollen. Gegenwärtig befindet sich die Angelegenheit noch im Stadium der Vorverhandlungen [...] Es ist zu hoffen, daß zwischen Filmdarstellern und Filmfabriken auf Grundlage der Hauptvorschläge eine Einigung zustande kommt, die ja im Interesse beider Teile gelegen ist.“

312

Ob die letztendlich getroffenen Vereinbarungen des Verbandes der Filmdarsteller mit den Filmfabrikanten fair waren oder ob die Forderungen seitens des Verbandes überzogen waren, lässt sich ohne ein umfangreiches Datenmaterial (Honorare einzelner FilmdarstellerInnen/einzelner Filmfabriken) sowie entsprechende Vergleichsdaten (Einkommen anderer Berufsgruppen) nur schwer sagen. Fest steht aber, dass der Kollektivvertrag der willkürlichen Honorarverteilung und der Ausbeutung der Statisterie/ Komparserie ein Ende machen und den neuen Berufsstand auf eine arbeitsrechtliche Grundlage stellen wollte. 6.3.3 Kompetenzstreit mit dem Klub der Wiener Filmdarsteller Ein großes Anliegen des Verbandes der Filmdarsteller war es des Weiteren, seinen Mitgliedern eine kostenlose Arbeitsvermittlung zu bieten. Wie Kapitel 6.1.2 bereits ausführlich zeigen konnte, vermittelte die am 15. April 1919 in der Rechten Wienzeile eröffnete Wiener Filmbörse Engagements und regelte Vertragsabschlüsse mit den Filmfabrikanten. Was als gute Lösung für die aktuelle Beschäftigungssituation erschien, wurde aber bereits Ende des Jahres intern kritisiert. Im Dezember 1919313 konstituierte sich der Klub der Wiener Filmdarsteller mit dem Zweck, die Stellenvermittlung für die FilmdarstellerInnen selbst zu organisieren: „Es ist höchste Zeit, daß sich die besseren Elemente von dem Gros der Filmbör-

311 O.N.: „Schauspieler und Filmfabriken“, S. 6. 312 Ebd. 313 Vgl. o.N.: „Klub der Wiener Filmdarsteller“, in: Die Filmwelt 1/23 (1919), S. 15; o.N.: „[Klub der Wiener Filmdarsteller]“, in: Die Filmwelt 2/31–32 (1920), S. 22.

348 | Schauspielen im Stummfilm

se endlich abzusondern gedenken.“314 Diese Anmerkung stammte von der Redaktion der Filmwelt, die Ende 1919/Anfang 1920 über die Konstituierung und die erste Generalversammlung berichtete. Den entsprechenden Notizen ist zu entnehmen, dass der Klub der Wiener Filmdarsteller sich täglich (außer an Sonnund Feiertagen) im Café Elisabethbrücke in der Kärntnerstraße 46 traf. Zutritt hatten „ausnahmslos nur Mitglieder und eingeführte Gäste“.315 Am 27. Dezember 1919 fand die erste Generalversammlung statt, im Zuge derer man betonte, dass man „keine Trennung vom Verband der Filmdarsteller bezwecken will, sondern nur eine räumliche Trennung vom Lokal der Filmbörse als solche“.316 Aus der Notiz geht ebenfalls hervor, dass der Klub ähnlich einem Verein organisiert war. Es gab eine Klubleitung, die aus einem Präsidenten (Fred King), einem Vizepräsidenten (Fred Holy), einem Schriftführer (Arthur Fränckel), einem Kassier (Bruno Strauß) und zwei Beiräten (Frau Plazeck, Herr Gurian) bestand. Ferner heißt es, dass die gewählte Klubleitung sofort ihre Tätigkeit aufgenommen habe.317 Von den Notizen in der Filmwelt abgesehen gibt es nur einen weiteren Bericht über die Abspaltung innerhalb des Verbandes der Filmdarsteller. Dieser erschien im Filmboten am 24. Juli 1920 und gibt im Detail Aufschluss über die Konkurrenzsituation zwischen dem Verband bzw. der Filmbörse und dem Klub der Wiener Filmdarsteller.318 Das Problem lag darin, dass die Filmbörse sich als einzige legitime und von allen Filmfabrikanten anerkannte Stellenvermittlungsplattform für FilmdarstellerInnen verstand und die Tätigkeit des Klubs daher nicht akzeptieren wollte. In einer Sitzung zur Neuverhandlung des Kollektivvertrags am 20. Juli 1920 schwellte der Konflikt dermaßen an, dass die Versammlung vertagt werden musste. Der Vorsitzende und Vizepräsident des Verbandes der Filmdarsteller, Arthur Stern, gab den Streitparteien acht Tage Zeit, um sich in der Frage zu einigen, wer autorisiert sei, im Namen der Filmdarsteller mit den Filmfabrikanten zu verhandeln.

314 Ebd., S. 15. 315 Ebd. 316 O.N.: „Klub der Wiener Filmdarsteller“, in: Die Filmwelt 2/25 (1920), S. 15. 317 Vgl. ebd. Laut der Mitgliederverzeichnisse des Verbandes der Filmdarsteller von 1920 und 1921 waren Arthur Fränckel und Bruno Strauß ordentliche Mitglieder. Letzterer wird sogar als Vorstandsmitglied angeführt, Fred King nur als Hospitant. Die anderen Namen waren in den Verzeichnissen nicht zu finden. Vgl. o.N.: „Ordentliche Mitglieder des Verbandes der Filmdarsteller“, S. 251, 275, 287 u. 292. 318 Vgl. o.N.: „Der neue Kollektivvertrag mit den Filmdarstellern“, in: Der Filmbote 3/30 (1920), S. 2f.

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Ausgelöst wurde die Eskalation der Streitigkeiten durch ein Rundschreiben, das der Verband der Filmdarsteller am 18. Juli 1920 an die Wiener Filmfirmen aussandte: „[...] mit dem heutigen Tage [hat] das Bestehen des Klubs der Filmdarsteller als Engagementsvermittlungsstelle sowie jede wie auch immer geartete Vereinigung von Filmdarstellern zum Zwecke der Engagementsvermittlung aufgehört zu bestehen. Die Gewerkschaften werden vom heutigen Tage ab jeden Boykott des Verbandes der Filmdarsteller und seiner Filmbörse mit allen gewerkschaftlichen Mitteln bekämpfen und zu diesem Zwecke in ehester Zeit die Gegenmaßregeln mit den Vertretern sämtlicher an der Filmin319

dustrie beteiligten Organisationen durchberaten.“

Damit brachte der Verband das Gerücht in Umlauf, der Klub der Wiener Filmdarsteller habe aufgehört zu existieren. Das wurde umgehend durch ein Flugblatt des Klubs widerlegt, mit dem dieser sich nur einen Tag später, am 19. Juli 1920, an die Filmfirmen wandte: „Wie uns mitgeteilt wurde, haben heute einige Herren des Filmverbandes mit Auto einige Wiener Filmfabriken besucht und dort die Erklärung abgegeben: Der Klub der Wiener Filmdarsteller hat sich aufgelöst, sämtliche Mitglieder haben freiwillig ihre Karten abgegeben! Das ist unwahr! Es ist wahr, daß gestern in der Filmbörse eine nicht beschlußfähige monatliche Versammlung der Mitglieder stattfand, in der eine Resolution angenommen wurde, daß die Mitglieder des Verbandes, den Klub der Wiener Filmdarsteller, als aufgelöst betrachten. [...] Wir erklären nochmals, daß der Klub der Wiener Filmdarsteller nach wie vor weiter besteht[,] und wir bitten insbesondere die Herren Regisseure und Hilfsregisseure, uns auch weiterhin zu fördern!“

320

Aus diesem veröffentlichten Schreiben geht zum einen hervor, dass der Klub der Wiener Filmdarsteller zumindest noch bis zum 19. Juli 1920 (und wahrscheinlich darüber hinaus) existierte. Zum anderen finden sich Angaben zu den Mitgliederzahlen. Insgesamt soll es 472 ordentliche Mitglieder und 19 HospitantInnen gegeben haben. Ob es sich dabei um Mitglieder des Verbandes der Filmdarsteller, anderer Vereine oder vereinsunabhängige Personen handelte, ist ungewiss. Dem Flugblatt ist lediglich zu entnehmen, dass aufgrund dieses „Missverständnisses“ über die Auflösung mehrere Mitglieder in die Irre geführt worden seien und ihre Klubkarten deshalb abgegeben hätten. Eine Dame soll sich der

319 Ebd., S. 2 (Orig.: nicht eruierbar). 320 Ebd., S. 3 (Orig.: nicht eruierbar).

350 | Schauspielen im Stummfilm

Kartenabnahme widersetzt haben und wurde daraufhin in der Filmbörse „angeflegelt und mit Boykott bedroht“.321 Aufhorchen lässt darüber hinaus auch die Vermutung, dass der Verband die „Herrn Fabrikanten“ wissentlich in die Irre geführt und den Klub für aufgelöst erklärt habe, um sein Monopol behaupten zu können: „Sie [die Vertreter des Verbandes, A.D.] handelten in der richtigen Voraussetzung, daß – ehe das Gerücht dementiert ist – die KollektivvertragsVerhandlungen abgeschlossen sind.“322 Über den Fortgang des Konflikts bzw. die Weiterführung des Klubs waren keine weiteren Berichte oder zeitgenössischen Dokumente zu finden. Folgende Szenarien könnten der Grund dafür gewesen sein: 1. Der Verband der Filmdarsteller ging als Sieger des Kompetenzstreits hervor und behauptete sich damit als einzige Interessenvertretung des Berufsstandes. 2. Die österreichischen Filmzeitschriften, vor allem die Organe des Verbandes (Neue Kino-Rundschau, Almanach der Film- und Kinoindustrie), wurden verpflichtet, sich auf die Seite des Verbandes zu stellen und die Berichterstattung zu reduzieren bzw. einzustellen. 3. Anstelle expliziter Beiträge wurde der Klub der Wiener Filmdarsteller in ganz anderen inhaltlichen Zusammenhängen erwähnt, was das Auffinden dieser Informationen der Zufälligkeit preisgäbe. Ein möglicher Hinweis auf die Lösung des Konflikts seitens des Verbandes der Filmdarsteller findet sich allerdings in dessen Statuten ab dem Jahr 1923. In einem Passus unter § 6 heißt es dort: „Die Mitglieder dürfen einem zweiten gleichartigen inländischen Verbande der Filmdarsteller, bei sonstigem Ausschluss nicht angehören. Jede politische Tätigkeit und Agitation im Verbande ist verboten. Gegen Zuwiderhandelnde ist mit den schärfsten Mitteln vorzugehen.“

323

Das könnte als Seitenhieb auf den Klub der Wiener Filmdarsteller bzw. als interne Lösung des Verbandes zur Sicherung seines Monopolanspruches interpretiert werden. Wer folglich den Schutz der ersten und behördlich anerkannten Interessenvertretung der Filmdarsteller und der Filmkomparserie in Österreich in Anspruch nehmen wollte, der durfte sich nicht an die Konkurrenz wenden. In

321 Ebd. 322 Ebd. 323 WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1923, § 6).

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dieser Hinsicht spannend ist die Tatsache, dass der Verband sonst keine Probleme mit Doppelmitgliedschaften hatte (vgl. Kapitel 6.3.1). 6.3.4 Soziales Engagement und Rechtsschutz Ein weiteres zentrales Anliegen des Verbandes der Filmdarsteller lag darin, die Mitglieder durch Sozialleistungen zu unterstützen. In den Statuten war ausdrücklich festgehalten worden, dass humanitäre Einrichtungen geschaffen werden sollten, um notleidenden arbeitslosen FilmdarstellerInnen helfen zu können. In Form von Charity-Veranstaltungen und Spendensammelaktionen wollte man die finanziellen Mittel dafür aufbringen. Alfons Bolz-Feigl bemerkte dazu in seiner Erläuterung der Vereinsstatuten 1919: „In nicht allzuferner Zeit wird der junge Verband der Filmdarsteller auf diesem Punkte näher kommen und durch verschiedene Veranstaltungen den Versuch machen, die nötigen Mittel herbei zu schaffen. – Wenn dies gelingt und es muß gelingen, dann sollen auch die vom Unglück betroffenen und jene, die unverschuldet durch Engagementlosigkeit in Not geraten, nicht ohne Hilfe von Seite des Verbandes gelassen werden. Ein Ziel, das jedem einzelnen ein Ansporn sein muß, mitzuhelfen mit allen ihm zu Gebote stehenden Kräften.“

324

Tatsächlich ließ sich eine Notiz zu einer Charity-Aktion in der Filmwelt von 1921 finden. Darin heißt es, dass der Verband Geld für die Kinder notleidender FilmschauspielerInnen sammle. Ein „Charitas-Ausschuss“ habe bereits seine Tätigkeit aufgenommen, der bis zum Frühjahr versuche, Mittel zur Unterstützung eines Kinderhilfszuges nach Schweden aufzubringen. Diese Aktion wurde auch von der Filmwelt unterstützt: „Unser Redakteur Fred Holy ist berechtigt, eventuelle Spenden aus unseren Leserkreisen entgegenzunehmen und sind dieselben unter dem Kennworte ‚Kinderhilfsaktion‘ an die ‚Filmwelt‘ zu richten.“325 Über das humanitäre Engagement hinaus war dem Verband aber auch der rechtliche Schutz seiner Mitglieder wichtig. Unter „Sonstige Organisationsbestrebungen“ beschrieb Alfons Bolz-Feigl die Notwendigkeit, gegen die unseriö-

324 Bolz-Feigl: „Zwecke und Ziele des Verbandes der Filmdarsteller“, S. 12. 325 O.N.: „[Im Verband der Filmdarsteller Österreichs]“, in: Die Filmwelt 3/1 (1921), S. [12]. Über weitere soziale Projekte des Verbandes ist nichts bekannt, zumindest wurde darüber in den Filmzeitschriften nicht weiter berichtet bzw. gab es auch keine Hinweise darauf in den noch vorhandenen Akten, die im Wiener Stadt- und Landesarchiv aufbewahrt werden.

352 | Schauspielen im Stummfilm

sen Vorgehensweise der Filmschulen bzw. Filmfabriken und ihren „Unterricht gegen Beteiligung!!“ anzukämpfen (vgl. Kapitel 6.2.1 und 6.2.2). Man habe bereits erste Schritte dazu eingeleitet und lasse sich nicht durch Drohbriefe davon abhalten, dagegen vorzugehen.326 Weiters schrieb Bolz-Feigl: „Der Verband der Filmdarsteller wird im Kampfe gegen die unlauteren Elemente nur gesetzliche Mittel anwenden. Diese werden aber genügen, um auch die maßgebenden Behörden zu zwingen, endlich Ordnung zu schaffen.“327 Außerdem sei es notwendig, die Öffentlichkeit ausreichend darüber zu informieren, um zukünftige Opfer zu vermeiden.328 Neben dem Kampf gegen die unseriösen Filmschulen zählte auch die Unterstützung der Mitglieder bei Rechtsstreitigkeiten zu den Agenden des Verbandes. Zwar wurde dies nicht explizit in den Statuten erwähnt, aber ein solches Engagement war bei gleichartigen Vereinen durchaus üblich.329 So gab z.B. Heinz Hanus (1882–1972) in der Jubiläumsbroschüre anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Filmbundes bekannt, dass die Vereinigung künstlerischer und kunsttechnischer Mitarbeiter der Filmerzeugung Österreichs bis 1929 insgesamt 97 Rechtsstreitigkeiten „zur günstigen Erledigung“ gebracht habe. 330 Zudem fand sich eine kurze Notiz in der Neuen Kino-Rundschau vom Juli 1919 über die Gründung eines Rechtsschutzbüros. Als Syndikus des Verbandes der Filmdarsteller wurde der Advokat Dr. Heinz Reiter bestimmt, der die Mitglieder und HospitantInnen auf Kosten des Verbandes vertreten sollte.331 „Viele Rechtsstreitigkeiten der Mitglieder des Filmdarstellerverbandes wurden entweder durch die Leitung des Verbandes selbst oder unter Zuziehung eines Rechtsanwaltes kostenlos für die Mitglieder zur Erledigung gebracht“332, resümierte Heinz Hanus 1958.

326 Vgl. Bolz-Feigl: „Zwecke und Ziele des Verbandes der Filmdarsteller“, S. 12. 327 Ebd. 328 Vgl. ebd. 329 Vgl. Edler: Heinz Hanus, S. 75. 330 O.N.: „Wie wir es geschafft haben!“, in: 10 Jahre Filmbund. Festschrift anlässlich des zehnjährigen Bestandes des Film-Bund. Vereinigung künstlerischer und kunsttechnischer Mitarbeiter der Filmerzeugung Österreichs in Wien 1923–1933. Klosterneuburg: Augustinus, 1933, S. 4–7, hier S. 5. 331 Vgl. [Verband der Filmdarsteller]: „Ein Rechtsbureau“, in: Neue Kino-Rundschau 3/123 (1919), S. 13. 332 Hanus: 50 Jahre österreichischer Film. 35 Jahre Filmbund, S. 4.

6. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I | 353

Folglich scheint es nicht unwahrscheinlich zu sein, dass man sich innerhalb des Verbandes der Filmdarsteller auch mit der Klärung allgemein rechtlicher Fragen befasste. Eine dieser Fragen könnte sich z.B. dem gesetzlichen Status der FilmdarstellerInnen gewidmet haben. Immerhin konnte man in der Pause 1919 lesen, dass „[d]as Oberlandesgericht [eig. der Oberste Gerichtshof, A.D.] dekretierte, daß Filmschauspieler als Handlungsgehilfen anzusehen seien und als solche in Rechtsangelegenheiten dem Gewerbegericht“ unterstünden.333 Über dieses Urteil wurde auch in der Neuen Kino-Rundschau berichtet: „In einem der Filmprozesse des Schauspielers Hubert Marischka, welche seit 1917 die Wiener Gerichte beschäftigen, ist eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ergangen, die von prinzipieller Bedeutung ist, weil darin ausgesprochen wird, daß Schauspieler, auch hervorragende, wenn sie als Kinoschauspieler sich in den Dienst eines Filmunternehmens stellen, als Arbeiter anzusehen sind, das Unternehmen selbst aber nicht den Bestimmungen über ‚Ausübung schöner Künste‘, sondern der Gewerbeordnung unterliegt [d.h., der Film sei nicht künstlerisch/schaffend, sondern lediglich technisch/reproduzierend A.D.].“

334

Diese Entscheidung dürfte zu heftigen Debatten geführt haben, da die Kategorisierung des Filmdarstellers als Arbeiter, Handelsangestellter oder Handlungsgehilfe einer Aberkennung des Künstlerstatus gleichkam. Darum vermutete die Pause, dass die gerichtliche Entscheidung „gegen das künstlerische Empfinden“ von so manchem Schauspieler gehen werde.335 Berichte, wie jener zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, zu möglichen Rechtsfragen des neuen Berufsstandes zeigen, dass die Aufgaben des Verbandes über die Unterstützung der Mitglieder bei Rechtsstreitigkeiten mit den Arbeitgebern bzw. den Filmfabrikanten hinausgehen konnten. Definitorische

333 O.N.: „Der Filmkünstler – Handlungsgehilfe“, in: Die Pause 1/10–11 (1919), n.pag. 334 O.N.: „Filmschauspieler – Arbeiter“, in: Neue Kino-Rundschau 3/116 (1919), S. 7f., hier S. 7 (Orig.: „Der Filmschauspieler – ein Arbeiter. Interessante Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. (Originalbericht des ‚Neuen Wiener Journals‘.)“, in: Neues Wiener Journal 9176, 20. Mai 1919, S. 10 – „Wien, 19. Mai. Filmschauspieler – Arbeiter“, in: Neue Freie Presse 19661, 20. Mai 1919, S. 11). Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt. Vgl. auch Kapitel 7.3.2 sowie Abschnitt 8.3 zur Quellenlage die Prozessakten betreffend. 335 O.N.: „Der Filmkünstler – Handlungsgehilfe“, n.pag.

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Arbeit336 musste daher ebenso geleistet werden wie eine allmähliche Anpassung der Rechtsnormen. Bis zu seiner Auflösung im Jahr 1939 hatte der Verband der Filmdarsteller und der Filmkomparserie viele seiner Ziele zur Besserstellung seiner Mitglieder sowohl in sozialer als auch in rechtlicher Hinsicht erreichen können. So wurden, nicht zuletzt aufgrund des mit den Filmfabrikanten ausgehandelten Kollektivvertrages, wesentliche arbeitsrechtliche Fragen geklärt, um der Ausbeutung der Berufsausübenden entgegenzuwirken. Außerdem konnte die erste Arbeitsvermittlungsplattform für FilmdarstellerInnen, die Wiener Filmbörse, eingerichtet und erstmals auch für notleidende BerufskollegInnen (vor-)gesorgt werden. Doch trotz seiner grundlegenden Errungenschaften war dem Verband kein langes Leben beschieden. Bereits 1923 hatte es Gerüchte gegeben, dass der Verband der Filmdarsteller und der Filmkomparserie sich aufgelöst habe, was umgehend dementiert wurde: „Entgegen allen mutwilligen Gerüchten, die von einer Auflösung des Verbandes wissen wollen, geben wir bekannt, daß der Verband nach wie vor besteht und daß an eine Auflösung nie gedacht wurde.“ 337 Tatsächlich sollte der Verband noch weitere sechzehn Jahre existieren. Erst im November 1939 wurde er nach 20-jährigem Bestehen behördlich aufgelöst.338 Der Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände verfügte basierend auf dem Gesetzblatt für das Land Österreich vom 17. Mai 1938 (Nr. 136)339 die Auflösung mit folgenden Worten: „Der Verein [...], der seinen Rechtsbestand auf den h.ä. Bescheid vom 21.5.1928 Zl: M.A. 49/4858/28 gründet, wird über Antrag des vom Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich bestellten Stillhaltekommissar[s] für Vereine, Organisationen und Verbände gemäß §3 des Gesetzes über die Überleitung und Eingliederung von Vereinen, Organisationen und Verbänden, vom 17. Mai 1938, GBl. für das Land Österreich Nr. 136/38, behördlich aufgelöst. Es ist unstatthaft[,] den organisatorischen Zu-

336 In der Vorstandssitzung vom 12.07.1919 wurde z.B. der Antrag gestellt, dass das Schiedsgericht die (im Kollektivvertrag verwendeten Termini) „kleine Rolle“, „Statisterie“ und „Massenszenen“ näher definieren sollte, um zukünftig prinzipielle Entscheidungen über die jeweiligen Zuordnungen leichter treffen zu können. Vgl. [Verband der Filmdarsteller]: „Vorstandssitzung vom 12. Juli 1919“, S. 5. 337 O.N.: „[Der Verband der Filmdarsteller]“, in: Wiener Film-Ring 1/3 (1923), S. 6. 338 Vgl. WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Auflösungsbescheid 1939); Edler: Heinz Hanus, S. 82f. 339 Vgl. GBlÖ 1938/136.

6. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ I | 355

sammenhang zwischen den Mitgliedern dieses hiemit aufgelösten Vereines weiterhin aufrecht zu erhalten. [...] Dieser Auflösungsbescheid bedarf gemäß der im 1. Absatze zitier340

ten Gesetzesstelle keiner weiteren Begründung und ist unanfechtbar.“

Eine Kopie des Schreibens erging u.a. an den damaligen Obmann des Verbandes, Lothar Schwarz, den Wiener Polizeipräsidenten und die Gauleitung der NSDAP Wien. Die Adressaten erfuhren durch den Bescheid auch, dass das „allfällige Vermögen“ des Verbandes zu 50% an den Stillhaltekommissar und zu weiteren 50% an die NSDAP ging. Damit war das Ende des nach dem Ersten Weltkrieg in Wien gegründeten Verbandes der Filmdarsteller und der Filmkomparserie besiegelt. Einen eigenen Verein für FilmdarstellerInnen dürfte es danach erst wieder ab 1994 gegeben haben.341

340 WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Auflösungsbescheid 1939). 341 Gegründet wurde dieser von Miguel Herz-Kestranek. Vgl. VÖFS: schriftliche Auskunft (E-Mail) vom 11.12.2015; „Gründungsgeschichte. Miguel Herz-Kestranek zur Gründung des VÖFS 1994“, R.: VÖFS, youtube.com, 2013, www.vöfs.at/Grün dungsgeschichte.html, 20.07.2016.

7. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ II: Exkurs zum Berufsbild des Stummfilmstars

Der Verband der Filmdarsteller und die Filmbörse waren zwischen 1919 und 1939 zu wichtigen Instanzen für in Wien tätige (Stumm-)FilmdarstellerInnen geworden. Vor allem Letztere hatte sich zu einem „Auffangbecken“ für jene entwickelt, die ihren Filmstarträumen gefolgt waren, um dann aber ein beschwerliches Dasein als arbeitssuchende StummfilmstatistInnen/-komparsInnen oder als betrogene SchülerInnen/AbsolventInnen einer unseriösen Filmschule fristen zu müssen. Trotzdem lässt es sich nicht leugnen, dass es auch einzelne Personen gab, die den großen Durchbruch geschafft hatten und denjenigen Hoffnung machten, deren Namen noch niemand kannte. Darum stellt sich die Frage, weshalb manche FilmdarstellerInnen erfolgreicher waren als andere. Vorab angemerkt werden muss, dass die Forschungslage den Filmstar betreffend umfangreicher und vielfältiger ist als jene zu den berufspraktischen Themen. Das liegt daran, dass der Filmstar der zentrale Forschungsgegenstand der Star Studies, einem Teilgebiet der Filmwissenschaft, ist, das sich seit Ende der 1970er Jahre mit dem Starphänomen beschäftigt. Im Fokus der diesbezüglichen Untersuchungen steht überwiegend das Starsystem Hollywoods bzw. stehen einzelne Hollywoodstars vom Stummfilm bis zur Gegenwart. Die Ansätze sind verschieden, zumeist aber kulturwissenschaftlich geprägt.1 Doch obwohl den Star Studies in der Filmwissenschaft eine zentrale Rolle zukommt, werden in diesem Kernkapitel ausschließlich Forschungsarbeiten einbezogen, die ihren Blick auf 1

Vgl. Stephen Lowry: „Stars und Images. Theoretische Perspektiven auf Filmstars“, in: montage/av 6/2 (1997), S. 10–35, hier S. 10–12; Claus Tieber: „star studies“, Lexikon der Filmbegriffe, 2011, filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det& id=2650, 25.10.2015; Wojcik: „General Introduction“, in: Movie Acting, hg. von Wojcik, 2004, S. 1–13, hier S. 6f.

358 | Schauspielen im Stummfilm

das Aufkommen des Stummfilmstars in Europa gerichtet haben. Denn es ist weder eine Vergleichbarkeit zwischen dem Starsystem Hollywoods und dem vielfältigen Starwesen Europas gegeben, noch können Analysen heutiger Stars und Starimages ohne Weiteres auf die Stummfilmstars übertragen werden. Darüber hinaus scheinen sich viele Forschungsarbeiten auf die Untersuchung der Konstruktion und Rezeption des Stars zu konzentrieren und den Star weniger als Teil des Verberuflichungsprozesses des Filmschauspielerberufes zu begreifen.2 Aus den genannten Gründen konnten zentrale Forschungsarbeiten der Star Studies aus dem englischsprachigen Raum nicht berücksichtigt werden. Was für die Forschungslage gilt, gilt umso mehr für die zeitgenössische Quellenlage. Denn es gibt unzählige Beiträge zu einzelnen Stars und zum Starwesen in den österreichischen Stummfilmperiodika zu finden. Deshalb musste auch hier eine enge Auswahl getroffen werden, um den Rahmen des Kernkapitels nicht zu sprengen. Der Schwerpunkt lag, den in der Einleitung definierten Zielen entsprechend, darum auf Beiträgen, die das Berufsbild des Stummfilmstars erfassen. Wie in den vorangegangenen Kapiteln sollen auch im nachfolgenden das Anforderungsprofil und die Berufsrealitäten – allerdings vor dem Hintergrund der Entwicklung des europäischen Starwesens – erörtert werden. Eine Ausgangsbasis dafür bot die Sonderausgabe der Filmwoche vom 24. Dezember 1916, die sich ausführlich mit den „Film-Stars“ beschäftigte. Auf rund 100 Seiten wurde versucht, dem Starwesen beim Stummfilm auf den Grund zu gehen, indem man prinzipielle Fragen dazu stellte: Seit wann gab es Filmstars? Wer entwickelte sich warum zum Filmstar? Und: Gab es auch in Wien Filmstars? Eben diese Fragen zum Ursprung und zu den Merkmalen der Stummfilmstars sollen, basierend auf den Erkenntnissen der Filmwoche-Sonderausgabe von 1916 und unter Einbeziehung weiterer zeitgenössischer sowie fachwissenschaftlicher Texte, in den folgenden Abschnitten besprochen werden. Dabei wurde einmal mehr ein besonderes Augenmerk auf die Situation in Wien bzw. die Stars der Wiener Stummfilmlandschaft gelegt.

7.1 ENTSTEHUNG DES FILMSTARWESENS IM EUROPÄISCHEN KONTEXT „Seit wann gibt es Filmstars?“, fragte man sich 1916 im ersten Kapitel der Filmwoche-Sonderausgabe.3 Ein genaues Datum oder einen Zeitrahmen gab der

2

Vgl. ebd.

3

O.N.: „Seit wann gibt es Filmstars?“, in: Die Filmwoche 4/191 (1916), S. 3.

7. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ II | 359

unbekannte Verfasser zwar nicht an, aber er machte auf etwas aufmerksam, das in der Forschung lange Zeit vergessen gewesen zu sein scheint: den europäischen Ursprung des Filmstarwesens. Der Filmwoche zufolge seien die Franzosen die Ersten gewesen, die die Namen der mitwirkenden BühnenkünstlerInnen angeführt und deren Popularität für die Filmreklame zu nutzen gewusst hätten. Die ersten „eigentlichen“ Filmstars seien aber aus dem Norden gekommen, wobei sich eine Darstellerin namens Asta Nielsen hier besonders hervorgetan habe, „die man mit vollem Rechte den ersten Filmstar nennen“ könne.4 Schließlich seien diesem Beispiel auch andere Länder gefolgt, die nun ebenfalls begonnen hätten, eigene Filmstars aufzubauen.5 Was den Zeitgenossen nur allzu bewusst war, ist, forciert durch englischsprachige Forschungsarbeiten, größtenteils in Vergessenheit geraten. Knut Hickethier spricht in diesem Zusammenhang vom „Mythos des amerikanischen Ursprungs“, der die Anfänge des Filmstarwesens in Hollywood Ende der 1900er/Anfang der 1910er Jahre verortet.6 Als erste Stars werden dementsprechend Florence Lawrence, das „Biograph Girl“, und Mary Pickford genannt. Tatsächlich gab es aber in Europa schon vor 1910 Filmpersönlichkeiten, die inter-/nationale Popularität erlangt hatten. Das zeigt Sabine Lenk in ihrer 1998 publizierten Studie zu den „Stars der ersten Stunde“, in deren Zentrum das Aufkommen der ersten Filmstars in der Frühzeit der französischen Kinematografie (1894–1910) steht.7 Lenk zufolge wiesen sowohl Jehanne d’Alcy (Partnerin von George Méliès), André Deed („Boireau“) und Pierre Bressol („Nick Carter“) als auch Charles Petitdemange/Charles Prince („Rigadin“) und Gabriel-Maximilien Leuvielle/Max Linder („Max“) bereits viele Merkmale späterer Filmstars auf, wie eine regelmäßige Leinwandpräsenz, hohe Gagen, eine starke Idolisierung und eine inter-/nationale Popularität. Nur einen Unterschied gab es zu bemerken: Die genannten DarstellerInnen waren im Untersuchungszeitraum nicht mit ihrem Geburtsnamen berühmt geworden, sondern mit dem Namen ihrer Rolle bzw. eines stereotypen Charakters, aus dessen Schatten sie (mit Ausnahme von Max Linder) jedoch nie hervorzutreten vermochten. Lenk schlussfolgert daraus, dass

4

Ebd. Dass Asta Nielsen von den Zeitgenossen als erster Filmstar wahrgenommen wurde, zeigt sich auch in den Monografien von Victor E. Pordes und Béla Balázs. Vgl. Pordes: Das Lichtspiel, S. 61; Balázs: Der sichtbare Mensch, S. 107–111.

5

Vgl. o.N.: „Seit wann gibt es Filmstars?“, S. 3.

6

Hickethier: „Vom Theaterstar zum Filmstar“, S. 29. Vgl. auch ders.: „Theatervirtuosinnen und Leinwandmimen“, S. 333.

7

Vgl. Sabine Lenk: „Stars der ersten Stunde. Eine Studie zur Frühzeit des Kinos“, in: montage/av 7/1 (1998), S. 11–32.

360 | Schauspielen im Stummfilm

der Name des Darstellers in den Anfängen der Kinematografie noch kein essenzielles Merkmal des Filmstars war, was verschiedene Gründe hatte: Zum einen fehlte es an Werbeorganen (die ersten Filmperiodika kamen in Frankreich erst um 1905/06 auf) und an finanziellen Mitteln, um die Künstler zu bewerben; zum anderen steckte die französische Filmindustrie noch in den Kinderschuhen. Folglich genügte eine (visuelle) Attraktion, um das Publikum anzulocken und Käufer für einen Film zu finden. Außerdem hatten die ersten Filmfirmen auch noch keine festen Ensembles, die es notwendig gemacht hätten, einzelne Persönlichkeiten in den Vordergrund zu stellen. Namen wie jener des berühmten französischen Zauberkünstlers George Méliès waren dem zeitgenössischen Publikum ohnehin bekannt, auch wenn es unter Umständen noch keiner seiner Aufführungen beigewohnt hatte. Erst mit Aufkommen des Film d’Art um 1908 und einem zunehmenden Kunstanspruch an das Medium Film wurden die Namen der mitwirkenden BühnenkünstlerInnen in der Werbung hervorgehoben. Das Filmstarwesen im herkömmlichen Sinne entstand laut Sabine Lenk schließlich deshalb, weil es einerseits zu einer steigenden Konkurrenz zwischen den Filmfirmen kam. Nun musste mittels filmtitel- und personenorientierter Werbung, welche von den neu aufkommenden Filmzeitschriften unterstützt wurde, um die Aufmerksamkeit der Kinobesitzer und Verleiher gebuhlt werden. Andererseits stieg die Anzahl der festen Kinos an und der damit aufkommende regelmäßige Kinobesucher ließ ein für den Starkult notwendiges Stammpublikum entstehen. Zu diesem sollte bald das bürgerliche Publikum gezählt werden, das neben Theaterhäusern und narrativen Inhalten auch einen Starkult erwartete. Lenks Untersuchungsergebnisse könnte man folglich so interpretieren, dass es drei Stufen in der Entwicklung des Filmstarwesens gab: 1. Das Kino der Attraktionen brachte erfolgreiche Kinotypen hervor, die einen hohen Attraktionswert hatten und zu großer Popularität gelangten. Die Namen der DarstellerInnen blieben aber entweder anonym oder waren dem Publikum aufgrund ihrer präkinematografischen Bühnenerfolge ohnehin bekannt. 2. Die Film d’Art-Bewegung wollte mit ihrem Kunstanspruch ab 1908 dem bürgerlichen Publikum genügen, das als neue Einkommensquelle gewonnen werden sollte. Darum begann man bekannte Bühnengrößen für den Film einzusetzen und deren Popularität zu nutzen, indem man mit dem Namen und der jeweiligen Bühnenzugehörigkeit für einen Film warb. 3. Als Nächstes kamen die ersten genuinen Filmstars auf, deren Popularität auf ihrer Tätigkeit für den Film beruhte und nicht von ihrer Bühnenkarriere herrührte. Beim genuinen Filmstar lässt sich, im Gegensatz zu den Stars der Frühzeit, auch eine von der Leinwand unabhängige Existenz beobachten, die das Er-

7. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ II | 361

gebnis der Zusammenarbeit von Filmfirmen und Presse war. Eine „filmexterne Medienbegleitung“8 wurde von da an ein fixer Bestandteil der Starkonstruktion. Für Österreich sind vor allem die letzten beiden Entwicklungsstufen von Bedeutung. Als in Wien die ersten österreichischen Filmfirmen ihre Arbeit aufgenommen hatten und Spielfilme mit künstlerischem Anspruch zu produzieren begannen, schrieb man schon das Jahr 1910. Zu diesem Zeitpunkt warb man auch hierzulande bereits mit der Mitwirkung bekannter BühnenkünstlerInnen. Als erster genuiner Filmstar Österreichs gilt Liane Haid, die 1915 ihr Leinwanddebüt mit dem Film MIT HERZ UND HAND FÜRS VATERLAND feierte und von der Wiener Kunstfilm zu ihrem ersten Star aufgebaut wurde. Haid unterschied sich von den anderen KünstlerInnen der Firma dadurch, dass sie zwar Bühnenerfahrung hatte, aber einen durchschlagenden Erfolg erst beim Film feiern konnte. Die dargelegten Entwicklungsstufen zeigen, dass der Zusammenhang zwischen dem Starwesen der Bühne und jenem beim Film nicht ausgeklammert werden kann. Schon in der Filmwoche wurde 1916 darauf hingewiesen, dass der Filmstar häufig mit dem negativ konnotierten Virtuosentum der Bühne assoziiert werde.9 Knut Hickethier, der die Ursprünge des Filmstarwesens im Kontext der deutschen Medienlandschaft untersucht hat,10 weist ebenfalls darauf hin, dass die Ursprünge des europäischen Starwesens in den Bühnentraditionen des 18./19. Jahrhunderts zu finden sind: „Das Theater kennt seit dem achtzehnten Jahrhundert die Herausstellung großer, bedeutender Schauspieler, die über ihr Spiel hinaus durch ihre Aura, ihre Ausstrahlung berühmt wurden und ihr Publikum begeisterten. [...] Es ist weniger eine Frage des ‚guten Spielens‘ als eine besonderer Eigenschaften, die weit über das Moment von Rollenaneignung und Rollenverkörperung hinausgeht, die vor allem in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts aus den prominenten Schauspielern Theaterstars werden ließ.“

11

Hickethier zufolge war das Starwesen daher nicht an das Medium Film gebunden, sondern bereits in anderen Unterhaltungsmedien, vor allem im Theater, herausgebildet worden. Allerdings wurde der Star-Begriff in Europa vorerst nicht verwendet, einzelne herausragende SchauspielerInnen wurden hier abfällig als „VirtuosInnen“ bezeichnet. Ihnen sagte man nach, dass sie sich in den Vorder-

8

Ebd., S. 30.

9

Vgl. o.N.: „Einleitung“, in: Die Filmwoche 4/191 (1916), S. 3.

10 Vgl. Hickethier: „Vom Theaterstar zum Filmstar“, S. 29–47; ders.: „Theatervirtuosinnen und Leinwandmimen“, S. 333–357. 11 Ebd., S. 32f. Vgl. ebd., S. 336.

362 | Schauspielen im Stummfilm

grund drängten und ihre künstlerischen Interessen vernachlässigten. Sie galten als Zerstörer des Ensembles, was sich besonders bei ihren Gastspielreisen zeigte, die einer One-Man-Show glichen.12 Dazu heißt es in der Filmwoche von 1916: „Der Begriff ‚Star‘ hat freilich durch das Theater einen recht üblen Beiklang erhalten. Man versteht unter einem Bühnenstar einen unerträglich aufgeblasenen Virtuosen, der mit Hintansetzung aller künstlerischen Interessen seine Person in den Vordergrund der Handlung zu rücken bemüht ist.“13 Dass gerade im 19. Jahrhundert nationale Bühnenberühmtheiten zu internationalen Theaterstars aufstiegen, war der Forschungsliteratur nach kein Zufall, sondern eine logische Konsequenz der lebensverändernden Entwicklungen des Jahrhunderts.14 Die Industrialisierung brachte besonders im Bereich des Transportwesens wesentliche Errungenschaften (z.B. Eisenbahn, Ozeandampfer), die es den VirtuosInnen ermöglichten ihre Kunst im Rahmen von Gastspielreisen und -tourneen nicht nur außerhalb der Grenzen ihres Heimatlandes, sondern ebenso außerhalb der Grenzen Europas populär zu machen.15 Darüber hinaus führten die zunehmende Konkurrenz zwischen den Geschäftstheatern, die mit den Stars ihren Profit steigern wollten, und das Unterhaltungsbedürfnis des bürgerlichen Publikums zu einem gesteigerten Interesse an einzelnen SchauspielerInnen. „Fanartikel“, z.B. in Form von Fotografien der Bühnenlieblinge (vgl. Kapitel 7.2.1), oder die umfassende Berichterstattung in den Printmedien, die sich im 19. Jahrhundert zum Massenkommunikationsmittel entwickelten, kamen diesem Bedürfnis entgegen. Der Film übernahm laut Knut Hickethier die Tradition, einzelne SchauspielerInnen hervorzuheben, nun allerdings aufgrund filmökonomischer Bedingungen.16 Doch um Stars aufbauen und wirtschaftlich (aus-)nutzen zu können, musste der Film, ähnlich wie das Theater des 19. Jahrhunderts, erst zum Geschäft werden. Ein wichtiger Schritt dorthin war der Übergang vom Kurzfilm im Kino der Attraktionen zum abendfüllenden Lang(spiel)film, in dessen Mittelpunkt die

12 Vgl. ebd., S. 31; ebd., S. 334. Vgl. auch Matthias Müller: „Sarah Bernhardt – Eleonora Duse. Die Virtuosinnen der Jahrhundertwende“, in: Die Schauspielerin, hg. von Möhrmann, 2000, S. 255–291, hier S. 257f. 13 O.N.: „Einleitung“, S. 3. 14 Vgl. Helleis: Faszination Schauspielerin, S. 134–138; Müller: „Sarah Bernhardt – Eleonora Duse“, S. 257–262. 15 Berühmt geworden sind in dieser Hinsicht die Amerikatourneen von Sarah Bernhardt und Eleonara Duse. Vgl. Müller: „Sarah Bernhardt – Eleonora Duse“, S. 272f. 16 Vgl. Hickethier: „Vom Theaterstar zum Filmstar“, S. 42; ders.: „Theatervirtuosinnen und Leinwandmimen“, S. 347.

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Narration und die darzustellenden Figuren standen. Zusätzlich kam es zu einem Wechsel im Vertriebssystem, infolge dessen sich der Monopolfilmverleih anstelle des Verkaufs durchsetzte. Die Namen der DarstellerInnen und nicht mehr nur jener der Filmfirmen wurden nun zum Werbemittel. Die Ankündigung populärer SchauspielerInnen bedeutete für die Filmfirmen folglich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz. Die Entstehung des Filmstarwesens nur im Kontext filmwirtschaftlicher Überlegungen zu sehen, ist jedoch zu wenig. Darum weist Knut Hickethier darauf hin, dass auch dispositive Strukturen mitbedacht werden müssen.17 In diesem Sinne wurde das Aufkommen der Filmstars zum einen durch die Suche nach Identifikationsangeboten seitens des Kinopublikums begünstigt, indem die ZuseherInnen „nach dem Ausdruck eines sinnlich erfüllten Lebens, sei es im Glück oder auch im Leben dramatischer, schicksalhafter Konstellationen“, suchten18. Zum anderen knüpfte das Kino an die Praktiken des Theaters an, d.h., auch Filmstars wurden zu Objekten umfangreicher publizistischer Kampagnen und Marketingstrategien. Hickethier schlussfolgert schließlich, dass der Film nicht den Star erfunden, sondern nur aufgriffen hatte, was vor dessen „Erfindung“ bereits angelegt worden war. Filmökonomische Bedingungen und dispositive Strukturen waren die Basis, damit der Film es dem Theater gleichtun und ein Starwesen aufbauen konnte. Wie Sabine Lenk betont auch der deutsche Medienwissenschaftler in diesem Zusammenhang, dass die Filmindustrie anfänglich auf die Popularität von BühnenschauspielerInnen setzte, aber dem Publikum bald neue, bisher unbekannte Gesichter präsentieren wollte. Denn: „Der Weg, Filmstars zu gewinnen, indem man Theaterstars für die Filmdarstellung gewann, blieb [...] begrenzt, weil die Medien Theater und Film noch zu gegensätzlich waren und unterschiedliche Qualitäten benötigt wurden. Wurde in den Beschreibungen der Theaterstars immer wieder auf die besonderen sprachlichen Eigenschaften der Stars verwiesen, 19

so kamen gerade diese Eigenschaften im Stummfilm nicht zu tragen.“

Zwar ließ die Tonlosigkeit des Filmbildes die stimmlichen Qualitäten der SchauspielerInnen nicht zur Geltung kommen, doch konnten dadurch sprachliche Barrieren überwunden und internationale Stars geschaffen werden. Auch Theaterstars wie Sarah Bernhardt oder Eleonora Duse waren durch ihre Tourneen inter-

17 Vgl. ebd., S. 42f.; ebd., S. 348. 18 Ebd., S. 42; ebd., S. 348. 19 Ebd., S. 349.

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national präsent gewesen, allerdings erweiterte der Film den RezipientInnenkreis und ermöglichte erstmals die Reproduktion der Darstellung, wodurch ein Star an vielen Orten gleichzeitig sein konnte. Auf diese Weise wurde dessen Popularität auf eine neue Ebene gehoben. Abschließend macht Hickethier zudem darauf aufmerksam, dass es keine „reinen“ Filmstars im deutschsprachigen Raum gegeben hatte. Anders als in den USA, wo sich rasch eine Differenzierung zwischen Theater- und Filmstars abgezeichnet habe, sei in Deutschland (und auch in Österreich) Multimedialität ein wesentliches Merkmal der FilmschauspielerInnen gewesen (vgl. Kapitel 3.1.2).20 Genauso wie Theaterstars beim Film mitwirkten, zeigten auch Stummfilmstars ihre darstellerischen Fähigkeiten auf der Bühne. Wie dennoch eine definitorische Grenze zwischen genuinen Filmstars und den für den Film tätigen Bühnenlieblingen gezogen werden kann, versucht der nächste Abschnitt zu klären.

7.2 GEMEINSAME MERKMALE ÖSTERREICHISCHER STUMMFILMSTARS Um die gemeinsamen Merkmale der österreichischen Stummfilmstars erarbeiten zu können, muss zuerst geklärt werden, wer als „Stummfilmstar“ gelten darf und welche Stummfilmstars als „österreichisch“ bezeichnet werden können. Ersteres beantwortet der deutsche Medienwissenschaftler Knut Hickethier folgendermaßen: „Als ‚Star‘ ist [...] eine Person zu verstehen, die durch ihre körperliche Präsenz, ihr Auftreten, ihre Gestik und Mimik nicht nur eine Rolle glaubhaft verkörpern kann, sondern darüber hinaus auch noch ein Publikum zu faszinieren und auf seine Person zu fixieren 21

weiß.“

Davon ausgehend definiert Hickethier den (Schauspiel-)Star22 als jemanden, der an eine öffentliche Institution bzw. an ein Medium (Bühne, Film, später: Radio, Fernsehen, Internet) gebunden ist. Nur das Publikum kann eine Person zum Star machen, indem es sie als Identifikationsfigur „annimmt“ bzw. in ihr Eigenschaften erkennt, die es sich selbst zuschreibt. Damit ist der Star aber auch vom

20 Vgl. Hickethier: „Vom Theaterstar zum Filmstar“, S. 47; ders.: „Theatervirtuosinnen und Leinwandmimen“, S. 357. 21 Ebd., S. 31; ebd., S. 335. 22 Vgl. ebd., S. 31f.; ebd., S. 335f.

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jeweiligen Zeitgeist und den damit verbundenen Gefühlen, Sehnsüchten und Träumen einer historischen Phase bestimmt. Indem der Star die assoziierten Attribute auf idealisierte Weise verkörpert, ist er dem Publikum auf besondere Weise nahe. Hickethier spricht in diesem Zusammenhang von einer „auratischen Beziehung“23, zu der durchaus eine erotische Komponente gehöre. Um diese intime Beziehung zum Publikum nicht zu gefährden, muss der Star paradoxerweise auch eine gewisse Distanz wahren. Seine Unerreichbarkeit steht daher im Gegensatz zur alltäglichen Nähe. Ein weiteres Paradoxon stellt zudem der Widerspruch zwischen Inszenierung und Natürlichkeit dar. Denn während Stars möglichst natürlich wirken sollen, sind sie immer auch ein künstliches und inszeniertes Konstrukt, weil die Medialität bzw. das Image – „die Herausbildung eines bestimmten von der Person des Stars unabhängigen Bildes von ihm“24 – inszeniert ist. Hickethiers Star-Definition kann mit Josef Garncarz’ Worten auf den Punkt gebracht werden: Ein Star ist demnach „eine einzigartige Person, die sich und ihr Können in einem öffentlichen Ereignis darbietet und an der ein Publikum ein be-

23 Ebd., S. 31; ebd., S. 335. 24 Ebd., S. 32. In der Starforschung ist es üblich geworden, zwischen dem innerfilmischen Image (Leinwandimage, On-Screen-Image) und dem außerfilmischen Image (Privatimage, Off-Screen-Image) zu unterscheiden. Ersteres umfasst die Summe aller (relevanten) Filmrollen und wird u.a. konstruiert durch das Profil der Rollen, die Sprech- und Spielweise und das äußere Erscheinungsbild. Zweiteres bezeichnet hingegen das Leben des Stars abseits des Films, wobei in der Regel das reale Privatleben vom inszenierten Privatleben getrennt wird. Die öffentliche Erscheinung des Stars ist daher ein Konstrukt, das mithilfe der Medien erzeugt wird, die über die Herkunft, die Lebensgeschichte, die politische und moralische Einstellung, das Familienleben und den Lebensstil des jeweiligen Stars informieren. Vgl. Lowry: „Stars und Images“, S. 16f.; Claus Tieber: „star“, Lexikon der Filmbegriffe, 2012, filmlexikon.uni-kiel. de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=346, 05.11.2015. Wie Richard deCordova für die US-amerikanische Filmgeschichte nachweisen konnte, hatte es die Imagebildung auf mehrfachen Ebenen schon zur Stummfilmzeit gegeben. So wurde der Filmstar wahrgenommen als (1) fiktionaler Charakter mit einem Set an Eigenschaften und narrativen Funktionen, (2) als Schauspieler mit bestimmten Spieltechniken und künstlerischer Erfahrung und (3) als Privatmensch, der ein Leben abseits der Leinwand führt. Vgl. DeCordova: Picture Personalities, S. 110f.

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sonderes Interesse hat“25. Diese Attribute (Einzigartigkeit, Öffentlichkeit, Publikumsinteresse) treffen auf den Star im Allgemeinen zu. Die Frage, die sich nun stellt, ist, welche Merkmale den Stummfilmstar im Speziellen kennzeichnen. Sabine Lenk zufolge sind bereits bei den frühen Stars des französischen Stummfilms folgende Merkmale erkennbar, die sie von anderen SchauspielerInnen der Zeit unterscheiden und auch später noch Gültigkeit besitzen: • eine regelmäßige Leinwandpräsenz (z.B. durch Star-Serien); • ein bekanntes Gesicht, ein markanter Spielstil und/oder eine wiederkehrende

Rolle, die die Wiedererkennung fördern; • ein künstlerischer Erfolg, der auf einer soliden präkinematografischen Berufs-

erfahrung beruht; • ein finanzieller Erfolg, der sich in hohen Einspielergebnissen und dem erfolg-

reichen Vertrieb der Filme im In- und Ausland niederschlägt; • eine über die nationalen Grenzen hinausgehende Popularität, die durch Be-

wunderung/Idolisierung der Fans, immer höheren Gagen („Gagenspirale“) und eine Abwerbung durch ausländische Filmfirmen gekennzeichnet ist; • eine mediale Vermarktung, die den Bekanntheitsgrad forciert (z.B. durch Werbefotos und -texte in Programmheften).26 Ob und inwieweit diese Merkmale – Publikumsinteresse, Medienpräsenz, Internationalität und Differenzierung – auch auf die österreichischen Stummfilmstars zutreffen, werden die nachfolgenden Kapitel vertiefen. Zuvor muss aber noch überprüft werden, wer überhaupt als österreichischer Stummfilmstar galt bzw. heute noch gelten sollte. Die Antwort bedarf zunächst einer begrifflichen Differenzierung, die vor allem in einem europäischen Kontext Gültigkeit besitzt. Wie die vorigen Kapitel zeigen konnten, waren bekannte und beliebte Wiener BühnenschauspielerInnen für den Stummfilm tätig und feierten auch in diesem Medium Erfolge. Das konnte entweder punktuell geschehen, wie etwa im Fall von Alexander Girardi, oder zu einem parallelen Karrierestandbein führen wie bei Operettenstar Hubert Marischka. Der Unterschied zum genuinen Filmstar ist jedoch der, dass diese Leinwandlieblinge bereits auf der Bühne einen großen Bekanntheitsgrad erlangt hatten und ihre Namen dem Publikum schon vor ihrer Filmarbeit ein Begriff waren. Sabine Lenk schlägt daher vor, zwischen Stars auf

25 Joseph Garncarz: „Die Schauspielerin wird Star. Ingrid Bergmann – eine öffentliche Kunstfigur“, in: Die Schauspielerin, hg. von Möhrmann, 2000, S. 368–393, hier S. 370. 26 Vgl. Lenk: „Stars der ersten Stunde“, S. 11–30.

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der Leinwand und Stars der Leinwand zu unterscheiden. Bei ersteren handelt es sich um „[...] Künstler, die bereits als Stars anerkannt sind, bevor sie mit dem Kino in Kontakt kommen. Sie definieren sich durch ihre Bühnenzugehörigkeit sowie ihre Beliebtheit bei der Bevölkerung. Ihr Name ist dem Kinobesucher ein Begriff, wenn dieser auch möglicherweise nie einer ihrer Vorstellungen beiwohnen konnte. Der Ruhm ist Voraussetzung für ihr Erscheinen im Film und rührt nicht von der Leinwand her. Deshalb kann man hier nicht vom Star der Leinwand, sondern nur vom Star auf der Leinwand sprechen.“

27

Bühnenstars, die auch beim Stummfilm erfolgreich waren und es zu Starruhm brachten, sind demnach Stars auf der Leinwand. Besonders während der 1910er Jahre, als auch in Wien versucht wurde, den Kunstfilm zu etablieren, waren Stars dieser Art besonders gefragt. „Wiener Künstler im Film“, „Wiener Bühnenlieblinge im Film“ oder „Wiener Operettenlieblinge im Film“ waren deshalb beliebte und wiederkehrende Themen in den österreichischen Stummfilmperiodika.28 Im Folgenden soll es jedoch nicht um jene Stars gehen, die bereits vor ihrer Mitwirkung beim Film populär waren, sondern um jene, die durch den Film populär wurden. Lenk nennt diese Art von Stars Stars der Leinwand, man könnte aber auch vom genuinen Filmstar sprechen. Damit gemeint sind StummfilmschauspielerInnen, die in der Regel zwar Bühnenerfahrung vorweisen konnten, aber erst durch ihre Tätigkeit für den Film einen hohen Bekanntheitsgrad erlangten. Diese BühnendarstellerInnen, zumeist SchauspielerInnen oder TänzerInnen, sind durch den Film groß geworden, ihre Namen kennt man primär aus dem Kino. Darum können insgesamt nur neun Stars als genuine Stars des österreichischen Stummfilms gelten (Abbildungen 16–24): Carmen Cartellieri (1891– 1953), Maria Corda (1898–1976), Lucy Doraine (1898–1989), Grit Haid (1900 – 1938), Liane Haid (1895–2000), Dora Kaiser (1891–unbek.), Max Neufeld (1887– 1967), Magda Sonja (1886–1974) und Igo Sym (1896–1941).

27 Ebd., S. 18. Richard deCordova trifft eine ähnliche Unterscheidung für das US-amerikanische Filmstarwesen (vgl. Abschnitt 1.3). 28 Vgl. u.a. o.N.: „Wiener Künstler im Film“, in: Die Filmwoche 4/191 (1916), S. 40; Erwin Weill: „Wiener Bühnenlieblinge im Film“, in: Die Filmwelt 1/10 (1919), S. [1]–3; Paul Ollop: „Wiener Filmkomiker“, in: Die Filmwelt 1/18 (1919), S. 4f.; [ders.]: „Wiener Operettenlieblinge im Film“, in: Die Filmwelt 1/24 (1919), S. 9.

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Abbildung 16: Carmen Cartellieri

Abbildung 17: Maria Corda

Quelle: Mein Film, 1927 (FAA)

Quelle: Wiener Kino, 1924 (ÖNB Wien)

Abbildung 18: Lucy Doraine

Abbildung 19: Grit Haid

Quelle: Die Filmwelt, 1921 (UB Wien)

Quelle: Die Filmwelt, 1922 (UB Wien)

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Abbildung 20: Liane Haid

Quelle: Kinematographische Rundschau, 1916 (ÖNB Wien)

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Abbildung 21: Dora Kaiser

Abbildung 22: Max Neufeld

Quelle: Österreichischer Komet, 1917 (UB Wien)

Quelle: Neue Filmwoche, 1919 (UB Wien)

Abbildung 23: Magda Sonja

Abbildung 24: Igo Sym

Quelle: Neue Kino-Rundschau, 1917 (UB Wien)

Quelle: Mein Film, 1927 (FAA)

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Neben der begrifflichen Differenzierung bedarf der Begriff des genuinen österreichischen Stummfilmstars außerdem einer geografischen Erweiterung. Bisher waren die Untersuchungsergebnisse auf Wien fokussiert. Für die Stummfilmstars muss hier aber insofern eine Erweiterung vorgenommen werden, als diese zwar in Wien gewirkt haben, zum Teil jedoch in den Kronländern der k.u.k. Monarchie, allen voran in Ungarn und der heutigen Tschechischen Republik, geboren wurden. Nur Liane Haid, ihre Schwester Grit Haid und Dora Kaiser waren gebürtige Wienerinnen. Im Folgenden bezeichnet der Begriff „österreichischer Stummfilmstar“ daher FilmschauspielerInnen, die im Gebiet der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie geboren wurden und in Wien zu Filmstars avancierten. 7.2.1 Publikumsinteresse Der wesentliche Unterschied zwischen Stars und ihren namentlich nicht bekannten BerufskollegInnen, die Thema des vorigen Kernkapitels waren, ist ihre Popularität. Stars haben einen hohen Bekanntheitsgrad, ihre Namen sind dem Kinopublikum bekannt. Doch was macht diese Popularität aus und worauf begründet sie sich? Auch in der Sonderausgabe der Filmwoche stellte man sich diese Fragen und fand darauf folgende Antwort: Jemand ist populär, wenn sich das Publikum dessen Namen merkt.29 Hier wurde bereits ein wesentliches Merkmal des Starwesens angesprochen: das Publikumsinteresse. Dazu heißt es in der Filmwoche weiters: „[...] wie entwickelt sich ein Star? Fällt sein Ruhm, sein Startum wie ein Meteor vom Himmel? Wer entscheidet darüber, der geschickte Manager oder das Publikum? Zur Beruhigung aller gerecht Denkender sei festgestellt, daß ganz wie beim Theater nur das Publikum das entscheidende Wort spricht.“

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Wie die inhaltliche Auswertung der österreichischen Stummfilmperiodika gezeigt hat, konnte sich das Interesse des Kinopublikums an den Stummfilmstars auf unterschiedliche Weise äußern: (1) durch die schriftliche Kontaktaufnahme, (2) durch das Sammeln von Autogrammen und (3) durch den Erwerb von Fanartikeln. Zum ersten Punkt, der schriftlichen Kontaktaufnahme, bemerkte man in der Filmwoche 1916: „Die Beliebtheit der Filmkünstler beim Publikum äußert sich natürlich auch darin, daß die jungen oder älteren Damen und Herren sich

29 Vgl. o.N.: „Wie entwickelt sich ein Filmstar?“, in: Die Filmwoche 4/191 (1916), S. 4. 30 Ebd.

372 | Schauspielen im Stummfilm

den vergötterten Lieblingen der Kunst schriftlich zu nähern versuchen.“31 Diese Briefe enthielten, laut einem Artikel in Mein Film aus dem Jahr 1928, zu 80% Bitten um Autogramme, Widmungen oder ein paar nette Zeilen, zu 5% Geldforderungen oder auch Geldangebote, und ebenfalls zu 5% Hoffnung auf Protektion seitens angehender FilmschauspielerInnen oder -autorInnen. Bei den restlichen [10%] handelte es sich um Liebesbriefe, Bitten um persönliche Treffen, Anerkennungsschreiben und Dankesbriefe.32 Um ihren LeserInnen in dieser Hinsicht eine Hilfestellung zu bieten, veröffentlichte das Mein Film-Buch, das sich auch als „Hilfsbuch für den Autogrammsammler“ verstand, Musterbriefe in verschiedenen Sprachen.33 Unter dem Titel „In welcher Form ersuche ich Filmkünstler um ein Autogramm?“ wurde dem Leser erklärt, dass Briefe in Deutsch zwar in vielen Fällen auch von fremdsprachigen Filmstars verstanden würden, es aber besser sei, die schriftliche Anfrage in der Muttersprache des adressierten Stars zu formulieren. Darum bot das Mein Film-Buch Musterbriefe nicht nur in Deutsch, sondern auch in Englisch, Französisch und Italienisch an. In der deutschen Version lautet der Brieftext folgendermaßen: „Hochverehrter Künstler! (Hochverehrte Künstlerin!) Sie würden einem großen Bewunderer Ihrer Kunst eine besondere Freude bereiten, wenn Sie mitfolgendes Bild mit Ihrem Namenszuge versehen würden. Seien Sie gewiß, daß Ihr Autogramm stets einen Ehrenplatz in meiner Sammlung einnehmen wird. Für Ihre Liebenswürdigkeit danke ich Ihnen im voraus bestens und verbleibe in aufrichtiger Verehrung. Ihr (Ihre) . . . . .“

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31 O.N.: „Die Stars und das Publikum“, in: Die Filmwoche 4/191 (1916), S. 69. 32 Vgl. o.N.: „Antworten die Stars auf Publikumsbriefe?“, in: Mein Film 3/113 (1928), S. 15f. 33 Vgl. o.N.: „In welcher Form ersuche ich Filmkünstler um ein Autogramm?“, in: Mein Film-Buch 1 (1927), S. 469–471 – Mein Film-Buch 2 (1928), S. 495–497 – Mein Film-Buch 3 (1929), S. 469–471 – Mein Film-Buch 4 (1930), S. 427–429. 34 Ebd., S. 469 / 495 / 469 / 427.

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Dieser Musterbrief zeigt, dass sich das Interesse am Kinostar auch im Wunsch nach einem Autogramm ausdrücken konnte. Welchen Wert dieses für die Fans hatte, wurde in Mein Film 1926 erörtert.35 Im Artikel mit dem Titel „Der Wert des Autogramms“ kam der Verfasser zu dem Schluss, dass dieses für den Fan vor allem einen ideellen Wert habe, da die Unterschrift des Kinolieblings bedeute, „ein Stück von ihm“ zu besitzen.36 Durch die etwaige persönliche Begegnung mit dem Star könne diese Assoziation zusätzlich durch die Erinnerung an den Moment, als man das Autogramm erhalten habe, aufgewertet werden. Das beschriebene Stück Papier mutiere so „zu einem Medium, das jederzeit die Rekonstruktion dieses Momentes“ ermögliche. Darüber hinaus habe das StarAutogramm auch einen materiellen Wert. Das gelte vor allem für Profisammler, die damit Geld bei Auktionen verdienen würden. Zum Schluss räumte der Autor aber ein, dass es durchaus Leute gebe, für die ein Autogramm absolut keinen Wert besitze und für die das Sammeln von Unterschriften eine rein „infantile Beschäftigung“ darstelle.37 Diese Haltung scheint umso verständlicher zu sein, wenn man z.B. von wenig seriös wirkenden Autogrammanalysen in der Filmwelt liest: „Autogramme – welches Backfischherz läßt dieses Wort nicht höher schlagen und welche Leserin der ‚Filmwelt‘ besitzt nicht schon eine mehr oder minder große Sammlung von Unterschriften ihrer speziellen Filmlieblinge. Aber meist wissen sie nicht, daß die kargen Züge der Unterschrift oder einiger liebenswürdiger Worte einen hohen psychologischen Wert haben; denn die Schriftzüge lassen Schlüsse über die Persönlichkeit des Schreibers zu, die vielleicht neue und interessante Perspektiven eröffnen, und haben mehr Persönliches vom Künstler als eine Photographie. Sind sie doch ein Spiegel des Innenlebens eines Menschen, seiner Tugenden und Untugenden, seiner Geistesgaben, seiner Krankheiten u. 38

dgl. mehr.“

Den angesprochenen „psychologischen Wert“ der Filmstar-Autogramme ermitteln lassen wollte die Filmwelt durch grafologische Analysen. Die Hausgrafologin der Publikumszeitschrift sollte deshalb in einer ständigen Rubrik namens

35 Vgl. H[ugo] R[appart]: „Der Wert des Autogramms“, in: Mein Film 1/31 (1926), S. 11. 36 Vgl. auch Rössler: Die Sprache des Stummfilms, S. 49: „Sie [die signierte Autogrammkarte, A.D.] suggerierte dem Fan, ein ‚Stück‘ des verehrten Stars zu ‚besitzen‘ [...]“. 37 R[appart]: „Der Wert des Autogramms“, S. 11. 38 Frank Presten: „Autogramme“, in: Die Filmwelt 4/18 (1922), S. 8.

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„Autogramme“ (1922/23) die Unterschriften nationaler und internationaler Stars analysieren. Für die österreichischen Kinosterne sahen die Ergebnisse wie folgt aus: „Liane Haid: Bildung, Intelligenz, ausgesprochene Individualität, groß angelegte, auf das Große gerichtete Natur. Hat sich vor Intriganten zu hüten.“

39

„Magda Sonja: Extravaganz, leicht entflammbare und leicht verfliegende Begeisterungsfähigkeit, starke Logik und etwas Ueberspanntheit vorhanden.“

40

„Carmen Cartellieri: Ruhe, Sanftmut, Güte, Geduld, große Phantasie und künstlerische Veranlagung. Macht den Gatten glücklich. Attest: Soll täglich 2 Stunden der Ruhe pflegen.“

41

„Max Neufeld: Ernste Lebensauffassung, Pflichttreue, ringende, langsame, aber tiefe Na42

tur. Attest: sichern Sie sich die Zukunft.“

„Dora Kaiser: Ist ein recht liebenswürdiges Geschöpf, hat Sinn für Einfaches und Echtes. 43

Vornehme Bescheidenheit.“

„Lucy Doraine: Sehr liebenswürdiges, herzensgutes Wesen, mit vielen guten Eigenschaften und großem künstlerischen Talent.“

44

Das Kinopublikum konnte seine Verehrung aber nicht nur durch das Sammeln von Autogrammen, sondern auch durch den Erwerb von Fanartikeln ausdrücken. Ein wichtiges diesbezügliches Beispiel sind Starpostkarten, die bereits im 19. Jahrhundert eine Möglichkeit für das Theaterpublikum darstellten, ihren Bühnenlieblingen nahe zu sein. Für Knut Hickethier ist die Starpostkarte daher das Indiz des Starwesens schlechthin, das den Star ab den 1860er Jahren seinen Fans näherbrachte, ohne die grundsätzliche Distanz zu gefährden. Gleichzeitig

39 [Mara Mayr]: „Autogramme [Liane Haid]“, in: Die Filmwelt 4/18 (1922), S. 9. 40 [Mara Mayr]: „Autogramme [Magda Sonja]“, in: Die Filmwelt 4/19 (1922), S. 7. 41 [Mara Mayr]: „Autogramme [Carmen Cartellieri]“, in: Die Filmwelt 4/20 (1922), S. 11. 42 [Mara Mayr]: „Autogramme [Max Neufeld]“, in: Die Filmwelt 4/20 (1922), S. 11. 43 [Mara Mayr]: „Autogramme [Dora Kaiser]“, in: Die Filmwelt 4/21 (1922), S. 9. 44 [Mara Mayr]: „Autogramme [Lucy Doraine]“, in: Die Filmwelt 4/22–23 (1922), S. 11.

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festigte die Starpostkarte die Popularität und diente als Bewerbung der eigenen Person.45 Hickethier versteht die Starpostkarte deshalb als „starbildendes Attribut und Hilfsmittel“46. Diese Theatertradition wurde auch vom Stummfilm übernommen.47 So warb z.B. die Vereinigung der Filmfreunde in ihrem Vereinsorgan (Mein Film) 1927 damit, dass sie nun selbst Filmpostkarten anbieten würden. Die Porträts beliebter FilmkünstlerInnen und Standbilder aus den populärsten Filmen sollten 20 Groschen pro Stück kosten und per Post versandt werden.48 Ein weiteres, außergewöhnliches Beispiel für einen Fanartikel der Stummfilmzeit sind die sogenannten „Lucy-Doraine-Zigaretten“ (Abbildung 25a). Dabei handelte es sich tatsächlich um Tabakwaren, die von der Münchner Firma Zuban für fünf Pfennig das Stück auf den Markt gebracht wurden. Dazu heißt es im Filmboten: „(Eine Lucy Doraine-Zigarette.) Die frühere Wiener Filmschauspielerin Lucy Doraine erfreut sich heute in Deutschland einer ganz ungewöhnlich großen Popularität. Eine der renommiertesten deutschen Zigarettenfabriken, die Zuban, hat in Würdigung dieser Popularität soeben eine Zigarette mit dem Namen der Künstlerin auf den Markt gebracht, wo die Zigaretten durch ihre Qualität und vornehme Ausstattung den größten Anklang beim Publikum finden.“

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Das neueste Zuban-Produkt war somit eine Würdigung der Popularität Lucy Doraines und ein Angebot an ihre Fans. Die „Qualität und vornehme Ausstattung“, die im Zitat erwähnt wird, lässt sich auch heute noch feststellen. Das ist dem Umstand zu verdanken, dass eine Packung der Lucy-Doraine-Zigaretten im Nachlass des Stars, der im Filmarchiv Austria aufbewahrt wird, archiviert wur-

45 Vgl. Hickethier: „Vom Theaterstar zum Filmstar“, S. 39–42; ders.: „Theatervirtuosinnen und Leinwandmimen“, S. 345–347. 46 Ebd., S. 39; ebd., 345. 47 Vgl. Rössler: Die Sprache des Stummfilms, S. 49. Rössler sieht in den Starpostkarten ein „wesentliches Medium des aufkommenden Starkults“ beim Film. In Deutschland wurden diese in Form von Porträts und Szenenbildern hauptsächlich vom Berliner Ross-Verlag vertrieben. 48 Vgl. [Vereinigung der Kinofreunde]: „Postkarten-Photographien unserer Filmlieblinge“, in: Mein Film 2/63 (1927), S. VIII. 49 O.N.: „Eine Lucy Doraine-Zigarette“, in: Der Filmbote 7/27 (1924), S. 12. Vgl. auch o.N.: „‚Lucy Doraine‘“, in: Wiener Kino 2/26 (1924), S. [2].

376 | Schauspielen im Stummfilm

de.50 Bemerkenswert ist, neben der aufgrund der goldenen Verzierung edel wirkenden Aufmachung, auch die Tatsache, dass die Zigarettenpackung insgesamt sechs Fanbilder enthält (Abbildung 25b), die Porträts der Filmdiva in eleganter Garderobe zeigen. Ein Bild sticht dabei besonders heraus, das Lucy Doraine – ganz modern – im Auto sitzend zeigt. Im Gegensatz zu den anderen Bildern scheint dieses suggerieren zu wollen: „Seht her, so lebt Lucy Doraine privat!“ Abbildung 25a: Lucy-Doraine-Zigaretten

Quelle: Lucy-Doraine-Nachlass, [1924] (FAA)

50 Vgl. FAA, Nachlässe, Lucy-Doraine-Nachlass: Lucy-Doraine-Zigaretten (Firma Zuban, München, [1924]).

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Abbildung 25b: Lucy-Doraine-Zigaretten – Fanbilder

Quelle: Lucy-Doraine-Nachlass, [1924] (FAA)

7.2.2 Medienpräsenz Die bisher genannten Beispiele konnten bereits veranschaulichen, dass neben dem Publikumsinteresse auch die Medienpräsenz von der Popularität eines Filmstars zeugt. Neben Fotografien, Film- und Theaterauftritten war die häufige Präsenz in den Printmedien, allen voran in den Filmillustrierten der 1920er Jahre, von Bedeutung. Diese hatte nicht nur den Zweck, den Bekanntheitsgrad eines Stars zu erhalten bzw. zu erweitern und damit seinen Wert zu steigern, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Der Nachteil der Imagegestaltung war jedoch, dass das berufliche und private Leben nach und nach ineinander verschmolzen und die Stars mit dem zunehmenden Interesse der Öffentlichkeit immer mehr von sich preisgeben sollten. Von besonderem Interesse waren dabei sowohl der Lifestyle als auch die verwandtschaftlichen und amourösen Beziehungen der Stars. „Die Diva des Films muß – ob sie will oder nicht – im Nebenamt Künstlerin der Liebe sein“51, heißt es dazu in der Kinowoche 1919. Ein Beispiel für das öffentliche Interesse am Liebesleben der Stars sind Auflistungen mit verheirateten Filmschaffenden, zumeist in der Kombination Filmschauspielerin – Filmregisseur. In einer Liste, die Mein Film 1926 veröffentlichte und die im Gegensatz zu anderen Aufstellungen dieser Art auch österreichi51 O.N.: „Der Filmstar“, in: Die Kinowoche 1/8 (1919), S. 7f., hier S. 8.

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sche Filmstars miteinbezog, kann man u.a. lesen: „Wir nennen also als verheiratet: [...] Marie [sic!] Corda mit Alexander Korda; [...] Liane Haid mit Baron Dr. Fritz Haymerle; Carmen Cartellieri mit Dr. Ziffer; Magda Sonja mit Fritz Feher; [...] Dora Kaiser mit Architekt Rosenauer [...].“52 Nicht immer entsprachen solche Angaben der Realität, die ein oder andere amouröse Star-Beziehung war auch konstruiert. Zum Beispiel wurde 1920 fälschlicherweise über die Verlobung Liane Haids mit ihrem Filmpartner Max Neufeld berichtet,53 was die Betroffenen in einem öffentlichen Brief in der Filmwelt richtigstellten: „Hochverehrte Redaktion! In Ihrem werten Blatte [Die Filmwelt, A.D.] war die Nachricht von unserer Verlobung zu lesen. Wir müssen leider [...] diese Mitteilung dementieren, denn wir haben uns zwar schon oft im Film verliebt, verlobt, ja sogar geheiratet, sind einander stets kollegial zugetan, haben aber unseres Wissens keinen Anlaß zu so beunruhigenden Gerüchten, wie die einer wirklichen Verlobung, gegeben. Mit bestem Dank für die 54

Aufnahme unserer Zeilen und Gruß, bleiben wir[,] Liane Haid, Dr. Max Neufeld.“

Die Authentizität dieses Dementis kann ohne die entsprechenden Unterlagen in den Nachlässen von Liane Haid und Max Neufeld zwar nicht nachgeprüft werden, der Inhalt zeigt aber (auch wenn er aus der Feder eines Filmwelt-Redakteurs stammen sollte), dass in diesem Fall das inner- und außerfilmische Image gleichgesetzt wurde. Haid und Neufeld, die in mehreren Filmen als Liebespaar in Erscheinung getreten waren, wurden so auch abseits der Leinwand zu einem Paar gemacht. Diese Beobachtung lässt sich bei den Beiträgen zum Privatleben der österreichischen Stummfilmstars immer wieder machen. In vielen Fällen wurde der Filmtyp, den ein Star verkörperte, mit seiner Person bzw. seinem außerfilmischen Image gleichgesetzt. Liane Haid galt z.B. als der Inbegriff des süßen Wiener Mädels, obwohl sie in ihrem beruflichen Leben mehrmals „aneckte“ (vgl. Abschnitt 7.3). Trotzdem wurde ihr in den Filmzeitschriften ein liebliches Image zugeschrieben. Ein solches Beispiel ist ein Foto von Liane Haid mit ihrem ge-

52 O.N.: „Mit wem sie verheiratet sind . . . Die Gatten und Gattinnen der Filmstars“, in: Mein Film 1/5 (1926), S. 3. 53 Vgl. o.N.: „Nach Schluß der Redaktion“, in: Die Filmwelt 2/37 (1920), S. 10; o.N.: „Verlobung“, in: Der Filmbote 3/42 (1920), S. 31; o.N.: „Verlobung“, in: Neue KinoRundschau 4/188 (1920), S. 12. 54 [Liane Haid und Max Neufeld]: „[Hochverehrte Redaktion!]“, in: Die Filmwelt 2/39 (1920), S. [17].

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liebten Hund Fips, das in der Filmwelt von 1922 abgedruckt wurde.55 Im dazugehörigen Text heißt es: „Daß Liane Haid das vielgerühmte goldene Wienerherz besitzt, wird niemand bezweifeln, wenn er das treuherzige ‚Geschau‘ ihres ‚Fips‘ sieht.“56 Dass die Berichte über das Privatleben der österreichischen Filmstars ein bestimmtes Image transportieren sollten, das zeigt auch das folgende Beispiel: Die Filmwelt veröffentlichte 1923 Fotos von fünf „Filmsternkindern“, den Kindern erfolgreicher Wiener Filmschaffender. Gezeigt werden u.a. Magda Sonjas Sohn Hansl, Lucy Doraines Tochter Kitty, Maria Cordas Sohn Peterl ebenso wie Lilian Marischkas Tochter Gretl.57 Der Text zu den Bildern vermittelte den Leserinnen der Filmwelt ein wertkonservatives Rollenbild: „Unsere Bildchen zeigen heute fünf reizende kleine Filmsternschnuppen, deren Papas durchwegs Wiener Filmregisseure und deren Mamas bedeutende Kinolieblinge sind. Die Bilder scheinen zu beweisen, daß die gestrengen Herrn Filmregisseure auch daheim gut Regie zu führen verstehen, und daß die tüchtigen Filmstars auch gute Mütter und Hausfrauen sein können. Wie überhaupt der Laie oft ganz falsche Vorstellungen hat von den Film- und Theaterdiven, welche die oft schwere Bürde der häuslichen Pflichten neben den meist auch nicht leichten künstlerischen Verpflichtungen zu tragen haben.“

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Ähnlich auch Maria Cordas Antwort auf die Frage, ob der Gatte der Regisseur seiner eigenen Gattin sein sollte: Im Atelier habe zwar ihr Mann (Regisseur Alexander Korda) das Megafon in der Hand, aber zuhause sei sie der Regisseur. Im Alltag bedeute dies, dass er freiwillig den „Thron als Regisseur“ verlasse, sobald die Essenszeit komme. Umgekehrt füge sie sich seinen Anordnungen im Atelier, wo sie sich selbstverständlich bemühe, „ihm alles recht zu tun“.59 Das hier kommunizierte Image der „braven Hausfrau und Mutter“ stand nicht nur im Gegensatz zum Zeitgeist der 1920er Jahre, sondern in diesem Fall auch zum Rollentyp von Maria Corda, dem „Teufelsweib“. Vielleicht kristallisiert sich hier einmal mehr der Versuch der überwiegend männlichen Filmredakteure heraus, das traditionelle Rollenbild der Frau als gute Hausfrau und Mutter zu propagie-

55 Vgl. Frank Presten: „Filmdiven und ihre Hunde“, in: Die Filmwelt 4/14 (1922), S. 6– 8, hier S. 7. 56 Ebd., S. 8. 57 Vgl. o.N.: „Filmsternkinder“, in: Die Filmwelt 5/8 (1923), S. 7. 58 Ebd. 59 O.N.: „Soll der Gatte der Regisseur seiner eigenen Frau sein? Eine Rundfrage an die amerikanischen Stars“, in: Mein Film 2/71 (1927), S. 5.

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ren und den Leserinnen der Filmillustrierten „schmackhaft“ zu machen. Immerhin hatten die Filmstars eine große Vorbildfunktion. Um überhaupt als Filmschauspieler Beachtung von der Presse zu erhalten, musste eine regelmäßige Medienpräsenz auch in anderen Bereichen, an allererster Stelle im Kino, vorhanden sein. Das bedeutete, dass man regelmäßig Hauptrollen, idealerweise in den Filmen größerer Filmfabriken, spielen musste. Die österreichischen Stummfilmstars haben während ihrer Zeit in Wien in durchschnittlich rund 23 (23,22) Filmen mitgewirkt (vgl. Anhang C). Darüber hinaus traten viele Stummfilmstars auch live auf, entweder erschienen sie persönlich bei Premierenfeiern60 oder gastierten an einer Bühne. Aufsehen erregte z.B. Asta Nielsens Bühnenauftritt in Wien 1913.61 Der Star der 1910er Jahre feierte im Wiener Ronacher Premiere mit der Pantomime „Prinz Harlekins Tod“ und erntete dafür sowohl den „rauschenden Beifall des Publikums“ als auch „das uneingeschränkte Lob der gesamten Presse“.62 Die Kinematographische Rundschau sah im Auftritt Asta Nielsens vor allem einen Beweis dafür, dass FilmdarstellerInnen bzw. Kinostars auch KünstlerInnen waren: „Asta Nielsen hat bewiesen, daß sie nicht nur als Kinokünstlerin hinzureißen und zu begeistern vermag, auch auf der Bühne hat sie gezeigt, daß sie eine Künstlerin ist, der eben nichts fremd ist, das zu ihrer Kunst gehört. [...] Es gereicht uns als Organ der Kinematographie zur Genugtuung und zur ganz besonderen Freude, daß Asta Nielsen, die gefeierte

60 Davon zeugen z.B. die Stoffbänder aus dem Lucy-Doraine-Nachlass, die Lucy Doraine mutmaßlich anlässlich ihres Erscheinens bei einer Filmpremiere erhalten und getragen hatte. Vgl. FAA, Nachlässe, Lucy-Doraine-Nachlass: Stoffbänder. 61 Vgl. Claudia Preschl: Lachende Körper. Komikerinnen im Kino der 1910er Jahre. Wien: SYNEMA, 2008 (= FilmmuseumSynemaPublikationen 8), S. 164–166; Elisabeth Streit: „‚Nein, nein, ich will das bleiben, was ich bin.‘ Ein Besuch in Wien“, in: Asta Nielsen, Bd. 1: Unmögliche Liebe. Asta Nielsen, ihr Kino, hg. von Heide Schlüpmann, Eric de Kuyper, Karola Gramann, Sabine Nessel und Michael Wedel. Wien: Filmarchiv Austria, 2009, S. 392–395. Vgl. auch die Beschreibung des WienAufenthalts in Asta Nielsens Autobiografie: Asta Nielsen: Die schweigende Muse. Lebenserinnerungen, übers. von H. Georg Kemlein, Taschenbuchausg. Berlin: Henschel, 1992 (= HTB 13), S. 150–166 (Orig.: Den tiende Muse, 2 Bde. Kopenhagen: Gyldendal, 1945/46). 62 O.N.: „Asta Nielsen auf der Bühne“, in: Kinematographische Rundschau 7/261 (1913), S. 58.

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Künstlerin, in der Oeffentlichkeit den Beweis erbracht hat, daß eine große Kinodarstellerin auch eine wahre Künstlerin sein muß.“

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Doch wie es schon beim nebenberuflich für den Film tätigen Bühnendarsteller der Fall war, gab es auch gegenüber dem auf der Bühne auftretenden Filmschauspieler Vorurteile: „Es stimmt nicht immer, wenn man annimmt, daß anerkannte Filmkünstler zugleich allererste Attraktionen der Bühne sind. Sehr oft kommt es im Gegenteile vor, daß Künstler, die heute beim Kino in erster Linie stehen, auf dem Theater unmöglich sind [...]“. 64 Dennoch dürften auch österreichische Stummfilmstars dem internationalen Trend gefolgt sein und den Weg zur Bühne in Form von „Gastspielen“ gefunden haben. Sogar Carmen Cartellieri, die einzige Filmdiva des österreichischen Films ohne Bühnenerfahrung, wagte sich auf „die Bretter, die die Welt bedeuten“. Unter anderem trat sie 1926 in den Künstlerspielen Capua auf, die sich im gleichnamigen Café in der Johannesgasse 3 befanden.65 Dazu konnte eine kurze Ankündigung in Mein Film gefunden werden: „Die Direktion dieser beliebten Kunststätte hat mit großen, materiellen Opfern die hervorragende Filmdiva Carmen Cartellieri verpflichtet. Der blendend schöne Filmstar mimt eine Pantomime von Ernst Toegl, betitelt ‚Der Todesring‘[,] und erntet großen Erfolg.“66 Die regelmäßige Medienpräsenz war ein wesentliches Merkmal der Stummfilmstars, die sich über Film, Theater und Periodika später noch ausdehnen sollte auf Radio, Fernsehen und Internet. Mit dem steigenden Interesse der Medien an den Stars ging jedoch, wie bereits erwähnt, ein zunehmender Verlust der Privatsphäre einher. Mein Film druckte 1928 dazu unter der Überschrift „Vorsicht, wenn du ein berühmter Filmstar bist!“ mehrere Zeichnungen ab, die Filmstars rieten, wie sie sich im Alltag verhalten sollten, um nicht von den Fans erkannt zu werden. Zum Beispiel sei es zu unterlassen, den Hotelportier zu grüßen, da des-

63 Ebd. Zum Bühnenerfolg Asta Nielsens vgl. auch W[ilhelm] St[ignitz]: „Asta Nielsen im Variété“, in: Österreichischer Komet 6/147 (1913), S. [1]f. Wilhelm Stignitz (1874–1937) war der langjährige Herausgeber und Chefredakteur der Filmfachzeitschriften Österreichischer Komet und Das Kino-Journal. 64 O.N.: „Filmkünstler auf der Bühne“, in: Die Filmwoche 4/191 (1916), S. 93f. 65 Vgl. Emmerich Taussig (Red.): „Carmen Cartellieri in den Künstlerspielen Capua“, in: Mein Film 1/4 (1926), S. VII. 66 Ebd. Vgl. auch Paolo Caneppele: „Carmen Cartellieri (Franziska Ottilia Cartellieri) – Schauspielerin, Produzentin“, in: I. Das Privileg zu sehen, hg. von Christian Dewald, übers. von Irmgard Politzki. Wien: Filmarchiv Austria, 2005 (= Filmhimmel Österreich 009), S. 12–15, hier S. 14.

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sen ehrerbietige und auffallende Begrüßung die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf den Filmstar lenke.67 Auch Liane Haid sei es laut der Neuen KinoRundschau von 1919 nur mehr schwer möglich, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, da „sie überall erkannt und mit Jubel begrüßt“ werde.68 Dass diese Art von Aufmerksamkeit aber nicht immer unerwünscht war, zeigt ein Beitrag aus der Filmwelt von 1922.69 Die Überschrift lässt bereits auf den Inhalt schließen: „Carmen Cartellieri als Strandnixe“. Tatsächlich wurden drei Fotos präsentiert, die den Star im Badeanzug bei ihrem (vermeintlich) privaten Urlaub am Strand von Venedig zeigen. Ein Text von der Wiener Journalistin Rosa Wachtel kommentierte diese Bilder wie folgt: „Aus den grünen Wellen streckt sich ein wei[ß]er Arm, eine bunte Mütze wird sichtbar, darunter ein zartes Gesicht mit blitzenden dunklen Augen: Carmen Cartellieri, die bekannte Filmdiva. Sie schwimmt dem Ufer zu und wird von allen, insbesonders [sic!] aber von der Männerwelt, mit lautem Hallo begrü[ß]t. Im Nu ist sie von einer Gruppe umringt, muntere Reden fliegen hin und her: die schöne Carmen bezaubert nicht nur im Film, sondern auch im Leben, und scheint eine erkleckliche Anzahl Eroberungen gemacht zu haben.“

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Doch was zunächst wie eine Verletzung der Privatsphäre wirkt, wird zum Schluss des Artikels als „PR-Aktion“ enttarnt: „Wir bringen gleichzeitig einige hübsche Bilder von ‚Carmen Cartellieri als Strandnixe‘, die sie uns mit besten Grü[ß]en an die Filmweltleser und -leserinnen geschickt hat [...]“.71 Das zeigt, dass private Bilder von den Stars auch selbst an die Öffentlichkeit getragen wurden und so das außerfilmische Image bewusst inszeniert oder zumindest mitgestaltet werden konnte. Nicht ohne Grund scheint man daher Venedig als Urlaubsort ausgewählt zu haben. Denn mithilfe der zeitgenössischen Periodika wurde Cartellieri erfolgreich als Filmdiva mit italienischen Wurzeln etabliert. In vielen biografischen Notizen wurde daher Mailand als ihr Geburtsort angegeben, obwohl die Schauspielerin eigentlich im heutigen Prostějov in Tschechien gebo-

67 Vgl. [Armand]: „Vorsicht, wenn du ein berühmter Filmstar bist!“, in: Mein Film 3/111 (1928), S. 17 (Orig.: nicht eruierbar). 68 O.N.: „Liane Haid“, in: Neue Kino-Rundschau 3/131 (1919), S. 7. 69 Vgl. [Rosa] Wachtel: „Carmen Cartellieri als Strandnixe“, in: Die Filmwelt 3/17–18 (1921), S. 8. 70 Ebd. 71 Ebd. Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt.

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ren worden war.72 Über die private Inszenierung hinaus lenkte der FilmweltBeitrag die Aufmerksamkeit der LeserInnen außerdem noch auf Cartellieris aktuelles Filmprojekt: So sei die Diva nicht einfach so in Venedig, sondern entspanne sich nach den anstrengenden Dreharbeiten zu DER TOTE HOCHZEITSGAST (Vita/Helios, 1921/22).73 7.2.3 Internationalität Die Popularität der Stummfilmstars weist neben dem Publikumsinteresse und der Medienpräsenz auch noch ein drittes Merkmal auf: Internationalität. Der Stummfilm war ein internationales Medium, weil er aufgrund seiner inhärenten Tonlosigkeit sprachliche Barrieren überwinden und so auch international vermarktet werden konnte. Für die FilmschauspielerInnen bedeutete dies in sprachlicher Hinsicht, dass sie problemlos außerhalb ihres Heimatlandes tätig sein konnten. Beliebte Karriereziele waren dabei München, Berlin und Los Angeles. Tatsächlich nahmen die meisten Stars der Wiener Filmindustrie im Laufe der 1920er Jahre Engagements im Ausland an. Nach Deutschland gingen Liane Haid (1921), Lucy Doraine (1922), Magda Sonja (1924/26), Maria Corda (1924/26) und Grit Haid (1926). Maria Corda und Lucy Doraine wagten Ende der 1920er Jahre sogar den Sprung nach Hollywood. Besonders Berlin war für viele Stummfilmgrößen nach dem Ersten Weltkrieg ein attraktiver Arbeitsort geworden. In der Filmwelt wurde Berlin 1920 sogar als „das gelobte Land für alle Filmschauspieler“ bezeichnet.74 Die Stadt sei nun der Mittelpunkt der europäischen Filmindustrie, die auch zahlreiche WienerInnen in ihren Bann gezogen habe. Paul Ollop, der Verfasser des Artikels, gab dennoch seiner Hoffnung Ausdruck, dass die österreichische Filmindustrie in naher Zukunft attraktiv genug sein werde, um die eigenen Stars in Wien zu halten: „[...] unsere Wiener Filmindustrie wird bald jene Stufe erreicht haben, auf der kein Filmschauspieler mehr die Sehnsucht nach Berlin hat und hier die volle Betätigung seines Talentes haben wird.“75 Wie im vorigen Kernkapitel gezeigt werden konnte, erlebte die österreichische Filmwirtschaft tatsächlich während des Ersten Weltkriegs eine Hochkonjunktur, die bis Anfang der 1920er Jahre anhielt. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass die ausländischen Filmmärkte größer und letztendlich auch anziehender bzw. prestigeträchtiger waren.

72 Vgl. Caneppele: „Carmen Cartellieri (Franziska Ottilia Cartellieri)“, S. 12f. 73 Vgl. Wachtel: „Carmen Cartellieri als Strandnixe“, S. 8. 74 Paul Ollop: „Die Filmvölkerwanderung“, in: Die Filmwelt 2/31–32 (1920), S. 14. 75 Ebd.

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Ob sich die Träume von der großen Karriere im Ausland immer erfüllen ließen, ist freilich eine andere Frage. Grundsätzlich gilt es bei der Auslandstätigkeit der Filmstars zwischen einem fixen Engagement, wie es bei den zuvor genannten österreichischen Stummfilmstars der Fall war, und einem temporären Gastspiel zu unterscheiden. Die Bühne sprach 1925 diesbezüglich von „Austausch-Filmstars“76, da internationale Besetzungen bereits üblich geworden waren. So wurde z.B. der in Österreich gedrehte ROSENKAVALIER (Pan, 1926) fast ausschließlich mit ausländischen SchauspielerInnen besetzt (Michael Bohnen, Huguette Duflos, Jacques Catelain), während Liane Haid in Berlin für den UfA-Film LIEBESFEUER (1925) und Maria Corda in Rom für DIE LETZTEN TAGE VON POMPEJ (1926) vor der Kamera standen.77 Ein Filmgastspiel, das besonders große Aufmerksamkeit von der Wiener Filmpresse erhielt, war jenes von Max Linder. Der berühmte französische Filmkomiker kam 1923/24 nach Wien, um im neueröffneten Vita-Atelier den Film CLOWN AUS LIEBE (Vita, 1924) zu drehen.78 Neben internationalen Stars, die in Wien filmten, und österreichischen Stars, die ins Ausland engagiert wurden, gab es zudem den Fall, dass letztere für ein Filmgastspiel wieder nach Wien zurückkehrten. Das geschah z.B. 1926, als Liane Haid für die Aufnahmen zum deutschen Film DER 79 FESCHE/JUNGE ERZHERZOG (1927) nach Wien kam. Die Internationalität der Stummfilmstars war aber nicht nur gekennzeichnet durch temporäre oder langfristige Engagements im Ausland, sondern auch durch eine regelmäßige Reisetätigkeit. In Mein Film sah man 1926 darin eine Möglichkeit für den Filmkünstler, in persönlichen Kontakt mit dem Publikum zu treten und so eine Bestätigung für die eigene Popularität zu finden:

76 Vgl. Friedrich Porges (Red.): „Austausch-Filmstars“, in: Die Bühne 2/44 (1925), S. 45. 77 Vgl. ebd. 78 Vgl. Paolo Caneppele: „Im ‚Bunten Allerlei‘: Max Linder in Wien“, in: Maske und Kothurn 54/1–2 (2008), S. 93–103. Caneppele macht darauf aufmerksam, dass es sich dabei bereits um Linders zweiten Wien-Aufenthalt handelte. Erstmals kam der französische Filmstar 1912 nach Wien, wo er ein erfolgreiches Gastspiel im Ronacher absolvierte. 79 Vgl. u.a. o.N.: „Liane Haid in Wien“, in: Mein Film 1/35 (1926), S. VII; o.N.: „Liane Haid ist wieder in Wien! Ein herzlicher Empfang am Westbahnhof“, in: Mein Film 1/36 (1926), S. 5; o.N.: „Liane Haids Wiener Aufenthalt. Ein stürmischer Autogrammabend – Empfang im Hotel de France“, in: Mein Film 1/37 (1926), S. VIII.

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„Denn was nützt dem ehrgeizigen Künstler seine internationale Berühmtheit und Popularität, wenn er sie stets nur durch trockene Zahlen bestätigt sieht . . . Wo ist der Künstler, der nicht ehrgeizig wäre? Deswegen reist der Filmstar, um sich den Beifall, der ihm fehlt und der Brot für ihn ist, persönlich einzukassieren. Er reist seinem Filmbild nach – er ‚materialisiert‘ sich und nimmt seinen Beifall für mehrere Jahre vorher und nachher entgegen. Und weil beides allzu natürlich und selbstverständlich ist – das Beifallfordern und das Beifallspenden – deshalb werden die Filmstarreisen zu einer ständigen Institution werden, wie etwa die Gastspielreisen der prominenten Bühnenkünstler . . .“

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Was hier angesprochen wurde, ist die Kompensation für die in Kapitel 5.3.3 besprochene, fehlende unmittelbare Resonanz des Publikums, wie sie im Theater üblich ist. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, bürgerte sich allmählich eine „Filmvölkerwanderung“81 ein, ähnlich den Gastspielreisen der VirtuosInnen im 19. Jahrhundert und der Jahrhundertwende. Das Ziel dieser Reisen war vielfältig. Manche Stars hielten Vorträge oder absolvierten ein Bühnengastspiel, andere kamen zu Autogrammstunden oder beehrten das Kinopublikum mit ihrer Anwesenheit bei einer Filmvorführung.82 Beliebt waren auch die sogenannten „Bahnhofsempfänge“, bei denen die lokale Presse und zahlreiche Fans die Ankunft des Zuges, mit dem ein Star anreiste, erwarteten. Mein Film bemerkte dazu: „Die Bahnhofsempfänge der reisenden Filmstars sind auch nichts anderes als ‚Bühnentürl‘-Ovationen: der gefeierte Liebling tritt aus der Coupétür mitten ins Leben, mitten unter uns und der Beifall muß ja umso stärker sein als beim Bühnenschauspieler, den man allabendlich ‚im Leben‘ sehen kann.“

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Liane Haid wurde z.B. bei ihrer Ankunft am Wiener Westbahnhof anlässlich der zuvor erwähnten Dreharbeiten zu DER FESCHE/JUNGE ERZHERZOG frenetisch begrüßt und gefeiert (Abbildung 26). Mein Film titelte: „Liane Haid ist wieder in Wien! Ein herzlicher Empfang am Westbahnhof“84. Wie der Bericht zu Liane

80 O.N.: „Warum Filmstars reisen . . .“, in: Mein Film 1/20 (1926), S. 7f. 81 Vgl. Ollop: „Die Filmvölkerwanderung“, S. 14. 82 Vgl. ebd. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele, deren ausführliche Behandlung jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. An dieser Stelle sollen deshalb nur ein paar internationale Filmstars genannt werden, die für Bühnen- und Filmgastspiele sowie für Vorträge nach Wien kamen: Asta Nielsen, Henny Porten, Max Linder, Pat & Patachon, Gunnar Tolnaes, Paul Richter, Conrad Veidt, Ossi Oswalda, Jackie Coogan. 83 O.N.: „Warum Filmstars reisen . . .“, S. 7. 84 O.N.: „Liane Haid ist wieder in Wien!“, S. 5.

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Haids Ankunft in Wien zeigt, war die Reisetätigkeit der Stars nicht zuletzt auch eine Vermarktungsstrategie, um das Interesse an einem Film und den mitwirkenden DarstellerInnen zu wecken. Zusätzlich zur nationalen wurde so auch die internationale Vermarktung angekurbelt, wodurch die immer höheren Herstellungskosten für einen Film hereingebracht werden konnten.85 Abbildung 26: Empfang für Liane Haid am Wiener Westbahnhof anlässlich der Dreharbeiten zu DER FESCHE ERZHERZOG

Quelle: Mein Film, 1926 (UB Wien)

85 Vgl. o.N.: „Das Weltbürgertum des Filmschauspielers“, in: Die Bühne 3/96 (1926), S. 38f., hier S. 38.

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7.2.4 Differenzierung Die Popularität der Stummfilmstars beruhte, wie schon jene der Theaterstars,86 auf Publikumsinteresse, Medienpräsenz und Internationalität. Hinzu kam aber noch ein weiterer Aspekt, der schon mehrfach in der vorliegenden Arbeit angesprochen worden ist. Denn auch die Filmstars mussten die Kardinalanforderungen87 (vgl. Kernkapitel 5), die an StummfilmschauspielerInnen im Allgemeinen gestellt wurden, erfüllen. Der Unterschied war jedoch, dass die Stars diese in besonderer Weise erfüllen sollten: durch ein „[v]orteilhaftes Äußeres“, eine „virtuose Mimik“ oder ihre Individualität.88 Der Filmstar musste eben nicht nur sein Handwerk beherrschen, sondern sich auch durch eine Besonderheit im Hinblick auf sein Aussehen, sein darstellerisches Können und/oder seine Persönlichkeit von der Masse der unbekannten StummfilmdarstellerInnen abheben können. Schon für die TheaterschauspielerInnen des 18. und 19. Jahrhunderts ging es darum, einen möglichst hohen Status im Theaterbetrieb zu erlangen. Dieser war aber nicht alleine vom darstellerischen Können, sondern auch vom jeweiligen Rollenfach abhängig. Letzteres bestimmte die zu spielenden Rollen und die benötigten Kostüme sowie die Position innerhalb des Ensembles, das gesellschaftliche Ansehen und die Gage. Erste Fächer (z.B. jugendlicher Held, Liebhaber, Bonvivant; Heldenmutter, Liebhaberin, komische Alte) waren darum besonders begehrt.89 Auch der Stummfilm hatte die Tradition des Rollenfaches übernommen, allerdings war hier zumeist vom „Typ“ die Rede. Wie das Rollenfach im Theater umfasste der Filmtyp ein bestimmtes Rollenrepertoire, das je nach Geschlecht, Alter, Aussehen und Nationalität besonders geeignet für einen Darsteller schien. Die Karriere beim Film war zwar, vor allem in finanzieller Hinsicht, auch davon geprägt, ob man als Haupt-, Neben- oder Episodendarsteller bzw. als Komparse oder Statist eingesetzt wurde (vgl. Kapitel 6.3.2), dennoch bestimmte der Filmtyp die zu spielenden Rollen und damit die Aufstiegschancen. Nicht ohne Grund wurde bei der Ausschreibung zu dem von Mein Film initiierten Archiv

86 Die Popularität der Filmstars erreichte allerdings aufgrund der „weitreichende[n] Verbreitungsmöglichkeit“ des Films bisher ungekannte Ausmaße. Vgl. Otto Fröhlich: „Filmstars“, in: Die Filmwelt 4/9 (1922), S. 7f., hier S. 7. 87 Ebd, S. 8. 88 Ebd. 89 Vgl. Anke Detken und Anja Schonlau: „Das Rollenfach – Definition, Geschichte und Theorie“, in: Rollenfach und Drama, hg. von Anke Detken und Anja Schonlau. Tübingen: Narr, 2014 (= Forum Modernes Theater 42), S. 7–30, hier S. 13f. u. 16; Helleis: Faszination Schauspielerin, S. 75f.

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der Filmaspiranten danach gefragt, wie man aussah und welches Rollenfach man gerne übernehmen wollte (vgl. Kapitel 6.1.2).90 Doch auch wenn der Filmtyp eine Differenzierung möglich machte, stand dieser, wie das Rollenfach im Theater,91 ebenso wegen seiner Schablonenhaftigkeit unter Kritik. Speziell die Filmbörse wurde dafür kritisiert, dass sie nicht nach Charakteren, sondern ausschließlich nach Stereotypen wie der Mutter, dem Seemann, dem Mörder, dem Diplomaten, dem Lebemann, der Dirne oder der Herzogin Ausschau halte. Diese Schematisierungen seien aber kein Garant für eine Filmstarkarriere, es fehle der Raum für Originalität und Innovation.92 Das sei besonders bei den Filmkomikern evident. Zum Beispiel suchte Mein Film 1926 nach dem neuen Filmkomiker-Typ und fand nur „mehr oder minder gute Kopien bekannter Komiker“93. Filmreporter Hans Pebal empfahl deshalb bereits in der Ausschreibung, dass die KandidatInnen ihren eigenen Weg gehen und ihre Eigenart finden sollten, um kein Abklatsch von erfolgreichen Filmkomikern (wie Charlie Chaplin, Buster Keaton oder Harold Lloyd) zu werden: „[...] nehmen Sie nochmals alle zur Kenntnis, daß Sie etwas Neues, ganz Eigenartiges bringen sollen. Einen neuen Typ, ohne Imitation eines der bekannten Filmkomiker. Sie sollen eine ganz neue Marke schaffen, die alles Bisherige an Originalität übertrumpft. [...] Wie Sie wissen, haben alle bekannten Komiker ihre Eigenart, durch die sie berühmt geworden sind, also zeigen Sie etwas noch nicht Dagewesenes.“94

In Mein Film plädierte man darum dafür, dass der Film im Gegensatz zum Theater eine freiere Rollengestaltung ermöglichen sollte. Der Stummfilmschauspieler müsse wandlungsfähiger sein, weshalb das Rollenfach im Film an Bedeutung verlieren müsse.95 Diese Beobachtung machte Viktor Kutschera bereits 1919. Seiner Meinung nach sei „durch die Aufhebung des Wortes das Rollenfach des Schauspielers weniger genau umrissen“96. So würden sich z.B. Heldendarsteller

90 Vgl. o.N.: „Ein Archiv der Filmaspiranten“, S. 2. 91 Vgl. Detken und Schonlau: „Das Rollenfach“, S. 20. 92 Vgl. o.N.: „Filmtypen aus aller Welt“, in: Mein Film 2/54 (1927), S. 4f., hier S. 4. 93 Ebd. 94 Hans Pebal: „Was muß der neue Filmkomiker bringen?“, in: Mein Film 1/16 (1926), S. 6. 95 Vgl. H[ugo] R[appart]: „Verwandlungsfähigkeit ist die Hauptsache“, in: Mein Film 1/18 (1926), S. 7f. 96 Kutschera: „Gedanken über den Film“, S. 4.

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beim Film auch für Charakterrollen eignen.97 Victor E. Pordes behauptete diesbezüglich sogar, dass es das Rollenfach im Film gar nicht mehr gebe, weil „das Leben selbst diese seichte Schematisierung“ nicht kenne.98 Schaut man sich die von den österreichischen Stummfilmstars verkörperten Filmtypen an, so fällt auf, dass hier jedoch weniger Innovation als Altbewährtes eine Rolle spielte. Tabelle 12 führt drei Beispiele weiblicher Filmtypen an, die frau im österreichischen Stummfilm (gemäß den Angaben in den zeitgenössischen Periodika, vgl. Anhang C) klar als „gut“ oder „böse“ charakterisierten. Tabelle 12: Beispiele für Filmtypen weiblicher Wiener Stummfilmstars Wiener Filmstars

Filmtyp(en)

Cartellieri, Carmen

Carmen, Verführerin, Sirene

Corda, Maria

Teufelsweib

Haid, Liane

Süßes Wiener Mädel

Auch Mein Film stellte, trotz seines Plädoyers gegen eine Fortführung des Rollenfachs beim Film, 1926/27 punktuell Filmtypen vor, die stereotype Eigenschaften aufwiesen und entweder der guten oder der bösen Seite zugeordnet wurden. Das Böse sei z.B. vertreten durch den Bösewicht, dessen Hässlichkeit sich allerdings nicht immer äußerlich zeigen müsse, und der Sirene, die Gutes schaffen wolle, aber ihre Mitmenschen dennoch ins Verderben führe.99 Auf der guten Seite stehe hingegen der Bonvivant, der gut aussehende romantische Held,100 und das süße Wiener Mädel. Letzteres bezeichnete eine zartverträumte Mädchengestalt, blond und blauäugig, mit Grübchen im Gesicht und einem guten Herzen. Mein Film kritisierte allerdings, dass dieser Filmtyp nur mehr selten von „echten Wienerinnen“ gespielt werde, da diese in der Realität kaum noch zu finden seien. Eine Ausnahme stelle Liane Haid dar, die als Einzige neben den ausländischen „Pseudo-Wienerinnen“ bestehen könne.101

97

Vgl. ebd.

98

Victor E. Pordes: Das Lichtspiel, S. 92f.

99

Vgl. o.N.: „Der Filmbösewicht“, in: Mein Film 2/89 (1927), S. 5f.

100 Vgl. ebd. 101 Vgl. Hugo [Rappart]: „Das ist das süße Mädel . . . !“, in: Mein Film 2/103 (1927), S. 5f.

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Differenzieren konnte man sich von seinen SchauspielkollegInnen aber nicht nur durch sein Aussehen und das Rollenrepertoire, sondern auch durch sein Verhalten. In Bezug auf die „persönliche Eigenart“102 des Filmstars stellt die Filmdiva gewiss einen Sonderfall dar. Wie den Virtuosinnen des 19. Jahrhunderts und der Jahrhundertwende sagte man der Stummfilmdiva nach, dass sie sich in den Vordergrund dränge und keine Konkurrenz dulde. Josef Roth (1894–1939), österreichischer Schriftsteller und Feuilletonist, beschrieb in der Filmwelt von 1919 das zeitgenössische Image der Filmdiva so: Sie sei nicht nur eine überaus hübsche Erscheinung (groß, schlank, blond oder dunkelhaarig), sondern habe auch einen starken Charakter. Sie lasse sich nichts gefallen und lebe selbstbestimmt, indem sie sich ihre Rollen selbst aussuche. Sie beziehe Riesengagen, sei aber eine unzuverlässige und launenhafte Kollegin, die andere – vor allem Konkurrentinnen – tyrannisiere, weil sie alleine im Rampenlicht stehen wolle.103 Roth war sich bewusst, dass das von ihm gezeichnete Bild mit Klischees spielte, und beendete seine Skizze mit den Worten: „Man beginnt überhaupt sehr leicht in Klatsch zu verfallen, wenn man von einer Kinodiva spricht. Weshalb ich aufhöre.“104 Auch Victor E. Pordes äußerte sich zu diesem Thema und prangerte die Filmdiva 1921 in der Komödie als das Übel des Filmstarwesens105 an. Sie sei der Grund, warum das Starwesen nichts Positives für den (künstlerischen) Film bedeute. Sie sei eine Ware, die in extensiver Weise angepriesen und deren Urteil überbewertet werde. Dazu kämen noch ihre Allüren, die eine Filmproduktion erschweren würden.106 Letzterem näherte sich die Filmwelt 1922 auf humorvolle Weise, indem sie die verschiedenen Diventypen – den typischen Star, die sentimentale Diva, die ökonomische Diva, die ambitionierte Diva – vorstellte und erläuterte, wie der genervte Filmregisseur dem jeweils typischen Verhaltensmuster begegnen könne. Zum Beispiel bringe man die typische, auf ihren Starstatus bedachte Diva nur so zum Spielen, indem man ihr mit ihrer Konkurrentin drohe. Die ökonomische Diva lasse sich hingegen mit einer (nicht einzuhaltenden) Honorarerhöhung ködern. Nur einen Diventyp gebe es laut dem Verfasser nicht:

102 O.N.: „Der Zauber des Kino-Stars“, in: Neue Kino-Rundschau 4/195 (1920), S. 6f., hier S. 6. 103 Vgl. Josef Roth: „Die Diva“, in: Die Filmwelt 1/10 (1919), S. 6f. 104 Ebd., S. 6. 105 Generell war Pordes kein Befürworter des Filmstarwesens, das seiner Meinung nach primär kaufmännischen Zielen diene und daher dem künstlerischen Ansehen des Films schade. Vgl. Pordes: Das Lichtspiel, S. 60–62. 106 Vgl. Victor E. Pordes: „Die Filmdiva“, in: Komödie 2/3 (1921), S. 17.

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diejenige Filmdiva, die mittels einer einfachen Arbeitsaufforderung zum Spielen gebracht werden könne.107 Vonseiten der Filmproduktion wurde die Filmdiva folglich gefürchtet, weil mit dem Begriff ein divenhaftes Verhalten, wie es Joseph Roth beschrieben hatte, assoziiert wurde, das den Ablauf und Fortgang der Filmaufnahmen störte. Man könnte die Diva aber auch positiver definieren: als einen weiblichen Filmstar, der ähnlich wie „die Duse“ oder Sarah Bernhardt, mit ihrer darstellerischen Leistung und ihrer Selbstinszenierung das On- und Off-Screen-Image betreffend nicht nur aus der Masse der FilmdarstellerInnen herausragen, sondern sich ebenso von anderen Stars abgrenzen wollte. Für Joseph Roth lag die Bedeutung der Diva deshalb darin, dass sie „die Achse, um die sich eine ganze kleine große Welt von Filmkunst [...] und Kitsch [...]“108 drehe, verkörpere. Fest steht, dass ein Star sich – auf welche Art auch immer – von den meisten seiner BerufskollegInnen unterscheidet. Ob es sich bei den Stummfilmstars dabei um ein Differenzierungsmerkmal im Bereich Aussehen, darstellerisches Können, Rollenfach und/oder der „persönlichen Eigenart“ handelte, war von Fall zu Fall verschieden und muss noch im Detail erforscht werden. Zusammenfassend lässt sich dennoch sagen, dass die Merkmale, die Sabine Lenk in Bezug auf die französischen Stummfilmstars der frühen Kinematografie feststellen konnte, weitestgehend auch für die österreichischen Stummfilmstars bis 1930 belegbar sind. Davon ausgehend und basierend auf der inhaltlichen Auswertung der österreichischen Stummfilmperiodika konnten insgesamt vier Grundmerkmale festgestellt werden: • Ein großes Interesse des Kinopublikums an einem Filmschauspieler/einer

Filmschauspielerin, das sich z.B. in Fanbriefen, Autogrammwünschen und dem Erwerb von Fanartikeln äußerte. • Eine hohe Medienpräsenz, die gekennzeichnet war durch eine regelmäßige Berichterstattung in den zeitgenössischen Printmedien, häufige Engagements als (Haupt-)DarstellerIn und eine zusätzliche Betätigung in anderen Medien wie dem Theater. • Eine Karriere, die nicht auf die nationale Filmindustrie beschränkt blieb, sondern durch punktuelle oder langfristige Engagements sowie Filmgastspiele im Ausland, besonders in Berlin und Hollywood, bestimmt war.

107 Vgl. Georg Klaren: „Wie man die Diva zum Spielen bringt“, in: Die Filmwelt 4/13 (1922), S. 8f. 108 Roth: „Die Diva“, S. 6.

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• Ein differenzierendes Attribut, das den Filmdarsteller aus der Masse seiner

BerufskollegInnen heraushob, wie ein außergewöhnliches Äußeres, ein markanter Spielstil, ein spezifischer Filmtyp oder eine persönliche Eigenart. Zu Letzterer können auch die Starallüren der Diva gezählt werden. Einen Unterschied zu Lenks Forschungsergebnissen stellt allerdings die Tatsache dar, dass die österreichischen Filmstars, deren Karriere zumeist nach dem Ersten Weltkrieg begonnen hatte, namentlich bekannt waren. Zudem wurden sie als (Privat-)Personen wahrgenommen – auch wenn sich, wie im Fall von Liane Haid, das inner- und außerfilmische Image überschneiden konnte. D.h., der Stummfilmstar der 1920er Jahre wurde mit seinem Filmtyp gleichgesetzt, der wiederum gleichgesetzt wurde mit dem (privaten) Charakter des Schauspielers. Darüber hinaus beruhte die Popularität des Stummfilmstars in maßgeblicher Hinsicht auf einer externen Medienbegleitung, wie die vielen Beispiele aus den österreichischen Stummfilmperiodika zeigen konnten. Während die letzten beiden Abschnitte die Ursprünge des Filmstarwesens im europäischen Kontext und die gemeinsamen Merkmale österreichischer Stummfilmstars untersucht haben, widmet sich der folgende Abschnitt nun den Realitäten des Filmstardaseins. Anhand eines konkreten Beispiels, dem Prozess zwischen Liane Haid und der Wiener Kunstfilm, soll die reale Arbeitssituation des ersten österreichischen Filmsterns im Kontext der Wiener Stummfilmlandschaft beleuchtet werden.

7.3 DER FALL LIANE HAID VS. DIE WIENER KUNSTFILM: ZUR ARBEITSSITUATION DES ERSTEN ÖSTERREICHISCHEN STUMMFILMSTARS Bereits 1966 schreibt Walter Fritz in seiner Dissertation: „An Hand von Gerichtssaalberichten anläßlich von Verhandlungen über die Klage von Liane Haid gegen die Wiener Kunstfilm können wir recht gut einiges über den neuen Stand der Filmschauspieler erfahren.“109 Trotz dieser Tatsache hat sich seither niemand näher mit dem Prozess zwischen Österreichs erstem Filmstar und den Pionieren der österreichischen (Spiel-)Filmproduktion beschäftigt – und das, obwohl die Prozessinhalte und Aussagen der Beteiligten Schlüsselinformationen zur Erforschung der Arbeitssituation von StummfilmschauspielerInnen und -stars in Wien enthalten. Besonders in der zeitgenössischen Fach- und Tagespresse wurde die

109 Fritz: Entwicklungsgeschichte des österreichischen Spielfilms, S. 63.

7. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ II | 393

„sowohl durch die Persönlichkeit der Beklagten, als auch durch die Begleitumstände höchst interessante, einen Einblick in die Filmwelt gestattende Klage“110 ausführlich besprochen. Von der Berichterstattung erhoffte man sich einen positiven Effekt auf die öffentliche Wahrnehmung von Filmstars, wie z.B. in der Neuen Freien Presse vom 5. Mai 1918 zu lesen ist: „Der Prozeß war in mancher Beziehung aufschlußreich und diente auch dazu, die Oeffentlichkeit darüber aufzuklären, daß die im Umlauf befindlichen Erzählungen von phantastischen Honoraren, die den Filmlieblingen gezahlt werden, jedenfalls in Oesterreich in das Reich der Fabel gehören.“

111

Neben der Neuen Freien Presse berichteten auch die Filmwoche, der Kinobesitzer sowie das Fremden-Blatt, das Neue Wiener Journal und das Wiener Montags-Journal über die Prozessinhalte und den Prozessverlauf im Mai 1918. Im Rahmen dieses Abschnitts sollen nun die wichtigsten Ereignisse rund um den Liane-Haid-Prozess und die zentralsten Aussagen zur Arbeitssituation von Österreichs erstem Filmstar herausgearbeitet werden. Gleichzeitig wird die detaillierte Auseinandersetzung mit den Gerichtssaalberichten auch Irrtümer, die von der bisherigen Forschung tradiert worden sind, berichtigen können. Bislang war es allerdings nicht möglich, die Gerichtsakten und Originalverträge aus dem Jahr 1918 einzusehen. Sowohl in den Beständen des Filmarchiv Austria, das den Nachlass von Liane Haid verwahrt, als auch des Wiener Stadtund Landesarchivs konnten keine der genannten Dokumente gefunden werden. Es ist daher anzunehmen, dass diese nicht mehr existieren und im Zuge der wechselhaften österreichischen Geschichte verschwunden sind bzw. vernichtet wurden (vgl. Abschnitt 8.3). Umso wichtiger ist es, die in diesem Fall einzigen Zeitzeugen – die zeitgenössischen Presseberichte – zu sichten und so Daten zu sichern, die ansonsten nicht nur verloren wären, sondern die aufgrund der realen Quellenlage nun auch am nächsten zu den tatsächlichen Ereignissen stehen. 7.3.1 Abriss des Prozessverlaufs Zwei Daten zum Liane-Haid-Prozess können als gesichert gelten: der 4. Mai 1918 (Verhandlungsauftakt) und der 22. Mai 1918 (Verhandlungsende, Urteilsverkündung). Beide Male fand der Gerichtsprozess am Bezirksgericht Josefstadt

110 O.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid“, S. [7]. 111 O.N.: „Wien, 4. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, in: Neue Freie Presse 19286, 5. Mai 1918, S. 13.

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unter dem Vorsitz von Landesgerichtsrat Dr. Drawe statt. Sandra Lenk behauptet in ihrer Diplomarbeit über Liane Haid zwar, dass der Prozess am Bezirksgericht Neubaugasse stattgefunden habe,112 was sich aber aufgrund der Tatsache, dass das Bezirksgericht Josefstadt in verschiedenen Ausgaben der Fach- und Tagespresse als Verhandlungsort genannt wurde (und Lenks Quelle ungenannt bleibt), als Irrtum erwiesen hat. Den zeitgenössischen Berichten ist darüber hinaus Folgendes zu den Gründen, warum es zu einem Prozess zwischen Liane Haid und der Wiener Kunstfilm gekommen war, zu entnehmen: Die Darstellerin hatte 1915 einen dreijährigen Vertrag von der Wiener Kunstfilm bekommen,113 der ihr ein fixes und jährlich steigendes Monatsgehalt von 200 bis 400 Kronen garantierte. Dafür musste sie ausschließlich für Aufnahmen der besagten Filmfirma zur Verfügung stehen und durfte keine Angebote von Konkurrenzunternehmen annehmen. Aus diesem Grund hatte sie auch Meldepflicht bei der Wiener Kunstfilm, in deren Büro sie an Sonn- und Feiertagen vorstellig werden musste. Das Problem war nun aber, dass Liane Haid aufgrund einer (angeblich vorgeschobenen) Erkrankung nicht mehr zu den Filmaufnahmen erschien und damit die neuesten Projekte der Wiener Kunstfilm, zu deren wichtigstem Aushängeschild sie bis 1918 geworden war, gefährdete. Die Filmgesellschaft sah sich darum genötigt, die Einhaltung des „Kontraktes“ einzuklagen, um die Mitwirkung Liane Haids bei zukünftigen Projekten und beim Nachdreh von Szenen aktueller Filme zu erzwingen. Auffällig daran ist, dass nicht Liane Haid den Prozess initiierte, wie es u.a. bei Walter Fritz zu lesen ist,114 sondern ihr die Wiener Kunstfilm zuvorkam. Die Darstellerin reagierte darauf mit einer Widerklage, in der sie die Auflösung der Vertragsverhältnisse forderte, um so nicht nur einer Strafe, sondern auch den gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen bei der Wiener Kunstfilm entgehen zu können. Zu den genauen Ereignissen liest man in der Filmwoche: „Nach der eingebrachten Klage, der man nicht nur in Fachkreisen mit höchstem Interesse entgegensah, will Fräulein Liane Haid, den [...] laufenden Vertrag ohne genügenden Grund lösen, zu welchem Zwecke die Geklagte einen Lungenspitzenkatarrh vorschützt,

112 Vgl. Lenk: Österreichs Erster Filmstar, S. 79. 113 Laut Sandra Lenk war dies der erste langfristige Vertrag mit einem Fixgehalt für eine Filmschauspielerin in Österreich. Vgl. ebd., S. 74. Gültig war der Vertrag vom 01.01.1916 bis zum 01.01.1919. Zu einem späteren Zeitpunkt soll der Vertrag für drei weitere Jahre verlängert worden sein. Vgl. o.N.: „Der Prozeß des Fräuleins Liane Haid“, in: Der Kinobesitzer 2/38 (1918), S. 5f., hier S. 5. 114 Vgl. Fritz: Entwicklungsgeschichte des österreichischen Spielfilms, S. 63.

7. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ II | 395

den sie sich angeblich im Dienste zugezogen haben sollte. Entgegen ihrer Verpflichtung sei sie einer Nachaufnahme des Films ‚So fallen die Lose des Lebens‘ [1918], bei der sie mitwirken sollte, grundlos ferne geblieben, angeblich wegen ihres Lungenspitzenkatarrhs, während sie sich in Wirklichkeit zur selben Zeit auf dem Eislaufplatz tummelte und sich kurze Zeit darauf, ohne der Firma eine Meldung zu erstatten, in das Sanatorium Gmunden begab.“

115

Liane Haid berief sich in ihrer Forderung nach der Auflösung des Vertrages auf § 879 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, wo es in der zeitgenössischen Fassung heißt: „Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.“116 Weiters stützte Haid sich auf Punkt 4 des Paragraphen117 und gab die dort angeführten Gründe für die Nichtigerklärung von Verträgen zum Teil wortwörtlich wieder: „Ich bin insbesondere nicht verpflichtet, den Vertrag weiter einzuhalten, [...] weil die Kunstfilm meine Zwangslage, geschäftliche Unerfahrenheit und Gemütsaufregung bei Eingehen des Vertrages ausgenützt hat[,] um sich für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen, geben und gewährleisten zu lassen, deren Vermögenswert im auffallenden Mißverhältnis zu meiner Leistung steht.“118

Im Laufe des Gerichtsprozesses versuchten nun beide Parteien ihre Standpunkte zu rechtfertigen und das Gericht von ihren Angaben zu überzeugen. Die Wiener Kunstfilm, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Paul Klemperer (vgl. Kapitel 3.3.4), beharrte auf die Einhaltung des Vertrages und machte deshalb den Gesundheitszustand, die Arbeitsmoral und auch die künstlerische Bedeutung der Beklagten zu den zentralen Prozessinhalten. Liane Haid, aufgrund ihrer Minderjährigkeit119 vertreten durch ihren Vater bzw. dessen Rechtsanwälte, pochte jedoch auf Anerkennung ihrer bei Filmaufnahmen für die Wiener Kunstfilm zuge-

115 O.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid“, S. [7]. Die Kursivsetzungen wurden von der Verfasserin hinzugefügt und sollen zeigen, wie wertend die Filmwoche, die sich hier auf die Seite der Wiener Kunstfilm als Vertreterin der österreichischen Filmindustrie stellte, über den Fall berichtete. 116 § 879 ABGB (RGBl 1916/69). 117 Ebd. 118 O.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid“, S. 12. 119 Liane Haid war zum Zeitpunkt der Verhandlungen 22 Jahre alt. Der Beginn der Volljährigkeit lag in Österreich 1918 jedoch noch bei 24 Jahren. Vgl. § 21 ABGB (JGS 1811/946).

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zogenen Lungenerkrankung und damit einhergehend auf die Entbindung aus den Verpflichtungen gegenüber der Filmgesellschaft. 7.3.2 Liane Haid zu ihrem Engagement bei der Wiener Kunstfilm In ihrer Ausgabe vom 4. Mai 1918 dokumentierte die Filmwoche den Prozess gegen Liane Haid auf insgesamt vier Seiten, was für damalige Verhältnisse überdurchschnittlich lang war und als Hinweis auf die Bedeutung, die dem Prozess von der Filmpresse und -branche beigemessen wurde, verstanden werden kann. Besonders viel Raum wurde der Aussage von Liane Haid gegeben, die im Kontext dieser Arbeit in vier relevante Themengebiete unterteilt wird: (1) gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen, (2) Höhe und Angemessenheit der Gage, (3) Ausgaben eines Kinostars, (4) fehlende künstlerische Anerkennung. Im Folgenden soll auf jeden der genannten Themenbereiche im Detail eingegangen werden, wobei auch vertiefende Informationen aus anderen zeitgenössischen und sekundären Quellen Beachtung finden werden. (1) Gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen: Ein zentraler Punkt in Liane Haids Aussage war, dass sie der Wiener Kunstfilm die Schuld an ihrer schweren Lungenerkrankung zuwies. Die Arbeitsbedingungen bei Filmaufnahmen hätten sie nicht nur krank gemacht, sondern durch den Druck seitens der Direktion habe sie auch keine Zeit gehabt, sich auszukurieren. Ihre KollegInnen könnten bezeugen, dass die Filmateliers der Kunstfilm im Winter ungenügend beheizt und im Sommer unerträglich heiß gewesen seien. Tatsächlich bestätigten sowohl Hubert Marischka (1882–1959) als auch Thea Rosenquist (1896–1959), dass die bisherigen Dreharbeiten in kalten bzw. mangelhaft beheizten Ateliers stattgefunden hatten. Thea Rosenquist, die in der Forschungsliteratur als Nachfolgerin von Liane Haid gilt, bezeugte sogar, dass es sehr oft vorgekommen sei, dass sich die SchauspielerInnen deshalb erkältet hätten.120 Liane Haid selbst skizzierte den Verlauf ihrer Erkrankung(en) folgendermaßen: „In Ausübung meines Berufes (bei dem Film ‚Lebenswogen‘ [1917]) habe ich mich derart erkältet, daß ich an einer Rippenfellentzündung mit Fieber zu Bette liegen mußte. Trotzdem dies der Firma mitgeteilt wurde, hat sie täglich ihren Diener zu mir entsendet mit der strikten Aufforderung, trotz meiner Erkrankung im Atelier zu erscheinen und bei den weiteren Aufnahmen mitzuwirken. Diesem Druck folgend und aus besonderem Pflichteifer ging ich, sichtlich fiebernd, wankend und mit bleichem Gesicht an die Arbeit. Das Atelier

120 Vgl. o.N.: „Wien, 4. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, S. 13.

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war völlig ungeheizt, außerdem ganz von Zigarettenrauch erfüllt, so daß man [...] die Fenster aufmachen mußte. Ich mußte damals eine Aufnahme im Ballkleide, vor Kälte zitternd, machen. Trotzdem mein Zustand täglich schlechter wurde und ich kolossal abnahm, mußte ich noch im Film ‚Die schwarze Hand‘ [1917] mitwirken, bis ich schließlich zusammenbrach. Die Aerzte konstatierten, daß infolge des erzwungenen Aufstehens der Lungenspitzenkatarrh entstanden ist.“

121

Haid nannte zwei Krankheiten, die sie sich im Rahmen von Filmaufnahmen im Jahr 1917 zugezogen haben soll: eine Rippenfellentzündung (Pleuritis) und einen Lungenspitzenkatarrh (beginnende Tuberkulose). Schlägt man beide Termini in einem medizinischen Fachlexikon nach, erhält man dort aber die Information, dass sowohl die Tuberkulose als häufig auch die Pleuritis Infektionskrankheiten sind,122 die man sich nicht (ausschließlich) in einer zu kalten Umgebung zuzieht. Zudem war die Tuberkulose in Wien zur Zeit des Ersten Weltkriegs eine der häufigsten Erkrankungen (und Todesursachen). Im zeitgenössischen Kontext wurde darum auch von der „Wiener Krankheit“ gesprochen,123 die sich aufgrund von Mangelernährung und mangelnden hygienischen Zuständen rasch verbreitete. Man muss folglich davon ausgehen, dass die von Liane Haid genannten Krankheiten weniger durch die Filmarbeit in kalten Ateliers und bei kühlem Wetter verursacht wurden, sondern eher als Folge des Krieges gesehen werden müssen. Doch auch wenn der Zusammenhang zwischen Haids Erkrankung und den Arbeitsbedingungen bei der Wiener Kunstfilm nicht nachweisbar ist, dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass die Schauspielerin wirklich krank war. Das bestätigten zumindest zwei Ärzte: Medizinalrat Dr. Ast und Primarius Dr. Wechsberg. Ersterer hatte Liane Haid im Jänner 1918 behandelt und riet ihr bis September desselben Jahres von jeglicher körperlicher Bewegung, besonders von der anstrengenden Mitwirkung bei Filmaufnahmen, ab.124 Auch Dr. Wechs-

121 O.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid“, S. 25. 122 Vgl. Willibald Pschyrembel (Begr.): Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter, 2014 (Orig.: 1894), S. 1686 u. 2172–2174. 123 Vgl. Wolfgang Maderthaner: „Von der Zeit um 1860 bis zum Jahr 1945“, in: Wien. Geschichte einer Stadt, Bd. 3: Von 1790 bis zur Gegenwart, hg. von Peter Csendes und Ferdinand Opll. Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2006, S. 175–544, hier S. 332. 124 Vgl. o.N.: „Ein Filmprozeß“, in: Fremden-Blatt 120, 5. Mai 1918, S. 10; o.N.: „Kinostar und Filmgesellschaft. Filmehren, Filmgagen und Filmleiden. (Originalbericht des ‚Neuen Wiener Journals‘.)“, in: Neues Wiener Journal 8801, 5. Mai 1918, S. 12; o.N.: „Wien, 4. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, S. 13.

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berg, der ein ärztliches Gutachten erstellt hatte, bestätigte eine schwere Lungenerkrankung und erklärte, dass eine einjährige Kur in einem Lungensanatorium nötig sei. Erst wenn das Fieber verschwinde, könne Haid wieder als Filmschauspielerin tätig sein, wobei sie noch unter regelmäßiger, ärztlicher Kontrolle stehen müsse.125 Über die gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen hinaus prangerte Liane Haid auch ihre Mitwirkung bei lebensgefährlichen Filmaufnahmen an. Schon bei ihrem Debütfilm MIT HERZ UND HAND FÜRS VATERLAND (1915) soll sie sich eine Verletzung zugezogen haben. Angeblich musste sie sich an einem Seil von der Ruine Rauenstein herunterlassen, während unter ihr ein Feuer loderte (vgl. Kapitel 5.3.5).126 Inwiefern sie sich dabei verletzt hatte, ließ die Schauspielerin jedoch offen. Ihr Filmpartner Hubert Marischka bestätigte ihre Teilnahme an gefährlichen Szenen und an besagter Filmaufnahme,127 was von der Beklagten allerdings wieder relativiert wurde: „Fräulein Haid erklärte, daß sie zu dieser Produktion [...] von der Gesellschaft nicht gezwungen wurde, allein daß sie aus künstlerischem Ehrgeiz auch dieses Wagestück unternommen habe.“128 (2) Höhe und Angemessenheit der Gage: Über Liane Haids Einkommen in ihrer Zeit als Schauspielerin bei der Wiener Kunstfilm ist schon einiges geschrieben worden. Die meisten AutorInnen scheinen die Forschungsergebnisse aber von Walter Fritz übernommen zu haben, ohne die entsprechenden Angaben zu überprüfen. Denn wenn man die diesbezüglichen Beiträge in den Fachzeitschriften von 1918 durcharbeitet, findet man nicht nur detailliertere Informationen, als es bei Fritz der Fall ist, sondern stößt auch auf einen Irrtum betreffend die Honorare von Haids KollegInnen. Ziel der folgenden Überlegungen ist es daher, Haids Angaben zu ihrer monatlichen Gage bei der Wiener Kunstfilm im zeitgenössischen Kontext einzuordnen. In der Filmwoche findet man dazu die detailliertesten Angaben,129 die zugunsten der Übersichtlichkeit in einer Tabelle zusammengefasst sind (vgl. Tabelle 13).

125 Vgl. o.N.: „Der Prozeß des Fräuleins Liane Haid“, S. 5; o.N.: „Wien, 22. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, in: Neue Freie Presse 19303, 23. Mai 1918, S. 10. 126 Vgl. o.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid“, S. 25. 127 Vgl. o.N.: „Ein Filmprozeß“, S. 10; o.N.: „Kinostar und Filmgesellschaft. Filmehren, Filmgagen und Filmleiden“, S. 13; o.N.: „Wien, 4. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, S. 13. 128 Ebd. 129 Vgl. o.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid“, S. 12.

7. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ II | 399

Tabelle 13: Liane Haids monatliche Gage bei der Wiener Kunstfilm (1916–1918) Gage in Kronen

Werte in Euro130

1916

K 200

EUR 326,35

1917

K 250–300

EUR 205,16–246,20

1918

K 350–400

EUR 175,41–200,47

Um nun ermitteln zu können, ob Liane Haid die Höchstgage eines Stummfilmstars in Österreich bezog oder doch ein Dasein unter dem Existenzminimum fristen musste, gibt es folgende Möglichkeiten: den Vergleich mit anderen Einkommensverhältnissen innerhalb und außerhalb der Filmbranche sowie die Gegenüberstellung mit den Ausgaben Liane Haids und den Lebenserhaltungskosten in den Jahren des Ersten Weltkriegs (vgl. Punkt 3). Hinweise auf das Einkommen anderer StummfilmschauspielerInnen finden sich vor allem in den zeitgenössischen Berichten. In der Fachliteratur wird, wie bereits erwähnt, meistens auf die (verkürzten) Angaben bei Walter Fritz Bezug genommen. Hier ist jedoch Vorsicht geboten: Walter Fritz schreibt, dass Haids KollegInnen Anton Edthofer, Wilhelm Klitsch und Thea Rosenquist bei der Wiener Kunstfilm nur 150 Kronen verdient hätten.131 Fritz geht hier offensichtlich von einem monatlichen Bezug aus, um die Werte mit den Angaben von Haid vergleichbar zu machen. In der Filmwoche ist aber die Rede von einer täglichen Gage von 150 Kronen.132 Dass die diesbezüglichen Angaben kein Irrtum waren, zeigt auch ein Artikel über „Kino-Sterne“ im Österreichischen Kometen vom 12. Jänner 1918. Dort heißt es, dass Hubert Marischka für seine Mitwirkung bei Filmaufnahmen täglich eine Gage von 100 Kronen bzw. einen Monatsverdienst von 3000 Kronen erhalte.133 Allerdings gilt es dabei zu beachten, dass

130 Die Eurowerte wurden mithilfe des Inflationscockpits der Oesterreichischen Nationalbank ermittelt. Dieses Online-Tool enthält einen historischen Währungsrechner, der die Kaufkraft von alten österreichischen Währungen mit der heutigen Kaufkraft des Euro vergleicht. Vgl. Oesterreichische Nationalbank: „Währungsrechner“, Inflationscockpit, 2018, www.oenb.at/docroot/inflationscockpit/waehrungsrechner.html, 08.06.2019. Die Umrechnung in Euro ist ausschließlich dafür gedacht, die genannten Beträge für den heutigen Leser greifbar zu machen. 131 Vgl. Fritz: Entwicklungsgeschichte des österreichischen Spielfilms, S. 63. 132 Vgl. o.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid“, S. 12. 133 Vgl. o.N. [S. v. M.]: „Kino-Sterne“, in: Österreichischer Komet 11/400 (1918), S. 3 (Orig.: „Kino-Sterne. Aus dem Reiche der großen Gagen. Originalbericht des ‚Neu-

400 | Schauspielen im Stummfilm

die anderen SchauspielerInnen der Kunstfilm im Gegensatz zu Liane Haid keine monatlichen Fixgagen bezogen, sondern tageweise im Rahmen einzelner Projekte bezahlt wurden.134 Daher kann man die 100 bis 150 Kronen, von denen in der Filmwoche und im Österreichischen Kometen berichtet wurde, nicht einfach mit 30 multiplizieren, um das Monatsgehalt zu errechnen. Nur wenn man über die Vertragsverhältnisse (Fixanstellung vs. Honorar pro Filmprojekt) Bescheid weiß bzw. im Fall, dass keine Fixanstellung vorlag, die genaue Anzahl der Drehtage kennt, kann man die Honorare von Haids SchauspielkollegInnen realistisch einschätzen und diese in Bezug zu ihrer eigenen Gage setzen. Da die entsprechenden Unterlagen der Wiener Kunstfilm aber bisher nicht auffindbar waren, ist es derzeit nur möglich, Vermutungen anzustellen. Im Fall von Hubert Marischka dürfte es tatsächlich so gewesen sein, dass er zwar 100 Kronen pro Tag von der Wiener Kunstfilm zugesichert bekam, aber nur an 15 Tagen pro Monat zu je sieben Stunden für das Unternehmen in einem Zeitraum von zehn Monaten arbeiten sollte, um auch seinen Verpflichtungen am Theater an der Wien nachkommen zu können. Das bedeutete, dass Marischka 1500 Kronen pro Monat bzw. 15.000 Kronen für zehn Monate vertraglich zugesichert bekam.135

en Wiener Journals‘“, in: Neues Wiener Journal 8682, 1. Januar 1918, S. 5). Der Österreichische Komet bzw. das Neue Wiener Journal bezogen ihre Informationen aus einem Zivilprozess, in den Marischka involviert gewesen war. Auch im Rahmen der Zeugenvernehmungen im Liane-Haid-Prozess kann man von einem Gerichtsverfahren Marischkas gegen die Wiener Kunstfilm lesen. Vgl. o.N.: „Ein Filmprozeß“, S. 10; o.N.: „Kinostar und Filmgesellschaft. Filmehren, Filmgagen und Filmleiden“, S. 13; o.N.: „Wien, 4. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, S. 13. 134 Aus einem Akt der k.u.k. General-Intendanz der k.k. Hoftheater geht hervor, dass die Mitglieder des Hofburgtheaters ebenfalls projektbezogen für ihre Mitwirkung beim Film bezahlt wurden. Zum Beispiel hatte Franz Herterich am 11.05.1918 30 Kronen (10% seines Honorars) zahlen müssen, was darauf schließen lässt, dass er für seine (nicht näher benannte) Filmarbeit ein Honorar von 300 Kronen erhalten hatte. Vgl. ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 419 (1918), 1916. 135 Vgl. o.N.: „Filmschauspieler – Arbeiter“, S. 7f. Die Auszahlung dürfte jedoch nicht in diesem Ausmaß erfolgt sein. Denn ein Jahr vor Liane Haid hatte Marischka die Wiener Kunstfilm auf Zahlung von 6750 Kronen verklagt. In einem Abriss des Prozessverlaufs kann man lesen, dass der Schauspieler die Kunstfilm verklagt hatte, weil Letztere nicht die vertraglich zugesicherte Reklame besorgt und ihn nicht ausschließlich als Hauptdarsteller engagiert habe. Die Kunstfilm stellte diesem Vorwurf entgegen, dass Marischka sich aus gekränkter Eitelkeit aufgrund anderweitiger Engagementabschlüsse der Firma geweigert habe zu spielen und auch dann umfangrei-

7. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ II | 401

Für die Jahre bis 1918 gibt es also weder in den zeitgenössischen Filmperiodika noch in der Forschungsliteratur ausreichende Hinweise, die einen Vergleich zwischen Liane Haids Gage und den Honoraren anderer österreichischer StummfilmdarstellerInnen erlauben. Was nun das Einkommen internationaler Kinostars betrifft, so wurde in den verschiedensten zeitgenössischen Periodika, die sich wiederholt mit der Gagenhöhe der „Kino-Sterne“ auseinandersetzten, von horrenden Summen mit fünf- bis sechsstelligen Beträgen geschrieben. Doch das Problem der Vergleichbarkeit ist auch hier gegeben. Nicht nur, dass die entsprechenden Angaben hinsichtlich des Zeitraums (täglich, monatlich, jährlich) variieren und ebenso in Bezug auf das Vertragsverhältnis unklar sind, werden die meisten Gagensummen auch in den jeweiligen zeitgenössischen Landeswährungen ausgewiesen (Mark, Franc etc.). Zudem ist die Situation der österreichischen Filmindustrie kaum vergleichbar mit jener etwa in Deutschland, Frankreich, Skandinavien oder den USA. Eine längere Tradition in der Filmproduktion, ein größeres Absatzgebiet und daraus resultierend eine größere Anzahl an Filmfirmen, die mit immer höheren Gagenangeboten um die Gunst von Filmstars wie Henny Porten, Max Linder, Asta Nielsen oder Waldemar Psilander kämpften, machen den Vergleich mit Österreich, wo es aufgrund fehlender (langfristiger) Finanzierungsmöglichkeiten im Grunde nur zwei wesentliche Filmfirmen (die Kunstfilm und die Sascha-Film) gab, zu einem „Apfel-und-Birnen-Vergleich“. Trotzdem verglich Liane Haid ihre Honorare bei der Kunstfilm mit den Gagen in Deutschland. Unter anderem behauptete sie, dass ihr die (nicht näher benannte) ausländische Konkurrenz Jahresgagen zwischen 50.000 und 120.000 Kronen angeboten habe.136 Die Redaktion der Filmwoche drückte ihre Verwunderung über diese Angaben folgendermaßen aus: „(!?! Die Red.)“137. Denn das hätte bei einem Zeitraum von zwölf Monaten eine Monatsgage von bis zu 10.000 Kronen

che Reklame verlangt habe, wenn er nicht der Hauptdarsteller eines Films gewesen sei. Vgl. auch o.N.: „Hubert Marischka, der Kinostar. Eine Klage gegen die Kunstfilm-Industriegesellschaft. Originalbericht des ‚Neuen Wiener Journals‘“, in: Neues Wiener Journal 8674, 23. Dezember 1917, S. 12; o.N.: „Marischka, der Kinostar“, in: Fremdenblatt 351, 23. Dezember 1917, S. 9; o.N.: „Rund um die Wiener Theater“, in: Neues 8 Uhr-Blatt 986, 28. Dezember 1917, S. 3; o.N.: „Kinoprozesse gehören vor das Gewerbegericht“, in: Neues Wiener Tagblatt 138, 20. Mai 1919, S. 13. 136 Vgl. o.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid“, S. 25. 137 Ebd.

402 | Schauspielen im Stummfilm

bedeutet, was wie die Kunstfilm beteuerte, keine Filmfirma (in Österreich) einer Schauspielerin zahlen werde.138 Auch der Blick auf die Durchschnittsgehälter von TheaterschauspielerInnen während des Ersten Weltkriegs lässt Haids Gagenvorstellung unrealistisch wirken. Im Filmboten wurde z.B. im Rahmen der Filmverbotsdebatte von 1918 festgestellt, dass ein Schauspieler in Wien monatlich rund 800 Kronen im Theater verdienen könne.139 Selbst im k.k. Hofburgtheater waren die Zeiten nicht viel besser. Laut Helga Terharen, die sich in ihrer Dissertation u.a. mit den Einkommensverhältnissen der Burgtheaterschauspielerinnen beschäftigt hat, lebten 1918 insgesamt fünf Ensemblemitglieder (davon vier Frauen) unter dem Existenzminimum von 4800 Kronen. Bei einem im Burgtheater üblichen langen Bezugszeitraum von zwölf Monaten verdienten die betreffenden Personen daher rund 400 Kronen pro Monat, wobei das im Burgtheater übliche „Garderobegeld“ schon inkludiert war.140 Kann man daher davon ausgehen, dass Liane Haid auch unter dem Existenzminium leben musste? Haid selbst hatte jedenfalls im Theater weniger verdient als beim Film, auch wenn sie das Gericht vom Gegenteil zu überzeugen versuchte. In ihrer Anfangszeit als Chordame im Apollotheater (1915) soll sie eine Gage von rund 90 bis 160 Kronen erhalten haben. Das hatte zumindest Ben Tiber, Direktor des Apollotheaters und somit Haids früherer Arbeitgeber, ausgesagt. Dieser versuchte die Situation für Haid aber zu retten, indem er hinzufügte: „Die Gage, die eine Schauspielerin bezieht[,] und die dann im Film gezahlt wird, ist jedoch [...] grundverschieden.“141 Neben dem Vergleich mit den Gagen im Kulturbereich scheint auch ein kurzer Exkurs zu den branchenexternen Gehältern lohnend. Laut dem Wiener Montags-Journal, das in der Rubrik „Kino-Rundschau“ einen sozialkritischen Bericht zum Prozess von Liane Haid veröffentlichte, verdiente ein gelernter Schlosser im Monat durchschnittlich 840 Kronen. Es sei also ein Wiener Irrglaube, dass „die Milchstraße der Kinosterne“ mit Gold gepflastert sei. Aber, so die Hoffnung des Autors, die Enthüllungen im Prozess würden dazu führen, dass vielen vom Glanz der Filmindustrie geblendeten Jugendlichen die Augen geöffnet und die Kinoschulen schließlich „entvölkert“ würden.142

138 Vgl. ebd., S. 72. 139 Vgl. o.N.: „Filmdarsteller und Theaterdirektoren“, S. 6. 140 Vgl. Terharen: Von der Schmierenkomödiantin zur Hofschauspielerin, S. 329. 141 O.N.: „Kinostar und Filmgesellschaft. Filmehren, Filmgagen und Filmleiden“, S. 13; o.N.: „Wien, 4. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, S. 13. 142 O.N.: „Der Prozeß Liane Haid contra ‚Wiener Kunstfilm‘ und seine wohltätigen Folgen“, in: Wiener Montags-Journal 1888, 13. Mai 1918, S. 11.

7. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ II | 403

In einer Statistik des Österreichischen Statistischen Zentralamts über die vertragsmäßigen Mindestlöhne in der Metallindustrie in den Jahren 1914 bis 1923 zeichnet sich jedoch ein anderes Bild ab. Dort kann man nachlesen, dass ein Facharbeiter 1918 rund 109 Kronen pro Woche und ein qualifizierter Hilfsarbeiter rund 85 Kronen verdiente. Errechnet man den Monatslohn bei durchschnittlich 4,33 Wochen pro Monat, erhielt ein Facharbeiter im Jahr 1918 monatlich rund 472 Kronen, ein Hilfsarbeiter rund 368 Kronen.143 Darüber hinausgehende Daten sind aufgrund fehlender Statistken nur schwer zu finden (vgl. Abschnitt 8.3). Den Überblickswerken zur Geschichte Österreichs bzw. Wiens zufolge besteht aber kein Zweifel daran, dass die Arbeiter mit äußerst niedrigen Löhnen und unerträglichen Arbeitsbedingungen zu kämpfen hatten.144 Wie gezeigt werden konnte, sind die greifbaren Daten, die zum Vergleich mit Liane Haids Gage bei der Kunstfilm herangezogen werden sollten, nicht aussagekräftig genug. Zwar verdiente die Filmdiva bei der Wiener Kunstfilm (auch inflationsbedingt) mehr als in ihrer Anfangszeit als Chorsängerin im Apollotheater, jedoch lassen sich nur schwer darüber hinausgehende Vergleiche ziehen. Denn sowohl im Theater als auch beim Stummfilm variierte die Gagenhöhe je nach Status eines Schauspielers, dem Umfang der Rolle sowie dem Ort und der Dauer des Engagements (vgl. Kapitel 3.2.1. und 6.3.2). Es ist daher umso wichtiger, Liane Haids Gage bei der Wiener Kunstfilm in Bezug zu ihren beruflichen Ausgaben zu setzen und schließlich auch ihren Starstatus und ihre künstlerische Bedeutung in den Jahren des Ersten Weltkriegs zu überprüfen, um so die Angemessenheit ihrer Gage beurteilen zu können. (3) Ausgaben eines Kinostars: In der Filmwoche erfährt man, dass Liane Haid berufsbedingt folgende Ausgaben mit ihrer Gage zu decken hatte: eigens angefertigte Filmkostüme, Verpflegung, Unterkunft bei Dreharbeiten außerhalb Wiens. Von Bedeutung ist besonders die Behauptung, dass die Schauspielerin ihre Kostüme selber habe stellen müssen. Angeblich ließ sie ihre Kostüme bei der Wiener Werkstätte anfertigen und musste dafür 1550 Kronen bezahlen. Im Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Wien, wo sich das WienerWerkstätte-Archiv befindet, ist Liane Haid als Auftraggeberin jedoch nicht bekannt. Zwar kleidete die Wiener Werkstätte SchauspielerInnen ein, worauf auch in Pressemeldungen hingewiesen wurde, Haids Name ist bisherigen Untersu-

143 Vgl. Österreichisches Statistisches Zentralamt (Hg.): Die Entwicklung der Verbraucherpreise von 1900 bis 1996. Wien: Österreichische Staatsdruckerei, 1997 (= Beiträge zur österreichischen Statistik 1240), S. 130 (Orig.: Die Entwicklung der Verbraucherpreise seit 1900, 1990). 144 Vgl. u.a. Maderthaner: „Von der Zeit um 1860 bis zum Jahr 1945“, S. 328f.

404 | Schauspielen im Stummfilm

chungen nach aber nicht darunter gewesen. Allerdings gibt es keine Auftragsbücher für die Kostümabteilung der Wiener Werkstätte, weshalb man nicht mit Sicherheit sagen kann, ob Liane Haid tatsächlich ein Filmkostüm für 1550 Kronen in Auftrag gegeben hatte oder nicht.145 Auszuschließen ist es jedenfalls nicht, auch wenn es in den 1910er Jahren üblicher gewesen sein dürfte, dass Filmunternehmen sich (vor allem historische) Kostüme von den Wiener Theatern ausliehen. Was nun die Ausgaben für die Verpflegung betrifft, so muss man die Preisentwicklung und die Änderung der Kaufkraft des Geldes während des Ersten Weltkrieges berücksichtigen. 1918 verdiente Haid zwar 400 Kronen monatlich, damit konnte sie sich aber weniger leisten als ein paar Jahre zuvor. Zum Beispiel kostete ein Kilo Brot im Juli 1914 durchschnittlich 0,32 Kronen, während man im Jänner 1918 rund 6,40 Kronen im Schleichhandel zahlen musste. Denn obwohl amtliche Höchstpreise festgesetzt wurden, waren viele Lebensmittel und Bedarfsartikel nur zum (illegalen) Schleichhandelspreis erhältlich. Daher hätte im Jänner 1918 ein Kilo Brot eigentlich nicht mehr als 0,55 Kronen kosten dürfen.146 Dazu kam 1917/18 eine „allgemeine Situation allgegenwärtigen Mangels, Hungers, Elends“147 in Wien, von der auch Liane Haid betroffen gewesen sein muss. Davon abgesehen lassen sich Haids Angaben zu ihren Ausgaben, besonders jenen, die aufgrund von Dreharbeiten außerhalb Wiens bzw. aufgrund der spärlichen Tagesdiäten (15 Kronen) angefallen waren, ohne die nicht mehr erhaltenen Dokumente der Wiener Kunstfilm nicht überprüfen. Sollte Haid in diesen Punkten Recht behalten, dann wäre ihre Gage tatsächlich nicht ausreichend gewesen, um ihre berufsbedingten Ausgaben zu decken. Wohl nicht ohne Grund kämpfte der 1919 konstituierte Verband der Filmdarsteller u.a. für eine kollektivvertraglich festgelegte Entgeltung der Reisespesen (vgl. Kapitel 6.3.2). (4) Fehlende künstlerische Anerkennung: Ein Punkt, den Liane Haid im Rahmen des Prozesses besonders hervorgehoben hatte, war die fehlende künstlerische Anerkennung seitens der Wiener Kunstfilm. Laut ihrer eigenen Einschätzung war sie zum Zeitpunkt ihres Vertragsabschlusses mit der Filmgesellschaft bereits eine angesehene und erfahrene Künstlerin. Das stand jedoch im Widerspruch zu § 879 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, auf den sie sich im Laufe des Prozesses hinsichtlich ihrer Unerfahrenheit, die von der Kunstfilm

145 Vgl. MAK: schriftliche Auskunft (E-Mail) vom 02./03.04.2013. 146 Vgl. Österreichisches Statistisches Zentralamt (Hg.): Die Entwicklung der Verbraucherpreise von 1900 bis 1996, S. 9 u. 21. 147 Maderthaner: „Von der Zeit um 1860 bis zum Jahr 1945“, S. 329.

7. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ II | 405

ausgenutzt worden sei, bezogen hatte. Doch Haid blieb dabei, dass die Filmfirma einerseits ihre geschäftliche Unerfahrenheit ausgenützt, andererseits ihre Erfahrung beim Theater nicht ausreichend gewürdigt habe. Denn schon von Anfang an habe sie mit ihrem schauspielerischen Können und der Gestaltung ihrer Rollen herausgestochen. Die Wiener Kunstfilm habe ihren Nutzen als „Liebling des Publikums“148 zwar erkannt, doch erst die Filmverleihanstalt Collegia habe sie entsprechend ihrem Starstatus beworben, was, wie die Redaktion anmerkte, aber nicht stimmte.149 Trotzdem behauptete Haid in Bezug auf die angeblich fehlende Werbung: „Nicht die Kunstfilm hat mich ‚gemacht‘, sondern ich habe sie gemacht. (!!! Die Red.).“150 Ein weiteres Indiz dafür, dass die Darstellerin nicht genug künstlerische Anerkennung erhalten hatte, sollen zudem die Beleidigungen durch Direktor Fleck gewesen sein. So habe er einmal zu Haid aufgrund ihres unpünktlichen Erscheinens gesagt: „Du benimmst dich wie ein Dienstbote.“151 Thea Rosenquist wurde dazu befragt, doch blieb sie bei ihrer Aussage vorsichtig. Sie habe zwar den Ausdruck „Dienstbote“ gehört, könne sich aber nicht an den genauen Wortlaut der Äußerung erinnern.152 Darüber hinausgehende, stichhaltigere Beweise für die Beleidigungen durch Direktor Fleck gab es allerdings nicht. Haid selbst war überzeugt von ihrem Pflichtbewusstsein und auch Direktor Tiber vom Apollotheater bescheinigte ihr eine vorbildliche Arbeitsmoral. Sie sei eine strebsame Künstlerin, die von der Chordame zur Solistin und zum Filmstar aufgestiegen sei. 153 Zu ihren Zeiten im Apollotheater habe sie darum nach Vorstellungsschluss jedes Tête-à-tête mit Herren vermieden.154 Haid sah Tibers Aussage als Bestätigung dafür, dass sie eine ehrbare Schauspielerin sei, bei der die Kunst immer Vorrang habe. Auch Sandra Lenk bestätigt in ihrer Diplomarbeit den Ehrgeiz Haids und ihr Bestreben – trotz ihrer drei finanziell günstigen Ehen –, unabhängig zu bleiben und ihr Geld als Schauspielerin selbst zu verdienen.155

148 O.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid“, S. 12. 149 Vgl. ebd. 150 Ebd. 151 O.N.: „Wien, 4. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, S. 13. 152 Ebd. 153 Vgl. ebd.; o.N.: „Kinostar und Filmgesellschaft. Filmehren, Filmgagen und Filmleiden“, S. 12. 154 Vgl. o.N.: „Wien, 4. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, S. 13. 155 Vgl. Lenk: Österreichs Erster Filmstar, S. 87–90. Haids erster Mann war ein Großindustrieller (Friedrich Baron von Haymerle), der zweite ein Rechtsanwalt (Hans Somborn) und der dritte ein Arzt (Carl Spycher).

406 | Schauspielen im Stummfilm

7.3.3 Die Wiener Kunstfilm zur Filmarbeit von Liane Haid Die Wiener Kunstfilm konnte und wollte sich die Vorwürfe von Liane Haid nicht gefallen lassen und versuchte für jedes ihrer Argumente Gegenargumente zu finden.156 Der Filmfirma ging es vor allem darum zu zeigen, dass Liane Haid vertragsbrüchig geworden war bzw. man den Vertrag 1915 nicht widerrechtlich abgeschlossen hatte. Als Erstes stellte die Kunstfilm Liane Haids künstlerische Befähigung sowohl für das Theater als auch für den Film infrage. Denn keiner der Filme, bei denen sie mitgewirkt habe, habe besonderes Aufsehen erregt. Unter der Überschrift „Zwei Gruppen von Kinoschauspielern“ gab die Filmwoche die Einschätzung der Kunstfilm hinsichtlich Liane Haids Talent wieder: „Man müsse zwei Gruppen von Kinoschauspielern, bezw. Lieblingen unterscheiden: diejenigen, die schon mit glänzendem Namen vom Theater her zum Kino gekommen sind und infolge ihrer hervorragenden darstellerischen und mimischen Talente auch bei der Filmdarstellung als Stars auftreten, wie Bassermann, Klitsch usw. und solchen, die ohne früher einen Namen gehabt zu haben, sich erst als Kinoschauspieler mit der Darstellung überhaupt zu befassen begonnen haben und für die dann jedes einzelne Kinoaufnahmsatelier ungeheure Reklame macht, um sie beim Publikum zu forcieren. Sind sie talentiert, wie z.B. Henny Porten, dann werden sie mit Recht Lieblinge beim Kinopublikum und können mit Recht als Kinostars bezeichnet werden. Sind sie aber schauspielerisch unzulänglich, dann kann man sie durch große Reklame doch forcieren, wenn sie ein hübsches Gesichterl haben und eine eingelernte Bewegung gut nachmachen können.“

157

Indirekt unterstellte die Kunstfilm Haid also, dass sie sich selbst für begabter und bedeutender halte, als es der Fall gewesen sei. Sie gehöre folglich nicht der Gruppe bekannter Wiener Theaterstars an, die auch beim Film brillieren würden, sondern sei eine Unbekannte gewesen, die man nur aufgrund ihres „hübschen Gesichterls“ engagiert habe. Den im vorigen Abschnitt entwickelten Kategorien entsprechend zählte Haid demnach zu den Stars der Leinwand. Als Nächstes ging es um den Gesundheitszustand Liane Haids. Den Vertretern der Kunstfilm zufolge habe sie ihre Lungenerkrankung nur vorgeschoben, um woanders zu besseren Konditionen arbeiten zu können. Darüber hinaus sei es nicht die Kunstfilm gewesen, die zu viel von Haid verlangt habe, sondern die Schauspielerin selbst habe oft im jugendlichen Eifer übertrieben.158 Man habe

156 Vgl. o.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid“, S. 25 u. 72. 157 Ebd., S. 25. 158 Vgl. ebd., S. 72.

7. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ II | 407

sich immer, über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus, gut um das „Fräulein Haid“ gekümmert: „Bei Aufnahmen haben wir auf die zarte Konstitution der Beklagten stets Rücksicht genommen und durch die Freilichtaufnahmen sind ihr keinerlei gesundheitliche[n] Schäden erwachsen, an denen wir schuld wären. Schließlich kann eine Gefahr für die Gesundheit auch darin liegen, wenn jemand überhaupt ins Freie geht.“

159

Trotzdem ist in den zeitgenössischen Berichten auch davon zu lesen, dass ein Ausgleich zwischen der Kunstfilm und Haid angestrebt wurde. Dabei sollte Letztere die Möglichkeit bekommen, sich unter Weiterbeziehung ihrer Gage bis September 1918 auszukurieren. Dafür hätte der Vertrag aber aufrechtbleiben müssen, was Liane Haid vehement ablehnte.160 Sie soll darum im Gericht gerufen haben: „Auf der einen Seite bezeichnet man mich als Statistin, auf der anderen Seite prozessiert man um die ‚Statistin‘. Eine Statistin läßt man los!“161 Zu einem Ausgleich kam es folglich nicht. Was schließlich die Arbeitsmoral betrifft, warf die Kunstfilm Haid Unpünktlichkeit und auch die Behinderung ihrer Filmpartner vor. Wilhelm Klitsch (1882–1941) bestätigte in seiner Aussage „kleine Unpünktlichkeiten“, räumte aber ein, dass auch die Proben nicht immer pünktlich anfingen. Generell schien Klitsch aber auf der Seite der Kunstfilm zu stehen, denn er konstatierte der Filmgesellschaft „hygienische“ Arbeitsbedingungen und erklärte, dass der Beruf des Kinoschauspielers nur etwas für Menschen „von guter Körperkonstitution“ sei.162 Auf die Frage, ob er die Haid für einen Filmstar halte, antwortete er: „Ich betrachte es als die vornehmste Pflicht eines Schauspielers, seinen Partner nicht zu kritisieren.“163

159 Ebd. 160 Vgl. o.N. [ü]: „Die Klage gegen die Filmdarstellerin Liane Haid. Die Wiener Kunstfilm als Klägerin. (Eigenbericht.)“, in: Die Filmwoche 6/263 (1918), S. 8 u. 28, hier S. 8; o.N.: „Kinostar und Filmgesellschaft. Filmehren, Filmgagen und Filmleiden“, S. 13; o.N.: „Wien, 4. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, S. 13. Vgl. zudem o.N.: „Der Liane Haid-Prozeß der Wiener Kunstfilmgesellschaft“, in: Der Kinobesitzer 2/37 (1918), S. 4f., hier S. 5. 161 O.N. [ü]: „Die Klage gegen die Filmdarstellerin Liane Haid“, S. 8. 162 O.N.: „Kinostar und Filmgesellschaft. Filmehren, Filmgagen und Filmleiden“, S. 12; o.N.: „Wien, 4. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, S. 13. 163 Ebd.

408 | Schauspielen im Stummfilm

Zum Schluss nahm die Kunstfilm auch noch Stellung zur Gagenfrage und sprach von einem Jahresgehalt von 3000 Kronen (250 Kronen pro Monat), das sie Liane Haid als Anfängerin ausbezahlt habe und das sich bis 10.000 Kronen (833 Kronen pro Monat) hätte steigern können. Zudem seien die Verhältnisse in Deutschland unmöglich mit jenen in Österreich zu vergleichen, wo die Kinoindustrie „noch in den Kinderschuhen stecke“. So oder so bezahle keine Filmfirma 120.000 Kronen pro Jahr, solch eine Summe würden weder Asta Nielsen noch Henny Porten erhalten. Darüber hinaus seien sämtliche Kostüme, ob historisch oder zeitgenössisch, für Filmaufnahmen zur Verfügung gestellt worden.164 Es sei Unsinn, dass Haid diese selber habe stellen müssen, da die benötigten Toiletten von der Hofoper geliehen worden seien: „Toiletten braucht die Beklagte bei Filmmitwirkungen nicht. So wurde ‚Rigoletto‘ nur in alten Kostümen, ‚Schandfleck‘, Bauerndrama in einem Bauernkostüm, ‚Der Doppelselbstmord‘ ebenso gespielt. Auch bei anderen Filmen, z.B. ‚Verschwender‘[,] hat Fräulein Haid in den von der Firma beigestellten Kostümen der Hofoper gespielt.“

165

Auch die bisherigen Recherchen lassen den Schluss zu, dass Kostüme, vor allem historische, vom Theater geliehen wurden bzw. die größeren Filmateliers ihren eigenen Kostümfundus aufzubauen begannen (vgl. Kapitel 5.1.2). 7.3.4 Der Prozessausgang und seine Wirkung Nachdem die Vernehmungen von Liane Haid und Vertretern der Wiener Kunstfilm sowie die Zeugenaussagen von Ärzten und KollegInnen abgeschlossen waren, fällte Landesgerichtsrat Dr. Drawe am 22. Mai 1918 schließlich ein Urteil: Er lehnte sämtliche Beweise ab und erklärte die Verträge zwischen Liane Haid und der Wiener Kunstfilm nach § 1162 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches166 für aufgelöst.167

164 O.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid“, S. 72. 165 Ebd. 166 Vgl. § 1162 ABGB (RGBl 1916/69): „Das Dienstverhältnis kann, wenn es für bestimmte Zeit eingegangen wurde, vor Ablauf dieser Zeit, sonst aber ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von jedem Teile aus wichtigen Gründen gelöst werden.“ 167 Vgl. o.N.: „Der Prozeß des Fräuleins Liane Haid“, S. 6; o.N.: „Der Prozeß Liane Haid“, in: Die Filmwoche 6/265 (1918), S. 12; o.N.: „Kinostar und Filmgesellschaft. Das Urteil. (Originalbericht des ‚Neuen Wiener Journals‘.)“, in: Neues Wiener

7. Mode- und Traumberuf „Kinostar“ II | 409

Das Beweisverfahren hatte ergeben, dass Liane Haid aus gesundheitlichen Gründen ein Jahr lang nicht in ihrem Beruf als Filmschauspielerin tätig sein könne. Des Weiteren sei der Vertrag nicht rechtswidrig abgeschlossen worden, da die Darstellerin durch frühere Engagements bereits Erfahrung in Bezug auf Vertragsabschlüsse mitgebracht und den Vertrag als Filmschauspielneuling (deren Entwicklung zum Filmstar von der Wiener Kunstfilm unmöglich hätte antizipiert werden können) unterzeichnet habe.168 Der Urteilsspruch wurde von den Anwesenden, vor allem Angehörigen der Wiener Film- und Theaterbranche, als unbefriedigend empfunden, da nicht eindeutig klar war, wer den Prozess nun gewonnen hatte.169 Zudem kritisierte die Filmwoche, dass das Urteil ohne die Zuziehung eines Sachverständigen gefällt worden sei, und bemerkte dazu: „Theater- und Kinorecht sind eben Gebiete, auf denen der gewiegteste Richter ohne profunde Sachkenntnis nie heimisch sein kann.“170 Im Kinobesitzer sprach man hingegen davon, dass Liane Haid den Prozess verloren habe,171 und aus heutiger Sicht möchte man hier auch zustimmen. Haid wurde zwar aufgrund ihres nachweislich fragilen Gesundheitszustandes aus dem Vertragsverhältnis mit der Wiener Kunstfilm entlassen, musste aber dennoch bei den „Nachszenen“ zum Film DIE GESCHWISTER/SO FALLEN DIE LOSE DES LEBENS mitwirken. Außerdem scheinen ihre Argumente gegen die Wiener Kunstfilm durch das Urteil entkräftet worden zu sein. Zwar wurde Haids Lungenerkrankung bestätigt, offenbar konnte der Richter jedoch mangels Beweislast die Wiener Kunstfilm nicht dafür verantwortlich machen. Auch die quellenkritische und -interpretative Analyse von Haids Aussage hat gezeigt, dass es Ungereimtheiten hinsichtlich ihrer Anschuldigungen gab. Dennoch soll das Gesagte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Arbeitssituation für StummfilmschauspielerInnen, vor allem für jene, die keine Stars waren, herausfordernd sein konnten (vgl. Kernkapitel 5 und 6).

Journal 8818, 23. Mai 1918, S. 8; o.N.: „Wien, 22. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, S. 10. 168 Vgl. o.N.: „Kinostar und Filmgesellschaft. Das Urteil“, S. 8; o.N.: „Wien, 22. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, S. 10. Sandra Lenks Behauptung, zum Ausgang der Klage gebe es keine Informationen, ist somit ein Irrtum. Vgl. Lenk: Österreichs Erster Filmstar, S. 79. 169 Vgl. o.N.: „Der Prozeß des Fräuleins Liane Haid“, S. 6; o.N.: „Der Prozeß Liane Haid“, S. 12; o.N.: „Kinostar und Filmgesellschaft. Das Urteil“, S. 8; o.N.: „Wien, 22. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, S. 10. 170 O.N.: „Der Prozeß Liane Haid“, S. 12. 171 Vgl. o.N.: „Der Prozeß des Fräuleins Liane Haid“, S. 6.

410 | Schauspielen im Stummfilm

Für die vorliegende Arbeit ist der Liane-Haid-Prozess deshalb ein guter Endpunkt, weil die wichtigsten Themenbereiche, die in den vorhergehenden (Kern-)Kapiteln erörtert worden sind – Anforderungsprofil, Arbeitsbedingungen, Stardasein –, behandelt wurden. Zudem stellte der Prozess zwei gegensätzliche Perspektiven gegenüber: einerseits jene eines Stummfilmstars, andererseits die einer Filmfabrik. Die quellenkritische Interpretation der in den zeitgenössischen Filmzeitschriften und Tageszeitungen vermittelten Prozessinhalte sollte dabei die problematischen Aspekte hinsichtlich der Arbeitssituation von StummfilmdarstellerInnen herausarbeiten und diese aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten. So konnte gezeigt werden, dass im Fall von Liane Haid besonders vier Aspekte im Vordergrund standen: (1) die Arbeitsbedingungen bei Filmaufnahmen, (2) die Höhe und Angemessenheit der Gage, (3) die berufsbedingten Ausgaben sowie (4) die künstlerische Bedeutung. Abschließend kann man somit sagen, dass im Laufe des Prozesses erörtert wurde, was einem Stummfilmstar zuzumuten war und was einen genuinen Kinostar definierte.

8. Ausblick und Resümee

Die Erfindung des Tonfilms bedeutete einen gravierenden Einschnitt in die noch junge Geschichte des Films. Die Stummfilmära ging damit zu Ende und der Tonfilm, der anfänglich skeptisch betrachtet wurde, begann eigene Strukturen zu schaffen – auch im Bereich der Filmdarstellung. „Wir ersten Tonfilmschauspieler sind, streng genommen, die Opfer des Tonfilms. Wir sind das Experiment, das Probiertier für die Gefahren“1, bemerkte Liane Haid in einem Bericht über ihre ersten Erfahrungen mit dem Tonfilm in Deutschland. Tatsächlich stellte der Tonfilm neue Anforderungen an den Schauspieler, die besonders (aber nicht nur) seine stimmlichen und sprachlichen Qualitäten betrafen. In den österreichischen Stummfilmperiodika, die sich ab 1929/30 immer intensiver mit der neuen Erfindung zu beschäftigen begannen, wurden alle in den vorangegangenen Kapiteln behandelten Themenkomplexe – Herausbildung des Berufsbildes in Theorie und Praxis, Arbeits- und Ausbildungsituation, Stardasein – erneut thematisiert bzw. neu verhandelt. Nachfolgend sollen darum die Herausforderungen, die der Tonfilm an den Filmschauspieler stellte, anhand exemplarischer Artikel besprochen werden, um anschließend die Entwicklung des Filmschauspiel/er/s bis 1930 Revue passieren zu lassen.

1

Liane Haid: „Tonfilmgefahren für den Schauspieler“, in: Das Kino-Journal 22/1013 (1929), S. 8.

412 | Schauspielen im Stummfilm

8.1 ÜBERGANG ZUM SPRECHENDEN FILMSCHAUSPIELER 19272 war es so weit: Nach den verschiedensten Experimenten, deren Ziel es war, Film und Ton zu verbinden, galt der Tonfilm3 nun offiziell als erfunden. Schneller als erwartet 4 brachte dieser auch den sprechenden und singenden Filmschauspieler, der wieder näher an den Theaterschauspieler heranzurücken schien. Denn der wesentliche Unterschied zur Bühne, der in den zeitgenössischen Schauspielertheorien besonders hervorgehoben worden war, wurde mit der Erfindung des Tonfilms aufgehoben. Damit musste nicht nur der Film selbst, sondern auch der Filmschauspieler theoretisch und praktisch neu verortet werden. Abermals hatte der Film erst zu beweisen, dass er nicht nur abgefilmtes Theater war, sondern auch das Potenzial besaß, Kunst zu sein. „Merkwürdig“, schrieb Liane Haid 1929, „jede Kunstart fängt immer wieder von vorne an, macht die Kinderkrankheiten ihrer Vorgängerin durch.“5

2

Als Beginn der Tonfilmära gilt der lippensynchrone Ton(spiel)film THE JAZZ SINGER (USA 1927), der in Österreich allerdings erst 1929 zur Aufführung kam. Nach den ersten ausländischen Tonfilmvorführungen lief 1930 auch eine eigene österreichische Tonfilmproduktion an. 1931 konnte sich der Tonfilm in Österreich schließlich etablieren und bis 1933 den Stummfilm aus den österreichischen Kinos verdrängen. Vgl. Armin Loacker: Anschluss im ¾-Takt. Filmproduktion und Filmpolitik in Österreich 1930–1938. Trier: WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier, 1999 (= Filmgeschichte International 5), S. 4; Palfy: Kino und Film in der Ersten Österreichischen Republik, S. 5–7.

3

Friedrich Porges unterschied 1930 drei Tonfilmarten: den reinen Tonfilm, dessen Bilder nur von Musik und Geräuschen begleitet wurden; den vollständigen Sprechfilm, in dem ausschließlich gesprochen wurde; und den Tonfilm mit etwa fünfzigprozentigem Dialog, der eine Mischform zwischen Ton- und Sprechfilm darstellte. Vgl. Friedrich Porges: „Tonfilm und Publikum“, in: Mein Film-Buch 4 (1930), S. 5–15, hier S. 9f. Rein technisch gesehen muss aber vor allem zwischen Nadelton- und Lichtton-System unterschieden werden. Bei ersterem handelte es sich um eine „Tonwiedergabe per Schallplatte“, bei letzterem um eine „Tonwiedergabe per Film“. Vgl. Geoffrey Nowell-Smith: „[Der Tonfilm 1930–1960]. Einführung“, in: Geschichte des internationalen Films, hg. von Nowell-Smith, 2006, S. 193–196, hier S. 193.

4

Zum Beispiel war Victor E. Pordes davon ausgegangen, dass der Tonfilm jene technische Errungenschaft sein werde, die am längsten auf sich warten lasse. Vgl. Pordes: Das Lichtspiel, S. 151.

5

Haid: „Tonfilmgefahren für den Schauspieler“, S. 8.

8. Ausblick und Resümee | 413

In der Realität bedeutete die Umstellung auf den Tonfilm auch eine Herausforderung für Kinobesitzer und Filmfabrikanten, die – um wettbewerbsfähig zu bleiben – auf eines der neuen, kostenintensiven Tonsysteme umrüsten mussten.6 Für die bereits etablierten StummfilmdarstellerInnen war die Einführung des Tonfilms hingegen gleichbedeutend mit einem Test. Denn nur wer eine tonfilmgeeignete Stimme hatte, konnte weiterarbeiten. Für viele, besonders jene, die ins fremdsprachige Ausland gegangen waren, war das Karriereende absehbar, sofern sie nicht in ihre sprachliche Heimat zurückkehren und dort wieder Fuß fassen konnten. Zugleich bot der Tonfilm aber auch eine Chance für Neulinge, unbekannte oder bisher in anderen Medien erfolgreiche SchauspielerInnen, sich als Filmdarsteller zu profilieren bzw. als Filmstar hervorzutun.7 Die Karten wurden sozusagen neu gemischt, weil sich das Anforderungsprofil geändert hatte. 1930 veröffentlichte die Zeitschrift Mein Film, die bekannt war für ihre informativen Beiträge zu berufsbezogenen Fragen, einen Artikel zu den Anforderungen, die der Tonfilm an FilmschauspielerInnen stellte.8 Demnach erfordere die Tonfilmeignung nun, neben einem kameratauglichen Aussehen und darstellerischen Talent, auch eine mikrofontaugliche Stimme und ein grundsätzliches Sprech- und Singtalent. Insgesamt sieben Regeln wurden von der Mein FilmRedaktion aufgestellt, die für die Tonfilmschauspielerin einen Karrierevorteil bedeuten würden: 1. Harmonische Gesichtszüge, 2. ein vorteilhafter Mund9, 3. ausdrucksvolle Augen, 4. eine klare, helle und melodische Stimme, 5. eine deutliche, ruhige, langsame und vor allem hochdeutsche10 Sprechweise, 6. eine natürliche Art, sich zu bewegen und zu sprechen,11 7. eine Singstimme für den

6

Vgl. Palfy: Kino und Film in der Ersten Österreichischen Republik, S. 20–23; Loacker: Anschluss im ¾-Takt, S. 2f. Dennoch gab es laut dem Kino-Journal Ende Oktober 1930 bereits 116 Tonfilmkinos in Österreich (74 in Wien, 42 in den Bundesländern). Vgl. o.N. [sch]: „[Hundertsechzehn] Tonkinos in Österreich“, in: Das KinoJournal 23/1056 (1930), S. 3f.

7

Vgl. Porges: „Tonfilm und Publikum“, S. 10f.

8

Vgl. o.N.: „Wollen Sie zum Tonfilm?“, in: Mein Film 5/231 (1930), S. 5f.

9

Als nicht vorteilhaft wurde ein Mund mit folgenden Attributen beschrieben: „sehr breit, allzu sichtbarer Gaumen beim Sprechen und Lachen, schlechtes Gebiß, wulstige Lippen“. Vgl. ebd., S. 5.

10 In Klammern wurde hinzugefügt: „Ein bißchen Dialektfärbung, die in Österreich und Süddeutschland der Aussprache etwas Weiches gibt, kann nicht schaden; sie ist weniger nachteilig, als etwa preußisch harter Anklang.“ Vgl. ebd., S. 6. 11 Zum Schauspielstil im frühen Tonfilm liegt eine Studie von Johannes Riis aus dem Jahr 2004 vor. Riis’ Analyse eines dänischen Tonfilms im Kontext der dänischen

414 | Schauspielen im Stummfilm

„Hausgebrauch“12. Dieselben Regeln gälten grundsätzlich auch für den männlichen Tonfilmschauspieler, hinzu komme aber noch eine markante, tiefe und an das Rollenfach (den Filmtyp) angepasste Stimmlage. Eine große Herausforderung für den Filmdarsteller, der zwar bisher nicht stumm gewesen war, aber auch keine seitenlangen Dialoge wiedergeben musste, war demnach das tonfilmgeeignete Sprechen und Singen. In einem Erfahrungsbericht von 192913 beschrieb Liane Haid ihren ersten Tonfilm-Test, den sie wie eine zweite Feuertaufe empfunden hatte. Sie sei genauso nervös gewesen wie bei ihrem Filmdebüt in Wien, da der „Sprechfilm“ eine ganz neue Erfahrung für sie bedeutet habe. Denn bis zu diesem Zeitpunkt, das gestand Haid ein, habe sie niemals eine Rolle lernen müssen. Außerdem habe sie weder eine Sprechbühnenerfahrung noch eine Sprechausbildung vorzuweisen gehabt. Trotzdem traute sie sich eine Probeaufnahme bei der UfA zu machen. Besonders beeindruckend war für Haid die absolute Stille, die während der Tonfilmaufnahme herrschte, und die Konzentration, die diese erforderte. Als anstrengend empfand sie es zudem, gleichzeitig „an die klare, deutliche Aussprache, an die richtige Betonung, an das Stichwort, an die Rolle, an die technischen Forderungen der Kamera“14 denken zu müssen und dabei nicht durch die Sprechbewegung des Mundes den ästhetischen mimischen Ausdruck zu gefährden. Darüber hinaus verlangte der Tonfilm, so Haid in einem zweiten Erfahrungsbericht, absolute Zurückhaltung in allen Bereichen. In Bezug auf das Sprechen sei nun kein „opernartiger Pathos“ und kein „Zuviel in der Sprache“ gefragt, sondern ein natürliches und gleichbleibendes Sprechniveau. Letzteres war vor allem aufgrund des dekorationsbe-

Theatergeschichte hat ergeben, dass im frühen Tonfilm sowohl ein rhetorischer als auch veristischer (naturalistischer) Schauspielstil zum Einsatz kam. Zudem scheint es, dass die SchauspielerInnen, vor allem jene, die von der Bühne kamen, sich wieder vermehrt auf ihre verbalen Ausdrucksmöglichkeiten (Stimme, Tonfall etc.) verließen und das Mienen- und Gestenspiel vernachlässigten. Riis vermutet, dass das daran gelegen haben könnte, dass man die Wirkung der Stimme in den Vordergrund stellen wollte. Vgl. Johannes Riis: „Naturalist and Classical Styles in Early Sound Film Acting“, in: Cinema Journal 43/3 (2004), S. 3–17; search.ebscohost.com/login.aspx?direct=true&db=fah&AN=13910179&site=ehost-live, 28.08.2015. 12 Damit war gemeint, dass das Vermögen, ein Chanson oder „kleines Lied“ zu singen, ausreiche. Denn: „Für Gesangspartien, zur Mitwirkung in Gesangsfilmen wird der Tonfilmhersteller ja immer nur geschulte Sängerinnen heranziehen.“ Vgl. o.N.: „Wollen Sie zum Tonfilm?“, S. 6. 13 Vgl. Liane Haid: „Mein Sprechfilmdebüt“, in: Mein Film 4/202 (1929), S. 3f. 14 Ebd., S. 4.

8. Ausblick und Resümee | 415

stimmten Szenenablaufs und der damit zeitlich zumeist weit auseinanderliegenden Filmaufnahmen herausfordernd.15 Eine weitere Schwierigkeit für FilmschauspielerInnen und die gesamte Branche stellte die verlorengegangene Internationalität dar.16 Der Verlust dieser Eigenschaft, die in der Stummfilmära immer wieder gepriesen worden war, bedeutete für die FilmschauspielerInnen eine Begrenzung ihrer Arbeitsmöglichkeiten. Besonders in Hollywood führte die Umstellung auf den Tonfilm zu einer den sprachlichen Barrieren geschuldeten Abwanderung ausländischer SchauspielerInnen, die nun kaum eine Chance hatten, als non-native speaker zu bestehen.17 Versuche, die Internationalität wieder herzustellen, erwiesen sich jedoch als zeit- und kostenaufwendig, da zunächst Methoden ausprobiert wurden, die die sprachlichen Barrieren mithilfe fremdsprachiger SchauspielerInnen überwinden sollten.18 Eine dieser Methoden waren die sogenannten „Mehrsprachenversionen“, die, wie der Name verrät, die Aufnahme eines Films in verschiedenen Sprachen meint. Deshalb gab es auch mehrere Besetzungen bzw. Tonfilmensembles pro Filmproduktion. Eine zweite, heute noch übliche Methode war zudem die (Nach-)Synchronisation. Laut dem Kino-Journal wurde 1930 damit allerdings folgende Vorgehensweise assoziiert: Ein Tonfilmschauspieler musste einen fremdsprachigen Text auswendig lernen und während der Aufnahme sprechen, wobei er auf die „richtigen“ Mundbewegungen zu achten hatte. Die Bildaufnahme wurde danach einem anderen (muttersprachlichen) Tonfilmschauspieler vorgespielt, der dazu den Text passend zu den Mundbewegungen des „Bildschauspielers“ (korrekt ausgesprochen) ins Mikrofon sprechen sollte. Das hatte

15 Vgl. Haid: „Tonfilmgefahren für den Schauspieler“, S. 8. Liane Haid wurde schließlich von der UfA als tonfilmtauglich eingestuft und bekam ihre erste Tonfilmrolle in dem Film DER UNSTERBLICHE LUMP (1929/30). Vgl. Haid: „Mein Sprechfilmdebüt“, S. 4. Zur Gestaltung des Sprechens und der Dialoge im Tonfilm vgl. auch Porges: „Tonfilm und Publikum“, S. 10. 16 Vgl. o.N.: „Die Sprache als Hindernis“, in: Das Kino-Journal 23/1025 (1930), S. 9f., hier S. 9; Porges: „Tonfilm und Publikum“, S. 11; Karel Dibbets: „Die Einführung des Tons“, in: Geschichte des internationalen Films, hg. von Nowell-Smith, 2006, S. 197–203, hier S. 198: „Ein Stummfilm konnte in allen Ländern der Welt gezeigt werden. Ein Tonfilm jedoch wurde zum Gefangenen seiner eigenen Sprache.“ 17 Vgl. o.N.: „Ausländer haben wenig Chance beim Sprechfilm. Die Abwanderung der fremden Filmstars aus Hollywood“, in: Mein Film 4/197 (1929), S. 8. 18 Vgl. o.N.: „Die Sprache als Hindernis“, S. 9; Nowell-Smith: „[Der Tonfilm 1930– 1960]“, S. 193.

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aber zur Folge, dass ein Film mehrmals bzw. für jede Sprachversion neu gedreht werden musste, allerdings – im Gegensatz zur Mehrfachbesetzung – immer mit denselben „BildschauspielerInnen“. Zum Versuch der Amerikaner, „zu dem englischen Originalbild einen fremdsprachigen Dialog“ vorzuführen, was unserem heutigen Verständnis von Nachsynchronisation entspricht, merkte das KinoJournal an, dass dieser gescheitert sei, weil Ton und Bild kaum lippensynchron gewesen seien.19 Eine weitere Methode, die in den zeitgenössischen Filmzeitschriften erwähnt wurde, war der Fremdsprachenunterricht für TonfilmschauspielerInnen. Jede Sprache, die man verhandlungssicher sprechen konnte, war nun von Vorteil. Es muss aber angezweifelt werden, wie effektiv ein solcher Unterricht gewesen ist. Denn nur wenige sprachbegabte Menschen haben die Fähigkeit, in kurzer Zeit eine Sprache auf hohem Niveau zu erlernen. Auch im Kino-Journal kam man diesbezüglich zu folgendem Schluss: „Eine generelle Lösung der Frage der Internationalisierung des Tonfilms ist aber das Sprachenlernen natürlich nicht, weil es sich hier immer nur um einzelne Schauspieler und wenige Sprachen handeln wird. Aber eine Lösung, die wie das Ei des Kolumbus alle Schwierigkeiten mit einem Schlage aus dem Wege räumt, wird sich überhaupt schwerlich 20

finden lassen.“

Über das Sprechen- und Sprachenlernen bzw. den Verlust der Internationalität hinaus scheint auch die notwendige Stille bei den Filmaufnahmen, von der Liane Haid sprach, beeindruckend gewesen zu sein. Diese stellte im Vergleich zu den geräuschvollen Stummfilmaufnahmen ein Novum dar,21 war es doch zuvor möglich gewesen, während einer Aufnahme Anweisungen zuzurufen. Solche Praktiken waren nun obsolet geworden, wie z.B. eine Karikatur in Mein Film veranschaulicht (Abbildung 27): Demnach störten sogar Insekten und die knurrenden Mägen der Komparserie die Tonfilmaufnahme. Dem tobenden Filmregisseur wurde deshalb empfohlen, einen schalldämpfenden Helm zu tragen.

19 O.N.: „Die Sprache als Hindernis“, S. 9f. 20 Ebd., S. 10. 21 Vgl. Porges: „Tonfilm und Publikum“, S. 9; Dibbets: „Die Einführung des Tons“, S. 201f.

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Abbildung 27: Bedürfnisse bei Tonfilmaufnahmen und -vorführungen

Quelle: Mein Film, 1929 (UB Wien)

Doch nicht alle empfanden die neugewonnene Stille im Atelier als störend. Für Hugo Thimig war das Tonfilmatelier ein „Nervensanatorium“, das ihm eine Auszeit vom modernen Großstadtlärm bot.22

22 Hugo Thimig: „Kurze Bemerkungen zu meinem ersten Tonfilm“, in: Mein Film 5/254 (1930), S. 8.

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Der Tonfilm stellte aber nicht nur die Filmschaffenden vor Herausforderungen, auch die Theoretiker waren sich im Hinblick auf den Stellenwert und das Potenzial der neuesten technischen Errungenschaft unsicher. War der sprechende Film abgefilmtes Theater, reines Industrieprodukt oder doch Kunst?23 Grundsätzlich standen die meisten Autoren dem Tonfilm anfangs skeptisch gegenüber: „In allen Ländern hatten Filmkritiker, besonders die Vertreter des Kunstfilms, große Schwierigkeiten, die neue Technologie zu akzeptieren und in ihr ästhetisches Verständnis zu integrieren.“24 Zwar war der Ton immer dasjenige Merkmal gewesen, das im Vergleich zum Theater fehlte; nun, da das Bild aber nicht mehr tonlos war, bedauerte man das „Sterben“ der stummen Filmkunst.25 Vor allem für Theoretiker, die dem Stummfilm ein autonomes Kunstpotenzial zugesprochen hatten, wie Béla Balázs, war der Tonfilm zunächst eine Bedrohung. Balázs sprach sogar von einer Katastrophe, die über die „Kultur des visuellen Ausdrucks“ hereingebrochen sei.26 Zeitgleich räumte er aber auch ein, dass der Tonfilm neue Möglichkeiten biete. Allerdings verglich er diese immer noch mit den visuellen Elementen, was sich auch in seiner Terminologie widerspiegelte (z.B. „Tongroßaufnahme“, „Tonperspektive“). 27 Dazu bemerkt Helmut H. Diederichs: „Auch wenn die klassischen Autoren der formästhetischen Filmtheorie so ihre Schwierigkeiten mit dem Ton im Film hatten, nahmen sie doch frühzeitig Stellung dazu und suchten seine Formgesetze zu ergründen.“28 In dieser Hinsicht taten sich besonders die sowjetischen Theoretiker (Eisenstein, Pudowkin, Alexandrow) hervor, die sich darüber einig waren, dass der Tonfilm nur dann Kunst sein konnte, wenn der Ton asynchron eingesetzt wurde. Der Ton sollte darum nicht das Filmbild untermalen oder die gesprochenen Inhalte widerspiegeln, sondern Kontraste setzen.29

23 Vgl. Palfy: Kino und Film in der Ersten Österreichischen Republik, S. 14. 24 Dibbets: „Die Einführung des Tons“, S. 201. 25 Das äußerte sich auch darin, dass man den Stummfilm für nächste Generationen archivieren wollte: „Die anfängliche Angst, die Einführung des Tons könnte vielleicht eine Katastrophe auslösen, führte zu einem Bewußtsein für Filmgeschichte [...].“ Vgl. ebd., S. 203. 26 Béla Balázs: „Tonfilm (1930)“, in: Geschichte der Filmtheorie, hg. von Diederichs, 2004, S. 359–372, hier S. 359 (Orig.: Der Geist des Films. Halle: Knapp, 1930). 27 Vgl. ebd., S. 362f. u. 369–372. 28 Diederichs: „Zur Entwicklung der formästhetischen Theorie des Films“, S. 25. 29 Vgl. ebd., S. 25f.

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Doch auch wenn man in Theorie und Praxis dem Tonfilm anfangs skeptisch gegenüberstand, ließ sich der technische Fortschritt nicht mehr aufhalten und bald war klar, dass auch der Tonfilm geeigneten Nachwuchs benötigte. Zunächst wurde, aufgrund der vermeintlichen Nähe zum Theater, primär nach tonfilmgeeigneten TheaterschauspielerInnen gesucht. Das zeigt z.B. der „Aufruf an die Bühnenschauspieler Österreichs[,] die zum Ton- und Sprechfilm wollen“30, eine Aktion von Mein Film im Jahr 1930. Zweck der Aktion war es, ähnlich dem Archiv für StummfilmaspirantInnen, ein Verzeichnis mit bühnenerfahrenen SchauspielerInnen der österreichischen Sprech-, Opern- und Operettenbühnen anzulegen, die offen für die Mitwirkung beim Tonfilm waren. Ob man bereits einen bestimmten Grad an Berühmtheit erreicht hatte oder nicht, war unerheblich – wichtig war nur, dass man einen Nachweis über ein Engagement an einer seriösen Bühne erbringen konnte. Zudem wurde verlangt, dass die BewerberInnen sich mittels Bildpostkarte bewarben, auf deren Rückseite sie Informationen zum Alter, zur Nationalität, zum Rollenfach, zur Bühnenerfahrung, zu den Sprachkenntnissen, zu spielfreien Zeiten, zur bisherigen Filmerfahrung und gegebenenfalls auch zur Stimmlage angeben sollten. Sobald sich ein Regisseur oder Produktionsleiter nach Einsichtnahme des Verzeichnisses für eine Person interessierte, wurde diese dann zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Noch im selben Jahr (1930) stellte man in Mein Film jedoch fest, dass auch nach neuen und bühnenunerfahrenen Talenten gesucht werden sollte.31 Begründet wurde diese Forderung damit, dass das Sprechen im Tonfilm andere Anforderungen an den Schauspieler stelle als das Sprechen auf der Bühne. Außerdem brauche „der Tonfilm unter allen Umständen Darsteller, die für die neue Form der Filmkunst [eigens] herangebildet und erzogen“ würden.32 Aus diesem Grund war man auch der Meinung, dass seriöse Tonfilmschulen gegründet werden müssten. Tatsächlich gab es in Wien Anfang der 1930er Jahre zwei Schulen dieser Art: das Universelle Lehrinstitut für Tonfilmkunst am Bauernmarkt und das Tonfilm-Seminar am Fischhof.33 Beide Institute boten mehrmonatige Ausbil-

30 Vgl. o.N.: „Aufruf an die Bühnenschauspieler Österreichs[,] die zum Ton- und Sprechfilm wollen. Eine Aktion der Zeitschrift ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 5/234 (1930), S. 9. 31 Vgl. o.N.: „Nachwuchs an Tonfilmdarstellern ist dringend nötig!“, in: Mein Film 5/247 (1930), S. 8. 32 Ebd. 33 Vgl. Edler: Heinz Hanus, S. 64f.; Fritz: Im Kino erlebe ich die Welt, S. 148f.; ders.: Kino in Österreich 1929–1945, Bd. [2]: 1929–1945. Der Tonfilm. Wien: ÖBV, 1991,

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dungen u.a. in Tonfilmdarstellung34 an. Das Tonfilm-Seminar forderte zudem, dass Neueintretende einen einmonatigen Vorbereitungskurs sowie eine Aufnahmeprüfung erfolgreich zu absolvieren hatten, bevor sie mit der Ausbildung beginnen konnten.35 Doch obwohl es seriöse Ausbildungsstätten in Wien gab, wurde der Filmschulbetrug in der frühen Tonfilmzeit weitergeführt. Darauf lässt zumindest ein Artikel in der Österreichischen Film-Zeitung schließen.36 Diesem ist zu entnehmen, dass die Betrüger nach demselben System vorgingen wie in den Jahren zuvor, welches geprägt war von falschen Versprechungen und finanzieller Ausbeutung.37 Die Film-Zeitung machte keinen Hehl daraus, dass sie solche Institutionen nun für noch unnötiger halte, als diese es schon zuvor gewesen seien. Denn es kämen ohnehin nur erstklassige BühnendarstellerInnen mit einer soliden Ausbildung und genügend Erfahrung als geeignete TonfilmschauspielerInnen infrage.38 Die punktuelle Skizzierung der Herausforderungen für SchauspielerInnen in der Frühphase der Tonfilmära konnte zeigen, dass der Tonfilm – als neues Medium – mit denselben „Dämonen“ zu kämpfen hatte wie der Stummfilm: Abgrenzung zur Bühne und zum Bühnenschauspieler, definitorische/theoretische Verortung, Herausbildung eines spezifischen Anforderungsprofils, Fragen nach

S. 28f. Die zitierten Schulprospekte waren im Filmarchiv Austria leider nicht mehr auffindbar. 34 Weitere Fachrichtungen waren: Tonfilmregie, Tonfilmdramaturgie, Aufnahmetechnik. Vgl. ebd. 35 Auch in der Fachpresse war man der Meinung, dass der Tonfilmnachwuchs getestet werden sollte – nun mittels Probeaufnahme und Stimmprüfung. Vgl. Otto Behrens: „Der Tonfilm-Nachwuchs“, in: Das Kino-Journal 23/1060 (1930), S. 7f., hier S. 8. 36 Vgl. o.N.: „Die Tonfilmschule“, in: Österreichische Film-Zeitung 4/39 (1930), S. 6. 37 Die erste Tonfilmschule mit fragwürdigen Absichten soll das Neue Wiener Konservatorium gewesen sein. Hier dürfte die Österreichische Film-Zeitung, geprägt vom Filmschulskandal der vorangegangenen Jahre, jedoch voreilig geurteilt haben. Die Verfasserin konnte eine Schule mit gleichem Namen ermitteln, die allerdings als seriöse Musiklehranstalt seit 1909 Bestand hatte und Anfang der 1930er Jahre den Tonfilm in ihre Lehrpläne aufnahm. Vgl. Eveline Möller: Die Musiklehranstalten der Stadt Wien und ihre Vorläufer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Neues Wiener Konservatorium, Wiener Volkskonservatorium, Konservatorium für volkstümliche Musikpflege in Wien, Musikschule der Stadt Wien, Musiklehranstalten der Stadt Wien. Diss., Universität Wien, 1994, S. 11–77. 38 Vgl. o.N.: „Die Tonfilmschule“, S. 6.

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der Eignung, Nachwuchsheranbildung und Filmschulbetrug. Doch dank der Erfahrungen der vorangegangenen Jahrzehnte, konnte der Tonfilm seinen Kinderschuhen schneller entwachsen, als dies dem Stummfilm, zumindest in Österreich, gelungen war.

8.2 RESÜMEE I: ZUR GENESE EINES HISTORISCHEN BERUF/SBILD/ES Ziel der vorliegenden Studie war es, den Beruf des Stummfilmschauspielers und der Stummfilmschauspielerin hinsichtlich der Arbeitsanforderungen, Arbeitsbedingungen, Ausbildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen zu untersuchen. Vor dem Hintergrund der Wiener Stummfilmgeschichte, die in vielen Bereichen noch unerforscht ist, konnte die Entwicklung zu einem eigenständigen Beruf/sbild auf schauspieltheoretischer, berufspraktischer und filmökonomischer Ebene nachvollzogen werden. Der Grundpfeiler der Untersuchung war die systematische, quellenkritische und inhaltliche Auswertung aller in den Wiener Bibliotheken auffindbaren österreichischen Stummfilmperiodika (1907–1930), die als umfangreichste Quellen zum Thema gelten dürfen. Damit wurde einerseits gezeigt, dass die Filmzeitschriften der Stummfilmzeit einen hohen informativen Wert für die Filmforschung im Allgemeinen und die lokale Stummfilmforschung im Speziellen haben. Andererseits konnten ausgehend von den Informationen in den Filmperiodika, die primär in theater-, film- und medienhistorische Kontexte eingebettet wurden, erstmals berufsbezogene Fragen im Detail beantwortet werden. Für die Situation der Wiener Stummfilmindustrie, die als wirtschaftliches und produktivstes Zentrum des österreichischen Stummfilms gelten darf, lassen sich in Bezug auf den Beruf des Stummfilmschauspielers/der Stummfilmschauspielerin insgesamt fünf zentrale Ergebnisse zusammenfassen: 1. Die ersten Schauspielkräfte, die der österreichische (Kunst-)Film einsetzte, kamen von der Bühne (vgl. Kernkapitel 3). Die Tätigkeit anerkannter Wiener TheaterschauspielerInnen wurde allerdings im Rahmen der Kino-Debatten hinterfragt und missbilligt. Den mitwirkenden KünstlerInnen wurde der Verrat an ihrer Kunst vorgeworfen und ausschließlich materielle Beweggründe nachgesagt. Doch die Motive, um in dem noch jungen Medium mitzuwirken, waren nicht nur finanzieller Natur, sondern auch ideeller. Für arrivierte Bühnenlieblinge, wie Alexander Girardi, war es reizvoll, die eigenen darstellerischen Leistungen mittels der kinematografischen Aufnahmen für die Nachwelt archivieren zu können. Jüngere und ambitionierte BühnenschauspielerInnen wollten hingegen sich selbst beim Spielen auf der Leinwand beobachten, um daraus zu lernen. Im

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Idealfall hatte das Filmen daher einen positiven Effekt auf den Schauspieler. Dennoch waren die Wiener Theaterdirektoren besorgt um ihre KünstlerInnen. Vor allem aber machten ihnen die wirtschaftlichen Einbußen, die durch deren Tätigkeit für den Film entstehen konnten, Sorgen. Die Filmverbote waren darum Versuche der Theaterdirektoren, einem vermeintlich negativen Trend entgegenzuwirken, der jedoch nicht mehr aufzuhalten war. Bekannte Bühnengrößen stellten sich ab der Jahrhundertwende international für die Kinematografie zur Verfügung. Eine der Ersten war Sarah Bernhardt; lokale Künstler wie Alexander Girardi oder Viktor Kutschera folgten in Wien im Laufe der 1910er Jahre, als sich auch hierzulande eine eigene Spielfilmproduktion zu entwickeln begann, die den Ansprüchen des Film d’Art genügen wollte. Bezeichnend ist in dieser Hinsicht auch, dass Alfons Weisse, Direktor des Deutschen Volkstheaters in Wien und Verfechter des Filmverbots von 1912, wenige Jahre später selbst vor der Kamera stand. 2. Erste filmeigene SchauspielerInnen bzw. Stars wurden ab 1915 von den Wiener Filmfirmen gezielt aufgebaut und können als Zeichen gewertet werden, dass der Film und auch der Schauspielerberuf sich zu etablieren begannen (vgl. Kernkapitel 7). Während des Ersten Weltkriegs erfuhr die bis dahin noch am Anfang stehende österreichische Filmindustrie durch Einfuhrverbote erstmals einen Aufschwung. Die eigene Produktion wurde angekurbelt und damit die ersten filmeigenen Stars aufgebaut. Als erster österreichischer Leinwandstar gilt bis heute Liane Haid, die mit ihrem Aussehen und ihren Rollen den Wiener Filmtyp kreierte: das süße Wiener Mädel. Insgesamt gab es aber nur wenige StummfilmschauspielerInnen, die als österreichische Kinostars gelten können, wobei das Wort „österreichisch“ geografisch erweitert werden musste. Denn vier der neun erwähnten genuinen Filmstars (Carmen Cartellieri, Maria Corda, Lucy Doraine, Magda Sonja) waren außerhalb der Grenzen des heutigen Österreichs, in Ungarn oder Tschechien, geboren worden. Außerdem hatten die meisten lokalen Stars schon bald der Wiener Stummfilmindustrie den Rücken gekehrt, um ihre bereits erfolgreichen Karrieren im Ausland, vor allem in Deutschland und den USA, noch weiter vorantreiben zu können. An dieser Stelle sei auch nochmals darauf hingewiesen, dass der genuine Filmstar im Rahmen dieser Arbeit nicht unbedingt als branchenfremde Person definiert wurde, sondern als jemand, dessen Popularität primär auf seiner Filmarbeit und nicht etwa auf einer früheren Tätigkeit für die Bühne beruhte (Star der Leinwand, picture personality). Zudem wurde festgelegt, dass die Filmstars, ähnlich ihren KollegInnen vom Theater, durch ein großes Publikumsinteresse (Fanbriefe, Autogrammwünsche, Fanartikel), eine regelmäßige Medienpräsenz (Film, Printmedien, Bühne) sowie eine punktuelle oder langfristige internationa-

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le Tätigkeit (Filmgastspiele, Engagements im Ausland) zu populären Filmpersönlichkeiten wurden. Darüber hinaus waren auch die Einzigartigkeit in Bezug auf das Anforderungsprofil (Wiedererkennungswert) und ein zum Image passendes Rollenfach (Filmtyp) Faktoren, die einen Stummfilmdarsteller aus der Masse der Unbekannten herausheben konnten. 3. Mit der Entwicklung zum Mode- und Traumberuf und der Entstehung einer ersten Interessenvertretung als Konsequenz der realen Arbeits- und Ausbildungssituation kann der Filmschauspielerberuf in Österreich 1919 als weitestgehend etabliert gelten (vgl. Kernkapitel 6). Anfang der 1920er Jahre hielt der Aufschwung der österreichischen Filmwirtschaft noch an. Filmbegeisterte KinobesucherInnen suchten daher, angetrieben von ihren Träumen einerseits und den Folgen des Kriegs andererseits, ihr Glück beim Film. Doch ohne entsprechende Schauspielerfahrung und Filmeignung endeten diese zumeist jobsuchend in der Wiener Filmbörse, die 1919 vom im selben Jahr gegründeten Verband der Filmdarsteller als erste Arbeitsvermittlungsplattform für FilmschauspielerInnen ins Leben gerufen worden war. Den Reportagen der (Film-)Journalisten zufolge konnten die StaraspirantInnen dort aber im besten Fall nur ein Engagement in der Statisterie oder Komparserie eines neuen Filmprojekts ergattern. In der Regel mussten die Auserkorenen außerdem mit langen und strapaziösen Arbeitstagen sowie geringen Honoraren rechnen. So verdiente ein Statist 1919 trotz Kollektivvertrag, je nachdem ob er die entsprechende Garderobe bereits zu den Dreharbeiten mitbringen konnte oder nicht, pro Aufnahmetag zwischen 30 und 35 Kronen. Aufgrund der Nachkriegsinflation verlangten die StatistInnen daher bereits 1920 eine Erhöhung der Honorare auf 100 bis 200 Kronen. Um den beschriebenen Strapazen zu entgehen, versuchten Filmschauspielinteressierte über die Ausbildung in einer Filmschule an ein Engagement bei einer Wiener Filmfirma zu gelangen. Doch der Mangel an seriösen Ausbildungsmöglichkeiten ermöglichte es den Filmschulbetrügern, Ausbildungswillige mit dem nicht einlösbaren Versprechen, sie zum nächsten Filmstar zu machen, anzulocken und finanziell auszunützen. Die BetrügerInnen gingen dabei immer nach dem gleichen System vor: Die SchülerInnen mussten einen mehrwöchigen, inhaltlich mangelhaften und kostenpflichtigen Kurs besuchen. Das ging so lange, bis diese die Seriosität der Schule anzuzweifeln begannen. Zu diesem Zeitpunkt war der Filmschulbetreiber in den meisten Fällen aber nicht mehr auffindbar bzw. bereits mit den Kursgeldern verschwunden. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich eine dreiteilige, sich teils überlappende Periodisierung der Entwicklung des Filmschauspielerberufes im Kontext der österreichischen Stummfilmgeschichte (vgl. Tabelle 14). Die nachfolgende Tabelle

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zeigt auch die Entwicklungen in der Wiener Filmbranche (rechte Spalte) auf, die die Genese des Berufes bedingten oder den einzelnen Phasen vorausgingen: Tabelle 14: Entwicklungsphasen des Stummfilmschauspielerberufes in Österreich Entwicklungsphasen

Zentrale Ereignisse

1907–1918

Kampf um Anerkennung als Kunstform

Filmverbote/Sondergenehmigungen für TheaterschauspielerInnen

1915–1919

Etablierung des Berufes bzw. Berufsbildes

Aufkommen erster Stars, Konstituierung erster Berufsvereinigungen

1919–1930

Entwicklung zum Mode- und Traumberuf

Filmschulbetrug, Ruf nach seriösen Ausbildungsmöglichkeiten

4. Trotz der skizzierten Berufsgenese gab es dennoch keine ausschließlich für den Film tätigen SchauspielerInnen – auch wenn diese von der Theorie gefordert wurden (vgl. Kernkapitel 4). Eine Verbindung zwischen Bühne und Film war immer gegeben, entweder durch vorherige Ausbildungen und Erfahrungen oder in Form von Gastspielen. Selbst Carmen Cartellieri, die keinerlei präkinematografische Schauspielerfahrung vorweisen konnte, trat als bereits populärer Kinostar auf der Bühne auf. Dennoch lassen die Unterschiede zwischen Bühnenund Filmschauspiel/er besonders die zeitgenössischen AutorInnen nach einem genuinen Filmkünstler rufen, der sich ausschließlich für den Film betätigt. In der zeitgenössischen Schauspielertheorie ließen sich insgesamt drei theoretische Tendenzen feststellen, deren Ziel es war, den Stummfilmschauspieler definitorisch zu erfassen und mit anderen darstellenden Ausdrucksformen zu vergleichen bzw. von diesen abzugrenzen: die Pantomime-, die Theaterschauspieler- und die Kinokünstler-Theorie. Die durch die inhärente Tonlosigkeit des Mediums bedingte Stummheit/Nicht-Hörbarkeit des Filmschauspielers wurde dabei je nach Theorieansatz als etwas Positives oder Negatives interpretiert. Für die Pantomime-Theoretiker (z.B. Walter Friedemann) fehlte der Ton nicht, sondern es verlagerte sich der Schwerpunkt einer Darstellung auf das mimische und gestische Spiel. Die Verfechter der Theaterschauspieler-Theorie (z.B. Victor E. Pordes) begriffen die Tonlosigkeit hingegen als ein Manko des Mediums, das bis zur Erfindung des Tonfilms bestehen bleiben würde. Ganz anders sahen dies die AutorInnen der Kinokünstler-Theorie (z.B. Friedrich Porges, Béla Balázs), die den Filmschauspieler als eigenständigen Künstler verstanden, der die medienspezifischen Eigenheiten für sich nutzen bzw. von einer bühnenüblichen Darstellungsweise abweichen und für den Film geeignete Ausdrucksformen finden sollte. Fest steht aber, dass die Tonlosigkeit des Filmschauspielers im Zentrum jeder

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theoretischen Auseinandersetzung stand und als das wesentliche Merkmal des Stummfilmdarstellers interpretiert wurde. 5. Der Beruf des Stummfilmschauspielers war ein eigenständiger Beruf, der sich von verwandten Berufen (Bühnen-, Tonfilmdarsteller) unterschied (vgl. Kernkapitel 5). Als wesentlichste Unterschiede zwischen Stummfilm- und Bühnenschauspiel/erInnen konnten folgende Punkte herausgearbeitet werden: (1) eine kurzfristig eingeübte und oft auch improvisierte Darstellung anstelle eines langsamen Herantastens an die Rolle, (2) ein dekorationsbestimmter anstelle eines handlungsbestimmten Szenenablaufs, (3) einige wenige (zum Teil unerwünschte) ZuschauerInnen anstelle eines unmittelbar reagierenden Theaterpublikums, (4) die Option, auch außerhalb geschlossener Räume zu spielen, (5) ein durch herausfordernde Arbeitsbedingungen (z.B. inszenierte Unfälle für Sensationsfilme, Freilichtaufnahmen im Winter) erhöhtes Risiko, sich bei der Arbeit zu verletzen oder zu erkranken. Die wesentlichen Unterschiede zum Tonfilmschauspieler waren zudem: (1) ein an das orthochromatische Filmmaterial angepasstes Make-up und Kostüm, das u.a. Rot- und Hauttöne vermied, (2) ein der Diskrepanz zwischen Aufnahme- und Vorführgeschwindigkeit geschuldetes zurückhaltendes „natürliches“ Spiel vor der Kamera (langsame, fließende Bewegungen), (3) die Integration der inhärenten Tonlosigkeit des Mediums in die Darstellung. Der Stummfilmschauspieler sollte folglich nicht so spielen, als wäre er auf der Bühne, sondern musste – im Sinne der Kinokünstler-Theorie – eigene Wege finden, sich auszudrücken. Einer dieser Wege war allerdings der verbale Ausdruck. Zwar konnte das Gesprochene von den ZuschauerInnen nicht gehört werden, aber die Reaktion des Zuhörenden verdeutlichte dem Kinopublikum den Inhalt des nicht hörbaren Dialogs. Das stummfilmspezifische Anforderungsprofil wurde in einem humoristischen Text in der Kinowoche 1919 folgendermaßen zusammengefasst: „Wie werde ich Kinoschauspieler? Man nehme – ich bleibe der althergebrachten Kochrezeptformel treu – einen Spiegel, blicke starr hinein, dann beginne man die Gesichtsmuskeln zu verzerren. Gelingt es einem ohne Mühe, die Mundwinkel fünf Zentimeter hinabzuziehen, die Augen nach oben und nach unten zu verdrehen, so hat man Talent [...]. Bringt man es jedoch rascher fertig, die Mundwinkel hinaufzuziehen bis zu den Ohren und vierzig- bis fünfzigmal in einer Sekunde mit den Augen zu zwinkern, so wird man bestimmt ein zweiter Max Linder [...]. Viel braucht man dann nicht mehr dazuzulernen: Nur Reiten, Fechten, Schwimmen, Boxen, Ertrinken, Klettern, Herabstürzen und andere ähnliche Kleinigkeiten. [...] Hat man aber alle diese Schwierigkeiten endlich hinter sich, so braucht man nur noch die nötige Garderobe zu besorgen. Selbstredend Friedensware, nach

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der letzten, allerletzten Mode. Es genügen einige Dutzend Anzüge, mehrere Dutzend 39

Schuhe und Hüte, sowie zehntausend Frackhemden [...].“

Dass es jedoch nicht genügte, nur Grimassen zu schneiden, ein schönes Gesicht zu haben und eine modische Garderobe zu besitzen, das konnte das fünfte Kernkapitel im Detail zeigen. Über die das äußere Erscheinungsbild betreffenden Erwartungen hinaus wurden ebenso ein schauspielerisches Talent und das Wissen um stummfilmspezifische Arbeitspraktiken als Grundvoraussetzungen gesehen, um den Beruf des Stummfilmschauspielers erfolgreich ausüben zu können. Die bisherige Zusammenfassung der Forschungsergebnisse impliziert bereits die Antwort auf die Frage, ob sich die stummfilmdarstellerische Arbeit zu einem Beruf entwickeln, also verberuflichen (oder sogar professionalisieren) konnte. Denn aus den genannten Punkten lässt sich Folgendes schlussfolgern: Die Tätigkeit der StummfilmschauspielerInnen, die zunächst ein zusätzliches Betätigungsfeld von BühnendarstellerInnen war, entwickelte sich ab Mitte der 1910er Jahre zu einem eigenständigen Beruf mit eigenen, stummfilmspezifischen Anforderungen und einer Arbeits- und Ausbildungssituation, die sich wesentlich von jener des Theater- und Tonfilmschauspielers unterschied. Die Gründung einer Interessenvertretung war ein bedeutender Schritt für die Etablierung des Berufes, indem der Verband der Filmdarsteller (und der Filmkomparserie) die Interessen der Mitglieder kollektiv nach außen vertreten konnte. Doch auch wenn den Berufsverbänden in der soziologischen Fachliteratur eine maßgebliche Rolle im Professionalisierungsprozess zugeschrieben wird, kann man davon ausgehen, dass sich der Beruf der StummfilmdarstellerInnen – aufgrund der Tatsache, dass über die Verbandsgründung hinausgehende Kriterien der Professionalisierung nicht erfüllt wurden – zu keiner Profession weiterentwickelt hatte. In Anlehnung an die in Abschnitt 1.2 erörterten berufs- bzw. professionssoziologischen Ansätze von Hartmann (1968) und Mieg (2016) kann folglich festgestellt werden: 1. Es gab keine akademische Ausbildung bzw. überhaupt keine seriöse Ausbildungsmöglichkeit für angehende StummfilmdarstellerInnen. Dadurch konnten sich auch die Berufsausübenden auf keine wissenschaftlich fundierte, theoriebasierte Wissensgrundlage stützen. Allerdings ließ sich ein Bemühen der Filmbranche beobachten, das berufsspezifische Wissen zu systematisieren und Erfahrungswissen weiterzugeben. Dies geschah einerseits in Form von handbuchartigen Publikationen, wie jenen, die in Kernkapitel 4 besprochen worden sind. Andererseits boten die Stummfilmperiodika eine geeignete Plattform, um das für

39 Josco Schubert: „Kinorezepte. Kochbuch fürs Kino“, in: Die Kinowoche 1/2 (1919), S. 3.

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die Berufsausübung notwendige Wissen zugänglich zu machen und darüber hinaus auch zu hinterfragen bzw. zu optimieren. 2. Weiters konnte festgestellt werden, dass es über die individuelle Bedürfnisbefriedigung (Lebensunterhalt, Selbstverwirklichung) hinausgehende kollektive Interessen gab. Diese wurden durch den Verband der Filmdarsteller vertreten, der sich ab 1919 für die soziale und materielle Absicherung seiner Mitglieder einsetzte. Zudem ermöglichte das geschlossene Auftreten auch, dass die primären Ziele des Verbandes, wie die kollektivvertraglichen Vereinbarungen mit den Filmfabrikanten, rasch umgesetzt werden konnten. 3. Der Verband der Filmdarsteller versuchte außerdem die berufliche Autonomie zu gewährleisten, indem er (a) die Leistungsentgeltung durch eine Honorarstaffelung im Kollektivvertrag bestimmte, (b) den Marktzutritt mittels der in den Statuten geregelten Mitgliederaufnahme begrenzte (FilmschulschülerInnen und -absolventInnen sollten radikal ausgeschlossen werden) und (c) eine Leistungsbewertung vornahm. Letzteres äußerte sich einerseits durch das Setzen von Standards, d.h., die StummfilmdarstellerInnen wurden je nach Aufgabengebiet und vorhandener Garderobe, also nach ihrem Leistungsvermögen, kategorisiert und unterschiedlich entlohnt. Andererseits versuchte der Verband durch die Gründung der Filmbörse Einfluss auf die Vergabe von Engagements zu nehmen. In dieser Hinsicht tolerierte der Verband auch keine Konkurrenz, weder durch den Klub der Wiener Filmdarsteller noch durch Engagements von Nichtmitgliedern. Ein weiteres Indiz für die Autonomiebestrebungen waren zudem innerprofessionelle Wettbewerbe wie Schönheits- und Filmkonkurrenzen, in deren Rahmen die Leistung von etablierten und angehenden FilmschauspielerInnen bewertet werden sollten. Allerdings wurden diese Wettbewerbe, wie die Mein FilmPrüfungen zeigen, in der Regel nicht vom Verband, sondern von FilmjournalistInnen organisiert. 4. Doch auch wenn es einen Verband gab, der die FilmdarstellerInnen Österreichs vereinigte und ihre Interessen nach außen hin vertrat, hatten diese kein Zuständigkeitsmonopol gegenüber anderen Berufen oder Berufsgruppen. Das zeigt sich darin, dass künstlerisch/darstellend Tätige aus verwandten Bereichen den Beruf des Stummfilmdarstellers ausüben durften. In den Statuten war sogar festgelegt, dass ordentliche Mitglieder Mitgliedschaften in ähnlichen Verbänden, wie dem Österreichischen Bühnenverein oder der Internationalen ArtistenOrganisation, vorzuweisen hatten. Da es keine seriöse Ausbildung für StummfilmdarstellerInnen gab, war dies der einzige Qualifikationsnachweis, den die Aufzunehmenden erbringen konnten.

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Die genannten Punkte sprechen dafür, dass sich die StummfilmschauspielerInnen in den wenigen Jahrzehnten ihrer Entwicklung zwar nicht professionalisieren konnten, aber dennoch verberuflicht hatten.

8.3 RESÜMEE II: ZUR QUELLENHISTORISCHEN HERANGEHENSWEISE Die österreichischen Stummfilmperiodika (Fach- und Verbandszeitschriften, Werksmitteilungen, Programmhefte, Publikumszeitschriften, Jahrbücher und Almanache, Filmbeilagen) sind hinsichtlich der Erforschung des Filmschauspielerberufes die umfangreichste erhaltene und inhaltsreichste Quelle. Diese stellt aber auch ein herausforderndes Medium dar. Zum Beispiel lassen sich bei Reprints aus anderen Periodika nicht immer entsprechende Quellenangaben finden. Das führt zu einer Unsicherheit in Bezug auf die Originalität der Beiträge. Selbst wenn es Angaben gibt, sind diese in den seltensten Fällen explizit (z.B. „vor kurzer Zeit“). Des Weiteren ist häufig die Identität des Autors nicht bekannt oder nicht mehr eruierbar. Das macht es umso schwerer, einen Artikel zu kontextualisieren. Eine zusätzliche Herausforderung ist außerdem die Tatsache, dass das Einstellungsdatum bzw. der Einstellungsgrund einer Zeitschrift nicht immer ermittelbar ist. Florian Pauer schreibt dazu in seiner Dissertation: „Da in den seltensten Fällen die Einstellung der jeweiligen Zeitschrift in der letzten Nummer angekündigt wurde und nur manchmal der handschriftliche Vermerk ‚eingegangen‘ auf den Bibliotheksexemplaren zu finden ist, ist das exakte Datum für die Einstellung einer Zeitschrift heute kaum mehr zu ermitteln. [...] Im günstigsten Fall ist das Ende der Erscheinungsweise im Periodikum selbst angekündigt.“

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Darüber hinaus sind Informationen, die sich in den Periodika zu Neuerscheinungen fanden, in zwei Fällen nicht nachweisbar gewesen. Sowohl die Erste Wiener Kino-Zeitung als auch der (Österreichisch-ungarische) Kinematographen-/KinoKalender sind in keiner österreichischen Bibliothek aufbewahrt worden. Bei Ers-

40 Pauer: Österreichische Filmpublizistik in der Pionier- und Aufbruchszeit der Kinematographie 1895–1918, S. 28. Vgl. auch Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik, S. 186; Nöhrer: Der Einfluss der wirtschaftlichen und politischen Situation auf Film- und Kinowesen in den Jahren 1918 bis 1929, S. 6f.; Palfy: Kino und Film in der Ersten Österreichischen Republik, S. 196.

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terer scheint es sich um eine einzige Ausgabe aus dem Jahr 1914 zu handeln, wohingegen der Kinematographen-/Kino-Kalender mehrere Jahrgänge zwischen 1914 und 1920 vorzuweisen gehabt hätte.41 Neben den quellenspezifischen gibt es zudem auch inhaltliche Herausforderungen, die nicht immer zufriedenstellend gelöst werden konnten. Zum Beispiel wurden manche Themen intensiv aufgegriffen, dann aber nicht weitergeführt, was den Historiker vor die oft unlösbare Frage stellt, wie ein Ereignis weiteroder ausgegangen ist.42 Speziell Themenbereiche, die noch nicht oder kaum erforscht worden sind, müssen – vor allem wenn auch andere Quellen bzw. Archivmaterialien keine Informationen dazu preisgeben – so vorerst lückenhaft bleiben. Doch selbst wenn ein Thema ausführlich besprochen wurde, garantiert das nicht immer eindeutige Ergebnisse. Denn die Filmzeitschriften bieten insofern keine Patentlösungen an, als man oft verschiedene Antworten auf eine Frage findet. Das betrifft z.B. die Frage, was die zeitgenössischen AutorInnen als „natürlich“ in Bezug auf den Schauspielstil ansahen. Die genannten Herausforderungen, die sich dem Filmhistoriker bei der Auswertung der (österreichischen) Stummfilmperiodika stellen, sollen die Problemfelder in der Arbeit mit dem Medium „Filmzeitschrift“ offenlegen, ohne jedoch auf die in Abschnitt 2.1 hingewiesene Bedeutung für die filmhistorische Forschung zu vergessen. Der Filmhistoriker Paolo Cherchi Usai bringt dies folgendermaßen auf den Punkt: „Working with old magazines is never as simple as consulting a book neatly divided into chapters and with an index, or even as consulting a modern specialized journal. Leafing through an old periodical is both a pleasure and an adventure for the eyes: it is like travelling in a time machine, and reliving – with no filters of any kind – the enthusiasms and tensions of a project in process. But it is an adventure that requires patience, precision and a certain amount of unrelenting stubbornness.“

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41 Vgl. o.N.: „Die Erste Wiener Kino-Zeitung“, in: Österreichischer Komet 7/210 (1914), S. 22 (Bez.: O.N.: „Ein Retter der Kinobranche“, in: Österreichischer Komet 7/209 (1914), S. 2); [Kinematographische Rundschau]: „Erster österreich.-ungarischer Kinematographen-Kalender und Handbuch 1914“, in: Kinematographische Rundschau 7/289 (1913), S. 59; [Neue Kino-Rundschau]: „Der ‚Kinematographen-Kalender 1920‘ der ‚Neuen Kino-Rundschau‘“, in: Neue Kino-Rundschau 3/145 (1919), n.pag. 42 Vgl. Pauer: Österreichische Filmpublizistik in der Pionier- und Aufbruchszeit der Kinematographie 1895–1918, S. 3. 43 Usai: Silent Cinema, S. 94.

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Das methodische Ziel dieses „Abenteuers“ war, jene Inhalte der österreichischen Stummfilmzeitschriften, die sich mit dem Beruf des Stummfilmschauspielers und der Stummfilmschauspielerin im Wien der 1910er und 1920er Jahre beschäftigten, quellenkritisch zu hinterfragen und zu interpretieren. Um die Texte in die jeweiligen historischen Kontexte einbetten und ihren Erkenntniswert ausmachen zu können, wurde mit aktueller und internationaler Forschungsliteratur ebenso wie mit zeitgenössischen Quellen (Publikationen, Tageszeitungen, Archivalien) gearbeitet. In der Regel waren die genannten Quellen problemlos in den österreichischen Bibliotheken und Archiven auffindbar und zugänglich bzw. gegebenenfalls mittels Fernleihe zu beschaffen. Eine Ausnahme bildeten die Akten zum Filmverbot von 1912 und den Gerichtsprozessen von Liane Haid (1918), Hubert Marischka (1919) und Franz Ferdinand Bertram (1925). Im Folgenden sollen daher jene Akten, die nicht gefunden werden konnten, kurz besprochen und die möglichen Gründe für die Nichtauffindbarkeit genannt werden: • Filmverbot für die Ensemblemitglieder des Deutschen Volkstheaters (1912,

vgl. Kapitel 3.3.2): Archivmaterialien des Volkstheaters aus der Zeit vor 1945 werden im Österreichischen Theatermuseum verwahrt. Schriftliche Anfragen sowie die persönliche Durchsicht des „Archiv Volkstheater“ (sechs Archivschachteln) blieben leider ohne Ergebnis, da die darin befindlichen Dokumente überwiegend aus der Gründungsphase stammen bzw. die Tätigkeiten des Vereins Deutsches Volkstheater dokumentieren.44 Weitere Archivmaterialien des Deutschen Volkstheaters befinden sich in der Wienbibliothek im Rathaus (Dokumente nach 1945), im Wiener Stadt- und Landesarchiv, im Österreichischen Staatsarchiv und in der Österreichischen Nationalbibliothek (Autografen von Direktor Adolf Weisse)45. Akten aus der Direktion des Deutschen Volkstheaters von 1912 konnten aber auch in den genannten Archiven keine gefunden werden. Der Schluss liegt nahe, dass diese nicht mehr existieren bzw. vernichtet wurden. • Prozess Liane Haid vs. die Wiener Kunstfilm (Mai 1918, Bezirksgericht Josefstadt, vgl. Abschnitt 7.3): Auch die Akten des Liane-Haid-Prozesses dürften nicht mehr existieren. Laut dem Wiener Stadt- und Landesarchiv wurden die sogenannten C-Akten (Streitsachen/Zivilprozesse) des Bezirksgerichts Josefstadt, an dem der Prozess verhandelt worden war, nie an das Archiv über-

44 Vgl. ÖTM, Archiv Volkstheater, Karton 1–6. 45 Vgl. u.a. ÖNB, Han, Autogr. 572/71-6: Rundschreiben von Adolf Weisse an das Ensemble des Deutschen Volkstheaters vom 02.11.1911.

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mittelt.46 Im Archivinventar von 1993 werden zwei mögliche Gründe dafür genannt: „[...] die in der Riemergasse gelagerten Bestände der Bezirksgerichte 1–9 waren durch einen Luftangriff 1944 stark dezimiert, andere Akten bereits vorher ohne Zustimmung des Archivs vernichtet worden [...].“47 • Prozess Hubert Marischka vs. die Wiener Kunstfilm (Urteil 1919, Oberster Gerichtshof, vgl. 6.3.4 und 7.3.2): In den Entscheidungen des österr. Obersten Gerichtshofes in Zivil- und Justizverwaltungssachen ist kein Hinweis auf den Hubert-Marischka-Prozess zu finden.48 Möglicherweise hatte dieser Fall nicht genug Gewicht, um Eingang in die Publikation zu finden. Anzunehmen ist zudem, dass die Akten dem Justizpalastbrand von 1927 zum Opfer gefallen sind. Für diese Arbeit wäre besonders das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom Mai 1919 relevant gewesen, da dieses den Filmdarsteller als Arbeiter und nicht als darstellender Künstler definierte. • Prozess Dr. Franz Ferdinand vs. die Filmwelt (1925, Handelsgericht, vgl. Kapitel 6.2.2): Die Problematik, die sich hinsichtlich des Auffindens der Akten in diesem Fall stellt, ist, dass jene Namensregister zu den Cg-Akten (Zivilprozesse) des Handelsgerichts Wien von 1925 fehlen, die die Aktenzahl des Prozesses hätten verraten können.49 Allerdings konnten die erhaltenen Verzeichnisse Aufschluss darüber geben, dass tatsächlich zahlreiche Prozesse gegen Franz Ferdinand Bertram angestrebt worden waren.50

46 Vgl. WStLA: schriftliche Auskunft (E-Mail) vom 27.04.2016. 47 Brigitte Rigele: Staatliche Gerichte. Archivinventar. Wien: Wiener Stadt- und Landesarchiv, 1993 (= Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs; Reihe A, Serie 2, Heft 3), S. 9. 48 Vgl. Österreichischer Oberster Gerichtshof (Hg.): Entscheidungen des österr. Obersten Gerichtshofes in Zivil- und Justizverwaltungssachen, Bd. I: Jahrgang 1919 (Entscheidung Nr. 1 bis Nr. 101), unveränderter Nachdruck. Wien: Österreichische Staatsdruckerei, 1928 (Orig.: 1922); alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?apm=0&aid=ogh&datum=0061, 01.07.2016. 49 In den Registern ist nach den Namen der Beklagten zu suchen. Unter „U“ wie Universale Ges.m.b.H. (Eigentümer, Herausgeber und Verleger der Filmwelt) gab es keinen Eintrag zu finden. Die Register zu „F“ fehlen, weshalb nicht nach „Filmwelt“ gesucht werden konnte. 50 Vgl. WStLA, Handelsgericht, B22 – Cg – Namensverzeichnisse: 3-2 Cg, 10-4 Cg, 165 Cg, 22-6 Cg, 57-15 Cg, 87-20 Cg. Im Namensverzeichnis 57-15 Cg befindet sich u.a. das Register „Be“. Dr. Ferdinand ist dort mit seinem Nachnamen „Bertram“ als Beklagter angeführt.

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Darüber hinaus ist es auch nicht möglich gewesen, Statistiken zu haupt- oder nebenberuflich tätigen StummfilmschauspielerInnen/-statistInnen/-komparsInnen zu finden. Für Österreich konnten keine Daten eruiert werden, die die vielfach in den Stummfilmperiodika wiederholte Behauptung, das Angebot an StummfilmdarstellerInnen habe die Nachfrage seitens der Filmfabriken bei Weitem übertroffen, hätten belegen oder auch widerlegen können. Der Grund ist in den fehlenden Berufsstatistiken zu finden: Laut Statistik Austria liegt für den angefragten Zeitraum (1910–1930) nur eine Berufsstatistik für das Jahr 1910 vor, die im Rahmen der Volkszählung publiziert worden war. Eine weitere umfangreiche Berufsstatistik wurde nach dem Ersten Weltkrieg aus finanziellen Gründen erst wieder 1934 erstellt. Volkszählungen gab es zwar auch 1920 und 1923, doch jene von 1920 war verunglückt, d.h., die Zahlen sind nicht brauchbar, und jene von 1923 enthielt keine Berufsstatistik. Zu den existierenden Berufsstatistiken für 1910 und 1934 ist zudem zu bemerken, dass die Systematik breit gefasst wurde, weshalb StummfilmschauspielerInnen nicht extra ausgewiesen worden sind.51 Trotz der hier offengelegten Lücken in der Quellenlage darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass zahlreiche Akten gefunden werden konnten, die Aufschluss über den Beruf des Stummfilmschauspielers gaben. Dazu zählen besonders die Akten des Verbandes der Filmdarsteller, die nicht nur Daten zur Gründung und Auflösung des Verbandes, sondern auch dessen Statuten und Börsenordnung enthielten. Außerdem unterstreicht die Tatsache, dass manche Akten nicht auffindbar waren oder statistische Zahlen nicht existieren, den Wert, den die Stummfilmperiodika für filmhistorische Forschungsarbeiten haben. Informationen und Daten, die anderenfalls verloren gegangen wären, konnten so überliefert werden. Zwar ersetzen Prozessberichte nicht das Aktenmaterial, aber mithilfe weiterer zeitgenössischer Quellen, wie den Tageszeitungen, können die Inhalte so gut wie möglich rekonstruiert werden.

8.4 WEITERE FORSCHUNGSFELDER Die Erforschung des Stummfilmschauspielers hat auch Themen zum Vorschein gebracht, die aufgrund der inhaltlichen Abgrenzung nur am Rande Eingang finden konnten. Darum soll zum Abschluss das Augenmerk auf jene Themenbereiche gerichtet werden, die noch einer grundsätzlichen oder vertiefenden wissenschaftlichen Aufarbeitung bedürfen. Ein solcher Themenbereich sind besonders

51 Vgl. Statistik Austria: schriftliche Auskunft (E-Mail) vom 23.05.2016.

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die Berufsfelder des österreichischen Stummfilms. Sowohl künstlerische als auch technische Berufe (z.B. Filmregisseur, Operateur) sind noch ungenügend erforscht. Auch in Bezug auf den Beruf des Stummfilmschauspielers gäbe es noch einige weitere Herangehensweisen, die ein neues Licht auf den Beruf bzw. das Berufsbild werfen könnten. So würde zum einen eine Analyse von Stummfilmen, die den Schauspielerberuf verhandeln, Sinn machen, da diese die zeitgenössische Wahrnehmung offenlegen könnte. Zum anderen wäre eine Analyse der Filmbeschreibungen (Filmkritiken) hinsichtlich einzelner Schauspielstile und personenbezogener Darstellungsweisen wünschenswert. Darüber hinaus musste festgestellt werden, dass es nur wenig Forschungsliteratur zu den österreichischen Stummfilmstars gibt. Biografische Monografien sollten daher zu den einzelnen Filmpersönlichkeiten erarbeitet werden, ebenso wäre ein Lexikon mit Kurzbiografien ein Gewinn für nächste Forschergenerationen. Außerdem könnte die Rezeption österreichischer Stummfilmstars in ausländischen/fremdsprachigen Filmperiodika untersucht werden, allen voran aus jenen Ländern, in welchen die Stars längerfristige Engagements angenommen hatten. Daher empfiehlt sich fürs Erste die Durchsicht deutscher und US-amerikanischer Stummfilmzeitschriften. Umgekehrt wäre eine Studie denkbar, die die Berichterstattung über ausländische Stummfilmstars in den österreichischen Filmperiodika untersucht. Um den Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zu sprengen, wurde der Begriff des Filmperiodikums enger gefasst und deshalb Tageszeitungen aus dem Untersuchungsmaterial ausgeklammert. Eine quellenkritische Auswertung der Zeitungen bezüglich film- und berufsbezogener Fragen wäre besonders im Vergleich mit den zuvor präsentierten Ergebnissen spannend. Eine mögliche Frage, die man sich stellen könnte, ist, wie die politisch gefärbten Wiener Tageszeitungen über den Film und seine DarstellerInnen berichteten und inwieweit sich die Inhalte mit jenen der Filmzeitschriften decken. Zu guter Letzt ist es auch wünschenswert, wenn, basierend auf den Ergebnissen dieser Untersuchung, die sich als Grundlagenforschung versteht, interdisziplinäre Studien hervorgehen würden. Diesbezüglich essenziell wäre eine Forschungsarbeit mit einer feministischen Herangehensweise, die sich, ähnlich den Hochschulschriften zur Erforschung der Theaterschauspielerin, fragt, ob und inwiefern Stummfilmschauspielerinnen diskriminiert wurden. In den vorangegangenen Kapiteln ist, wo es notwendig erschien, auf genderdiskriminierende Aspekte hingewiesen worden, etwa bei der wertkonservativen Berichterstattung über weibliche Stars.

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Zahlreiche Forschungsdesiderate sind folglich dort zu finden, wo es um Fragen der Verberuflichung/Professionalisierung der Stummfilmbranche geht. Berufsbezogene Fragestellungen sollten daher zukünftig mehr in den Vordergrund rücken. Die vorliegende Arbeit wollte hier einen Anfang machen und in dieser Hinsicht eine Lücke in der Erforschung des österreichischen Stummfilmschaffens schließen.

Quellenverzeichnisse

STUMMFILM- UND FRÜHE TONFILMPERIODIKA Das nachfolgende Verzeichnis der zitierten Stummfilm- und frühen Tonfilmperiodika ist nach Abschnitten unterteilt. Dadurch soll ersichtlich werden, welche zeitgenössischen Beiträge zu welchem Themenkomplex gehören. Innerhalb der Abschnitte sind die Beiträge alphabetisch geordnet. Um dies zu erleichtern, wurden Zahlen im Titel ausgeschrieben. Diesbezügliche Änderungen wurden mit eckigen Klammern angezeigt (z.B. [Fünfzig] anstelle von 50). Die ebenfalls in eckigen Klammern angegebenen Autorenkürzel (z.B. O.N. [A.D.]) hatten – im Gegensatz zu den bekannten Autorennamen – keinen Einfluss auf die alphabetische Sortierung. 1.1 O.N.: „Der Film als Beruf: I. Der Beruf der Filmschauspielerin“, in: Mein Film 1/3 (1926), S. 8. O.N.: „Der Film als Beruf: II. Der Beruf des Filmdarstellers“, in: Mein Film 1/4 (1926), S. 10. 2.3 O.N. (Red.): „An unsere Leser!“, in: Der Kinobesitzer 3/72 (1919), S. [1]f. O.N.: „AN UNSERE LESER!“, in: Neue Kino-Rundschau 2/85 (1918), S. 61. O.N.: „Eine Anerkennung für die ‚Kinematographische Rundschau‘. Unser Blatt als offizielles Fachorgan“, in: Kinematographische Rundschau 1/20 (1907), S. [1]. O.N.: „Eine Kinozeitung für das Kinopublikum“, in: Der Kinobesitzer 3/61 (1919), S. 6f.

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O.N. (Red.): „Ein Wort an unsere Leser!“, in: Das Welttheater 1/1 (1912), S. [3]f. O.N.: „Nummer 1000“, in: Das Kino-Journal 22/1000 (1929), S. 4–6. O.N.: „Statt vieler Worte“, in: Die Filmwelt 3/24 (1921), S. 10. Pordes, Victor E.: „Film und Presse“, in: Komödie 2/11 (1921), S. 11f. 3.1 [Leveque, Jean]: „Wie Sarah Bernhard [sic!] über das Kino denkt“, in: Die Filmwoche 2/60 (1914), S. 4 u. 21 – Die Filmwoche (Ausgabe B) 1/1 (1914), S. 6–8 (Orig.: „Sarah Bernhardt et le Cinéma“, in: Le Courrier Cinématographique 4/17 (1914), S. 28f.; „En écoutant ‚Sarah‘ parler du cinéma“, in: 1 Le Journal 7873, 17. April 1914, S. 7) . O.N.: „Sarah Bernhardt über das Kino“, in: Der Filmbote 2/34 (1919), S. 13 – Neue Kino-Rundschau 3/117 (1919), S. 17 (Orig.: nicht eruierbar). O.N.: „Theater und Kino“, in: Österreichische Volks-Zeitung 351, 25. Dezember 1913, S. [13]–15. O.N.: „Theater und Kino. Äußerungen bekannter Schauspieler“, in: Kinematographische Rundschau 8/304 (1914), S. 16, 24, 30 u. 34 (Orig.: Österreichische Volks-Zeitung 351, 25. Dezember 1913, S. [13]–15). 3.2 Fuchs, Hans: „Der Film als Bewahrer der Geste“, in: Das Welttheater 1/9 (1912), S. 15. Götz, R.: „Der unsterbliche Schauspieler“, in: Kinematographische Wochenschau 3/42 (1912), S. 31f. Hermann, Rudolf: „Kino-Karikaturen“, in: Das Welttheater 1/5 (1912), S. 7. Kayßler, Friedrich: „Was das Kino dem Schauspieler gibt“, in: Österreichischer Komet 6/181 (1913), S. 32 – Österreichischer Komet 8/269 (1915), S. 4 u. 9. Landesberg, Alexander: „Ja, zu meiner Zeit!“, in: Das Welttheater 1/2 (1912), S. 5.

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Bei dem Artikel aus Le Courrier Cinématographique handelt es sich um einen kommentierten Wiederabdruck. Das Originalinterview stammt aus der Pariser Tageszeitung Le Journal. Vgl. Leveque: „‚Sarah‘ spricht zu uns über das Kino“, S. 14 [Anmerkung von Sabine Lenk]. Welcher der beiden Texte als Vorlage für den Reprint in der Filmwoche diente, lässt sich heute nur mehr schwer sagen.

Quellenverzeichnisse | 437

Marischka, Hubert: „Girardis Film und Denkmal“, in: Die Bühne 3/76 (1926), S. 1f. Ders.: „Wie der Girardifilm zustande kam“, in: Kinematographische Rundschau 7/275 (1913), S. 21. O.N.: „Alexander Girardi im Film“, in: Kinematographische Rundschau 7/262 (1913), S. 6. O.N.: „Alexander Girardi über sein Kinodebüt“, in: Kinematographische Rundschau 7/263 (1913), S. 6 u. 8 (Orig.: „Girardi über Theater und Kino. Ein Gespräch mit dem Künstler“, in: Neues Wiener Tagblatt 78, 20. März 1913, S. 10). O.N.: „Das kinematographische Archiv. (Die Anregung des ‚Welttheaters‘)“, in: Das Welttheater 1/2 (1912), S. [3]–5. O.N. [Li.]: „Das Theater der Illusion“, in: Kinematographische Rundschau 2/33 (1908), S. 2f. (Orig.: „Das Theater der Illusionen“, in: Fremden-Blatt 143, 24. Mai 1908, S. 6f.). O.N.: „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze ... der Film erhält ihn lebendig“, in: Mein Film 1/3 (1926), S. 7. O.N.: „Der Girardi-Film“, in: Österreichischer Komet 6/173 (1913), S. 51. O.N.: „Der Girardi-Film. Alexander Girardi’s Erfahrungen als Filmdarsteller. Was Girardi einem Mitarbeiter der ‚Kinematographischen Rundschau‘ erzählt“, in: Kinematographische Rundschau 7/270 (1913), S. 27 u. 30. O.N.: „Die Aufgaben des Kino“, in: Österreichischer Komet 5/86 (1912), S. 6f. O.N.: „Die Schaffung eines Kinematographischen Archivs. Ein Vorschlag des ‚Welttheaters‘“, in: Das Welttheater 1/1 (1912), S. 4f. O.N.: „Girardi im Film“, in: Österreichischer Komet 6/152 (1913), S. 8 u. 37. O.N.: „Erkenne Dich selbst!“, in: Kinematographische Wochenschau 5/20–21 (1914), S. 34. O.N.: „Kino-Gagen“, in: Österreichischer Komet 6/155 (1913), S. 39 (Orig.: nicht eruierbar). O.N.: „Kino-Schulen“, in: Österreichischer Komet 7/202 (1914), S. 41. O.N.: „Sarah Bernhardt über das Kino“, in: Der Filmbote 2/34 (1919), S. 13 – Neue Kino-Rundschau 3/117 (1919), S. 17 (Orig.: nicht eruierbar). O.N.: „Theater und Kino. Äußerungen bekannter Schauspieler“, in: Kinematographische Rundschau 8/304 (1914), S. 16, 24, 30 u. 34 (Orig.: Österreichische Volks-Zeitung 351, 25. Dezember 1913, S. [13]–15). O.N.: „Wie ich mich wiedersehe“, in: Das Kino-Journal 17/752 (1924), S. 4–6 (Orig.: „Wenn ich mich wiedersehe . . . .“, in: Neue Berliner Zeitung. Das 12 Uhr Blatt (Film-Rundschau) 6/292 (1924), n.pag.).

438 | Schauspielen im Stummfilm

Reményi, Joseph: „Künstler und Filmkunst“, in: Neue Kino-Rundschau 3/103 (1919), S. 6f. (Orig.: „Die Bühnenkünstler und der Film“, in: Wiener Mittags-Zeitung 44, 22. Februar 1919, S. 5; Bez.: O.N.: „Bei Emmy Förster“, in: Wiener Mittags-Zeitung 33, 10. Februar 1919, S. 4). Rub, Marianne: „Vom Flimmern“, in: Die Kinowoche 2/3 (1920), S. 2f. Thimig, Hugo: „Das kinematographische Archiv“, in: Das Welttheater 1/4 (1912), S. [3]. 3.3 Abel, Paul: „Die Kinofrage: Die Mitwirkung des Schauspielers bei kinematographischen Aufnahmen“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/10 (1912), S. 4f. Bartsch, Robert: „Die Kinofrage: Mitwirkung der Schauspieler bei Kinodramen“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/11 (1912), S. [3]f. Beierle, Alfred: „Der Bühnenverein und das Kino“, in: Kinematographische Rundschau 6/204 (1912), S. 7f. (Orig.: Fremden-Blatt 26, 28. Jänner 1912, S. 13f.). Bendiener, Oskar: „Theater und Kino. Eine Entgegnung von Dr. Oskar Bendiener“, in: Das Welttheater 1/1 (1912), S. 9f. Bolz-Feigl, Alfons: „Filmfabrikation in Oesterreich. Eine Anregung aus Bühnenkreisen“, in: Kinematographische Rundschau 9/402 (1915), S. 3f. Breuer, Hans: „[Die Kinofrage]: Rede des Herrn Hans Breuer in der Sitzung des Rechtschutzbureaus vom 22. Jänner 1912. Gutachten zu der Frage: ‚Ist der Schauspieler berechtigt, bei kinomatographischen Aufnahmen mitzuwirken, ohne damit seine Vertragspflichten dem Direktor gegenüber zu verletzen?‘“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/7 (1912), S. 4–6. Eitelberg, Max: „Sind Theaterdirektoren befugt, ihren Schauspielern die Mitwirkung bei kinematographischen Aufnahmen zu untersagen?“, in: Das Welttheater 1/3 (1912), S. 4f. Feller, Hans: „Kino und Bühnenverein“, in: Kinematographische Rundschau 6/205 (1912), S. 9 (Orig.: Zuschrift von Hans Feller jun., Karlsbad, „Lichtspiele“). Fellner, Alfons: „Die Kinofrage: Ist der Theaterdirektor berechtigt, dem Schauspieler die Mitwirkung an Kino-Aufnahmen zu untersagen?“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/9 (1912), S. 5–7. Ders.: „Schauspieler und Kinotheater“, in: Österreichischer Komet 5/91 (1912), S. 7f.

Quellenverzeichnisse | 439 2

[Friedegg, Ernst] : „Ida Orloff über das Burgtheater. Ein Gespräch“, in: Neues Wiener Journal 7134, 2. September 1913, S. 2. Klemperer, Paul: „Die Kinofrage: Das Recht des darstellenden Künstlers, ohne Zustimmung seiner Direktion für Kinovorstellungen zu spielen“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/8 (1912), S. 4–7. Noske, Felix: „Der Werdegang des Oesterreichischen Bühnenvereins“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 20/7 (1913), S. [6]–12. O.N.: „Adolf Weisse“, in: Die Filmwelt 1/21 (1919), S. 15. O.N.: „Adolf Weisse“, in: Neue Kino-Rundschau 3/144 (1919), S. 19. O.N.: „Adolph Weisse und der Film“, in: Die Filmwelt 1/22 (1919), S. 5f. O.N.: „Auf der Enquete der Bühnengenossenschaft“, in: Österreichischer Komet 5/89 (1912), S. 7. O.N.: „Baron Andrian und das Kino“, in: Neue Kino-Rundschau 2/81 (1918), S. [3]f. O.N.: „Bolz[-]Feigl im Kinofilm“, in: Österreichischer Komet 6/143 (1913), S. 6 – Kinematographische Rundschau 7/257 (1913), S. 16. O.N.: „Bühnenkünstler als Filmdarsteller“, in: Die Filmwoche 6/276 (1918), S. 4 u. 20 (Bez.: nicht eruierbar). O.N.: „Das Filmen der Schauspieler“, in: Der Filmbote 1/7 (1918), S. 3f. (Orig.: „Theaterdirektoren und Kinoschauspieler. Zur Frage der Mitwirkung von Bühnenkräften im Film“, in: Fremden-Blatt 251, 15. September 1918, S. 10). O.N.: „Der neue Generalintendant und das Kino“, in: Neue Kino-Rundschau 2/77 (1918), S. [3] (Bez.: O.N.: „Der neue Generalintendant der Hoftheater“, in: Wiener Sonn- und Montags-Zeitung 31, 12. August 1918, S. 6). O.N.: „Der standeswidrige Kinematograph“, in: Österreichischer Komet 5/88 (1912), S. [3]f. O.N.: „Der Unbekannte“, in: Kinematographische Rundschau 6/206 (1912), S. 8f. O.N.: „Die Enquete über das Kinematographenwesen“, in: Österreichischer Komet 5/101 (1912), S. [2]–8. O.N.: „Die Filmverbotabsichten der Theaterleiter“, in: Der Filmbote 1/6 (1918), S. 4–6 (Orig.: Zuschrift von Emil Leyde).

2

Der Verfasser wurde im Neuen Wiener Journal nicht genannt, sein Name geht aber aus den Akten der General-Intendanz der Hoftheater hervor. Vgl. ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 372 (1913), 3286.

440 | Schauspielen im Stummfilm

O.N.: „Die Kino-Enquete“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/13 (1912), S. [3]–8 (Orig.: ÖStA, AVA, Inneres, MdI, Allgemein, Teil 2 A, 2173 (1912), 19167: Stenographisches Protokoll der Enquete über das Kinematographenwesen). O.N.: „Die Kinofrage“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 19/7 (1912), S. 4. O.N.: „Die öffentliche Kino-Diskussion. Allerlei Preßstimmen“, in: Kinematographische Rundschau 6/202 (1912), S. 4–8 (Orig.: Bauer, Ludwig: „Das gefährliche Kino“, in: Prager Tagblatt 13, 14. Jänner 1912, S. [1]f.; o.N.: „Das Kino“, in: Fremden-Blatt 12, 14. Jänner 1912, S. 9; A[rnberger, F[ranz]: „Die Gefahren der Kinos!“, in: Neuigkeits-Welt-Blatt 10, 14. Jänner 1912, S. 3; o.N.: „Theater und Kinounternehmung. Ein interessanter Zwist“, in: Österreichische Volks-Zeitung 12, 14. Jänner 1912, S. 3). O.N.: „Eine Erklärung des Direktors Weisse vom Deutschen Volkstheater“, in: Österreichischer Komet 5/96 (1912), S. 6 – „Der Kampf um den ‚Unbekannten‘“, in: Kinematographische Rundschau 6/210 (1912), S. 9f. O.N.: „Eine unerhörte Affäre. Verbot der Mitwirkung der Schauspieler des deutschen Volkstheaters an kinematographischen Darstellungen“, in: Kinematographische Rundschau 6/201 (1912), S. 8. O.N. [F.]: „Ein Kampf mit Geistern“, in: Österreichischer Komet 5/88 (1912), S. 5f. (Orig.: anonyme bzw. anonymisierte Zuschrift aus dem Leserkreis). O.N. [e-r.]: „Erlebnisse eines Schmierenkomödianten“, in: Österreichische Bühnenvereins-Zeitung 20/30 (1913), S. [3]f. O.N.: „Filmdarsteller und Theaterdirektoren“, in: Der Filmbote 1/2 (1918), S. [5]–7 (Bez.: nicht eruierbar). O.N.: „Fragebogen für die mündliche Enquete über eine Regelung des Kinematographenwesens im Rahmen der geltenden gesetzlichen Vorschriften“, in: Kinematographische Rundschau 6/216 (1912), S. 9–11 (Orig.: ÖStA, AVA, Inneres, MdI, Allgemein, Teil 2 A, 2173 (1912), 19167: Stenographisches Protokoll der Enquete über das Kinematographenwesen). O.N.: „Für und wider das Kino“, in: Österreichischer Komet 5/88 (1912), S. 6–8 (Orig.: „Theater und Kinounternehmung. Ein interessanter Zwist“, in: Österreichische Volks-Zeitung 12, 14. Jänner 1912, S. 3; Bez.: Auernheimer, Raoul: „Die Kinomode“, in: Neue Freie Presse 17023, 14. Jänner 1912, S. [1]– 3). O.N.: „Herr Weisse auf dem Kriegspfade“, in: Österreichischer Komet 5/89 (1912), S. 7.

Quellenverzeichnisse | 441

O.N.: „Hofrat Burckhard über den Kinematographen“, in: Österreichischer Komet 5/92 (1912), S. 5f. (Orig.: Burckhard, Max: „Kinematographen und Theater“, in: Pester Lloyd 36, 11. Februar 1912, S. [1]–3). O.N.: „Ida Orloff über das Burgtheater“, in: Neues Wiener Journal 7137, 5. Sep3 tember 1913, S. 6 (Orig.: Zuschrift von Ida Orloff) . O.N. [l.]: „Urheberschutz und Kinematographie“, in: Kinematographische Rundschau 6/216 (1912), S. 11f. (Orig.: ÖStA, AVA, Inneres, MdI, Allgemein, Teil 2 A, 2173 (1912), 19167: Stenographisches Protokoll der Enquete über das Kinematographenwesen). O.N.: „Vertrag (Kollektiv-Vertrag des Verbandes der österr. Theaterdirektoren und des Oesterr. Bühnenvereines)“, in: Österreichische BühnenvereinsZeitung 19/20 (1912), S. [3]–12. O.N.: „Wie der Bühnenverein das Kino bekämpft“, in: Kinematographische Rundschau 7/261 (1913), S. 57. O.N.: „Wien. (Der deutsche Bühnenverein und die Filmdarstellung)“, in: Die Filmwoche 1/27 (1913), S. 16 (Orig.: nicht eruierbar). [Wiener Kunstfilm-Industrie]: „Der Unbekannte“, in: Kinematographische Rundschau 6/200 (1912), S. 20f. [Dies.]: „Erklärung“, in: Österreichischer Komet 5/87 (1912), S. 18 – „Der Unbekannte“, in: Kinematographische Rundschau 6/201 (1912), S. 22f. [Dies.]: „Johann Strauss [sic!] an der schönen, blauen Donau“, in: Kinematographische Rundschau 7/282 (1913), S. 38f. 4.1 Balázs, Béla: „Béla Balázs“, in: Die Bühne 3/63 (1926), S. 14. Ders.: „Der Film sucht seinen Dichter“, in: Die Bühne 4/137 (1927), S. 30. Ders.: „Die Großaufnahme“, in: Komödie 5/9 (1924), S. 11 (Orig.: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films. Wien, Leipzig: Deutsch-Österreichischer Verlag, 1924, S. 73–75). Ders.: „Vom ‚Einschneiden‘ der Großaufnahmen“, in: Die Filmwelt 6/7–8 (1924), S. 10 (Orig.: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films. Wien, Leipzig: Deutsch-Österreichischer Verlag, 1924, S. 76–78). Ders.: „Vom feschen Leutnant bis zu Conrad Veidt und umgekehrt“, in: Bettauers Wochenschrift 2/50 (1925), S. 19 (Orig.: Der Tag 431, 10. Februar 1924, S. 3).

3

Eine Abschrift dieser Zuschrift vgl. ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 372 (1913), 3286.

442 | Schauspielen im Stummfilm

Fried[e]mann, Walter: „Dichtung und Regie im Kinotheater“, in: Kinematographische Rundschau 5/170 (1911), S. [1]f. (Orig.: Der Morgen 20, 15. Mai 1911, S. [1]f.). Ders.: „Schauspieler und Kino“, in: Österreichischer Komet 5/89 (1912), S. 5f. O.N [k].: „Béla Balázs: Der sichtbare Mensch“, in: Komödie 5/18 (1924), S. 11. O.N.: „Berühmte Wiener aus Budapest“, in: Die Bühne 3/63 (1926), S. 12–15. O.N.: „[Das Lichtspiel]“, in: Die Kinowoche 1/4 (1919), S. 12. O.N.: „Das Lichtspiel“, in: Neue Filmwoche 1/23 (1919), S. 7f. – „Ein Werk über die Filmkunst“, in: Der Kinobesitzer 3/70–71 (1919), S. 11. O.N.: „Der Journalist als Filmregisseur“, in: Komödie 2/16 (1921), S. 9. O.N.: „Der Journalist als Filmregisseur. Friedrich Porges“, in: Die Kinowoche 3/44–45 (1921), S. 5. O.N. [H.K.B.]: „Der sichtbare Mensch. Ein Buch über die Kultur des Films von Béla Balázs“, in: Die Filmwelt 6/14–15 (1924), S. 11. O.N.: „Die Filmkunst und ihre Probleme“, in: Neue Kino-Rundschau 4/159 (1920), S. 5. O.N.: „Die österreichisch-ungarische Kinoindustrie G.m.b.H. Wien“, in: Kinematographische Rundschau 5/171 (1911), S. 3. O.N.: „Dr. Viktor [sic!] E. Pordes: Die Filmkunst und ihre Probleme. Sechs Vorträge“, in: Verlautbarungen des Volksbildungshauses Wiener Urania [11]/11 (1920), S. 6. O.N.: „Dr. Viktor [sic!] E. Pordes: Kunst im Film. Drei Vorträge“, in: Verlautbarungen des Volksbildungshauses Wiener Urania [14]/20 (1923), S. 4f. O.N.: „Ein Buch über die Filmkunst“, in: Die Filmwelt 1/5 (1919), S. 13. O.N.: „Friedrich Porges: Fünfzig Meter Kinoweisheit“, in: Die Filmwelt 1/19 (1919), S. 15. O.N.: „[Fünfzig Meter] Kinoweisheit“, in: Die Kinowoche 1/8 (1919), S. 10. O.N.: „Österreichs Filmkunst und Filmindustrie. Sechzehn Jahre Entwicklungsgang“, in: Mein Film-Buch 1 (1927), S. 67–82 – Mein Film-Buch 2 (1928), S. 241–256. O.N.: „Radio-Vortrag Friedrich Porges“, in: Mein Film 1/9 (1926), S. 3 (Bez.: Radiovortrag „Die zum Film wollen . . . .“, Radio Wien, 27.02.1926; vgl. [RAVAG]: „Wiener Programme: Samstag, 27. Februar“, in: Radio-Wien 2/21 (1926), S. 846). O.N.: „Schriftsteller und Filmregisseur Friedrich Porges: Aus der Werkstatt der Filmkunst. Mit Filmvorführungen“, in: Verlautbarungen des Volksbildungshauses Wiener Urania [23]/19 (1922), S. 5. O.N.: „Uraniavorträge über die Filmkunst“, in: Neue Kino-Rundschau 4/165 (1920), S. 11.

Quellenverzeichnisse | 443

O.N.: „Vortrag Béla Balász [sic!]“, in: Der Filmbote 6/47 (1923), S. 19. O.N.: „Vortrag Béla Balázs“, in: Der Filmbote 7/8 (1924), S. 22. O.N.: „Vortrag Friedrich Porges“, in: Der Filmbote 5/18 (1922), S. 45. O.N. [Victor]: „Wiener Kritiker. Die jüngere Generation“, in: Die Bühne 2/52 (1925), S. 16f. Pordes, Vi[c]tor E.: „Filmschauspieler“, in: Komödie 1/10 (1920), S. 19. [Vereinigung der Kinofreunde]: „Vortrag Friedrich Porges“, in: Mein Film 2/55 (1927), S. VIII. 4.2 Dehnertschmidt, W.: „Die Sprache im Film“, in: Das Kino-Journal 15/647 (1922), S. 3f. Ehrle, Kurt: „Der Darsteller im Film“, in: Das Kino-Journal 14/604 (1921), S. 5f. Geller, Oscar: „Die Pantomime im Film“, in: Der Filmbote 8/9 (1925), S. 12–14. Ders.: „Kino und Pantomime“, in: Bühne und Welt 15/[19] (1913), S. [291]–295. Grune, Karl: „Der Film ist Bewegungskunst“, in: Das Kino-Journal 18/758 (1925), S. 2 u. 4. Littmann, Helene: „Die Mimik des Kinoschauspielers“, in: Neue Kino-Rundschau, Nr. 167–168 (1920), S. 10f. O.N.: „Kino und Pantomime“, in: Österreichischer Komet 6/140 (1913), S. 5. O.N. [K.I.]: „Lyda Salmonova-Wegener über Pantomime und Film“, in: Komödie 4/19 (1923), S. [3]. O.N.: „Pantomimistische Darstellungen“, in: Kinematographische Wochenschau 1/47 (1910), S. 3–6. Tanne[n]baum, Herbert: „Kinodarsteller und Bühnendarsteller“, in: Österreichischer Komet 8/253 (1915), S. 6f. (Orig.: Kino & Theater. München: Steinebach, 1912, S. 19–21). Thielemann, Walter: „Kinokunst und Theater“, in: Komödie 3/13–14 (1922), 4 S. 9 (Orig.: Der Kinematograph 16/784 (1922), n.pag.) .

4

Im Reprint der Komödie gibt es keine Angaben zum Originaltext zu finden. Darum besteht die Möglichkeit, dass eine noch frühere Textversion existieren könnte. Der Abdruck im Kinematographen stammt vom 26.02.1922, jener in der Komödie vom 01.04.1922.

444 | Schauspielen im Stummfilm

4.3 Porges, Friedrich: „Kunst und Technik des Films. III. [Die Kunst des Films]“, in: Mein Film 1/30 (1926), S. 4 (Orig.: Radiovortrag „Von Kunst und Technik des Films“, Radio Wien, 27.10.1925; vgl. [RAVAG]: „Wiener Programm: Dienstag, 27. Oktober“, in: Radio-Wien 2/4 (1925), S. 140). 5.1 [Alsen, Ola]: „Moden im Film. Geschmacksförderung durch den Film“, in: Das Kino-Journal 15/623 (1922), S. 5f. (Orig.: UfA-Blätter o.Jg./o.Nr. (o.J.), n.pag.). Andra, Fern: „Aus dem Reiche der Mode“, in: Neue Filmwoche 1/50 (1919), S. 9f. Bern, Vera: „Vom Alter unserer Filmdivas“, in: Die Kinowoche 3/17 (1921), S. 4–8 – Komödie 2/21 (1921), S. 11f. – Komödie 2/22 (1921), S. 13f.; „Vom Alter unserer Film-Divas“, in: Die Filmwelt 4/19 (1922), S. 10 – Die Filmwelt 4/20 (1922), S. 8f. – Die Filmwelt 4/21 (1922), S. 8 – Die Filmwelt 5 4/22–23 (1922), S. 12f. (Orig.: Der Kinematograph 15/739 (1921), n.pag.) . [Bettauer], Hugo: „Pagenkopf, Damenfrack und rote Lippen“, in: Bettauers Wochenschrift 1/1 (1924), S. 16. Cartellieri, Carmen: „Film und Kunst“, in: Die Kinowoche 1/13 (1919), S. [1]f. Corda, Maria: „Die Kunst, sich anzuziehen“, in: Mein Film 1/50 (1926), S. 15. Doraine, Lucy: „Man kann auch anders . . . Betrachtungen über die heutige Mode“, in: Mein Film 2/72 (1927), S. 13. [Frauer-Wulf, Marianne]: „Toilettengeheimnisse des Films [I]“, in: Mein Film 2/58 (1927), S. 15 (Orig.: Vortrag „Die Mode im Film“, Wien (Café Kos6 mos), 20. Jänner 1927) .

5

In den Reprints der Kinowoche, der Komödie und der Filmwelt gibt es keine Angaben zum Originaltext zu finden. Darum besteht auch hier die Möglichkeit, dass eine noch frühere Textversion existieren könnte. Der Abdruck im Kinematographen stammt vom 17.04.1921, jener in der Kinowoche vom 20.05.1921 und jener in der Komödie vom 28.05./04.06.1921. Der Abdruck in der Filmwelt ist – abgesehen vom Jahr/-gang (1922) – undatiert.

6

Informationen zum Vortrag vgl. [Vereinigung der Kinofreunde]: „Programm der Kinogemeinde“, in: Mein Film 2/54 (1927), S. 54 – Mein Film 2/55 (1927), S. VIII – Mein Film 2/56 (1927), VIII.

Quellenverzeichnisse | 445

Dies.: „Toilettengeheimnisse des Films [II]“, in: Mein Film 2/59 (1927), S. 13 (Orig.: Vortrag „Die Mode im Film“, Wien (Café Kosmos), 20. Jänner 7 1927) . Gregor, Nora: „Oh, film’, solang’ du filmen kannst . . . “, in: Die Bühne 1/2 (1924), S. 33. Griffith, Corinne: „Jede Frau ist schön!“, in: Film im Bild 1/19 (1928), S. 5. Dies.: „Wie ziehe ich mich an?“, in: Die Bühne 3/92 (1926), S. 39 – Helmut Bettauers Wochenschrift 2/2 (1928), S. 17f. Hamann, Edith: „Film-Kostüme“, in: Mein Film 1/29 (1926), S. 13. Höbling, Franz: „Gedanken über die Mode im Film“, in: Die Filmwelt 3/2 (1921), S. 9. [Ida Reich & Bruder]: „Neue Wiener Moden“, in: Die Filmwelt 5/1 (1923), S. 7 – Die Filmwelt 5/7 (1923), S. 9. [Dies.]: „Toiletten für die Filmschauspielerin“, in: Die Filmwelt 5/10 (1923), S. 16. Jannings, Emil: „Ich lebe diät!“, in: Mein Film 3/112 (1928), S. 3. [Jarno-Bühnen]: „Kostüm- und Masken-Leihanstalt“, in: Mein Film 2/63 (1927), S. 11. Kaul, Stefanie: „Film, Mode und Stil“, in: Das Kino-Journal 18/804 (1925), S. 10 u. 12. Krause, Gerhard: „Gestatten Sie: Ihr Lebensjahr? Was die Filmprominenten angeben“, in: Die Bühne 3/108 (1926), S. 33f. (Bez./Orig.: nicht eruierbar). Littmann, Helene: „Etwas vom Schminken“, in: Neue Kino-Rundschau 4/153 (1920), S. 2f. Lydor, Waldemar: „Schlank ohne Zwang“, in: Mein Film 2/84 (1927), S. 5f. Moore, Colleen: „Rettet den Bubikopf!“, in: Mein Film 1/26 (1926), S. 13. Nack, Erwin Wolfgang: „Filmgesicht – Filmmimik“, in: Film im Bild 1/5 (1928), S. 5. Negri, Pola: „Hinter den Kulissen des Films“, in: Neue Filmwoche 1/40 (1919), S. 6 u. 10. Neumann, Mizzi: „Die Mode im Film. Ein neuer Modefilm der ‚Filmwelt‘“, in: Die Filmwelt 4/16 (1922), S. 5–7. Nielsen, Asta: „Modefragen des Films“, in: Das Kino-Journal 14/591 (1921), S. [1]f. – Die Kinowoche 3/36–37 (1921), S. 14. O.N.: „Asta Nielsen über die Mode im Film“, in: Neue Filmwoche 1/42 (1919), S. [3]f. O.N.: „Berlin. (Asta Nielsens Toiletten.)“, in: Die Filmwoche 1/32 (1913), S. 29.

7

Informationen zum Vortrag vgl. ebd.

446 | Schauspielen im Stummfilm

O.N.: „Brauchbare Filmdarsteller-Nasen . . . .“, in: Mein Film 1/10 (1926), S. 7 (Orig.: nicht eruierbar). O.N.: „Das Filmgesicht“, in: Die Kinowoche 2/13 (1920), S. 14–16. O.N.: „Das Filmgesicht“, in: Die Kinowoche 3/25 (1921), S. 13. O.N.: „Das Film-Kostüm“, in: Das Kino-Journal 13/[505] (1920), n.pag. O.N.: „Das schöne Gesicht“, in: Das Kino-Journal 18/787 (1925), S. 3f. O.N.: „Der Filmstar muss einen durchtrainierten Körper haben“, in: Die Bühne 3/94 (1926), S. 42f. O.N.: „Der interessante Schönheitsfehler“, in: Mein Film 3/109 (1928), S. 13. O.N.: „Die bezopfte Pola Negri . . . und die mit dem Bubikopf“, in: Die Bühne 2/28 (1925), S. 38. O.N.: „Die Garderobe-Ausstattung eines modernen Filmateliers“, in: Österreichische Film-Zeitung 2/40 (1928), S. 22f. O.N.: „Die Goldzähne der Filmdarsteller“, in: Die Kinowoche 3/12 (1921), S. 12. O.N.: „Die Kunst der Kino-Kostüme“, in: Das Kino-Journal 14/559 (1921), S. 2f. O.N. [J.B.]: „Die Mode im Film“, in: Die Kinowoche 2/8 (1920), S. 11f. O.N. [A.W.]: „Filmkunst und Publikum“, in: Neue Kino-Rundschau 2/91 (1918), S. 50. O.N.: „Filmschauspielerinnen als Modemodelle“, in: Die Filmwelt 1/9 (1919), S. 3. O.N.: „Filmstars müssen abmagern! Die Opfer der amerikanischen Abmagerungsseuche“, in: Mein Film 1/28 (1926), S. 6. O.N.: „Film und Körperpflege“, in: Das Kino-Journal 20/899 (1927), S. 9f. O.N. [A.R.]: „Film und Mode“, in: Das Kino-Journal 13/539 (1920), S. 7f. O.N.: „Film und Mode“, in: Neue Kino-Rundschau 3/135 (1919), S. 7. O.N. [F.B.]: „Filmwelt-Modeschau im Lichtspiel“, in: Die Filmwelt 4/6 (1922), S. 4–6. O.N.: „[Fünfundzwanzig] herrliche Toiletten“, in: Die Filmwelt 5/9 (1923), S. 15. O.N.: „Gespielte und echte Jugend“, in: Mein Film 3/112 (1928), S. 4f. O.N.: „Hollywood-Diät“, in: Die Bühne 7/283 (1930), S. 9. O.N.: „Ja, ja . . . . die Mode ist vergänglich! Oder: Wie sich das Alter eines Films verrät“, in: Mein Film 1/7 (1926), S. 11f. O.N.: „Lucy Doraine mit Frühjahrshüten 1920“, in: Die Filmwelt 2/26–27 (1920), S. 16f. O.N. [Smut]: „Mode im Film. Pelzmoden“, in: Die Filmwelt 2/37 (1920), S. 1. O.N.: „Moden im Film“, in: Die Filmwelt 4/17 (1922), S. 11.

Quellenverzeichnisse | 447

O.N.: „Modenkunst im Kino“, in: Österreichischer Komet 7/203 (1914), S. 37f. O.N. [Waldor]: „Modesorgen unserer Filmhelden“, in: Film im Bild 1/4 (1928), S. 13. O.N.: „Mohrrüben machen schlank“, in: Film im Bild 1/7 (1928), S. 10. O.N. [A. Nbgr.]: „Ohne Schminke“, in: Das Kino-Journal 17/701 (1924), S. 5f. O.N.: „Österreichs Filmkunst und Filmindustrie. Sechzehn Jahre Entwicklungsgang“, in: Mein Film-Buch 1 (1927), S. 67–82 – Mein Film-Buch 2 (1928), S. 241–256. O.N.: „Schauspieler ohne Schminke“, in: Der Filmbote 9/33 (1926), S. 21. O.N.: „Schönheit und Wandlungsfähigkeit“, in: Mein Film 2/102 (1927), S. 13. O.N.: „Stars im Training“, in: Die Bühne 7/276 (1930), S. 19f. O.N.: „Stil oder Schönheit? Eine Umfrage“, in: Das Kino-Journal 18/760 (1925), S. 5f. (Orig.: „Stil oder Schönheit? Eine ganz unparteiische Umfra8 ge“, in: Filmland 1/2 (1924), S. 24–30, hier S. 25f.). O.N.: „Über die Wichtigkeit der Maskenkunst für Bühne und Film“, in: Die Bühne 3/68 (1926), S. 36. O.N. [s.]: „Von der Schönheit im Film“, in: Das Kino-Journal 15/646 (1922), S. 3f. O.N. (Red.): „Wer ist die schönste Kinoschauspielerin?“, in: Die Theater- und Kinowoche 1/11 (1919), S. 20 – Die Kinowoche 1/2 (1919), S. II. O.N.: „Wer liefert die Kostüme für die Filmindustrie?“, in: Österreichischer Komet 6/174 (1913), S. 3f. – „Die Kostüme für die Filmindustrie?“, in: Österreichischer Komet 8/260 (1915), S. 4f. O.N. [F.]: „Zweierlei Sport“, in: Die Filmwelt 7/2 (1925), S. 9. Pagar, Erwin: „Der Ruf nach der letzten Mode“, in: Das Kino-Journal 19/850 (1926), S. 2f. Ponrepo, Vikt[or]: „Wodurch wird das Alter der Films verraten“, in: Kinematographische Rundschau 10/453 (1916), S. 12 u. 56 (Orig.: Zuschrift von Viktor Ponrepo, Prager Kinobesitzer/-pionier). Porges, Friedrich (Red.): „Der Filmstar als Mannequin“, in: Die Bühne 2/40 (1925), S. 45. Ramin, Robert: „Vergessene Filmstars“, in: Das Kino-Journal 20/862 (1927), S. 7–9. Rappart, Hugo: „Der Frauentyp im Wandel der Filmjahre“, in: Mein Film 2/71 (1927), S. 9f.

8

Im Kino-Journal wurden nur drei der insgesamt neun befragten SchauspielerInnen zitiert: Asta Nielsen, Henny Porten, Olga Tschechowa. Der Kommentar von Letztgenannter war zudem gekürzt worden.

448 | Schauspielen im Stummfilm

Renée, Renate: „Mondäne Filmtoiletten“, in: Mein Film 1/21 (1926), S. 15. Roßlau, Albin: „Das Filmgesicht“, in: Das Kino-Journal 15/625 (1922), S. 2f. Roth, Eva: „Das Schminken bei Filmaufnahmen“, in: Die Filmwoche 2/54 (1914), S. 26f. Sch., Poldi: „Weibliche Paraderollen im Film“, in: Neue Filmwoche 1/49 (1919), S. 12f. Schwerdtner, Hugo: „Körperliche Schulung der Künstler“, in: Die Bühne 3/72 (1926), S. 56. Tannenbaum, Eugen: „Die Maske im Film“, in: Das Kino-Journal 14/603 (1921), S. 2f. [Ders.]: „Historische und moderne Kostüme“, in: Das Kino-Journal 17/746 (1924), S. 5f. [Vereinigung der Kinofreunde]: „Programm der Kinogemeinde“, in: Mein Film 2/54 (1927), S. 54 – Mein Film 2/55 (1927), S. VIII – Mein Film 2/56 (1927), VIII. W[achtel], R[osa]: „Carmen Cartellieri[,] der schönheitspreisgekrönte Filmstar“, in: Die Filmwelt 4/3 (1922), S. 13. Wilheim, Kete: „Die Frisur der Filmdiva“, in: Mein Film 1/12 (1926), S. 15. Dies.: „Die Kleider der Diva“, in: Mein Film 1/11 (1926), S. 15. Dies. (Red.): „Die Toilettensorgen der Stars“, in: Mein Film 1/47 (1926), S. 15. 5.2 Bernhard, Erwin: „Was verlangt man von einem Filmschauspieler?“, in: Die Filmwelt 5/24 (1923), S. 3f. Bock, Ida: „Die Macht des Wortes“, in: Die Kinowoche 2/20 (1920), S. [3]f. Cartellieri, Carmen: „Film und Kunst“, in: Die Kinowoche 1/13 (1919), S. [1]f. Chrysis: „Was sprechen die Leute im Film?“, in: Neue Filmwoche 1/45 (1919), S. 12. Höbling, Franz: „Film und Bühne“, in: Die Kinowoche 1/8 (1919), S. 4f. Hoffmann, Franz: „Wie Filmtränen echt werden!“, in: Mein Film 4/208 (1929), S. 2. Ickes, Paul: „Der Stil des Darstellers“, in: Neue Kino-Rundschau 4/148 (1920), 9 S. 7–9 (Orig.: Film-Kurier) .

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Die gesuchte Ausgabe des Film-Kuriers dürfte nicht mehr existieren. Paul Ickes’ Artikel wurde in der Neuen Kino-Rundschau in der Ausgabe vom 03.01.1920 veröffentlicht. Daher kann man annehmen, dass sich der Originaltext in einer DezemberAusgabe des Film-Kuriers befindet. Allerdings sind die Dezember-Ausgaben nur un-

Quellenverzeichnisse | 449

[Kirnbauer, Max L.]: „Spezial-Reitinstitut für Filmaufnahmen“, in: Die Filmwelt 2/40 (1920), S. 14. Klaren, Georg: „Tränen im Film“, in: Die Filmwelt 6/27 (1924), S. 4. O.N.: „Das Requisit als Darsteller“, in: Die Bühne 5/181 (1928), S. 31f. O.N.: „Der gekurbelte Tod“, in: Das Kino-Journal 18/790 (1925), S. 6–8. O.N.: „Die Kunst des Filmens“, in: Neue Filmwoche 1/48 (1919), S. 17f. – „Die Ausbildung zur Filmschauspielerin“, in: Neue Kino-Rundschau 3/137 (1919), S. 17. O.N.: „Die Tränen des Filmdarstellers“, in: Neue Kino-Rundschau 4/198 (1920), S. 12 (Orig.: „Die Tränen der Asta Nielsen“, in: Lichtbild-Bühne 13/49 (1920), S. 34). O.N.: „Die ‚verstandene‘ Sprache der Kinoschauspieler“, in: Kinematographische Rundschau 5/196 (1911), S. 4 (Orig.: „Taubstumme im Kinotheater“, in: Die Zeit 3302, 2. Dezember 1911, S. 6f.). O.N.: „Filmschauspieler“, in: Die Filmwoche 1/24 (1913), S. 10 u. 12. O.N.: „In [acht] Lektionen Filmschauspieler“, in: Bettauers Wochenschrift (BFR) 4/17 (1927), S. VII (Orig.: „How to be an Actor in Eight Easy Lessons“, in: Photoplay 30/5 (1926), S. 40f.). O.N. [x.]: „Kino-Mimik“, in: Österreichischer Komet 7/213 (1914), S. 2 u. 4. O.N.: „Natur oder Kunst?“, in: Mein Film 2/94 (1927), S. 4. O.N. [F.]: „Was ein Kinoschauspieler leisten muß“, in: Österreichischer Komet 5/116 (1912), S. 7 – Rády-Maller-Revue 3/6 (1912), S. 17 (Bez.: nicht eruierbar). O.N.: „Wie Film-Tränen werden . . .“, in: Die Bühne 3/85 (1926), S. 28. Porges, Friedrich: „Das Buch des Films“, in: Die Kinowoche 3/44–45 (1921), S. 6–8. Roßlau, Albin: „Das Sterben im Film“, in: Das Kino-Journal 15/634 (1922), S. 9f. S[orgenfrei], P[aul]: „Die obligate Filmzigarette“, in: Kinematographische Rundschau 8/310 (1914), S. 30. Ders.: „Die obligate Filmzigarette“, in: Neue Kino-Rundschau 3/137 (1919), S. 17f. Thielemann, Walter: „Kino und Taubstummensprache“, in: Kinematographische Wochenschau 4/43 (1913), S. 3–5 – Österreichischer Komet 8/252 (1915), S. 6f.

vollständig erhalten bzw. – mit der Ausnahme der Weihnachtsausgabe – nicht über Nr. 167 (19.12.1919) hinaus archiviert worden. Der Originaltext war leider weder in der letztgenannten Nummer noch in der Weihnachtsausgabe enthalten.

450 | Schauspielen im Stummfilm

Wegener, Paul: „Asta Nielsens Tränen“, in: Die Kinowoche 3/4 (1921), S. 17f. – „Tränen von Asta Nielsen“, in: Komödie 2/3 (1921), S. 27 (Orig.: „Asta Nielsens Tränen“, in: Der Film 6/2 (1921), S. 39). Wilheim, Kete: „Filmtränen“, in: Mein Film 3/147 (1928), S. 6f. Wilke, Gis[el]a: „Flimmersplitter“, in: Die Kinowoche 2/5 (1920), S. 4f. 5.3 Anders, A.: „Rund um die Filmszene. Stimmungsmischmasch im Atelier“, in: Mein Film 4/182 (1929), S. 8–10. Bleibtreu, Hedwig: „Mein Filmdebüt“, in: Komödie 4/49 (1923), S. 29. Bouchholtz, Christian: „Lebensgefährliche Filmaufnahmen“, in: Das Kino-Journal 17/707 (1924), S. 3f. u. 6. Brandt, Julius: „Regie und Darstellung im Kino“, in: Die Filmwoche 1/26 (1913), S. 6 u. 8. Covarrubias, [Miguel]: „Filmaufnahme. Eine Szene aus einem Filmatelier, in der die Entwicklungsstadien eines Films gezeigt werden“, in: Die Bühne 3/77 (1926), S. 26f. (Orig.: „Motion Picture Art in the Making: An Actual Scene in a Studio. Showing Some Stages in the Evolution of a ‚Movie‘“, in: Vanity Fair 26/1 (1926), S. 54f.). D’Ivellio, Egon: „Fehler bei Aufnahme und Wiedergabe der Films“, in: Österreichischer Komet 5/125 (1912), S. 4f. Forst, Willi: „Außenaufnahmen zu ‚Café Elektric‘“, in: Mein Film 2/100 (1927), S. 8. Glossy, Blanka: „Mein Filmdebüt“, in: Die Kinowoche 1/12 (1919), S. 5f. Groß, J. H.: „Die Wiener Kinokunst“, in: Österreichischer Komet 6/151 (1913), S. 4f.– Österreichischer Komet 8/280 (1915), S. [1]f. Kartousch, Louise: „Der Film und ich“, in: Die Kinowoche 1/13 (1919), S. 3f. Köckeritz-Bernau, Margarethe: „Randbemerkungen zum Film“, in: Die Kinowoche 2/1 (1920), S. 3f. Kutschera, Tilly: „Einfälle und Ausfälle“, in: Die Kinowoche 1/10 (1919), S. 3f. Kutschera, Viktor: „Gedanken über den Film“, in: Die Kinowoche 2/4 (1920), S. 2–5. Lackner, Hans: „Im Lichtkegel der Jupiterlampen“, in: Die Kinowoche 2/2 (1920), S. 4f. Lubitsch, Ernst: „Filmtalent und Filmkunst“, in: Das Kino-Journal 14/561 (1921), S. 2–4 – Die Kinowoche 3/6 (1921), S. 3f. u. 6. Matias, Hans: „Plauderei über Filmaufnahmen“, in: Die Filmwelt-Almanach 1 (1921), S. 4, 6 u. 8.

Quellenverzeichnisse | 451

Mayen, Maria: „Die Poesie im Film“, in: Die Kinowoche 1/11 (1919), S. 3f. O.N.: „Adressenteil. Film-Aufnahme-Ateliers“, in: Die Filmwelt-Almanach 4 (1924), S. 83. O.N.: „Aus der Werkstatt des Films“, in: Bettauers Wochenschrift (BFR) 4/17 (1927), S. V. O.N.: „Das erste große Aufnahme-Atelier in Wien“, in: Kinematographische Rundschau 10/447 (1916), S. 45. O.N.: „Das große Atelier der Sascha-Meßter-Filmfabrik“, in: Kinematographische Rundschau 11/464 (1917), S. 8 u. 10. O.N.: „Das neue Atelier der Sascha-Meßter-Fabrik“, in: Die Filmwoche 5/196 (1917), S. 8 – „Eine neue Stätte der Filmindustrie. (Das neue Atelier der Sascha-Meßter-Fabrik)“, in: Österreichischer Komet 10/350 (1917), S. 12. O.N.: „Das neue Vita-Atelier“, in: Die Filmwelt 5/27 (1923), S. 3–7. O.N. (k): „Das neue Vita-Atelier“, in: Komödie 4/49 (1923), S. 26f. O.N.: „Die ‚echten‘ Kinounfälle. Das Heldentum hinter den Kulissen des Films“, in: Die Kinowoche 2/16 (1920), S. 18f. O.N.: „Die Eröffnung der neuen ‚Vita‘-Ateliers“, in: Der Filmbote 6/49 (1923), S. 9–12. O.N.: „Die Eröffnung des Vita-Ateliers“, in: Das Kino-Journal 16/697 (1923), S. 6. O.N.: „Die schauspielerische Leistung im Film“, in: Das Kino-Journal 12/492 (1919), S. 6 u. 8. O.N.: „Ein aufregender Zwischenfall bei der Aufnahme des Palmay-Films“, in: Kinematographische Rundschau 8/311 (1914), S. 97 (Bez.: O.N.: „Kampf mit einer Tigerschlange bei einer Filmaufnahme in Wien“, in: Illustrirtes Wiener Extrablatt 49, 19. Februar 1914, S. 5). O.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid. Die Wiener Kunstfilmgesellschaft als Klägerin. (Eigenbericht.)“, in: Die Filmwoche 6/262 (1918), S. [7], 12, 25 u. 72. O.N.: „Eine Wiener Vorstadtrauferei zu Kinozwecken“, in: Österreichischer Komet 6/178 (1913), S. 32. O.N.: „Ein Unfall Lucy Doraines“, in: Der Filmbote 3/18 (1920), S. 14. O.N.: „Graz, 5. Januar. (Eine verhängnisvolle Filmaufnahme.)“, in: Neue Freie Presse 20950, 6. Jänner 1923, S. 16. O.N.: „Hansi Niese am Naschmarkt“, in: Österreichischer Komet 6/185 (1913), S. 40. O.N.: „Kampf mit einer Tigerschlange bei einer Filmaufnahme“, in: Österreichischer Komet 7/197 (1914), S. 34 (Orig.: „Kampf mit einer Tigerschlange bei einer Filmaufnahme in Wien“, in: Illustrirtes Wiener Extrablatt 49, 19. Februar 1914, S. 5).

452 | Schauspielen im Stummfilm

O.N.: „Lebensgefährliche Filmaufnahme. Ein gerichtliches Nachspiel zu ‚Sodom und Gomorrha‘“, in: Neues Wiener Journal 10465, 6. Jänner 1923, S. 13. O.N.: „Leoben, 1. Jänner. (Eine Filmaufnahme mit tragischem Ausgang.)“, in: Neues Grazer Tagblatt 8, 6. Jänner 1923, S. 8. O.N.: „Österreichs Filmkunst und Filmindustrie. Sechzehn Jahre Entwicklungsgang“, in: Mein Film-Buch 1 (1927), S. 67–82 – Mein Film-Buch 2 (1928), S. 241–256. O.N. [Oly]: „Schauspielkunst und Film“, in: Das Kino-Journal 13/4 [505] (1920), n.pag. O.N.: „Unfall bei einer Filmdarstellung“, in: Österreichischer Komet 9/302 (1916), S. 4. O.N.: „Unfälle bei einer Filmaufnahme“, in: Die Filmwelt 5/9 (1923), S. 14. O.N.: „Unfälle bei Filmaufnahmen“, in: Die Filmwelt 3/13 (1921), S. 13f. O.N.: „Unfall im Sascha-Film-Atelier“, in: Das Kino-Journal 13/518 (1920), S. 21 – „Unfall im Sascha-Film-Atelier“, in: Neue Kino-Rundschau 4/165 (1920), S. 10. O.N. [B.B.]: „Unglücksaufnahme bei einer Filmaufnahme in Wien“, in: Wiener Kino 2/27 (1924), S. 6. O.N.: „Vorsichtsmaßnahmen bei Raubtierfilmen“, in: Der Kinofreund 1/5 (1924), S. 2f. O.N. (Red.): „Wichtig! Voranzeige! Achtung!“, in: Die Kinowoche 1/7 (1919), S. [1]. O.N.: „Wie ein Film entsteht. III. Die Arbeit im Filmatelier“, in: Mein Film 1/16 (1926), S. 7f. O.N.: „Wie ein Film entsteht. IV. Regieführung“, in: Mein Film 1/17 (1926), S. 11. O.N.: „Wie ein Film entsteht. V. Freiaufnahmen“, in: Mein Film 1/19 (1926), S. VII. O.N.: „[Wie wir bereits berichteten]“, in: Die Filmwelt 5/1 (1923), S. 14. Orla, Ressel: „Grundlagen der Filmdarstellung“, in: Das Kino-Journal 13/6 [507] (1920), n.pag. Pordes, Vi[c]tor E.: „Filmschauspieler“, in: Komödie 1/10 (1920), S. 19. Porges, Friedrich: „Die Gefahren der Raubtierfilme“, in: Der Kinofreund 1/6 (1924), S. 4f. Ders.: „Was einem Filmstar passieren kann“, in: Die Kinowoche 2/6 (1920), S. 6. Schott, Werner: „Meine Erfahrungen vor dem Kurbelkasten“, in: Die Kinowoche 1/13 (1919), S. 2f.

Quellenverzeichnisse | 453

Sipos: „Hochbetrieb in den Wiener Filmateliers“, in: Die Bühne 3/97 (1926), S. 22. Sonja, Magda: „Vom ungemütlichen Filmen“, in: Die Kinowoche 1/8 (1919), S. 2–4. Waldemar, Richard: „Glossen zum Flimmern“, in: Die Kinowoche 1/11 (1919), S. 10f. Wantoch, Hans: „Hinter den Kinokulissen“, in: Österreichischer Komet 11/433 (1918), S. 3f. Woiwode, Lina: „Vom Kinopublikum und von der Kinokunst“, in: Die Kinowoche 2/4 (1920), S. 5f. 6.1 Aterol, B.: „Ein Filmaufnahmetag. Zur Warnung und Belehrung“, in: Der Kinofreund 1/2 (1924), S. 4–6. – Schnapek, Henryk: „Ein Filmaufnahmetag. Zur Warnung und Belehrung. . .“, in: Die moderne Kinopost 1/10 (1925), S. [3–6]. Bolz-Feigl, Alfons: „Zur strikten Darnachrichtung!“, in: Neue Kino-Rundschau 3/116 (1919), S. 6 (Bez.: O.N.: „Die Filmbörse“, in: Neue Kino-Rundschau 3/111 (1919), S. 3). Brachvogel, Heinz Udo: „Blond oder Schwarz? Ein Beitrag zu der vielerörterten Frage: ‚Wie komme ich zum Film?‘“, in: Mein Film 4/209 (1929), S. 13. Ckard, B. A.: „Die Diva von der Straße“, in: Wiener Kino 3/2 (1925), S. 11f. [1. Teil] – Wiener Kino 3/12 (1925), S. 10f. [9. Teil]. Dupont, Ewald André: „Menschenmarkt“, in: Der Kinofreund 1/11 (1924), S. 6f. 10 (Orig.: Film-Hölle) . Engel, Richard: „Der Flimmerjüngling. Ein Kinodrama mit ‚unglücklichem‘ Ausgang“, in: Die Filmwelt 5/11 (1923), S. 13. Eng, Peter: „Die bestrafte Eitelkeit. Eine Filmballade“, in: Die Theater- und Kinowoche 1/3 (1919), S. [29]f. Frankenstein, Max: „Der Markt der Massen . . .“, in: Die Bühne 2/15 (1925), S. 50f. Heller, Fred: „Filmschönheit. Oder: Der ehrbare Antrag“, in: Wiener Kino 1/1 (1923), S. 5.

10 Der Originaltext konnte in den noch existierenden Ausgaben von 1923 (Nr. 1–4/5) nicht gefunden werden. In dem genannten Jahr dürfte die Film-Hölle eingestellt worden sein, da keine Ausgaben von 1924 zu eruieren waren.

454 | Schauspielen im Stummfilm

[Jacobsohn, Egon]: „Das Heer der Komparsen“, in: Die Kinowoche 3/19 (1921), S. [3]–5. King, Fred: „Wie kommt man zum Film?“, in: Die Filmwelt – Almanach 1 (1921), S. 14 u. 16. Korsten, Ralph: „Filmstatisten“, in: Wiener Film-Ring 1/2 (1923), S. 2. Martin, Heinz: „Eine Stunde in der Wiener Filmbörse“, in: Bettauers Wochenschrift 3/51 (1926), S. 19. Ders.: „Massenausbeutung der Film-Proletarier. Geschäftsgeist contra Not“, in: Bettauers Wochenschrift 3/45 (1926), S. 15 – Bettauers Wochenschrift 3/46 (1926), S. 8 – Bettauers Wochenschrift 3/47 (1926), S. 15. Menz, Ada: „Der Film und die Dame“, in: Das Kino-Journal 16/667 (1923), S. 3–5. Ollop, Paul: „Wie komme ich zum Film?“, in: Die Filmwelt – Almanach 4 (1924), S. 33f. O.N.: „Annerl, Wien X.“, in: Bettauers Wochenschrift 3/49 (1926), S. [20]. O.N.: „An viele Kino-Darsteller“, in: Das Welttheater 1/11 (1912), S. 15. O.N.: „Auf der Filmbörse“, in: Die Kinowoche 1/9 (1919), S. 9. O.N. [F.P.]: „Der Markt der Hoffnungen“, in: Wiener Kino 2/22 (1924), S. 3. O.N.: „Der Star einer Szene . . . Aufgabe und Bedeutung des Film-Komparsen“, in: Mein Film 1/11 (1926), S. 7f. O.N.: „Der Weg zum Filmstar“, in: Die Filmwelt – Almanach 3 (1923), S. 16–18. O.N.: „Die Ausbeutungsmethoden der Sascha-Filmgesellschaft“, in: ArbeiterZeitung 138, 22. Mai 1921, S. 5f. O.N.: „Die Filmbörse“, in: Neue Kino-Rundschau 3/111 (1919), S. 2–5. O.N.: „Die Komparserie“, in: Der Filmbote 3/39 (1920), S. 10–12. O.N.: „Die Komparserie“, in: Der Filmbote 4/22 (1921), S. 15 (Bez.: O.N.: „Die Ausbeutungsmethoden der Sascha-Filmgesellschaft“, in: Arbeiter-Zeitung 138, 22. Mai 1921, S. 5f.). O.N.: „Die Uebergriffe der Statisten“, in: Der Filmbote 3/23 (1920), S. 32f. O.N.: „Die Wiener Filmbörse“, in: Der Filmbote 2/37 (1919), S. 6. O.N. [Nurso]: „Die wirtschaftliche Lage der Filmdarsteller“, in: Neue KinoRundschau 3/144 (1919), [5]–7 (Orig.: Zuschrift vom Verband der Filmdarsteller). O.N.: „Dramatische Kurse in der Komödie“, in: Mein Film 4/198 (1929), S. 2. O.N.: „Ein Archiv der Filmaspiranten. Organisierung derer, die zum Film wollen – Eine neue Aktion unserer Zeitschrift“, in: Mein Film 2/79 (1927), S. 2. O.N.: „Ein Tag Edelkomparse“, in: Bettauers Wochenschrift (BFR) 1/13 (1927), S. VI.

Quellenverzeichnisse | 455

O.N.: „Engagementvermittlungsstelle für Filmdarsteller“, in: I.A.O., Internationales Artisten-Organ 4/1 (1929), S. 3. O.N.: „Eröffnung einer Filmagentur“, in: Österreichische Film-Zeitung 3/9 (1929), S. 79. O.N.: „[Erstklassige Filmfabrik sucht]“, in: Neue Filmwoche 1/46 (1919), S. 18. O.N.: „Es geht nicht mehr weiter!“, in: Der Filmbote 3/31 (1920), S. [5]f. O.N.: „Filmagentur“, in: Das Bild im Dienste der Schule und Volksbildung 6/3 (1929), S. 66. O.N.: „Filmbörse“, in: Die Pause 1/6–7 (1919), n.pag. O.N.: „Filmengagements“, in: Neue Kino-Rundschau 3/116 (1919), S. 6. O.N. (Red.): „Fräulein Putzi, gehen Sie nicht zum Film!“, in: Die Kinowoche 3/7 (1921), S. [3]f. O.N.: „[Große schlanke Dame möchte]“, in: Wiener Kino 2/12 (1924), S. 7. O.N.: „Hat man in Hollywood Aussicht auf Filmengagement? Regisseur E. A. Dupont beantwortete uns diese Frage“, in: Mein Film 1/41 (1926), S. 5. O.N.: „Komparserie“, in: Der Filmbote 3/18 (1920), S. 2f. O.N.: „Sprechstunden der Redaktion ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 1/12 (1926), S. 10. O.N.: „Statistenplage“, in: Der Filmbote 3/33 (1920), S. 2–4. O.N.: „Statistenplage und kein Ende“, in: Der Filmbote 3/37 (1920), S. [9]f. O.N.: „Uebergriffe der Filmstatisten“, in: Der Filmbote 3/22 (1920), S. 20. O.N.: „Unser Filmarchiv“, in: Mein Film 2/85 (1927), S. 7. O.N.: „[Verbindung mit einer Filmfabrik sucht]“, in: Kinematographische Rundschau 8/306 (1914), S. 118. O.N.: „Wer ist zum Film berufen?“, in: Bettauers Wochenschrift (BFR) 1/15 (1927), S. V. O.N. [Antonio]: „Wie komme ich zum Film? Ratschläge an einen jungen Mann, damit er nicht zum Film geht“, in: Wiener Kino 2/5 (1924), S. [2]f. O.N.: „Wie kommt man zum Film?“, in: Die Kinowoche 2/18 (1920), S. [3]–5. O.N. [G. S.]: „Wollen Sie zum Film“, in: Mein Film 3/123 (1928), S. 15f. Pordes, Victor E.: „Die schöne Frau im Film“, in: Komödie 1/7 (1920), S. 22. [Porges, Friedrich]: „Die Zeitschrift ‚Mein Film‘ veranstaltet öffentliche Filmprüfungen“, in: Mein Film 4/180 (1929), S. 6f. [Ders.]: „Du sollst – Du mußt – Du darfst nicht . . ! Die elf Gebote für die, die zum Film wollen“, in: Die Bühne 1/7 (1924), S. 77. [Ders.]: „Eine Antwort an viele“, in: Mein Film 3/145 (1928), S. 11f. [Ders.]: „Unter dem Kopf ‚Der Filmstartraum einer Bürgerschülerin‘ brachte eine Zeitung den Bericht über die Flucht eines kleinen Mädchens aus dem Elternhaus“, in: Mein Film 2/61 (1927), S. 14.

456 | Schauspielen im Stummfilm

Ders.: „Zum Film wollen . . .“, in: Mein Film-Buch 1 (1927), S. 25–38. [Rappart], Hugo: „Auf der Wiener ‚Filmbörse‘“, in: Mein Film 2/85 (1927), S. 4. Reno, Paul: „[Statisten]“, in: Wiener Film-Ring 1/5 (1923), S. 6. [Ryan, James]: „Wozu macht man Probeaufnahmen?“, in: Mein Film 1/10 (1926), S. 7. Steinauer, J.: „Talent und Protektion“, in: Die Filmwelt 4/18 (1922), S. 3f. [Stern, Alexander]: „Die Filmbörse“, in: Die Kinowoche 3/12 (1921), S. [3]f. [Ders.]: „Wie ich filmte“, in: Die Kinowoche 3/16 (1921), S. [3]f. [Verband der Filmdarsteller]: „Die Sektion geistiger Arbeiter“, in: Neue KinoRundschau 3/118 (1919), S. 18. [Vereinigung der Kinofreunde]: „Vortrag Friedrich Porges bei der Kinogemeinde“, in: Mein Film 2/54 (1927), S. VIII. Wachtel, Rosa: „Der Statist. Eine traurige Geschichte“, in: Die Filmwelt 4/9 (1922), S. 11f. Waterbury, Ruth: „Als Extra-Girl in Hollywood“, in: Mein Film 2/62 (1927), S. 4 – Mein Film 2/63 (1927), S. 5 – Mein Film 2/64 (1927), S. 5 – Mein Film 2/65 (1927), S. 5 – Mein Film 2/66 (1927), S. 5 – Mein Film 2/67 (1927), S. 5f. (Orig.: „The Truth About Breaking into the Movies“, in: Photoplay 31/2 (1927), S. 38f. u. 106–108 – Photoplay 31/3 (1927), S. 40f. u. 130–132). Webers, Elly: „Film-Leben! Dichtung und Wahrheit aus dem Leben einer Filmschauspielerin“, in: Die Filmwelt 4/12 (1922), S. 6f. [1. Teil] – Die Filmwelt 6/3 (1924), S. 10 [38. Teil]. Willner, Josef: „Wie man Filmstar wird!“, in: Die Filmwelt 7/4 (1925), S. 3f. Zink, E[ugen]: „Lizzis Weg zum Film. Eine wahre Begebenheit“, in: Wiener Film-Ring 1/6 (1923), S. 6. 6.2 Bolz-Feigl, Alfons: „Der Kampf gegen die Kinoschulen“, in: Neue Kino-Rundschau 3/117 (1919), S. 6f. Ders.: „Filmschulen!“, in: Neue Kino-Rundschau 3/114 (1919), S. 8–10 – Die Kinowoche 1/3 (1919), S. 4f. [Cäcilien-Filmfabrik Ges.m.b.H.]: „Erklärung“, in: Die Kinowoche 3/16 (1921), S. 14. Eng, Peter: „Die bestrafte Eitelkeit. Eine Filmballade“, in: Die Theater- und Kinowoche 1/3 (1919), S. [29]f. Ferdinand-Bielitz, Elsa: „Filmdarsteller“, in: Neue Kino-Rundschau 2/55 (1918), S. 10 (Orig.: Illustrirtes Wiener Extrablatt 73, 17. März 1918, S. 6).

Quellenverzeichnisse | 457

Holy, Fred: „Filmschulen“, in: Die Filmwelt – Almanach 1 (1921), S. 16 u. 18. Ders.: „Noch einmal der Filmschulschwindel“, in: Die Filmwelt 4/12 (1922), S. 3f. (Orig.: nicht eruierbar). Ders.: „Noch einmal der Filmschulschwindel. (Schluß.)“, in: Die Filmwelt 4/13 (1922), S. 3f. (Orig. u.a.: Brief der Regent-Filmfabrik). Ders.: „Ueber dumme Menschen, Hochstapler und – Filmschulen“, in: Die Filmwelt 4/6 (1922), S. 10–12 (Bez.: nicht eruierbar). Hütter, Karl: „Die Filmschule. Ein Kapitel Großstadtschwindel“, in: Neue KinoRundschau 3/141 (1919), S. 6–8 (Orig.: nicht eruierbar). Jänny, Fero: „Eingesendet“, in: Neue Kino-Rundschau 2/75 (1918), S. 84f. (Orig.: Zuschrift). Kertész, Michael: „Ich suche Filmdarsteller . . .“, in: Die Bühne 1/1 (1924), S. 33. O.N.: „Alte Sagen im Film“, in: Die Theater- und Kinowoche 1/13 (1919), S. [17] (Bez.: nicht eruierbar). O.N.: „Behördliche Schließung von Filmschulen“, in: Neue Kino-Rundschau 2/52 (1918), S. 59. O.N.: „Das Geschäft mit den Kinoschulen“, in: Österreichischer Komet 8/278 (1915), S. 6. O.N.: „Das System der Kinoschulen“, in: Österreichischer Komet 9/318 (1916), S. 12 u. 21. O.N.: „Der Filmschulenschwindel“, in: Der Filmbote 3/19 (1920), S. 14f. – Wiener Eisbär 2/21–22 (1920), S. 4f. O.N.: „Der Filmschulenschwindel“, in: Der Filmbote 5/23 (1922), S. 2. O.N.: „Der Herr ‚Doktor‘ Franz Ferdinand“, in: Das Kino-Journal 20/865 (1927), S. 6. O.N.: „Der Herr ‚Dr.‘ Franz Ferdinand“, in: Das Kino-Journal 14/565 (1921), 11 S. [1]f. (Bez.: nicht eruierbar ; [Regent-Filmfabrik]: „Der Weg zum Film! [Inserat 270]“, in: Sport-Tagblatt 77, 19. März 1921, S. 8). O.N.: „Der Herr ‚Oberregisseur‘ Dr. Franz Ferdinand“, in: Das Kino-Journal 13/545 (1920), S. 2 (Bez.: [Regent-Filmfabrik]: „[Dr. Franz Ferdinand]“, in: Der Filmbote 3/39 (1920), S. 71). O.N.: „Der Kinoregisseur als Mörder“, in: Neue Kino-Rundschau 2/65 (1918), S. 8f. (Orig.: „‚Hilfsregisseure‘. Die angebliche Filmtätigkeit des Kurt Franke“, in: Die Zeit 5628, 30. Mai 1918, S. 7).

11 Das erwähnte Pferdezucht-Inserat konnte, trotz genauer Angaben (Neues Wiener Tagblatt, 20.03.1921), nicht eruiert werden, da die entsprechenden Seiten der Mikrofilmkopie nicht lesbar waren.

458 | Schauspielen im Stummfilm

O.N.: „[Der Regent-Film-Fabrik (Dir. Franz Ferdinand)]“, in: Neue Kino-Rundschau 3/116 (1919), S. 8 – „[Die ‚Regent-Filmfabrik‘ (Dr.Fr.Fer)]“, in: Die Kinowoche 1/2 (1919), S. 12. O.N.: „Der Schwindel der Filmschulen“, in: Die Pause (FP) 1/5 (1919), n.pag. (Orig.: Bolz-Feigl, Alfons: „Filmschulen!“, in: Neue Kino-Rundschau 3/114 (1919), S. 9; Hütter, Karl: „Die Filmschule. Ein Kapitel Großstadtschwindel“, in: Neue Kino-Rundschau 3/141 (1919), S. 6f.). O.N.: „Der sogenannte Doktor Franz Ferdinand“, in: Das Kino-Journal 13/552 (1920), S. [1]. O.N.: „Die Aufhebung der Filmschulen“, in: Die Filmwoche 6/255 (1918), S. [5]f. O.N.: „Die ‚Exzelsior‘-Filmfabrik“, in: Der Filmbote 3/20 (1920), S. 33 (Orig.: Zuschrift von Fred Bersée). O.N.: „Die Filmbörse“, in: Neue Kino-Rundschau 3/111 (1919), S. 2–5. O.N.: „[Die Filmschul-Direktoren]“, in: Die Filmwelt 4/11 (1922), S. 15. O.N.: „Die Filmschule der Paramount“, in: Österreichische Film-Zeitung 1/48 (1927), S. 12. O.N.: „Die Filmschule. Die Notwendigkeit der Heranbildung künstlerischen Nachwuchses“, in: Österreichische Film-Zeitung 1/28 (1927), S. 6f. O.N.: „Die Jugoslawin, die Polin und die Österreicherin, die Erwählten der Fanamet-Konkurrenz“, in: Mein Film 2/60 (1927), S. 3. O.N.: „Die Kinoschauspielschule der Helene Odilon“, in: Kinematographische Rundschau 7/288 (1913), S. 64 u. 70. O.N.: „Die leidigen Kinoschulen“, in: Die Filmwoche 4/176 (1916), S. [5]. O.N.: „Die Öffentlichen Filmprüfungen von ‚MEIN FILM‘. Eine Auswahl aus den Bildereinsendungen“, in: Mein Film 4/179 (1929), S. 11. O.N.: „Die Probeaufnahmen“, in: Die Bühne 2/24 (1925), S. 43. O.N.: „Die Regentfilm-Fabrik“, in: Neue Kino-Rundschau 3/132 (1919), S. 9 – „[Die Österreichische Filmindustrie]“, in: Die Filmwelt 1/18 (1919), S. 15. O.N.: „Die ‚Sascha‘ arbeitet!“, in: Die Bühne 2/29 (1925), S. 37. O.N. [Florian]: „Die Schule der Grimassen“, in: Die Kinowoche 2/11 (1920), S. 10, 14 u. 16. O.N.: „Die Suche nach dem Star. Die neue Paramountschule ist eröffnet“, in: Mein Film 1/21 (1926), S. 6. O.N.: „Die Wahl der Wiener Filmschönheitskönigin. Hilde Bird, die Siegerin“, in: Mein Film 2/54 (1927), S. 2 u. 5. O.N.: „Drei schöne Darstellerinnen für einen Film gesucht! Eine mit langem blonden Haar, eine mit dunklem Bubikopf und eine mit hellem Bubikopf!“, in: Mein Film 1/24 (1926), S. VIII.

Quellenverzeichnisse | 459

O.N.: „[Drei] schöne Darstellerinnen gesucht. Die erste engere Auswahl auf Grund der Probeaufnahmen zu unserer Konkurrenz“, in: Mein Film 2/73 (1927), S. 3. O.N.: „Drei schöne Filmdarstellerinnen gesucht! Die ersten Probeaufnahmen der von der Jury in Wien Ausgewählten!“, in: Mein Film 2/63 (1927), S. 7. O.N.: „Egon Jacobson [sic!]“, in: Die Kinowoche 2/3 (1920), S. 9. O.N. [A.Z.]: „Ein alter Schwindler mit einem neuen Fangnetz“, in: Die Filmwelt 6/33 (1924), S. 9f. (Bez.: O.N.: „Der Weg zum Film! [Inserat]“, in: Die Bühne 1/3 (1924), S. 38 – Die Bühne 1/4 (1924), S. 50; Holy, Fred: „Noch einmal der Filmschulschwindel“, in: Die Filmwelt 4/12 (1922), S. 3f.; ders.: „Noch einmal der Filmschulschwindel. (Schluß.)“, in: Die Filmwelt 4/13 (1922), S. 3f.). O.N.: „Eine ‚Erklärung‘“, in: Das Kino-Journal 13/539 (1920), S. [5]f. O.N.: „Eine Filmschauspielerfabrik“, in: Wiener Eisbär 2/19–20 (1920), S. 4 (Orig.: Wiener Montag-Blatt). O.N.: „Eine Filmschule der Firma Paramount“, in: Der Filmbote 8/31 (1925), S. 14. O.N.: „Eine Grazer ‚Kinoschule‘“, in: Neue Kino-Rundschau 2/74 (1918), S. 4–6 (Orig.: anonymisierte Zuschrift vom 29. Juli 1918). O.N.: „Eine Schwindelgründung. Wie ‚Doktor‘ Ferdinand Aktiengesellschaften gründet “, in: Das Kino-Journal 13/515 (1920), S. 4 u. 16. O.N.: „Ein Kapitel aus der österreichischen ‚Filmfabrikation‘“, in: Österreichischer Komet 7/238 (1914), S. [1]f. O.N.: „Ferdinand Bertram klagt. Großer Erfolg unserer Aktion gegen den Filmschulenschwindel“, in: Die Filmwelt 7/6 (1925), S. 2. O.N.: „Ferdinand Bertram verurteilt!“, in: Die Filmwelt 7/11 (1925), S. 8. O.N.: „‚Filmfabriken‘“, in: Das Kino-Journal 13/510 (1920), S. 2. O.N.: „Film-Festwochen – Wettbewerbe entschieden“, in: Mein Film 9/445 (1934), S. 7f. O.N.: „Filmnachwuchs“, in: Der Filmbote 9/29 (1926), S. [3]f. O.N.: „Filmprüfungen“, in: I.A.O., Internationales Artisten-Organ 4/5 (1929), S. 3. O.N.: „Filmschauspiel-Schulen“, in: Die Filmwoche 2/57 (1914), S. 4 u. 21f. (Bez.: [Bisenz, F.]: „Junge, hübsche Damen [Inserat 55223]“, in: Illustrirtes Wiener Extrablatt 87, 29. März 1914, S. 37; [ders.]: „Vollständige, erstklassige Ausbildung [Inserat 55222]“, in: Illustrirtes Wiener Extrablatt 87, 29. März 1914, S. 38; [Dukes]: „Kino-Unterricht [Inserat 2672]“, in: Neues Wiener Tagblatt 87, 29. März 1914, S. 114).

460 | Schauspielen im Stummfilm

O.N.: „Filmschauspielschulen“, in: Die Filmwoche 2/58 (1914), S. 24 (Bez.: O.N.: „Junge Damen, welche Lust [Inserat 12079]“, in: Neues Wiener Tagblatt 101, 12. April 1914, S. 48). O.N.: „Filmschulen“, in: Neue Kino-Rundschau 3/111 (1919), S. 45 (Orig.: „Parasiten der Branche“, in: Neue Filmwoche 1/27 (1919), S. [3]). O.N.: „Filmschulendämmerung. Eine polizeiliche Untersuchung gegen ‚Dr. Ferdinand‘ und die Filmschulschwindler“, in: Die Filmwelt 7/3 (1925), S. [2]. O.N. [Nt.]: „Filmschulenschwindel“, in: Der Neue Film [1]/4–5 (1921), S. 3f. O.N.: „Filmschulenskandal. Energisches Einschreiten der Polizeibehörde“, in: Der Filmbote 3/37 (1920), S. 10f. (Bez.: nicht eruierbar). O.N.: „Filmschulschwindel ohne Ende“, in: Die Filmwelt 5/20 (1923), S. 9. O.N.: „Filmschwindel“, in: Der Filmbote 3/33 (1920), S. 13. O.N.: „Filmschwindel“, in: Mein Film 1/22 (1926), S. 2 (Bez.: nicht eruierbar). O.N.: „‚Filmunterricht‘“, in: Die Filmwoche 5/226 (1917), S. 44 (Orig.: „‚Filmunterricht‘. Zur Überwachung der Privatschulen“, in: Der Abend 178, 12 21. August 1917, S. 3f.) . O.N.: „Flimmer-Flunkerei. Oder: Wie man kein Filmstar werden kann“, in: Die Bühne 1/5 (1924), S. 52. O.N.: „[Frau Helene Odilon]“, in: Kinematographische Rundschau 7/292 (1913), S. 40. O.N.: „Frau Odilon als Kinolehrerin“, in: Österreichischer Komet 6/172 (1913), S. 8. (Bez.: [Odilon, Helene]: „Helene Odilon“, in: Neues Wiener Journal 7130, 29. August 1913, S. 14 – Neues Wiener Tagblatt 237, 29. August 1913, S. 22). O.N.: „Hans Otto dreht! [...] Hilde Birds Filmdebüt“, in: Mein Film 2/61 (1927), S. 6. O.N.: „Helene Odilons Kinopläne“, in: Österreichischer Komet 7/190 (1914), S. 32f. O.N. [Bob]: „Ich bin Filmschüler“, in: Die Bühne 4/121 (1927), S. 35f. O.N.: „Juni-Prüfung“, in: I.A.O., Internationales Artisten-Organ 4/6 (1929), S. 2f. O.N.: „Kampf gegen den Filmschulenschwindel. Eine Warnung an alle, die zum Film wollen“, in: Mein Film 1/28 (1926), S. 4.

12 Bei dem Originaltext handelt es sich um eine Zuschrift eines Filmfachmannes, die wahrscheinlich von Wilhelm Stignitz stammte. Im Österreichischen Kometen vom 11.05.1918 ist diesbezüglich zu lesen, dass der Herausgeber der Fachzeitschrift im „vergangenen Herbst“ im Abend einen Artikel zur Filmschul-Problematik publiziert hatte. Vgl. o.N.: „Schwindel-Schulen und Schwindel-Filmfabriken“, S. 2f.

Quellenverzeichnisse | 461

O.N. [Oly]: „Kinoschulen“, in: Das Kino-Journal 13/3 [504] (1920), n.pag. – Wiener Eisbär 2/17–18 (1920), S. 5. O.N.: „Kurt Franke bei der Regent-Filmfabrik“, in: Österreichischer Komet 11/421 (1918), S. 4 (Bez.: [Regent-Filmfabrik]: „Regent-Filmfabrik [Inserat 95630]“, in: Neues Wiener Tagblatt 144, 30. Mai 1918, S. 36). O.N.: „Material gegen die Kinoschulen“, in: Neue Filmwoche 1/31 (1919), S. 9f. – Neue Kino-Rundschau 3/114 (1919), S. 13. O.N.: „Neue Betrugsversuche Ferd. Bertrams“, in: Die Filmwelt 7/10 (1925), S. 8. O.N.: „Noch einmal die Filmschule“, in: Österreichische Film-Zeitung 1/42 (1927), S. 8–10. O.N.: „Nochmals der ‚Dr. Ferdinand‘“, in: Das Kino-Journal 13/548 (1920), S. [1]f. (Bez.: Ferdinand, Franz: „Erklärung“, in: Der Filmbote 3/47 (1920), S. 61f.). O.N.: „‚Nur lustige Sachen!‘ Der Raubmörder als ‚Kinoregisseur‘“, in: Neue Kino-Rundschau 2/75 (1918), S. [3]f. O.N.: „Öffentliche Filmprüfungen“, in: Mein Film 4/175 (1929), S. 2. O.N.: „‚Öffentliche Filmprüfungen‘“, in: Mein Film 4/181 (1929), S. 2. O.N.: „Öffentliche Filmprüfungen durch die Zeitschrift ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 4/176 (1929), S. 2. O.N.: „Öffentliche Filmprüfungen durch die Zeitschrift ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 4/177 (1929), S. 2. O.N.: „Öffentliche Filmprüfungen durch die Zeitschrift ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 4/178 (1929), S. 2. O.N.: „Parasiten der Branche“, in: Neue Filmwoche 1/27 (1919), S. [3] (Bez.: O.N.: „Filmdrama! [Inserat 79223]“, in: Neues Wiener Tagblatt 95, 6. April 1919, S. 38; o.N.: „Filmaufnahmen! [Inserat 79224]“, in: Neues Wiener Tagblatt 95, 6. April 1919, S. 38). O.N.: „Probeaufnahmen bei der ‚Sascha‘. Oberregisseur Kertész entdeckt“, in: Die Bühne 2/20 (1925), S. 32f. O.N.: „Regent-Film“, in: Das Kino-Journal 14/565 (1921), S. 4. O.N.: „Regent-Film-Gesellschaft/Richtigstellung“, in: Österreichischer Komet 8/278 (1915), S. 6 (Orig.: Zuschrift von „Doktor Ferdinand“). O.N.: „Schandflecken“, in: Der Filmbote 5/24 (1922), S. 6. O.N.: „Schauspieler und Filmdarsteller“, in: Neue Kino-Rundschau 5/226 (1921), S. [9]f.

462 | Schauspielen im Stummfilm

O.N.: „Schwindel-Schulen und Schwindel-Filmfabriken“, in: Österreichischer Komet 11/417 (1918), S. 2f. (Bez.: O.N.: „‚Filmunterricht‘. Zur Überwa13 chung der Privatschulen“, in: Der Abend 178, 21. August 1917, S. 3f.) . O.N.: „Schwindel-Unternehmungen. Film-Schulen“, in: Das Kino-Journal 13/537 (1920), S. [1]f. O.N.: „Sechs Wiener Mädeln für einen Film gesucht! Hans Pebal braucht Darstellerinnen für den Film ‚Mei Mutterl war a Weanerin‘“, in: Mein Film 3/125 (1928), S. 11. O.N.: „Sperrung der Filmschulen“, in: Die Filmwoche 6/253 (1918), S. 8 (Orig.: Illustrirtes Wiener Extrablatt 57, 1. März 1918, S. 6). O.N.: „Stimmungsbilder. [...] – Der Mord im Bristol“, in: Die Filmwoche 6/266 (1918), S. [5] (Bez.: O.N.: „‚Hilfsregisseure‘. Die angebliche Filmtätigkeit des Kurt Franke“, in: Die Zeit 5628, 30. Mai 1918, S. 7). O.N.: „Und Herr Franz Ferdinand?“, in: Das Kino-Journal 15/625 (1922), S. [1]f. O.N.: „Unsere Aktion ‚Öffentliche Filmprüfungen‘“, in: Mein Film 4/179 (1929), S. 2. O.N.: „Unsere Aktion ‚Öffentliche Filmprüfungen‘“, in: Mein Film 4/182 (1929), S. 6. O.N.: „Unsere Aktion ‚Öffentliche Filmprüfungen‘“, in: Mein Film 4/202 (1929), S. 2. O.N.: „Unsere Filmprüfungs-Aktion“, in: Mein Film 4/206 (1929), S. 14. O.N.: „Unser Prozeß gegen Franz Ferdinand Bertram. Vertagung. – Herr Bertram wehrt sich gegen die Einvernahme von Sachverständigen“, in: Die Filmwelt 7/9 (1925), S. 2. O.N.: „Verhaftung von Filmschulenschwindlern“, in: Der Filmbote 3/39 (1920), S. 12 (Bez.: nicht eruierbar). O.N.: „Verlauf und Ergebnis der zweiten Filmprüfung“, in: Mein Film 4/208 (1929), S. 9f. O.N.: „Warnung vor Filmschwindlern!“, in: Mein Film 1/27 (1926), S. VI. O.N.: „Wie Angriffe auf das Kino entstehen“, in: Österreichischer Komet 11/430 (1918), S. [7]f. O.N.: „Wie man die sechs Wiener Filmmädels suchte und zwanzig fand!“, in: Mein Film 3/128 (1928), S. C.

13 Bei dem zitierten Bezugstext handelt es sich um eine Zuschrift eines Filmfachmannes, die wahrscheinlich von Wilhelm Stignitz, dem Herausgeber des Österreichischen Kometen, stammte.

Quellenverzeichnisse | 463

O.N.: „‚Wilde‘ Filmfabriken“, in: Österreichischer Komet 11/[422] (1918), S. 2–4. O.N.: „Wollen Sie filmen? ‚Die Bühne‘ bietet Ihnen die erwünschte Gelegenheit. Eine Jury entscheidet über eingesandte Photographien. Wir machen Probe-Filmaufnahmen!“, in: Die Bühne 1/1 (1924), S. 33. O.N.: „‚Zum Film wollen . . .‘ Eine Warnung“, in: Das Kino-Journal 15/620 (1922), S. 3f. O.N.: „Zum Kapitel ‚Filmschauspiel-Schulen‘“, in: Die Filmwoche 2/59 (1914), S. 4 u. 21. O.N. [P.W.]: „Zum Kapitel Filmschulen. Eine Zuschrift aus dem Publikum“, in: Die Kinowoche 1/4 (1919), S. 5 (Orig.: anonyme bzw. anonymisierte Zuschrift aus dem Leserkreis). O.N.: „Zum Kapitel Filmschulschwindel“, in: Die Filmwelt 7/4 (1925), S. 2. O.N.: „Zum Kapitel ‚Kinoschulen‘“, in: Die Filmwoche 3/127 (1915), S. 8 (Orig.: O.N.: „Hübsche Damen hohe Gage! [Inserat 46877] / [Godlewski, C. und W.]: „Die einzig richtige Ausbildung zum Filmdarsteller [Inserat 47466] / [Wiener Burgfilm-Industriegesellschaft]: „Einzig fachmänn[ische] Ausbildung in Wien [Inserat 50354]“, in: Neues Wiener Tagblatt 267, 26. September 1915, S. 89). O.N.: „Zum Kapitel Kinoschulen“, in: Neue Filmwoche 1/36 (1919), S. [3]. Pebal, Hans: „Die zum Film wollen. Erfahrungen bei der Konkurrenz der ‚Bühne‘“, in: Die Bühne 3/67 (1926), S. 43. Pollak, F[ranz]: „‚Filmunterricht für Herren und Damen erteilt . . .‘ Die Filmschulenschwindler und ihre Opfer“, in: Mein Film 2/61 (1927), S. 10. Ders.: „Wo bleibt der Nachwuchs?“, in: Die Filmwelt 6/18 (1924), S. 3f. Pordes, Vi[c]tor, E.: „Der Wiener Film. Was noch alles fehlt“, in: Das KinoJournal 18/790 (1925), S. 2f. (Orig.: Die Filmtechnik 1/4 (1925), S. 74f.). [Porges, Friedrich]: „Die Zeitschrift ‚Mein Film‘ veranstaltet öffentliche Filmprüfungen“, in: Mein Film 4/180 (1929), S. 6f. [Ders.]: „Der Film als Beruf: VII. Warnung vor Filmschulenschwindlern“, in: Mein Film 1/10 (1926), S. 8 (Orig.: Radiovortrag „Die zum Film wollen . . . .“, Radio Wien, 27. Februar 1926, vgl. [RAVAG]: „Wiener Programme: Samstag, 27. Februar“, in: Radio-Wien 2/21 (1926), S. 846). [Ders.]: „Eine Antwort an viele“, in: Mein Film 3/145 (1928), S. 11f. Sch[napek], H[enryk]: „Er läßt nicht nach“, in: Die Filmwelt 7/2 (1925), S. 10f. [Ders.]: „Und immer wieder: Filmschulschwindel“, in: Die Filmwelt 6/34 (1924), S. 4f. Sonja, Magda: „Mein Leid“, in: Komödie 4/31 (1923), S. 7.

464 | Schauspielen im Stummfilm

[Verband der Filmdarsteller]: „Filmschulen“, in: Neue Kino-Rundschau 3/112 (1919), S. 14 – Die Filmwelt 1/8 (1919), S. 16. [Weiß, Karl]: „Richtigstellung“, in: Österreichischer Komet 7/239 (1914), S. 12. Wilheim, Kete (Red.): „Gespräch mit der Filmschönheitskönigin“, in: Mein Film 2/55 (1927), S. 13. 6.3 Bolz-Feigl, Alfons: „Zum Abschied“, in: Neue Kino-Rundschau 3/125 (1919), S. 4f. Ders.: „Zwecke und Ziele des Verbandes der Filmdarsteller“, in: Neue KinoRundschau 3/112 (1919), S. 11–13 (Bez.: WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1919, §§ 3 u. 4)). Diogenes: „Echo“, in: Kinematographische Wochenschau 3/31 (1912), S. 29. Forest, Carl: „Die Organisation der Filmdarsteller“, in: Die Kinowoche 2/1 (1920), S. [1]–3. O.N.: „Der Filmkünstler – Handlungsgehilfe“, in: Die Pause 1/10–11 (1919), n.pag. O.N.: „Der neue Kollektivvertrag mit den Filmdarstellern“, in: Der Filmbote 3/30 (1920), S. 2f. (Orig.: nicht eruierbar). O.N.: „[Der Verband der Filmdarsteller]“, in: Wiener Film-Ring 1/3 (1923), S. 6. O.N. [tz]: „Der Verein der Filmfiguren. (Eine zeitgemässe Gründung.)“, in: Österreichischer Komet 4/84 (1911), S. 30 u. 32. O.N.: „Der Vertrag der Filmdarsteller“, in: Neue Filmwoche 1/31 (1919), S. 6. O.N.: „Die Filmbörse“, in: Neue Kino-Rundschau 3/111 (1919), S. 2–5. O.N.: „Filmschauspieler – Arbeiter“, in: Neue Kino-Rundschau 3/116 (1919), S. 7f. (Orig.: „Der Filmschauspieler – ein Arbeiter. Interessante Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. (Originalbericht des ‚Neuen Wiener Journals‘.)“, in: Neues Wiener Journal 9176, 20. Mai 1919, S. 10 – „Wien, 19. Mai. Filmschauspieler – Arbeiter“, in: Neue Freie Presse 19661, 20. Mai 1919, S. 11). O.N.: „[Im Verband der Filmdarsteller Österreichs]“, in: Die Filmwelt 3/1 (1921), S. [12]. O.N.: „Klub der Wiener Filmdarsteller“, in: Die Filmwelt 1/23 (1919), S. 15. O.N.: „Klub der Wiener Filmdarsteller“, in: Die Filmwelt 2/25 (1920), S. 15. O.N.: „[Klub der Wiener Filmdarsteller]“, in: Die Filmwelt 2/31–32 (1920), S. 22.

Quellenverzeichnisse | 465

O.N.: „Ordentliche Mitglieder des Verbandes der Filmdarsteller“, in: Almanach der Film- und Kinoindustrie 1 (1920), S. 252–295 – Almanach der Film- und Kinoindustrie 2 (1921), S. 252–295. O.N.: „Schauspieler und Filmfabriken“, in: Der Filmbote 2/35 (1919), S. 5f. [Verband der Filmdarsteller]: „Die ‚Neue Kino-Rundschau‘ als offizielles Verbandsorgan!“, in: Neue Kino-Rundschau 3/112 (1919), S. 13f. [Ders.]: „Ein Rechtsbureau“, in: Neue Kino-Rundschau 3/123 (1919), S. 13. [Ders.]: „Filmbörse und Reichsverband“, in: Neue Kino-Rundschau 3/112 (1919), S. 14. [Ders.]: „Übereinkommen zwischen dem Verbande der Filmdarsteller und den unterfertigten Filmfabrikanten“, in: Neue Kino-Rundschau 3/115 (1919), S. 9f. [Ders.]: „Vorstandssitzung am 21. Juli 1919“, in: Neue Kino-Rundschau 3/125 (1919), S. 6. [Ders.]: „Vorstandssitzung vom 12. Juli 1919“, in: Neue Kino-Rundschau 3/125 (1919), S. 5. 7.1 O.N.: „Einleitung“, in: Die Filmwoche 4/191 (1916), S. 3. O.N.: „Seit wann gibt es Filmstars?“, in: Die Filmwoche 4/191 (1916), S. 3. 7.2 [Armand]: „Vorsicht, wenn du ein berühmter Filmstar bist!“, in: Mein Film 3/111 (1928), S. 17 (Orig.: nicht eruierbar). Fröhlich, Otto: „Filmstars“, in: Die Filmwelt 4/9 (1922), S. 7f. [Haid, Liane und Max Neufeld]: „[Hochverehrte Redaktion!]“, in: Die Filmwelt 2/39 (1920), S. [17]. Klaren, Georg: „Wie man die Diva zum Spielen bringt“, in: Die Filmwelt 4/13 (1922), S. 8f. Kutschera, Viktor: „Gedanken über den Film“, in: Die Kinowoche 2/4 (1920), S. 2–5. [Mayr, Mara]: „Autogramme [Carmen Cartellieri]“, in: Die Filmwelt 4/20 (1922), S. 11. [Dies.]: „Autogramme [Dora Kaiser]“, in: Die Filmwelt 4/21 (1922), S. 9. [Dies.]: „Autogramme [Liane Haid]“, in: Die Filmwelt 4/18 (1922), S. 9. [Dies.]: „Autogramme [Lucy Doraine]“, in: Die Filmwelt 4/22–23 (1922), S. 11. [Dies.]: „Autogramme [Magda Sonja]“, in: Die Filmwelt 4/19 (1922), S. 7.

466 | Schauspielen im Stummfilm

[Dies.]: „Autogramme [Max Neufeld]“, in: Die Filmwelt 4/20 (1922), S. 11. Ollop, Paul: „Die Filmvölkerwanderung“, in: Die Filmwelt 2/31–32 (1920), S. 14. Ders.: „Wiener Filmkomiker“, in: Die Filmwelt 1/18 (1919), S. 4f. [Ders.]: „Wiener Operettenlieblinge im Film“, in: Die Filmwelt 1/24 (1919), S. 9. O.N.: „Antworten die Stars auf Publikumsbriefe?“, in: Mein Film 3/113 (1928), S. 15f. O.N.: „Asta Nielsen auf der Bühne“, in: Kinematographische Rundschau 7/261 (1913), S. 58. O.N.: „Das Weltbürgertum des Filmschauspielers“, in: Die Bühne 3/96 (1926), S. 38f. O.N.: „Der Filmbösewicht“, in: Mein Film 2/89 (1927), S. 5f. O.N.: „Der Filmstar“, in: Die Kinowoche 1/8 (1919), S. 7f. O.N.: „Der Zauber des Kino-Stars“, in: Neue Kino-Rundschau 4/195 (1920), S. 6f. O.N.: „Die Stars und das Publikum“, in: Die Filmwoche 4/191 (1916), S. 69. O.N.: „Ein Archiv der Filmaspiranten. Organisierung derer, die zum Film wollen – Eine neue Aktion unserer Zeitschrift“, in: Mein Film 2/79 (1927), S. 2. O.N.: „Eine Lucy Doraine-Zigarette“, in: Der Filmbote 7/27 (1924), S. 12. O.N.: „Filmkünstler auf der Bühne“, in: Die Filmwoche 4/191 (1916), S. 93f. O.N.: „Filmsternkinder“, in: Die Filmwelt 5/8 (1923), S. 7. O.N.: „Filmtypen aus aller Welt“, in: Mein Film 2/54 (1927), S. 4f. O.N.: „In welcher Form ersuche ich Filmkünstler um ein Autogramm?“, in: Mein Film-Buch 1 (1927), S. 469–471 – Mein Film-Buch 2 (1928), S. 495– 497 – Mein Film-Buch 3 (1929), S. 469–471 – Mein Film-Buch 4 (1930), S. 427–429. O.N.: „Liane Haid“, in: Neue Kino-Rundschau 3/131 (1919), S. 7. O.N.: „Liane Haid in Wien“, in: Mein Film 1/35 (1926), S. VII. O.N.: „Liane Haid ist wieder in Wien! Ein herzlicher Empfang am Westbahnhof“, in: Mein Film 1/36 (1926), S. 5. O.N.: „Liane Haids Wiener Aufenthalt. Ein stürmischer Autogrammabend – Empfang im Hotel de France“, in: Mein Film 1/37 (1926), S. VIII. O.N.: „‚Lucy Doraine‘“, in: Wiener Kino 2/26 (1924), S. [2]. O.N.: „Mit wem sie verheiratet sind . . . Die Gatten und Gattinnen der Filmstars“, in: Mein Film 1/5 (1926), S. 3. O.N.: „Nach Schluß der Redaktion“, in: Die Filmwelt 2/37 (1920), S. 10. O.N.: „Soll der Gatte der Regisseur seiner eigenen Frau sein? Eine Rundfrage an die amerikanischen Stars“, in: Mein Film 2/71 (1927), S. 5.

Quellenverzeichnisse | 467

O.N.: „Verlobung“, in: Der Filmbote 3/42 (1920), S. 31. O.N.: „Verlobung“, in: Neue Kino-Rundschau 4/188 (1920), S. 12. O.N.: „Warum Filmstars reisen . . .“, in: Mein Film 1/20 (1926), S. 7f. O.N.: „Wie entwickelt sich ein Filmstar?“, in: Die Filmwoche 4/191 (1916), S. 4. O.N.: „Wiener Künstler im Film“, in: Die Filmwoche 4/191 (1916), S. 40. Pebal, Hans: „Was muß der neue Filmkomiker bringen?“, in: Mein Film 1/16 (1926), S. 6. Pordes, Victor E.: „Die Filmdiva“, in: Komödie 2/3 (1921), S. 17. Porges, Friedrich (Red.): „Austausch-Filmstars“, in: Die Bühne 2/44 (1925), S. 45. Presten, Frank: „Autogramme“, in: Die Filmwelt 4/18 (1922), S. 8. Ders.: „Filmdiven und ihre Hunde“, in: Die Filmwelt 4/14 (1922), S. 6–8. [Rappart], Hugo: „Das ist das süße Mädel . . . !“, in: Mein Film 2/103 (1927), S. 5f. [Ders.]: „Der Wert des Autogramms“, in: Mein Film 1/31 (1926), S. 11. [Ders.]: „Verwandlungsfähigkeit ist die Hauptsache“, in: Mein Film 1/18 (1926), S. 7f. Roth, Josef: „Die Diva“, in: Die Filmwelt 1/10 (1919), S. 6f. St[ignitz], W[ilhelm]: „Asta Nielsen im Variété“, in: Österreichischer Komet 6/147 (1913), S. [1]f. Taussig, Emmerich (Red.): „Carmen Cartellieri in den Künstlerspielen Capua“, in: Mein Film 1/4 (1926), S. VII. [Vereinigung der Kinofreunde]: „Postkarten-Photographien unserer Filmlieblinge“, in: Mein Film 2/63 (1927), S. VIII. Wachtel, [Rosa]: „Carmen Cartellieri als Strandnixe“, in: Die Filmwelt 3/17–18 (1921), S. 8. Weill, Erwin: „Wiener Bühnenlieblinge im Film“, in: Die Filmwelt 1/10 (1919), S. [1]–3. 7.3 O.N.: „Der Liane Haid-Prozeß der Wiener Kunstfilmgesellschaft“, in: Der Kinobesitzer 2/37 (1918), S. 4f. O.N.: „Der Prozeß des Fräuleins Liane Haid“, in: Der Kinobesitzer 2/38 (1918), S. 5f. O.N.: „Der Prozeß Liane Haid“, in: Die Filmwoche 6/265 (1918), S. 12.

468 | Schauspielen im Stummfilm

O.N.: „Der Prozeß Liane Haid contra ‚Wiener Kunstfilm‘ und seine wohltätigen Folgen“, in: Wiener Montags-Journal 1888, 13. Mai 1918, S. 11. O.N. [ü]: „Die Klage gegen die Filmdarstellerin Liane Haid. Die Wiener Kunstfilm als Klägerin. (Eigenbericht.)“, in: Die Filmwoche 6/263 (1918), S. 8 u. 28. O.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid. Die Wiener Kunstfilmgesellschaft als Klägerin. (Eigenbericht.)“, in: Die Filmwoche 6/262 (1918), S. [7], 12, 25 u. 72. O.N.: „Ein Filmprozeß“, in: Fremden-Blatt 120, 5. Mai 1918, S. 10. O.N.: „Filmdarsteller und Theaterdirektoren“, in: Der Filmbote 1/2 (1918), S. [5]–7 (Bez.: nicht eruierbar). O.N.: „Filmschauspieler – Arbeiter“, in: Neue Kino-Rundschau 3/116 (1919), S. 7f. (Orig.: „Der Filmschauspieler – ein Arbeiter. Interessante Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. (Originalbericht des ‚Neuen Wiener Journals‘.)“, in: Neues Wiener Journal 9176, 20. Mai 1919, S. 10 – „Wien, 19. Mai. Filmschauspieler – Arbeiter“, in: Neue Freie Presse 19661, 20. Mai 1919, S. 11). O.N.: „Hubert Marischka, der Kinostar. Eine Klage gegen die KunstfilmIndustriegesellschaft. Originalbericht des ‚Neuen Wiener Journals‘“, in: Neues Wiener Journal 8674, 23. Dezember 1917, S. 12. O.N.: „Kinoprozesse gehören vor das Gewerbegericht“, in: Neues Wiener Tagblatt 138, 20. Mai 1919, S. 13. O.N.: „Kinostar und Filmgesellschaft. Das Urteil. (Originalbericht des ‚Neuen Wiener Journals‘.)“, in: Neues Wiener Journal 8818, 23. Mai 1918, S. 8. O.N.: „Kinostar und Filmgesellschaft. Filmehren, Filmgagen und Filmleiden. (Originalbericht des ‚Neuen Wiener Journals‘.)“, in: Neues Wiener Journal 8801, 5. Mai 1918, S. 12f. O.N. [S. v. M.]: „Kino-Sterne“, in: Österreichischer Komet 11/400 (1918), S. 3 (Orig.: „Kino-Sterne. Aus dem Reiche der großen Gagen. Originalbericht des ‚Neuen Wiener Journals‘“, in: Neues Wiener Journal 8682, 1. Januar 1918, S. 5). O.N.: „Marischka, der Kinostar“, in: Fremden-Blatt 351, 23. Dezember 1917, S. 9. O.N.: „Rund um die Wiener Theater“, in: Neues 8 Uhr-Blatt 986, 28. Dezember 1917, S. 3. O.N.: „Wien, 4. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, in: Neue Freie Presse 19286, 5. Mai 1918, S. 13. O.N.: „Wien, 22. Mai. (Die Filmschauspielerin.)“, in: Neue Freie Presse 19303, 23. Mai 1918, S. 10.

Quellenverzeichnisse | 469

8.1 Behrens, Otto: „Der Tonfilm-Nachwuchs“, in: Das Kino-Journal 23/1060 (1930), S. 7f. Haid, Liane: „Mein Sprechfilmdebüt“, in: Mein Film 4/202 (1929), S. 3f. Dies.: „Tonfilmgefahren für den Schauspieler“, in: Das Kino-Journal 22/1013 (1929), S. 8. O.N.: „Aufruf an die Bühnenschauspieler Österreichs[,] die zum Ton- und Sprechfilm wollen. Eine Aktion der Zeitschrift ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 5/234 (1930), S. 9. O.N.: „Ausländer haben wenig Chance beim Sprechfilm. Die Abwanderung der fremden Filmstars aus Hollywood“, in: Mein Film 4/197 (1929), S. 8. O.N.: „Die Sprache als Hindernis“, in: Das Kino-Journal 23/1025 (1930), S. 9f. O.N.: „Die Tonfilmschule“, in: Österreichische Film-Zeitung 4/39 (1930), S. 6. O.N. [sch]: „[Hundertsechzehn] Tonkinos in Österreich“, in: Das Kino-Journal 23/1056 (1930), S. 3f. O.N.: „Nachwuchs an Tonfilmdarstellern ist dringend nötig!“, in: Mein Film 5/247 (1930), S. 8. O.N.: „Wollen Sie zum Tonfilm?“, in: Mein Film 5/231 (1930), S. 5f. Porges, Friedrich: „Tonfilm und Publikum“, in: Mein Film-Buch 4 (1930), S. 5– 15. Thimig, Hugo: „Kurze Bemerkungen zu meinem ersten Tonfilm“, in: Mein Film 5/254 (1930), S. 8. 8.2 Schubert, Josco: „Kinorezepte. Kochbuch fürs Kino“, in: Die Kinowoche 1/2 (1919), S. 3. 8.3 [Kinematographische Rundschau]: „Erster österreich.-ungarischer Kinematographen-Kalender und Handbuch 1914“, in: Kinematographische Rundschau 7/289 (1913), S. 59. [Neue Kino-Rundschau]: „Der ‚Kinematographen-Kalender 1920‘ der ‚Neuen Kino-Rundschau‘“, in: Neue Kino-Rundschau 3/145 (1919), n.pag. O.N.: „Die Erste Wiener Kino-Zeitung“, in: Österreichischer Komet 7/210 (1914), S. 22 (Bez.: O.N.: „Ein Retter der Kinobranche“, in: Österreichischer Komet 7/209 (1914), S. 2).

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FORSCHUNGS- UND SEKUNDÄRLITERATUR Das nachfolgende Literaturverzeichnis enthält auch biografische Nachschlagewerke und Texte, die nicht eigens im Hauptteil zitiert worden sind. Die betreffenden Quellenangaben wurden mit einem Asterisk (*) gekennzeichnet.14 Arnold, Klaus: „Der wissenschaftliche Umgang mit den Quellen“, in: Geschichte. Ein Grundkurs, hg. von Hans-Jürgen Goertz, 3. Aufl. Reinbek: Rowohlt, 2007 (= rowohlts enzyklopädie 55688), S. 48–65 (Orig.: 1998). Ders.: „Quellenkritik“, in: Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe, hg. von Stefan Jordan. Stuttgart: Reclam, 2013 (= Reclams UniversalBibliothek 503), S. 255–257 (Orig.: 2002). Bakos, Eva: Wilde Wienerinnen. Leben zwischen Tabu und Freiheit. Wien: Ueberreuter, 1999. Balázs, Béla: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2001 (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1536), (Orig.: Wien, Leipzig: Deutsch-Österreichischer Verlag, 1924). Ders.: „Tonfilm (1930)“, in: Geschichte der Filmtheorie. Kunsttheoretische Texte von Méliès bis Arnheim, hg. von Helmut H. Diederichs. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2004 (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1652), S. 359–372 (Orig.: Der Geist des Films. Halle: Knapp, 1930). Baumbach, Gerda: Schauspieler. Historische Anthropologie des Akteurs, Bd. 1: Schauspielstile. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2012. Belloï, Livio: „Körper, Blick, Kamera. Die Pointers on Picture Acting der Selig Polyscope Co.“, in: Stummes Spiel, sprechende Gesten, hg. von Frank Kessler, Sabine Lenk und Martin Loiperdinger, übers. von Frank Kessler. Basel, Frankfurt a.M.: Stromfeld/Roter Stern, 1998 (= KINtop 7), S. 32–35. Bentley, Eric: Das lebendige Drama. Eine elementare Dramaturgie. Velber: Friedrich, 1967 (Orig.: The Life of the Drama. New York: Atheneum, 1964). Binkle, Jonas: „Ehrle Kurt“, Saarländische Biografien, [2013], www.saarlandbiografien.de/Ehrle-Kurt, 30.01.2016 (Bez.: Steffens, Heinz: „Der Schauspieler Kurt Ehre“, in: Saarheimat [3]/7–8 (1959), S. 41).*

14 Exakte Quellenverweise vgl. Anna Denk: Der Beruf des Stummfilmschauspielers/der Stummfilmschauspielerin im Wien der 1910er und 1920er Jahre. Zur Entstehung eines eigenständigen Berufsbildes. Quellenkritische Interpretation der österreichischen Filmzeitschriften bis 1930. Diss., Universität Wien, 2017, S. 432–435.

Quellenverzeichnisse | 471

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472 | Schauspielen im Stummfilm

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488 | Schauspielen im Stummfilm

Ders.: „Es wird im Leben dir mehr genommen als gegebenen ...“. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. Hamburg: Acabus, 2011.* Ders.: Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon der verfolgten Theater-, Film- und Musikkünstler 1933–1945. Berlin: Metropol, 2008.* Wetzstein, Michaela: Studien zur Geschichte der Komparserie. Dipl., Universität Wien, 1993. Wiener Stadt- und Landesarchiv und Wienbibliothek im Rathaus: Wien Geschichte Wiki, 2014–2016, www.wien.gv.at/wiki/index.php/Über_das_Projekt, 23.12.2015–31.01.2016 (Grundlage: Czeike, Felix (Hg.): Historisches Lexikon Wien, 6 Bde. Wien: Kremayr & Scheriau, 1992–2004).* Wilensky, Harold L.: „Jeder Beruf eine Profession?“, in: Berufssoziologie, hg. von Thomas Luckmann und Walter Michael Sprondel, übers. von Walter Michael Sprondel. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1972 (= Neue Wissenschaftliche Bibliothek 55), S. 198–215 (Orig.: „The Professionalization of Everyone?“, in: American Journal of Sociology 70/2 (1964), S. 137–158; doi.org/10.1086/223790). Winkler, Christian F.: Wien-Film. Träume aus Zelluloid. Die Wiege des österreichischen Films. Erfurt: Sutton, 2007 (Orig.: Ders. und Franz Antel: Hollywood an der Donau. Geschichte der Wien-Film in Sievering. Wien: Österreichische Staatsdruckerei, 1991 (= Edition S)). Wojcik, Pamela Robertson: „General Introduction“, in: Movie Acting, The Film Reader, hg. von Pamela Robertson Wojcik. New York, London: Routledge, 2004 (= In Focus: Routledge Film Readers), S. 1–13. Wolf, Gusti: Gusti Wolf erzählt aus ihrem Leben, hg. von Dagmar Saval. Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2001. Wolfinger, Nicolas: Kunst oder Ware? Die österreichische Filmpublizistik der Stummfilmzeit mit einer Diskursanalyse zum Wiener ‚Filmkritik-Streit‘. Bakk., Universität Wien, 2011.

ARCHIVALIEN FAA, Nachlässe, Lucy-Doraine-Nachlass: Lucy-Doraine-Zigaretten (Firma Zuban, München, [1924]). FAA, Nachlässe, Lucy-Doraine-Nachlass: Stoffbänder. ÖNB, Han, Autogr. 572/71-6: Rundschreiben von Adolf Weisse an das Ensemble des Deutschen Volkstheaters vom 02.11.1911.

Quellenverzeichnisse | 489

ÖStA, AVA, Inneres, MdI, Allgemein, Teil 2 A, 2173 (1912), 19167: Stenographisches Protokoll der Enquete über das Kinematographenwesen. ÖStA, HHStA, HA, Burg, 202 (1913), 615: Bericht der k.u.k. Direktion des k.k. Hofburgtheaters an die k.u.k. General-Intendanz der k.k. Hoftheater betreffend die Beteiligung von Mitgliedern des Hofburgtheaters an den Kinematographentheatern. ÖStA, HHStA, HA, Burg, 202 (1913), 848: Rundschreiben von der k.u.k. Direktion des k.k. Hofburgtheaters an die Mitglieder des k.k. Hofburgtheaters betreffend die Bestimmungen für die Mitwirkung an kinematographischen Aufführungen. ÖStA, HHStA, HA, Burg, 202 (1913), 905: Sofortige Entlassung der Frau Ida Orloff aus dem Verbande des Hofburgtheaters. ÖStA, HHStA, HA, Burg, 222 (1918), 264: Neuer Vertragsabschluss zwischen dem k.k. Hofburgtheater und der Schauspielerin Tilly Kutschera. ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 369 (1913), 2252: Direktion des Hofburgtheaters betreffend das Ansuchen des Hofschauspielers Karl von Zeska um Bewilligung für [k]inomatographische Aufnahmen zu Gunsten des Johann StraussDenkmales. ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 372 (1913), 3286: Direktion des Hofburgtheaters betreffend den in der Tageszeitung Neues Wiener Journal am 2. September 1913 veröffentlichten Artikel „Ida Orloff über [das] Burgtheater“ und Einleitung der Disziplinar-Verhandlung. ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 374 (1913), 4754: Klage von Ida Satter-Orloff wider das k.k. Hofärar auf Feststellung des Bestandes eines Vertrages. ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 380 (1914), 1405: Klage von Ida Satter-Orloff wider das k.k. Hofärar auf Feststellung des Bestandes eines Vertrages [Urteil und Vergleich]. ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 419 (1918), 1916: Neuerliche Urgenz der rückständigen Mitwirkungstaxen aus dem Jahre 1916, 1917 und 1918 bei der Direktion des Hofburgtheaters. ÖStA, HHStA, HA, GIdHTh, 422 (1918), 3831: Leopold Freiherr von AndrianWerburg, k.u.k. Generalintendant der k.k. Hoftheater, gestattet den Mitgliedern des k.k. Hofburgtheaters, Lily Marberg und Alma Seidler, die Mitwirkung im Propagandafilm „Maria Theresia“. ÖStA, HHStA, HA, OmeA, 2038, 19/21 (1913), 2294: Berichte betreffend die Teilnahme von Mitgliedern der k.k. Hoftheater an Aufnahmen für Kinematographentheater. ÖTM, Archiv Volkstheater, Karton 1–6.

490 | Schauspielen im Stummfilm

WStLA, Handelsgericht, B22 – Cg – Namensverzeichnisse: 3-2 Cg, 10-4 Cg, 16-5 Cg, 22-6 Cg, 57-15 Cg, 87-20 Cg. WStLA, Handelsgericht, B76 – Handelsregister A: 26.130. WStLA, Handelsgericht, B76 – Handelsregister A: 37.174. WStLA, Handelsgericht, B76 – Handelsregister A: 38.213a. WStLA, Handelsgericht, B76 – Handelsregister A: 44.50a. WStLA, Handelsgericht, B76 – Handelsregister A: 61.216. WStLA, Handelsgericht, B78 – Handelsregister C: 28.209. WStLA, Handelsgericht, B78 – Handelsregister C: 30.206. WStLA, Handelsgericht, B78 – Handelsregister C: 46.80. WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921. WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 3294/1924.

GESETZESTEXTE ABGB – Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (JGS 1811/946: „Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie“, geändert durch RGBl 1916/69: „Kaiserliche Verordnung vom 19. März 1916 über die dritte Teilnovelle zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch“) GBlÖ – Gesetzblatt für das Land Österreich (GBlÖ 1938/136: „Gesetz über die Überleitung und Eingliederung von Vereinen, Organisationen und Verbänden“) RGBl – Reichs-Gesetz-Blatt für das Kaiserthum Oesterreich (RGBl 1867/134: „Gesetz vom 15. November 1867 über das Vereinsrecht“) SchSpG – Schauspielergesetz (BGBl 1922/441: „Bundesgesetz vom 13. Juli 1922 über den Bühnendienstvertrag“) TAG – Theaterarbeitsgesetz (BGBl I 2010/100: „Bundesgesetz über Arbeitsverhältnisse zu Theaterunternehmen“)

AUSKÜNFTE Filmarchiv Austria: mündliche Auskunft vom 18.11.2015. MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst: schriftliche Auskunft (E-Mail) vom 02./03.04.2013. Statistik Austria: schriftliche Auskunft (E-Mail) vom 23.05.2016.

Quellenverzeichnisse | 491

Universitätsarchiv der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien: schriftliche Auskunft (E-Mail) vom 12.01.2015. VÖFS – Verband österreichischer FilmschauspielerInnen: schriftliche Auskunft (E-Mail) vom 11.12.2015. Wiener Stadt- und Landesarchiv: schriftliche Auskunft (E-Mail) vom 27.04.2016.

AUDIOVISUELLE QUELLEN Filmgeschichten aus Österreich. Folge 2 – Es waren einmal zwei Grafen, R.: Helmuth Dimko und Walter Fritz, ORF, 03.11.1970, 00:50:18–00:52:09. „Gründungsgeschichte. Miguel Herz-Kestranek zur Gründung des VÖFS 1994“, R.: VÖFS, youtube.com, 2013, www.vöfs.at/Gründungsgeschichte.html, 20.07.2016.

Filmverzeichnis

Im nachfolgenden Filmverzeichnis werden ausschließlich die im Hauptteil erwähnten österreichischen Stumm(spiel)filme aufgelistet. Aus diesem Grund hat sich die Verfasserin dazu entschlossen, anstelle des Entstehungslandes die jeweilige Produktionsfirma anzuführen. Des Weiteren wird auf die Nennung des vollständigen Firmennamens sowie auf die Angabe von etwaigen Alternativtiteln verzichtet. Stattdessen werden nur jene Filmtitel, die in den vorhergehenden Kapiteln bzw. in den zitierten Originaltexten verwendet worden sind, berücksichtigt. Die folgenden Daten basieren – sofern nicht anders angegeben – auf den Angaben in der Österreichischen Filmografie (2010) und der „Österreichischen Filmografie 1906–1944“ (2002).1 Ein Asterisk (*) kennzeichnet jene Quellen, die auch in den Literaturhinweisen zu finden sind. BRECHENDE HERZEN (Regent, 1915) BRIEF EINER TOTEN, DER (Sascha-Meßter, 1917) CAFÉ ELEKTRIC (Sascha, 1927) CLOWN AUS LIEBE (Vita, 1924) DOPPELSELBSTMORD, DER (Wiener Kunstfilm, 1917) EHELEI (Domo Strauß, 1928) FEUERPROBE, DIE (Sascha, 1913) GESCHWISTER, DIE (Siehe: SO FALLEN DIE LOSE DES LEBENS)

1

Vgl. Anton Thaller (Hg.): Österreichische Filmografie, Bd. 1: Spielfilme 1906–1918. Wien: Filmarchiv Austria, 2010;* ders., Paolo Caneppele, Günter Krenn und Armin Loacker: „Österreichische Filmografie 1906–1944“, in: Das tägliche Brennen. Eine Geschichte des österreichischen Films von den Anfängen bis 1945, [hg. von] Elisabeth Büttner und Christian Dewald. Salzburg, Wien: Residenz, 2002, S. 412–467, hier S. 416–455.

494 | Schauspielen im Stummfilm

GOTTESGEISEL, DIE (Sascha, 1920) JOHANN STRAUSS AN DER SCHÖNEN BLAUEN DONAU (Wiener Kunstfilm, 1913) JOU-JOU (Biehl, 1920) JUNGE MEDARDUS, DER (Sascha, 1923) JUX WILL ER SICH MACHEN, EINEN (Robert Müller, 1916) KAISER JOSEF II (Sascha, 1912) KAISER KARL (Löwenstein, 1921) KARL BLASEL ALS ZAHNARZT (Wiener Kunstfilm, 1912) LEBENSWOGEN (Wiener Kunstfilm, 1917) MARIA THERESIA (Star, 1918/19)2 MARQUIS VON BOLIBAR, DER (Sun, 1922) MARYS WEG ZUM FILMSTAR (Filmwelt, 1922)3 MEI MUTTERL WAR A WEANERIN (Pebal, 1928) MILLIONENONKEL, DER (Sascha, 1913) MIT HERZ UND HAND FÜRS VATERLAND (Wiener Kunstfilm, 1915) MÜLLER UND SEIN KIND, DER (Österreichisch-ungarische Kinoindustrie, 1911) NACH DER PREMIERE (Wiener Spezialfilm, 1914) NACHT DER MARY MURTON, DIE (Sun, 1921) ORLAC’S HÄNDE (Pan, 1925) RACHE DES GRAFEN VON RAUHENSTEIN, DIE (Regent, 1915) RACHE DES PHARAO, DIE (Sascha, 1925) RIGOLETTO (Wiener Kunstfilm, 1918) ROSENKAVALIER, DER (Pan, 1926) SALAMMBÔ (Sascha, 1925) SATANSWEIB, DAS (Sascha, 1915) SCHANDFLECK, DER (Wiener Kunstfilm, 1917) SCHWARZE HAND, DIE (Wiener Kunstfilm, 1917) SKLAVENKÖNIGIN, DIE (Sascha, 1924) SODOM UND GOMORRHA (Sascha, 1922) SO FALLEN DIE LOSE DES LEBENS (Wiener Kunstfilm, 1918) SPIELZEUG VON PARIS, DAS (Sascha, 1925) TOCHTER DER FRAU VON LARSAC, DIE (Helios, 1925) TOCHTER DES BRIGADIERS, DIE (Sun, 1922)

2

Vgl. Armin Loacker: Carmen Cartellieri. Der Stummfilmstar und sein Regisseur Cornelius Hintner. Wien: Filmarchiv Austria, 2017 (= Film Geschichte Österreich 03), S. 31–37 u. 152.*

3

Vgl. O.N. [F.B.]: „Filmwelt-Modeschau im Lichtspiel“, in: Die Filmwelt 4/6 (1922), S. 4–6.*

Filmverzeichnis | 495

TOTE HOCHZEITSGAST, DER (Vita/Helios, 1921/22) UNBEKANNTE AUS RUSSLAND, DER (Löwenstein, 1922) UNBEKANNTE, DER (Wiener Kunstfilm, 1912) VERSCHWENDER, DER (Wiener Kunstfilm, 1917) VERWECHSELTE FILMSTAR, DER (Filmwelt, 1922)4 VIERERZUG, DER (Sascha-Meßter, 1917) VON STUFE ZU STUFE (Kolm, 1908) WEGE DES SCHRECKENS (Sascha, 1921)

4

Vgl. Mizzi Neumann: „Die Mode im Film. Ein neuer Modefilm der ‚Filmwelt‘“, in: Die Filmwelt 4/16 (1922), S. 5–7.*

Tabellenverzeichnis

Sämtliche Tabellen, die nachstehend angeführt sind, wurden von der Verfasserin zusammengestellt. Bei Inhalten, denen kein publizistischer oder wissenschaftlicher Text zugrunde liegt, findet sich anstelle einer entsprechenden Quellenangabe der Hinweis „© Anna Denk“. Quellen, die auch in den Literaturhinweisen zu finden sind, wurden mit einem Asterisk (*) gekennzeichnet.

Tabelle 1: Dokumentation der österreichischen Filmzeitschriften in Hochschulschriften der Universität Wien, Quellen: Florian Pauer: Österreichische Filmpublizistik in der Pionier- und Aufbruchszeit der Kinematographie 1895–1918. Diss., Universität Wien, 1982; Martina Feike: Filmpublizistik in der Ersten Österreichischen Republik, Diss., Universität Wien, 1985; Margit Nöhrer: Der Einfluss der wirtschaftlichen und politischen Situation auf Filmund Kinowesen in den Jahren 1918 bis 1929. Die Film- und Kinozeitschriften als Informationsträger dieser Zeit. Dipl., Universität Wien, 1987; Isabella Palfy: Kino und Film in der Ersten Österreichischen Republik. Die Filmpublizistik der Tonfilmzeit von 1929–1938. Diss., Universität Wien, 1993; Barbara Hausberger: Die österreichische Filmzeitschrift vom Stummfilm bis zur Gegenwart 1907–1995. Historischer Rückblick, heutiger Standard. Diss., Universität Wien, 1996.* Tabelle 2: Aufbewahrungsorte/-formen österreichischer Stummfilmzeitschriften in Wien, Quelle: © Anna Denk. Tabelle 3: Österreichische Stummfilmzeitschriften als offizielle Verbandsorgane, Quelle: © Anna Denk. Tabelle 4: Österreichische Stummfilmzeitschriften und ihre Nachfolgeblätter, Quelle: © Anna Denk. Tabelle 5: Differenzierung der österreichischen Stummfilmperiodika nach Funktion und Zielgruppe, Quelle: © Anna Denk.

498 | Schauspielen im Stummfilm

Tabelle 6: Filmtränen – Vor- und Nachteile unterschiedlicher Methoden (1928), Quelle: Kete Wilheim: „Filmtränen“, in: Mein Film 3/147 (1928), S. 6f.* Tabelle 7: Filmateliers in Wien (1924), Quelle: O.N.: „Adressenteil. Film-Aufnahme-Ateliers“, in: Die Filmwelt-Almanach 4 (1924), S. 83.* Tabelle 8: Übungsszenen aus Wie werde ich Kino-Darsteller? (1916), Quelle: Franz Ferdinand und Elsa Ferdinand-Bielitz: Wie werde ich Kino-Darsteller? Praktische Anleitung zum Selbststudium. Mit Original-Aufnahmen aus fertigen Filmen. Wien: Eigenverlag, 1916, S. 18–68.* Tabelle 9: Berichterstattung zur ersten Filmprüfung in Mein Film (1929), Quellen: O.N.: „Öffentliche Filmprüfungen“, in: Mein Film 4/175 (1929), S. 2; o.N.: „Öffentliche Filmprüfungen durch die Zeitschrift ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 4/176 (1929), S. 2; o.N.: „Öffentliche Filmprüfungen durch die Zeitschrift ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 4/177 (1929), S. 2; o.N.: „Öffentliche Filmprüfungen durch die Zeitschrift ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 4/178 (1929), S. 2; o.N.: „Unsere Aktion ‚Öffentliche Filmprüfungen‘“, in: Mein Film 4/179 (1929), S. 2; o.N.: „Die Öffentlichen Filmprüfungen von ‚MEIN FILM‘. Eine Auswahl aus den Bildereinsendungen“, in: Mein Film 4/179 (1929), S. 11; [Friedrich Porges]: „Die Zeitschrift ‚Mein Film‘ veranstaltet öffentliche Filmprüfungen“, in: Mein Film 4/180 (1929), S. 6f.; o.N.: „‚Öffentliche Filmprüfungen‘“, in: Mein Film 4/181 (1929), S. 2; o.N.: „Unsere Aktion ‚Öffentliche Filmprüfungen‘“, in: Mein Film 4/182 (1929), S. 6.* Tabelle 10a: Jährliche Mitgliedsbeiträge von unterstützenden Mitgliedern (1919 –1928), Quelle: WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1919–28, § 8).* Tabelle 10b: Monatliche Mitgliedsbeiträge von ordentlichen Mitgliedern (1919– 1928), Quellen: Alfons Bolz-Feigl: „Zwecke und Ziele des Verbandes der Filmdarsteller“, in: Neue Kino-Rundschau 3/112 (1919), S. 11–13, hier S. 12; WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1919–28, § 6).* Tabelle 11a: Kollektivvertragliche Honorarstaffelung für FilmdarstellerInnen (1919), Quelle: [Verband der Filmdarsteller]: „Übereinkommen zwischen dem Verbande der Filmdarsteller und den unterfertigten Filmfabrikanten“, in: Neue Kino-Rundschau 3/115 (1919), S. 9f., hier S. 9.* Tabelle 11b: Honorarstaffelung vor und nach den Kollektivvertragsverhandlungen (1919), Quellen: Alfons Bolz-Feigl: „Zwecke und Ziele des Verbandes der Filmdarsteller“, in: Neue Kino-Rundschau 3/112 (1919), S. 11–13, hier S. 12f.; o.N.: „Schauspieler und Filmfabriken“, in: Der Filmbote 2/35 (1919), S. 5f.; [Verband der Filmdarsteller]: „Übereinkommen zwischen dem

Tabellenverzeichnis | 499

Verbande der Filmdarsteller und den unterfertigten Filmfabrikanten“, in: Neue Kino-Rundschau 3/115 (1919), S. 9f., hier S. 9.* Tabelle 12: Beispiele für Filmtypen weiblicher Wiener Stummfilmstars, Quelle: © Anna Denk; vgl. auch Anhang C. Tabelle 13: Liane Haids monatliche Gage bei der Wiener Kunstfilm (1916– 1918), Quelle: O.N.: „Eine Klage gegen Liane Haid. Die Wiener Kunstfilmgesellschaft als Klägerin. (Eigenbericht.)“, in: Die Filmwoche 6/262 (1918), S. [7], 12, 25 u. 72, hier S. 12.* Tabelle 14: Entwicklungsphasen des Stummfilmschauspielerberufes in Österreich, Quelle: © Anna Denk.

Abbildungsverzeichnis

Die nachfolgenden Quellenangaben enthalten, soweit bekannt, den Namen des Urhebers des Fotos/der Illustration sowie den jeweiligen Bildtitel bzw. die jeweilige Bildunterschrift. Die fotografische Reproduktion erfolgte – sofern nicht anders angegeben – durch die Verfasserin (© Anna Denk) und mit freundlicher Genehmigung der UB Wien. Quellenangaben, die auch in den Literaturhinweisen zu finden sind, wurden mit einem Asterisk (*) gekennzeichnet. Abbildung 1: Theaterstars bitten den Direktor einer Filmfabrik um Geld, Quelle: Rudolf Herrmann: „Kino-Karikaturen“, in: Das Welttheater 1/5 (1912), S. 7.* Abbildung 2: Ideale Filmdarsteller-Nasen, Quelle: O.N.: „Brauchbare Filmdarsteller-Nasen . . . .“, in: Mein Film 1/10 (1926), S. 7 (Orig.: nicht eruierbar).* Abbildung 3: Inserat von Ida Reich & Bruder, Quelle: [Otto] Dely: „Ida Reich & Bruder. [...] Toiletten für die Filmschauspielerin“, in: Die Filmwelt 5/10 (1923), S. 16. Abbildung 4: Magda Sonja im Modefilm MARYS WEG ZUM FILMSTAR, Quelle: O.N.: „Magda Sonja“, in: Die Filmwelt 4/6 (1922), S. 5. Abbildung 5: Lucy Doraine lehrt filmgerechte Schminktechniken in München, Quelle: O.N.: „Praktische Vorlesung über das Schminken für den Film“, in: Die Bühne 1/6 (1924), S. 59. Abbildung 6: Wie Tränen nicht erzeugt werden sollten, Quelle: Peter Eng: „Wie die Großaufnahme mit den Tränen nicht gemacht wird“, in: Die Filmwelt 6/27 (1924), S. 4. Abbildung 7: Stadien einer Filmaufnahme, Quelle: [Miguel] Covarrubias: „Filmaufnahme. Eine Szene aus einem Filmatelier, in der die Entwicklungsstadien eines Films gezeigt werden“, in: Die Bühne 3/77 (1926), S. 26f. (Orig.: „Motion Picture Art in the Making: An Actual Scene in a Studio, Showing Some Stages in the Evolution of a ‚Movie‘“, in: Vanity Fair 26/1 (1926), S. 54f.).*

502 | Schauspielen im Stummfilm

Abbildung 8: Beispieleintrag im „Archiv der Filmaspiranten“, Quelle: O.N.: „Mary Nowak [...]. Eine Seite aus unserem Filmarchiv“, in: Mein Film 2/85 (1927), S. 7. Abbildung 9: Sprechstunde in der Mein Film-Redaktion, Quelle: [Atelier] Pietzner-Fayer: „Sprechstunden der Redaktion ‚Mein Film‘“, in: Mein Film 1/12 (1926), S. 10. Abbildung 10a: Illustrierte Filmballade, Quelle: Peter Eng: „Die bestrafte Eitelkeit. Eine Filmballade“, in: Die Theater- und Kinowoche 1/3 (1919), S. [29]f.* Abbildung 10b: Karikatur zum Wiener Filmschulskandal, Quelle: [Rudolf] Matouschek: „[Filmschulhölle]“, in: Die Filmwelt 6/33 (1924), S. 9. Abbildung 11: Porträtfoto von „Dr. Franz Ferdinand“, Quelle: O.N.: „Dr. Franz Ferdinand“, in: Die Theater- und Kinowoche 1/13 (1919), S. [17] (Orig.: Franz Ferdinand und Elsa Ferdinand-Bielitz: Wie werde ich Kino-Darsteller? Praktische Anleitung zum Selbststudium. Mit Original-Aufnahmen aus fertigen Filmen. Wien: Eigenverlag, 1916, S. [5]*). Abbildung 12: Hilde Bird, die Wiener Filmschönheitskönigin, Quelle: O.N.: „Eine Gruppe aus der Reihe der erwählten Damen. In der Mitte, sitzend, die Siegerin Hilde Bird“, in: Mein Film 2/54 (1927), S. 2, Abdruckgenehmigung: FAA. Abbildung 13: Probeaufnahmen mit Michael Kertész im Sascha-Atelier, Quelle: Franz Maierhofer: „Oberregisseur Kertész entdeckt . . .“, in: Die Bühne 2/20 (1925), S. 32. Abbildung 14: Kandidatenliste der ersten Filmprüfung, Quelle: O.N.: „Die Kanditatenliste [sic!] der ersten öffentlichen Filmprüfung“, in: Mein Film 4/182 (1929), S. 7. Abbildung 15a: Stempel des Verbandes der Filmdarsteller und der Filmkomparserie, Quelle: WStLA, M.Abt. 119, A32 – Gelöschte Vereine: 360/1921 (Statuten 1925)*, Abdruckgenehmigung: WStLA. Abbildung 15b: Carl Forest, erster Präsident des Verbandes der Filmdarsteller, Quelle: O.N.: „Carl Forest“, in: Die Kinowoche 2/1 (1920), S. [1]. Abbildung 16: Carmen Cartellieri, Quelle: O.N.: „Carmen Cartellieri. Die wiederentdeckte Diva!“, in: Mein Film 2/69 (1927), S. 3, Abdruckgenehmigung: FAA. Abbildung 17: Maria Corda, Quelle: O.N.: „Maria Korda [...]“, in: Wiener Kino 2/35 (1924), S. 3, Reproduktion und Abdruckgenehmigung: ÖNB Wien (608.810-C.1924, Nr. 35). Abbildung 18: Lucy Doraine, Quelle: O.N.: „Lucy Doraine“, in: Die Filmwelt 3/17–18 (1921), S. [1].

Abbildungsverzeichnis | 503

Abbildung 19: Grit Haid, Quelle: O.N.: „Grit Haid“, in: Die Filmwelt 4/11 (1922), S. 3. Abbildung 20: Liane Haid, Quelle: O.N.: „Liane Haid [...]“, in: Kinematographische Rundschau 10/437 (1916), S. 2, Reproduktion und Abdruckgenehmigung: ÖNB Wien (465.524-C). Abbildung 21: Dora Kaiser, Quelle: O.N: „Dora Kaiser“, in: Österreichischer Komet 10/369 (1917), S. 4. Abbildung 22: Max Neufeld, Quelle: O.N.: „Max Neufeld [...]“, in: Neue Filmwoche 1/48 (1919), S. 16. Abbildung 23: Magda Sonja, Quelle: O.N.: „Magda Sonja“, in: Neue KinoRundschau 1/6 (1917), S. 11. Abbildung 24: Igo Sym, Quelle: O.N.: „[Igo Sym]“, in: Mein Film 2/76 (1927), S. 3, Abdruckgenehmigung: FAA. Abbildung 25a: Lucy-Doraine-Zigaretten, Quelle: FAA, Nachlässe, LucyDoraine-Nachlass: Lucy-Doraine-Zigaretten (Firma Zuban, München, [1924])*, Abdruckgenehmigung: FAA. Abbildung 25b: Lucy-Doraine-Zigaretten – Fanbilder, Quelle: FAA, Nachlässe, Lucy-Doraine-Nachlass: Lucy-Doraine-Zigaretten (Firma Zuban, München, [1924])*, Abdruckgenehmigung: FAA. Abbildung 26: Empfang für Liane Haid am Wiener Westbahnhof anlässlich der Dreharbeiten zu DER FESCHE ERZHERZOG, Quelle: O.N.: „[In Erwartung der Ankunft Liane Haids / Liane Haid nach der Ankunft]“, in: Mein Film 1/36 (1926), S. 5. Abbildung 27: Bedürfnisse bei Tonfilmaufnahmen und -vorführungen, Quelle: [Nándor] Kóra[-Korber]: „Ruhe! Tonfilm!“, in: Mein Film 4/190 (1929), S. 10.

Abkürzungsverzeichnis

Ausg. Autogr. AVA Begr. Bez. BFR Burg Cg ders. dies. DM eig. FAA FIWE Fortf. FP GIdHTh HA Han HHStA K Lg. M.Abt. MAK MdI n.pag. OmeA O.N.

Ausgabe Autografen (ÖNB) Allgemeines Verwaltungsarchiv (ÖStA) BegründerIn Bezugstext Bettauers Filmrevue (Beilage zu Bettauers Wochenschrift) Burgtheater (ÖStA) Streitsachen (WStLA) derselbe dieselbe/n Doppelmitgliedschaft eigentlich Filmarchiv Austria Die Filmwelt Fortführung Filmpause (Beilage zur Pause) General-Intendanz der Hoftheater (ÖStA) Hofarchive (ÖStA) Sammlung von Handschriften und alten Drucken (ÖNB) Haus-, Hof- und Staatsarchiv (ÖStA) Krone/n Lieferung Magistratsabteilung (WStLA) Museum für angewandte Kunst Ministerium des Inneren (ÖStA) nicht paginiert (ohne Seitenangabe) Obersthofmeisteramt (ÖStA) Ohne Name (Autor unbekannt)

506 | Schauspielen im Stummfilm

ÖNB Orig. ÖStA ÖTM Red. S S. UB übers. unbek. VÖFS Wr. WStLA

Österreichische Nationalbibliothek Originaltext Österreichisches Staatsarchiv Österreichisches Theatermuseum Redaktion/RedakteurIn Schilling Seite Universitätsbibliothek übersetzt unbekannt Verband österreichischer FilmschauspielerInnen Wiener Wiener Stadt- und Landesarchiv

Anhänge

ANHANG A: VERZEICHNIS ÖSTERREICHISCHER STUMMFILMPERIODIKA Der erste Teil von Anhang A listet, gemäß der Definition im zweiten Rahmenkapitel, sämtliche Filmperiodika in ihren unterschiedlichen Ausprägungen (Fachzeitschriften, Verbandsorgane, Werksmitteilungen, Programmhefte, Publikumszeitschriften, Jahrbücher/Almanache, Filmbeilagen) auf, die im Zeitraum zwischen 1907 und 1930 in einer nicht täglichen Periodizität in Wien erschienen waren. Die farblichen Markierungen entsprechen dabei der in Abschnitt 2.5 besprochenen Periodisierung, die bei der Auswertung der Periodika vorgenommen wurde: gelb = 1907–1913, orange = 1914–1918, rot = 1919–1925, grün = 1926– 1930. Blasse Markierungen verweisen auf jene Jahrgänge, die nicht mehr erhalten sind bzw. in österreichischen Bibliotheken nicht auffindbar waren. Der zweite Teil von Anhang A präsentiert anschließend Detailinformationen zu jenen Filmperiodika, die in der vorliegenden Arbeit zitiert wurden bzw. für die Erforschung des Stummfilmschauspiel/er/s im Wien der 1910er und 1920er Jahre inhaltlich relevant waren. Ausgeschlossen wurden darum zum einen Periodika ohne redaktionellen Teil, d.h. Kinoprogramme, Filmbeschreibungen und Notenblätter: Film-Bücherei, Film im Bild/Illustrierter Film-Kurier, (Wiener) Kino-Bibliothek, Kinomusik, Kinoprogramme, Paimann’s Filmlisten. Zum anderen wurden Periodika ausgeklammert, die aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung bzw. der Erscheinungsform geschuldeten Intention (z.B. Filmbeschreibungen als Anpreisung der eigenen Produkte in Werksmitteilungen) keine thematisch relevanten Beiträge enthielten: Die Bühnenwelt, DramagraphWoche, Europa-Filmproduktion und -Filmexport, Film-Echo, Filmkunst, Kastalia, Kinematographisches Jahrbuch des Filmboten/der Österreichischen FilmZeitung, Das Lichtbild-Theater, Mitteilungen der österreichisch-ungarischen Kino-Industrie, Pathé-Woche, Wiener Film-Post.

508 | Schauspielen im Stummfilm

Des Weiteren wurden keine von der Verfasserin recherchierten Titel in die Tabelle aufgenommen, die nicht mehr auffindbar waren. Das betrifft die Erste Wiener Kino-Zeitung und den (Österreichisch-ungarischen) Kinematographen-/ Kino-Kalender. Darüber hinaus wurde von einem detaillierten Standortverzeichnis abgesehen, da die einzelnen Titel in den Online-Katalogen der Wiener Bibliotheken problemlos auffindbar sind. Zudem werden in nicht allzu ferner Zukunft sämtliche Filmperiodika in digitalisierter Form vorliegen (zu den bisherigen Aufbewahrungsorten und -formen vgl. Tabelle 2). Die bislang zugänglichen Digitalisate, die von der Österreichischen Nationalbibliothek kostenfrei in ihrem digitalen Zeitungs- und Zeitschriftenlesesaal „ANNO“ zur Verfügung gestellt werden, wurden bis inklusive 2016 berücksichtigt.1 Zu beachten ist außerdem, dass neben der Anzahl der Jahrgänge auch die Anzahl der Nummern – jedoch nicht der Ausgaben – angeführt wurde. Doppelnummern wurden daher nicht als eine Ausgabe, sondern als zwei Nummern gezählt. Diese Vorgehensweise war besonders bei einer fortlaufenden Nummerierung von Vorteil. Filmperiodika, die über den Untersuchungszeitraum hinaus Jahrgänge aufweisen, wurden mit einem Asterisk (*) gekennzeichnet. Für die Berechnung wurden nur Jahrgänge bis 1930 berücksichtigt.

1

Eine Überprüfung der ANNO-Uploads im Juni 2019 hat ergeben, dass die im Rahmen des Dissertationsprojekts ermittelten Daten in den nachfolgenden Tabellen (A.1 und A.2) aktuell sind – mit einer Ausnahme: 13 Nummern der Neuen Kino-Rundschau wurden ergänzt, wodurch nun nur mehr Nr. 15 (1917), Nr. 44 und 53 (1918) fehlen. Die in Abschnitt 2.2 erstellte Statistik verschiebt sich dadurch zugunsten der erhaltenen Nummern: 93,41% der Nummern jener Zeitschriften mit redaktionellem Teil und 97,01% der Nummern jener Zeitschriften, die für die Untersuchung relevant waren, sind erhalten geblieben. Die restlichen Berechnungen bleiben davon unberührt und sind demnach aktuell.

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