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German Pages 153 [156] Year 1913
Rudolf Euckens noologische Methode in ihrer Bedeutung für die Religionsphilosophie von
Richard Kade
Pfarrer in Lichtentanne in Thüringen
Leipzig Verlag von Veit & Comp.
1912
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.
Meiner lieben Frau zur Erinnerung an den 12. Juli 1 9 1 2
Vorwort. Die im Folgenden gebotene Arbeit war ursprünglich dafür bestimmt, in einer theologischen Zeitschrift zu erscheinen und so in den dem Verfasser theologisch nahestehenden Kreisen für ein tieferes Verständnis Euckens zu wirken. Daher auch der Versuch, in einem ersten, grundlegenden Kapitel in Auseinandersetzung mit maßgebenden theologischen Autoren Recht und Notwendigkeit der Religionsphilosophie erst noch zu erhärten. Aber ich habe dieses Kapitel auch stehen lassen, wie der Umfang der Arbeit gezwungen hat, an eine selbständige Veröffentlichung zu denken. Denn wenn nun vielleicht auch mancher nichttheologische Leser der dieses Kapitel beherrschenden Fragestellung verhältnismäßig fremd gegenübersteht und manchen Einzelheiten als zu theologisch kein besonderes Interesse abzugewinnen vermag, so scheinen mir die in der Bestreitung der Möglichkeit und Notwendigkeit der Religionsphilosophie hervortretenden Grundgedanken doch wichtig genug, um auch abgesehen von allem spezifisch theologischen Interesse die Problemstellung daran zu orientieren. Dazu möchte ich der Arbeit aber allerdings auch in der gegenwärtigen Gestalt gerade in Theologenkreisen recht viel Leser wünschen. Denn es
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Vorwort.
ist meine feste Überzeugung, daß die Theologie für ihre letzten und tiefsten Probleme unbedingt auf die Fühlung mit der Philosophie angewiesen ist, und daß wiederum Euckens Philosophie vor anderen hier außerordentlich wertvolle Dienste leisten kann und längst noch nicht genügend verstanden und gewürdigt wird. Daß diese Überzeugung nicht notwendig zur Kritiklosigkeit zu führen braucht, wird, wie ich hoffe, das 4. Kapitel deutlich genug zeigen. Aber desto mehr ist es mir ein Bedürfnis, das Büchlein nicht hinausgehen zu lassen, ohne ihm ein Wort des Dankes an Budolf Eucken vorauszuschicken, dem es, auch wo es Kritik übt, das Beste verdankt. L i c h t e n t a n n e , im Juli 1912. Richard Kade.
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Einleitung I. R e c h t u n d A u f g a b e d e r R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e
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1. Herrmanns Ablehnung der Möglichkeit der Metaphysik 2. Entbehrlichkeit der Religionsphilosophie nach Herrmann 3. Kritische Begründung der Notwendigkeit der Religionsphilosophie
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II. D i e N o t w e n d i g k e i t e i n e r b e s o n d e r e n n o o l o gischen Methode 1. Religionsphilosophie und Psychologie 2. Die Schranken der transszendentalen Methode . . .
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a. Windelband als Religionsphilosoph b. Tröltsch: Versuch einer Weiterbildung der Religionsphilosophie auf dem Boden der transszendentalen Methode c. Zusammenfassende Kritik der Voraussetzungen der transszendentalen Methode III. G r u n d g e d a n k e n u n d a l l g e m e i n e B e d e u t u n g
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der
noologischen Methode
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1. Die Grundzüge der Methode 2. Die noologische Methode — eine neue Grundlegung des Idealismus
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Inhalt. Seite
IV. D i e n o o l o g i a o h e M e t h o d e u n d das P r o b l e m der Religion
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1. Euckens Begründung der Religion nach ihren Grundzügen
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2. Universale und charakteristische Religion 3. Kritische
Würdigung der Euckenschen
begründung 4. Religion und Geschichte
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Einleitung. Es mag vielleicht für den ersten Blick überflüssig erscheinen, heutzutage eine Studie zu schreiben, die auf E u c k e n s Philosophie erst noch hinweisen und einen Weg zu ihr bahnen möchte. Erfreut sich doch kaum ein anderer lebender Philosoph eines ähnlichen Interesses und einer ähnlichen Wertschätzung in den weitesten Kreisen der Bildung, weit über die Grenzen Deutschlands hinaus, wie das ja auch in der Verleihung des Nobelpreises an ihn zum Ausdruck gekommen ist. Vor allen Dingen aber kann es in den Kreisen der Theologen doch gar nicht fehlen, daß ein Philosoph wie er nicht weithin als Bundesgenosse sollte willkommen geheißen werden. Das alles mag zugestanden werden, wie denn auch tatsächlich kaum etwas dagegen zu erinnern sein dürfte. Aber trotzdem scheint mir damit die Frage noch längst nicht erledigt, ob mit dem allen auch wirklich die Philosophie Euckens so gewürdigt wird und in unserem heutigen Geistesleben so zur Geltung kommt, wie sie es m. E. verdient. Zunächst mag da schon das bedenklich machen, daß gerade die grundlegenden Werke Euckens, ohne die ich mir ein in die Tiefe dringendes Verständnis seiner Philosophie kaum denken kann, K a d e , Euckens noologlsche Methode.
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Einleitung.
seine „Prolegomena zu Forschungen über die Einheit des Geisteslebens in Bewußtsein und Tat der Menschheit", und dann diese Untersuchungen selbst, „Die Einheit des Geisteslebens in Bewußtsein und Tat der Menschheit" seit 1885 bzw. 1888 keine neue Auflage erlebt haben. Müßte das nicht ganz anders aussehen, wenn das wirklich philosophische Interesse für Eucken so groß wäre, wie es seiner Popularität nach leicht den Anschein haben könnte? Aber dazu kommt auch noch das andere, daß, soweit ich sehen kann — es handelt sich dabei allerdings um ein sehr subjektiv bedingtes Urteil — gerade in den Kreisen seiner Fachgenossen seine philosophische Methode selbst nicht so übermäßig hoch eingeschätzt wird. Wie viele Philosophen erklären vielmehr, damit nichts anzufangen zu wissen! Und so macht schließlich auch die Theologie hier keine Ausnahme. Männer wie H e r r m a n n und T r ö l t s c h , unter sich durchaus Antipoden, sind sich doch darin einig, daß sie die Methode Euckens nicht sehr wichtig nehmen. Davon ganz zu geschweigen, wie viele unter den nichtführenden Geistern gerade in der Theologie wohl einfach die Resultate Euckens herübernehmen und in Polemik und Apologetik sich auf sie berufen, im übrigen aber Philosophie Philosophie sein lassen. Aber gerade um diese Methode Euckens geht es uns hier nun doch mehr als um alle noch so feinen und an und für sich noch so wertvollen Einzelheiten in seiner Auffassung der Religion. Denn mir scheint, an dieser Methode hängt der eigentlich philosophische Wert und die eigentlich philosophische Bedeutung seiner
Einleitung.
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Arbeit, und hier muß darum einsetzen, wem es um ein philosophisches und das heißt um ein wirklich fruchtbares Verständnis Euckens zu tun ist. Aber worin hegt diese Verkennung Euckens, bei gleichzeitiger weitgehenderZustimmung und Anerkennung, begründet? Soweit ich urteilen kann, in der Hauptsache darin, daß viele die Probleme gar nicht sehen oder wenigstens nicht tief genug als Probleme empfinden, für die Euckens Philosophie eine Lösung versucht und auf die dann seine ganze Stellung zu Leben und Welt sich gründet. Das wieder mag im einzelnen sehr verschiedene Wurzeln haben oder auch mehrere nebeneinander. Ich nenne nur die besondere Darstellungsweise Euckens, die ein stark rhetorisches Element — selbstverständlich im guten Sinne — in sich schließt, die überhaupt im großen und ganzen sich nicht ausdrücklich und streng schulmäßig mit den einzelnen Theorien der einzelnen Philosophen auseinandersetzt, und die darum manchem für philosophische Untersuchungen ungewohnt ist. Oder so liegt manches wohl auch an den grundlegenden Problemen selbst: Das Geistesleben als solches zu untersuchen, scheint manchem doch viel unphilosophischer als etwa das Eaumproblem u. dgl. Aber so gibt das nun auch, mag es im einzelnen damit stehen wie es will, im ganzen auf jeden Fall einen Fingerzeig für die nähere Gestaltung einer Arbeit, die dem Verständnis der Euckenschen Philosophie dienen will: Sie wird es sich vor allen Dingen angelegen sein lassen müssen, die Probleme selbst zum Bewußtsein zu bringen, um die es hier geht. Des näheren möchte 1*
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Einleitung.
ich versuchen, Euckens Grandposition aus den allgemeinen Problemen der Philosophie und Eeligionsphilosophie, so wie ich sie sehe, herauswachsen zu lassen, auch wenn das manchmal vielleicht ein Weiterausholen nötig macht, als eine bloß referierende Darstellung es erforderte. Das Ergebnis wird den Umweg rechtfertigen. Wenn zu diesem Zwecke aber Eucken zu anderen Strömungen der Gegenwart in Beziehung gesetzt wird, so ist es wohl gar nicht nötig, erst noch ausdrücklich zu betonen, daß dabei irgendwelche Vollständigkeit der Übersicht und Einordnung nicht erstrebt wird. Das ginge weit über den Eahmen dieser Arbeit hinaus. Vielmehr soll die Gegenüberstellung nur dazu dienen, an besonders geeigneten oder vielleicht auch nur dem Theologen besonders naheliegenden Beispielen die Probleme selbst schärfer herauszuarbeiten und ins Licht zu rücken.
I. Recht und Aufgabe der Religionsphilosophie. Wenn innerhalb der Theologie dogmatische Fragen zur Verhandlung stehen, dann gibt es zweifellos auch hier der Unterschiede und Streitfragen genug, die z. T. bis in den innersten Kern der Probleme hineinreichen; aber daß es überhaupt eine Dogmatik und dogmatische Arbeit geben müsse, mag sie sich im einzelnen wie verschieden immer gestalten, das ist dabei doch — für die systematische Theologie wenigstens — immer eine allgemein anerkannte Voraussetzung. Damit ist die Dogmatik besser gestellt als die Beligionsphilosophie — wenigstens auf den Durchschnitt der heute führenden kritischen Theologie gesehen. Denn mag man hier vielleicht auch allenfalls geneigt sein, der Philosophie solche Beligionsphilosophie als eine Art Luxus zuzugestehen, so doch auch das meistens schon in der stillen Voraussetzung, daß viel auch für die Philosophie dabei nicht herauskommen werde. Vor allem aber findet der Anspruch, daß auch die Theologie um ihrer selbst willen sich um Religionsphilosophie und damit natürlich auch um Metaphysik ernstlich kümmern solle, weithin die allerentschiedenste Ablehnung, und zwar — das muß
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Recht und Aufgabe der Religionsphilosophie.
dieser Tatsache ihr besonderes Gewicht geben — vor allen Dingen gerade bei den Theologen, deren Bedeutung für Theologie und Religion niemand übersehen kann. So kann nun aber auch über Euckens Religionsphilosophie gar nicht wirklich fruchtbringend berichtet werden, ohne daß seine Bestrebungen in diese Zusammenhänge hineingestellt und wenigstens in großen Zügen in der Auseinandersetzung damit entwickelt werden. Nur so ist es möglich, Euckens Bedeutung gerade auch für die Theologie voll zum Ausdruck zu bringen; zugleich aber wird dadurch auch das Eindringen in die Probleme selbst zweifellos gefördert und vertieft. Daß dabei aber für die grundlegende Frage vor allen Dingen W i l h e l m H e r r m a n n in dem Mittelpunkt der Erörterung stehen wird, das bedarf für den Theologen wohl nicht erst noch groß der Rechtfertigung. Vollständigkeit wird ja nicht erstrebt, sondern nur eine Orientierung über die Grundlinien des Problems. Daß dafür aber gerade Herrmanns Theologie die allerbesten Dienste leisten kann, das wird wohl nirgends bezweifelt werden. Einmal ist es ja doch gerade Herrmann, bei dem die Ablehnung aller Metaphysik und selbständigen Religionsphilosophie am allerschärfsten zum Ausdruck kommt und in prinzipieller Auseinandersetzung entwickelt und begründet wird. Zugleich aber steht bei ihm eine so hochbedeutsame und eindrucksvolle theologische Gesamtleistung dahinter, daß jedem Freund der Metaphysik nur geraten werden kann, seine Liebe diese Feuerprobe bestehen zu lassen.
Hertmanns Ablehnung der Möglichkeit der Metaphysik.
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1. Herrmanns Ablehnung der Möglichkeit der Metaphysik. Historisch-psychologisch betrachtet muß A l b r e c h t R i t s c h i s und seiner Schule Ablehnung der Metaphysik wohl vor allen Dingen verstanden werden aus dem Gegensatz eines zu vollem Selbstbewußtsein gekommenen Christentums, das sich auch seiner historischen Eigenart und bleibenden Bedingtheit durch die Geschichte bewußt ist, gegen jene ontologische Spekulation platonischer oder aristotelischer Herkunft, die schon von Anfang an in die Bildung des kirchlichen Dogmas hineingewirkt und in der Scholastik den Höhepunkt ihrer Geltung erreicht hat, die aber nach andersartigen glücklichen Ansätzen vor allem unter dem Einfluß Melanchthons auch wieder in die lutherische Dogmatik eingedrungen ist und infolgedessen von den Repristinationstheologen auch heute noch als genuiner Bestandteil der christlichen Theologie verfochten wird. Dagegen macht schon B i t s e h l in seiner Schrift über „Theologie und Metaphysik" und ihm folgend seine Schule mit allem Nachdruck geltend, daß diese Metaphysik mit ihren leeren allgemeinen Begriffen dem Geiste des Evangeliums fremd ist und im günstigsten Fall nur das Verständnis der Religion auf der Stufe des Heidentums zum Ausdruck bringt, daß es darum aber durchaus im Interesse der christlichen Wahrheit und ihrer dogmatischen Gestaltung hegt, mit dieser Tradition zu brechen und nicht, wie konservative Dogmatiker es vielfach wollen, die spezifisch christliche Erkenntnis mit einer durch solche Metaphysik der Allgemeinbegriffe
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Recht und Aufgabe der Religionsphilosophie.
gewonnenen natürlichen Gotteserkenntnis zu unterbauen oder durch sie zu stützen und zu begründen. Sonst wird versucht, ganz disparate Elemente zusammenzuschweißen, und die Einheitlichkeit der christlichen Erkenntnis wird geschädigt, ja diese Erkenntnis selbst dann nur zu leicht fremden Maßstäben unterworfen und dadurch verdorben. Soweit wäre eine Verständigung mit den religionsphilosophischen Bestrebungen E u c k e n s noch sehr leicht. Denn daß jene ontologische Spekulation nicht das leistet, was ihr hier zugetraut wird, das ist auch für E u c k e n selbstverständliche Voraussetzung. Über sie ist die Entwicklung des philosophischen Geistes hinweggeschritten. Aber auch wenn sie für die Philosophie an und für sich noch möglich wäre, dann wäre damit auch nach Eucken für die Religion auf jeden Fall nicht viel gewonnen, wenn anders die Religion wirklich als das gefaßt wird, was sie selbst zu sein behauptet: als Bettung des geistigen Selbst des Menschen. Aber Bitsehl und seine Schule bleiben nun nicht bei dem Gegensatz gegen diese geschichtlich bedingte besondere Gestaltung der Metaphysik stehen, sondern sie sehen in dem, was diese Metaphysik untauglich macht zur Begründung der christlichen Wahrheit, den Mangel der Metaphysik überhaupt, und machen so den zunächst geschichtlich bedingten Gegensatz zu einem absoluten. Denn alle Metaphysik hat nach B i t s e h l die Eigenart, daß sie der Untersuchung der allgemeinen Gründe alles Seins gewidmet ist. Es wird hier also gerade von den besonderen Merkmalen abgesehen, in denen man den
Herrmanns Ablehnung der Möglichkeit der Metaphysik.
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Unterschied von Natur und Geist vorstellt. So stellt sie wohl die in dem erkennenden Geist des Menschen entspringenden Formen fest, in welchen derselbe überhaupt über den Fluß der Empfindungen und Wahrnehmungen zu Fixierung von Objekten der Vorstellung fortschreitet, und die metaphysischen Begriffe umfassen und beherrschen demgemäß alle anderen auf die Besonderheit von Natur und Geist bezogenen Erkenntnisse. Aber eben damit reichen sie nicht an die Wirklichkeit geistigen Lebens hinan. Sie sind gemessen an der Art und Eigentümlichkeit des Geisteslebens unzureichend und wertlos, und daraus ergibt sich der gewaltige Abstand aller kosmologischen Spekulation von jeder religiösen Weltanschauung. Denn die religiöse Weltanschauung ist in allen ihren Arten nach Eitschl darauf gestellt, daß der menschliche Geist sich in irgendwelchem Grade von den ihn umgebenden Erscheinungen und auf ihn eindringenden Wirkungen der Natur an Wert unterscheidet. Alle Religion ist Deutung des in welchem Umfang immer erkannten Weltlaufs und zwar in dem Sinne, daß die erhabene Macht, welche in und über demselben waltet, dem persönlichen Geiste seinen Wert gegen die Hemmungen durch die Natur oder die Naturwirkungen der menschlichen Gesellschaft erhält oder bestätigt. Also: kein Gedanke von Gott gehört in die Metaphysik, da deren Erkenntnisse gleichgültig gegen den Art- und Wertunterschied von Geist und Natur sind (Theologie und Metaphysik S. 32ff.). Nun könnte man ja freilich dagegen zu sagen versuchen, es sei nichts als eine unbewiesene und unbegründete Vor-
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Recht und Aufgabe der Religionisphilosgphie.
aussetzung, daß die Metaphysik so an die bloße Naturgrundlage alles Seins gebunden und damit dann freilich für das Verständnis des Geisteslebens und der Religion unbrauchbar gemacht werde. Heißt das nicht einfach willkürliche oder wenigstens nur historisch berechtigte Begriffe einer aufs Prinzipielle gestellten Untersuchung zugrunde legen und dadurch deren Resultate fälschen? Aber hier führt uns nun — eine kritische Auseinandersetzung damit selbstverständlich vorbehalten — noch einen Schritt weiter, wie Wilhelm H e r r m a n n in seinem Buche „Die Religion im Verhältnis zum Welterkennen und zur Sittlichkeit", Halle 1879x, diese Position weiter ausgestaltet und philosophisch unterbaut. Selbstverständlich weiß auch Herrmann — das ist für die Auseinandersetzung mit ihm sehr zu beachten —, daß es metaphysische Versuche gibt, die jene naturalistische Eiftseitigkeit vermeiden wollen. Er denkt an dieser Stelle hauptsächlich an P f l e i d e r e r . Aber seinem Urteil nach führt nun doch auch dieser Versuch nicht weiter — und das, worauf es hier ankommt, gilt nicht bloß für die Kritik Pfleiderers —; denn, so urteilt Herrmann, wenn dabei der ethische und religiöse Geist nicht nur als psychische Tatsächlichkeiten hingenommen, sondern zugleich als höchste Tatsächlichkeiten in eminentem Sinne gewertet werden sollen, dann wird damit nicht Wissenschaft getrieben, sondern der Maßstab der christlichen Beurteilungsweise entlehnt. „Als psychisches Phänomen steht jede Religion wie alle der Beobachtung 1
Künftig zitiert unter der Abkürzung RWS.
Herrmanns Ablehnung der Möglichkeit der Metaphysik.
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vorliegenden Tatsachen zu der Metaphysik in entfernter Beziehung. Der Wert dagegen, den die konkreten Urteile einer bestimmten Religion für die einzelne Person behaupten, darf wenigstens für die Metaphysik nicht normativ sein, welche an der Würde freier, d. h. nicht ethisch bedingter Wissenschaft teilnehmen will. Die Geltung, welche die religiösen Urteile beanspruchen, ist als solche zwar für die sittliche Person, nicht aber für die unabhängige Forschung vorhanden." Dagegen darf man nicht einwenden, daß Sittlichkeit und Religion doch deswegen aus der Reihe der übrigen psychischen Erscheinungen heraustreten, weil in ihnen sich das geistige Leben vollende. Denn diese Beurteilung des geistigen Lebens steht ja offenbar nur dem zur Verfügung, der die absolute Geltung bestimmter religiöser und sittlicher Urteile für sich selbst festhält. Wenn trotzdem die Metaphysik von jeher solche Realitäten des Glaubens als Tatsachen neben anderen zu erklären versucht hat, so ist dieses Verfahren als fehlerhaft zu verwerfen. Auf diese Weise hat sich nie etwas anderes ergeben, als ein Zwitterding zwischen ethisch indifferenter Wissenschaft und — Theologie a. a. 0. S. 183ff. Von hier aus lautet denn nun auch Herrmanns Urteil über die modernen religionsphilosophischen Versuche dahin, daß man in letzter Zeit darin ja meistens den Ausdruck religiöser Überzeugung finden könne; aber je mehr wir uns daran erfreuten, desto schmerzlicher müßten wir dabei fast immer eine Philosophie vermissen, die uns in unserer Arbeit helfen könnte. „Die Religionsphilosophie pflegt mit wenigen rühmlichen
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Recht und Aufgabe der Religionsphilosophie.
Ausnahmen unter dem Schein der Wissenschaft Gedanken zu entwickeln, die uns als religiöse längst bekannt sind" Z. Th. K. 1909 S. 57. Speziell in Euckens Wahrheitsgehalt der Religion habe das, was den Theologen besonders wohltuend berühren könne, die deutlich hervortretende Anteilnahme an dem Leben der Religion, den Philosophen verleitet, sich in dem wissenschaftlich Unfaßbaren zu verlieren S. 162. Das was längst bekannter Ausdruck religiöser Überzeugung sei, werde zu Unrecht als Bezeichnung wissenschaftlich feststellbarer Tatsachen behandelt Z. Th. K. 1907 S. lff., 181 f. Es kann nun natürlich nicht die Aufgabe sein, gleich hier zu Anfang grundlegend darüber zu urteilen, wieweit Herrmann recht hat mit diesen Urteilen über Religionsphilosophie und Metaphysik überhaupt und über die Euckens insbesondere. Dazu gehört erst ein Überblick über die Arbeit Euckens selbst. Aber das mag allerdings solche Übersicht zunächst schon einmal zeigen, daß eine Ablehnung der Metaphysik, wie sie von Herrmann vertreten wird, nicht etwa kurzer Hand mit dem Urteil abgetan werden kann, das sei nur ein wohl verständlicher, aber einseitiger und sich selbst widerlegender Rückschlag gegen den Intellektualismus oder wohl gar einfach unphilosophische Rückständigkeit des Theologen. Auch dieser Standpunkt ist vielmehr mit einer sehr ernsten und besonnenen Philosophie unterbaut. Wenn er drum widerlegt werden soll und widerlegt werden kann, dann auf jeden Fall nur durch eine bessere Philosophie. Vor allen Dingen aber mögen diese Einwände Herrmanns gegen Eucken im Zusammenhange mit der
Entbehrlichkeit der Religionsphilosophie nach Herrmann.
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zugrunde liegenden Gesamtanschauung recht klar herausstellen, worauf es für solche philosophische Auseinandersetzung vor allem ankommt und woran sich Euckens Methode bewähren muß, um wirklich als wissenschaftlich gelten zu können: Kann sie eine Stellung zu den ethischen und überhaupt geistigen Daten finden, die diese nicht bloß als psychische Tatsächlichkeiten in den Ansatz aufnimmt und die es doch zugleich vermeidet, Urteile zu verwenden und Werte vorauszusetzen, die von vornherein nicht begründet werden können? 2. Entbehrlichkeit der Religionsphilosophie nach Herrmann. Aber wir müssen nun auch noch von einer anderen Seite her an das Problem herantreten, wenn wir die geistige Lage erschöpfend kennzeichnen vollen, unter deren Bedingungen für uns das Problem der Religionsphilosophie steht. Denn für Herrmann — und hier führt gerade er den allgemein-Ritschlschen Gegensatz gegen die Metaphysik besonders energisch und konsequent durch — steht es ja so, daß diese Gedanken, die mit der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Metaphysik argumentieren, im Gefüge seiner Gesamtanschauung immerhin erst an zweiter Stelle kommen. Viel wichtiger noch ist ihm dagegen, wenn ich recht sehe, das andere, daß solche Metaphysik, mag sich die Philosophie damit abfinden wie sie will, überhaupt und auf jeden Fall um der Religion selbst willen auch für die Wissenschaft von der Religion nicht gebraucht wird und nicht gebraucht werden kann. Denn Religion und
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Recht und Aufgabe der Religionsphilosophie.
Philosophie stellen zwei total verschiedene Auffassungen der Wirklichkeit dar. Die Philosophie hat die Aufgabe, die Ansprüche des Allgemeingültigen zu begründen. Sie stellt in Erkenntnistheorie und Ethik die allgemeingültigen Gedanken heraus, die von jedem tatsächlich anerkannt werden, der überhaupt denkt bzw. sittlich urteilt und in deren Anerkennung das Denken wie die Sittlichkeit sich vollzieht. Hier aber findet die Wissenschaft von der Religion ihre Aufgabe nicht. Denn für die Religion ist das gerade die grundlegende Voraussetzung, daß sie nicht in der Aneignung allgemeingültiger Gedanken besteht, sondern vielmehr auf ein stets individuelles Erleben zurückgeht. Allerdings hat diese Einsicht auch in der evangelischen Kirche sich noch längst nicht so durchgesetzt, wie es normalerweise sein müßte, wenn die Theologie rein und restlos von den evangelischen Prinzipien bestimmt würde. Im Gegenteil, gerade in den maßgebenden Kreisen herrscht vielfach die bequeme Vorstellung, daß man den Menschen das Evangelium bringt, wenn man ihnen zumutet, christliche Gedanken zu fassen („Verkehr des Christen mit Gott", 3. Auflage 1896, V.), und auch von der modernen Theologie wird diese Auffassung noch vielfach geteilt; vgl. die Auseinandersetzung mit T r ö l t s c h und Bousset Z. Th. K. 1907 S. 172 ff., 315 ff. Eben deshalb begrüßt man es auch vielfach wie einen neuen Geistesfrühling, daß eine neue Metaphysik im Erwachen sein soll. Denn viele Theologen erhoffen eine Erleichterung davon, wenn eine Metaphysik sich ankündigt, die sich dem Glauben an Gott wieder als eine Stütze anbietet. Denn die spröde
Entbehrlichkeit der Religionsphilosophie nach Herrmann.
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Zurückhaltung, die vor allem die Vertreter der exakten Naturwissenschaft so lange Zeit gegenüber den religiösen Gedanken bewiesen haben, hat ja ohne Zweifel die Gewöhnung an religiöse Vorstellungen im Volk weithin unmöglich gemacht. Wenn nun eine neue Metaphysik herannaht, die mit den Mitteln der Wissenschaft die Erscheinung jener „Überwelt" konstatieren will, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß die autoritätsbedürftigen Massen wieder mehr Respekt vor dem Geheimnis der religiösen Vorstellungen bekommen. • Aber, so urteilt nun Herrmann darüber, es ist sehr die Frage, ob wir uns darüber freuen dürfen. Denn eine Überwelt, die die Wissenschaft zu enthüllen behauptet, hat immer zu erwarten, daß sie von der Wissenschaft selbst als etwas anderes enthüllt wird, nämlich als eine bloße Erweiterung der Welt a. a. 0. S. 178 f. Aber auch davon abgesehen, ist es überhaupt ein Irrtum, von der Pflege allgemeingültiger Vorstellungen etwas für die Religion zu erwarten. Es gibt keine allgemeingültige Erkenntnis, die dem Kern unserer individuellen Existenz — und darum handelt es sich in der Religion — seine innere Festigkeit verschaffen könnte. Keine Wissenschaft kann uns als Individuen retten (S. 318). Eine Religion, die aus der Aneignung religiöser Gedanken hervorgehen soll, ist vielmehr in ihrer Wurzel faul (S. 828). Ja die religiöse Zuversicht wird nur verdorben, wenn sie auf das gewiesen wird, was sich beweisen läßt (Z. Th. K. 1909 S. 59), und darum will auf jeden Fall Herrmann seinerseits alles tun, um Menschen, in denen das Verlangen nach Gott erwacht ist, davor zu bewahren, daß sie sich dabei auf eine ver-
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Recht und Aufgabe der Religionsphilosophie.
meintliche Wissenschaft von übersinnlichen Dingen verlassen Z. Th. K. 1907 S. 181 f. Damit will Herrmann nicht etwa auf alle Begründung der Wahrheit der Religion verzichten. Er weiß: Wir bedürfen einer Erkenntnis der Religion, die wir als allgemeingültig vertreten können. Wenigstens dann, wenn die Ansprüche anderer Formen des geistigen Lebens uns zwingen, uns auf das Recht unserer Religion zur besinnen. Sonst wird es schon dem Einzelnen schwer, in den geistigen Kämpfen der Gegenwart eine eigene religiöse Überzeugung zu behaupten. Weiter aber ist auch für die religiöse Gemeinschaft eine innere Disziplin nur möglich durch solches durch wissenschaftüche Erkenntnis gesichertes Verständnis für das Einfache in der Religion. Ja auch für Wissenschaft und Kultur muß es ein dringendes Bedürfnis sein, daß sie vor einen Begriff der Religion gestellt werden, der es möglich macht, diese Gestalt des menschlichen Lebens als etwas von ihnen Verschiedenes zu würdigen Z. Th. K. 1907 S. 172ff. Oder wie das in einer gewissen Nuance in RWS. ausgedrückt ist, wo mehr das Ganze der religiösen Weltanschauung als Objekt des theologischen Beweises fixiert wird: Es gehört selbstverständlich zum Berufe der Theologie, das Bewußtsein der christlichen Gemeinde von d e r Allgemeingültigkeit dessen, woran sie glaubt, zu rechtfertigen (S. 1 ff.). Aber — und darauf kommt hier nun alles an — dafür ist keine Metaphysik nötig. Diese Aufgabe ist vielmehr auf andere Weise vollgültig zu lösen. In der Ausführung dieses Gedankens geht wieder Herrmann heute nicht mehr ganz dieselben Wege wie
Entbehrlichkeit der Religionsphilosophie nach Herrmann.
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in RWS. Hier kommt der theologische Beweis kurz darauf hinaus, daß zwar die Begründung der Ethik geleistet wird ohne alle Bücksicht auf die Religion: Das Ansehen des Sittengesetzes braucht nicht etwa erst durch die Berufung auf Gott als Gesetzgeber gesichert zu werden. Das Sittengesetz behauptet, wie immer wir auch historisch zu seiner Anerkennung gekommen sein mögen, seine Geltung unabhängig von jeder religiösen Weltanschauung. Aber die Entfaltung der Ethik geht dagegen nur von statten in Verbindung mit einer religiösen Anschauung. Denn die wirkliche Sittlichkeit des Menschen, welche hier zur vollen Darstellung kommen soll, ist von Urteilen über die Welt begleitet, welche religiöser Art sind. Sie ruft nicht etwa die Religion als ein willkommenes Förderungsmittel herbei, sondern sie hat von Anfang an ihre eigene Wirklichkeit im Zusammenhang mit ihr (S. 228ff.). Genauer handelt es sich dabei um das Problem, daß ein Verständnis des Sittengesetzes aus dem, was es dem persönlichen Leben leistet, unmöglich wäre, wenn es nicht für unser Vorstellen mit den empirischen Bedingungen des Lebens in einen positiven Zusammenhang träte, welcher uns von vornherein befähigt, beide als organisierende Kraft und als gestaltungsfähigen Stoff aufeinander zu beziehen. Ein solcher Zusammenhang ergibt sich nicht aus der theoretischen Erkenntnis der Welt. Aber auch im Sittengesetz als solchem ist er nicht als Forderung enthalten. Die isolierte Betrachtung des Sittengesetzes in seiner formalen Allgemeinheit müßte vielmehr das Trugbild einer Sittlichkeit erzeugen, welche auf eine Negation K a d e , Euckens noologische Methode.
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Recht und Aufgabe der Religionsphilosophie.
der Welt hinausliefe und daher gar keinen Anlaß böte, auf einen positiven Zusammenhang der letzteren mit dem sittlichen Endzweck sich zu stützen. Nur die Aneignung des Sittengesetzes durch den lebendigen Menschen, d. h. durch ein Selbstgefühl, welches von der Natur in verschiedenartige Schwingungen versetzt wird, läßt das Urteil, daß das Gute die Macht über die Welt sei, hervortreten, und zwar als die unumgängliche Voraussetzung für ihre eigene Entwicklung. Jenes Urteil ist daher nur als eine selbständige Funktion neben der sittlichen Gesinnung zu verstehen, die allerdings mit dieser in einer unauflöslichen Verbindung steht. Wenn das sittliche Bewußtsein über sich selbst aufgeklärt wird, so muß es in seiner Tiefe jenes Vertrauen finden; denn dasselbe ist nichts weiter als das Merkmal seiner eigenen individuellen Existenz. In dem Urteil aber, welches in diesem Vertrauen ausgesprochen wird, erscheint die Welt als Ganzes dem Endzweck unterworfen, in welchen das ganze Selbstgefühl einer Person hineingelegt ist. Ein solches Urteil ist aber religiöser Art. Folglich gelangt das Sittengesetz durch Vermittlung eines religiösen Urteils zu individueller Wirklichkeit in einem Menschen (S. 248ff.). — Neuerdings legt Herrmann dagegen den Schwerpunkt des theologischen Beweises darein, daß der Weg zur Religion als allgemeingültig erwiesen wird, und die Begründung der Religion liegt daher darin, daß sie aus dem Bedürfnis erwacht und in ihrer geschichtlichen Wirklichkeit dann auch dieses Bedürfnis befriedigt, den im individuellen Selbstgefühl gegebenen Anspruch auf lebendige Selbständigkeit
Entbehrlichkeit der Religionsphilosophie nach Herrmann.
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zu befriedigen und zu behaupten. Denn diese zunächst natürliche Selbstgewißheit bleibt nur so lange bestehen, als wir einfach von der Gewalt unseres Selbstgefühls hingenommen sind. Aber diese Gewalt wird in jedem gebrochen, wenn ihm die Wahrheit der sittlichen Forderung aufgeht. Wir werden dann von der Frage getroffen, ob die Vorstellung eigenen Lebens, die wir so besitzen und betätigen, wahr ist, ob nicht unser Selbstgefühl die Vortäuschung eines Selbst, also etwas Nichtiges ist. Es ist nicht möglich, daß ein Mensch zu sittlicher Eeife kommt, ohne daß ihm irgendwie das zum Bewußtsein käme, daß er in seinem Anspruch auf Leben etwas behauptet, was keine Wahrheit hat, und zwar zeigt sich als Grundmangel der, daß wir mehreren Herren dienen wollen und damit die innere Einheit und Selbständigkeit verlieren oder nicht erringen können. Es kommt dann aber also alles darauf an, daß wir eine Wirklichkeit finden, von der abzuhängen die Einheit und Selbständigkeit des Lebendigen begründet, und das geschieht eben in der Religion darin, daß wir in Jesus die Offenbarung Gottes finden, die uns unbedingtes Vertrauen auf Gott und unbedingte Unterwerfung unter ihn abgewinnt. So kann also der Weg zur Religion als etwas Allgemeingültiges behauptet und erwiesen werden Z. Th. K. 1907 S. 188ff.; 1909 S. 57ff. Hier kann nun natürlich nicht darauf eingegangen werden, wie diese beiden Versuche einer metaphysikfreien Begründung der Religion sich zueinander verhalten. Gemeinsam haben sie auf jeden Fall zwei Voraussetzungen: Einmal ist hier wie dort die enge Ver-
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Recht und Aufgabe der Religionsphilosophie.
bindung der Religion mit dem sittlichen Gehorsam die Grundvoraussetzung des Beweises. Damit wird die Religion in Verbindung gebracht mit einem Gedanken, dessen Anerkennung als objektive Wahrheit allen Menschen zugemutet werden kann (vgl. auch „Verkehr des Christen mit Gott" S. 82f.). Andererseits gilt weiter, hier wie dort, auch das, was Herrmann schon in EWS. sehr scharf so formuliert h a t : Die einzige gemeinsame theologische wie philosophische Aufgabe sei die Scheidung der praktisch bedingten Überzeugungen, in deren Bereich die eigentlich theologischen Probleme liegen, von dem Gebiet des theoretischen Erkennens. Jede Philosophie, die mehr leisten wolle, betreibe nur unter anderem Namen das Geschäft der Theologie, das nun einmal außerhalb der besonderen religiösen Gemeinde nicht gelingen könne. Umgekehrt sieht darum Herrmann in der Kantischen Scheidung der theoretischen Erkenntnis und der sittlich bedingten Überzeugung den Freibrief für die aus den Fesseln philosophischer Anschauung erlöste Theologie (Vorwort S. IX). 3. Kritische Begründung der Notwendigkeit der Religionsphilosophie. Wenn es sich nun weiter darum handelt, die unter 2. skizzierte Gedankenreihe Herrmanns kurz zu beurteilen, um dadurch das allgemeine Problem der Religionsphilosophie herauszuarbeiten, so kann ich für meine Person zunächst nur von ganzem Herzen dem zustimmen, was Herrmann über das Verhältnis von Religion und religiösen Vorstellungen ausführt. Auch meiner Auf-
Begründung der Notwendigkeit der Religionsphilosophie.
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fassung nach muß das allerdings die Grundlage eines sachentsprechenden Verständnisses der Religion bleiben, daß wir uns darüber ganz klar sind: Religion als Leben aus Gott ist etwas ganz anderes als die Aneignung irgendwelcher an und für sich noch so wahrer und berechtigter religiöser Vorstellungen und kommt nicht durch solche Aneignung zustande, auch wenn diese nicht nur in Unterwerfung unter eine äußere Autorität erfolgt, sondern in vernunftgemäß begründeter Überzeugung. 1 Das aber muß naturgemäß maßgebenden Einfluß ausüben auf die Fassung der dogmatischen Aufgabe. Nicht nur ist von hier aus selbstverständlich jede lehrgesetzliche Auffassung der Bibel und des Dogmas für jeden bewußt evangelischen Standpunkt ausgeschlossen, sondern ebenso müssen auch alle Versuche als nicht sachentsprechend beurteilt werden, die darauf hinausgehen, in der Dogmatik die im Glauben oder in der persönlichen Überzeugung des Christen lebendigen Gedanken als die normative Lehre für die evangelische Kirche darzulegen. Denn „die religiösen Gedanken entstehen bei jedem aus den besonderen Erlebnissen, die gerade ihm die wichtigsten sind und die eigentümliche Art seines inneren Lebens ausmachen. Wenn er sich also durch eine Dogmatik normative Gedanken aufhalsen läßt, so wird er gerade dem entfremdet, woraus er allein die ihn leitenden Gedanken gewinnen darf, der Quelle seines religiösen Lebens, die immer in ihm 1
Vgl. m e i n e n Aufsatz: Johannes Müller und die Theologie, Z. Th. K. 1909 S. 280 ff.
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allein gegebenen Erlebnissen rauscht"; ja die Gefahr ist, „daß er die bescheidenen Anfänge eigenen geistigen Besitzes verkommen läßt, um einen geistigen Eeichtum in Besitz zu nehmen, der ihm nicht gehört" (Herrmann, „Christlich protestantische Dogmatik" in „Kultur der Gegenwart" 1. Aufl. S. 616f.). Natürlich kann ein Mensch innerlich geklärt werden, wenn er mit den Gedanken zusammentrifft, in denen sich der Glaube der Apostel ausspricht. „Er eignet sich dann diese Gedanken wirklich innerlich an, wenn ihm deutlich wird, daß in ihnen herrlich klar wird, was auch bei ihm vorhanden ist, aber in vieler Verworrenheit stecken bliebe, wenn ihm nicht solche Hilfe käme . . . Das ist die Erfahrung, die die Christen immer wieder an der Heiligen Schrift machen und durch die die evangelische Kirche genötigt wird, diese Überlieferung zu den Grundlagen ihrer Gemeinschaft zu rechnen" (S. 618). Aber eben deshalb dürfen diese Gedanken nicht als normative Lehre gegeben werden, die der Christ sich anzueignen hat. Denn damit würde ihnen gerade ihre Eigenart genommen. Die der evangelischen Kirche nötige normative Lehre liegt also überhaupt nicht in den Gedanken des Glaubens, sondern in dem Verständnis des Glaubens selbst (S. 618ff.), und dort, wo die Gedanken des Glaubens dargestellt werden, muß dies immer so geschehen, daß sie eben als Gedanken des Glaubens verständlich werden im Zusammenhang mit seinem unmittelbaren Leben. Man vergleiche als Beispiel dafür nur Herrmanns außerordentlich gedanken- und lehrreichen Aufsatz „Der Widerspruch im religiösen Denken und seine
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Bedeutung für das Leben der Religion" Z. Th. K. 1911 S. l f f . Von hier aus ist es aber auch sehr wohl verständlich, daß es auf Herrmann offenbar keinen sehr großen Eindruck macht, wenn man von der Philosophie sehr viel für Religion und Theologie erwartet oder wenn gar Theologen wie W o b b e r m i n in seinem Buche „Theologie und Metaphysik" die Dogmatik mit Metaphysik durchdringen wollen, weil die in und mit dem Glauben gegebene Erkenntnis und Gewißheit zwar freilich etwas schlechthin anderes sei als die durch wissenschaftliche Forschung gewonnene Erkenntnis, also nicht bewiesen, sondern nur im Glauben erfahren und erlebt werden könne, weil aber andererseits die Theologie als Wissenschaft vom christlichen Glauben in ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung dieses Glaubens doch nur solche Begriffe verwerten dürfe, die wissenschaftlich berechtigt und anerkannt seien. Sonst sei die theologische Wissenschaft nicht befugt, jene Gewißheit des Glaubens in einem dogmatisch-theologischen Satz auszuprägen und in ihr dogmatisch-theologisches System einzufügen a. a. 0 . S. 116ff., 225f. u. ö. Gewiß ist dabei Wobbermin ohne weiteres zugegeben, daß nur auf die Art dogmatische Sätze geprägt und ein dogmatisches System gewonnen werden können, die sich sozusagen auch vor der Philosophie sehen lassen können. Aber die Frage ist nur, ob damit wirklich die H a u p t a u f g a b e der Dogmatik und fügen wir gleich hinzu, der Apologetik getroffen ist oder ob nicht auf die Art vielmehr nur zu leicht gerade die allererste und allerwichtigste Aufgabe zu kurz kommt,
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die religiösen Gedanken als solche zu entwickeln und darzustellen, d. h. also von ihrem Ursprung aus und in ihrem Zusammenhang mit dem Leben des Glaubens, in dem sie allein ihren spezifisch religiösen Gehalt gewinnen und ihr religiöses Recht behaupten können. Statt dessen wird hier eine religiöse Weltanschauung entwickelt und zur Aneignung dargeboten, die an und für sich sehr gut und richtig sein mag, die aber doch niemals schon Religion ist und an und für sich zur Religion führt. Kurzum, es liegt hier eben jene andere oben schon abgewiesene Auffassung von der Dogmatik zugrunde, die auch dort, wo sie der lehrgesetzlichen Auffassung den Krieg erklärt, doch auf jeden Fall normative Lehre bieten will.1 Oder wen diese allgemeinen Erwägungen nicht überzeugen, der halte nur einmal nebeneinander, wie sich Wobbermin (a. a. 0 . S. 228f.) und wie sich Herrmann (Z. Th. K. 1911 S. 8ff.) mit Luthers Satz auseinandersetzen: Pugnat ex diametro dei omnipotentia cum nostro libero arbitrio. Wobbermin begründet seinen Widerspruch gegen diesen Satz damit, daß jene Auffassung von der Allmacht Gottes zurückgehe auf den unzulänglichen, unterchristlichen Gottesbegriff, wie er in der Definition Gottes als der simplicissima essentia spiritualis infinita sich zusammenfaßt. Aber die ganze Schwierigkeit wird nach ihm gehoben, wenn man die Bestimmung des Wesens und ebenso dann der Eigenschaften Gottes nicht freier Konstruktion, sondern der christlichen Offenbarung entnimmt. Dann 1 Vgl. dazu m e i n e n Aufsatz: Zum Problem der Dogmatik Z. Th. K. 1910 S. 475 ff.
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ergibt sich als Wesen Gottes die absolute Persönlichkeit, und auf Grund dieser Wesensbestimmung wird die Allmacht dahin zu begrenzen sein, daß Gott alles kann, was seinen Zwecken dient. Und damit kollidiert dann die Behauptung der menschlichen Willensfreiheit nicht (S. 229). Herrmann dagegen legt in seinem Aufsatz allen Nachdruck darauf, aufzuweisen, wie und unter welchen Bedingungen der Gedanke der göttlichen Allmacht — und ebenso dann auch der religiöse Gedanke der sittlichen Freiheit — im frommen Menschen entsteht und welchen Sinn er für ihn hat, und findet darin ihre gegenseitige Abgrenzung. Wir brauchen aber m. E. nur zu fragen, welcher von beiden Theologen mit seinen dogmatischen Erörterungen uns Praktikern eine wirkliche Handreichung für die Verkündigung gibt und auch für eine Apologetik, die nicht bloß interessante Aufklärung bieten, sondern das religiöse Leben selbst befruchten will, und ich glaube, die Antwort darauf kann gar nicht zweifelhaft sein. Damit soll aber durchaus nicht bestritten werden, daß auch die von Wobbermin aufgenommene Problemstellung ihren Wert und ihre Berechtigung hat, und hier muß ich nun über Herrmann hinausgehen. Gewiß, das mag noch einmal in Anknüpfung an das eben entwickelte Beispiel ausdrücklich betont werden: F ü r d e n r e l i g i ö s e n M e n s c h e n ist damit genug getan, wenn ihm aufgezeigt wird, wie beide Gedanken, der Gedanke der absoluten Abhängigkeit von Gott und der Gedanke der sittlichen Freiheit, im religiösen Leben selber entstehen und erst miteinander dessen vollen Gehalt zum Aus-
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druck bringen; f ü r die D o g m a t i k , mit ihrer letztlichen Abzweckung auf die Regelung der religiösen Beeinflussung und Seelenführung, ist also die dringlich notwendige Aufgabe gelöst, sowie dieser Nachweis gelungen ist. Wie dann das Nebeneinander der beiden Daten zu denken ist und ob sich hierüber überhaupt etwas ausmachen läßt, das hat für den religiösen Menschen als solchen keine primäre Bedeutung; genug, daß er nur über das „Daß" die Gewißheit besitzt, die eben das religiöse Denken selber ihm vermittelt und bestätigt. Aber so sehr ich also von hier aus Herrmanns dogmatische Position zu verstehen und zu würdigen vermag, — auch auf diesem Standpunkt bleibt doch die Frage, ob damit wirklich gegeben ist, daß hier nun d a s D e n k e n ü b e r h a u p t abzuschließen habe und daß es mindestens überflüssig, wenn nicht töricht sei, r e i n t h e o r e t i s c h den Problemen weiter nachzugehen. Und hier, scheint mir, wird nun zunächst und vor allen Dingen d a s p h i l o s o p h i s c h e I n t e r e s s e , wo es überhaupt als selbständiges Interesse da ist, sich durchaus nicht kommandieren lassen, auch im Theologen nicht, sondern es wird immer wieder, wenn es tief genug gräbt, auch in einer Religionsphilosophie oder wenigstens in religionsphilosophischen Versuchen sich betätigen. Es ist aber eine Einseitigkeit Herrmanns, das immer ganz zu übersehen und z. B. auch Euckens Religionsphilosophie gegenüber immer nur daran zu denken, solche Religionsphilosophie sei immer ein Hinweis darauf, daß es eine Religion gibt, die es nicht verträgt, mit ihrem Namen genannt zu werden, weil sie in sich selbst zu haltlos ist, um ein-
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fach als Religion auftreten zu können (Z. Th. K. 1909 S. 57), während doch gerade Eucken z. B. in dem Vorwort zu der 2. Auflage seines „Wahrheitsgehaltes der Religion" es ausdrücklich ablehnt, daß dieses Werk ein Werk apologetischer Art sei, es vielmehr einfach als Stück und Glied einer weiteren philosophischen Arbeit gewürdigt wissen will (S. Vllf.) 1 . Mag aber auch der Einzelne nach seiner geistigen Individualität für sich kein Bedürfnis nach solcher Philosophie haben, unmöglich kann das doch dem philosophischen Trieb als solchem die Grenzen bestimmen. Aber ich gehe nun auch noch weiter und behaupte: Auch die Theologie als solche hat ein sehr ernstes Interesse daran, sich nicht gegen solche Religionsphilosophie zu isolieren. Immer dabei natürlich vorausgesetzt, was sich erst später wird erhärten lassen, daß eine Religionsphilosophie wie die Euckens wirklich zu Recht diesen Namen in Anspruch nimmt. Als erstes möchte ich dabei zur Begründung meiner Behauptung folgendes zu bedenken geben: Gewiß ist es auch meiner Überzeugung nach ein unverkennbares und vom Standpunkt der 1
Man vergleiche dafür auch Claß „Die Realität der Gottesidee" S. 6: „Solche Kritik (wie sie nämlich die kritische Philosophie an der Theologie übt, wenn diese sich vom spekulativen Wissen auf die Erfahrungen des Glaubens zurückzieht) ficht den lebendigen Glauben wenig an, er ist seiner Sache unmittelbar gewiß. Daher ist es ganz ausgeschlossen, daß man ihm etwa von Seiten einer positiv gesinnten Philosophie zu Hilfe kommen sollte. Er bedarf solcher Hilfe ganz und gar nicht. Aber eine andere Frage ist die, ob die in unserer Zeit wieder aufgelebte Kantische Wendung mit ihrem Verzicht auf Gott das letzte Wort der P h i l o s o p h i e ist."
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Religion aus gar nicht genug zu dankendes Verdienst Herrmanns, wenn er sich so energisch gegen den Aberglauben wendet, als könne dem Leben des Glaubens durch philosophische Aufklärung oder auch durch metaphysische Einsichten aufgeholfen werden. Wo das versucht wird, da wird in der Tat die Religion nur verdorben oder mindestens gar nichts für sie erreicht. Aber mir scheint nun, eine unvoreingenommene Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse unseres Volkslebens darf dabei doch auch das andere nicht übersehen, was es dabei tatsächlich f ü r eine V o l k s k i r c h e als den Mutterboden selbständigen religiösen Lebens ausmacht, ob sie in einer von christlichen Vorstellungen gesättigten Luft ihr Dasein hat oder ob durch vermeintliche Ergebnisse der Wissenschaft diesen Vorstellungen im Bewußtsein weiter Volkskreise einfach der Boden entzogen ist. Für viele, namentlich aus der Schicht der Intellektuellen und namentlich wieder in dem, wie mir scheint, fast überall vorwiegend intellektuaüstisch gerichteten Alter der grundlegenden geistigen Entwicklung, fällt damit zweifellos gerade in den kritischen Jahren aller Anlaß fort, sich ernstlich um die Religion zu kümmern, und wie schwer wird später nachgeholt, was hier versäumt worden ist! — Nun ließe sich ja dagegen einwenden, daß das doch auf jeden Fall nur so lange der Fall sei, als nicht Christengemeinden einfach durch ihr ganzes Sein und Leben solche Irregegangenen zur Besinnung führten; es komme also alles darauf an, solche Christengemeinden zu schaffen, statt sich auf Nebenwege zu verlieren. Tatsächlich glaube ich auch, daß damit dem Christentum seine alle anderen
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weit überragende Hauptaufgabe gewiesen ist, daß also jener Argumentation eine große Berechtigung nicht bestritten werden kann. Aber als Praktiker müssen wir doch mit den Verhältnissen rechnen, nicht wie sie sein sollten und, will's Gott, auch durch unsere Mitarbeit nach und nach werden sollen, sondern wie sie tatsächlich in der Gegenwart sind, und damit kann ich nur die andere Folgerung aus den Tatsachen ziehen, daß es auf jeden Fall für den Theologen gut, ja geboten ist, daß er auch in diesen Fragen philosophischer Weltanschauung möglichst Bescheid weiß und den Zusammenhang mit der geistigen Lage aufrechterhält, um sich dadurch einmal persönlich auch bei den Intellektuellen einen gewiß anders gar nicht zu gewinnenden Kredit zu schaffen und um zugleich auch sachlich in einer überlegenen Beherrschung der einschlägigen Fragen Wege für eine unmittelbar religiöse Beeinflussung zu bahnen, die dieser ohne solche Vermittlung einfach nicht zur Verfügung stehen. Das heißt aber: auch die theologische Wissenschaft wird hier, wenn anders sie uns Praktikern dienen will, Aufgaben für sich anerkennen müssen, auch wenn sie ganz genau weiß, daß hier nicht ihre Hauptprobleme und Hauptaufgaben liegen.1 1
Daß auch die geschichtliche Bedingtheit unserer theologischdogmatischen Lage und die praktische Abzweckung auf die Ausbildung künftiger Kirchendiener, die eben einer geschichtlich gewordenen und bedingten Gemeinschaft dienen sollen, ähnliche Erwägungen nahelegen, sei nur anmerkungsweise erwähnt. Denn das Dogma, das zum mindesten unter diesen Gesichtspunkten keine Theologie einfach überspringen kann, ist doch nun einmal nicht
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Aber dazu kommt auch noch ein Anderes, Wichtigeres : Erst recht wird solche philosophische Arbeit auf rein religiöse Motive zurückzuführen, sondern immer zugleich mit mancherlei rein philosophischen Fragestellungen verwachsen. So wäre es also für die Dogmatik als empirische Einzeldisziplin der theologischen Wissenschaft und nicht als abstraktes wissenschaftliches Ideal die Hauptkunst und -aufgabe, diesen mehr philosophischen Aufgaben als Nebenaufgaben zu genügen, ohne deshalb ihre Hauptaufgabe und Hauptabzweckung jemals aus dem Auge zu verlieren oder sich hier gar die Maßstäbe verschieben zu lassen. Wenn ich •—• in aller Bescheidenheit — zur Illustrierung meiner Meinung ein Beispiel bringen darf, so würde ich mir also etwa den locus de deo von hier aus folgendermaßen denken: Auszugehen wäre von der historisch darzustellenden altkirchlichen Gotteslehre, in der Fassung der altprotestantischen Dogmatik. Dann wäre deren weitere theologiegeschichtliche Entwicklung zu skizzieren, und zwar zunächst einmal hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt ihrer Auflösung bzw. Modifikation durch die philosophisch-theologische Kritik. Hier wäre also der Ort, zusammenfassend diese Resultate mit der heutigen philosophisch-wissenschaftlichen Gesamtlage auseinanderzusetzen und den bleibenden Ertrag für die Weltanschauungsfragen herauszustellen. Dann käme aber der Vergleich mit den grundlegenden Motiven der neutestamentlichen Frömmigkeit, wobei das Neue Testament hauptsächlich als Urkunde der grundlegenden Geschichte des Gotterlebens genommen werden müßte. Wieweit muß, daran gemessen, die dogmengeschichtliche Entwicklung bei aller ideengeschichtlichen Bedeutsamkeit doch als Fehlentwicklung beurteilt werden ? Gibt es aber nicht auch von hier aus wieder eine den grundlegenden Motiven entsprechende Geschichte, die freilich nicht immer auch nur mit der Dogmatik der ausschlaggebenden Theologen identisch wäre, die vielmehr manchmal erst hinter der Dogmatik müßte herausgearbeitet werden, die andererseits vielfach auch außerhalb der eigentlichen Dogmatik im engeren Sinne gesucht werden müßte? Schließlich würde dann damit die Aufgabe herausspringen, für die Gegenwart die beiden Fragen zu beantworten, einmal: Was bedeutet uns unter dem Gesichtspunkt der Religion als solcher Gott? andererseits — auch das gehört m. E. durchaus in die Dogmatik: Wie kommt der Mensch zum Erleben Gottes ?
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an der Religion zu einer unumgänglichen Notwendigkeit, wenn es sich für die Religion um die Wahrheitsfrage handelt. Zwar für die Dogmatik wird es genügen, wie Herrmann es will, sich auf die der Religion immanenten Gründe ihrer Gewißheit zu beschränken und also nachzuweisen, daß sie für jeden innerlich lebendigen Menschen überhaupt erst ein wahres Leben möglich macht. Denn die Voraussetzung, die dabei gemacht wird, daß der im individuellen Selbstgefühl gegebene Anspruch auf persönliches Leben und auf lebendige Selbständigkeit eine in der Tiefe der Wirklichkeit verankerte Lebensfrage darstellt, ist allerdings die conditio sine qua non für alle dogmatische Arbeit. Wo diese Überzeugung fehlt und auch nicht einmal in einer vielleicht halb unbewußten Lebenstendenz sich geltend macht, da hört alle unmittelbar religiöse Beeinflussung und alle unmittelbare Diskussion über religiöse Fragen auf, und es müssen erst andere Wege gesucht werden, um den Boden zu bereiten und die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Aber einmal darf nun doch auch für die wissenschaftlichdogmatische Arbeit nicht übersehen werden, daß auch dort, wo die letzten Prinzipienfragen nicht ausdrücklich und grundsätzlich aufgenommen werden, doch die Art ihrer — hier stillschweigenden — Beantwortung ihren Einfluß bis in alle Einzelheiten hinein erstreckt, daß also in diesem Sinne die einzelwissenschaftliche Disziplin auch dann auf jeden Fall doch von prinzipiellen Überzeugungen — oder Meinungen abhängig ist, wenn sie meint, sie beiseite lassen zu können. Und nur zu oft trifft auch für dogmatische Fragestellungen und
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Problemlösungen so das Urteil zu: „Was als Frage des Prinzips aus dem Urteilsbereich des Faches gerückt ist, kehrt an allen einzelnen Punkten mit der alten Problematik wieder und findet hier einseitige und kurzsichtige Lösungen" ( S c h e l e r , „Die transszendentale und psychologische Methode" S. 1). Aber mag sich das auch im einzelnen konkreten Fall dadurch als nicht so gefährlich erweisen, daß der Dogmatiker, der nach dieser isolierenden Methode verfährt, eine so reiche Persönlichkeit ist wie z. B. Herrmann — und das gilt natürlich auch nicht etwa bloß für Herrmann, sondern auch sonst weithin, daher denn auch Theologen vielfach den Eindruck einer starken Übertreibung haben, wenn z. B. Eucken die Gefahren einer von den allgemeinen Weltanschauungs- und Kulturfragen abgelösten Beligionsauffassung und -begründung schildert, — unter methodologischem Gesichtspunkt ist und bleibt das doch immer bloß ein glücklicher Zufall, wenn jene Gefahren vermieden werden, und zwar dadurch vermieden werden, daß die Arbeit der Einzeldisziplin oder überhaupt des einzelnen Forschers einen viel reicheren Hintergrund hat als man ihn sich selbst zum Bewußtsein bringt, und darum kann sich eine wissenschaftlich-methodologische Erörterung dabei nicht beruhigen, sondern sie muß versuchen — natürlich soweit das bei der besonderen Eigenart des geistigen Lebens überhaupt möglich ist, — sich von dem Moment des Zufälligen unabhängig zu machen: Die Dogmatik setzt die Religionsphilosophie als grundlegende Prinzipienwissenschaft voraus. Aber auch wenn man nun, ohne diese Gedanken
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weiterzuverfolgen, der Dogmatik nicht nur eine relative Selbständigkeit zugestehen, sondern sich ohne weiteres auf den Standpunkt Herrmanns stellen wollte, auch dann würde doch — auch für den Theologen als solchen — noch gelten, daß dort, wo die D o g m a t i k abbricht, nicht überhaupt das Denken aufhört, und so erwachsen von hier aus auf jeden Fall für die Aufgabe der Wahrheitsbegründung neue Probleme. Zunächst erreicht auf der Seite der Gegner der Religion der Widerspruch gegen diese ja erst dadurch seine volle Höhe, daß man die im Bewußtsein gegebenen ethischen und religiösen Daten nicht einfach übersieht oder leugnet, sondern sie durchaus, so wie sie von der Religion in Anspruch genommen werden, zunächst anerkennt, daß man aber mit Hilfe eines naturalistisch interpretierten Entwicklungsgedankens sie dann auf die Art wegzuerklären versucht, daß das, was sich heute z. B. als selbständige Innerlichkeit oder überhaupt als selbständige Geistigkeit gibt, doch als bloße Fortsetzung des Naturprozesses erwiesen werden soll, die die Zwischenglieder der eigenen Entwicklung vergessen hat und so in Selbsttäuschung über die eigene Art befangen ist. Man vergleiche dazu nur die Darstellung des naturalistischen Lebenssystems in Euckens Forschungen zur „Einheit des Geisteslebens in Bewußtsein und Tat der Menschheit". Zweifellos aber hat Eucken recht, wenn er dagegen dann auch immer wieder betont, daß zur Widerlegung solcher Behauptungen es selbstverständlich nichts helfen kann, sich auf die Tatsachen des Bewußtseins als unmittelbare Daten zu berufen. Denn „alle Evidenz, E a d e j Euekens noologische Methode.
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mit der sich einzelne Phänomene dem Bewußtsein aufdrängen, schützt nicht dagegen, daß Zerlegung und Verknüpfung das Bild weit vom unmittelbaren Eindruck entfernen" (Prolegomena S. 102f.). Was also diese Daten in Wirklichkeit bedeuten, welches Recht und welchen Geltungswert sie letztlich haben, das wird immer erst von einer Gesamtanschauung, wird zuletzt erst vom Inbegriff des Geisteslebens aus auszumachen sein. Oder wenn wir das gleich auf die Aufgabe der Religionswissenschaft und Religionsphilosophie anwenden — gewiß will auch Eucken hier durchaus nichts davon wissen, daß die Religion etwa durch Philosophie ersetzt werde. Er erkennt die Selbständigkeit und das Eigenrecht der Religion durchaus an. Vom bloßen Intellekt her ist niemand für die Religion zu gewinnen (Wahrheitsgehalt 1 S. 180f. u. ö.). Ebenso kann auch das, was Eucken die religiöse Deutung von Leben und Welt nennt, also das individuelle religiöse Leben, seiner Überzeugung nach niemals etwa in philosophische Erkenntnisse umgesetzt oder aus ihnen abgeleitet werden (a. a. 0. S. 862 ff.). Aber ebenso fest ist er davon überzeugt, daß die Begründung der Religion eine eminent philosophische Aufgabe darstellt und daß schließlich die Religion und das gesamte Geistesleben darunter leiden müssen, wenn diese 1
Vgl. dazu auch Wahrheitsgehalt, 3. Aufl. S. 342f.: „So verfechten wir mit Entschiedenheit die Möglichkeit eines religiösen Gemütslebens gegen alle Ungunst der Zeit; wie es aber mit seiner Wirklichkeit steht, und wie diese sich näher gestaltet, das gehört nicht mehr in die Philosophie. ,Bis zum Wege und zur Fahrt geht die Lehre. Das Schauen aber ist Sache dessen, der sehen will' (Plotin)."
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Aufgabe vernachlässigt oder nicht auf eine genügend breite Basis gestellt wird. Wenn aber viele heute der Verwicklung der ganzen geistigen Situation dadurch entgehen zu können meinen, daß sie die Religion unter möglichster Ablösung von der Kultur in die reine Innerlichkeit des individuellen Gefühls flüchten, daß sie sie ganz in persönliche Überzeugung und Gesinnung zu verwandeln streben und in dieser Weise gerade glauben, ihre unterscheidende Eigentümlichkeit besonders kräftig wahren und entwickeln zu können, dann mag an dieser Bewegung die Wendung zum Reinmenschlichen anzuerkennen sein. Aber eine wirkliche Lösung der hier vorliegenden Probleme gibt das nicht. „Vor allem ist die reine Subjektivität, auf die sich jene Richtung aus den Wirren des Kulturlebens wie auf einen unerschütterlichen, ja angriffsfreien Punkt zurückzieht, keineswegs so sicher, wie sie genommen wird." Die moderne Kultur läßt jene subjektive Innerlichkeit eben nicht als ein Haupt-, sondern nur als ein Nebengeschehen, eine Begleiterscheinung gelten, sie erachtet damit alles dort entwickelte Leben nicht für volle Wahrheit, sondern nur als einen Kreis subjektiver Erregung und Einbildung. „Ein besseres Recht erhärten, sich von freischwebender Stimmung ablösen und als den Kern der Wirklichkeit erweisen kann jene Innerlichkeit nur in energischer Auseinandersetzung mit der modernen Weltarbeit, nur in prinzipieller Überwindung einer immanenten und unpersönlichen Kultur. Dazu aber muß sie notwendig sich selbst fester begründen und weitere Zusammenhänge gewinnen; sie kann das nicht vom ersten Eindruck her, 3*
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sondern nur unter Umwandlung und Umkehrung des nächsten Weltbildes, sie kann es nur mit einer Wendung zur Metaphysik, einer Metaphysik freilich nicht der Schule, sondern des Lebens. Mit dem allen aber wird die Innerlichkeit auch bei sich selbst eine Klärung und Scheidung erfahren, alles bloße Pathos abstreifen, mehr feste Substanz gewinnen." „Zugleich wird auch die Kultur für uns etwas anderes als jenem Subjektivismus. Mit aller Energie bekämpfen wir eine Spaltung des Lebens in subjektive Religion und seelenlose Kultur. Die Kultur als Arbeit an der Welt ist keineswegs bloß eine Außenseite des Lebens, sie gehört zu unserem Wesen" (Wahrheitsgehalt S. 47 ff.). Weiter ist damit nun aber auch schon gegeben, daß Eucken — und wir stimmen ihm darin unbedingt zu — sich nicht damit zufrieden geben kann, wenn man gegen die Einwürfe der theoretischen Vernunft sich auf das Sonderreich und Sonderrecht der praktischen Vernunft zurückzieht. Er muß es vielmehr für ein verfehltes Unternehmen erklären, aus den Zusammenhängen der Denkarbeit in ein den Gefahren, zugleich aber auch den Leistungen des Denkens entzogenes Gebiet zu flüchten. „Denn das Denken nehmen wir überallhin mit; wir können jenen Gefahren nicht ausweichen, sondern sie nur überwinden. So gibt es in Wahrheit nicht eine besondere theoretische und eine besondere praktische Vernunft; denn die Vernunft ist stets Sache des ganzen Menschen und in sich selbst wesentlich Eins. Die Voranstellung der praktischen Aufgabe vor der theoretischen aber mag ein gutes Recht in dem Sinne
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haben, daß in den spezifischen Erfahrungen des Menschengeschlechts sich uns die Wirklichkeit tiefer erschließt als in den Vorgängen des weiten Alls; sowie auch in dem andern, daß in den großen Gegensätzen des Daseins die Entscheidung des Menschen erstwesentlich aus eigener Tat seines gesamten Wesens erfolgen muß, nicht durch theoretische Auseinandersetzung erzwungen werden kann; die Errichtung eines Sonderreiches aber außerhalb der Gedankenarbeit und ihrer Konzentration in der Wissenschaft ist nicht nur als eine Spaltung des Daseins abzuweisen, sondern es muß der Versuch, gegen die Wissenschaft selbständig zu werden, schließlich ein Zurücksinken hinter den Stand der Wissenschaft bewirken" (Einheit S. 495).
II. Die Notwendigkeit einer besonderen noologischen Methode. 1. Religionsphilosophie und Psychologie. In den bisherigen Erörterungen hat sich uns die Begründung der Religion als die Hauptaufgabe der Religionsphilosophie ergeben. Welche Methode dazu brauchbar ist, darüber läßt sich natürlich endgültig erst befinden, nachdem diese Aufgabe selbst noch genauer bestimmt worden ist, oder mindestens im Zusammenhang mit dahingehenden Untersuchungen. Aber auch davon abgesehen läßt sich einstweilen doch wenigstens schon das Eine ausmachen, daß auf jeden Fall die psychologische Methode für die Aufgabe der Religionsphilosophie nicht ausreicht. Damit soll durchaus nicht in Frage gestellt werden, daß die Psychologie, speziell die Religionspsychologie ihre große Mission hat für die Religionswissenschaft und speziell auch für die Theologie. Für die Dogmatik habe ich vielmehr in meinem Aufsatz „Zum Problem der Dogmatik" Z. Th. K. 1910 475 ff. selbst diese Forderung erhoben — wenn es auch erst einer besonderen Untersuchung bedürfte, um genau zu umgrenzen, in welchem Sinne hier die Psychologie für
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die verschiedenen Einzelaufgaben zu verwenden ist und welcher Ergänzung sie eventuell für bestimmte Aufgaben bedarf; — und so kann ich auch weithin den allgemeinen programmatischen Ausführungen zustimmen, die V o r b r o d t im selben Hefte dieser Zeitschrift in seinem Aufsatz „Stellung der Religionspsychologie zur Theologie" S. 481 ff. gibt1. Nur muß dabei zunächst immer schon das vorausgesetzt bleiben, daß über die Wahrheitsfrage, also über die Begründung der Religion die Psychologie von sich aus nichts entscheiden kann, wie denn auch Yorbrodt für sich zugesteht, daß er mit seiner Forderung der Psychologie als der grundlegenden Disziplin für Religionswissenschaft und Theologie von der Voraussetzung ausgehe, „daß die christlichen Seelentatbestände latent die Wahrheit in sich bergen und daher keine» besonderen Wahrheitsbeweises bedürfen" a. a. 0. S. 439. Wenn also wie in der Religionsphilosophie mit innerer Notwendigkeit diese Voraussetzung nicht ohne weiteres hingenommen werden kann, sondern selbst erst zum Gegenstand der Untersuchung und Begründung gemacht werden muß, dann werden wir damit auf jeden Fall und unbedingt über die bloße Psychologie hinausgewiesen: Die Erörterung der Wahrheitsfrage wie überhaupt so 1
Ganz besonders erinnere ich hier auch an den Aufsatz R i t t e l meyers: „Psychologie und Religionswissenschaft", Chr. W. 1908 S. 122ff., 146ff. Ob R i t t e l m e y e r und ich uns ganz verständigen würden über das Verhältnis von Psychologie und Religionsphilosophie, ist mir zwar nicht ganz sicher; aber was R i t t e l m e y e r über die Bedeutung der Psychologie für die Dogmatik und für die religiöse Praxis ausführt, ist m. E. außerordentlich wertvoll und verdient die weiteste Beachtung.
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auch für die Religion erfordert andere geistige Werkzeuge als sie der Psychologie zu Gebote stehen. Aber das Problem greift nun auch noch tiefer. Weiter muß gefragt werden, wieweit die Psychologie für sich allein und mit ihren wissenschaftlichen Mitteln auch nur die grundlegende quaestio facti abschließend erledigen kann, und hier beginnt, soviel ich sehe, erst die eigentliche Diskussion, während für jene Abgrenzung gegenüber der quaestio iuris eine Verständigung im allgemeinen wohl nicht allzu schwer ist: Auch Theologen wie T r ö l t s c h und W o b b e r m i n , die für die Erörterung der Wahrheitsfrage beide erkenntnistheoretische Untersuchungen verlangen und überhaupt stark religionsphilosophisch interessiert sind, wollen doch die Psychologie wenigstens zur Grundlegung für die erkenntniskritische Aufgabe anerkannt wissen, so daß die Aufgabe der Religionsphilosophie für sie also in einer — bei beiden wieder verschieden gefaßten — Kombination von Psychologie und Erkenntnistheorie gelöst werden soll. Speziell W o b b e r m i n hat erst kürzlich in seinem Vortrag auf dem Weltkongreß für freies Christentum und religiösen Fortschritt der Religionspsychologie die Aufgabe zugewiesen, daß sie in der Mitte stehe zwischen der religionshistorischen Forschung und zwischen der abschließenden Religionsbeurteilung, mag man diese in einer theologischen Dogmatik oder in einer reinen Religionsphilosophie suchen, und daß sie also sachlich ©ine Vermittlung zwischen beiden vorbereite und damit die Basis herstelle für eine religionswissenschaftliche Metaphysik („Aufgabe und Bedeutimg der Religions-
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Psychologie", Sonderdruck S. 6f., 19). Aber auch für Tröltsch ist das einfach grundlegende Voraussetzung aller seiner Urteile über Religionsphilosophie, daß die moderne Religionswissenschaft auf jeden Fall die Untersuchung der Religion als eines Bewußtseinsphänomens bedeute und darum in allererster Linie auf psychologische Analyse des Bewußtseins angewiesen sei. Man vergleiche dafür besonders seine Abhandlungen „Religionsphilosophie" in „Die Philosophie im Beginn des 20. Jahrhunderts", Festschrift für Kuno Fischer I S. 104 ff., „Psychologie und Erkenntnistheorie in der Religionswissenschaft", „Wesen der Religion und der Religionswissenschaft" in Kultur der Gegenwart I 4 S. 462 ff. Aber auch hiermit ist nun meinem Urteil nach die Leistungsmöglichkeit der Psychologie immer noch überschätzt, wenn wenigstens das hier vorliegende Problem gleich bestimmt genug gefaßt wird. Denn dann handelt es sich natürlich nicht darum, ob die psychologische Analyse überhaupt irgendwie zu Hilfe kommen könne, wenn das Wesen der Religion in ihrer vollen geistigen und seelischen Wirklichkeit untersucht oder womöglich gar ein erschöpfendes System der Religionsphilosophie geschaffen werden soll. — Diese Frage wird kaum irgend jemand verneinen, wenn auch über das Maß der Berücksichtigung der Psychologie die Meinungen auseinandergehen werden. — Vielmehr muß hier für unsere prinzipiell methodologische Erörterung gleich so gefragt werden: Kann die Psychologie einfach mit den wissenschaftlichen Methoden, die sie sonst zur Erforschung des empirischen Seelenlebens anwendet, und ohne Er-
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gänzung durch andere oder ohne Einordnung in größere Zusammenhänge wirklich die Basis für alle erkenntniskritische Untersuchung abgeben? Mit anderen Worten: Entspricht es tatsächlich der Wirklichkeit, daß also die Psychologie für sich allein auf jeden Fall zeige, was Religion ist, und daß die erkenntniskritische Erörterung dann nur die Aufgabe habe, das, was die Psychologie ihr als thema probandum zuweist, in seinem Wahrheitsanspruch zu erhärten oder zu widerlegen? Sowie ich mir aber das Problem so vergegenwärtige, so macht mich zunächst schon das sehr bedenklich, daß auf die Art von vornherein nur das allen Religionen Gemeinsame zum Thema des Beweises genommen werden kann. Sonst würden ja schon vorher Wahrheitsfragen in die Analyse mit eingeführt und damit die Mittlerstellung der Religionspsychologie zwischen geschichtlicher Religionsforschung und zwischen abschließender Religionsbeurteilung zerstört. Entspricht das aber z. B. dem Wahrheitsanspruch des Christentums? Oder soll die psychologische Analyse etwa ja wohl als Transszendentalpsychologie den eigentlichen Sinn religiöser Vorstellungen möglichst scharf und präzis herausstellen (Wobbermin a. a. 0. S. 9), aber nur dann nicht, wenn er in den höheren Religionen das allgemeine Durchchnittsniveau überragt ? Oder muß hier von allen Unterschieden zwischen höheren und niedrigeren Stufen abgesehen werden und gilt es nur eine allgemeine Formbestimmtheit herauszuheben, die in allen religiösen Phänomenen dieselbe ist bei aller Verschiedenheit des Inhalts, ja die sie erst zu religiösen Erscheinungen macht (Tröltsch) ?
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Aber ist es wirklich möglich, so zwischen Form und Inhalt zu scheiden? und wird damit vor allen Dingen wieder das Interesse der höheren Religionsstufen gewahrt1? Kurz und gut: es sind Fragen über Fragen und zwar für die Eeligionsphilosophie sehr wichtige Fragen, die sich hier aufdrängen und die auf jeden Fall alle nicht von der bloßen Psychologie aus erledigt werden können. Aber auch wer die hier erwachsenden Bedenken nicht anerkennt oder wer meint, etwa wie Tröltsch durch Unterscheidung von latenter und aktueller Religion und also durch die Theorie der Aktualisierung des religiösen apriori und durch die Ergänzung der Erkenntnis1 Sehr lehrreich für diese letzt« Frage sind die Ausführungen, in denen S c h e l e r in seinem schon oben erwähnten Buche „Die transszendentale und die psychologische Methode" den formalen Charakter der Erkenntnisprinzipien der transszendentalen Methode kritisiert. Sehr richtig weist er hier darauf hin, daß überhaupt Form und Inhalt relative Begriffe sind. „Selbst ein Anhänger der transszendentalen Methode wird z. B. zugeben müssen, daß die transszendentalen Erkenntnisprinzipien gegenüber den Denkgesetzen der formalen Logik inhaltlich bestimmt sind." Aber ebenso ist es auch sonst mit allen Grundprinzipien der Wissenschaft; ebenso auch mit dem Sittengesetz, dessen vermeintlich formaler Charakter in Wirklichkeit schon eine ganz bestimmte und insofern inhaltliche Seite des sittlichen Lebens verabsolutiert, wenn in das Zentrum der Ethik die G e s e t z l i c h k e i t des Verhaltens überhaupt gestellt wird. Darum läßt sich nun aber für das theoretische und praktische apriori — und ebenso natürlich auch für das religiöse — nachweisen, daß es immer einerseits zu wenig formal, zu reich an Inhalt ist, um mit seiner Voraussetzung alle mögliche Erfahrung zu erklären, andererseits zu sehr formal und zu arm an Inhalt, um angewandt werden zu können. „Haltlos schwebt es — sozusagen — zwisohen Schatten und Leben" S. 71 ff.
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kritik durch Geschichtsphilosophie mit ihnen fertig zu werden, der muß sich dann doch immer noch die noch tiefer greifende Frage gefallen lassen, ob denn die Psychologie als selbständige wissenschaftliche Methode überhaupt fähig ist, für sich und ohne irgendwelche Ergänzung oder Unterbauung, das substantiell geistige Leben — und damit eine Religion des Geisteslebens — in seiner ganzen Struktur und Realitätsform zu erfassen. Denn das ist ja doch gerade das Hauptcharakteristikum alles echtgeistigen Lebens, daß es nicht in seelischer Zuständi g k e i t aufgeht, sondern daß es immer zugleich allem bloß seelischen Sein überlegene sachliche Zusammenhänge entfaltet. Das aber wird übersehen, wenn geistige Wirklichkeit und psychisches Sein so nahe zusammengerückt wird, wie es z. B. Wobbermin tut, wenn er die Erkenntnis des Wertes der Persönlichkeit auf die Erkenntnis der Eigenart und des Eigenwertes des psychischen Lebens gegenüber dem physischen Sein zurückführt („Theologie und Metaphysik" S. 6f.). Vergleiche auch ebenda: „Die antike Philosophie hatte den Begriff der Persönlichkeit im strengen Sinne des Wortes nicht gekannt, und das nicht, weil sie die Eigenart des psychischen Lebens nicht erkannt, also den Begriff des Bewußtseins nicht erfaßt hatte." „So ist die Herausstellung und Wertung des Begriffs der Persönlichkeit bedingt durch die Erkenntnis und Wertung der Eigenart des Bewußtseins" S. 7. In allem dem kommt doch eben die, wie Eucken sagt, pragmatische Seite des Geisteslebens, hier im Begriff der Persönlichkeit, neben der funktionellen nicht genügend zu ihrem Recht. Wenigstens der Mög-
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lichkeit nach gilt das aber ebenso auch dafür, wenn die Aufgabe der Religionsphilosophie von vornherein und prinzipiell bestimmt wird als die Aufgabe einer Untersuchung der Religion als eines Bewußtseinsphänomens. Aber vielleicht wird man uns hier nun entgegenhalten: Aber dieser Anspruch der geistigen Daten, der freilich nicht aus der bloßen seelischen Zuständlichkeit abgeleitet werden kann, sondern auf überempirische Zusammenhänge hinweist, wird doch mindestens nachträglich auch ein Bestandteil des Bewußtseins, sofern er eben in das bewußt-menschliche Leben eingeht, und so muß er also durch Bewußtseinsanalyse, d. h. aber durch Psychologie wenigstens konstatiert werden können; und weiter wollen wir selbstverständlich nichts, wenn wir im Zusammenhang mit der Religionsphilosophie von Psychologie reden. Aber auch wenn das nun als Sinn der Forderung einer psychologischen Grundlegung genommen wird, auch dann dürfte auf jeden Fall, um die Tragweite der psychologischen Methode wirklich sachentsprechend abzugrenzen, zunächst schon die Frage nicht übersehen werden, ob denn überhaupt immer und unter allen Umständen das, was in das Bewußtsein eingeht, die letzten Tatbestände rein und restlos zum Ausdruck bringt, und schon die meines Ermessens unvermeidliche Verneinung dieser Frage müßte dem Anspruch der Psychologie widersprechen, die quaestio facti von sich aus endgültig und abschließend zu erledigen; die psychologische Analyse des Bewußtseins würde vielmehr nur gleichsam als nächste gewiß nicht zu verachtende, aber auch nicht abschließende Wegweisung zu
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nehmen sein. Aber auch davon abgesehen gilt nun auch für die Religion, was Scheler in seinem mehrfach erwähnten Buch denselben Problemen gegenüber für die Begriffe „Staat" und „Kunst" ausgeführt hat: „Niemals würde derjenige, welcher die Bewußtseinstatsachen aller einzelnen Individuen bis in die letzten Elemente analysierte, dabei ,den Staat' oder ,die Kunst' usw. vorfinden, wenn er diese Begriffe in ihrem über alles psychische Individualleben übergreifenden Sinne samt dem Recht dieses Sinns nicht schon voraussetzte. Dies heißt nicht im entferntesten behaupten, .Staat' und ,Kunst' usw. führten außerhalb aller Einzelbewußtseine ein mystisches Dasein; wir gestehen vielmehr aufs bereitwilligste zu, daß ein fingierter Psychologe, der als Pendant des Laplaceschen Geistes das Seelenleben aller Individuen bis auf die letzten Elemente hin durchdränge, in diesem Chaos von seelischem Sein auch die seelischen Fundamente dessen, was wir ,Staat' und ,Kunst' nennen, mit im Geiste hätte. Aber wir bestreiten, daß er irgend einen Anlaß hätte, gerade denjenigen Teil dieses Seins, den wir mit , Staat' oder ,Kunst' bezeichnen, in diese einheitlichen Begriffe zusammenzufassen. Dieser Teil fände sich für ihn doch immer nur als die Summe von in die verschiedensten Zusammenhänge verlagerten Petzen vor, deren Loslösung aus ihren verschiedenen psychischen Verbindungen und deren zusammenfassende Vereinheitlichung zu einem Begriffe ohne die Voraussetzung der Gültigkeit jener synthetischen Begriffe ein pures Nonsens wäre" S. 168 f.; vgl. überhaupt a. a, O. S. 160ff. Mag nun aber auch für die einzelwissenschaftliche
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Untersuchung der Religion genügen, die hier leitenden Begriffe im allgemeinen als gültig vorauszusetzen und sich im einzelnen auf den im Umgang mit dem Objekt erworbenen historischen und psychologischen Takt zu verlassen, dem ja tatsächlich die historische Theologie und damit die Theologie überhaupt Großes verdankt —, für die R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e ist es doch unmöglich, sich darauf zurückzuziehen. Denn als einer philosophischen Disziplin liegt ihr gerade die Aufgabe ob, die sonst stillschweigend hingenommenen Voraussetzungen zum Problem zu machen, und je bewußter, je umfassender und prinzipieller sie das tut, desto mehr hat sie Aussicht, ihre Aufgabe einer befriedigenden Lösung näher zu führen. Und darum stimmen wir eben E u c k e n zu, wenn er schreibt: „So gewiß die Bewegungen der Geisteswelt ihre Wirkungen in die seelische Lage hineinerstrecken, sie entspringen nicht hier und lassen sich von hier aus weder begründen noch rein darstellen. . . . Darum heißt die Moral oder die Religion letzthin auf den Boden der Erfahrungspsychologie stellen, bei ihnen sowohl auf eine der subjektiven Sphäre überlegene Realität als auf einen Geistescharakter verzichten. Sollen sie nicht leere Traumbilder oder subjektive Ergötzungen bleiben, so müssen sie in den Zusammenhängen der geistigen Tatwelt ihre Notwendigkeit begründen und ihre Wirklichkeit erweisen" (Einheit S. 813). Mit anderen Worten: Mag die Psychologie in der Ausgestaltung des Systems und in der Arbeit an den Einzelproblemen von der allergrößten Bedeutsamkeit sein — wir werden darauf bei der Darstellung der Euckenschen Religionsphilosophie
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an den einzelnen Punkten noch zu sprechen kommen —, für die Grundlegung der Religionsphilosophie muß auf jeden Fall an die Methode im Gegensatz zu der bloßen Psychologie die Forderung gestellt werden, daß sie schon bei der Festlegung des Tatbestandes sich nicht auf die bloße seelische Zuständlichkeit beschränkt, sondern daß sie von vornherein sich als tauglich erweist, die Religion als eine Erscheinung des geistigen Lebens zu erfassen, wie dieses Funktion und sachliche Leistung, seelische Betätigung und Setzung und Entfaltung eines Sachverhalts mit eigentümlichem Sinn und eigenen Ordnungen in einem Akte umfaßt 1 . 2. Die Schranken der transszendentalen Methode. Aber kann nun nicht vielleicht die t r a n s s z e n d e n t a l e M e t h o d e , die — auf dem Boden Kants — das ausgesprochene Gegenstück der psychologischen Methode ist, das leisten, was die Psychologie vermissen ließ, so daß wir also nicht erst nach einer neuen Methode noch auszuschauen brauchten? Es gibt genug Theologen, 1 In der eben erschienenen neusten (4. und 5.) Auflage seiner „Hauptprobleme der Religionsphilosophie der Gegenwart" hat auch E u c k e n selbst in Ausführung schon immer von ihm vertretener Gedanken einen Anhang hinzugefügt: „Religionsphilosophie und Religionspsychologie", S. 171 ff. Darin erkennt er ganz in Übereinstimmung mit der oben entwickelten Auffassung unter besonderem Hinweis auf William J a m e s „Die Mannigfaltigkeit der religiösen Erfahrung" der Religionsphilosophie zunächst als einem neuen reichhaltigen Forschungsgebiet durchaus einen hohen Wert zu. Ebenso stellt er fest, daß sie wie die religiöse Praxis, so auch das Problem des Wahrheitsgehaltes der Religion in förderlichster Weise unterstützen kann, — wenn sie sich mit der
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die so urteilen. Ich erinnere hier nur an T r ö l t s c h , auf dessen Religionsphilosophie dann noch genauer einzugehen sein wird. Aber ich glaube doch nicht, daß sich wirklich hierbei abschließen läßt. Denn mag auch auf dem Boden der Transszendentalphilosophie das Problem kritischer Wahrheitsbeurteilung ganz anders zu seinem Rechte kommen als bei der psychologischen Methode, dafür leidet hier das Verständnis der Religion 'wieder in anderer Hinsicht Schaden, und so wird eine kurze Auseinandersetzung mit dieser Methode — zunächst in ihrer reinen Gestalt — unsere Aufgabe erheblich fördern und wird nach anderer Seite hin Notwendigkeit und Eigenart einer besonderen noologischen Methode ins Licht rücken. Wenn es sich dabei aber darum handelt, an einem einzelnen typischen Beispiel das, was diese Methode tatsächlich für die Religionsphilosophie leistet, herauszuarbeiten, so scheint mir dafür W i n d e l b a n d ganz besonders geeignet mit seiner religionsphilosophischen Skizze „Das Heilige" in Präludien 2. Auflage S. 356ff. Denn einmal wird hier gerade der Grundgedanke der transszendentalen Methode besonders klar und durchsichtig durchgeführt — und nur auf den Grundgedanken kommt es uns hier natürlich an, während alle unter anderen Gesichtspunkten vielleicht sehr wichz w e i t e n S t e l l e bescheidet. Aber dagegen muß er sich mit allem Nachdruck wenden, daß etwa die Religion aus dem unmittelbaren Seelenleben mit seinen so verschiedenen und z. T. so problematischen Bedürfnissen entwickelt werde. Worin die Religion tatsächlich wurzelt und woran sie den Maßstab ihres Wahrheitsgehaltes hat, das sind vielmehr geistige Notwendigkeiten, die auf einer ganz anderen Lebensebene liegen als seelische Bedürfnisse. K a d e , Euckens noologische Methode.
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tigen Nuancen und Verschiedenheiten innerhalb der transszendentalen Methode für unsere Zwecke zurücktreten können —. Andererseits ist bei ihm das Bestreben anzuerkennen, der Religion wirklich gerecht zu werden, wie er denn gleich eingangsweise grundlegend die wirkliche Religion als den Gegenstand der religionsphilosophischen Untersuchung bestimmt, die Religion, wie wir sie alle kennen und erleben, nicht etwa eine sogenannte wahre Religion, eine philosophische, erst durch die Philosophie zu schaffende Religion, und diese wirkliche Religion dann wiederum auch in ihrer ganzen allumfassenden Wirklichkeit S. 857. Zugleich ist schließlich seine Philosophie auch nicht einseitig an der Naturwissenschaft und ihren Leistungen orientiert, sondern wahrt auch der besonderen geschichtlichen Begriffsbildung ihr Recht, so daß also auch von hier aus gerade seine Position der Religionsphilosophie die innerhalb des Transszendentalismus günstigsten Existenzbedingungen gewährt. a) W i n d e l b a n d als Religionsphilosoph. Alle Philosophie — das ist die grundlegende Voraussetzung der gesamten W i n d e l b a n d sehen Position — ist dank Kant etwas ganz anderes als eine individuelle oder kulturhistorische Entwicklungsgeschichte oder eine genetisch-psychologische Theorie, sondern sie ist vielmehr vor allen Dingen eine kritische Untersuchung S. 23ff. Das heißt: sie fragt niemals nach der Verursachung der einzelnen Vorstellungen und Vorstellungsverbindungen und ebenso auf dem ethischen und ästhe-
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tischen Gebiet nach der Verursachung der einzelnen Wollungen, Handlungen und Gefühle, sondern sie geht vielmehr einfach von der Tatsache aus, daß es auf allen diesen Gebieten Beurteilungen gibt, die ganz abgesehen von der empirischen Entstehung absolute Notwendigkeit und allgemeine Gültigkeit in Anspruch nehmen, und sucht dann von dieser einzigen Voraussetzung aus an der Hand einer teleologischen Betrachtungsweise das auf, was diese allgemeine Billigung verdient: die Grundsätze, Normen, Regeln, ohne die es kein allgemeingültiges Denken, kein allgemein zu billigendes Wollen und Handeln, kein allgemein mitteilbares Fühlen gäbe S. 315. Wenn nun aber Logik, Ethik und Ästhetik die Aufgabe haben, in kritischer Selbstbesinnung die Normen des logischen, ethischen und ästhetischen Lebens aufzusuchen, so können diese Disziplinen wohl den Gegensatz, der sich auf allen ihren Gebieten zwischen dem Sollen und Müssen, zwischen den Normen und der tatsächlichen Wirklichkeit zeigt, einfach als Tatsache hinnehmen und auf der Grundlage dieser Voraussetzung ihre Aufgabe lösen. Denn diese beiden Gesetzgebungen, die des Sollens und des Müssens, brauchen einander nicht ins Gehege zu kommen, wenn wir sie beide recht verstehen. Sie betrachten den Gegenstand von zwei ganz verschiedenen Seiten: „Für die psychologische Gesetzgebung ist das Seelenleben ein Objekt der erklärenden Wissenschaft; für die normative Gesetzgebung des logischen, des ethischen und des ästhetischen Bewußtseins ist dasselbe Seelenleben ein Objekt idealer Beurteilung. Aus den Naturgesetzen begreifen wir die Tatsachen, nach den Normen 4*
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haben wir sie zu billigen oder zu mißbilligen. . . . Die Norm ist nie ein Prinzip der Erklärung ebensowenig wie das Naturgesetz je ein Prinzip der Beurteilung" S. 258. Aber doch sind diese Normen andererseits auch nicht ohne Einfluß auf unser Vorstellen, Wollen und Fühlen: indem die Normen uns als Normen zum Bewußtsein kommen, werden sie zugleich in stärkerer oder schwächerer Weise selbst zu Bestimmungsgründen der Yorstellungsverknüpfung und der Willensentscheidung. Der mechanische Ablauf des menschlichen Seelenlebens selbst führt zum Bewußtwerden der Normen, und nachdem dies eingetreten ist, wird die Norm zu einer ordnenden und bestimmenden Macht in dem mechanischen Ablaufe selbst und führt in vollkommen naturgesetzlicher Weise ihre eigene Realisierung herbei S. 276ff. Aber mag das nun auch für die einzelnen philosophischen Disziplinen genügen — ich referiere hier nur und beurteile nicht —, die kritische Selbstbesinnung muß schließlich doch auch diese Voraussetzung selbst zum Problem machen. Ja die Naturnotwendigkeit des Normwidrigen in den empirischen Funktionen der Vernunft ist schließlich für die kritische Philosophie das Problem aller Probleme und damit der springende Punkt für die Religionsphilosophie S. 363. Man versucht freilich diesen Antinomismus zwischen Sollen und Müssen durch eine psychologische Erklärung zu umgehen, welche das Gewissen auf ein Verhältnis zwischen dem individuellen Tun und dem sozialen Gesamtbewußtsein reduziert, das mit zugleich tatsächlicher und normativer Geltung in jedem einzelnen Be-
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wußtsein als entwicklungsgeschichtliche Grundlage vorhanden ist. Aber dieses Verhältnis reicht wohl für die psychologische Erklärung einer großen Anzahl von Tatsachen des Gewissens aus: durch die Gewöhnung des Hineinwachsens in eine bestehende Wertungsweise gewinnen wir zunächst die Maßstäbe für unsere Beurteilungen. Aber die Tatsache der historischen Bewegung und Wandlung des Normbewußtseins ist auf die Art nicht zu erklären. Immer handelt es sich dabei um eine mehr oder minder bedeutsame Emanzipation der einzelnen Persönlichkeit von der vorher bestehenden allgemeinen Wertungsweise. Den Mut aber zu einer solchen Abweichung findet das Individuum nur darin, daß es von den tatsächlich geltenden Maximen an ein höheres Prinzip, vom .menschlichen Rechte' an das ,göttliche', von dem Zeitlichen an das Ewige, von der ,Satzung' an die ,Natur' appelliert — oder wie die Wendungen dafür lauten mögen. Jeder dieser führenden Geister, die meistens zugleich Märtyrer ihrer Sache werden, macht nicht seine Willkür und Laune gegen das Bestehende geltend, sondern ein Höheres und Ewiges: in ihnen greift das , Gewissen' über seine soziale Erscheinungsform hinaus zu seinem transszendenten metaphysischen Wesen S. S64f. Es enthüllt sich in ihm ein geistiger Lebensgrund, ein übererfahrungsmäßiger Zusammenhang der Persönlichkeiten, der sich zu dem sozialen Gesamtbewußtsein so verhält wie das, was gelten soll, zu dem, was tatsächlich gilt S. 366. Das Normalbewußtsein des Wahren, Guten und Schönen erlebt als transszendente Wirklichkeit nennen wir dann das Heilige S. 367.
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Damit ist nun das sachliche Prinzip gewonnen, von dem aus die Beligionsphilosophie die Religion unabhängig von den drei philosophischen Grunddisziplinen als eine einheitliche Erscheinung verstehen und würdigen kann. „Insofern der Mensch in seinem Gewissen sich so durch ein Übergreifendes, Transszendentes bestimmt weiß, ist er religiös. Er lebt in der Vernunft und sie in ihm. Religion ist transszendentes Leben; das Wesentliche in ihr ist das Hinausleben über die Erfahrung, das Bewußtsein der Zugehörigkeit zu einer Welt geistiger Werte, das Sichnichtgenügenlassen am empirisch Wirklichen" S. 367. Der Religionsphilosophie ist es dann weiter aufgegeben, systematisch darzulegen, welche Steigerungen die immanenten Funktionen des Seelenlebens dadurch erfahren, daß sie in dem transszendenten Leben der Religion auf das Überempirische bezogen werden, daß sie so zu einem transszendenten Fühlen, einem transszendenten Vorstellen und einem transszendenten Wollen und Handeln werden S. 368—382. Zweifellos ist dieser Konstruktion Windelbands zuzugestehen, daß sie eine überzeugende Widerlegung des Positivismus und seiner Anmaßungen bietet. Alles geistige Leben führt allerdings im letzten Grund auf die Voraussetzung einer Welt überempirischer und überindividueller Werte als einer transszendenten Realität. Wer das leugnet, für den bleibt konsequenterweise bloß noch eine realistische Skepsis übrig, die aber — auch darin hat Windelband zweifellos recht — weniger als ernste wissenschaftliche Theorie in Betracht kommt, denn als eine wenig beneidenswerte Art der Lebensauf-
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fassung, als „Philosophie" des Blasierten und des weltstädtischen Gamins, der achselzuckend über alles sein freches Witzchen macht und es eben nur recht findet, heute so und morgen so zu reden S. 806. Aber zunächst wäre — speziell auf unser Problem gesehen — schon zu fragen, ob das, was Windelband als „das Heilige" aufweist und als solches mit der Gottesidee identifiziert, dem entspricht, was alle lebendige Frömmigkeit in dem lebendigen Gott sucht und zu haben meint, der aus eigener Initiative zu den Menschen in Beziehung tritt, sich um sie kümmert und sich ihnen offenbart, und diese Frage muß meines Erachtens durchaus verneint werden. Man vergleiche dazu nur noch, wie Windelband zu seiner Ableitung der metaphysischen Realität des Normalbewußtseins bemerkt: „Das war der Gedanke, aus dem Augustin von der menschlichen Unterscheidung des Wahren und des Falschen auf die Realität einer höchsten »Wahrheit' oder Descartes von den Graden der Vollkommenheit und Unvollkommenheit, mit denen wir uns selbst und andere beurteilen, auf die Wirklichkeit des ens perfectissimum schloß" S. 866. Aber wichtiger ist noch, was sich freilich schon aus den Grundvoraussetzungen des ganzen Systems für die Auffassung des religiösen Erlebnisses selbst ergibt: Wie Logik, Ethik und Ästhetik einfach Normen der Beurteilung entwickeln, die nur dadurch zu Mächten im tatsächlichen Leben werden, daß sie zum Bewußtsein kommen, so kann auch die Religionsphilosophie auf dieser Grundlage bloß eine Art Gottesidee entwickeln, die die logische Voraussetzung für die ganze kritische Philosophie darstellt,
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und das religiöse Erlebnis selbst muß dann bei allen Anklängen an die christliche Terminologie darauf beschränkt werden, daß das Bewußtsein zu dieser Idee in Beziehung tritt und damit wiederum durch sie beeinflußt wird. Darüber scheint zwar hinauszuführen, wenn man an Windelbands Ausführungen darauf den Nachdruck legt, daß Religion für ihn t r a n s s z e n d e n t e s L e b e n ist, und daß er selber das Heilige näher dahin bestimmt, daß es das Normalbewußtsein des Wahren, Guten und Schönen sei, e r l e b t als t r a n s s z e n d e n t e W i r k l i c h k e i t , und es wird auch nicht wohl zu bestreiten sein, daß damit im Zusammenhang mit der ganzen Ableitung dieser Bestimmung ein Ansatzpunkt zum Weiterkommen gegeben ist. Aber in der ausgeführten Theorie Windelbands wird dem gerade doch weiter keine Folge gegeben und kann nicht gegeben werden bei den grundlegenden Voraussetzungen seiner ganzen Position mit ihrer Auslieferung des Seelenlebens an einen undurchbrechbaren Mechanismus. Im ganzen muß es also bei dem Urteil bleiben: In Windelbands Religionsphilosophie haben wir einen Typus jenes Intellektualismus, der die Religion wesentlich als religiöse Weltanschauung mit den sie begleitenden Gefühlserregungen und dem daraus folgenden religiösen Handeln versteht, oder der sie wenigstens nur soweit wirklich zu begründen vermag. Dem entspricht es denn auch, wie Windelband in seinen Ausführungen über das transszendente Vorstellen einfach philosophische Gedanken über den Weltgrund entwickelt, ohne den grundlegenden Unterschied zwischen
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Religion und Metaphysik wesentlich zu beachten. Wie er es in einem einzelnen Fall ausdrücklich ausspricht: Philosophische Probleme — hier speziell theoretischlogische — nehmen eine metaphysische Tendenz, deren sich das transszendente Vorstellen bemächtigt S. 873. Zwar schickt Windelband dem transszendenten Vorstellen ein transszendentes Fühlen voraus, aber doch nur unter dem methodologischen Gesichtspunkt des Unbestimmten gegenüber dem Bestimmteren. Im übrigen aber führt für ihn aus dem unmittelbaren religiösen Erleben als solchem kein direkter Weg zum religiösen Vorstellen hinüber. Das religiöse Gefühl ist seinem objektiven Inhalt nach, d. h. in bezug auf seinen Gegenstand für die Vorstellung völlig unbestimmt. Es gehört psychologisch betrachtet zu der großen Klasse der unbestimmten Gefühle, der Stimmungen und Allgemeingefühle S. 370. Wenn sich also auch nach Windelband das transszendente Vorstellen aus dem transszendenten Fühlen entwickelt (S. 371), dann nur in dem Sinne, daß das religiöse Gefühl gleichsam Gelegenheitsursache und Anstoß für das transszendente Vorstellen ist, das im übrigen aber ganz seinen eigenen Weg geht — ja, das diesen Weg schließlich auch ginge, wenn es gar kein religiöses Fühlen gäbe. In einem Punkte allerdings geht Windelband über die Unbestimmtheit des religiösen Gefühles hinaus: „Deutlicher gestalten sich diese religiösen Gefühle der Abhängigkeit vom Transszendenten da, wo das Verhältnis zwischen dem Normbewußtsein und dem individuellen Leben in Betracht kommt. Die Erkenntnis
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unserer Unzulänglichkeit der Norm gegenüber erscheint als das Gefühl hilfloser Ohnmacht, tiefster Erlösungsbedürftigkeit, als Zerknirschung, Reue und Buße; aber zugleich erleben wir in dieser Sinnesänderung, in diesem Brechen des sebstgenügsamen Stolzes das erste Wirken des Normalbewußtseins in uns. Es kommt wie eine Offenbarung nicht als unsere Tat, als ein Lebendigwerden des Höheren in uns, wir fühlen es als Wunder und Gnade. Das Teilhaben am Transszendenten ist unbegreiflich als etwas, das wir erleben, ohne es aus eigener Kraft zu tun — ein Geschenk, das höchste von allen. So ist die Kraft, welche als Gewissen richtet, auch die, welche hilft und erlöst. Jeder Genuß des Anschauena und Wissens, des Fühlens und des Arbeitens an höheren Zielen ist deshalb, da es wie eine Offenbarung über den Menschen kommt, mit dem erhebenden Dankgefühl für das Höhere verbunden, das uns darin zuteil wird. Die Normen werden in uns zu Motiven, sie werden unser Besitz, unser besseres Selbst: Das ist die Wiedergeburt und Heiligung des empirischen Menschen, seine Erhebung in das Reich des Ewigen" S. 369. Aber gerade hier kommt nun auch der Intellektualismus Windelbands meines Ermessens besonders scharf und klar zum Ausdruck: Wovon wir uns im religiösen Erlebnis abhängig fühlen, sind Gedanken, Ideen, Normen, die zwar als transszendente Wirklichkeit gedacht werden, die uns aber nur dadurch bewegen und in unseren Gefühlen sich reflektieren, daß sie uns zum Bewußtsein kommen. Wenn Windelband aber dafür die Ausdrücke Gnade, Wiedergeburt usw. braucht, dann doch nur in einer Umdeutung
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und Yerblassung, die nicht viel von dem eigentlich charakteristischen Gehalte übrig läßt. Die Probe darauf, wieweit wirklich lebendige Frömmigkeit darin zum Ausdruck kommt oder ihre philosophische Begründung findet, macht schließlich die Auffassung Windelbands vom Gebet. Es ist bezeichnend, daß er ihm nur als kultischem Gebet eine Bedeutung abzugewinnen weiß und es neben dem Opfer und den sonstigen kultischen Vorgängen zum transszendenten Handeln rechnet, d. h. zu demjenigen äußeren Tun des Menschen, durch das er in symbolischer oder wenigstens halbsymbolischer Weise seinen Lebenszusammenhang mit dem Heiligen zum Ausdruck bringt S. 381 f. Es bedarf aber wohl nicht erst noch des ausführlichen Nachweises, daß damit auf jeden Fall gerade das nicht getroffen ist, was für lebendige Frömmigkeit den Sinn und die innere Notwendigkeit des Betens, dieses potenziertesten Gotterlebens und mit Gott Lebens, ausmacht. b) T r ö l t s c h : Versuch einer W e i t e r b i l d u n g der R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e auf dem Boden der t r a n s s z e n d e n t a l e n Methode. Darf nun aber das, was an Windelbands Beligionsphilosophie unsere Kritik herausfordert, als für die Transszendentalphilosophie typisch genommen werden? Oder ist es vielleicht möglich, die erkenntnistheoretische Grundlegung, wie sie die transszendentale Methode gibt, festzuhalten und doch über den Intellektualismus hinauszukommen? Unsere Antwort auf diese Frage ist in dem Bisherigen ja schon angedeutet, indem wir darauf hin-
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gewiesen haben, wie Windelbands — intellektualistische — Auffassung des grundlegenden religiösen Erlebnisses durchaus in Einklang steht mit den prinzipiellen Voraussetzungen seiner Philosophie. Aber es wird doch vielleicht gut sein, diesen Fragen vor einem abschließenden Urteil erst noch etwas weiter nachzugehen, und zwar bieten dafür T r ö l t s c h s religionsphilosophische Versuche die beste Gelegenheit. Denn für T r ö l t s c h ist das ja gerade charakteristisch, daß er einerseits wenigstens auf den Höhepunkten seiner religionsphilosophischen Erörterungen noch in ganz anderer Weise als Windelband der wirklichen Religion gerecht zu werden versucht, indem er ihren Anspruch, eine Tat der Freiheit und ein Geschenk der Gnade, eine das natürlich-phänomenale Seelenleben durchbrechende Wirkung des Übersinnlichen und eine die natürliche Motivation aufhebende Tat der freien Hingebung zu sein, aufnimmt und eben durch seine Philosophie meint rechtfertigen zu können. Er erklärt darum auch: Auch eine streng erkenntnistheoretisch angelegte Philosophie wird, wenn sie nicht in Psychologismus und Skepsis stecken bleiben will, in ihren Begriffen der Gültigkeit und der „Vernunft überhaupt" immer die Ansätze zu einer Metaphysik enthalten, und er weist dieser Metaphysik als eine Hauptaufgabe zu, in dem Verhältnis des Weltgrundes oder absoluten Bewußtseins zu seinen Teilinhalten oder den endlichen Geistern die Möglichkeit beständig neuer Anfänge und Wirklichkeiten zu behaupten, ohne welche alle religiöse Redeweise zur Phrase oder zur unfruchtbaren Mystik wird (Kultur der Gegenwart S. 487 f.).
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Man vergleiche dazu auch etwa noch die Zusammenfassung des Resultates in „Psychologie und Erkenntnistheorie" S. 53: „Es bleibt zu Recht bestehen der grundlegende Glaube aller Religion, Offenbarung und Erleuchtung durch die Gegenwart des göttlichen Lebens in der Seele zu sein und aus verborgenen Gründen des unbewußten Lebens hervorzuwachsen, wo es zusammenhängt mit der Weltvernunft, und aus denen heraus die Gottheit sich im aktuellen religiösen Vorgang offenbart. Sie bleibt auch unter den Händen der Wissenschaft das, was sie in natürlicher Gesundheit überall war und was sie nach Zeiten der Entbehrung und Selbstentfremdung wieder zu werden überall bestrebt ist, lebendiger Verkehr mit der lebendigen Gottheit." Andererseits aber lehnt er doch bei aller Anerkennung der inneren Verwandtschaft der letzten Tendenzen mit der Arbeit Euckens die Forderung einer besonderen noologischen Methode über die psychologische und transszendentale Methode hinaus ganz entschieden ab. Denn die Gedanken, die auf eine Metaphysik hinauslaufen, repräsentieren nach seinem Urteil nicht eine Methode des wissenschaftlichen Denkens, sondern einen Abschluß und Grenzbegriff, die aus der transszendentalen Methode hervorgehen („Moderne Geschichtsphilosophie" in Theologische Rundschau 1903 S. 114f.; vgl. „Psychologie und Erkenntnistheorie" S. 50 1 . 1
Daß Tröltsch dabei insofern seinerseits von der konsequenten transszendentalen Methode abweicht, als er sie durch eine psychologische Grundlegung unterbauen will, ist schon oben erwähnt, ohne daß hier weiter darauf einzugehen wäre.
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Ist es Tröltsch nun aber gelungen, dieses beides wirklich miteinander zu vereinen? Versuchen wir uns zur Beantwortung dieser Frage einmal die inneren Zusammenhänge seiner Gedankenwelt zu vergegenwärtigen, soweit es eben möglich ist, auf Grund seiner Schriften und mit Hilfe einer kombinierenden Phantasie in diese Zusammenhänge einzudringen. Als Ausgangspunkt darf die nachschaffende Konstruktion dabei wohl folgende Erwägung nehmen, die Tröltsch vielleicht gar niemals ausdrücklich so angestellt hat, die aber, soweit ich seine Religionsphilosophie von innen heraus verstehe, tatsächlich das Ganze beherrscht: Alle wirkliche Religion will mindestens auf ihren Höhepunkten ein unmittelbares Erleben Gottes, ein Hineinwirken Gottes in die Seele sein. Das ist die Behauptung der Religion selbst, wo sie sich wirklich rein und folgerichtig ausspricht. Das muß darum aber auch von der Religionswissenschaft einfach als grundlegende Tatsache und als thema probandum aufgenommen werden. Aber wenn wir nun darauf reflektieren, wie kommt eigentlich der Mensch dazu, hier von einem Erleben G o t t e s zu reden, beispielsweise: wie kommt er Jesu gegenüber dazu, nicht einfach dabei stehen zu bleiben, daß er hier eine überwältigende sittliche Hoheit und zugleich linde Güte und Liebe erfährt, sondern zu behaupten, daß ihm darin G o t t begegnet, dann muß die Antwort darauf lauten: Er bringt durch sein Hineingewachsensein in eine religiöse Überlieferung diesen Gedanken des Göttlichen eben immer schon mit, und seine besonderen Erlebnisse und Erfahrungen dienen ihm nur dazu,
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diesem Gedanken lebendige Farbe und eindringliche Nähe zu geben. Daher dann also von dieser Einsicht aus bei Tröltsch eine starke Betonung der religiösen Idee und der Überlieferung in ihrer Bedeutung wie für die Religion so auch für die Beligionsphilosophie, so daß von hier aus die Aufgabe der erkenntnistheoretischen Untersuchung des Wahrheitswertes der Religion durchaus gelöst scheint, wenn es gelingt, ein im Wesen der Vernunft hegendes apriorisches Gesetz der religiösen Ideenbildung aufzuweisen, das seinerseits in einem organischen Zusammenhang mit den übrigen Apriori der Vernunft steht (Kultur der Gegenwart S. 486). Aber soviel ich sehe, sind hier nun zwei Fragen ganz scharf auseinanderzuhalten: Wofür ist nämlich der Gedanke des Göttlichen tatsächlich immer vorausgesetzt ? Für das Erleben Gottes selbst ? oder aber für die bloße Ausdeutung des Erlebnisses als eines Erlebens Gottes ? Und hier scheint mir Tröltsch nicht bestimmt genug zu scheiden. Er nimmt vielmehr, was für die zweite Frage wohl als unbedingt zutreffend anerkannt werden muß, ohne weiteres auch für die erste Frage in Anspruch, und bringt so in seiner Religionsphilosophie das Erleben als solches und die überlieferte Vorstellung viel zu eng zusammen, so daß er im Banne dieser Gedankenreihe geradezu behaupten kann, alle Übertragung religiöser Kräfte und Gefühle finde stets durch Vermittlung der religiösen Gedankenwelt statt (z. B. Ps. E. 17 u. ö.) — wozu dann freilich nicht paßt, wenn er an anderen Stellen von einem Hervorwachsen der Religion aus verborgenen Gründen des unbewußten
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Lebens und ähnlich redet (z. B. a. a. 0. S. 53). Hier aber knüpft dann auch bei ihm jener Intellektualismus an, der z. B. alle Bedeutung der Geschichte darin aufgehen läßt, eine an sich nicht wirkungskräftige abstrakte Idee einzukleiden und zu beleben („Das Historische in Kants Beligionsphilosophie" S. 120ff., 131), der aber überhaupt dann das religiöse Apriori als ein in der Religion waltendes und sie p r o d u z i e r e n d e s Vern u n f t g e s e t z auffaßt (Ps. E. 24, 27). Aber der Gedanke der Aktualisierung des religiösen Apriori, der hier für Tröltsch den Übergang von einem formalen Bationalismus zu der Fülle des wirklichen psychischen und historischen Geschehens ermöglicht, wirkt sich nun auch noch nach einer anderen Seite hin aus als nach der eben erwähnten einer bloßen Einkleidung und Verlebendigung einer allgemeinen Idee, die sich dann in gewissen Gefühlen reflektiert und Willensantriebe auslöst. Indem nämlich dieses Apriori andererseits als eine wirklich schaffende Potenz, als eine Betätigung der Vernunft oder des intelligiblen Ich genommen wird, stellt wie jedes Erkennen, so auch das spezifisch religiöse Erkennen eine Synthese des Apriorisch-Rationalen-Allgemeinen und des Tatsächlich-Irrationalen-Einmaligen dar, und in diesem Zusammenklang, der immer nur betätigt und nie begriffen wird, erleben wir nun das Grundgeheimnis der Wirklichkeit, das in seiner Betätigung sich als Äußerung der allgemeinen, sein sollenden, allein Wahrheit und Wirklichkeit stiftenden kosmischen Vernunft empfindet. Wir ahnen also in der Betätigung dieses Geheimnisses die
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verborgene Einheit der kosmischen Vernunft, in der Allgemein-Notwendig-Rationales und Tatsächlich-Individuell-Gegebenes eine unbegreifliche Einheit hat. Ja darin entsteht eben die Empfindung von der Gegenwart und Wirkung des Göttlichen als dieser schaffenden Urkraft, die der Inbegriff des Wirklichen und des Seinsollenden ist und die in dieser Einheit doch zugleich das Unendlichviele und Mannigfaltige ist, die die hervorbringende Kraft dieser doppelseitigen Wirklichkeit ist und doch nur durch eine freie grundlose Tat der denkenden und praktischen Autonomie ergriffen werden kann (Ps. E. S. 49). Wenn wir so dem Tröltschschen Denken wirklich tief genug nachgehen, dann treten allerdings zunächst, wie hier nachgewiesen, Zwiespältigkeiten heraus, die schlechterdings nicht geleugnet und auch nicht in eine überlegene Einheit aufgelöst werden können. Aber zugleich darf weiter anerkannt werden, daß es auf die zuletzt skizzierte Gedankenreihe gesehen nicht bloß eine Behauptung bleibt, wenn Tröltsch meint, mit seiner Religionsphilosophie das Recht der Religion gewahrt zu haben: hier ist tatsächlich der bloße Intellektualismus im Prinzip überwunden. Aber zweierlei muß, wie mir scheint, nun auch hier doch noch konstatiert werden: Einmal wirkt die Bevorzugung der religiösen Idee doch auch hier noch darin nach, daß hier nur das Gotterleben beschrieben und philosophisch begründet wird, wie es sich mit der als Vernunfttat analysierten religiösen Spekulation verbindet — wie das auch schon darin zum Ausdruck kommt, daß Tröltsch als Subjekt der eben wiedergegeK a d e , Euckens noologische Methode.
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benen Sätze immer die Religionsphilosophie hat: Die Religionsphilosophie ahnt in der Betätigung dieses Geheimnisses die verborgene Einheit der kosmischen Vernunft usw. Das aber stellt zweifellos immer noch mindestens eine Einseitigkeit dar, die eine wirklich umfassende Religionstheorie erst noch korrigieren müßte. Aber dazu kommt auch noch eine zweite, für uns hier noch wichtigere Tatsache: Mit diesen Ausführungen ist tatsächlich der Rahmen des Kritizismus im Sinne der transszendentalen Methode gesprengt. Denn hier wird das Verhältnis zwischen Vernunft, intelligiblem Ich und zwischen dem empirischen Ich in einer ganz anderen Weise als dort gefaßt. In einer Beziehung spürt das auch Tröltsch selber, denn unter den Änderungen, die seiner Meinung nach die Kantische Philosophie sich gefallen lassen muß, um für die Religionsphilosophie wirklich brauchbar zu werden, findet sich auch die, daß das Verhältnis zwischen intelligiblem und empirischem Ich anders bestimmt werden müsse als es dort geschieht. Denn es müsse doch als ein unerträglicher gewaltsamer Widerspruch beurteilt werden, daß das intelligible Ich die Gesetzeswelt schaffe und sich mit seinem Tun in dieser als empirisches Ich, d. h. als Produkt des großen Weltmechanismus und seines kausalen Ablaufes finden solle, daß also, wie er es auch ausdrückt, das Denkprodukt seinen eigenen Schöpfer verschlinge. Es sei aber auch keine Lösung dieses Widerspruchs, das empirische Ich der Erscheinung und das intelligible der an sich bestehenden Realität zuzuweisen, wenn doch die Handlungen des intelligiblen Ich als Bestand-
Die Schranken der transszendentalen Methode.
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teile des seelischen Geschehens in die Zeit fallen und damit rettungslos der Phänomenalität und ihrem Mechanismus verfallen. Vor allem aber müsse das natürlich für die Eeligionsphilosophie unerträglich sein. „Denn die Religionspsychologie zeigt uns durchaus die Grundempfindung aller Religion, nicht ein Produkt des mechanischen Ablaufes, sondern eine Wirkung des in ihr empfundenen Übersinnlichen selbst zu sein, sie will aus dem intelligiblen Ich stammen vermöge eines irgendwie gearteten Zusammenhanges mit der übersinnlichen Welt. Das aber wird völlig unmöglich bei der Kantischen Theorie vom empirischen Ich, und alle Unterscheidung einer doppelten Betrachtungsweise kann daran nichts ändern, daß diese Betrachtungsweisen sich absolut ausschließen" Ps. E. S. 87 f. Aber so sehr wir nun auch geneigt sind, Tröltsch hier recht zu geben in seiner Kritik an der Kantischen Position, so wenig können wir dem zustimmen, daß diese Korrektur sich noch auf dem Boden der transszendentalen Methode halte und auf ihm überhaupt möglich wäre. Tröltsch kann das übersehen, weil er von vornherein den Grundgedanken dieser Methode nicht scharf genug aufgefaßt hat. So bedeutet es z. B. schon ein Eintragen der eigenen Gedanken in ein ganz anders orientiertes Gedankengefüge, wenn er in seinem Referat über moderne Geschichtsphilosophie über R i c k e r t s Unterscheidung zwischen psychologischem und erkenntnistheoretischem Subjekt in Ausdrücken referiert, die eine irgendwie zu denkende metaphysische Realität des erkenntnistheoretischen Subjektes nahelegen und ein Hineinwirken dieses Subjektes 5*
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Die Notwendigkeit einer besonderen noologischen Methode.
in das empirische Ich (Theologische Rundschau 1903 ß. 14f., 69, 71,113), wenn er die Normen dann als eigenständige und autonome Tätigkeit dieses überindividuellen Bewußtseins charakterisiert (S. 17) und infolgedessen naturgemäß schließt, daß die Kombination des psychologischen und erkenntnistheoretischen Subjektes bei aller vorsichtigen Formulierung in Wahrheit doch ein metaphysisches Problem sei (S. 116). Dagegen muß im Sinne des richtig verstandenen Transszendentalismus, wie ihn auch Rickert vertritt, vielmehr daran festgehalten werden, daß hier das erkenntnistheoretische Subjekt in keiner Weise irgendwie als eine Realität genommen werden darf, weder als eine transszendente noch als eine immanente, daß es vielmehr weiter nichts ist als ein Begriff, den wir denken müssen, um den richtigen Begriff des Erkennens zu bilden (Rickert ,,Gegenstand der Erkenntnis, Einführung in die Transszendentalphilosophie" 2. Aufl. S. 21 f., 25, 29, 68, 156, 201 f., 206 u. ö.). Gilt das doch selbst für den Begriff eines überindividuellen w e r t e n d e n Subjektes, auf den wir den Begriff des erkenntnistheorethischen Subjektes schließlich hinausführen müssen. Auch er ist nur als logische Voraussetzung jedes rein tatsächlichen Urteils gewonnen und darf deshalb in keiner Weise mit psychologischen Fragen vermengt werden. Denn was die logische Voraussetzung jedes rein tatsächlichen Urteils ist, muß eben in den Begriff des überindividuellen erkenntnistheoretischen Subjektes mit aufgenommen werden, ganz einerlei wie es mit der psychologischen Vorstellbarkeit dieses Begriffes steht: Psychologie und Erkenntnis-
Die Schranken der transszendentalen Methode.
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theorie sind toto coelo verschieden (Eickert „Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung" S. 669). Aber darin muß nun auch über alle einzelnen Beispiele hinaus der Grundgedanke der ganzen transszendentalen Methode anerkannt werden. Grundsätzlich verzichtet sie darauf, irgendwie das wirkliche Erkennen oder das sonstige geistige Leben in seiner Tatsächlichkeit mit den Begriffen der Transszendentalphilosophie zu erklären. Diese Aufgabe weist sie vielmehr der genetischen Methode und d. h. der Psychologie zu, die dann ihrerseits nichts tun kann als den kausalen Zusammenhang der Erscheinungen zu erforschen. Für sich selber aber nimmt sie prinzipiell und qua Transszendentalphilosophie nur die Aufgabe in Anspruch, durch eine logische Reduktion die denknotwendigen Voraussetzungen entweder der Erfahrung überhaupt oder der synthetische Urteile a priori enthaltenden Wissenschaften herauszustellen und damit die kritischen Normen zu gewinnen. Selbstverständlich können dann aber auch diese Normen wieder nur denknotwendige Begriffe sein, deren Realität und Wahrheitswert mit ihrer Denknotwendigkeit gegeben ist und in ihr aufgeht. Sollen sie aber darüber hinaus irgendwie in Beziehung treten zu dem tatsächlichen psychischen Geschehen, dann kann das eben nur so geschehen, daß sie wie Windelband ausführt, dadurch, daß sie zum Bewußtsein kommen, ihrerseits als Motive in dem in allen Stücken kausal bedingten Geschehen wirken („Präludien" S. 249ff.). Für eine Auffassung des Verhältnisses zwischen der absoluten Vernunft und den endlichen Geistern, wie Tröltsch sie in
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Die Notwendigkeit einer besonderen noologischen Methode.
die Philosophie einführen will, ist also hier kein Platz, damit auch nicht für eine Religionsauffassung, die den Intellektualismus wirklich überwindet. c) Z u s a m m e n f a s s e n d e K r i t i k der Vorauss e t z u n g e n der t r a n s s z e n d e n t a l e n Methode. Doch unsere Kritik der transszendentalen Methode wäre nun unvollständig, wenn wir dabei bloß das Mißverhältnis zwischen ihren Möglichkeiten und zwischen den Forderungen der Religionsphilosophie ins Auge faßten. Sonst könnte ja immer noch geurteilt werden, daß freilich eine Religionsphilosophie, wie wir sie suchten, auf dem Boden der Transszendentalphilosophie nicht möglich sei, daß das aber nicht an Schranken und Mängeln dieser Methode Hege, sondern vielmehr an zu Unrecht gestellten Ansprüchen der Religion. Aber doch, glaube ich, brauchen wir uns dabei nicht zu bescheiden, auch nicht vom Standpunkt der Philosophie aus. Denn die Bedenken gegen die transszendentale Methode setzen tatsächlich nicht erst bei der Wendung zur Religion ein, sondern schon lange vorher. W i n d e l b a n d selbst muß wenigstens für die Ästhetik schon seine Gesamtauffassung durchbrechen und hier eine Ausnahme konstatieren: Hier kommen auf jeden Fall die Normen nicht als bewußte Bestimmungsgründe in Betracht für das Leben, das als normgemäß zu beurteilen ist. „Das Wesen ästhetischen Genusses ebenso wie dasjenige künstlerischer Produktion besteht in der Unmittelbarkeit und Reflexionslosigkeit; beide sollen den Normen entsprechen, ohne durch sie hervorgebracht und
Die Schranken der transszendentalen Methode.
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im Bewußtsein bestimmt zu sein. Nichts wäre lächerlicher als wenn man durch Besinnung auf ästhetische Gesetze Gefühle bewußt regeln wollte, mit welchen man den Eindruck schöner und erhabener Natur oder künstlerischer Werke aufzunehmen hat. . . . Ebenso ist es das sicherste Zeichen des Mangels an künstlerischem Beruf, wenn der Mittelmäßige oder der Dilettant bei der Arbeit selbst sich die Regeln vorhält, um nach ihnen zu schaffen. Der große Künstler kennt diese Regeln nicht; er erzeugt sie. Mit absichtsloser Naturnotwendigkeit produziert er den Normen gemäß, die erst durch sein Werk ihm und den Nachgenießenden zum Bewußtsein kommen" „Präludien" S. 274f. Zweifellos ist das auch sehr richtig gesehen und geurteilt. Aber es wäre nun sehr fruchtbar gewesen, wenn Windelband diesem „mit. absichtsloser Naturnotwendigkeit" Produzieren noch etwas genauer nachgegangen wäre. Denn es ist wohl klar: Mit dem bloßen Mechanismus des seelischen Lebens, der sonst überall angenommen wird, darf diese Naturnotwendigkeit wohl kaum identifiziert werden; oder wenn Windelband das wollte, dann müßte dagegen ganz entschieden Einspruch erhoben werden. Denn das Schaffen des großen Künstlers unterscheidet sich doch sehr deutlich dadurch von jenem Mechanismus» daß es nicht bloß gelegentlich und zufällig neben Verkehrtem und Irrigem auch einmal das Richtige trifft (Windelbands Bild von der einen weißen Kugel unter vielen schwarzen), sondern daß es vielmehr von vornherein und ganz notwendig aus der Wahrheit heraus schafft. Das heißt aber: Hier läßt sich eben ein ganz
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Die Notwendigkeit einer besonderen noologischen Methode.
neues Prinzip ursprünglich geistigen Schaffens beobachten, das aber — und das übersieht Windelband völlig — auch für das sittliche und auch für das intellektuelle Leben von der allergrößten Bedeutung ist. Denn auch hier ist es ja nicht so, daß das eigentlich geistige Leben und Schaffen sich einfach auf das Bewußtwerden der betreffenden Normen zurückführen ließe. Auch hier gibt es vielmehr ein Schauen und Schaffen, das über alle Reflexion und allen Intellektualismus, überhaupt über alle bloße Bewußtseinspflege weit hinausliegt und das eben damit Zusammenhänge metaphysischer Art bezeugt. Es fehlt uns hier der Raum, das in die einzelnen Beziehungen auch des sittlichen und intellektuellen Lebens hinein zu verfolgen. Aber für unsere Zwecke genügen wohl auch schon die bisherigen Andeutungen, um darauf hinzuweisen, daß ebenso wie die Religion so auch schon die allgemeinste Struktur des geistigen Lebens über eine Methode hinausdrängt, die für ein Schaffen urpsrünglicher Art, für ein Schaffen aus den Zusammenhängen des Alls keinen Platz hat.
III. Grundgedanken und allgemeine Bedeutung der noologischen Methode. 1. Die Grandzüge der Methode. Von hier aus erhellt die Bedeutsamkeit der Methode E u d o l f E u c k e n s wohl schon von ihrer Problemstellung her. Denn so wie E u c k e n einerseits aufs allerbestimmteste daran festhält, daß die bloße Psychologie niemals für die Aufgaben der Philosophie genügen kann, so vermeidet er auf der anderen Seite den Fehler der transszendentalen Methode, durch endgültiges Auseinanderreißen einer kritischen und einer genetischen Betrachtungsweise ein Verständnis des Geisteslebens in seiner schaffenden Ursprünglichkeit und damit schließlich auch ein Verständnis der Religion unmöglich zu machen. Für ihn ist vielmehr von vornherein die Einheit des Geisteslebens das Grundproblem aller Philosophie, und zwar — darauf kommt hier alles an — eine Einheit, die nicht nur eine nachträgliche Einigung durch Reflexion darstellt, sondern die eine Grundtatsache des Lebens selber zum Ausdruck bringt und sich in fortwährender Tat selbst bezeugt. Noch bestimmter ausgedrückt: „Was wir fragen, ist dieses, ob der Fülle der
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Grundgedanken und Bedeutung der noologischen Methode.
Erscheinungen eine umfassende Einheit innewohne, ob vom Grunde her ein Gesamtgeschehen ausgeprägter Art wirke, ob dasselbe alles Einzelne trage, treibe und einer Gemeinsamkeit des Sinnes zuführe" „Prolegomena" S. 2. Diese Problemstellung rechtfertigt Eucken zunächst damit, daß er sie bei der Zerrissenheit der gegenwärtigen Lage als eine Notwendigkeit des Lebens aufweist. Selbst wenn der denkende Mensch die Frage nach solcher Einheit aufgeben wollte, der handelnde könnte nicht darauf verzichten. Gerade heute nicht, wo die tiefsten Gegensätze das Leben durchziehen und den innerlich selbständigen Menschen zu einer Entscheidung für oder wider zwingen. Aber auch von der besonderen Lage der Gegenwart ganz abgesehen — anders ist überhaupt keine Erhebung von traumhafter zu wacher Lebensführung möglich und keine charakteristische Determination des ganzen Lebens bis in die einzelnen Gebiete und Aufgaben hinein („Prolegomena" S. 1 ff.)- Aber — und das ist nun ebensosehr zu betonen, zumal man gerade hier Eucken meist nicht ganz gerecht wird — erst von solchen prinzipiellen Überzeugungen über das Ganze des Geisteslebens aus ist auch eine allen ihren Aufgaben gerechtwerdende Philosophie möglich, ja alle einzelnen Gebiete und Problemlösungen hängen hiervon ab. Das gilt schon für den Ausgangspunkt jeder einzelnen Untersuchung. Niemals können hier einzelne Daten als solche, auch wenn sie noch so evident erscheinen, zum tragenden Grund des Ganzen gemacht werden. Denn „alles, was geistigem
Grundzüge der Methode.
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Sein angehört, ist Teil eines umfassenden Lebensprozesses; als solcher ist kein Besonderes davor sicher, durch den Zusammenhang gegen den Anfang umgewandelt zu werden; alle Evidenz, mit der sich einzelne Phänomene dem Bewußtsein aufdrängen, schützt nicht dagegen, daß Zerlegung und Verknüpfung das Bild weit vom unmittelbaren Eindruck entfernen. Die Empfindungen von Licht und Wärme bleiben dieselben, wie immer die Theorie sie deute, die elektrischen Kräfte mögen wir nutzen bei aller Dunkelheit ihrer Erklärung; auf geistigem Gebiete aber, wo das Phänomen die Bearbeitung nicht erst nachträglich empfängt, sondern von Anfang an sein Dasein in Zusammenhängen und unter Obgewalt allgemeiner Bedingungen führt, da kann das Besondere erst in dem Ganzen endgültig Bestand und Gehalt finden" S. 102 f. Alles Einzelne bleibt darum provisorisch, bis es von dem das Ganze des Lebens umspannenden Gedanken aus seinen Sinn gefunden hat („Einheit" S. 82). Oder „was besagt z. B. die Berufung auf irgendein Postulat oder ein Datum der Ethik, wo die Ethik überhaupt in Frage steht; was läßt sich mit allen Vorgängen seelischer Innerlichkeit ausrichten, wo der Seele selbst ein eigenes Dasein abgesprochen wird?" S. 136. Darum ist es ein Irrtum anzunehmen, daß philosophische Probleme sich gerade an der Stelle entscheiden, wo die Gegner sichtbar aufeinanderstoßen. „So entbrennt ein harter Streit über den Ursprung des Erkennens, es sieht aus, als könne durch unmittelbare Auseinandersetzung entschieden werden, ob der Empirist oder der Apriorist im Rechte sei. Aber das Woher
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Grundgedanken und Bedeutung der noologischen Methode.
des Erkennens hängt an dem Was, dem Wesen und Inhalt des Erkennens, dieses aber an dem letzten Tatbestand, dem Inbegriff des Geisteslebens. Wie will man ohne ein Zurückgreifen auf das allgemeine Problem zu irgend einem Abschluß an der besonderen Stelle gelangen?" „Einheit" S. 61. Wenn wir ein bestimmtes Beispiel aus der Geschichte dafür nehmen: „Wenn Locke und Leibniz in der Lehre vom Erkennen einander schroff entgegentraten, was war der Grund als daß der Empirist das Leben lediglich in dem Bewußtsein des Einzelnen verlaufen läßt, während der Apriorist einen überlegenen Geistesprozeß zu ergreifen glaubt, der wie alle Wesenheit so alle Wahrheit in sich halte. Mußte dort alle Einsicht sich von außen durch allmähliche Anhäufung zusammensetzen, so lag hier alles daran, daß durch analytische Arbeit der Geist ins Bewußtsein hebe, was er von Haus aus im Grund seiner Natur trägt. Beide Männer und Richtungen haben sich nicht durch abweichende Reflexion verschiedene Begriffe vom Geist zurecht gemacht, sondern die Begriffe sind verschieden, weil andere Art des Geschehens ihr Interesse und ihr Denken einnimmt", weil ihnen das Grundgeschehen des Geistes in verschiedener Weise gegenwärtig ist („Prolegomena" S. l l l f . ) . „Nicht anders verhält es sich mit dem unablässig erörterten Problem der Moral. Man versetzt sich meistens unmittelbar in das strittige Gebiet, hält Phänomene gegen Phänomene und sucht an ihnen sich dem Gegner überlegen zu zeigen. Aber ein zwingender Punkt, eine unstrittige Tatsache wird so nicht erreicht. Alles, was gewonnen, läßt sich immer
Grundzüge der Methode.
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wieder durch Zurückgehen auf allgemeine Probleme in den Streit ziehen, bis ein allumfassendes Gesamtgeschehen zu einem Abschlüsse führt. Darum liegt an diesem letzten Geschehen alles. Der Empirismus wird eine empiristische Erkenntnislehre durchsetzen, er wird die Moral im alten Sinne zerstören, sofern er seine allgemeine Fassung des Geisteslebens durchsetzt; er wird dort ohne Kettung scheitern, wenn jener Fassung aus der "Wirklichkeit der Geisteswelt ein überlegener Widerstand erwächst" „Einheit" S. 61. Kurz zusammengefaßt: „Alle Entwicklung philosophischer Spekulation hat ihre Wurzel in letzten prinzipiellen Überzeugungen, in einer Gesamterfassung und Gesamtschätzung des Inhalts des Geisteslebens und seiner Stellung im All, sowie der damit erfolgenden Absteckung einer geistigen Wirklichkeit; nur unter Voraussetzung solcher Grundlage ist ein Aufbau philosophischer Systeme möglich" „Einheit" S. V. Aber kann dieser Inbegriff des Geisteslebens, wie Eucken die gesuchte. Einheit als Tatsache im Unterschiede von einer bloß reflexionsmäßig den Tatsachen gleichsam angeklebten Einigung bezeichnet, eine wissenschaftliche Aufgabe bezeichnen? und wenn ja, mit welchen Mitteln kann die Philosophie ihm beikommen? Es ist klar, daß das unter keinen Umständen auf die Art gelingen kann, daß man versuchte, die Lebenserscheinungen, wie sie bei dem ungeschiedenen Ganzen der Menschheit vorliegen, gleichsam in einer Ebene aneinanderzulegen und dann für sie eine Einheit zu suchen. Denn hier ist die Zerklüftung und der Widerstreit viel zu groß und reicht viel zu sehr bis in die letzten Fragen
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Grundgedanken und Bedeutung der noologischen Methode.
hinein. Aber eine vorläufige Erwägung zeigt auch schon, daß wir diese nächste Lage nicht einfach hinzunehmen brauchen. Denn auf jeden Fall ist es doch zunächst unser Bewußtsein, in dem aller Lebensbefund sich uns darstellt. Das Bewußtsein muß aber bald in unbedachtem Weben und Wirken der Phantasie, bald in überlegsamer Reflexion sich seine Welt erst aufbauen unter der Einwirkung einer zufälligen Umgebung und einer regellos einströmenden Welt. Dabei schiebt sich Echtes und Gemachtes, Erlebtes und Ersonnenes ohne unmittelbaren Prüfstein durcheinander, und zwar oft fehlgehende Folgerung auch bei einem gewissen gesicherten Kern. So kann der Mensch dem eigenen Bilde, wie es das Bewußtsein darbietet, nicht trauen. Aber ebenso wird auch das Geschehen selber von Schwanken und Irrtum ergriffen. Denn auch das Handeln des Menschen ist vom Bewußtsein her aufzunehmen. Zum kombinierenden Denken gesellt sich ein auf Kombination gestütztes (diskursives) Handeln; auch hier geht Wahrheit und Schein durcheinander, und der Lauf der Geschichte läßt mit seiner Anhäufung und Yerfestung der Gebilde die Verwirrung noch wachsen. So müssen wir also von hier aus in dem unmittelbar Gegebenen primäre und sekundäre Daten unterscheiden, und die erste Hauptsorge der Untersuchumg muß sein, vom Bewußtsein zum Realleben vorzudringen („Prolegomena" S. 28ff.). Aber auch damit ist die Frage nach einem Inbegriff des Geisteslebens noch nicht erledigt; auch die als primär herausgestellten Daten müssen sich erst noch eine Sichtung gefallen lassen. So ist z. B. die Selbstbehauptung des Indivi-
Grundzüge der Methode.
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duums zweifellos eine Tatsache. Aber ist sie deshalb auch schon dem eigentlichen und ursprünglichen Bestände des Geisteslebens (Eucken: dem Naturgeschehen des Geistes, wobei mit Natur aber selbstverständlich nur die Ursprünglichkeit betont werden soll!) als wesentliche Zubehör einzuverleiben? Prinzipiell gefaßt: Auch zwischen der Wirklichkeit und zwischen dem ursprünglichen Geistesleben muß die Möglichkeit eines Zwiespalts zugegeben, muß mit einer Entzweiung innerhalb des menschlichen Lebenskreises, einer Entfernung von sich selbst gerechnet werden. Zur Tatfrage gesellt sich zweitens die Rechtsfrage, und zwar wendet sich diese wie (zunächst) an den Inhalt, so auch an die Form des Geschehens. Es erwächst über das Individualbewußtsein hinaus eine eigentümliche Gesamtform des Geschehens, bestimmte Grenze und Ordnung eines Weltgefüges, ein charakteristischer Begriff der Wirklichkeit S. 81 ff. Wenn wir nun aber darangehen, von dem unmittelbar Gegebenen aus zu dieser letzten Wirklichkeit vorzudringen, dann bedürfen wir zum Gelingen unseres Unternehmens zunächst eines gemeinsamen Stockes von Phänomenen, um darauf die Gedanken wie auf einen festen Gegenwurf zu beziehen. Und zwar müssen diese Phänomene ganz bestimmte Forderungen erfüllen. Erstlich muß das Gesuchte in fester Verkörperung vor Augen treten, um der Betrachtung ein stehendes und gemeinsames Bild zu gewähren. Aber über der Verkörperung darf es die Seele nicht einbüßen, um von geistigem Tun zu berichten; seine Äußerungen müssen also das Innen-
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Grundgedanken und Bedeutung der noologischen Methode.
geschehen festhalten. Weiter kann dem, der einem allumfassenden Inbegriff nachgeht, nicht eine behebige Anzahl, nicht ein bloßes Nebeneinander von Phänomenen genügen; er muß eine Gesamtheit verlangen, die nicht gerade die ganze Ausdehnung in sich begreife, aber doch fähig sei, dieselbe gebührend zu vertreten (42f.). Damit ist zunächst ausgeschlossen, den Anhalt unmittelbar im Individualleben zu suchen, andererseits ebenso in fertigen seelenlosen Leistungen. Der rechte Anhalt ist vielmehr gegeben in dem Tun der Menschheit, in der als lebendige Tat ergriffenen Gesamtheit der geschichtlichen Entwicklung, und zwar in diesem Tun, wie es als gemeinsame Arbeitswelt sich zu einem großen Zusammenhang zusammenschließt. So vollzieht sich innerhalb des universellen Lebens eine weitere Unterscheidung: Von dem, was die Arbeit bloß begleitet und unterstützt (z. B. Skepsis), hebt sich merklich ab, was ihr als gliedmäßiger Bestandteil angehört und innerhalb ihres Ganzen ihre feste Stelle hat (z.B. Vernunftkritik) S. 43 ff. Aber ebenso muß sich auch unser Verfahren an diesen Phänomenen zu einer Ganzheit finden, die verschiedenen Methoden und Stufen der Behandlung sich einer umschließenden Gesamtansicht einfügen, und zwar muß hier der Gedanke, was immer uns angeht, gehöre einem Innenleben zu, sich tapfer bis ans Ende durcharbeiten und unerschütterlich die Forderung durchsetzen, auch das, was scheinbar jenem Leben fremd und feindlich, dahin zurückzunehmen, auch den Gegenstand der Handlung hierher zu bringen und wie alle Gegensätze so im besonderen den von Kraft und Gegenstand
Grundzüge der Methode.
mit
dem
sicht
Innengeschehen
umfaßt
zu
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umfassen.
Die
denn auch als die beiden
Innen-
notwendigen
Bestandteile der gesuchten Methode Analyse und Synthese, diese beiden so verstanden, daß die Analyse einen gegebenen bestand
Zusammenhang
prüft,
während
die
Realität
eigentümlichen
und
Synthese
vergegenwärtigt,
Gesamtgebilde einen
auf
Charakter
welche
Rechts-
vollbestimmte aller
verleihen,
Zubehör
einen
Cha-
rakter, den individuelles Meinen und Mögen nicht antasten (S. 46ff.). Wenden wir uns im einzelnen nun zunächst einer Charakterisierung des analytischen Verfahrens zu!
Die
Innensicht — dies der von Eucken geprägte terminus technicus
für den Gedanken einer Verwandelung alles
Geschehens in Innengeschehen — führt zu einer Methode der Reduktion.
„Denn indem sie den ganzen Umfang
des Lebens in Tun zurückverwandelt und alle Leistung zum tragenden
und schaffenden
Grunde
zurücklenkt,
indem sie die einzelnen Akte als Ausdruck eines Lebens versteht, mag sie alle Mannigfaltigkeit darum befragen, was von allgemeinen Bedingungen und Anlagen sie bekunde, mag sie die Leistungen nicht sowohl in ihren gegenseitigen Verhältnissen denn als Wirkung des geistigen Gesamtvermögens
würdigen.
So gewürdigt aber
die Besonderheit
des Einzelnen
die Besonderheit
wird des
Ganzen bezeugen, sich in der Gesamtheit der Erweisungen das
Ganze
charakterisieren."
Damit werden also
die einzelnen Phänomene einer zwiefachen Behandlung unterworfen.
Z. B .
das analytisch-mechanische
Ver-
fahren der Naturerklärung können wir zunächst in EntK&de, Euckens noologische Methode.
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Grundgedanken und Bedeutung der noologischen Methode.
wicklung und Leistung begleiten, können ermessen, wieweit es die Natur dem Denken unterwirft, wie nahe es den letzten Zielen des Erkennens kommt. Aber sofern dieses System in seiner ganzen Erstreckung eine fortwährende Tat ist, die mit Nachlaß des Kraftaufgebotes sofort zusammenbräche, steht es weiter da als ein Zeuge geistiger Art und geistigen Vermögens. Ebenso aber ist es auch auf den anderen nichtintellektuellen Gebieten. Das Mitleid z. B. als freitätige Teilnahme kann daraufhin betrachtet werden, was es für Leben und Gesellschaft leiste, was es wirke und nicht wirke, was es im Ganzen des Strebens bedeute, ob es etwa zum Grundprinzip des ganzen Moralsystems tauge. Daneben aber steht dann auch hier die andere Frage, was das Mitleid an seelischer Beschaffenheit enthalte und enthülle, wie es menschliches Fühlen und Tun, wie es das Verhalten von Mensch zu Mensch kennzeichne, ob in dem allen sein Verstehen die Gesamtart geistigen Lebens besser verstehen lehre. Indem aber so die Reduktion die festen und starren Gebilde in lebendiges Tun auflöst und alles Besondere als Bezeugung des Ganzen würdigt, vermag sie ein Allgemeines, das Fülle und Hast der fortschreitenden Bewegung übersehen ließ, in den Vordergrund zu bringen, ein Prinzipielles, das in der Leistung verschlossen, ja begraben war, zu befreien und zu erwecken. Dieses Prinzipielle aber, so sehr es für den tatsächlichen Stand der Einzelerscheinungen Grund und Voraussetzung bildet, muß dem erkennenden Bewußtsein doch erst aufgehen. Mit seinem Aufgehen aber wird es uns die Sache gegen die anfängliche Ansicht erheblich umwandeln, es wird
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Grundzüge der Methode.
auch an dem Alltäglichen Neues zu sehen und Neues zu fragen geben (S. 54ff.). Auf dem Boden der Reduktion gewinnt damit vor allen Dingen auch das Verhältnis von Kraft und Gegenstand eine neue Beleuchtung. Nicht treffen sie in fertiger Gestalt nachträglich aufeinander, sondern sie führen vielmehr ihr ganzes Dasein innerhalb eines umfassenden Prozesses in lebendiger Wechselwirkung: weder erhebt sich die Kraft aus vagem Hin- und Herschwanken zu sicherer Funktion, ohne von Anfang bis zu Ende auf einen Gegenwurf bezogen zu sein, noch kann der Vorwurf unserem Leben gegenwärtig sein, uns überhaupt angehen ohne das Geleite fortwährender Kraftanspannung. Auch das Gegenständliche wird so Wirkung des Tuns, die Leistung an ihm tritt unter den allgemeinen Begriff des Vermögens, und wir haben demnach nicht zwei getrennte Gebiete, sondern zwei zusammengehörige Seiten eines Geschehens vor uns. Ein solches Auseinandertreten und Sichverbinden, eine lebendige Wechselwirkung zeigt sich schon in den einfachsten Erweisungen seelischer Tätigkeit, z. B. im Urteil im logischen Sinn als dem Akt der Verknüpfung von Begriffen. Ein Doppeltes legt sich hier auseinander: 1. die seelische Betätigung, mittelst derer das Geschehen vom Lebensboden aus entwickelt und seiner ganzen Ausdehnung nach getragen wird, die Funktion, 2. die Setzung und Entfaltung eines Sachverhaltes mit eigentümlichem Sinn und eigenen Ordnungen, die sachliche oder pragmatische Leistung. Aber das, was die Analyse so trennt, darf nicht als in Wirklichkeit getrennt gelten. Denn in Wahrheit wird beides 6*
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Grundgedanken und Bedeutung der noologischen Methode.
von einem Akte umfaßt. Insbesondere ist das Gegenstück der Kraft nicht vor Tun und Leben vorhanden, sondern wird erst an und mit ihm. Nicht als sollte es damit zu einem bloßen Erzeugnis der Kraftbewegung gemacht werden, vielmehr gesellt es sich im Tun gleichen Eechtes zur Kraft, es wird durch den Akt aus der Tiefe geistiger Natur gehoben und für das existente Leben zutage gefördert. Nicht in seiner Selbständigkeit gegenüber der Kraft, nur als ein erstarrter, draußen befindlicher Gegenstand wird es beseitigt und für alle Folge aus unserer Untersuchung ausgeschieden. Aber auch die Kraft erfährt durch die Verinnerlichung ihrer Beziehung zum Inhalt erhebliche Veränderung. Sie gilt nun von vornherein darauf angelegt, eine wesentliche Vereinigung mit einem Sachverhalt einzugehen und dadurch geordnete Funktion zu werden. Endlich aber verschärft sich damit auch der Begriff des umfassenden Ganzen, der Tat als Volltat. Sie entwächst der Enge punktuellen Geschehens, indem sie sich mit zusammenhaltendem Schaffen in und über den Gliedern des Gegensatzes bekundet; sie breitet sich aus, ohne ihre Einheit aufzugeben. So wohnt diese Sonderung und Verbindung nun aber allem Tun als wesentliches Merkmal inne. Überhaupt muß alle Mannigfaltigkeit von e i n e r Tat, von e i n e m Gesamtakte getragen werden. Vor alle besondere Leistung stellt sich die Tat als Begründerin des Zusammenhanges (S. 57ff.). Zugleich bekundet sich darin eine andere Stätte des Tuns als die, wohin der Lebensprozeß gewöhnlich verlegt wird. „Jener umfassende Akt, der die Sonderung in sich trägt und die Reihen zusammenhält, ist
Grundzüge der Methode.
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schlechterdings nicht eine Leistung des unmittelbaren Bewußtseins, vielmehr findet sich dieses inmitten der Gegensätze und ohne Aussicht, sie zu überwinden, geschweige denn den Gesamtprozeß aus sich zu erzeugen. Die belebende Tathandlung, die Volltat, muß also hinter das Bewußtsein verlegt werden, die schaffende Werkstätte sich auf tieferem Grunde finden. Je mehr aber das Leben von Elementarleistungen in geschlossene Zusammenhänge des Handelns wüchse, desto mehr müßte das Geschehen die erste Ansicht überschreiten und eine grundhafte Beschaffenheit erschließen" (S. 64). Dieses diremtive Verfahren (die Auseinanderhaltung der beiden Seiten des Geisteslebens in ihrer Beziehung zu einander) ist nun aber von der größten Bedeutung für unsere Aufgabe. Denn sie bereichert und klärt, belebt und befestigt das Bild des Geisteslebens. Erweist sich nämlich an einem wohlbegründeten Phänomen eine eigenartige Sachleistung, so darf dasselbe von hier aus als ursprünglich, als primäres Datum gelten. Ist aber einmal ein eigenartiger Sachverhalt im Sichern, so zeugt er für die entsprechenden Funktionen und Funktionsgruppen: was an funktioneller Leistung sich einem unangreifbaren Sachgeschehen zuordnet, das ist auch seinerseits bloßer Meinung und flüchtigem Versuche enthoben. Wenn etwa beispielsweise das Vorhandensein eines wissenschaftlichen Systems von der Sachleistung her außer Zweifel stünde, so würde sich auch die Psychologie das dazu erforderliche Kraftaufgebot, die Verwebung und Abstufung der Vorstellungen gefallen lassen müssen. Mit Pragmatischem und Funktionellem aber zusammen würde
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Grundgedanken und Bedeutung der noologischen Methode.
sich eine Volltat, ein zusammenfassender Akt als Tatsache festlegen. Es wäre also demnach bei den Problemen wie Moral, Religion usw. anhebend zu fragen, „ob eine Sachleistung eigentümlichen Inhalts und eigentümlicher Gesetzlichkeit vorliege, ob sich ein charakteristisches Schaffen und Gestalten des Vorwurfs jenseits alles reflektierenden Tuns finde; alsdann wäre die Funktion zu untersuchen und endlich zur Volltätigkeit aufzusteigen, um zu prüfen, ob hier eine zusammenhaltende und in die Gesamtheit des Lebens einfließende Tat aufzuweisen sei" (S. 65ff). Aber das analytische Verfahren hat seine Schranken. Zunächst kann die Analyse den Stoff nicht von sich aus entwickeln, sondern sie muß ihn sich geben lassen. Nun gibt ja die Arbeitswelt einen gewissen Zusammenhang, aber sie gibt ihn nicht aus einem herrschenden Prinzipe, sondern in äußerer Verknüpfung zusammentreffender Leistungen. Nun kann die Analyse an diesem Komplex allerdings eine bedeutsame Sichtung vollziehen und in Verknüpfung ihrer Ergebnisse durchgehende Grundzüge erweisen. Aber zu einem anschaulichen Ganzen bringt sie es damit nicht; aber mit dem anschaulichen Ganzen muß sie auch vollständige Determination der Bestandteile, Belebung durch die Einheit ausgeprägter Tat, abstufende Wertmessung aus einem gemeinsamen Ziel aufgeben. Kurz, wir bedürfen für die Herausarbeitung eines Inbegriffs eines anderen selbständigen Ausgangspunktes, eines s y n t h e t i s c h e n V e r f a h r e n s , welches vom Ganzen her dem Streben zum Ganzen entgegenkäme und in Handbietung mit dem andern die Verworrenheit anfänglicher
Grundzüge der Methode.
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Lage überwände. Vorentwerfungen des Gesamtbildes, wie sie uns als Stellvertreter und als Wegweiser für das synthetische Verfahren dienen können, finden wir in den wenigstens der Absicht nach allumfassenden Realsystemen des Tuns, wie sie das universelle Leben überall da bietet, wo sich ein zugleich ausgeprägter und zur Alleinherrschaft sich aufarbeitender Kulturtypus entwickelt, den Syntagmen. (Syntagma also ein in geschichtlicher Wirklichkeit tatkräftig aufsteigendes Gesamtgeschehen charakteristischer Art, dessen Tendenz alles Dasein umfaßt, das alle Gegebenheit erhöhen möchte.) Nun bedarf allerdings das Syntagma zur Vollendung unseres Wirkens, seine Ausführung ist infolgedessen allen Bedingungen und Gefahren existenter Lage unterworfen und es muß aus unfertiger Leistung, mannigfacher Vermengung und möglicher Fehlwendung erst auf einen einheitlichen und wesentlichen Sinn zurückgeführt werden. Die Bedeutung für das Geistesleben besteht aber darin, daß es das Geistesleben weiterführt von einer bloß umrissenen zu einer ausgeführten Gestalt, daß es also allgemeine Antriebe, wie sie allem Geistesleben zugrunde liegen, aber allein es nicht zu fester Verkörperung bringen können, und besondere Gestaltung in zwingender Tat eint. Aus dem Getümmel des Kampfes, aus der bunten Fülle der Erscheinungen, ja aus scheinbarer Entfremdung schaut hier der Drang des Geistes heraus, die Ganzheit des Wesens zu erreichen, als Ziel alles Strebens sich selber zu finden. Je mehr sich aber ein solcher Typus aus umgebender Verworrenheit klar heraushebt, je mehr mit dem Ja das Nein, mit dem, was möglich, auch das, was selbstverständlich, erhellt,
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Grundgedanken und Bedeutung der noologischen Methode.
desto mehr gewinnen wir ein allgemeingültiges Prinzip synthetischer Behandlung, das eine synoptische Vergegenwärtigung des Mannigfaltigen gestattet und jene spezifische Beleuchtung, jene charakteristische Durchformung des Ganzen heranführt, welche die Analyse vermissen ließ. Die Tat der Menschheit aber, welche sich in dem Gesamtbild ausspricht, mag letzter Beurteilung immer nur ein Versuch dünken; sie ist jedenfalls kein vages Tasten, sondern wirksame Leistung, Taterweisung und als solche geeignet, zum Ausgangspunkt der Untersuchung zu dienen. Natürlich nehmen wir dabei die Untersuchung von dem Punkte, den der Lauf der Bewegung erreicht hat, aus Neuzeit und Gegenwart auf und so sind wir vor allen Dingen auf die Syntagmen gewiesen, die hier etwa wirksam sind, und zwar sind hier deren zwei ganz deutlich zu erkennen, nämlich ein naturalistisch-mechanisches, das alle Maße und Aufgaben des Geisteslebens entsprechend einer für die Außenwelt bewährten Theorie zu gestalten unternimmt, und ein intellektualistisch-noetisches, das den ganzen Umkreis des Daseins in einen absoluten Denkprozeß aufgehen lassen will. Dementsprechend gliedert sich also von hier aus die Untersuchung, der es um den Inbegriff des Geisteslebens geht, in drei Aufgaben: 1. Charakteristik der vorhandenen Lebenskonzentrationen, 2. Prüfung ihres Anspruches auf ausschließliche und letzte Gültigkeit an der Arbeitswelt mittelst des reduktiven Verfahrens, 3. (mit 2. eng verbunden) Untersuchung, ob nicht aus jener Welt andere Zusammenhänge, ja ein allumfassender Zusammenhang des Lebens aufsteigt und uns dem gesuchten Inbegriff zuführt (S. 68ff).
Eine neue Grundlegung des Idealismus.
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2. Die noologische Methode — eine neue Grundlegung des Idealismus. In dem Bericht über die Grundgedanken der noologischen Methode ist bis in die Einzelheiten hinein die Gestalt beibehalten worden, die Eucken ihnen in „Prolegomena" in Abzweckung auf die Untersuchungen über „Die Einheit des Geisteslebens in Bewußtsein und Tat der Menschheit" gegeben hat. Das hat seinen Grund nicht etwa in dem Bequemen solches Referates und auch nicht in äußerlich sklavischer Abhängigkeit von Eucken. Vielmehr scheint sich mir dieses Verfahren sachlich deshalb zu empfehlen, weil meiner Überzeugung nach Euckens ganze Philosophie, also auch seine Religionsphilosophie nur auf diesem Hintergrund voll verstanden und gewürdigt werden kann. Aus diesem Grunde gehen wir auch jetzt noch nicht gleich auf die Religionsphilosophie als solche ein, sondern verweilen erst noch kurz bei der allgemeinen Bedeutung der noologischen Methode. Um diese ganz in Anschlag zu bringen, wird es aber gut sein, den Ausgangspunkt darin zu nehmen, was auf dem Boden des Naturalismus, dieses einen heute wirksamen und gerade in der Gegenwart so mächtigen Lebenssystemes, überhaupt noch vom Geistesleben übrig bleibt. Selbstverständlich können dabei hier nicht alle einschlägigen Fragen besprochen werden — Euckens Untersuchung selbst ist viel reicher und berücksichtigt viel mehr Gebiete als das hier geschehen kann —; aber ein paar Punkte wenigstens mögen doch kurz herausgehoben werden. Zunächst das Problem der Wissenschaft.
Auch sie
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Grundgedanken und Bedeutung der noologischen Methode.
kann, wo das Geistesleben keine Selbständigkeit erhält, sondern nichts ist als Natur, die Bewußtsein gewinnt, Naturgeschehen unter den besonderen Bedingungen des Bewußtseins — und zwar nicht als schaffender, sondern bloß begleitender Potenz —, sich nicht über das Bewußtsein erheben; über dem Einzelnen liegend liegt sie nicht über den Einzelnen. Daher sind die Schranken und Gesetze jenes Bewußtseins auch Schranken und Gesetze der wissenschaftlichen Arbeit. Über den Punkt des Einund Austritts in das oder aus dem Bewußtsein kann sie kein Problem hinausverfolgen, noch auch das Bewußtsein selber zum Gegenstand weiterer Erörterung machen. Solche Einschränkung des Erkennens auf die Phänomene des Bewußtseins geht Hand in Hand mit einer inneren Wandlung seiner Ziele. Wo nur ein Nebeneinander von Erscheinungen vorliegt, kann nicht ein Ergründen, sondern nur ein Feststellen, Ordnen, Verbinden in Frage kommen. Die kausalen Begriffe müssen sich eine scharfe Sichtung gefallen lassen. Ausgeschieden wird hier die Zweckbetrachtung als eine anthropomorphe Deutung der Vorgänge, ausgeschieden auch die Beziehung von Grund und Folge als Versuch einer wesentlichen Ableitung. Es bleibt lediglich die ursächliche Verkettung in dem Sinne, daß sie durchaus keinen inneren Zusammenhang, keine sachliche Abhängigkeit der Erscheinungen, sondern nur die Begelmäßigkeit ihrer Aufeinanderfolge ausdrückt. Der Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis besteht hier in der Ausdehnung der Verallgemeinerung, in der Subsumtion engerer Gesetze unter weitere. Daß sich aber eine allgemeine Gleichförmigkeit des Geschehens finde, ist
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nicht eine Notwendigkeit a priori, sondern lediglich eine durch die Erfahrung mehr und mehr bestätigte Vermutung. Der Ertrag dieses Fortschreitens ist kein anderer als die Zurückführung vieler unbekannter Größen auf wenige und möglichst eine. Der Kern des Geschehens bleibt dabei genau so rätselhaft wie zu Anfang. Die Philosophie ist dann hier nicht sowohl eine Lehre für sich als die Zusammenfassung der Einzelwissenschaften; ihre höchste Aufgabe wird sie darin finden, die Begriffe und Gesetze der Naturwissenschaft auf den allgemeinsten Ausdruck zu bringen und sie dann den Geisteswissenschaften zuzuführen. Für Metaphysik gar in irgendeinem Sinn, sei es in dem eines Aristoteles oder Leibniz oder auch in dem eines Kant, ist hier kein Platz (S. 58f.). Aber ebenso wie alle metaphysischen müssen weiter auch alle moralischen Fragen ausscheiden. Ausbreitung der Beziehungen, Entwicklung der Kraft wird der Inhalt des Daseins, wo eine naturalistische Psychologie, eine Seelenlehre ohne Seele, für Begriffe, die ein Fürsichsein der Seele besagen, für Gemüt, Gesinnung, Überzeugung konsequenterweise natürlich ebensowenig Platz läßt wie für die, welche an der Idee der Freiheit hängen wie Handlung und Charakter. Eine Moral als Sache freier Entscheidung, als Befolgung eines überlegenen Gesetzes, als Hingebung des Selbst, als Umwandlung der Gesinnung kann es hier nicht geben. Was daher bleibt, hat weniger eine Verwandtschaft inneren Strebens mit dem, was bisher Moral hieß, als eine Analogie der Leistung nach außen (S. 47, 52, 57). Damit aber ist naturgemäß auch der Keligion die
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Axt an die Wurzel gelegt. Denn ist das seelische Dasein an ein tatsächliches Zusammentreffen von Elementen gebunden, so wird auch seine Ausdehnung das Gebiet der Erfahrung nicht überschreiten dürfen. Mit welchem Rechte könnte eine übermenschliche Geisteswelt vom menschlichen Dasein abgesondert, mit welchem Rechte Formen des Seelenlebens über die unseren hinaus behauptet werden? Auch die Dauer der seelischen Existenz wird damit lediglich auf die Erfahrung gestellt. Am wenigsten haben die Individuen, weil einmal in ihnen Seelenleben aufleuchtet, die Gewähr bleibender Existenz. Aber auch die Summe seelischen Daseins, abhängig von Naturbedingungen wie sie ist, bleibt an deren Eintreten gebunden und wird mit ihrem Wegfall erlöschen. Vermutungen bleibt dabei freier Spielraum, erweisen aber läßt sich schwerlich, daß seelisches Dasein mehr ist als ein Ausnahmefall, eine einzelne Episode des Weltprozesses (S.46f.). Und so wird denn die Religion vom Naturalismus wegerklärt als Eintragung subjektiv menschlicher Zustände in das All, als eine mit der wachsenden Einsicht in die Zusammenhänge und Gesetze mehr und mehr hinwegfallende Personifikation des Naturgeschehens. Wenn dabei die Möglichkeit der philosophischen Behauptung einer Weltvernunft jenseits der Erscheinungen offen gelassen wird, so gewinnt solche Möglichkeit, über die sich bei der Ablehnung aller Metaphysik nun einmal nichts ausmachen läßt, für das Leben und Handeln keine Bedeutung. Das einzige, was innerhalb des naturalistischen Systems eine gewisse Verwandtschaft mit religiösen Überzeugungen hat, ist die Erkenntnis der Begrenztheit des menschlichen
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Lebenskreises, seiner Kleinheit innerhalb des unermeßlichen Alls, die Erfahrung, daß eben mit der Ausdehnung unseres Kreises die Berührungen mit unerforschten Dingen sich mehren. Aber viel besagt auch das nicht. Als Urteil über den Bereich unseres Vermögens mag es einigen Einfluß auf unsere Stimmung üben, aber in die Richtung des Handelns, in die Gestaltung des Daseins greift es nicht ein; noch weniger kann es sich zu einem besonderen Lebensgebiete auswachsen (S. 56). Aber auch das zweite Lebenssystem, das Eucken auf dem Boden der Gegenwart vorfindet und untersucht, das Intellektualsystem, wie es sich im spekulativen Idealismus (Eucken: Noetismus) zu einem — wenigstens der Absicht nach — allumfassenden Gesamtgeschehen durchbildet, bietet kein Bild des Geisteslebens, das wirklich befriedigen könnte. Zunächst fällt unter diesem Gesichtspunkt zwar wohl vor allen Dingen der Gegensatz gegen den Naturalismus in die Augen. „Dort war das Geistesleben Nebengeschehen eines Naturprozesses, hier wird es das selbständige Hauptgeschehen des Alls; dort war es wie alles Vorgehen ein Zwischengeschehen an unerforschlichen Elementen, hier wird es ein ursprüngliches Grundgeschehen, das alles Sein aus sich erzeugt" (S. 109). Und dieser grundlegende Unterschied muß sich natürlich auch in alle Verzweigungen hinein geltend machen: Der Naturalismus macht den Geist zu einem Anhängsel der Natur, der Intellektualismus die Natur zu einer Stufe des Geistes, jener knüpft alles Vorgehen an die sinnliche Berührung mit der Umgebung und gibt daher dem gesamten Dasein einen sinnlich gebundenen animalischen Charakter, dieser will
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alle Wirklichkeit aus der Eigentümlichkeit des Geistes entwickeln und damit zur Eigengeistigkeit erheben. Dort entsteht der Prozeß durch das Zusammensein einzelner Elemente, welche die Bewegung mitbringen, hier dagegen umspannt ein einziges Tun alle Mannigfaltigkeit und erzeugt aus sich alle Bewegung. Dort gibt es kein selbständiges Allgemeines, hier keine selbständigen Einzeldinge; dort erwächst der Prozeß an der Außenseite eines unzugänglichen Seins und kann daher nicht in das Wesen zurückgreifen; hier dagegen, wo er alle Wirklichkeit aus sich erzeugt, muß er notwendig darauf ausgehen (S. 127f.). Daher denn auch eine ganz verschiedene Fassung und Stellung der Wissenschaft und des ganzen Kulturbegriffs. Indem die Wissenschaft dort die für die menschliche Vorstellung unterbrochene Verkettung anknüpft, wird sie kausal-mechanisch; hier dagegen, wo sie das Einzelne aus dem Ganzen begreifen lehrt, gestaltet sie sich zu einer synthetischen Entwicklung aus Prinzipien. Dort ist das Begriffliche eine bloße Abkürzung, eine Abstraktion, es behält in allem Unternehmen immer den Zug nach der Sinneswirklichkeit und wird nach den Leistungen dafür gemessen; hier dagegen bedeutet das Ideelle eine ursprüngliche Macht, seine Entwicklung muß immer weiter über die Natur hinausführen und ihren höchsten Triumph darin suchen, alle Natur in Geist zu verwandeln (S. 129f.). Aber alle diese Verschiedenheiten dürfen das Verwandte beider Bichtungen nicht übersehen lassen: Das ist die Abweisung der menschlich-persönlichen Lebensform in jeder Gestalt. Nicht nur die Hineintragung menschlicher Art in das Wesen und die Geschicke des Alls soll hinwegfallen,
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der letzte Grund der Wirklichkeit alle persönliche Eigenschaft ablegen und das Weltgeschehen nichts mehr zu bedeuten haben für die Sonderzwecke des persönlichen Lebens; auch innerhalb seines eigentümlichen Gebietes, innerhalb des menschlichen Geistes, verliert das persönliche Dasein hier wie da seinen bisherigen Sinn und Wert, es hört auf, eine eigenartige und selbstwertige Existenz zu sein (S. 119). „Aller Befund des Seelenlebens gilt hier wie da als Anhang eines kosmischen Prozesses, als abgeleitet von einem andersartigen Sein, sei es der Natur, sei es des Geistes; aus diesem Sein ergibt sich der Gehalt des menschlichen Daseins; die Zusammenhänge mit ihm zu ergreifen, das wird zur entscheidenden Aufgabe für das Denken und für das Handeln. So verwandeln sich alle Begriffe vom menschlichen Wesen, nicht minder alle Eichtungen des Tuns. Dasselbe kann nicht mehr von einem geschlossenen Subjekt auf eine entgegenstehende Welt gehen, nicht von aller Berührung mit der Welt einen Ertrag für ein Selbst verlangen, nicht auch die Entwicklung einer selbständigen Innerlichkeit, die Ausbildung einer eigentümlichen Gesinnung als Ziel verfolgen; denn alle Absonderung, alles Streben zum Fürsichsein muß hier verfehlt und völlig aussichtslos dünken." Ja in konsequentem Weitergehen führt die Bewegung wider die seelische Innerlichkeit zur Leugnung der Seele selbst (S. 120). Damit aber wird nun auch auf dem Boden des Intellektualsystems die Vollwirklichkeit und Vollwertigkeit des Geisteslebens schwer gefährdet: Wie die Philosophie selber hier ihren Kern in der Entwicklung des Denkprozesses nach seiner ursprünglichen Reinheit hat, wie sie
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Logik und als solche zugleich Metaphysik ist, so erhält von hier aus auch das Wesen der Ethik und Religion eine besondere Eigenart. Die gewöhnliche Fassung der Moral hat hier keinen Platz: Innerhalb des Denkprozesses kann sich kein Verhältnis von Person zu Person, keine Bindung des Willens durch einen überlegenen Willen finden. Alle Größen, die von daher stammen, wie der Gedanke eines Sollens, einer Pflicht usw. verschwinden. Was übrig bleibt als ein der bisherigen Aufgabe der Moral verwandtes Problem ist nur: Das Individuum mit seiner ganzen Existenz ist der allgemeinen Aufgabe, die Person der Sache zu gewinnen, die objektive Vernunft muß alle Kräfte an sich ziehen, so daß Eigenmeinen und Eigenwollen gar keinen Spielraum behalten. Diese Aufgabe aber ist nicht zu lösen durch einen bloßen Befehl, sondern lediglich durch die tatsächliche Entwicklung der Macht des Denkprozesses und die Okkupation des Menschen durch sie. Auch hier liegt die Entscheidung nicht bei einer Gesinnung, sondern in der Kraft; das ethische Problem kommt zurück auf ein dynamisches (S. 116). Entsprechend muß aber auch die Religion sich den neuen Zusammenhängen anpassen unter wesentlicher Verwandlung ihres Inhalts: Denn weder ein Verhältnis zu einer absoluten Persönlichkeit noch die Anknüpfung der Wirklichkeit an eine überlegene Welt kann in Frage kommen, wo das Denken mit seiner sachlichen Notwendigkeit das Ganze der Wirklichkeit bildet. Die Aufgabe besteht hier vielmehr darin, die Ewigkeit und Unendlichkeit des Gesamtprozesses dem sich leicht in die Zeit und Endlichkeit zerstreuenden Menschen in lebendiger Gegenwart zu halten und damit die Geistigkeit des
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Daseins zu wahren. In Verfolgung dieser Aufgabe entwickelt sich der Pantheismus (S. 116). Nun ist es ja natürlich kaum irgendwo so, daß eines dieser Systeme in seinem Vollsinn und allen seinen Konsequenzen in der Gegenwart sich durchsetzte. Immer wieder zeigt sich vielmehr dem schärfer zusehenden Blick, daß in der Regel Gedanken und Tendenzen ganz verschiedener Herkunft in einem und demselben Bewußtsein nebeneinander wohnen und erst recht im allgemeinen Durchschnittsbewußtsein der Zeit, ja daß der Durchschnitt geradezu von Vermittlungen, Unklarheiten und Inkonsequenzen lebt. Auch wofür die Theorie konsequenterweise keinen Platz mehr hat in ihrem Weltbild, darauf mag man doch nicht in allem und jedem Sinne verzichten, das will man für die praktische Gestaltung des Lebens irgendwie noch festhalten. Aber an diesem Mangel an Klarheit und Entschiedenheit hängt nun auch zu einem großen Teil das ganze Unbefriedigende unserer heutigen Kultur, ihr schillernder, unfertiger Charakter und ihre matte Art, und schon deshalb muß, einfach um des Lebens willen, gegen jene unklaren Vermittlungen angekämpft werden. Aber auch ohne das kann auf jeden Fall die Philosophie sich nicht bei jenen Halbheiten und Widersprüchen beruhigen, wenn sie ihr erst einmal zum Bewußtsein gekommen sind, sondern sie muß mit aller Entschiedenheit auf eine klare Entscheidung dringen: Entweder muß der Idealismus des Geisteslebens, der von Naturalismus und Intellektualismus in gleicher Weise gefährdet ist, sich gegen diese feindlichen Mächte neu begründen und damit zugleich neue Bestimmtheit und Kraft geK&do, Kückens noologische Metbode.
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winnen, oder aber es muß Ernst damit gemacht werden, Illusionen auch wirklich als Illusionen zu erkennen — und dann nicht zu dulden, sondern als Verfälschungen der Wirklichkeit bis zur Ausrottung zu bekämpfen. Hier aber weist nun eben die noologische Methode mit ihrem reduktiven Verfahren einen Weg zur Klärung, der über alles subjektive Mögen und Meinen, über alles Gerede von Gesichtspunkt und Standpunkt und den damit gegebenen skeptischen Relativismus hinausführt. Denn die Kritik, die sie ausübt, hat ja gerade darin ihre hauptsächlichste Eigentümlichkeit, daß sie nicht einzelne Daten entgegenhält, nicht auch bloße begriffliche Einwendungen aufbietet, sondern daß sie durch ein Zurückgehen von den Daten auf die lebendigen Kräfte alles in eine andere Beleuchtung stellt und in dem Alten Neues entdeckt, zugleich aber anderes Neue zur Geltung bringt und zu gemeinsamer Wirkung verbindet. Nicht bloß Gedanken üben so Kritik an Gedanken, sondern die Wirklichkeit selber wird hier dazu gebracht, über ihre letzten Tatbestände auszusagen. Eingeleitet wird diese Kritik durch die Besinnung auf die Art, wie die Systeme für uns Wirklichkeit werden. Denn die Syntagmen erfüllen das Bewußtsein der Menschheit ja nicht von jeher, sondern sie müssen sich erst aufkämpfen gegen ein Irriges oder doch Niederes, das den Platz einnahm; auch haben sie sich gegen ein solches, das immer von neuem anhebt, fortwährend neu zu verteidigen. Dafür bedarf es bestimmter Kräfte und Leistungen, die dann also auch für bestimmte Art und Kräfte des Geistes zeugen. Die Art des Werdens der Systeme übt selber an
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ihrem Ergebnis Kritik. Aber so geht das nun weiter, indem alle ihre einzelnen Thesen mit dem reduktiven Verfahren an der als Tatsache vorliegenden gemeinsamen Arbeitswelt gemessen werden. Zug auf Zug tritt heraus im Bilde des Geistes, immer von der Wirklichkeit selbst bezeugt, bis schließlich ein synthetisches Verfahren es wagen kann, auf Grund der durch die Reduktion sichergestellten Tatsachen ein eigenes Lebenssystem der Personalwelt zu entwerfen, das durchaus nicht in Gefahr ist — wie die gegnerischen Systeme ohne weiteres voraussetzen —, die nackte Naturexistenz des Menschen zum Mittelpunkt des Alls zu machen oder das geistige Dasein in einem subjektiven Befinden, in dem Fürsichsein eines Sonderkreises aufgehen zu lassen. Vielmehr tritt hier das Personalsein gerade als Träger einer neuen Ordnung und dadurch wertvoll ganz klar heraus. Ja in ihm muß die höchste Konzentration der Wirklichkeit anerkannt werden, in der alles Sein erst seine eigentliche Art und Tiefe findet, die darum aber auch schließlich als alle Wirklichkeit umspannende kosmische Einheit sich offenbart. Selbstverständlich ist das alles ja nun nur eine Andeutung über den Weg, den Eucken einschlägt zur Gewinnung einer neuen den kritisierten Systemen überlegenen Wirklichkeit und zur Begründung des Personalsystems, das dann von allen weiteren philosophischen Arbeiten im Wesentlichen vorausgesetzt und nach bestimmten Seiten hin weiter ausgeführt oder für das Weltund Lebensverständnis fruchtbar gemacht wird, und das bisher Ausgeführte kann und soll in keiner Weise den Anspruch erheben, Euckens System in allen seinen Einzel7*
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heiten oder auch nur nach seinen Grundzügen zu „beweisen". Dafür müßten wir vielmehr die Ableitung aller einzelnen Gedanken und Begriffe genau verfolgen und nachprüfen, was über den Eahmen dieser Studie hinausginge. Aber das geht doch wohl auch schon aus solcher kurzen Zusammenstellung hervor, wie ernst Eucken auf jeden Fall von der Seite der Methode her zu nehmen ist, und wie wenig sein neuester Vernichter, B o r n h a u s e n in seiner Schrift „Der religiöse Wahrheitsbegriff in der Philosophie Rudolf Euckens", Güttingen 1910, ihn auch nur nach seinen Grundtendenzen verstanden hat, wenn er seine Philosophie als eine Gefühlsphilosophie bezeichnet (S. 68 u. ö.) und z. B. im „Kampf um einen geistigen Lebensinhalt", den „Grundlinien einerneuen Lebensanschauung" und im „Wahrheitsgehalt der Religion" nichts als dogmatische Gefühlsbehauptungen und -forderungen findet, denen jede erkenntnistheoretische Basierung fehle (S. 80). So ist diese Schrift Bornhausens nun aber auch sonst so voll der allergröbsten Mißverständnisse, daß es hier wohl angebracht ist, wenigstens ganz kurz darauf einzugehen, um im Gegensatz dazu noch etwas genauer herauszustellen, was Eucken tatsächlich will und was er leistet. Das gilt gleich für die nähere Ausführung des Vorwurfs der Gefühlsphilosophie: daß nämlich der über die fundamentale Verworrenheit des natürlichen und dinglichen Daseins verzweifelnde Geist sich selbst mit jähem Entschluß als absolut setze und in sich das Beisichselbstsein des Lebens behaupte. „Weil ein materialistisches Denken sich von dieser überwältigenden Tatsächlichkeit der modernen Naturwissenschaft beherrschen und knechten
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läßt, glaubt ein idealistisches Denken wie das Euckens sich nur durch radikalen Bruch mit allem sinnlich Gegebenen vor dem gleichen Schicksal retten zu können. Man erhebt den Kopf in den Himmel spekulativen Denkens und behauptet alsdann, mit der Erde und ihren realen Gegebenheiten nichts mehr zu tun zu haben" (S. 18). — Gewiß ist die Tatsache festzustellen, daß Eucken allerdings immer und immer wieder mit großem Nachdruck und großer Eindringlichkeit die Zwiespältigkeit und fundamentale Verworrenheit des nächsten Daseins herausarbeitet. Aber das geschieht nun und nimmer, um sich dann „mit jähem Entschluß" darüber hinwegzusetzen und in der „Dekretierung" eines weltüberlegenen absoluten Geisteslebens den Knoten nicht zu lösen, sondern zu zerhauen. Vielmehr verfolgt Eucken damit, wo es in der Grundlegung seines Systems vorkommt, wie z. B. gleich im Anfang der Prolegomena, nur den Zweck, die Unhaltbarkeit dieser nächsten Lage und das Ungenügende der meisten Lösungsversuche zum Bewußtsein zu bringen und damit zugleich die Dringlichkeit, auf neuen Wegen neuen Problemen nachzugehen. Aber Probleme stellen heißt nun doch nicht sie damit für gelöst ausgeben, wie das Bornhausen für Eucken anzunehmen scheint. Wo aber auch auf der Höhe der Untersuchung wie z. B. im „Wahrheitsgehalt der Religion" ähnliche Erörterungen über die fundamentalen Widersprüche des Daseins wiederkehren, da haben sie hier ihre ganz bestimmte Stelle in dem methodischen Zusammenhang der Gedankenentwicklung. Hier haben nämlich die Widerstände — wir werden darauf noch zu sprechen kommen —, wenn sie im tatsächlichen Geistes-
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leben als überwunden gelten dürfen, die Leistungen des Geistes zum Bewußtsein zu bringen und damit für seine Kräfte und Zusammenhänge zu zeugen. Natürlich muß dabei im einzelnen wieder jedes Resultat oder jede Behauptung sich nachprüfende Kritik gefallen lassen, und ich bin fest überzeugt, Bücken selbst wäre Bornhausen nur dankbar, wenn er durch eine wenn auch noch so scharfe Kritik hier zur immer klareren Herausarbeitung der Wahrheit beigetragen hätte. Aber das kann natürlich gar nichts helfen, von ganz anderen Voraussetzungen aus über Eucken abzuurteilen und dafür zunächst ein Bild von ihm zu konstruieren, das in keiner Weise auch nur den leitenden Grundgedanken gerecht wird. Ebenso schief und unzulänglich wie das bisher Beleuchtete ist es nun aber weiter auch, wenn Bornhausen Euckens Standpunkt inhaltlich als einen spekulativen Idealismus charakterisiert, der das Denken zur voraussetzungslosen, ungebundenen und unabhängigen Funktion für die Schaffung der Wirklichkeit macht — eine Auffassung, die ihren klarsten Ausdruck in den Sätzen findet: „Die Umkehrung des Daseins durch das spekulative Denken: d. i. das Dogma, durch welches Eucken die Begründung der allgemein gültigen Wahrheit erreicht." „Diese Wahrheitsgrundlegung ist aber nur möglich durch eine Diktatur über die reine Vernunft, die das Denken in dogmatischem Gegensatz gegen die Welt der Dinge auffaßt" (S. 17 u. ö.) Und zwar könnte hier schon der eine Aufsatz über das „Wahrheitsproblem" in „Einführung in eine Philosophie des Geisteslebens" (S. 131 ff.), den Bornhausen hier besonders heranzieht, eines Besseren belehren;
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denn hier ist das gerade oft genug klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, daß ein auf sich selbst gestelltes, isoliertes spekulatives Denken den Bedürfnissen des Wahr-, heitsstrebens nicht genügt und nicht genügen kann. Wir können nach Euckens Überzeugung in diesem Punkt einfach nicht mehr auf den Standpunkt des Altertums zurückkehren, für das die Voraussetzung einer mit dem bloßen Denken abzubildenden fertigen Welt bestand. Freilich ist ja auch in der Neuzeit die Versuchung groß, wenn es sich darum handelt, vom Menschen aus eine Welt der Wahrheit aufzubauen, das Denken für jenes ursprüngliche Schaffen zu erklären, das den Menschen bei sich selbst über das Kleinmenschliche hinaushebt und ihn durch die Versetzung in ein Weltleben zur Wahrheit führt, und zwar sieht Eucken darin ein Gemeinsames sowohl der Aufklärung (Descartes, Spinoza und Leibniz) wie der kritischen Philosophie (Kant) wie der konstruktiven Spekulation (Fichte, Schelling und Hegel) (S. 145f.). Aber stets zeigt sich nach Eucken auch, wie dieser Glaube an das Denken auf anderen entweder irrigen oder wenigstens in ihrem Eecht nicht erwiesenen und darum nicht ohne weiteres hinzunehmenden Voraussetzungen ruht, wie also das Wahrheitsproblem noch auf eine andere Grundlage gestellt werden muß, wenn es wirklich gelöst werden soll (S. 146ff.1). Aber wenn denn nun Bornhausen in solcher 1 Wie gewaltsam dabei Born hausen in der Interpretation E u c k e n s zu Werke geht bzw. wie sehr er in allen Stücken von seinen vorgefaßten Urteilen geblendet ist, dafür nur als Beispiel sein Urteil über E u c k e n s Stellung zu Spinoza: „Spinoza bricht den wissenschaftlichen Gang der Wahrheitsentwicklung ab, be-
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immerhin gedrängteren Darstellung nicht erkennen konnte, worauf es E u c k e n eigentlich ankam, dann h ä t t e hier ein gründliches S t u d i u m der „Einheit
auch
des Geistes-
lebens" wieder nachhelfen k ö n n e n ; denn was in j e n e m hauptsächlich geschichtlich orientierten Überblick naturg e m ä ß nur in mehr gelegentlichen
Urteilen und
Aus-
blicken z u m Ausdruck k o m m e n konnte, das findet hier eine ausdrückliche u n d ausführliche Erörterung in
den
hauptet die Vernunft als Weltvernunft dem Menschen immanent und spekuliert nun auf dieser monistisch-pantheistischen Basis ein freiseh webendes Begriffssystem zusammen, das den Sinn der Wahrheit in das reine, wunschlose Denken des Menschen setzt, in dem der Mensch sich mit Gott eint, vielmehr Gott in den Menschen eingeht. Die logische Form dieser Spekulation verwirft E u c k e n durchaus und zeigt ihre Widersprüche auf. Aber dabei verbirgt sich nicht der Beifall, den er der spekulativen Absicht S p i n o z a s , die Unabhängigkeit und Voraussetzunglosigkeit eines Geisteslebens zu gewinnen, zollt. ,Aber was immer an solchen Zweifeln sich regt, es kann nicht die Größe und Notwendigkeit des Strebens S p i n o z a s verdunkeln, im Menschen selbst eine Weltnatur aufzudecken, in seinem eigenen Bereiche bloß Menschliches und Kosmisches zu scheiden; wenigstens sehen wir nicht, wie sich der moderne Mensch in anderer Weise zur Wahrheit hinfinden könnte.' In dieser Sympathiekundgebung für S p i n o z a zeigt E u c k e n deutlich, was er an dem spinozistischen Denken für richtig hält. [Nämlich nicht etwa, wie der unbefangene Beurteiler annehmen sollte: das allgemeine Streben S p i n o z a s zu einem Kosmischen im menschlichen Bereiche vorzudringen, das nur in der besonderen Fassung mißraten ist, sondern so .versteht' B o r n h a u s e n E u c k e n : ] Es ist die Behauptung der Souveränität des Denkens, das unbekümmert um seine Voraussetzungen sich für absolut und unbedingt erklärt" a. a. O. S. 12. Und so urteilt B o r n h a u s e n noch dazu, trotzdem das von ihm angezogene Zitat bei E u c k e n unmittelbar weitergeht: „Aber war es wohl richtig, daß er jene Weltnatur lediglich und allein in die intellektuelle Tätigkeit setzte und alles übrige Leben glaubte zu einer niederen Stufe herabsetzen zu s o l l e n . . ( S . 149).
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Abschnitten über „Die Schranke des Denkens" (S. 279ff.) und über „Die Zusammenhänge des Denkens und Erkennens" (S. 296 ff.), in denen Eucken gegenüber dem Noetismus die These verficht und in eingehender Erörterung begründet, „daß das Denken nur dann einen substantiellen Charakter behaupten und Träger einer Kulturwelt werden kann, wenn es noch ursprünglichere Kräfte anerkennt und sich genügen läßt, Ausdruck eines fundamentaleren und universelleren Geschehens zu sein; daß es dagegen zu bloß phänomenaler Gültigkeit herabsinkt und immer mehr aus aller Realität heraustritt, wenn es sich auf seine eigene Selbsterzeugung stellen und aus sich als einem archimedischen Punkt das All bewegen will" (S. 281). Von hier aus ist nun aber auch die für Bornhausen gänzlich unverständliche Behauptung Euckens zu verstehen und zu erklären, daß alle prinzipielle Wahrheit intellektueller Art auf einer gesamtgeistigen Wahrheit ruht, aller wesentliche Fortschritt der Wahrheitserkenntnis auf einer Weiterbildung des Lebens; daß also in erster Linie ein weltbildendes und wesenhaftes Leben für uns eine unumstößliche Wahrheit oder alles Mühen um die Wahrheit vergeblich sein muß (S. 21 f.). Einer Erkenntnistheorie, wie sie uns in ausgeführter Gestalt z. B. in R i c k e r t s „Gegenstand der Erkenntnis" gegeben ist, wie sie der allgemeinsten Problemstellung nach aber wohl auch die Billigung Bornhausens finden wird, scheint es freilich überflüssig, ja unmöglich, das Erkennen in solche weiteren und tieferen Zusammenhänge hineinzustellen, um sein Wesen und seine Geltung zu verstehen. Rickert lehnt es
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vielmehr ganz ausdrücklich ab, daß er es in der Erkenntnistheorie (mit Psychologie oder) mit Metaphysik zu tun habe. Im Gegensatz dazu will er alle Untersuchung des Erkennens darauf aufbauen, mit Hilfe eines konsequent durchgeführten erkenntnistheoretischen Zweifels das herauszustellen, was unbedingt unbezweifelbar ist und darum die alles tragende Grundlage sein kann. Aber gerade Rickerts Philosophie scheint es mir nun auch unwiderleglich zu beweisen, daß dieser Weg wieder zweifellos sehr wertvoll und verdienstlich ist, um die Anmaßungen des Positivismus zurückzuweisen. — Denn dafür genügt es eben und empfiehlt es sich deshalb, das Mindestmaß dessen herauszustellen, was jeder bewußt oder unbewußt anerkennt und anerkennen muß, wenn er überhaupt Wahrheit sucht und urteilen will. — Aber eine andere Frage ist, ob dieses Mindestmaß nun auch zur Norm und zum Maßstab des Ganzen gemacht werden darf, oder ob es auch nur möglich ist, von hier aus dem wirklichen Erkennen in. seinen tatsächlichen Leistungen gerecht zu werden. Und diese Frage muß m. E. mit aller Entschiedenheit verneint werden. Man vergleiche dafür nur die Ablehnung de» „Begriffsrealismus", der in den Resultaten der Naturoder Geschichtswissenschaft mehr sehen will als eine begriffliche Vereinfachung und Zurechtlegung einer für den menschlichen Geist sonst extensiv und intensiv unübersehbaren Mannigfaltigkeit. Das wird doch weder der Tatsache der Technik gerecht als der praktischen Bewährung der Naturwissenschaft noch auch den Problemen des Geisteslebens, wie sie z. B. in der Geschichtsphilosophie durch das Verhältnis zwischen Gegenwart und Geschichte
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aufgegeben sind und in Leistungen des Lebens auch tatsächliche Lösungen gefunden haben. Nun stimmt aber auch Eucken darin mit Eickert vollständig überein, daß auf jeden Fall der alte naive Wahrheitsbegriff, der die Wahrheit in der Übereinstimmung unserer Vorstellungen mit einer draußen befindlichen Wirklichkeit setzt, für uns unhaltbar geworden ist. Denn wie sollte das, was als etwas schlechthin Fremdes draußen ist, in einer adäquaten Nachbildung in uns hereinkommen? oder wenn selbst — wie sollten wir diese Übereinstimmung konstatieren und als Maßstab benutzen können ? So muß also die Wahrheitsbegründung für uns eine andere werden. Ja mehr noch: wenn trotzdem überhaupt das Erkennen in seinem Vollsinn festgehalten werden soll als ein gegenständliches Erkennen, als eine Bereicherung und Vertiefung des Lebens durch die in ihm sich vollziehende Erschließung einer Welt sachlicher Werte — und das allein entspricht den Bedürfnissen des Wahrheitsstrebens wie den tatsächlichen Leistungen, wie sie in der Welt der Kultur vorliegen, — dann muß vor allem anderen eben das zum Problem gemacht werden, wie überhaupt das Erkennen und sein Gegenstand, wie Funktion und Sache zusammenkommen können. Und hier hegt die Bedeutung dessen, was Eucken als die prinzipielle Frage vor alle Einzelfragen stellt und wofür ohne Metaphysik einfach nicht auszukommen ist, und die Antwort darauf muß mit Euckens Philosophie lauten: Welt und Geist können sich nicht fremd gegenüberstehen, nicht wie ein Außen und ein Innen durch eine unüberbrückbare Kluft voneinander geschieden sein. Auch im Erkennen bleibt der Geist immer bei sich selbst, d. h. alle einzelnen Er-
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kenntnisakte werden umfaßt und getragen von einem Funktion und Sache gleichermaßen umfassenden Wesen des Geistes. Das soll natürlich nicht etwa heißen, wie Bornhausen das interpretiert, daß die konkreten Objekte ihre Bedeutung für den Geist verloren hätten. Wenn z. B. im spekulativen Idealismus der bloße Akt des Denkens allen Inhalt selbst erzeugen soll, so lehnt das Eucken unbedingt ab, z. B. Einheit S. 287 f. Das Denken ist wohl die umfassende Werkstätte der Geisteswelt, aber niemals auch ihr Schöpfer (S. 297ff.). Überhaupt muß der individuelle Geist erst seine eigene Tiefe finden und herausarbeiten und das kann nur geschehen durch die Arbeit an den Dingen und durch den Zusammenschluß aller Arbeit in einem umfassenden Lebenswerk — das wird gerade auch im „Wahrheitsgehalt der Religion" sehr eindrucksvoll als einziger Weg zur Geistigkeit zur Anschauung gebracht (S. 93ff.). — Aber daß das für das Individuum und für die einzelnen konkreten Akte überhaupt möglich ist, das ist eben die fundamentale Tatsache, die vor allem der Erläuterung bedarf und die sie, wie schon oben ausgeführt, darin findet, daß der Begriff des Geistes sich über die bloß funktionelle Seite hinaus erweitert zu einem auch die Sache mit umfassenden. Daß aber im einzelnen wirklich diese Stufe der Volltat, also die Stufe der Wahrheit, erreicht ist, das muß sich dann dadurch erweisen, daß einerseits der (als wahr zu erweisende) Gedanke das ihm zustehende Gebiet nicht mit vager Ansicht von draußen her betastet, sondern in die ganze Mannigfaltigkeit desselben eingeht, alle seine Fügung und Gliederung in die Erklärung aufnimmt und sich durch fortschreitende Aufdeckung
Eine neue Grundlegung des Idealismus.
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neuer Wahrheiten fruchtbar zeigt; daß andererseits aber bei solchem Einarbeiten in den Stoff der zu Beginn noch unvollendete, mehr entworfene als ausgeführte Gedanke sich entwickelt und weiter und weiter determiniert, bis er nach allen Seiten vollbestimmt ist. Die gegenseitige Durchdringung und Fortbildung von Gedanke und Gegenstand, die durch die präzise Beantwortung erfolgende Weiterführung der durch die Vermutung nur im Umriß gestellten Frage, ist ein Ertrag gegen die anfängliche Lage, den nicht bloßes Mögen und Meinen, sondern nur der Tatverhalt zu bringen vermag, der daher als Bestätigung des Versuches gelten darf" (Prolegomena S. 24f.). Blicken wir von hier aus nun noch einmal auf die Auseinandersetzung mit Bornhausen zurück, so darf wohl zunächst das als Resultat registriert werden, daß die allgemeinphilosophischen Einwendungen Bornhausens gegen Eucken auf jeden Fall als nicht stichhaltig, meistens vielmehr einfach als Mißverständnisse beurteilt werden müssen. Aber zugleich hat die Kritik wohl auch schon der positiven Würdigung des Werkes Euckens gedient, indem sie wenigstens für das intellektuelle Gebiet nachgewiesen hat, wie gerade Euckens Position einem Idealismus des Geisteslebens erst die Grundlage gibt. Aber das reicht nun auch über das intellektuelle Gebiet hinaus: überall stoßen wir auch in den anderen Provinzen geistigen Lebens, wenn wir nur weit genug zurückgehen, auf Probleme prinzipiellster Art, die nur in einem Personalsystem wie dem Euckens ihren Sinn voll entfalten und ihre letzte Begründung finden können. Für die Geschichtsphilosophie ist das vorhin schon angedeutet worden: ohne eine dem
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Grundgedanken und Bedeutung der noologischen Methode.
bloßen Prozeß überlegene Einheit und eine darauf gestellte Metaphysik ist hier einfach nicht auszukommen. Nicht anders ist das nach anderen Seiten hin mit der Ästhetik: welche Klärung erhält hier z. B. die alte Streitfrage über das Verhältnis von Form und Gehalt von dem Begriff der Volltat aus mit ihrer Umspannung von Funktion und Sache. Aber auch die Probleme der Moral und überhaupt der Kultur sind nicht ausgeschlossen: auch für sie ließe sich nachweisen, was Eucken allgemein als Maßstab für die Wahrheit seiner Lebensanschauung aufgestellt hat (Einführung S. 157), daß nämlich nur von ihr aus voll verständlich wird, was unser Leben an Inhalt und Werten entfaltet, und daß dieses Leben selbst andererseits erst durch Einfügung in diese prinzipiellen Überzeugungen seine volle Determination und charakteristische Bestimmtheit erhält. Doch es ist nicht möglich, das hier weiter auszuführen, da es sich uns hier ja erst wesentlich um das Problem der Religion handelt, und da es Zeit wird, endlich ausdrücklich darauf einzugehen. Ich erinnere also für die eben angeschnittenen Fragen nur noch an die Kritik, die T r ö l t s c h unter ähnlichen Gesichtspunkten an der H e r r m a n n s c h e n Ethik übt „Grundprobleme der Ethik" (Z. Th. K. 1902 S. 44ff., 125ff.) und an Golds t e i n „Das Kulturproblem der Gegenwart" 1899.
IV. Die noologische Methode und das Problem der Religion. 1. Euckens Begründang der Religion nach ihren Grundzügen. Unter den Einwänden, die gegen Euckens Religionsphilosophie erhoben werden, findet sich grundlegend auch der, daß Eucken es an einer klaren und eindeutigen Fixierung des Gegenstandes der Untersuchung fehlen lasse. So behauptet z. B. W a l t e r : „Eucken . . . spricht in seinen Schriften wohl gelegentlich von den Problemen und den Behauptungen der Religion und sagt, was dazu gehöre; allein eine eigentliche Auseinandersetzung über das Wesen der Religion finden wir nicht. Dies ist um so mehr zu bedauern, als wir es zunächst diesem Mangel zuschreiben müssen, daß bei Eucken der Begriff ,schillert'. Bald ist ihm .Religion' identisch mit Geistesleben... bald ist sie ihm nur ein Stück des Kulturlebens" („Eine neue Begründung der Religion" 1906 S. 65). Ähnlich und z. T. noch schärfer urteilt auch Bornhausen wenigstens über einen wichtigen Abschnitt der Religionsphilosophie: „Eucken arbeitet in seinen Schilderungen von der universalen Religion mit einer so weitgehenden Identifikation
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Die noologische Methode und das Problem der Religion.
von Religion und Geistesleben, daß man schlechterdings nicht imstande ist, beide klar voneinander zu teilen. Die individuelle Basis der Religion wird ganz verloren; es handelt sich ihm nur um ein universales religiöses Fühlen, das die Absolutheit des Geisteslebens beherrscht. Doch deswegen will nun Eucken nicht, daß das Geistesleben als Obergröße und Quelle der Religion erschiene; es wird ebenso die Religion für einzige Kraft und beherrschende Seele des Geisteslebens erklärt. So geht ein Wogen und Weben unklarer Begriffsinhalte hin und her, die sich verdichten in dem schemenhaften Ausdruck: „Religion des Geisteslebens" (a. a. O. S. 37). Nun werden die hier erhobenen Vorwürfe z. T. erst später ihre Behandlung finden können, vor allem das Verhältnis zwischen universaler Religion und individueller Frömmigkeit. Z. T. lassen sie sich auch auf ein bloßes Mißverständnis der Terminologie zurückführen, so die von Bornhausen gerügte Unsicherheit in der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Religion und Geistesleben: Das eine Mal handelt es sich für Eucken hier nämlich um das absolute Geistesleben in seinem überweltlichen Beisichselbstsein, absolutes Geistesleben hier also gleich absolutem Geist genommen und d. h. schließlich gleich Gott, und hier ist natürlich dann das absolute Geistesleben stets Obergröße und Quelle der Religion: Religion kommt zustande, indem der Mensch auf diese Offenbarung Gottes eingeht, die in sein Leben hereinwirkende höhere Welt ergreift und in bewußter Tat sein ganzes Leben darauf aufbaut. Andererseits aber wird diese Religion dann in Beziehung gesetzt zu dem — nun nicht absoluten, sondern — im menschlichen Kreis erst in der
Euckens Begründung der Religion nach ihren Grundzügen.
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Entfaltung begriffenen innerweltlichen Geistesleben, und hier muß sich natürlich das Verhältnis zwischen Religion und Geistesleben geradezu umkehren: Die Religion muß für die Kraft und beherrschende Seele des Geisteslebens erklärt werden, sofern dieses für Eucken eben erst in der Religion seine letzte Begründung und Befestigung erhält. — Aber auch wenn wir nun das alles, so wie wir müssen, in die Rechnung mit einstellen, auch dann legen immerhin jene Ausstellungen doch den Verdacht nahe, daß das, was Eucken will, in seinen Ausführungen nicht so klar unb bestimmt zum Ausdruck kommt, wie es gemeint ist, und so wird es sich empfehlen, zunächst einmal die religionsphilosophischen Gedanken Euckens nach ihren Grundlinien uns zu vergegenwärtigen, ohne daß wir dabei auf alle unter anderen Gesichtspunkten gewiß auch sehr wichtigen und wertvollen Einzelheiten eingehen, und auch ohne sklavische Abhängigkeit von der Darstellung Euckens. Wo das, wie bei der Außerachtlassung der Scheidung einer universalen und charakteristischen Religion, zugleich eine Kritik dieser Ausführungen des Philosophen darstellt, wird es später noch ausdrücklich gerechtfertigt werden. Die erste Frage muß dabei sein, wie Eucken überhaupt zu einem Begriff der Religion kommt, der dann der Behandlung der Wahrheitsfrage zugrunde gelegt werden kann. Denn schon hier — ich erinnere an die Ausführungen über Religionsphilosophie und Psychologie — muß die noologische Methode ihre erste Probe ablegen. Allerdings setzt diese Methode nicht sofort ein, wenigstens nicht grundsätzlich und beherrschend. Indem nämlich Eucken einfach von der gegenwärtigen Lage und dem Stand der K a d e, Euckens noologifiche Metbode.
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Die noologische Methode und daa Problem der Religion.
Religion in ihr ausgeht, mag der Begriff der Religion hier zunächst in dem Sinne genommen werden, wie er nicht gerade den Durchschnitt, aber doch eine gewisse Höhe des geistigen Bewußtseins der Gegenwart einnimmt. Selbstverständlich kann dieser Religionsbegriff zunächst nicht mehr als die Dignität eines psychologisch-historischen Begriffs in Anspruch nehmen, und er bedarf darum erst noch der Rechtfertigung und vielleicht auch der Modifikation, um der Religionsphilosophie das thema probandum zu stellen, also die quaestio facti endgültig zum Abschluß zu bringen. Immerhin — für einen Überblick über die gegenwärtige Lage und als Hebel für die weitere Untersuchung genügt jene vorläufige Fixierung. Bei einer Durchleuchtung der Gegenwart mit diesem Begriff fällt nun aber zunächst wohl ganz unvermeidlich eine weithin reichende Abwendung von der Religion ins Auge: In dem von der modernen Natur- und Geschichtswissenschaft und von der modernen Kultur mit ihrem unpersönlichen Charakter bestimmten Weltbilde hat der Gottesglaube, hat die Überzeugung auch nur ganz allgemein gesprochen von dem Hereinragen einer neuen weltüberlegenen Wirklichkeit in den menschlichen Daseinskreis keinen Platz, und in dieselbe Richtung weist auch die ganze Lebensstimmung und Lebensauffassung: auch das Bedürfnis des Menschen nach Religion fällt ganz und gar fort, wo der neue realistische Lebenstypus die Wirklichkeit einnimmt, für den die moderne Naturwissenschaft samt der Technik und dem praktisch-politischen Wirken in der Gesellschaft den Kern bilden. Aber doch stellen diese zweifellos in keiner Hinsicht zu leugnenden Tatsachen nun nicht den ganzen Tat-
Euckens Begründung der Religion nach ihren Grandlagen.
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bestand dar, denn sonst müßte die Religion allmählich aus dem geistigen Leben verschwinden, zum mindesten aus dem Leben der innerlich lebendigen und selbständigen Geister. Aber das gerade Gegenteil ist der Fall: Gegenüber allem Widerstand und allem Abfall behauptet sich die Religion auch heute noch und beweist schon dadurch ihre Kraft; ja bei den geistig lebendigen und führenden Geistern zeigt sich heute geradezu eher eine verstärkte Hinwendung zur Religion oder mindestens ein neues Verlangen, eine neue Sehnsucht nach ihr. Aber es ist auch leicht einzusehen, warum es nicht nur so ist, sondern so sein muß. Denn überall dort, wo sie sich rein in allen ihren Konsequenzen durchsetzt und nicht praktisch von geistigen Mächten zehrt, denen die Theorie kein Recht mehr zugesteht, da wird der Glaube an die Allgenugsamkeit der modernen weltfrohen und selbstbewußten Kultur stark erschüttert: sie müßte ja bei konsequenter Durchführung ihrer Grundgedanken wie die Religion so überhaupt allen Idealismus, alle Größen wie Handeln, Gesinnung, Innerlichkeit und damit alle moralischen und eigengeistigen Werte zerstören und schließlich dem Leben allen Sinn und alle Einheit nehmen. Aber auch weiter noch: auch dabei ist es nicht einmal möglich sich zu beruhigen, etwa die Religion auf der einen Seite preiszugeben, aber ebenso auch jene einseitige und ungenügende moderne Kultur und dafür einen Idealismus einzutauschen, der Moral, Kunst und Wissenschaft in sich aufnimmt, dabei aber ganz in sich selber ruht. Dafür ist der Widerspruch viel zu groß, der sich auftut zwischen den Aufgaben und Forderungen eines in seinem Vollsinn genommenen Idealismus und 8*
116 Die noologische Methode und das Problem der Religion.
zwischen der bloßmenschlichen oder allgemeiner natürlichsinnlichen Wirklichkeit. Von dieser Wirklichkeit führt kein unmittelbarer Weg zu jenem Geistesleben. Und so sieht sich denn schließlich der Denker, der rücksichtslos alle Polgerungen zieht, vor das Dilemma gestellt, entweder das Geistesleben mit seinen Forderungen und Ansprüchen als Überspannung und bloße Illusion abzuweisen und dann überhaupt auf einen Sinn und Gehalt des Lebens und der Welt zu verzichten, oder aber, wenn er das nicht will oder nicht kann, dann dafür in einer weltüberlegenen Wirklichkeit, in einem gegenüber dem menschlichen Daseinskreise selbständigen, aber in diesen Kreis lebendig hineinwirkenden absoluten Geistesleben eine neue Begründung und Befestigung, ja auch nur einen Anhalt für seine Möglichkeit zu suchen. Das heißt aber: zum mindesten das Problem der Religion erlangt damit einen neuen Stand. Die Religion mit ihrer Zerlegung der Wirklichkeit in zwei Welten erscheint nun nicht mehr als eine Ausgeburt kindlicher Phantasie, nicht als eine Flucht in ferne und fremde Welten, sondern als eine unentbehrliche Gehilfin des Menschen in dem schweren, äußerlich fast aussichtslosen Kampfe um ein geistiges Selbst, um eine Seele und einen Sinn seines Lebens. Zugleich aber erhält sie nun auch charakteristischen Inhalt und Bestimmtheit: Wenn es sich dabei also immer um den Menschen in seinem Verhältnis zur Geisteswelt handelt und nicht um sein bloßsinnliches Glück, dann muß eben auch die Religion sich noozentrisch und nicht anthropozentrisch orientieren; eine Religion des Geisteslebens muß sich klar und deutlich abheben von einer Religion des bloßen Menschen. Nicht als sollte der
Euckens Begründung der Religion nach ihren Grundlagen.
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individuelle Mensch damit in dem Sinne aus dem Zentrum der Religion verdrängt werden, in dem alle naturwüchsige Frömmigkeit ihn uns immer darin zeigt, daß nämlich alle Religion immer eine Angelegenheit der einzelnen Seele mit ihrem Gott ist und daß Bie diese beiden Pole hat, eine unbedingte Hingabe an Gott und seine Zwecke, ja ein Aufgehen darin einerseits, aber eben darin andererseits zugleich auch den Gewinn eigenen höchsten Lebens. Im Gegenteil, je tiefer das Problem der Religion erfaßt und in seinem Vollgehalt erschöpft wird, desto mehr erweisen sich die Nöte, die zur Religion drängen, — auch in der Darstellung Euckens — als bis in die Tiefen der Seele hineinreichend und desto mehr gewinnt damit das, was als Religion fixiert wird, alle jene spezifischen Züge, wie sie das ganz eigenartige Verhältnis der Seele zu ihrem Gott charakterisieren. Aber niemals kommt der Mensch für die Religion, für die allein der Versuch eines Wahrheitsbeweises einen Sinn hat und von der aus auch die niedereren Stufen allein positiv gewertet werden können, als bloßes Naturwesen in Betracht oder als solches wenigstens nicht primär, sondern grundlegend immer als Träger des Geisteslebens, als Glied und Mitarbeiter an einer Wirklichkeit höherer Ordnung. Wie Eucken das gelegentlich auch einmal sehr treffend unterscheidet: Nicht um den physischen, sondern um den metaphysischen Lebensdrang geht es in der Religion. Natürlich wird es ja nun noch zum Gegenstand der Diskussion gemacht werden können, wieweit es Eucken wirklich gelungen ist, auf diesem Wege dem Bedürfnis und der Eigenart der individuellen Frömmigkeit gerecht zu
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Die noologißche Methode und das Problem der Religion.
werden. Aber fürs erste mag es uns genügen, daß wir jetzt auf jeden Fall vor einen ganz klaren und eindeutigen Religionsbegriff gestellt sind, den wir mit Eucken grundliegend etwa dahin umschreiben können, daß es sich in der Religion um die lebendige Gegenwart einer höheren Welt in unserem Bereich handelt, und daß dieses weltüberlegene absolute Leben uns nicht nur mit seinen Wirkungen berührt, sondern daß wir es als Ganzes ergreifen und uns aneignen, unmittelbar an der Absolutheit göttlichen Lebens teilhaben und dadurch auch selbst ein neues, echtgeistiges Leben gewinnen können. Die weitere Frage wird also sein, wie Eucken diese Behauptung der Religion begründet. Hier legt sich von der Herausarbeitung des Problems her ein Gedankengang nahe, der bei aller Verschiedenheit der Terminologie und in nicht wenigen Punkten auch der ausschlaggebenden Interessen in den Grundzügen doch dem von Theologen vielfach eingeschlagenen Wege der Religionsbegründung sehr ähnlich ist. Wenn nämlich einmal das Dilemma gilt: entweder alles Geistesleben mit all seinen Forderungen, Ansprüchen, Größen und Werten ist preiszugeben, weil es ohne Begründung in einem weltüberlegenen absoluten Geistesleben alles Recht und alle Möglichkeit verliert, oder aber das gesamte geistige Leben hat seine Neubegründung und Befestigung in der Religion zu suchen, dann scheint doch die Entscheidung sehr leicht; denn der Ausweg ist auf jeden Fall gänzlich undenkbar, auf geistiges Leben in allem und jedem Sinne zu verzichten, wie das denn auch niemals und nirgends wirklich konsequent geschieht. So scheint damit aber das andere Glied
Euckens Begründung der Religion nach ihren Grundlagen.
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des Dilemmas alle nur wünschenswerte Bekräftigung und Bestätigung zu erhalten: Also Religion! Tatsächlich finden sich denn auch bei Eucken ganz ausführliche Nachweise, wie in der Tat das ganze Geistesleben in aller seiner Verzweigung unhaltbar wird und zusammenbricht, wenn es nicht als Ganzes in der Grandtatsache der Religion wurzelt, wie darum aber auch umgekehrt bewußt religiöses Leben erst das sonst Verschleierte zu voller Klarheit, das sonst Zerstreute zur Einheit führt, mit solcher Erhebung ins Prinzip aber eine Umkehrung des Lebens vollzieht, die auf alles frühere Dasein belebend, erhöhend, bereichernd, weiterbildend und befestigend zurückwirkt; und diese Erörterungen werden gleich in der Überschrift als Erweisung und Bewährung der Religion eingeführt. Aber wenn ich Eucken recht verstehe, dann kommen für ihn diese Nachweise doch immer erst in zweiter Linie, so wichtig sie ihm an und für sich offenbar sind; als Hauptaufgabe der Religionsphilosophie erscheint aber vielmehr, ehe wir der Religion in die Verzweigung des Lebens folgen, das Grundfaktum resp. die Grundbehauptung selber sicher zu stellen, daß überhaupt ein absolutes Geistesleben in unseren Bereich hereinragt, und zwar so hereinragt, daß wir es als Ganzes ergreifen und uns aneignen können. Eine Verständigung darüber aber ist um so wichtiger, als hier die Behauptung der Religion — erst recht wenn sie sich in der religiösen Spekulation voll entfaltet — unmittelbar mit der Gedankenwelt der Wissenschaft zusammenstößt und die Religionsphilosophie darum eine Auseinandersetzung damit gar nicht entbehren kann.
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Die noologisohe Methode und das Problem der Religion.
Selbstverständlich ist die damit geforderte Begründung der Religion auch wieder bloß vom Lebensprozeß aus zu gewinnen. Denn das ist ja für den allgemeinphilosophischen Standpunkt Euckens gerade das Bezeichnende, daß dieser Lebensprozeß alles zu tragen hat, daß also auch alle Begriffe vom Sein nur von hier aus zu gewinnen sind. Andererseits entspricht das aber auch einzig und allein den Bedürfnissen und Forderungen der Religion. Denn selbst angenommen, daß nicht schon philosophische Bedenken gegen jeden derartigen Versuch erhoben werden müßten, würden Begriffe von der Gottheit, die durch reine ontologische Spekulation abgelöst vom unmittelbaren Lebensprozeß gewonnen wären, im besten Falle vielleicht eine religiöse Weltanschauung ergeben, aber niemals Religion, für die es gerade wichtig ist, daß Gott sich im Lebensprozeß selbst manifestiert. Im einzelnen aber führt Eucken seinen Nachweis in zwei Stufen. Zunächst reflektiert er einfach darauf, daß das Geistesleben als Ganzes mit seinen Ansprüchen und Forderungen im schroffsten Widerspruch steht zu der empirischen menschlich-natürlichen Wirklichkeit und daß es sich trotzdem aufringt und mehr und mehr jene natürlichsinnliche Wirklichkeit überwindet und ihr eine ganz neue Wirklichkeit entgegensetzt. Inmitten aller Zerstreuung erhält sich eine vom Reich der Zerstreuung aus schlechterdings unbegreifliche Bewegung zur Einheit. Die Inhalte und Werte des geistigen Lebens mögen vom Menschen noch so für seine Zwecke zurechtgemacht werden, sie widerstehen einer völligen Anpassung an die menschliche Lage,
Euckens Begründung der Religion nach ihren Grundlagen.
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sie treten immer wieder aus der Verdunkelung heraus und üben ihrerseits eine Gegenwirkung gegen jene Lage. Das Geistesleben erweist inmitten aller Hemmung auch ein Vermögen, das Niedere an sich zu ziehen, ihm die Kraft zu entwinden, es vom Höheren aus zu veredlen. Wie sollte das aber möglich sein, wenn nicht unter Voraussetzung einer wirksamen Gegenwart eines überlegenen Geisteslebens in unserem Kreise. Vor allem aber muß das hier als das große Wunder, in dem sich die Gegenwart einer neuen Welt mit aller Klarheit bekundet, anerkannt werden, daß im einzelnen Menschen selbst autonomes persönliches Leben werden kann und tatsächlich wird. Das bedeutet eine volle Umkehrung der Wirklichkeit, das Durchbrechen einer höheren Wirklichkeit bei uns und in uns; und so findet schon von hier aus die allgemeinste Grundbehauptung der Religion ihre Begründung. Denn Autonomie ist rechtverstanden ein Selbständigwerden aus der Kraft und Gegenwart des Ganzen. Aber dazu eröffnet auch das Geistesleben selbst, das hier noch nicht genauer durchleuchtet, sondern mehr nur hingenommen worden ist, bei genauerem Zusehen weitere Ausblicke, sofern es der Stufe der Gerechtigkeit und der Leistungen an der Welt, überhaupt der Kultur eine Stufe der reinen Innerlichkeit entgegensetzt bezw. jene Stufe durch diese überbietet. Das mag dem noch nicht viel sagen, der eine Innerlichkeit, die sich zur Innenwelt mit substantiellen Inhalten und Gütern erweitert, und subjektives Fürsichsein mit seiner bloßen Zuständlichkeit nicht zu unterscheiden weiß. Aber ganz anders wird es,
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Die noologische Methode und das Problem der Religion.
sowie diese Unterscheidung in das helle Licht des Bewußtseins tritt und in ihrer vollen Schärfe empfunden wird, wie das bei der Entwicklung echt geistigen Lebens unbedingt der Fall ist: Unter den erschütterndsten Eindrücken der Hemmungen, denen das Geistesleben in der Welt ausgesetzt ist und unter Verzicht auf ein Gelingen der ganzen Weltarbeit kann doch geistiges Leben aufrecht erhalten werden und wird tatsächlich aufrecht erhalten. Eine rein bei sich selbst befindliche Innerlichkeit arbeitet sich auf und verwandelt das in einen Gewinn für sich, was für die Arbeit ein bloßer Verlust war. Ja aufs Ganze der Geschichte gesehen gibt es Zeiten, wo besondere Schicksale alle Kulturarbeit stocken ließen, ja rückläufig machten und die trotzdem nicht geistiger Leere verfielen, sondern in anderer Richtung ein großes und wertvolles Leben entwickelten. Z. B. die Epoche des ausgehenden Altertums war nach der Kulturleistung gemessen höchst unergiebig, ja unerquicklich; aber diese Epoche ist es, die in unserem Völkerkreise zuerst das Seelenleben zu voller Selbständigkeit brachte und über alle bloß subjektive Innerlichkeit hinaus zu einer Innenwelt vordrang. Das alles aber ist doch einfach nicht zu verstehen, wenn nicht über alle Leistung an der Welt hinaus in der reinen Innerlichkeit die Seele an einem göttlichen Leben Anteil und dadurch tiefsten Gehalt und Wert gewinnt. Und so müssen denn diese Tatsachen die Begründung der Religion erst noch auf die Höhe führen; zugleich gewinnt die Behauptung der Religion hier erst ihre volle Determination dahin, daß Gott uns ganz unmittelbar als lebendige Persönlichkeit in der Tiefe unserer Seele und unserem reinen Beiunsselbstsein gegenwärtig ist und daß es also ein Ver-
Universale und charakteristische Religion.
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hältnis innigster wechselseitiger Gemeinschaft mit ihm geben kann. 2. Universale nnd charakteristische Religion. Wenn es sich nun darum handelt, Euckens Religionsphilosophie kritisch zu beurteilen, so muß zunächst zur Vervollständigung unseres Referates darauf eingegangen werden, daß Eucken selbst die beiden Stufen in der Begründung der Religion, die wir unterschieden haben, — die, die vom Geistesleben als Ganzem ausgeht, und die, welche die Entwicklung einer selbständigen Innenwelt zur Grundlage hat, — als universale und charakteristische Religion gegen einander verselbständigt. Allerdings ist diese Verselbständigung auch für Eucken nur eine relative. So stellt er selbst fest, daß es auf dem Boden der Geschichte niemals eine selbständige Religion universaler Art gegeben hat und daß eine universal-religiöse Denkweise stets rasch in Sinken und Auflösung geraten ist, sobald sie allen Zusammenhang mit einer charakteristischen Art aufgab. Überhaupt gibt es sicherlich nicht zwei Religionen, sondern nur eine einzige, die die beiden Arten als verschiedene Stufen in sich faßt (Wahrheitsgehalt S.303, 3. Auflage S. 289). Immerhin hält Eucken es aber doch für eine typische Entwicklung, was er offenbar in einer Art Selbstbekenntnis so schildert, daß im geschichtlichen Verlauf bei Völkern und Individuen die positive Religion den Ausgangspunkt zu bilden pflege; dann aber entwickle sich eine allgemeine Denkart und übe am überkommenen Bestände eine Kritik, die zunächst vorwiegend negativ aus-
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Die noologische Methode und das Problem der Religion.
fällt, um schließlich wieder zu einer positiven Würdigung zu führen (S. 803). Die universale Religion würde hier also für die psychogenetische Betrachtung eine Art Durchgangsstufe auf den Weg zu selbständiger charakteristischer Religion bilden, eine Durchgangsstufe, bei der dann aber naturgemäß immer wieder auch einmal einzelne Individuen und Zeiten abschließen mögen. Aber das soll im Sinne Euckens weiter auch gar nicht bloß ein Datum psychogenetischer Betrachtung bleiben, das als solches höchstens mittelbar in Beziehung zu der Aufgabe der Wahrheitsbegründung stände; vielmehr soll es auch für die abschließende Beurteilumg gelten, daß eine relativ selbständige Stufe der universalen Religion neben der Stufe charakteristischer Religiosität bestehen bleiben müsse: Die charakteristische Religion verlangt selbst eine beständige Beziehung auf die universale, damit sie den geistigen Charakter rein wahre und der Gefahr der Verengung und Vermenschlichung nicht erliege (S. 301, 8. Auflage S. 288). Nun läßt sich, glaube ich, dem allen ein sehr wertvoller Sinn abgewinnen, sobald wir alles unter dem Gesichtspunkt psychogenetischer Betrachtung würdigen, oder um mit Bücken zu reden, sobald wir die Frage nach der Hinbewegung der Menschheit und der einzelnen Menschen zur Religion stellen, nicht aber nach der Begründung der Wahrheit der Religion, die gerade davon absehen und sich allein an der Stellung der Religion in den Zusammenhängen eines von allen psychogenetischen Daten unabhängigen Geisteslebens orientieren muß. Unter diesem Gesichtspunkt weiß wenigstens ich aus allen Bemer-
Universale und charakteristische Religion.
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kungen und erst recht aus den grundlegenden Tendenzen und Motiven sehr viel herauszunehmen, dem ich durchaus beipflichten muß. Aber in der Art, wie diese Unterscheidung bei Eucken auftritt, wird nun doch, wie mir scheint, diese Verschiedenheit der Gesichtspunkte nicht genügend gewahrt und auseinandergehalten, und so muß hier m. E. auch bei sonstiger weitgehender Zustimmung doch die Kritik einsetzen: Universale und charakteristische Religion lassen sich für die Wahrheitsbeurteilung gar nicht so voneinander scheiden oder auch nur unterscheiden, daß zwei relativ selbständige Stufen daraus gemacht werden könnten. Achten wir, um das zu begründen, zunächst einmal einfach auf den Gottesbegriff. Eucken selbst konstatiert ja gelegentlich einmal, daß die Gottesidee vornehmlich die charakteristische Eigentümlichkeit der Religion zum Ausdruck bringe und die Hauptrichtung ihres Strebens greifbar mache, so daß sich an ihm also alle Gestaltung der Religion zu erweisen habe (S. 150, 3. Auflage S. 145). Wie steht es also unter diesem Gesichtspunkt mit den beiden Stufen? Bedeutet die charakteristische Religion eine Weiterentwicklung der Gotteserkenntnis, die es gestattet oder notwendig macht, sie ganz ausdrücklich und prinzipiell von der universalen abzuheben? Es gibt Stellen bei Eucken, die das in der Tat nahelegen und als die Meinung des Philosophen selbst erscheinen lassen. Wo Eucken nämlich seinen Standort in der charakteristischen Religion nimmt und von dieser aus das Verhältnis beurteilt, da stellt er es wiederholt so dar, daß auf der universalen Stufe Gott sich uns in seiner Entfaltung und
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Die noologische Methode und das Problem der Religion.
seinem Wirken zur Welt erschließt, daß das göttliche Leben hier also in der Verkettung des Ganzen wirksam und der einzelnen Stelle durch diese vermittelt erscheint (S. 304, 818, 317 u. ö., 3. Auflage 291 ff). Auf der Stufe der charakteristischen Religion dagegen werde er uns nun auch im Gegensatz zur Welt, in einem reinen Beisichselbstsein gegenwärtig, da erschließe sich uns so ganz unmittelbar die letzte Tiefe der Wirklichkeit und infolgedessen erwachsen hier der Religion nicht nur einzelne Lebensvorgänge, nicht nur irgendwelche Erhöhung des Lebens, sondern überhaupt erst eine neue Lebenseinheit, ein selbständiges Leben und Wesen gegenüber der Welt (S. 304ff., 8. Auflage S. 291 ff.). Wozu es denn auch paßt, daß die universale Religion als die Seele der Welt- und Kulturarbeit, die charakteristische dagegen als Quell einer selbständigen weltüberlegenen Innerlichkeit gewürdigt wird. Aber so sehr sich nun auch solche Unterscheidung zu empfehlen scheint und so viele feine und treffende Beobachtungen sie im einzelnen unter psychogenetischem Gesichtspunkt in sich schließt, als Ganzes ist sie doch nicht zu halten, weil sie einfach nicht zu dem paßt, was tatsächlich vorher als universale Religion abgeleitet und begründet worden ist. Für die universale Religion handelt es sich dieser Ableitung nach um das Geistesleben als Ganzes; denn eben weil es so ist und so sein soll, darf sich die Religion auf dieser Stufe nicht als ein Spezialgebiet vom übrigen Leben abschließen, sondern muß als universale Religion das Ganze umfassen. Aber was heißt hier nun das „Geistesleben als Ganzes"? Welcher Art
Universale und charakteristische Religion.
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ist die Ganzheit, um die es hier geht ? Besteht sie etwa in der Summe der einzelnen Gebiete des geistigen Lebens, so daß die Forderung der Universalität dann etwa alle einzelnen Gebiete als solche in die Religion hineinzöge ? — So ähnlich müssen es sich wohl die vorstellen, die finden, daß Eucken Religion und allgemeines geistiges Leben ineinander wirre. Aber es muß zugegeben werden, daß auch Eucken dem gelegentlich Vorschub leistet, wo er von der charakteristischen Religion aus über die universale und ihre Eigenart und Leistungen urteilt. — Aber in Wirklichkeit hat Ganzheit und Universalität hier eine ganz andere Bedeutung. Die gesuchte Ganzheit ist vielmehr zu verstehen als umfassende charakteristische Lebensform, die vor aller Differenzierung in die einzelnen Gebiete dem Geistesleben ganz allgemein zugrunde liegt und dann erst in der Berührung mit der Mannigfaltigkeit der Wirklichkeit und ihrer Aufgaben zu den besonderen Gebieten sich spezialisiert und determiniert. Universalität ist dann also einfach damit erreicht, nicht daß man von allem etwas treibt, sondern daß man vielmehr diese grundlegende, umfassende Einheit recht kräftig herausarbeitet und erfaßt — ohne daß es hier für das prinzipielle Problem von besonderer Bedeutung wäre, wie das verwirklicht werden kann. So allein entspricht das der allgemeinen philosophischen Haltung Euckens, für die es geradezu ein grundlegendes Merkmal ist, daß sie die Einheit, die die Mannigfaltigkeit umfaßt und trägt, niemals durch Zusammensetzung, gleichsam durch Addierung der Mannigfaltigkeit entstehen läßt, sondern daß ihr vielmehr dort, wo überhaupt von geistigem Leben geredet werden darf, immer die Ein-
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Die noologische Methode und das Problem der Religion.
heit der Mannigfaltigkeit prinzipiell vorangeht. Aber so kommt das denn auch in der Grundlegung der universalen Religion ganz klar und unzweideutig zum Ausdruck und wird in Problemstellung und Problemlösung festgehalten: Das grundlegende Problem wird gerade darin aufgezeigt, daß das Geistesleben von innen her eine neue Art des Seins aufbringt und dafür neue Formen verlangt, daß es aber bei uns durchaus an das Grundgefüge derselben Wirklichkeit gebunden bleibt, über die es hinausführen will, und also, wenn die ganze Wirklichkeit gleichsam in eine Ebene gehörte, mit einem für das ganze Geistesleben tödlichen Widerspruche behaftet bliebe. Der Beweis aber für die Wahrheit der Religion oder genauer für deren grundlegendes objektives Moment, das tatsächliche Hereinragen einer höheren Welt in unseren Kreis, liegt dann darin, daß das tatsächliche Leben diese Hemmung überwindet, indem sich bei uns ein eigenständig geistiges Leben bildet und uns zu Trägern einer ganz neuen Wirklichkeit, zu selbständigen Mitarbeitern an einem Reiche der Vernunft macht. Diese neue Stufe der Wirklichkeit in uns selbst bekundet eben die lebendige Gegenwart einer höheren Welt und unser Getragenwerden von ihr. Welches ist nun aber hier der Ertrag für die Gotteserkenntnis? Es wird gut sein, dafür von vornherein die beiden Fragen auseinander zu halten, einmal, was sich unmittelbar auf dieser Stufe erschließt, und dann, was eine tiefer dringende Analyse als ihren sachlichen Gehalt herausstellen muß. Unter dem ersteren Gesichtspunkt nämlich mag sich hier — einstweilen — ja wohl eher der
Universale und charakteristische Religion.
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allgemeinere Begriff der Gottheit als der eines persönlichen Gottes aufdrängen, und so mag es, wie Eucken will, auch für den Religionsphilosophen geraten sein, sich auf dieser Stufe diesem Sprachgebrauch anzuschließen — um nur ja den Schein zu vermeiden, mehr zu behaupten als tatsächlich erwiesen ist. Aber das ist doch nicht dasselbe, als wenn es an anderer Stelle heißt, Gott erschließe sich hier im Gegensatz zu der Stufe der charakteristischen Religion nicht in seinem Beisichselbstsein, sondern nur in seiner Entfaltung zur Welt. Wenn vielmehr der tiefste Gehalt auch der universalen Religion in eindringender Analyse herausgehoben wird, dann muß sich auch hier schon das als Gehalt der Religion ergeben, daß sie das absolute Geistesleben in seinem Beisichselbstsein, d. h. aber den weltüberlegenen persönlichen Gott als den Quell alles persönlich-geistigen Lebens erlebt. Sonst stimmte ja auch das Resultat der Erörterung gar nicht zu der Grundlegung, bei der Eucken ausdrücklich ausführt, daß auch mit der Anerkennung eines überweltlichen absoluten Lebens immer noch nicht Religion gewonnen ist, sondern erst dann, wenn jenes Leben uns nicht nur mit seinen Wirkungen berührt, sondern wenn wir es als Ganzes ergreifen und uns aneignen, wenn wir uns von der Wirkung in die Ursache versetzen und unmittelbar an der Absolutheit göttlichen Lebens teilhaben können (S. 141, 3. Auflage S. 136). Umgekehrt passen dazu auch wieder seine eigenen Ausführungen über Erweisung und Bewährung der universalen Religion. Hier weist er selbst nach, daß z. B. die Ideen der Größe, Gleichberechtigung und Freiheit nur dann einen Sinn und ein Recht haben, wenn es ein Beisichselbstsein, eine Tiefe der K a d e , Kückens noologlsche Methode.
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Die noologische Methode und das Problem der Religion.
Wirklichkeit gibt, wie sie die Religion vertritt. Im Ganzen aber wird hier dann auch die Forderung einer universalen Religion, wie es durchaus dem Ansatz des Problems entspricht, aber nicht der Behauptung von dem vermeintlich erst auf der Stufe der charakteristischen Religion erreichten und erreichbaren Fortschritt, gerade dahin gewendet, daß sie die stille und doch starke Seele des Ganzen ist, daß also die Teilnahme an der neuen Wirklichkeit sich nicht auf einzelne Betätigungen beschränkt, nicht in einzelnen Punkten eine Erhöhung bietet, sondern daß sie vielmehr ein ganz neues Sein und Selbst schafft und dann weniger direkt als durch die Umwandlung des Gesamtlebens auf die einzelnen Gebiete wirkt (S. 169f, 201 ff., 3. Auflage S. 157 ff.) Selbstverständlich soll damit durchaus nicht verkannt werden, daß es im Geistesleben und so auch in der Religion immer eine doppelte Bewegung gibt und geben muß, eine Wendung zur Welt und zur Betätigung an ihr und eine Wendung zur eigenen Innerlichkeit, und daß beide unter normalen Verhältnissen immer zusammen zugegen sein müssen, wenn das Leben nicht Schaden leiden, wenn vor allen Dingen die Wendung zur reinen Innerlichkeit nicht ins subjektiv Leere fallen soll. Die dahin zielende Tendenz Euckens muß also durchaus anerkannt und gerade von der Religion und für die Religion immer wieder betont werden. Aber ebenso muß behauptet werden, daß diese Unterscheidung nicht mit der Unterscheidung von universaler und charakteristischer Religion zusammenfällt, wenigstens nicht in dem Sinne, daß die charakteristische Religion immer erst aus den Erfahrungen der universalen Religion hervorgehen und diese sich stets gegen-
Universale und charakteristische Religion.
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wärtig halten müsse. Was verlangt werden muß, ist vielmehr dieses, daß die Religion immer in einem eehtgeistigen Leben und Streben wurzele, das beide Stufen in sich faßt, und daß sie sich auch weiter darin und daran betätige. Aber wenn damit nun universale und charakteristische Religion doch viel näher zusammenrücken, als es zunächst und nach Euckens Willen den Anschein hatte, so findet dieses Resultat auch nach der anderen Seite hin seine Bestätigung. Bisher haben wir nur darauf geachtet, daß tatsächlich in der universalen Religion schon mehr steckt, als Euckens Scheidung scheint anerkennen zu wollen. Weiter läßt sich dem nun aber auch hinzufügen, daß andererseits die universale Religion auch wieder nicht imstande ist, auch nur das voll zu Ende zu führen, was ihr nach jener Unterscheidung als ihr Gebiet zugewiesen wird. Wenigstens findet sich in den Ausführungen über die Erweisung und Bewährung der charakteristischen Religion auch bei Eucken ausdrücklich ein Nachweis darüber, daß sie erst die Lebensbewegungen weiterführt und definitiv sichert, die die universale Religion wohl eingeleitet hat, aber allein nicht aufrecht erhalten und durchsetzen kann (S. 317ff., 3. Auflage S. 304ff.). Auch die Arbeit an der Welt kann also schließlich die Begründung in der charakteristischen Religion nicht entbehren. Im Ganzen aber scheinen sich mir so universale und charakteristische Religion schließlich nur noch wie die ausgeführte und die noch nicht voll ausgeführte Behandlung desselben Themas voneinander zu scheiden; das heißt aber: mehr als Stufe der philosophischen Erörterung und Darstellung — und 9*
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als solche nicht ohne Bedeutung für die Herausarbeitung des Problems — denn als auch nur relativ selbständige Stufen des wirklichen Lebens, sofern wenigstens eine nicht psychogenetische, sondern noologische Erörterung geboten werden soll.
3. Kritische Würdigung der Euckenschen Religionsbegründung. In den Erörterungen über universale und charakteristische Religion ist es bisher stillschweigend als Voraussetzung hingenommen worden, daß Euckens Begründung der Religion selbst vor der philosophischen Kritik zu Recht bestehe. Das mußte geschehen, weil es sich hier zunächst darum gehandelt hat herauszuarbeiten, was auch bei Zustimmung zu den Grundgedanken der noologischen Methode an der in Euckens „Wahrheitsgehalt der Religion" gegebenen nächsten Anwendung dieser Methode auf jeden Fall der Modifikation bedarf, um dem Problem der Religion voll gerecht zu werden. Aber selbstverständlich darf das nicht den endgültigen Abschluß bilden. Vielmehr müssen jetzt auch jene Grundgedanken des Beweises selbst erst noch kritisch beleuchtet und gewürdigt werden. Am leichtesten ist hier wohl eine Verständigung für die Stufe der charakteristischen Religion d. h. unserer Auffassung nach für die Stufe, auf der das Problem der Religion überhaupt erst in seiner vollen Wirklichkeit sich entfaltet. Hier muß nach den Grundgedanken der noologischen Methode das als das Hauptproblem gelten, ob in
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jener selbständigen Innerlichkeit, wie sie hier Grundlage und Voraussetzung der Problemstellung bildet, wirklich ein volltätiges Wirken sich erschließt, also eine Volltat des Geistes anerkannt werden darf. Wenn aber diese Frage befriedigend erledigt ist, wie es denn m. E. schon allein nach der Tatsache, daß es eine Erhebung des Lebens über die Kultur gibt ohne ein Verfallen in geistige Leere, für jede unbefangene und umfassende Analyse als Wahrheit gelten darf, so erhebt sich dann die weitere Frage, ob auch die Behauptung zutrifft, daß solche weltüberlegene Innerlichkeit auf jeden Fall in ihrem Unterschied von jeder ins Leere verrinnenden Subjektivität nur verstanden werden kann, wenn sich in unserer Seele unmittelbar, d.h. ohneVermittlung,der Arbeit an der Welt, die letzte Tiefe der Wirklichkeit selbst erschließt, ein reines Beisichselbstsein des Geisteslebens; und auch hier, glaube ich, muß einfach zustimmen, wer das Problem einer echtgeistigen Wirklichkeit voll erfaßt hat. Dann aber ist eben damit auch die Grundthese der Religion tatsächlich erwiesen und der einzige vollgültige Beweis für die Realität Gottes erbracht, nämlich eines Gottes, der nicht bloß einen philosophischen Gedanken darstellt oder der unnahbare Weltgrund ist, sondern der in lebendigem Wirken sich den Menschen offenbart und ihnen persönliche Gemeinschaft mit sich eröffnet. Aber wenn nur daran festgehalten wird, daß es auf der noch unentwickelteren Stufe der sogenannten universalen Religion auf jeden Fall um das Ganze des Geisteslebens geht in dem oben entwickelten Sinn, wenn auch hier damit das Problem geistigen Lebens in seiner Vollendung als autonom-persönlichen Lebens
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immer im Auge behalten wird, dann wird doch auch hier schon der Nachweis Euckens als gelungen gelten dürfen: jene Umkehrung der gesamten Lebensform, wie sie die Forderung bzw. die Tatsächlichkeit persönlichen Lebens und geistiger Individualität als Forderung oder Tatsache in sich schließt, — theologisch ausgedrückt die Neuschöpfung und Wiedergeburt — kann nur begründet sein in dem Hereinragen einer neuen weltüberlegenen Wirklichkeit in unseren menschlichen Lebenskreis. Selbstverständlich bringt aber das, was damit als wahr erwiesen ist, noch nicht die volle seelische Wirklichkeit der Religion zum Ausdruck. Dazu gehört außer der grundlegenden Offenbarung Gottes einmal, daß der Mensch auch auf diese Offenbarung eingeht und sein Leben in sie und sie in sein Leben hineinbaut, und zwar, wie Bücken das in Konsequenz seiner noozentrischen Orientierung der Religionsphilosophie immer wieder betont, daß er sie nicht bloß passiv gelten läßt, sondern daß er sie umsetzt in Tat und Arbeit, damit dadurch das Geistesleben zu reiner Ausprägung seiner Art und zu voller Selbständigkeit geführt und damit eine energische Scheidung von Wesenhaftem und Scheinhaftem möglich wird. Denn „die Religion ist durchaus nicht bloß Kontemplation samt einer ihr entsprechenden Stimmung, sondern ihrem Kern nach ist sie höchste Aktivität, Scheidung des vorgefundenen Chaos, Konzentration des Geisteslebens bei sich selbst, Durchsetzung eines solchen Geisteslebens gegen alles, was ihm zunächst wie feindlich entgegensteht" (S. 150, S.Auflage S.144). Wie aber das sich nun im einzelnen beim Menschen vollzieht — und das ist der zweite hier heraus-
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zuhebende Punkt —, welche Hilfen seine Natur und die gesamte geistige Wirklichkeit, in der er steht, ihm dazu bietet, welche Vermittlungen im konkreten empirischen Leben dafür möglich oder notwendig sind, dafür ist dann selbstverständlich die psychologische Betrachtung, besonders in ihrer Ausgestaltung zu einer selbständigen Religionspsychologie, in vollem Umfang zu Rate zu ziehen. DierioologischeMethode zieht hier grundsätzlich schlechterdings gar keine Grenzen, noch präjudiziert sie bestimmte Resultate. Vielmehr ist sie von vornherein und prinzipiell auf jene Ergänzung durch die Psychologie angewiesen, und jeder Religionsphilosoph, der mit vollem Verständnis ihrer Eigenart die noologische Methode handhabt und zugleich nicht nur eine Grundlegung, sondern ein ausgeführtes System der Religionsphilosophie geben will, muß darum prinzipiell stets bereit sein, von einer rein durchgeführten Empirie zu lernen — oder wenn er das nicht tut und Mängel bei ihm vorliegen, dann gehen diese Mängel auf jeden Fall stets nur auf Rechnung seiner persönlichen Art, niemals aber auf Rechnung der noologischen Methode. Schließlich aber ist auch die weitere Entfaltung des Gedankengehalts der Religion selbst, sowie sie über die grundlegenden Tatsachen und Beziehungen hinausgeht, meinem Verständnis nach immer auf die persönliche religiöse Erfahrung des Religionsphilosophen, mindestens auf ein hypothetisches Nachempfinden fremder Erfahrung, auf jeden Fall aber also auch wieder auf eine Art beschreibender Psychologie angewiesen. Wie denn auch Euckens hierher gehörige Ausführungen sich dem unbefangenen Beobachter durchaus als Versuche solcher psy-
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Die noologisohe Methode und das Problem der Religion.
chologischen Analyse darstellen und also wohl als eine Paraphrase des religiösen Erlebens bezeichnet werden dürfen, ohne daß wir aber daraus etwa dem Religionsphilosophen als solchem, wie H e r r m a n n offenbar will, einen Vorwurf machen oder seine Ausführungen für den Philosophen als Erschleichungen beurteilen dürften. Meinem Verständnis nach entspricht dieses Nebeneinander und Miteinander von Noologie und Psychologie vielmehr durchaus den Forderungen der Sache, und ich glaube damit auch im Kern den Sinn Euckens getroffen zu haben. Denn auch dem Religionsphilosophen, der wirklich der Religion gerecht werden will, kann es sich ja nicht darum handeln, die Religion etwa in Spekulation aufzulösen oder durch Spekulation zu ersetzen. Vielmehr muß es ihm genügen, die Grundtatsache der Religion, die Offenbarung Gottes und ihre Aufnahme durch den Menschen, zum Gegenstand philosophischer Behandlung und Begründung zu machen und damit zugleich das festzulegen, in Beziehung worauf alles andere seinen Wahrheitsanspruch hat und worauf es auch beständig zurückbezogen werden muß, um nicht aus der Wahrheit herauszufallen. Damit ist aber zugleich gegeben, daß dann auch die Weltanschauung, die die Religion aus sich heraussetzt, nicht einfach eine spekulative Auflösung aller Welträtsel bietet. Gewiß hat auch die spekulative Durchleuchtung des Geisteslebens für den, der erst den Standort in der Religion erreicht hat, genug der Hinweise auf dieses höhere Leben, wie es die Religion vertritt und bezeugt. So weisen schon die Gesetzlichkeit des Geschehens wie seine Kausalverkettung, vor allem aber die Möglichkeit eines gegen-
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seitigen Verständnisses auf geistigem Gebiete und die Möglichkeit des Zusammenarbeitens auf eine Einheit hin, die alle Mannigfaltigkeit trägt und zusammenführt. Ebenso das künstlerische Schauen mit seiner Ergreifung der Unendlichkeit an der einzelnen Stelle. Ebenso das Problem der Geschichte geistiger Art, die immer nur dadurch zustande kommt, daß die Bewegung von einem überlegenen Standort aus erlebt und zum Ganzen des Lebens in Beziehung gesetzt wird. Oder das Problem der Werte, die niemals aus der bloßen Berührung der Dinge entstehen, sondern immer eine bei sich selbst befindliche Innerlichkeit verlangen. Oder was sich sonst hier alles noch beibringen ließe. Ich verweise hier nur wieder auf die „Untersuchungen über die Einheit des Geisteslebens". Aber das alles beweist doch nur, daß eben in der Tat die Wendung zur Religion schon-im ganzen Geistesleben vorbereitet wird und daß die ganze geistige Wirklichkeit schließlich nur von der Religion aus voll verstanden und gewürdigt werden kann. Aber niemals können wir von hier aus allein die Religion zu begründen hoffen. Niemals ist auch die Spekulation imstande, ohne die Religion das Ganze der Wirklichkeit in einem einzigen großen Zusammenhang zusammenzubringen, so daß unsere Welt für die Spekulation als einfache Evolution der Vernunft zu verstehen wäre. Ja auch auf dem Boden der Religion selbst kann das niemals gelingen: auch hier bleiben ebensowohl die Tatsache des Bösen wie auch die Rätsel des Weltbildes unerklärt und ungelöst. Das mag die Religion selbst wohl oft genug schmerzlich empfinden. „Aber in ihrer Grundüberzeugung von der unmittelbaren Gegenwart des absoluten Lebens
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wird sie sich dadurch nicht erschüttern lassen, vielmehr au» jener Überzeugung das Vertrauen schöpfen, daß durch alle Unvernunft sich eine überlegene Vernunft durchsetzen und sich auch in den Schicksalen des Einzelnen erweisen werde." Im übrigen aber gilt es, „in den großen Kampf mutig einzutreten und rastlos für die Ergreifung und Entwicklung der neuen Welt wesenhaften Wesens zu wirken, in Widerspruch und Hemmung, in Unfertigkeit und Dunkel, in Leid und Tod völlig gewiß der Gegenwart eines ewigen Lebens" (S. 362ff., 3. Auflage S. 343ff.).
4. Religion und Geschichte. Zum Schlüsse wenigstens andeutungsweise noch ein paar Bemerkungen über die Stellung Euckens zu dem Problem Religion und Geschichte, und zwar nach den beiden Seiten hin, daß dieses Problem einmal eine Beziehung hat auf die Verwirklichung der Religion im menschlichen Seelenleben und daß es andererseits für die Wahrheitsbegründung selbst in Betracht kommt. Was zunächst die erste Frage angeht, so ist hier wieder grundlegend festzustellen, daß sie in der Hauptsache vor das Forum der Psychologie und nicht der Noologie gehört, oder vor das Forum der Noologie auf jeden Fall nur soweit, als diese allein das Grundfaktum herausstellt, auf das alles bezogen werden muß, was überhaupt Religion zu heißen verdient. Selbst wenn hier also Euckens persönliche Stellungnahme nicht allen Forderungen der Sache genügen sollte, so träfe das immer nur seine persönliche psychologische Einsicht in das empirische Leben der
Religion und Geschichte.
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Religion, nicht aber die noologische Methode als solche. Aber meinem Verständnis nach weist hier auch Eucken selbst den rechten Weg zur Würdigung der Geschichte, indem er beides in seiner Bedeutung für das religiöse Leben herausstellt, die großen begründenden Persönlichkeiten, die durch anschauliche Verkörperung des neuen Lebens dafür werben und es wecken, und ebenso auch die Organisation, die ihm unentbehrlich erscheint, „dem Menschen des unmittelbaren Daseins die neue Welt und das neue Leben zuzuführen und nahezuhalten, unentbehrlich, um durch gegenseitigen Zusammenschluß die Überzeugung zu befestigen und die Kräfte zu stärken, unentbehrlich, um gegenüber dem Wandel der Zeit und dem Wechsel des Augenblicks eine ewige Wahrheit und eine durchgehende Aufgabe zu behaupten" (S. 384). Mir wenigstens scheint — ohne daß ich das hier näher begründen könnte —, daß diese beiden Andeutungen nur weiter verfolgt und mit der ganzen Fülle der Wirklichkeit getränkt zu werden brauchen, um allem gerecht zu werden, was die Sache fordert, 1 wenn ich auch nicht verkenne, daß
1 Sehr fein und wertvoll sind hier übrigens die Ergänzungen, die die eben erschienene 3. Auflage des Wahrheitsgehaltes in dem ganz neugestalteten Abschnitt „Die Gestaltung des religiösen Lebens", S. 319ff., bringt. Einmal arbeitet E u c k e n hier noch schärfer als bisher heraus, wie unbedingt gerade eine Religion des Geisteslebens auf die Gemeinschaft angewiesen ist und ihrer bedarf, weil die Innerlichkeit, die beim Geistesleben in Frage steht, nicht das Befinden des bloßen Subjekts ist, sondern weil es sich dafür vielmehr um den Gewinn einer Innenwelt und um die Gegenwart eines Weltlebens an dieser besonderen Stelle handelt: „Diese Welt würde leicht bei einem vagen Umriß verbleiben, wenn ihr nicht
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Die noologische Methode und das Problem der Religion.
weite Kreise auch der modernen Theologie damit sich allerdings nicht befriedigt erklären werden, weil ihnen, um es theologisch auszudrücken, die Heilsgewißheit nicht sichergestellt scheint, wenn sie nicht noch in ganz anderer Weise auf die Geschichte, speziell auf die Offenbarung Gottes in Christo begründet wird. Wichtiger ist hier, wo es sich uns um die Bedeutung der noologischen Methode für die Religionsphilosophie handelt, nun aber die andere Frage, welcher Anteil der Geschichte an der Begründung der Wahrheit der Religion zukommt. Hier aber sind es wesentlich zwei Gedankenreihen, die bei Eucken in ihrer gegenseitigen Ergänzung irgendwelche Durchbildung, irgendwelche feste Gestaltung gegeben würde; eine solche aber kann nicht das bloße Individuum, sondern nur ein Zusammenschluß zu gemeinsamem Wirken erreichen." Die Gemeinschaft muß den Einzelnen, daß er eine geistige Welt mit bilden und bauen könne, in einen eigentümlichen Lebenskreis versetzen, ihn mit einer geistigen Atmosphäre umfangen, ihm die Bewegungen und Erfahrungen vergegenwärtigen, die in der langen Arbeit der Menschheit stecken. „Aber auch über solche Erziehung hinaus bleibt die Verkörperung des Lebens in einer festen Gemeinschaft unentbehrlich, um den Weltcharakter des Geisteslebens, sein Wirklichkeitsbilden aufrechtzuerhalten und es nicht zu bloß subjektiver Regung sinken zu lassen", S, 320f. Zugleich aber verfolgt E u c k e n hier diesen Grundgedanken dann auch in die einzelnen Gebiete des religiösen Gemeinschaftslebens hinein, indem er(S. 323ff.) die Notwendigkeit einer religiösen Gedankenwelt, (S. 326ff.) einer Ordnung des Handelns, (S. 330f.) eines besonderen Kultus verficht und einen Weg zeigt, wie diese Forderungen erfüllt werden können ohne Schädigung des rein geistigen Charakters der Religion. Es ist hier nicht der Platz, genauer auf die Ausführungen einzugehen. Aber mir scheint, sie gehören zu dem Tiefsten und zugleich Zeitgemäßesten, was über diese Dinge gesagt werden kann, und sind darum gerade heute besonders dankens- und beherzigenswert.
Religion und Geschichte.
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die Lösung des Problems darstellen. Einmal nämlich stellt Eucken — es ist das oben schon angedeutet worden — mit vollem Bewußtsein und Nachdruck seine ganze Philosophie auf die Geschichte als ihre Grundlage. Denn nur hier im geschichtlichen Gesamtleben, nicht aber unmittelbar im Individualleben läßt sich überhaupt ein gemeinsamer Stock von Phänomenen finden, auf den die Gedanken wie auf einen festen Gegenwurf bezogen werden können und die damit allererst die Untersuchung in Fluß bringen. „Im Individuum hegt das flüchtigste und festeste, das bedeutendste und geringste bunt durcheinander, ohne sich gegeneinander bemerklich abzustufen. Gedanken und Interessen des gemeinsamen Menschheitslebens, des universellen Lebens, partikulare Gestaltung derselben gemäß der Natur des Einzelwesens, bloß singulare Vorgänge des von universellen Aufgaben unberührten oder gegen sie gleichgültigen Individuums, sie finden sich alle auf demselben Boden zusammen. Solche Mannigfaltigkeit zu scheiden, zu ordnen, zu schätzen, dazu findet sich hier zunächst kein Mittel. Der eine mag so, der andere so denken und deuten." Aber nun geht der Bestand der Wirklichkeit ja nicht in solchen individuellen Daten auf, sondern die Menschheit hat vielmehr in ihrem geschichtlichen Leben in Werken wie Wissenschaft und Kunst, in der Befassung alles Strebens unter Eine Kulturidee, in dem Aufbau einer geistigen Welt inmitten einer wo nicht widerstehenden so doch gleichgültigen Natur eine gemeinsame Arbeitswelt herausbildet, die freilich noch nicht die abschließende fertige Wahrheit darstellt, die aber doch der Untersuchung einen Gegenwurf von konsistenten, wohlbegründeten Phänomenen
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Die noologische Methode und das Problem der Religion.
(phaenomena bene fundata) gibt und damit — das gilt auch gegen H e r r m a n n s oben skizzierte Einwände gegen die Möglichkeit einer Methaphysik — allererst wirklich wissenschaftliche Forschung möglich macht, indem die Zugehörigkeit zu dieser Arbeits weit auf jeden Fall schon ein Prinzip vorläufiger Scheidung an die Hand gibt. Allerdings — und das ist die Gegenseite dazu — bloß ein Prinzip v o r l ä u f i g e r Scheidung. Abgeschlossen ist also die Untersuchung damit noch nicht und kann sie nicht sein. Als Tatsachen im eminenten Sinn sind jene phaenomena bene fundata erst noch zu erweisen, und das nun natürlich nicht wieder durch bloße Berufung auf die Geschichte, sondern nur durch prinzipielle philosophische Behandlung, die in gegenseitiger Handreichung der analytischen und der synthetischen Methode das Grundgeschehen des Geistes, den Inbegriff herausarbeitet und von hier aus dann die einzelnen Data versteht, determiniert und zur Würde von endgültigen Tatsachen erhebt, oder aber sie als Teilwahrheiten größeren Zusammenhängen einordnet und so ihr bedingtes Recht feststellt (Prolegomena S. 42ff.). So steht dieses beides nun aber auch in der Behandlung des Problems der Religion nebeneinander. Einmal bildet hier auch die geschichtliche Erfahrung der Menschheit den Ausgangspunkt der Untersuchung; in diesem Sinne also ist die Geschichte die Grundlage des Ganzen. Andererseits muß Eucken aber auch hier wieder ablehnen, den Wahrheitsbeweis endgültig auf die Geschichte und auf die Geschichte allein zu begründen. Alle Beweisführung durch Geschichte muß vielmehr auf einer vom
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unmittelbaren Leben her ruhen, der Wahrheitsgehalt aller geschichtlichen Tatsachen läßt sich nur vom Geistesleben selbst her ermitteln und ermessen. Denn das ist ja gerade die andere Voraussetzung, unter der allein aller Wahrheitsbeweis gelingen kann, daß jene grundlegenden Phänomene sich immer in unmittelbares Leben verwandeln lassen. „Hier begegnet uns Lessings berühmtes Wort: .Zufällige Geschichtswahrheiten können der Beweis von notwendigen Vernunftwahrheiten nie werden'; mag es in seiner Fassung das vergängliche Gepräge der Aufklärung tragen, sein Kern enthält eine Wahrheit, über die nicht so leicht hinwegzukommen ist, wie sich der historische Positivismus des 19. Jahrhunderts einredete. Wohl ist die Geschichte in diesem Jahrhundert uns unvergleichlich mehr geworden, und es dünkt uns jede Gedankenwelt antiquiert, welche nicht für sie einen Platz hat; aber wer nicht einem zerstörenden Relativismus verfallen will, dem muß ein unmittelbares und zeitüberlegenes Geistesleben alle Geschichte umspannen und tragen, dem muß die Geschichte bei aller Steigerung an der zweiten Stelle verbleiben. Damit aber rückt auch die geschichtliche Religion an die zweite Stelle, nun und nimmer kann sie unsere religiöse Überzeugung letzthin begründen, nun und nimmer können auch die größten Leistungen innerhalb der Zeit ihre ewige Wahrheit erweisen" (Wahrheitsgehalt S. 274, 8. Auflage S. 262). Wenn wir das immer im Auge behalten, dann haben wir damit aber auch einen Schlüssel gewonnen zum Verständnis der Stellung Euckens zum Christentum, genauer — denn darum handelt es sich uns hier ja vor allen Dingen
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Die noologische Methode und das Problem der Religion.
und nicht um das persönliche Moment in Euckens Religionsauffassung — zum Verständnis seiner methodologischen Verwertung. Jedem, der den „Wahrheitsgehalt der Religion" daraufhin analysiert, drängt sich hier ja zunächst wohl immer eine gewisse Zwiespältigkeit auf, die er nicht gleich zu vereinen weiß: Einmal nimmt Eucken prinzipiell erst im letzten 5. Hauptteil nach der eigentlichen Erledigung der grundlegenden Fragen zum Christentum ausdrücklich und bewußt Stellung — abgesehen von der Einleitung und von gelegentlichen Bemerkungen, in denen aber das Christentum prinzipiell nur als Illustration in Betracht kommt geradeso wie an anderen Stellen etwa ein Ausspruch Muhammeds oder Buddhas oder Plotins. Andererseits beruht aber doch, wie jeder unbefangene Beurteiler zugeben muß, auch wo das Christentum gar nicht genannt wird, tatsächlich doch das Ganze auf ihm. Ist das dann aber nicht ein Widerspruch in sich selber und ist nicht der Einwand berechtigt, dann solle Eucken auch die Konsequenzen ziehen und solle sich von vornherein und prinzipiell mit seiner Untersuchung auf den Boden des Christentums stellen? Ich glaube doch nicht, daß das so richtig ist; ich glaube vielmehr, die ganze Frage findet eine befriedigende Lösung, wenn wir bedenken, daß tatsächlich die weltgeschichtliche Erfahrung, in der Eucken seinen Standpunkt nimmt und nehmen muß, grundlegend vom Christentum nicht nur beeinflußt, sondern weithin überhaupt erst geschaffen ist, wie das Eucken selbst immer wieder feststellt, sobald er als Historiker urteilt, daß aber — und das ist nun sehr zu beachten — methodologisch-prinzipiell zunächst keine Veranlassung
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Religion und Geschichte.
vorliegt, auf diese Genesis des weltgeschichtlichen Standes das Augenmerk zu richten. Andererseits aber ist auch das Christentum, wie es als historische Erscheinung vorliegt, nicht sozusagen ein reines Werk des christlichen Geistes, sondern zustande gekommen und immer wieder sich weiterbildend unter dem Einfluß auch anderer, weltlicher Faktoren.
So kann die Untersuchung einmal nicht dieses
geschichtliche Christentum, so wie es vorliegt, prinzipiell zur Grundlage nehmen, sondern muß sich einen breiteren Grund suchen.
Andererseits aber wird sie allerdings in
ihren Resultaten zugleich den geistigen Kern des Christentums herausarbeiten und damit einen Standort gewinnen, um zu dem Christentum als komplexer historischer Erscheinung kritisch Stellung zu nehmen.
K a d e , Euckens noologische Methode.
10
Verlag v o n Veit & C o m p , in Leipzig
Der Wahrheitsgehalt der Religion. Von
Rudolf Eucken. Dritte, umgearbeitete Auflage, gr. 8.
1912.
geh. 9 Ji, geb. in Leinwd. 10 Ji.
Das Buch behandelt das Wesen der Religion und will deren Unumgänglichkeit, zumal in der Ausprägung, die sie durch das Christentum erfahren hat, erweisen. Es wendet sich vornehmlich an diejenigen, die das Verlangen nach Religion haben, ohne in ihren gegenwärtigen Formen die gesuchte Befriedigung zu finden. Der Religion ihre Bedeutung in unserem Dasein wiederzugewinnen und so zu einer Vertiefung des gesamten Lebens beizutragen, ist das angestrebte Ziel. Unablässig ist Eucken bemüht, die Goldbarren auszumünzen, seine Gedankenwelt aufs neue zu prüfen, zu klären, zu vertiefen, nach allen Seiten zu durchdenken, auch zu popularisieren. „Wir selbst fühlen uns" — so sagt der Verf. in der Vorrede — „durchaus als Suchende und wenden uns daher auch an Suchende; wir richten uns an die, welche mit uns die gegenwärtige Verflachung und Verflüchtigung des Geisteslebens als einen nicht länger erträglichen Notstand empfinden und die nicht davor zurückscheuen, auch in schroffem Widerspruch zur breiten Zeitoberfläche eine Erneuerung des Lebens zu suchen."
Können wir noch Christen sein? Von
Rudolf Eucken. kl. 8.
1911.
geh. 3 M 60
geb. in Leinwd. 4 J t 50 3?.
In der verwickelten religiösen Lage der Gegenwart ist diese Bekenntnisschrift des auf der Höhe seines Schaffens stehenden Philosophen doppelt interessant, weil sie uns tief hineinschauen läßt in die Anschauungen moderner Denker über das Wesen des Christentums, die Gegenwirkung der Neuzeit und die religiösen Bedürfnisse der Zukunft. Aber auch ästhetisch ist es ein hoher Genuß , den Gedankengängen dieses Philosophen zu folgen, der sich im Laufe der Jahre eine immer glänzendere, abgeklärtere, meisterhaftere Form für seine Ideen geschaffen hat.
Verlag von Veit & Comp, in Leipzig
DIE LEBENSANSCHAUUNGEN DER GROSSEN DENKER. Eine Entwicklungsgeschichte des Lebensproblems der Menschheit von Plato bis zur Gegenwart. Von R u d o l f E u c k e n . Neunte, vielfach umgestaltete Auflage, gr. 8. 1911. geh. 10 Ji, geb. in Leinwd. 11 Ji.
GEISTIGE STRÖMUNGEN DER GEGENWART,
von R u d o l f E u c k e n . Der „Grundbegriffe der Gegenwart" vierte, umgearbeitete Auflage. gr. 8. 1909. geh. 8 Ji, geb. in Leinwd. 9 Ji.
GRUNDLINIEN EINER NEUEN LEBENSANSCHAUUNG. Von R u d o l f E u c k e n .
gr. 8.
1907. geh. 4 Ji, geb. in Leinwd. b Ji.
DER KAMPF UM EINEN GEISTIGEN LEBENSINHALT. Neue Grundlegung einer Weltanschauung. Von R u d o l f E u c k e n . Zweite, neugestaltete Auflage, gr. 8. 1907. geh. 6 Ji 4 0 ^ " , geb. in Leinwd. 7 Ji 50 3?.
GESCHICHTE DER PHILOSOPHISCHEN TERMINOLOGIE. Im Umriß dargestellt von R u d o l f E u c k e n .
gr. 8.
1879. geh. 4 Ji.
ÜBER BILDER UND GLEICHNISSE IN DER PHILOSOPHIE. Eine Festschrift von R u d o l f E u c k e n .
gr. 8.
1880. geh. 1 Ji 20
PROLEGOMENA ZU FORSCHUNGEN ÜBER DIE EINHEIT DES GEISTESLEBENS IN BEWUSSTSEIN UND THAT DER MENSCHHEIT. Von R u d o l f E u c k e n . gr. 8. 1885. geh. 3 Ji.
DIE EINHEIT DES GEISTESLEBENS IN BEWUSSTSEIN UND THAT DER MENSCHHEIT. Untersuchungen von R u d o l f Eucken.
gr. 8.
1888. geh. 10 Ji.
V e r l a g v o n "Veit &, C o m p , i n L e i p z i g
Rudolf Euckens Kampf um einen neuen Idealismus. Von
Emile Boutroux. Autorisierte Übersetzung von J. Benrubi. Mit einem Bildnis Euckens. gr. 8.
1911.
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Professor fimile B o u t r o u x , der hervorragende französische Denker und Akademiker, macht in der vorliegenden Schrift — einer Übersetzung der Vorrede zur französischen Ausgabe von R u d o l f E u c k e n s „ G e i s t i g e S t r ö m u n g e n d e r G e g e n w a r t " — auf die g r o ß e A k t u a l i t ä t d e r G e d a n k e n w e l t E u c k e n s aufmerksam und entwickelt bei diesem Anlaß seine eigene Auffassung vom Wesen der Philosophie und von ihrer Aufgabe in der Gegenwart. Das Schriftchen bietet zusammen mit einer sehr sympathischen E i n f ü h r u n g in d a s L e b e n s w e r k E u c k e n s zugleich das P r o g r a m m d e s n e u e n I d e a l i s m u s , den B o u t r o u x selber sucht. Überall macht sich die Frage, das Bedürfnis nach Vertiefung des Lebens, der Ruf nach Befreiung und. Ausbildung der Persönlichkeit, nach Weltauffassung geltend. Das ist nicht zum wenigsten E u c k e n s Verdienst. Nach Boutroux überschreitet Euckens konkreter Idealismus den Naturalismus und den Intellektualismus zugunsten der Überlegenheit und Selbsttätigkeit des Geistes bei aller Anerkennung seiner Verbindung mit der Natur, und er kommt in bezug auf den Geist im Sinne Euckens zu dem Resultat: der Geist ist nicht „ein zum Handeln fähiges Ding, sondern er ist Tat und Leben selbst, alles, was in ihm ist, entfaltet sich, widerstrebt der Trägheit, erzeugt, schafft und ist Schaffen seiner selbst." So versteht es Boutroux, in wenigen scharfen Umrissen uns ein sympathisches Bild des Euckensehen Ringens und Strebens zu entwerfen; und zwischendurch zieht sich manche hochachtende Bemerkung in bezug auf den deutschen Kollegen, sodaß das ganze Schriftchen, dessen Wert noch durch die Beigabe eines ausgezeichneten Bildnisses Euckens erhöht wird, äußerst angenehm berührt. Metzger