Sappho: Einleitung und Übersetzung 3959484690, 9783959484695

The volume contains a free rewrite of the essential fragments by the early Greek poet Sappho with an introduction. It do

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Sappho: Einleitung und Übersetzung
 3959484690, 9783959484695

Table of contents :
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Impressum
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Sappho – das Werk
Bibliographie

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Sappho

Studia Classica et Mediaevalia

Band 27

hrsg. von Hans-Christian Günther Accademia di studi italo-tedeschi, Merano Akademie deutsch-italienischer Studien, Meran

Sappho Einleitung und Übersetzung von Hans-Christian Günther

Verlag Traugott Bautz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Coverbild: http://www.zeno.org/Kunstwerke/B/Renoir,+PierreAuguste%3A+Junge+M%C3%A4dchen+auf+der+Wiese Nachweis: Pierre-Auguste Renoir, Junge Mädchen auf einer Wiese, Metropolitan Museum of Art

Verlag Traugott Bautz GmbH 99734 Nordhausen 2020 ISBN 978-3-95948-469-5

Für M. K.

Inhalt Vorwort

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Einleitung

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Sappho – Das Werk

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Bibliographie

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Vorwort

Die hier vorgelegte Nachdichtung ist als Nebenprodukt einiger freier Stunden entstanden, in denen ich mich einmal wieder der Lektüre Sapphos – einschließlich der erst in diesem Jahrhundert dazugekommenen Fragmente – zugewendet hatte. Es handelt sich um eine freie Nachdichtung in den Versmaßen des Originals (soweit dieses Vermaß klar ist, s.u.). Ich habe alle Fragmente berücksichtigt, die mir für den Leser von Interesse zu sein scheinen, der sich einen Eindruck von Sapphos dichterischer Physiognomie machen will. Die Überlieferung der Textstücke – zumeist in Papyri – würde den Abdruck des griechischen Textes bereits im Erscheinungsbild so ,spezialistisch‘ machen, dass ich dies für ein Buch, das sich an ein größeres Publikum richtet, für ungeeignet halte. Ich habe somit auf den Originaltext verzichtet. Ich gebe die Zählung der Texte nach Page-Lobel sowie für die neu dazugekommenen Texte einen Verweis auf eine einschlägige Ausgabe. Dort kann der Leser, der den Originaltext sucht, ihn leicht finden. Lücken habe ich, wo immer es eine mir irgend plausible Lösung gibt, für die Übersetzung ergänzt (geg. habe ich auch einen sicherlich in der überlieferten Form korrupten

Text, sofern er syntaktisch verständlich ist, übersetzt). In der Regel folge ich in der Ergänzunggen der editio minor von Denys Page. Ich verzichte auf ein Verzeichnis oder gar eine Analyse der Metra. Außer eventuell der sog. ,Sapphischen‘ und ,Alkäischen Strophe‘ wird dem des Griechischen unkundigen Leser nichts bekannt oder auch nur verständlich sein. Zudem sind manche Fragmente metrisch nicht klar zuzuordnen. In der Übersetzung habe ich, wo metrische Freiheiten unübersetzbar sind oder das Metrum des Originals unklar ist, geglättet, so dass irgendein Rhythmus wahrnehmbar wird. Wer eine andere, vollständige Übersetzung mit einem kleinen philologischen Apparat sucht, kann zu der schönen englischen Übersetzung in Rayor/ Lardinois 2014 greifen. Müllheim, Februar 2020

Süßes Dichten, lautre Wahrheit Fesselt mich in Sympathie! Rein verkörpert Liebesklarheit Im Gewand der Poesie!

Einleitung 1. Leben Zuverlässige Zeugnisse zum Leben der Dichter der griechischen Antike sind äußerst spärlich. Das meiste, was uns überliefert ist, gehört in den Bereich der Anekdote oder ist aus den Texten des Werkes herausgesponnene Erfindung. Über Sapphos (wo ihr Name in einem Gedicht vorkommt, wird er Psappho geschrieben, s. Fr. 1 LP, Z. 20) Leben und Umfeld ist fast nichts bekannt. Ihre Lebensdaten lassen sich auf ca. 630 - 570 v. Chr. bestimmen. Damit gehört sie zu dem frühesten Autoren der griechischen Dichtung nach den Epen Homers und Hesiods. Geboren wurde sie in Mytilene auf der Insel Lesbos – wie ihr großer Zeitgenosse Alkaios. Beide gehören zu den frühesten uns erhalten Zeugen für

die Gattung der frühgriechischen Lyrik, d.h. zur Leier (gr. Lyra) gesungenen Liedern. Sappho gehörte – das bezeugt schon das in ihren Gedichten beschriebene gehobene Ambiente – gewiss einer reichen Adelsfamilie an. Es spiegelt sich auch in der Nachricht, ihr Bruder Larichos habe als Weinschenk in der Stadthalle von Mytilene fungiert. Sie scheint zwei weitere Brüder gehabt zu haben: Erigyios, und Charaxos. Wenn das sog. ,Brudergedicht‘ (s. unten) echt ist, werden Larichos und Charaxos auch in ihrer Dichtung erwähnt. Bereits Herodot berichtet uns, Charaxos habe eine Liaison mit einer ägyptischen Hetäre Rhodopis gehabt und sie um eine hohe Summe freigekauft; Sappho hat ihn in einem Gedicht dafür getadelt. Fragment 5 LP spricht tatsäclich von einer Seereise eines Bruders (ebenso wie das ,Brudergedicht‘, in dem Charaxos genannt wird) und auch davon, der Bruder möge sie nicht weiter kränken. In Fr. 15 wird die Frau, deren Beziehung zu ihrem Bruder Sappho ablehnt, Doricha genannt, und so heißt sie demgemäß auch in anderen Quellen (Strabo sagt explizit, Sappho habe Rhodopis Doricha genannt). Sappho hatte wahrscheinlich eine Tochter namens Kleis, die sie in zwei Gedichten (Fr. 98 LP, 132 LP) erwähnt, obwohl es vielleicht nicht völlig sicher ist, dass die genannte Person ihre Tochter ist. Die in verschiedenen Quellen genannten Namen von

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Sapphos Eltern und ihrem Gatten dürften erfunden sein. Dass gar eine unglückliche Liebe zu einem Mann namens Phaon sie in den selbstmord getrieben habe, gehört ins Reich der Legende. Um 600 wurde sie – wie ihr großer Landsmann Alkaios – aus Lesbos verbannt und ging nach Sizilien – vermutlich im Zusammenhang mit den politischen Wirren, von denen wir in der politischen Dichtung des Alkaios hören. Sappho galt in der Antike als eine der bedeutendsten Dichtergestalten, sie gehörte zum Kanon der neun größten Lyriker. Sie wurde gar als zehnte Muse bezeichnet. Die alexandrinische Philologie veranstaltete eine Ausgabe ihres Werkes. Freilich gingen ihre Werke um ca. 900 n. Chr. verloren. Nur ein Bruchteil ist uns aus Zitaten oder Papyrusfunden erhalten. Erst in den Jahren 2002 und 2014 kamen wichtige neue Fragmente, wie etwa das sog. ,Brudergedicht‘ hinzu, das ich freilich für unecht halte.

2. Das Werk Der größte und gewiss dichterisch wertvollste Teil von Sapphos Werk handelt von starken Gefühlen der Zuneigung unter Frauen. Der Charakter und der soziale Hintergrund dieser Gefühlswelt war seit eh und je die meistdiskutierte Frage der Sapphorezeption. Es

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scheint mir für den Leser dieses Büchleins ohne Interesse, die Geschichte dieser Diskussion zu kennen. Fazit ist: wir wissen nicht nur so gut wie nichts über die Biographie der Dichterin, wir wissen ebensowenig über die Gesellschaft, in der sie lebte – wir kennen nur die uns erhaltenen Fragmente ihrer Dichtung. Die Gefühle von Frau zu Frau, die in ihnen zum Ausdruck kommen, sind ohne Zweifel erotisch – wenn es nicht um derartige Gefühle ginge, wäre Aphrodite gewiss nicht die geeignete Adressatin von Gebeten um Liebeserfüllung (Fr. 1 LP). Gewiss vermitteln viele Gedichte deutlich den Eindruck, dass die Dichterin die Erfahrenere, Ältere der Partner ist (vgl. etwa Fr. 94 LP). Mütterliche Gefühle freilich wenden sich nicht an die Liebesgöttin. Männliche Homoerotik in der Antike äußerte sich stets in asymmetrischen Beziehungen; dass es bei Sapphos Beziehungen ähnlich war, ist eine Analogie, die Anhalt im Text hat. Anzunehmen, dass Gefühle, wie sie in Sapphos Gedichten ausgesprochen werden, keinen körperlichen Ausdruck gefunden haben, ist abwegig. Zudem zeigt ein Fragment Anakreons (Fr. 5 Diehl), dass Lesbos bereits in der Antike für weibliche homoerotische Beziehungen notorisch war. Aber mehr wissen wir nicht. Ein Mädcheninternat als Kontext dieser Beziehungen zu konstruieren, ist ohne jeden konkreten Anhalt, und überhaupt weiter über konkrete Kontexte zu spekulieren, hilft uns zum

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Verständnis der Texte nicht; ja selbst, mehr zu wissen würde uns nicht helfen. Wir müssen schlichtweg hinnehmen, dass es auf Sapphos Lesbos für eine Frau möglich war, so wie Sappho es tut, über Gefühle zu (jüngeren) Frauen in Dichtung zu sprechen. Es gibt keinerlei Anlass zu glauben, dass diese Gedichte in anderem Kontext als im Kreis der Gefährtinnen Sapphos vorgetragen wurden. Nun, in welcher Weise spricht Sappho da von ihren Gefühlen und Erfahrungen? Es wurde oft darauf hingewiesen, dass Sapphos Texte – bei aller spürbaren Erotik – nie eindeutige erotische Handlungen beschreiben – nicht einmal Umarmungen. Und wir können sicher sein, dass dies in ihrem gesamten Corpus so war, nicht nur dem uns erhaltenen Teil: in der antiken Komödie wurde Sappho wegen ihrer angeblich lotterhaften Beziehungen zu Männern verspottet, dass ihre sexuellen Neigungen Frauen gegolten haben, ist ihr, soweit wir wissen, zuerst in hellenistischer Zeit vorgeworfen worden. Wäre ihre Dichtung nicht von eindeutigen Anspielungen frei gewesen, wäre das wenig plausibel. Wovon aber spricht Sapphos Dichtung? Sie spricht von Innerem und Äußerem: in ihren Worten spiegelt sich das Gefühlsleben des Ich und des Du in ihrer Interaktion. Zuweilen ist es gar ein Dialog in direkter Rede. Die Skala der Gefühle reicht von zärtlichem Erinnern bis zum höchsten Schmerz, dem Verlust

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jeder Kontrolle über elementare Funktionen des Körpers, dem Wunsch zu sterben (etwa Fr. 31 LP, Fr. 94 LP). Die Skala innerer Erregung, von der gesprochen wird, ist unendlich weit, der Ton, in dem gesprochen wird, stets betont gelassen oder geradezu unbeteiligt: der Blick des Ich auf sich selbst analytisch, klar, das eigene Erleben plastisch im Wort gestaltend. Der Blick auf sich selbst ist wie ein Blick von Außen. Die ungeheure Spannung, das implizite Paradox dieser Spaltung der Person in von Emotion überwältigtem Objekt und kühl beschreibendem Subjekt hat Horaz, der sich mit seiner Lyrik ja gerade auch in die Tradition Sapphos stellt, thematisiert und auf seine ganz eigene Art umgestaltet (s. Günther 2013: 335ff.). Es ist nicht verwunderlich, dass die beiden – schon vor den Papyrusfunden aus Zitat bekannten – Gedichte 1 LP und 31 LP eben durch diese Spannung Sapphos Ruhm als Dichterin hauptsächlich begründet haben. Nicht nur Horaz geht in seiner Sapphorezeption

von

dieser

Sappho

aus.

Auch

Sapphos

eminentester moderner Interpret, Denys Page, stellt alles, was uns ansonsten von Sappho erhalten ist, weit unter das Niveau dieser Gedichte (s. Page 1955: 110). Mir scheint dies eine moderne, wenn man so will, ,romantische‘ Fehleinschätzung. Nimmt man alles, was wir als Sapphos Werk kennen, in den Blick, so führt uns dieses Werk in eine äußerlich so kleine,

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beschränkte Welt: die Welt, die Gefühlswelt einer Frau und ihrer unmittelbaren Umgebung – einer Umgebung bevölkert fast ganz von Frauen. Sie spiegelt Ereignisse aus der engen Lebenswelt einer Frau: zunächst einer Welt intimer Beziehungen unter Frauen, die alltäglichen Geschehnisse und Erfahrungen weiblicher Geselligkeit. Die Welt außerhalb dieses Kreises ragt nur über das die Frau unmittelbar Betreffende hinein: Ehe und Familie (selbst das erzählende Gedicht aus dem Bereich des Mythos, Fr. 44 LP, handelt von einer Hochzeit – Hektor und Andromache; Fr. 141 LP spricht von einer Götterhochzeit; Fr. 142 LP erwähnt zwei weibliche Gestalten des Mythos). Die Hochzeitslieder (Fr. 104 – 115 LP; wohl auch Fr. 30 LP und 121 LP) sind das Einzige in Sapphos Lyrik, was nicht rein private Dichtung in und für ihren Kreis darstellte: die Hochzeitslieder sind für gesellschaftliche Anlässe, für echte Hochzeiten verfasst. Mit Hochzeit und Familie ragt die äußere Welt in die weibliche Gemeinschaft hinein, wo die exklusiv weibliche ,Idylle‘ gestört wird, gefährdet ist oder gar zerbricht. Hochzeit und Familie sind Anlass zu den Gefühlen von Trennungsschmerz und Eifersucht, von denen manche Gedichte sprechen. Die Ereignisse der weiblichen Idylle selbst sind alltägliche Verrichtungen: Schmuck, Spiel, Geselligkeit, Gespräch. Das ist zunächst keine Welt der großen Gefühle; die Gefühlswelt, die sich

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auftut, ist zunächst eine Welt der kleinen, ruhigen Empfindungen. Die diese Welt beherrschende Wärme des Einander-Zugetanseins äußert sich in unscheinbaren Gesten, Gesten des alltäglichen Zusammenseins, der Geselligkeit. Die äußere Ansicht dieser Welt in Sapphos Dichtung ist so ruhig und gelassen wie ihr analytischer Blick auf das Innere, auch da wo dieses Innere zuweilen in seiner ganzen Existenz von unbeherrschbaren Gefühlen zerrüttet wird. Auch in dem inexpliziten Gegensatz dieser kleinen Frauenwelt und den großen Gefühlen, die in ihr hervorbrechen können, liegt eine ungeheure Spannung; doch diese Spannung erfühlen wir nur dann, wenn wir zunächst die Normalität, die Ruhe, die Stille dieser Gefühlswelt aus der Gesamtheit des Gedichteten wahrnehmen. Implizit spiegelt die Gelassenheit im Umgang mit Gefühlen die innere Reife der älteren Partnerin der Beziehung, der älteren Partnerin, welche die Dichterin ist – ähnlich wie sich Horaz in der Liebesdichtung seiner Oden deutlich als der gealterte, reife Liebhaber darstellt, obwohl dies seinem biologischen Alter in C. IIII gar nicht entspricht. Aber was bei Horaz Selbststilisierung ist, ist bei Sappho der genuine Ausdruck ihres poetischen Ichs. Sapphos Gelassenheit entspricht dem Verzicht auf alles explizit Erotische in der Darstellung des Äußeren; beides ist Ausdruck einer

aristokratischen

Zurückhaltung,

Zurschaustellung.

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Verzicht

auf

Dieses Vermeiden alles Ostentativen ist zugleich auch der sprachliche Duktus dieser Dichtung: Sapphos dichterische Gestaltung ist einfach, direkt und ungekünstelt, ohne dabei plump, simpel oder unkünstlerisch zu sein. Es ist falsch, die Frage auch nur zu stellen, ob denn Sapphos Sprache einfach ihre Alltagssprache gewesen sei oder doch eine Kunstsprache. Da uns zur Beurteilung dessen, was mündliche Alltagssprache in der Antike war, ohnehin das Material fehlt, ist diese Frage nicht präzise zu beantworten; sicher ist nur, dass antike Dichtung dezidiert in einer Handwerkstradition stand und so unweigerlich zugleich in derjenigen einer in dieser Tradition sich bildenden Sprache. Und überhaupt schließen sich Nähe zum alltäglichen Sprechen und künstlerisch geformte Sprache und Stil in keiner Weise gegenseitig aus. Dicherische Sprache ist nie einfach nur Alltagssprache; Dichtung kann sich in das Gewand der Alltagssprache kleiden. Kunstsprache, der Bezug auf die Tradition der Dichtung ist nicht künstlich, muss keinesfalls ostentativ oder bewusste Stilisierung des eigenen Ichs sein: der Dichter lebt – auch als reale Person – in der Tradition der Dichtung, er empfindet und noch mehr schafft unweigerlich aus der Tradition der Dichtung, der Tradition, der er seine Dichtung verdankt. Diese Verbindung von Kunst, Dichtung und Leben ist in Sapphos Werk eine ganz besondere: in ihm präsentiert sich das

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alltägliche Geschehen fraulichen Lebens nicht nur in einer exquisiten Umgebung einer gehobenen Gesellschaftsschicht (das wurde bereits erwähnt); alles geschieht in einer Atmosphäre der von allem Hässlichen unangetasteten Schönheit. Der alles Laute und Verstörende der Gefühlswelt einhüllenden Gelassenheit der Haltung entspricht ein Ambiente ungetrübter Schönheit; der bis an die Grenzen des Empfindens reichenden Emotionalität entspricht die Weitung des engen Raums des weiblichen Alltags in die Sphäre der Natur und des Göttlichen. Sapphos Welt ist bevölkert von Gottheiten, zumeist weibliche Gottheiten, fast immer Aphrodite. Die Dichterin spricht zu Aphrodite im vertrauten Ton der Göttersöhne des Epos (Fr. 1 LP); sie vertraut ihr, der Göttin, ihre alltäglichen, kleinen ,Liebessorgen‘ an – in der Gewissheit, wie immer schon Erhörung zu finden. Das Verhältnis des antiken Menschen zu Gott ist keines der Vertraulichkeit, antike Götter sind das extreme Gegenteil eines verlässlichen, sich dem Menschen zuwendenden Gottes. Vertraulichkeit zwischen Mensch und Gott ist etwas ganz Besonderes, Prekäres. Sapphos ,kindliches‘ Vertrauen zu ihrer Schutzgöttin Aphorodite hebt die Dichterin unendlich hoch, jenseits des gewöhnlich Menschlichen, und es tut dies – wieder – in einer ganz und gar nicht ostentativen, in einer unmerklichen,

unscheinbaren

erscheinenden Weise.

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und

geradezu

natürlich

Diese Welt des Göttlichen, die ein selbsverständlicher Teil des dichterischen Raums von Sapphos Welt ist, gibt dieser Welt ihre Charis, ihr begnadetes Durchstrahltsein von Schönheit und Gelassenheit, eben von etwas, was das Leben der Götter, der Unsterblichen, im Gegensatz zum mühsahmen Menschenleben ausmacht: das ,sorgenfreie, mühelose‘ Leben der ,rheia zoontes‘, der ,,leicht Lebenden“, der Götter, deren Gnade darin besteht, von allen Mühen des Menschlichen fern zu sein: und manchmal können sie dem Menschen diese Gnade, diese Charis für einen Moment schenken: Sapphos Dichtung lebt ganz und ungestört in diesem Augenblick der Charis. Nicht nur die heiligen Orte, zu denen Sappho ihre Götter ruft und einlädt, sind Orte exquisierter Naturschönheit, auch der Raum, in dem sich die Dichterin und ihre Gefährtinnen aufhalten, ihre Betätigungen, der Schmuck der Frau, die körperlichen Qualitäten der Menschen in Sapphos Dichtung, alles ist Ausdruck des unendlich schönen Schauspiels der Natur, des Schauspiels von Tag und Nacht, der Klarheit der Gestirne, der sanfen Brise des Sommerwindes, des Rauschens der Blätter, des Rieselns des Wasser, des Dufts, der Schönheit der Blumen, der Blätter, der Pflanzen. In dieser Natur gibt es keine Trennung von menschengemachter Schönheit und der Schönheit des natürlichen

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Schauspiels der Natur: alles in diesem Raum menschlicher Existenz ist Ausdruck des Geschenks göttlicher Charis. Eine Welt des Schönen, jenseits des Alltags, ist die Welt der Liebe auch in der römischen Liebeselegie, sie ist es bei Vergil, bei Horaz, bei Tibull. Freilich bei den Augusteern ist die Welt der Schönheit und Liebe eine den harten Bedrängnissen einer heillosen äußeren Welt abgerungene Gegenwelt. Die Schönheit der Natur eine Zuflucht, in der die Wunden der realen Welt geheilt werden können. Sapphos Welt der Schönheit und Liebe ist keine Gegenwelt zur äußeren, zur Banalität oder gar Grausamkeit der realen Welt, in welcher auch der Dichter leben muss. Sapphos Welt der Dichtung ist unvermittelt ihre Welt, die Welt in der sie lebt, so als ob es keine andere gäbe und geben könnte – obwohl es doch eine äußere Welt gibt, die ja auch im Dichtwerk ab und an aufscheint und die von Familienstreit und Trennungsschmerz durchzogen ist. Sapphos Welt bleibt eine Welt des Menschen, mit seinen ,Mühen‘ und Schmerzen, aber der Mensch lebt in ihr, als sei er einer der ,leicht lebenden‘ Götter. Er lebt in ihr in jener Haltung der Gelassenheit, von der ich gesprochen habe, die alles, was ihm begegnet, hinnimmt und in die Schönheit der ihm geschenkten Welt der Charis einschmilzt. Menschliches Leben ist gezeichnet von der Notwendigkeit des Verzichts. Horaz lehrt den gelassenen

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Umgang mit Verzicht – gerade in seiner Liebesdichtung, aber der Verzicht ist immer ein dem Leben abgerungener. Sapphos Verzicht (etwa Fr. 94 LP) fehlt alles Ringen-Müssen, er ist kein Verzicht, er ist das gelassene Hinnehmen des Unvermeidlichen, in dem sich der Blick nicht auf das Verlorenen, sondern das Schöne des in der Charis Geschenkten richtet. Es ist ein Merkmal des Größten in der Kunst Europas, wenn es einem Künstler gelingt, allen Verzicht, ja allen Schmerz, alle Tragik im Sinne der Unausweichlichkeit des völligen Scheiterns des Menschen in reine Schönheit zu kleiden. Dichter, denen dies gelang sind Sophokles, Vergil, Racine, Goethe. In der Musik Couperin und Mozart. Dieses Vermögen ist Ausdruck dessen, was Goethe den ,schönen Menschen‘ als das – in seinem Verständnis – an der griechischen Antike geschulte Ideal der Kunst und des Lebens genannt hat. In Sapphos ,kleiner‘, weiblicher Welt verbirgt sich alles Schmerzliche fast völlig: es geht auf in reiner Schönheit, wir erfahren es verwandelt in reine Schönheit. Aber wenn wir auf das, was so verwandelt in ihrer Dichtung erscheint, eigens achten, dann umspannt diese Dichtung alle Winkel menschlicher Befindlichkeit, jeder kann sich in dieser Dichtung finden: das junge Mädchen, die reife, ja auch die gealterte Frau, der Beglückte in Spiel und Ernst, der in Schmerz Verstrickte, der vom Verzicht Betroffene. Und nicht nur die Frau

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findet sich in dieser Welt, der Mann findet sich ebenso, und das liegt eben daran, dass Sapphos Eros sich von Frau zu Frau und nicht zwischen den Geschlechtern abspielt. So umfasst Sapphos Eros auch den Eros des Mannes. In diesem Sinne kann man den Eros

von

Sapphos

Kreis

von

Frauen

durchaus

dem

,übergeschlechtlichen‘ Eros des Männerkreises von Stefan George vergleichen. Auch bei Stefan George geht es um den Eros als Träger einer Welt esoterischer Schönheit, einer Welt, in der Kunst, Schönheit, Eros und Religion eins sind. Auch Stefan Georges Dichtung ist Dichtung, die sich an die Mitglieder eines Kreises von Gefährten in Eros und Schönheit richtet. Gerade das zentrale Werk dieser Dichung für den Kreis ,Der Stern des Bundes‘ ist – wie Sapphos Dichtung – Dichtung von Du zu Du unter den Mitgliedern des Kreises. Freilich ist Stefan Georges Kreis in noch extremerem Maße als im Falle der Augusteer eine Gegenwelt zu einer ordinären Realität, noch mehr als bei letzteren ist Stefan Georges Einheit von Kunst und Leben Selbststilisierung. Stefan Georges Stilisierung seiner Homosexualität zum übergeschlechlichen Eros ist einer feindlichen Umgebung abgerungen. Sapphos Erotik präsentiert sich als etwas Selbstverständliches. Natürlich vermeidet auch

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Stefan Georges Lyrik alles Vulgäre, auch das allzu Explizite. Aber bei ihm gibt es immerhin Gedichte wie: Wenn meine lippen sich an deine drängen Ich ganz in deinem innren oden lebe Und dann von deinem leib der mich umfängt Dem ich erglühe die umschlingung löse Und mit gesenktem haupte von dir trete: So ists weil ich mein eigen fleisch errate – In schreckensfernen die der sinn nie misst Mit dir entspross dem gleichen königstamm. Das liegt völlig jenseits dessen, was Sappho je gedichtet hätte. Aber etwas von Sapphos Welt spüren wir dort, wo Stefan George – wie oft – von verhaltenem Verzicht spricht. Am nähesten kommt er Sappho vielleicht in seiner Verlaine-Übersetzung – der einzigen Übersetzung eines großen Dichters, wo ich glaube, dass die Übersetzung das Original vielleicht sogar übertrifft: Wir müssen – siehst du – uns versöhnlich einen: So können wir noch beide glücklich werden · Und trifft auch manches trübe uns auf erden: Sind wir doch immer – nicht wahr? zwei die weinen.

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Vermischen wir mit unsren wirren drängen · Verschwistert herz · das kindische belieben Uns fern zu halten von der menschen gängen Und frisch vergessen was uns weggetrieben. Wir wollen kindern · jungen mädchen gleichen · Den herzen die um nichts verwundert pochen · Die unter keuschem blätterdache bleichen Und wissen sich nicht einmal losgesprochen.

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Sappho – das Werk

1 LP Du auf buntem Thron, Aphrodite, todlos Kind des Zeus, voll Trug, du, und List, ich bitt dich, Ach! mit Schmerz, mit Qualen bezwinge nimmer, Herrin, das Herz mir! Sondern komm hierher, wie du auch ansonsten Meine Stimm vernahmst, warst auch noch so fern du, Und verließt das goldene Haus des Vaters, Kamst und mich hörtest; Spanntest deinen Wagen da, und es zogen Schöne, schnelle Sperlinge über dunkle Erde ihn im Schlag ihrer Flügel durch die Lüfte vom Himmel. Schnell die Ankunft; du aber, sel’ge Göttin, Über das unsterbliche Antlitz Lächeln Breitend, frugst, was wieder mir fehle, was ich Wieder dich riefe, Was ich denn am meisten in meines Herzens

Rasen wolle: ,Wen soll ich jetzt bereden, Deinen Liebesarmen sich hinzugeben, Sappho, wer kränkt dich? Denn mag sie auch flieh’n, sie wird bald dir folgen, Nimmt sie keine Gaben, bald wird sie geben, Mag dich jetzt nicht lieben, bald wird sie lieben, Will sie es auch nicht. ,Komm auch jetzt zu mir und aus schwerer Sorge Löse mich, und was mir das Herz ersehnt, ach! Das erfülle mir, und du selbst auch streite An meiner Seite!‘

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2 LP Hierher komm aus Kreta zu mir in diesen Heil’gen Tempel, hier, wo ein Apfelhain ein Holder, und Altäre, von Weihrauchs Duft umzogen dir stehen; Drinnen singt des kühlen Gewässers Stimme Durch der Apfelbäume Geäst, den ganzen Ort beschatten Rosen, und Blätterrauschen Schläfert von oben. Drinnen blüht, von Pferden begrast, die Aue In des Frühlings Blüten, die Winde hauchen Sanft vom Himmel, alles erwartet deine Ankunft, o Göttin! Hier verweile nun und empfange, Kypris, Huldvoll Nektar du und in gold‘ne Schalen Gieß ihn und vermische ihn so den Freuden Unseres Mahles!

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5 LP Kypris und ihr Töchter des Nereus hierher Lasst den Bruder mir ohne Schaden kehren, Alles, was sein Herz nur erseht, es soll sich Für ihn erfüllen; Wo zuvor er fehlte, es sei vergessen, Seinen Freunden sei er ein Wohlgefallen, Eine Qual den Feinden, wie niemals eine Uns soll betreffen. Möge er der Schwester den Teil der Ehre Schenken wollen und, die sie früher kränkten, Herber Schmerzen Bande ihr endlich lösen ...

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15 LP Und sie soll dich bitterer, Kypris, finden; Doricha soll nicht davon prahlend sprechen, Dass ein zweites Mal er zu ihr kam, ihre Liebe ersehnend.

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16 LP Mögen manche sagen, ein Heer von Reitern, Manche Fußsoldaten und manche Schiffe Sei’n auf dunkler Erde das beste, ich sag: Was einer liebhat. ’s ist gar leicht, das jeden versteh’n zu machen, Hat doch, die weit über den Menschen allen Stand an Schönheit, Helena einst den besten Gatten verlassen: Ja, sie ging und segelte fort nach Troia, Und gedachte nicht ihres Kindes, auch nicht Ihrer eig’nen Eltern, ohn Willen war sie Liebegeleitet. [ ..................................................... ......................................................] Ließ mich jetzt gedenken Anaktorias, Dass sie mir fern ist: Ach! Ich wollte wohl ihres Schrittes Liebreiz,

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Sehen und des schillernden Antlitz’ Leuchten Vor der Lyder Wagen und vollgerüstet Streitenden Männern.

16a) (s. Obbink in Bierl/ Lardinois 2016) Selig ganz zu werden, ist keinem Menschen Je vergönnt, doch beten, er möge guten Loses teilhaft werden, das kann er, dessen Bin ich mir sicher.

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17 LP Nahe hier bei mir, die ich bete, Herrin Hera, lass mich schau’n deinen holden Anblick, Du, zu der die hehren Atridenkön‘ge, Einstmals gerufen; Müh‘n, gar viele, haben sie ausgestanden, Erst um Ilion, dann auf dem Meere, als es Hierher sie verschlagen: die Reise konnten Nicht sie vollenden, Bis sie dich und Zeus Antiaios riefen Und Thyones lieblichen Knaben. Freilich Jetzt komm mir zu Hilfe und sei mir gnädig, Wie du es einst warst.

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23 LP ... wenn ich ins Antlitz dir sehe Scheint mir auch Hermione nicht wie du zu Sein, der blonden Helena ist’s nicht unrecht, Dich zu vergleichen.

30 LP Nächtens Jungfrau’n ... Durch die ganze Nacht ... Sollen deine Lieb und der Braut im VeilchenKleide besingen.

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31 LP Ach! Es will den Göttern mir gleich erscheinen Jener Mann, der dir gegenüber sitzen Darf und aus der Nähe dem holden Plaudern Lauscht deiner Stimme, Deinem süßen Lachen; das lässt im Busen Mir das Herz zerspringen in Furcht, denn wie ich Kurz nur auf dich blicke, will ganz die Stimme Gar mir versagen, Und die Zunge Schweigen befiel, ein zartes Feuer schlich sofort unter meine Haut sich, Meine Augen sehen kein bisschen, und es Dröhnen die Ohren, Kalter Schweiß bedeckt mich, ein heftig Zittern Greift mich ganz, und bleicher noch bin ich, als es Gras ist; ja! und tot zu sein, fehlt mir viel nicht, So will es scheinen. Aber alles muss ich ertragen, denn es ...

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32 LP Die mir Ehre schenkten, an ihren Werken Teil mir gaben ...

33 LP Mög’ ich, Aphrodite im gold’nen Kranze, Dieses Los erhalten ...

34 LP Sterne bergen, wie um des Mondes Schöne Rings sie kreisen, dann wieder des Scheines Helle, Wenn gefüllt am klarsten er leuchtet über Felder ...

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39 LP ... Die Füße aber Hüllte eine bunte Sandale, feine Lydische Arbeit.

42 LP Denen kalt schon das Herz geworden, und es Hingen schlaff herab auch die Flügel.

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44 LP Zypern ... ’s kam der Herold ... ... Idaios, der Bote, der flinke ... „ ... Und von Asiens Rest ... ohne Vergehen Ruhm; Hektor und seine Mannen, sie bringen die strahlende Maid aus Theben, dem heil’gen, von Strömen Plakías her, ’s ist Andromache, hold, auf den Schiffen, die über die Salz’ge See zieh‘n. Und goldene Armbänder, purpurne Kleider ... vielfarb‘ne Schmuckstücke, Silberbecher, unzählige, Waren aus Elfenbein.“ Sprach’s, und eilends erhob sich der eigene Vater, Kunde drang durch die weiträum’ge Stadt zu den Freunden hin Ilions Mannen, sie spannten sogleich da die Maultiere An die Wagen zur Fahrt, und der Schwarm da der Frauen auch Und der Mädchen zugleich ... mit schlankem Arm, Auch getrennt dann die Töchter des Priamos ... Rosse spannten die Männer an Wagen ... ... Jünglinge, weithin ... ... lenkten die Wagen ...

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*** ... göttergleich ... heilig ... Stürmte ... nach Ilion Süß der Flöte, der Kithara Weisen vermischten sich Und das Lärmen der Schellen, und hellstimmig Jangfrau’n auch Sangen ein heiliges Lied, und es drang bis zum Himmel auf Klang, so herrlich, und Lachen ... Überall auf den Wegen ... Schalen, Mischkrüge ... Zimt und Myrrhe und Weihrauchduft mischten sich da in eins, Frauen schrien, die älter an Jahr’n ,Eleleu‘, so schallt’s, Alle Männer mit heller und klarester Stimme da Riefen Paion, den Ferntreffer, den mit der Leier an, Priesen Hektor und seine Andromache, Göttern gleich.

47 LP ... Liebe erschütterte Meinen Sinn, wie der Wind von dem Berge in Eichen stößt.

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48 LP ... Kamst, als mein Herz sich gesehnt nach dir, Kühltest mir meinen Sinn, der entbrannt von Verlangen war.

49 LP Athis, lange schon ist es nun doch, dass ich dich geliebt, Ach, du schienst noch ohn Anmut mir noch – wie ein kleines Kind.

50 LP Schön ist er, dessen Schöne zu schauen dem Auge schön, Doch wer gut ist, auch der ist zugleich auch ein schöner Mann.

51 LP Weiß nicht, was soll ich tun: die Gedanken sind zweigeteilt.

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53 LP Rosenarm’ge hierher, Töchter der Zeus, kommt nun, Chariten, ihr!

54 LP Kam vom Himmel herab, purpurn das Kleid, das seinen Leib umhüllt.

55 LP Stirbst du, tot liegst du dann, und es bleibt nichts, was noch an dich gemahnt, Nichts was später von dir zeugt, denn du hast nicht an den Rosen teil, Die Pierien schenkt, sondern du gehst fort in des Hades Haus, Niemand sieht dich, du bist einer der Schar Toter in dunkler Nacht.

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56 LP Niemals glaub’ ich, das je, wieder das Licht seh’n wird der Sonne so Weise Jungfrau wie du, niemals wird das wieder geschehen zu keiner Zeit.

57 LP Welche Bäu‘rin betört dir denn den Sinn ... In ein bäurisch Gewand ist sie gehüllt ... Nicht die Knöchel einmal kann mit des Kleids Fetzen sie decken gar.

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58 LP (+ Pap. Col., s. Obbink 2011) Umhegt des Geschenks Wert, das im Duft ihres Gewands die Musen Gegeben, den Ton, hell, den dem Sang passend gesellt die Leier! Mir hat schon die Haut, war sie auch einst glatt noch und zart, das Alter Entstellt, und es ward weiß mir das Haar, das mir dereinst so schwarz war. Es machte das Herz dies mir so schwer, s tragen die Knie mich nicht mehr, Die biegsam und leicht einst für den Tanz waren wie die der Rehe. Doch mag ich auch drob seufzen so sehr, was kann ich tun dagegen? Dass alterslos sei jemals ein Mensch, niemals kann das geschehen. Denn Tithon hat einst, Eos, so heißt‘s, in ihren Rosenarmen Von Lieb‘ übermannt gar bis an das End’ ja der Welt getragen, Als schön er und noch jung war, und dann hat ihn das graue Alter Zuletzt mit der Zeit doch noch besiegt, war auch die Gattin todlos. ... glaubt er ... soll geben

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Ich aber hab Zartes gar lieb ... dies gab mir ja Den herrlichen Drang hin zu der Sonne und zu allem Schönen.

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81 LP Und schling um dein Haar, lieblichen Kranz, Zier deinem Haupt, o Dika, Und flechte des Dills Triebe hinein mit deinen zarten Händen! Ist blumengeschmückt eine, auf sie richten die sel‘gen Grazien Die Blicke, doch ist ohn einen Kranz eine, sie kehren sich von ihr.

82 LP ’s ist schöner der Wuchs doch Mnasidíkas, wie zart auch Gyrinna.

91 LP Nie traf ich noch je eine, die mich wirrte wie du, Eirana.

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94 LP Wahrlich, tot möcht ich lieber sein. Bitter weinend verließ sie mich ja und viel, Vieles sprach sie und das zu mir: ‚Ach! Was leiden wir doch so hart: Sappho, gegen den Willen verlass ich dich.‘ Drauf erwiderte ich ihr so: Geh in Frieden und denk dabei Auch an mich, denn du weißt, wie ich dich gehegt. Doch wenn nicht, so will ich dich dran Mahnen ... ... was wir Schönes zu zweit erlebt. Denn mit Kränzen von Veilchen viel Und von Rosen ... ... warst du umwunden zur Seite mir. Viele duftende Flechten auch Schlangst du um deinen zarten Hals

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Die von Blüten gemacht ... Und ... in Öls Duft ... Eingehüllt, einer Königin war es wert. Auf dem Lager, dem weichen hast Zarte ... Stilltest du dein Verlangen ... Und kein ... Und kein Heiligtum ... Gab es, das uns zu ferne gewesen war. Kein Hain ...

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95 LP Gongyla ... Da ein Zeichen ... ... besonders ... Hermes trat ein ... ,,Herr!“, so sprach ich ... ,,Bei der seligen Göttin, mich Freut nichts mehr auf der Erde ... Mich beherrscht ein Verlangen zu sterben und Zu erblicken der tauigen Ufer Acherons Lotos ...

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96 LP ... von Sardes ... Oftmals schweifte ihr Sinn hierher ... Als wir ... Einer Göttin in klarstem Schein Gleich, erfreute sie dein Gesang am meisten; Jetzt prangt sie unter lydischen Jungfrau’n am Hellsten, wie wenn die Sonne sank, Rosenfing’riger Mondin Glanz hervorsticht, Allen Glanz überstrahlet der Sterne, Licht Sendet über die salz’ge See Und die Felder an Blumen reich genauso. Herrlich fiel Tau herab in die Kelche von Rosenblüten und, wo des Klees Blätter sprießen, des Kerbels zarte Stiele. Weit hinweg schweifte sie und gedachte der Schlanken Atthis, und es zerfraß

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Da ihr Herz, ihren zarten Sinn die Sehnsucht. Uns ist dort hinzugehen ... das nicht Wissend ... viel Singt ... dazwischen. Leicht ist’s nicht, dass dem lieblichen Anblick wir Uns der Göttinnen gleich ...

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98 LP ... Denn meine Mutter, sie sprach einmal, Als sie jung war, die größte Zier War es, wenn eine auf dem Haupt Schlang ein Band sich ins Haar von des Purpurs Farb’, Ohne Zweifel, das war’s gewiss; Aber wenn einer blonder als Fackelglanz gar das Haar, stünde mehr ihr an, Aufzubinden mit Kränzen es Weihin blühender Blumenpracht; Freilich jetzt eine Mitra ... Bunt aus Sardes ... Freilich, Kleis, ich hab’ – woher Sollt’ es kommen? – kein buntes Band Hier für dich. Aber von Mytilene zwei ...

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... Diese die von der Flucht Kleonaxens Sohn ... Zur Erinnerung. Ganz sind sie dahin nun...

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102 LP O süße Mutter, nicht kann ich mein Werk mehr tun am Webstuhl. Denn Aphrodite zwang mich in die Brunst nach einem schlanken Kinde.

104 LP a) Abend, der alles vereint, was der leuchtende Morgen zerstreute, Bringst das Schaf, die Ziege, der Mutter bringst du ihr Junges. b) ... Von allen Sternen der schönste ...

105 LP Wie der süßeste Apfel am hohen Zweige im Rot strahlt, Hoch am höchsten Ast den Apfelpflückern verborgen, Nicht verborgen, o nein! sie konnten ihn nur nicht erreichen. Wie die Hyazinthe am Berge die Hüter der Herden Unter den Füßen zertreten, die purpurne Blüte am Boden ...

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106 LP Höher als Sänger aus anderen Ländern der Sänger von Lesbos ...

107 LP Streb‘ ich, ach, immer noch, dass ich ein Mädchen sei?

110 LP Mit fünfklaftrigen Füßen der Hüter An der Tür, die Sandalen fünf Ochsenhäute, Schumacher brauchte es zehne.

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111 LP Weit hinauf in die Höhe, Hymenaios, Ihr Werkmeister, hebt das Gebäude, Hymenaios, Aresgleich kommt der Freier, Ein größerer Mann als der größte,

112 LP Bräutigam, ach! so glücklich! Wie du gebetet, erfüllt hat Sich die Ehe, du hast die Jungfrau, die du erbeten! Deine Gestalt ist lieblich, Augen sind dein ... Zärtlich und Liebe breitet sich über weiche Züge. ... dir verliehen hat Aphrodite Ehre.

113 LP Denn kein anderes Kind, o Bräutigam, ist wie diese.

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114 LP Mädchenzeit, o Mädchenzeit, wo bist du nur hingegangen? Nimmermehr werd’, nimmermehr werd‘ ich jetzt zu dir mehr kommen.

115 LP Wem, o Bräutigam, lieber, soll ich dich vergleichen? Einem Baum, einem schlanken, dem gleichst du am meisten.

120 LP ... Bin nachtragenden Sinnes nicht Eine, nein, mein Gemüt, das ist gar mild ...

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121 LP Freilich wähle mein Freund dir Doch ein jüngeres Lager aus, Tragen werd‘ ich es nicht, dass ich Bei dir wohn‘, wo ich älter doch.

122 LP Sie pflückte Blumen, ein Kind gar hold.

123 LP Eben dort mit den gold’nen Sandalen Eos

126 LP Mögst du schlafen auf einer zarten Gefährtin Brust

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127 LP Hierher wieder, Musen, lasst das Haus von Golde

128 LP Zarte Chariten und auch ihr lockige Musen hierher!

129 LP ... mich hast du vergessen ... Oder du liebst einen andern, nicht mich, der Menschen

130 LP Wieder löst mir die Glieder die Liebe, und Bittersüß – keine Wehr – mich die Schlange zwingt.

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131 LP Atthis, an mich zu denken, zuwider ist’s Jetzt geworden, du fliegst zu Andromeda.

132 LP Schön mein Kind ist, die Gestalt, Gold’nen Blumen gleicht, meine liebe Kleis; Nicht für das ganze liebliche Lydien Würd‘ ich sie tauschen.

133 LP Es hat Andromeda eine gute Antwort *** Warum willst, Sappho, das Glück der Aphrodite...

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135 LP Warum, Pandions Tochter, Eirana, die Schwalbe ...

136 LP Frühlings Bote, o Nachtigall, lieblichen Sanges

137 LP Will etwas sagen, aber es hindert mich Die Scham ... *** Verlangtest, ach, nach Edlem und Gutem du, Und deine Zunge schürte nicht böse Mär, Nicht schlüge Scham das Aug‘ dir nieder, Sondern du sprächest auf rechte Weise.

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138 LP Vor mir als Freund er stand, Es spielt’ in seinen Augen der Anmut Strahl.

140 LP –

Ach! der zarte Adonis, Kythereia, will und sterben. Sag, was tun wir?



Schlagt, ihr Mädchen die Brust, reißt, ach! zerreißt, eure Gewänder!

141 LP Ambrosia wurde Gemischt in dem Krug, Die Kanne Hermes hielt, der Götter Mundschenk. Und alle die Becher Hielten in Händen, Gossen Spenden, erbaten dem Bräutigam

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Gutes in Allem.

142 LP Leto waren gar liebe Gefährten und Niobe ...

147 LP Einst wird einer gedenken noch unser, so sage ich.

148 LP Sind Reichtümer ohn Tugend, sie sind nicht ohne Schaden einem; So beides vereint ist, wird ihr Bund Gipfel des höchsten Glückes.

150 LP Nicht recht ist’s, dass im Hause der Musenschar Die Töne des Leids wohnen, uns ziemt das nicht.

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151 LP Schwarze Augen, es ist Nacht, und sie schlafen fest

154 LP Es glänzte der Mond in vollem Scheine, Und Frauen umstanden die Altäre.

155 LP Grüß das Kind mir Polyanaktida, grüß Sie vielmals!

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Das sog. ,Brudergedicht‘ (Obbink in Bierl/ Lardinois 2016): Stets lärmst, dass Charaxos mit vollem Schiffe Komme, du. Zeus kennt und auch alle andern Götter diese Dinge, so glaub ich: du musst Nicht daran denken; Lieber sende mich, und gar viel zu Hera, Trage mir, der Königin, auf zu beten, Dass Charaxos sicheren Schiffes hierher Möge gelangen, Uns auch finde, ohn allen Schaden; alles Andre woll‘n den Göttern wir überlassen, Denn aus großen Stürmen die Wasser finden Plötzlich zur Ruhe. Denen einen Schutzgott der Herr des Himmels, Mühen nun zu wehren, verleihen möchte, Jene werden allerseits Glück und Frieden Für sich erfinden; Auch wir werden, hebt einmal Larichos sein

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Haupt und wird zum Manne so endlich werden, Unversehns erlöst aus den schweren Sorgen Unserer Herzen.

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Bibliographie Bierl, A./ Lardinois, A.P.M.H. (2016), The Newest Sappho: P. Sapph. Obbink and P.GC inv. 105, frs. 1-4 (Leiden – Boston) LP = Poetarum Lesbiorum Fragmenta, edd. Edgar Lobel et Denys Page Günther, H-C. (2013), Brill’s Companion to Horace (Leiden – Boston) Obbink, D. (2011), ‘Sappho Fragments 58-59: Text, Apparatus Criticus, and Translation’, s. https://chs.harvard.edu/CHS/article/display/3400 Page, Denys (Oxford 1955), Sappho and Alcaeus: an introduction to the study of ancient Lesbian poetry (Oxford) Page, editio minor = Lyrica Graeca selecta, ed. D. Page (Oxford 1968) Rayor, Diane/ Lardinois, André (2014), Sappho: A New Translation of the Complete Works (Cambridge)