Riskante Ordnungen: Von der Kaiserchronik zu Jans von Wien 9783050095837, 9783050064659

Jans von Wien’s historical narratives have been long neglected by scholars of history and literature. This study focuses

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Riskante Ordnungen: Von der Kaiserchronik zu Jans von Wien
 9783050095837, 9783050064659

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Riskante Ordnungen
Forschungsgeschichtliche Situierung
Problemaufriss
I Präliminarien
1 Autor
2 Datierung
3 Überlieferung
4 Quellen
4.1 als ich an dem buoche las oder als ich die liut hoer jehen
4.2 als uns die pfaffen haben geseit: Honorius Augustodunensis und Petrus Comestor
4.3 Wahrheitskonstruktion(en)
II Die Ordnung des Stoffes
1 Die Gliederung der Weltchronik
1.1 Die Gliederung nach Weltreichen
1.2 Die Ordnung der Reiche in der Weltchronik
1.3 Translatio imperii: Die Tochter des Riuzenkönigs
2 Prosapartien
2.1 Die Ordnung der Päpste: Papstkatalog
2.2 Die Ordnung der Sprachen: Sprachenspiegel
2.3 Die Ordnung der Könige: Babenbergische Genealogie
3 Zusammenfassung
III Ordnungsmuster
1 Die Ordnung der Geschlechter
1.1 Verführerinnen
1.2 Verführte: Minnesklaven
1.3 Zusammenfassung
2 Die (Un-)Ordnung des Reiches
2.1 Travestie: Nero
2.2 Nekrophilie: Karl der Große
2.3 Inzest: Der Riuzenkönig und seine Tochter
2.4 Curiositas: Friedrich II
2.5 Zusammenfassung
3 Geistliche Ordnung – Papstgeschichten
3.1 Die Päpstin
3.2 Der Teufelspapst: Silvester II
3.3 Papst Leo
3.4 Vom wîsen pfaffen
3.5 Zusammenfassung
IV Ordnung, Unordnung und Komik in der Weltchronik
1 Komische Ordnungen
2 Komik und Groteske
2.1 Gelächter und Entladung
2.2 Die Tradition des Komischen
2.3 Komische Ordnungen in der Weltchronik
3 Komik und Geschichtsschreibung
4 Redeszenen in der Weltchronik
V Geschichte(n) in der Kaiserchronik
1 Geschichtsvermittlung und Deutungshoheit
2 Redeszenen
2.1 Ratgeber und Ratgeberinnen in der Kaiserchronik
2.2 Die ‚Erzählung in der Erzählung‘ in der Kaiserchronik
2.3 Disputationsszenen
3 Von der Kaiserchronik zu Jans von Wien
3.1 Publikum
3.2 Schema, Variation, Struktur
VI Kapitel: Riskante Ordnungen
1 buoch, getiht oder korônike
2 Reihendiskussion
3 Volkssprachige Chronistik um 1300
Schluss
Anhang
Abkürzungen
Literaturverzeichnis
Quellen
Forschung
Register

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Gesine Mierke Riskante Ordnungen

Deutsche Literatur Studien und Quellen

Herausgegeben von Beate Kellner und Claudia Stockinger

Band 18

Gesine Mierke

Riskante Ordnungen

Von der Kaiserchronik zu Jans von Wien

ISBN 978-3-05-006465-9 e-ISBN (PDF) 978-3-05-009583-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038010-1 ISSN 2198-932X Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Akademie Verlag GmbH, Berlin  Ein Unternehmen von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Titelabbildung: Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), Cod.Pal.germ. 848,     Blatt 355v. Wikimedia Commons. Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Die Arbeit wurde im November 2012 von der Philosophischen Fakultät der Tech­ nischen Universität als Habilitationsschrift angenommen und für den Druck gekürzt. Ich habe vielerlei Unterstützung erfahren, für die ich mich ausdrücklich bedan­ ken möchte. Mein besonderer Dank gilt Christoph Fasbender für Hinweise, Einwände und kriti­sche Durchsicht des Manuskripts. Vor allem aber danke ich ihm dafür, dass ich diese Arbeit in Chemnitz schreiben konnte. Anregungen und Hinweise habe ich zudem von Gerhard Wolf und Gerhard Dhorn-van Rossum erhalten. Dafür sei ihnen an dieser Stelle gedankt. Beate Kellner und Claudia Stockinger danke ich für die Aufnahme des Buches in ihre Reihe und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Akademie Verlags für die kompetente Unterstützung und Beratung bei der Drucklegung des Buches. Der VG Wort danke ich herzlich für den Druckkostenzuschuss und der Fürstlichen Thurn und Taxisschen Hofbibliothek Regensburg für die freundliche Zusammenarbeit. Es wäre jedoch alles nichts ohne den Rückhalt von Freunden und Kollegen. Michael Rupp, Sonja Rupp und Stefanie Weiß sei für ihr stetiges Zuhören mein i­nnigster Dank versichert. Carolin Menzer danke ich für ihre unermüdliche Hilfe bei der Korrektur des Textes. Gewidmet sei dieses Buch Maximilian Schochow. Ohne ihn wäre alles ganz anders. Chemnitz, den 28. April 2014

Gesine Mierke

Inhalt Einleitung   1 Riskante Ordnungen   1 Forschungsgeschichtliche Situierung  Problemaufriss   24

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 29 I Präliminarien  1 Autor   29 2 Datierung   38 3 Überlieferung   39 4 Quellen   43 4.1 als ich an dem buoche las oder als ich die liut hoer jehen   43 4.2 als uns die pfaffen haben geseit: Honorius Augustodunensis und Petrus Comestor   50 4.3 Wahrheitskonstruktion(en)   53  63 II Die Ordnung des Stoffes  1 Die Gliederung der Weltchronik   64 1.1 Die Gliederung nach Weltreichen   71 1.2 Die Ordnung der Reiche in der Weltchronik   74 1.3 Translatio imperii: Die Tochter des Riuzenkönigs   80 2 Prosapartien   86 2.1 Die Ordnung der Päpste: Papstkatalog   87 2.2 Die Ordnung der Sprachen: Sprachenspiegel   89 2.3 Die Ordnung der Könige: Babenbergische Genealogie   91 3 Zusammenfassung   92  95 III Ordnungsmuster  1 Die Ordnung der Geschlechter   95 1.1 Verführerinnen   96 1.2 Verführte: Minnesklaven   104 1.3 Zusammenfassung   132 2 Die (Un-)Ordnung des Reiches   135 2.1 Travestie: Nero   135 2.2 Nekrophilie: Karl der Große   147 2.3 Inzest: Der Riuzenkönig und seine Tochter   155 2.4 Curiositas: Friedrich II.   158 2.5 Zusammenfassung   169 3 Geistliche Ordnung – Papstgeschichten   170 3.1 Die Päpstin   170 3.2 Der Teufelspapst: Silvester II.   176

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 Inhalt

3.3 Papst Leo   180 3.4 Vom wîsen pfaffen  3.5 Zusammenfassung  IV 1 2 2.1 2.2 2.3 3 4

 183  184

Ordnung, Unordnung und Komik in der Weltchronik  Komische Ordnungen   187 Komik und Groteske   191 Gelächter und Entladung   193 Die Tradition des Komischen   198 Komische Ordnungen in der Weltchronik   204 Komik und Geschichtsschreibung   213 Redeszenen in der Weltchronik   216

 187

 227 Geschichte(n) in der Kaiserchronik  V 1 Geschichtsvermittlung und Deutungshoheit   227 2 Redeszenen   230 2.1 Ratgeber und Ratgeberinnen in der Kaiserchronik   230 2.2 Die ‚Erzählung in der Erzählung‘ in der Kaiserchronik   237 2.3 Disputationsszenen   241 3 Von der Kaiserchronik zu Jans von Wien   244 3.1 Publikum   244 3.2 Schema, Variation, Struktur   248  253 Kapitel: Riskante Ordnungen  VI 1 buoch, getiht oder korônike   253 2 Reihendiskussion   261 3 Volkssprachige Chronistik um 1300  Schluss 

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 283 Anhang  Abkürzungen   293 Literaturverzeichnis  Quellen   294 Forschung   298 Register   324

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Einleitung Riskante Ordnungen Vergehen und Fehltritte, Verletzungen bestehender Ordnungen sind Phänomene, die sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, sowohl in modernen als auch in vormodernen Texten verhandelt werden. Sie finden in der geisteswissenschaft­ lichen Forschung neuerdings verstärkt Beachtung.1 Vor diesem Hintergrund wird ‚Ordnung‘ als eine zentrale Kategorie in verschiedenen Disziplinen aus unterschied­ lichen Perspektiven untersucht: als Legitimation von normativen Vorstellungen oder Abläufen, zur Beschreibung von Strukturen oder zur Darstellung der Analyse gesellschaftlicher Systeme, als Konstante in Zeiten des Ordnungsschwundes oder zur Kategorisierung von Wissen.2 Ordnungen existieren ubiquitär und müssen unab­ lässig stabilisiert werden. Sie sind permanent angreifbar, daher ambivalent und in ihrer Festigkeit prekär. Erst ihre Erschütterung macht ihre eigentliche Beständigkeit bewusst. Dennoch gelten feste Ordnungen  – ob politisch, ökonomisch, emotional oder kognitiv – von jeher als erstrebens- und wünschenswert, da sie einen konsoli­ dierten Zustand markieren. Ordnung und Chaos erscheinen daher als unvereinbare Gegensätze und der Raum dazwischen als Übergangsstadium zum Gewünschten. Abbau und Aufbau, Konstruktion und Dekonstruktion, Konfiguration und Zerstörung sind jene Mechanismen, die Ordnung(en) generieren. Zwischen diesen beiden Polen scheint sich das Geheimnis lebendiger Ordnungen zu verbergen, das eine Balance zwischen Öffnung und Abschluss fordert. Dieser einfach anmutende Gleichgewichts­ zustand kann allerdings weder für die Ewigkeit festgelegt noch herbeigeführt werden, denn Ordnungen sind vital und dynamisch. Das skizzierte Problem ist für die moderne Gesellschaft aus verschiedenen Pers­ pektiven von einiger Brisanz. So produzieren beispielsweise zentralistische Systeme oder religiöse Konflikte Spannungen, durch die Ordnungen erstarren oder aufbrechen: Die Versuche der Vereinheitlichung, Internationalisierung und Globalisierung, die der europäische Integrationsprozess mit sich bringt, werfen Konfliktpotentiale auf.3 Vor diesem Hintergrund ist in den vergangenen Jahren insbesondere in der geisteswissen­

1 Vgl. Peter von Moos (Hg.): Der Fehltritt. Vergehen und Versehen in der Vormoderne. Köln [u. a.] 2001 (Norm und Struktur 15), S. XIV–XVI. 2 Vgl. Georg Wieland: Die Ordnung des Kosmos und die Unordnung der Welt, in: Bernd Schneid­ müller; Stefan Weinfurter (Hg.): Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter. Ostfildern 2006 (Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte, Vorträge und Forschungen 64), S. 19–36. 3 Vgl. Werner Roggausch: Kulturkontrast und Hermeneutik. Einige Notizen zur Begriffsbil­ dung in den Geisteswissenschaften, in: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache. Intercultural German ­Studies 24 (1998), S. 97–114; Reinhard C. Meier-Walser; Bernd Rill (Hg.): Der europäische ­Gedanke. Hintergrund und Finalität. München 2001.

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 Einleitung

schaftlichen Forschung nach den Ordnungsprinzipien vormoderner Kulturen gefragt worden. Dabei wurde die Verquickung von religiösen und politischen Ordnungsvor­ stellungen offengelegt und ihr Gewordensein erst transparent gemacht.4 Im Fokus standen vor allem die Symmetrien und Asymmetrien der vormodernen weltlichen und geistlichen Ordnung, deren Analyse die Spannungen und Widersprüche innerhalb der modernen Gesellschaft ersichtlich werden lassen.5 Nahezu alle früheren Reiche deu­ teten ihre Existenz als Repräsentanten einer transzendenten Ordnung, einer Ordnung des Kosmos. Die Ordnung der Gesellschaft wurde daraus analog als Mikrokosmos abgeleitet, so dass die allumfassende Aufgabe von Herrschaft nicht zuletzt darin bestand, die Gesellschaftsordnung mit der kosmischen Ordnung zu harmonisieren und Macht über bestimmte Mechanismen zu repräsentieren.6 Platon legte die Grund­ lage für die westlichen Gesellschaften, indem er die wahre Ordnung des Menschen in der Konstitution der Seele erkannte und diese zum Ausgangspunkt des geordne­ ten Kosmions Gesellschaft erhob.7 Dabei ist der sich aus der Antike legitimierenden christlichen Gesellschaft ein Problem inhärent, das die alles bestimmende Spannung zwischen geistlicher und weltlicher Macht, die das mittelalterliche Denken bestimmt, ausmacht: Aus der christlichen Offenbarung folgt keine gesellschaftliche Ordnung. Da eine derart einfache Ableitung nicht möglich ist, mussten sich für die spätantiken und frühmittelalterlichen Bestrebungen, ein christliches Herrschaftskonzept umzusetzen, die Ideen eines gerechten christlichen Herrschers, des rex et sacerdos, des populus christianus und der norma recitudinis zu verkünden, Schwierigkeiten ergeben. Sehr verkürzt ließe sich hier eine Ursache für die Spannungen zwischen welt­ lichem und geistlichem Schwert, wie sie spätestens seit Gelasius  I. (†  496) formu­

4 Vgl. Bernd Schneidmüller; Stefan Weinfurter (Hg.): Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter. Ostfildern 2006 (Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte, Vorträge und Forschungen 64); Jörg Rogge (Hg.): Religiöse Ordnungsvorstellungen und Frömmigkeitspraxis im Hoch- und Spätmittelalter. Korb 2008 (Studien und Texte zur Geistes- und Sozialgeschichte des Mit­ telalters  2); Bernhard Löffler; Karsten Ruppert: Religiöse Prägung und politische Ordnung in der Neuzeit: Festschrift für Winfried Becker zum 65. Geburtstag. Köln [u. a.] 2006; Hans Vorländer; Gert Melville: Die Geltung gesetzter Ordnung. Vormoderne und moderne Verfassung im Vergleich, in: Franz Joseph Felten [u. a.] (Hg.): Institution und Charisma. Festschrift für Gert Melville. Köln 2009, S.  47–54; Caroline Emmelius: Gesellige Ordnung. Literarische Konzeptionen von geselliger Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit. Tübingen 2009 (Frühe Neuzeit 139). 5 Vgl. Monika Morke [u. a.] (Hg.): Europas Identitäten. Mythen, Konflikte, Konstruktionen. Frank­ furt am Main 2003; Charles Taylor: Das Unbehagen an der Moderne. Frankfurt am Main 21995, S. 9; Wolfgang Ratzmann (Hg.): Religion – Christentum – Gewalt. Einblicke und Perspektiven. Leipzig 2004; René Girard: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Eine kritische Apologie des Christentums. Mit einem Nachwort von Peter Sloterdijk. Aus dem Franz. von Elisabeth Mainber­ ger-Ruh. München; Wien 2002, S. 9. 6 Vgl. grundlegend dazu: Eric Voegelin: Die neue Wissenschaft der Politik. Eine Einführung, hg. von Peter J. Opitz. München 2004, S. 68f. 7 Vgl. Platon: Politeia 368 c-d-369a, in: Platon: Der Staat. Griech. / Dt. Übers. von Rudolf Rufener, hg. von Thomas A. Szlezák. Düsseldorf; Zürich 2000 (Sammlung Tusculum).



Riskante Ordnungen 

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liert wurden, finden.8 Zahlreiche Konflikte, die die mittelalterliche Gesellschaft erschütterten und ihren Höhepunkt mit dem Wormser Konkordat von 1122 erreich­ ten, entzündeten sich daran. Die Qualität des Kaisertums erfuhr im Mittelalter jenen sakralen Wandel, durch den rituelle Vorgänge in den Mittelpunkt rückten. Zudem versprach die Rückbindung an das Göttliche eine neue Art der Legitimierung, die sich vor allem darin niederschlug, dass das Ordo-Denken auf allen Ebenen zum Sakralen in Beziehung gesetzt wurde und darin seine letzte Begründung fand. Die sakrale Rückbindung bezog jedoch nicht automatisch den Papst als ersten Diener Gottes ein. Im Gegenteil: Karl der Große versuchte beispielsweise das nomen imperatoris stark zu machen, Otto I. bezog sich auf das Heer und Heinrich I. lehnte die Salbung gänzlich ab. In der Augustinischen Auffassung vom imperator felix ist die Anerkennung der Wahrheit Gottes durch den Herrscher und damit die Grundlage einer Theokratie in strengem Sinne formuliert. Das wahre Glück des Kaisers ließe sich, so Augustinus, nicht nach seinen äußeren Erfolgen beurteilen, sondern danach, ob er sich auf dem Thron als Christ verhielt. Der Kirchenvater hatte die Ordnung der menschlichen Exis­ tenz in die civitas terrena und die civitas coelestis geschieden.9 Eine weitere Folgeer­ scheinung ist, dass das spirituale Schicksal des Menschen im christlichen Sinne nicht durch die politische Gesellschaft getragen, sondern einzig durch die Kirche reprä­ sentiert werden kann. Die Trennung der beiden Sphären und die „De-Divinisation“10 der weltlichen Macht wurde damit in der Spätantike endgültig vollzogen. Vor diesem Hintergrund blieb es eines der Hauptanliegen der mittelalterlichen Gelehrten auf den unterschiedlichsten Ebenen, deutlich wahrnehmbar seit den Karolingern, eine ein­ heitliche Ordnung des Reiches, der Kirche und des Wissens umzusetzen. Die Ordnung des Glaubens, des Reiches, des Wissens bestimmten die Ordnung der Macht, die – möglichst fest und orientiert am Höchsten – umgesetzt werden sollte. Unordnung und Nichtordnung waren dem Mittelalter als unmittelbares Zeichen des Bösen vertraut, entsprechend wurde der Weg zu einer harmonischen Ordnung angestrebt. Dennoch blieb das Problem, eine transzendente Welt auf das Irdische zu projizieren, als Grundkonflikt bestehen. Obwohl unablässig versucht wurde, die Ordnung des irdischen Mikrokosmos aus der Heiligkeit der Schrift zu begründen – wie die Berufung darauf zeigt, dass Gott als der oberste Schöpfer alles in der Welt nach seinem Prinzip geordnet habe11 –, blieb die Diskrepanz zwischen Schrift, Ausle­ gung und praktischer Umsetzung als unlösbare Spannung vorhanden. Nicht zuletzt

8 Vgl. Gelasius I.: Epistula 12, in: Andreas Thiel (Hg.): Epistolae Romanorum pontificum  1. Braunsberg 1867. Nachdruck Hildesheim; New York 1974, S.  349–358. Gelasius bezieht sich auf Lukas 22,38. Dort heißt es: Sie sprachen aber: Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter. Er aber sprach zu ihnen: Es ist genug. 9 Vgl. Augustinus: De civitate dei I, 24–26, in: PL 41, Sp 13–804. 10 Voegelin: Die neue Wissenschaft, S. 117. 11 Sap. 11,21: […] omnia in mensura et numero et pondere disposuisti.

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Augustinus hat insbesondere in De ordine in der Tradition der Stoa und des Neuplato­ nismus seine Auslegung des Ordo wie folgt formuliert: Ordo est parium dispariumque rerum sua cuique loca tribuens dispositio.12 Demnach hat jedes Einzelne seinen ihm zugewiesenen Platz und ist auf das Ganze hin ausgerichtet. Der Mensch sei, so Augus­ tinus, aufgrund seiner Fähigkeit zur Erkenntnis in der Lage, die göttliche Ordnung zu begreifen und seine Aufgabe darin zu erkennen. Ein Heraustreten aus dem göttlichen Ordo jedoch musste zu Sündhaftigkeit führen.13 Die mit der menschlichen Freiheit in die Welt gekommene Unordnung und das sich daran anschließende Leiden an der Orientierung am Göttlichen zog jene unauf­ lösliche Spannung nach sich, die den Grundwiderspruch zwischen Politik und Reli­ gion ausmacht. Obwohl bis zur Parusie jede Ordnung einzig als Hilfskonstruktion gelten konnte, war sie dennoch notwendig, um die politische Ordnung mit Hilfe der Sakralisierung abzusichern. Gerade die Annahme einer transzendenten, übergeord­ neten und letztlich unverfügbaren Institution schützte wiederum den Fortbestand der gesellschaftlichen Ordnung.14 Für das Mittelalter blieb dieses Problem ubiquitär bzw. die Möglichkeit des Menschen, den Ordo zu verletzen, omnipräsent. In zahlreichen gelehrten Schriften, Gesetzestexten, aber auch literarischen Verarbeitungen wurde vor einem Abwenden von der Ordnung gewarnt, wurden Grenzgänger verteufelt oder der Zauberei bezichtigt sowie Unternehmungen, die das Risiko bargen, den Ordo zu verlassen, abgelehnt. Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter haben Ordnungskonfiguratio­ nen als „Konzepte“, „Wege, Modelle und Formen“15 definiert, die realiter als Wert- und Ordnungsvorstellungen umgesetzt wurden und reziprok auf die Konzepte zurück­ wirkten, wobei die Wechselbeziehung zwischen „gedachter und etablierter Ordnung“ im Vordergrund steht. Dieser Wechselbeziehung ist jene Dynamik inhärent, die den Entwicklungsprozess von Ordnungsvorstellungen in ihrem Spannungsfeld zwischen sozialem Wandel, gesellschaftlicher Umstrukturierung und ethischer Neuorientie­ rung begleitet. Obwohl die Definition sehr weitläufig ist und das Paradigma daher – erfährt es keine genauere Einschränkung – nahezu überall Anwendung finden kann, sollte das Hauptaugenmerk darauf liegen, eine dynamische Wechselbeziehung zu beschreiben, die lebendige Ordnungen betrifft.

12 Augustinus: De civitate dei XIX, 13. 13 Vgl. auch Gesine Mierke: Memoria als Kulturtransfer. Der altsächsische ‚Heliand‘ zwischen Spät­ antike und Frühmittelalter. Köln [u. a.] 2008 (Ordo 11), S. 92–94. 14 Vgl. u. a. Peter von Moos: Krise und Kritik der Institutionalität. Die mittelalterliche Kirche als ‚Anstalt‘ und ‚Himmelreich auf Erden‘, in: Gert Melville (Hg.): Institutionalität und Symbolisie­ rung. Verstetigung kultureller Ordnungsmuster in Vergangenheit und Gegenwart. Köln; [u. a.] 2001, S. 293–340. 15 Bernd Schneidmüller; Stefan Weinfurter: Ordnungskonfigurationen. Die Erprobung eines For­ schungsdesigns, in: Dies. (Hg.): Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter. Ostfildern 2006 (Kon­ stanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte, Vorträge und Forschungen 64), S. 7–18, dort S. 8.



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Ordnungen leben zwischen Konstruktion und Zerstörung. Ihre Überschreitung – der Bruch  – markiert ihre Existenz. Das Oszillieren zwischen Ordnung und Unord­ nung, die paradoxe Abhängigkeit beider Pole, gehört zu den Grundthemen mensch­ licher Auseinandersetzung. Anarchie als Antwort auf der einen Seite, Erstarren und Festschreibung als Lösung auf der anderen Seite: Weltflucht und Narrentum, Institu­ tionalisierung und Gesetzestexte bedingen einander. Dabei ist gerade im Mittelalter, von dem eine beständige Ordnung angenommen werden könnte, die religiöse Ori­ entierung durch die „Institutionstranszendenz der Kirche“16 klar vorgegeben. Doch gerade hier ist das Schwanken zwischen beiden Polen von Auflösung und Erstarrung allgegenwärtig, da der stetige Versuch eine feste Ordnung zu etablieren, perpetuiert werden sollte. Mit Brüchen und Verletzungen dieser Ordnung sind Grenzüberschreitungen verbunden, die das Bestehende neu bewusst machen. Sie sind die Ausnahmen, durch die Regeln des Verhaltens offensichtlich werden.17 Emile Durkheim betonte in Bezug auf das Verbrechen, „daß es jedesmal die Schwierigkeit sichtbar mache, Gesetze zu befolgen und Ordnung aufrecht zu erhalten, und darum ordnungsstabi­ lisierend wirke“.18 Nicht zuletzt René Girard hat bereits in den 1980er Jahren von jenem „Sündenbockmechanismus“19 gesprochen, durch den Ordnungsstörungen als Gesellschaft konstituierend beschrieben werden können.20 Er definiert den Sünden­ bock wie folgt: Ein ‚Sündenbock‘ ist zuallererst das Opfer des jüdischen Rituals, das anläßlich der wichtigen Entsühnungszeremonien gefeiert wird (3. Mose, 16,21). […] Der Ritus bestand darin, einen mit allen Sünden Israels beladenen Ziegenbock in die Wüste zu schicken. Der Hohepriester legte seine Hände auf den Kopf des Bocks, und mit dieser symbolischen Geste sollte alles, was die zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Gemeinde hätte vergiften können, auf das Tier übertragen werden. […] In einer weit zurückliegenden Epoche, als der Ritus noch als Ritus

16 von Moos: Krise und Kritik, S. 303. 17 Vgl. von Moos: Der Fehltritt, S. 307; Clifford Geertz: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verste­ hen kultureller Systeme. Frankfurt am Main 21991, S. 261–287. 18 Emile Durkheim: Regeln der soziologischen Methode. In neuer Übersetzung hg. u. eingel. von René König. Neuwied 1961, S. 155. Zitiert nach: von Moos: Der Fehltritt, S. XVI. 19 René Girard: Der Sündenbock. Zürich 1988; Ders.: Ich sah den Satan, S. 193–201. 20 Zur mediävistischen Auseinandersetzung mit Girard vgl. Bruno Quast: Anthropologie des Op­ fers. Beobachtungen zur Konstitution frühneuzeitlicher ‚Verfolgungstexte‘ am Beispiel des ‚Endinger Judenspiels‘, in: Zeitschrift für Germanistik NF 8 (1998), S. 349–360; Peter Strohschneider: InzestHeiligkeit. Krise und Aufhebung der Unterschiede in Hartmanns ‚Gregorius‘, in: Christoph Huber [u. a.] (Hg.): Geistliches in weltlicher und Weltliches in geistlicher Literatur des Mittelalters. Tübingen 2000, S. 105–133; Christian Kiening: Gewalt und Heiligkeit. Mittelalterliche Literatur in anthropolo­ gischer Perspektive, in: Wolfgang Braungart [u. a.] (Hg.): Wahrnehmen und Handeln. Perspekti­ ven einer Literaturanthropologie. Bielefeld 2004, S. 19–39.

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wirksam war, mußte die kollektive Übertragung durch den schlechten Ruf des Tieres, dessen ekelerregenden Geruch und dessen übermäßige Sexualität begünstigt worden sein.21

Im Zentrum stehen hier die Mechanismen Ausstoßung, Verfolgung und Heiligung22 sowie die Übertragung bzw. Sublimierung von Gewalt – Mechanismen, die nicht nur Gegenstand von Literatur sein können, sondern etwas über ihre Wirkung aussagen. In seiner mimetischen Theorie sucht Girard nach Prinzipien, die kulturübergreifend sind.23 Dabei hat er am Beispiel des Christentums nach dem Zusammenhang von Religion und Gewalt gefragt, um diesen auf gesamtmenschliche Phänomene zu über­ tragen. Girard beschreibt unter dieser Prämisse die Kreuzigung Jesu als ein Opfer­ ritual, das auf transzendenter Ebene symbolisch wiederholt wird, entsprechend die Sublimierung von Gewaltpotentialen ermöglicht und die Ordnung stabilisiert. An die Stelle der ‚großen Erzählungen‘, die die archaische, mimetische Gewalt verbergen, können im Anschluss an Girard literarische Texte treten, die diese Konfliktpoten­ tiale im Konnex von Gewalt und Heiligkeit, vor allem im Spannungsfeld familialer Konstellationen,24 erneut hervorbringen. Ordo-Vorstellungen und das Festhalten an einer harmonischen Ordnung des Weltganzen, ihre ständige Stabilisierung gehören zum allseits bekannten Verständ­ nisbild des Mittelalters. Insbesondere in der mittelalterlichen Kultur und Literatur sind Ordo-Verletzungen und -brüche ubiquitär. Entsprechend werden etwa in den Artusromanen derartige Themen immer wieder durchdekliniert: Parzival, Iwein und Êrec ziehen aus und müssen sich bewähren. Vor dem Artushof als gesellschaftlichem Korrektiv sind sie verpflichtet, sich erneut zu beweisen, um schließlich Rehabilitation und Anerkennung zu erfahren. Die Gesellschaft gewinnt erst dann neue Stabilität, wenn der Protagonist am Ende des Textes seine Prüfung bestanden hat und wieder integriert werden kann. Dabei steht aber nicht nur die ‚ideale‘ Ordnung im Mittel­ punkt, sondern vor allem ihre Überschreitung und Verletzung. Interessant sind hier gerade die Fehltritte und Vergehen, die notwendig sind, um Rituale und Regeln auf die Probe zu stellen oder sich ihrer zu vergewissern. Sie stehen häufig an der Grenze zur Lächerlichkeit, lassen einerseits die Absolutheit von Ordnungen für einen Moment angreifbar und relativierbar werden und verweisen andererseits durch die temporäre Erschütterung auf die Brüchigkeit liminaler Setzun­

21 Girard: Ich sah den Satan, S. 193f. 22 Die spätere Integration des Opfers erklärt Girard am Beispiel von Psalm 118: „[…] Jesus wendet ihn auf sich selbst an: ‚Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.‘ Dieser Vers benennt nicht bloß die Ausstoßung des einzigen und alleinigen Opfers, sondern auch die spätere Umkehrung, die aus dem Verstoßenen den Schlußstein der gesamten Gemeinde macht.“ Vgl. Girard: Ich sah den Satan, S. 195. 23 Vgl. René Girard: Mimesis and Theory: Essays on Literature and Criticism, 1953–2005, hg. von Robert Doran. Stanford 2008. 24 Vgl. auch Kiening: Gewalt und Heiligkeit, S. 27f.



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gen. Das Lachen ermöglicht eine kurzzeitige Distanzierung von der Ordnung und die Entladung von Konfliktpotentialen. Michail Bachtin hat innerhalb der Volkskul­ tur jenes karnevaleske Lachen beschrieben, das für einen Moment die Umkehrung aller Werte bedeutet und eine Abkehr von der gegenwärtigen Ordnung einschließt.25 Damit, so ließe sich mit Girards Mimesistheorie anschließen, ist das Ausbrechen angestauter Energien verbunden, das die Ordnung zwar erschüttert, letztlich aber zu ihrer Erhaltung und Festschreibung beiträgt.26 Lachen, so Aristoteles, unterscheidet den Menschen von anderen Lebewesen und hat, unterliegt es der Mäßigung und ist nicht der Possenreißerei anheimgestellt, seine Berechtigung in Zeiten der Muße und Erholung.27 Lachen verbindet oder grenzt aus, stilisiert jemanden zum Narren oder integriert ihn als Freund. Kurz: Lachen hat eine soziale Funktion. Vor allem aber ist dem Lachen eine bipolare Spannung eigen, die zunächst Ausdruck von Vitalität und Erneuerung sein kann. Dabei ist ihm aber auch, wie Walter Haug formulierte, eine „tödliche Rückseite inhärent“,28 die zwar den Tod überwunden, aber im Kontext dieser Erfahrung das Überwundene zum Lächerlichen, zum Komischen macht. Die gegebene Ordnung wird überschritten und für einen Moment außer Kraft gesetzt. Komik und Lächerlichkeit als zwei der Mechanismen stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis, das dennoch eine grundsätzliche Unter­ scheidung zulässt. Die Literaturwissenschaft hat sich mit dem Phänomen des Komischen beschäf­ tigt, sein Wesen beschrieben, seine Textgattungen, wie Komödie, Parodie, Groteske, Burleske, untersucht29 sowie die verschiedenen Formen des Lachens und der komi­ schen Literatur im Kontext der jeweiligen Gebrauchssituation analysiert.30 Darüber hinaus ist in den letzten Jahren in Anlehnung an die Studien von Sigmund Freud

25 Vgl. Michail Bachtin: Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur, hg. von Renate Lachmann. Frankfurt am Main 1987. 26 Vgl. Girard: Ich sah den Satan. 27 Vgl. Aristoteles: Nikomachische Ethik IV, 14, 1128a in: Aristoteles: Nikomachische Ethik. Überset­ zung und Nachwort von Franz Dirlmeier, Anmerkungen von Ernst A. Schmidt. Bibl. erg. Ausg. Stuttgart 2003. 28 Walter Haug: Schwarzes Lachen: Überlegungen zum Lachen an der Grenze zwischen dem Ko­ mischen und dem Makabren, in: Werner Röcke; Hans Rudolf Velten (Hg.): Lachgemeinschaften. Kulturelle Inszenierungen und soziale Wirkungen von Gelächter im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Berlin; New York 2005 (Trends in medieval philology 4), S. 49–64, dort S. 52. 29 Vgl. Hans Robert Jauss: Zum Problem der Grenzziehung zwischen dem Lächerlichen und dem Komischen, in: Rainer Preisendanz; Rainer Warning (Hg.): Das Komische. München 1976 (Poetik und Hermeneutik 7), S. 361–371; Tilman Vogel (Hg.): Vom Lachen. Tübingen 1992. 30 Vgl. Werner Röcke; Helga Neumann (Hg.): Komische Gegenwelten. Lachen und Literatur in Mittel­ alter und Früher Neuzeit. Paderborn [u. a.] 1999; Christoph Auffarth; Sonja Kerth (Hg.): Glaubens­ streit und Gelächter. Reformation und Lachkultur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Berlin 2008.

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und Henri Bergson31 das Lachen als sozialer Vorgang in anthropologischen und soziologischen Studien thematisiert und nach seiner Funktionalisierung gefragt worden.32 Aus dieser Perspektive wurde der Gemeinschaft und Identität stiftenden Funktion des Lachens, der damit verbundenen performativen Aktualisierung einer Gruppe sowie dem Lachen als Ritual und Ausdrucksmuster vor allem von Seiten der mediävistischen Forschung größere Beachtung geschenkt.33 Unter den verschiedenen Arten des Lachens hat Werner Röcke das aggressive Auslachen sowie das befreiende Lachen in politischen, theologischen und ideologi­ schen Diskursen subsumiert.34 Dabei ist insbesondere Letzteres ein einverständiges Lachen, das vom Druck religiöser, ethischer und politischer Normen befreit. Es resul­ tiert aus der Verbindung von Dingen, die eigentlich nicht miteinander kompatibel sind, so dass eine Verkehrung der Normen stattfindet, eine Grenzüberschreitung, ein Ordo-Bruch vollzogen wird. Das Lachen markiert die Befreiung, wenn das Komi­ sche die Maßstabsverletzung, die Unangemessenheit an sich ausmacht. Wenn diese das Andere der geregelten Norm repräsentiert, dann geht es darum, dass das, was eben noch selbstverständlich, vorbildlich und unantastbar schien, verzerrt abgebil­ det wird.35 Insbesondere die Funktion verkehrter literarischer Welten und ihre Aus­ richtung auf Komik und Lächerlichkeit bilden aus wirkungsästhetischer Perspektive einen Ansatz der folgenden Untersuchung.

31 Vgl. Henri Bergson: Le rire. Essais sur la signification du comique (1900). Dt. Das Lachen. Mei­ senheim a. G. 1948. 32 Vgl. Dietmar Kamper; Christoph Wulf (Hg.): Lachen – Gelächter – Lächeln. Reflexionen in drei Spiegeln. Frankfurt am Main 1986; Lothar Fietz [u. a.] (Hg.): Semiotik, Rhetorik und Soziologie des Lachens. Vergleichende Studien zum Funktionswandel des Lachens vom Mittelalter zur Gegenwart. Tübingen 1996. 33 Werner Röcke und Hans Rudolf Velten haben unter dieser Prämisse Lachgemeinschaften und die Kategorie des Performativen als ein neues Paradigma erhoben, um die Möglichkeit, die Inszenie­ rung, die Technik und die Wirkung des Lachens in unterschiedlichen sozio-kulturellen Kontexten vergleichend zu untersuchen. Vgl. Röcke; Velten: Lachgemeinschaften; Gerd Althoff: Der König weint. Rituelle Tränen und öffentliche Kommunikation, in: Jan-Dirk Müller (Hg.): ‚Aufführung‘ und ‚Schrift‘ in Mittelalter und Früher Neuzeit. Stuttgart; Weimar 1996 (Germanistische SymposienBerichtsbände 17), S. 239–252; Ders.: Vom Lächeln zum Verlachen, in: Werner Röcke; Hans Rudolf Velten (Hg.): Lachgemeinschaften. Kulturelle Inszenierungen und soziale Wirkungen von Gelächter im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Berlin; New York 2005 (Trends in medieval philology 4), S. 3–16. 34 Vgl. Werner Röcke: Groteske, Parodie, Didaxe. Aspekte einer Literaturgeschichte des Lachens im Mittelalter, in: Neohelicon 23 (1996), S. 145–166. 35 Vgl. Martin Hedinger [u. a.] (Hg.): Das Groteske. Colloquium Helveticum. Schweizer Hefte für allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft 35 (2004). Freiburg;  Schweiz 2005.



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Forschungsgeschichtliche Situierung Verkehrte Welten im Sinne von zunächst ungewöhnlichen Geschichten reihte Jans von Wien in seiner Weltchronik aneinander, die in jüngster Zeit zunehmend Beach­ tung findet. Aufgrund seiner unkonventionellen Erzählungen galt Jans lange als „Novellist“36 unter den Geschichtsschreibern, der den Verlauf der Welt von der Schöpfung bis zu Friedrich  II. und den Babenbergern in Österreich von Markgraf Adalbert bis zu Herzog Friedrich II. in amüsanten Geschichten bzw. eingekleidet in unterhaltsame Anekdoten erzählt. Seinem umfangreichen Text wurde vor allem in der älteren Forschung zwar ein gewisser Unterhaltungscharakter, dennoch ein gar zu geringer „historischer Wert“37 beigemessen. Philipp Strauch umriss den Zugang des 19. Jahrhunderts im Vorwort seiner 1891 erschienenen Ausgabe zu den Texten des Wiener Autors treffend: Der historische wert der schriften Enikels ist äusserst gering; von der Weltchronik verdienen in dieser beziehung nur die letzten partien einige beachtung, doch sind auch hier, was für das ganze Fürstenbuch gilt, die geschehnisse der jüngsten vergangenheit bereits mannigfach sagen­ haft umwoben. Jansen Enikel verfolgt aber auch garnicht lehrzwecke. Seine Weltchronik wie das Fürstenbuch sind keine geschichtswerke im engeren sinne, sondern geschichtenbücher, die lediglich unterhalten wollen […].38

Auch Ursula Liebertz-Grün sprach noch 1995 von der Weltchronik als einem Text, der „Geschichte in Form von Geschichten“ erzählt, „Episode an Episode aneinander­ reiht“ bzw. „anekdotenhafte mündliche und schriftliche Erzählstoffe“ verarbeitet.39 Dieser Befund gilt für die volkssprachliche Verschronistik nach wie vor ganz allge­ mein und ließe sich beispielsweise auch für die Kaiserchronik oder die Braunschwei-

36 Fritz Peter Knapp: Die Literatur des Spätmittelalters in den Ländern Österreich, Steiermark, Kärnten, Salzburg und Tirol von 1273 bis 1439. Graz 1999, S. 257. 37 Hans Rupprich: Das Wiener Schrifttum des ausgehenden Mittelalters, in: Österreichische Aka­ demie der Wissenschaften. Sitzungsberichte. Bd. 228. Wien 1954, S. 25; Alphons Lhotsky: Quellen­ kunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs. Graz; Köln 1963 (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 19), S. 269. Strauch bezeichnet Jans Werke als „Geschichtenbücher, die lediglich unterhalten wollen“, seine Darstellung als „ungleich“ und be­ schreibt „ärmliche, stümperhafte partien“. Vgl. Philipp Strauch: Jansen Enikels Werke. Weltchro­ nik und Fürstenbuch, in: MGH (Deutsche Chroniken 3). Hannover; Leipzig 1900, S. LXXVII. De Boor äußert: „Man darf Jans Enikel nicht als Historiker sehen und geschichtliche Aufschlüsse von ihm erwarten. Ereignisse interessieren ihn nicht als solche; wo sich Historie nicht zur spannenden Ge­ schichte steigern läßt, hört seine Anteilnahme auf.“ Helmut De Boor; Richard Newald: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. 3 Bde.: Die deutsche Literatur im spä­ ten Mittelalter. Teil 1: 1250–1350. München 51997, S. 169. 38 Strauch: Jansen Enikels Werke, S. LXXVII. 39 Vgl. Ursula Liebertz-Grün: Reimchronik. II. Deutsche Literatur, in: LexMA 7 (1995), Sp. 650–651.

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gische Reimchronik bestätigen.40 Die sich hier andeutende Problematik der Jansschen Texte jedoch, ihre Grenzstellung zwischen Literatur- und Geschichtswissenschaft und die damit verbundene Inanspruchnahme bzw. Distanzierung durch die eine oder andere Disziplin, ist noch immer offenkundig, obwohl in den letzten Jahren chronisti­ sche volkssprachliche Texte größere Beachtung von Seiten der Literaturwissenschaft erfahren haben.41 Entsprechend kann auch das Œuvre Jans’ Anlass zu neuen Frage­ stellungen geben.42 Hier hat insbesondere die umfangreiche Untersuchung der wissensorganisie­ renden und wissensvermittelnden mittelalterlichen Literatur bereits in den 1990er Jahren dazu beigetragen, die Verschronistik unter neuen Vorzeichen zu betrachten.43

40 Stefanie Hölscher beklagt entsprechend, dass „Reimchroniken dem Historiker zu wenig Quel­ lenwert und dem Literarhistoriker zu wenig dichterischen Wert haben“ und ihnen deshalb in der Forschung bislang nur „geringe Aufmerksamkeit“ zukam. Stefanie Hölscher: Braunschweigische Reimchronik. Ein Ausdruck welfischer Machtlegitimation, in: Jahrbuch der Oswald von WolkensteinGesellschaft 10 (1998), S. 181–190, dort S. 181. 41 Vgl. hier die Arbeiten von: Hans-Werner Goetz: Geschichtsbewusstsein in der spätsalischen und frühstaufischen Weltchronistik, in: Jörg Jarnut; Matthias Wemhoff (Hg.): Vom Umbruch zur Erneu­ erung? Das 11. und beginnende 12. Jahrhundert. Positi­onen der Forschung. Historischer Begleitband zur Ausstellung „Canossa 1077“, Erschütterung der Welt. Geschichte, Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik. München 2006 (MittelalterStudien des Instituts zur Interdisziplinären Erforschung des Mit­ telalters und seines Nachwirkens, Paderborn 13), S. 197–218; Manfred Kern: Welt aus Fugen. Textuelle Heterogenität in der mittelalterlichen Weltchronistik am Beispiel Rudolfs von Ems, in: LiLi 36 (2006), S.  123–146; Gabriel Viehhauser: Die Darstellung König Salomos in der mittelhochdeutschen Welt­ chronistik. Wien 2003; Horst Brunner (Hg.): Studien zur ‚Weltchronik‘ Heinrichs von München. Bde. 1–3. Wiesbaden 1998; Martin Wallraff (Hg.): Welt-Zeit. Christliche Weltchronistik aus zwei Jahr­ tausenden in Beständen der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena. Berlin 2005. 42 Maria Elisabeth Dorninger: Ein Plädoyer für Dalila? Bemerkungen zur geistlichen und welt­ lichen Rezeption bei Gottfried von Admont und Jans von Wien, in: ZfdPh 127  (2008), S.  375–391; Albrecht Classen: Toleranz im späten 13. Jahrhundert, mit besonderer Berücksichtigung von Jans von Wien und Ramon Llull, in: Mediävistik 17  (2004), S.  25–55; Raymond Graeme Dunphy: Jans der Enkel oder Jans von Wien?, in: Perspicuitas, Nov. (2003); Gesine Mierke: Die Konstruktion der Welt in der ‚Weltchronik‘ des Jans Enikel, in: Philipp Billion [u. a.] (Hg.): Weltbilder im Mittelalter. Perceptions of the World in the Middle Ages. Bonn 2009, S. 149–166; Maria Dobozy: Historical nar­ rative and dialogue: The serious and the burlesque in Jans der Enikel’s ‚Weltchronik‘, in: Sibylla Anna Bierhals Jefferis (Hg.): Current topics in medieval German literature. Texts and analyses. (Kalamazoo Papers 2000–2006). Göppingen 2008, S. 151–168; Andrea Sieber: daz frouwen cleit nie baz gestount. Achills Crossdressing im ‚Trojanerkrieg‘ Konrads von Würzburg und in der ‚Weltchro­ nik‘ des Jans Enikel, in: Ingrid Bennewitz; Ingrid Kasten (Hg.): Genderdiskurse und Körperbilder im Mittelalter. Eine Bilanzierung nach Butler und Laqueur. Münster 2002 (Bamberger Studien zum Mittelalter 1), S. 49–76. 43 Vgl. dazu Horst Brunner; Norbert Richard Wolf (Hg.): Wissensliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Bedingungen, Typen, Publikum, Sprache. Wiesbaden 1993 (Wissensliteratur im Mittelalter 13); Monika Sick: Der ‚Lucidarius‘ und das ‚Buch Sidrach‘. Eine wissenssoziologische Untersuchung zweier mittelalterlicher Wissensbücher. Bonn 1994; Horst Brunner (Hg.): Studien



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Durch diese Arbeiten konnte das Bestreben, die Texte als historia oder fabula klassi­ fizieren zu wollen und sie endlich den Geschichts- oder den Literaturwissenschaften zuschlagen zu wollen, zwar nicht endgültig beigelegt, dennoch eine Polarisierung umgangen und durch eine stärker wissenssoziologische Perspektive ersetzt werden. In der Folge wurden zum einen Ordnungen des Wissens und Wissenskonstruktionen betrachtet, zum anderen ging es um jenen „Popularisierungsvorgang“44, der ab dem 13. Jahrhundert diverse Wissensbereiche auch für die Volkssprache öffnete. In jüngster Zeit sind die Chroniken vor allem unter narratologischen45 und motiv­ geschichtlichen46 Aspekten untersucht sowie auf rituelle Praktiken47 hin betrachtet worden. Eine umfassende Untersuchung der Weltchronik und ihrer Motive, Erzähl­ muster und -strategien als Ganzes fehlt allerdings bislang ebenso wie ein Kommen­ tar zur einzigen Edition. Letztere hat Philipp Strauch Ende des 19. Jahrhunderts vorgenommen, den Text der Weltchronik sowie des Fürstenbuches herausgegeben und die Überlieferungs- und Quellengrundlage beschrieben.48 Weniger detaillierte als vielmehr einzelne Aspekte fokussierende Betrachtungen finden sich des Weite­ ren bei Karl Uhlirz,49 Ernst Klebel,50 Hans Rupprich51 und Alphons Lhotsky52. Darüber hinaus untersuchte Karl-Ernst Geith den Karlsabschnitt der Weltchronik,53 Ursula Liebertz-Grün die Gesellschaftsdarstellung und das Geschichtsbild inner­

zur ‚Weltchronik‘ Heinrichs von München. Bd. 1: Überlieferung, Forschungsbericht, Untersuchungen, Texte. Wiesbaden 1998 (Wissensliteratur im Mittelalter 29). 44 Georg Steer: Der Laie als Anreger und Adressat deutscher Prosaliteratur im 14. Jahrhundert, in: Walter Haug [u. a.] (Hg.): Zur deutschen Literatur und Sprache des 14. Jahrhunderts. Dubliner Collo­ quium 1981. Heidelberg 1983, S. 354–367, dort S. 361. 45 Vgl. Mathias Herweg: Erzählen unter Wahrheitsgarantie: Deutsche Weltchroniken des 13. Jahr­ hunderts, in: Norbert Ott; Gerhard Wolf (Hg.): Handbuch Chroniken des Mittelalters. Berlin 2013 [im Druck]. Ich danke M. Herweg für die Einsichtnahme in das Manuskript. 46 Vgl. Martin Przybilski: di juden jehent. Die Aufnahme jüdischer Erzählstoffe in der ‚Weltchronik‘ des Jans von Wien, in: Aschkenas 14 (2004), S. 83–99; Raymond Graeme Dunphy: Daz was ein michel wunder. The Presentation of Old Testament Material in Jans Enikel’s ‚Weltchronik‘. Göppingen 1998 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 650). 47 Vgl. Christiane Witthöft: Ritual und Text. Formen symbolischer Kommunikation in der Histo­ riographie und Literatur des Spätmittelalters. Darmstadt 2004 (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne). 48 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke; Ders.: Studien über Jansen Enikel, in: ZfdA 28 (1884), S. 35–63. 49 Vgl. Quellen zur Geschichte der Stadt Wien. Abt. 2, Bd. 1: Verzeichnis der Originalurkunden des städtischen Archives 1239–1241, hg. vom Altertumsverein zu Wien, bearb. von Karl Uhlirz, S. 35–107. 50 Vgl. Ernst Klebel: Die Fassungen und Handschriften der österreichischen Annalistik, in: Jahr­ buch für Landesgeschichte von Niederösterreich NF 21 (1928), S. 43–185. 51 Vgl. Rupprich: Das Wiener Schrifttum. 52 Vgl. Lhotsky Alphons: Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs. Graz; Köln 1963 (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung; Ergänzungsband 19). 53 Vgl. Karl-Ernst Geith: Carolus Magnus. Studien zur Darstellung Karls des Großen in der deut­ schen Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts. Bern; München 1977 (Bibliotheca Germanica 19).

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halb des Werkes54 und Horst Wenzel Aspekte des Höfischen mit Blick auf die Staufer­herrschaft55. Die volkssprachlichen Verschroniken, die auf der Basis der lateinischen Chronis­ tik ab dem 12. Jahrhundert im deutschen Sprachraum entstanden und der Anzahl nach stetig zunahmen, avancierten bis zum 15. Jahrhundert zu den erfolgreichsten Werktypen.56 Etwa 180 vollständige und fragmentarisch erhaltene Handschriften unterstreichen ihre besondere Popularität in der Nachfolge des höfischen Romans. Den Anfang machte, sieht man vom Annolied (um 1080) in diesem Zusammenhang ab, die anonym überlieferte Kaiserchronik (um 1150) aus dem Regensburger Raum. In der Folge entstanden die Weltchronik Rudolfs von Ems (um 1250), die ChristherreChronik (um 1250), die Weltchronik und das Fürstenbuch des Jans von Wien (um 1280), die Braunschweigische Reimchronik (um 1275) sowie die Weltchronik Heinrichs von München (um 1370 / 80).57 Aufgrund der Neubewertung der umfangreichen Weltchro­ nik-Überlieferung, vor allem der zahlreichen Kompilationen, hat in den 1980er Jahren eine Aufwertung der Verschronistik stattgefunden, die bis dahin reichte, die Chroni­ ken als neue epische Leitform in der Nachfolge des höfischen Romans zu postulieren und mehr noch auf die ihnen eigene „neue handfeste Verbindlichkeit des Erzählens in Geschichte und Religion“ hinzuweisen oder sie gar zur „Über-Form“ zu erheben, in der „die Versuche des Zeitalters zusammenschießen, im Erzählen den Sinn des Lebens zu fassen“58. In Anlehnung an Joachim Heinzles Bild von der massenhaf­ ten Überlieferung der Weltchronik-Kompilationen wird nicht nur die Präsenz dieser Gattung im Spätmittelalter greifbar, sondern vor allem die Kompilation zum charak­ teristischen Überlieferungstyp der Gattung erhoben, wobei erneut die Einzelüberlie­

54 Vgl. Ursula Liebertz-Grün: Gesellschaftsdarstellung und Geschichtsbild in Jans Enikels Weltchronik. Mit Notizen zu Geschichtserkenntnis und Geschichtsbild im Mittelalter, in: Eupho­ rion 75 (1981), S. 71–99; Dies.: Das andere Mittelalter. Erzählte Geschichte und Geschichtserkenntnis um 1300. Studien zu Ottokar von Steiermark, Jans Enikel, Seifried Helbling. München 1984 (Forschun­ gen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur 5). 55 Vgl. Horst Wenzel: Höfische Geschichte. Literarische Tradition und Gegenwartsdeutung in den volkssprachigen Chroniken des hohen und späten Mittelalters. Bern [u. a.] 1980 (Europäische Hoch­ schulschriften, Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur 284), S. 87–116. 56 Dies bestätigen die Überlieferung der Einzelwerke und die umfangreichen Kompilationen. Vgl. Brunner: Studien zur ‚Weltchronik‘ Heinrichs von München. Bd. 1, S. VII; Dorothea Klein: Studien zur ‚Weltchronik‘ Heinrichs von München. Bd. 3 / 1: Text- und überlieferungsgeschichtliche Untersu­ chungen zur Redaktion β. Wiesbaden 1998 (Wissensliteratur im Mittelalter 31 / 1); Dies.: Die wich­ tigsten Textfassungen in synoptischer Darstellung. Bd.  3 / 2. Wiesbaden 1998 (Wissensliteratur im Mittelalter 31 / 2); Ralf Plate: Die Überlieferung der ‚Christherre-Chronik‘. Wiesbaden 2005 (Wissens­ literatur im Mittelalter 28). 57 Vgl. Kurt Gärtner: Die Tradition der volkssprachlichen Weltchronistik in der deutschen Literatur des Mittelalters, in: Pirckheimer-Jahrbuch 9 (1994), S. 57–72. 58 Joachim Heinzle (Hg.): Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit. Bd. 2: Vom hohen zum späten Mittelalter. Teil 2: Wandlungen und Neuansätze im 13. Jahr­ hundert (1220 / 30–1280 / 90). Tübingen 21994, S. 170.



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ferung vernachlässigt wurde. Diesen Befund hat jüngst Ralf Plate am Beispiel der Christherre-Überlieferung zu Recht infrage gestellt, indem er darauf hinwies, dass die Kompilationsüberlieferung gerade nicht der „Normalfall einer von Beginn an auf Ver­ mischung angelegten Gattung“ war, „sondern eine späte in ihrer produktiven Phase lokal und zeitlich begrenzte Erscheinung“59 sei. Vor diesem Hintergrund gewinnen die Untersuchung der Überlieferung der Einzelwerke, ihrer Konzeption und Sinnver­ mittlung sowie die literaturgeschichtliche Situierung der Texte erneut an Relevanz. Sie bilden den Ausgangspunkt der vorliegenden Studie. Die Chroniken, die als Wissenskompendien einer bestimmten Zeit Einblick in einen spezifischen kulturellen Kontext vermitteln und als Speicher von Welt-, Heilsund Geschichtswissen fungieren, beschreiben die Ordnung der Welt und spie­ geln eine ihnen eigene Konstruktion wider. Dies wurde vor allem aus geschichts­ wissenschaftlicher Perspektive vielfach diskutiert, da die Texte in die jeweilige geschichtspolitische Richtung eingebunden waren. Erst in jüngster Zeit wurde zunehmend die Forderung erhoben, den fiktionalen Anteil der Chroniken stärker zu berücksichtigen.60 An diesem Punkt setzt die für diese Untersuchung zentrale Frage nach der Gattungszuordnung der Texte an. Sie bereitet Schwierigkeiten, da die Chroniken zwar historia vermitteln und damit Wahrheitsanspruch erheben, nicht zuletzt aber literarischen Mustern gehorchen und gereimt erzählt werden. Die von Ursula Liebertz-Grün vorgeschlagene Definition der Reimchroniken als „die Bezeichnung für verschiedene Geschichtsdarstellungen unterschiedlicher Länge (ca. 2000 bis 100  000  vv.) in vierhebigen Reimpaarversen“61 verdeutlicht in ihrer Offenheit jenes Problem, das auftritt, will man die eigentlichen Merkmale dieser Texte genauer beschreiben. Auch der Versuch Stefan Lafaires, die Chroniken als „Mischform“62 zu bezeichnen, bleibt unbefriedigend, da das eigentliche Problem der Zuordnung der Texte damit nicht gelöst ist. Mit den Gattungsmerkmalen haben sich zudem Dorothea Klein und Johannes Rettelbach beschäftigt und auf die Probleme der Kategorisierung, wie sie nicht zuletzt die Reimform indiziert, verwie­

59 Plate: ‚Christherre‘, S.  17; vgl. dazu auch Gisela Kornrumpf: Die ‚Weltchronik‘ Heinrichs von München. Zu Überlieferung und Wirkung, in: Peter K. Stein: Festschrift für Ingo Reiffenstein zu seinem 60. Geburtstag. Göppingen 1988, S. 493–509. 60 Vgl. Hans-Werner Goetz: ‚Konstruktion der Vergangenheit‘. Geschichtsbewusstsein und ‚Fiktio­ nalität‘ in der hochmittelalterlichen Chronistik, dargestellt am Beispiel der Annales Palidenses, in: Johannes Laudage (Hg.): Von Fakten und Fiktionen. Mittelalterliche Geschichtsdarstellungen und ihre kritische Aufarbeitung. Köln [u. a.] 2003 (Europäische Geschichtsdarstellungen 1), S. 225–257. 61 Liebertz-Grün: Reimchronik, Sp. 650. 62 Stefan Lafaire: Spätmittelalterliche Reimchronistik in Deutschland und Italien. Volkssprachli­ che Versliteratur zwischen poetischer Geschichtskonstruktion und juristischer Herrschaftslegitima­ tion (unter besonderer Berücksichtigung von fünf Beispieltexten aus der Zeit von 1280–1400). Frank­ furt am Main 1992.

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sen.63 Bereits 1980 hat Horst Wenzel darauf hingewiesen, dass die „kategoriale Trennung von Dichtung und Geschichte und damit ein Bewusstsein von Gattungs­ grenzen“ im Mittelalter nicht vorausgesetzt werden könne, so dass unterschiedli­ che Wahrnehmungen von Wirklichkeit in unterschiedlichen Kontexten hervor­ gebracht würden.64 Wenzel hat mit der Trennung von Dichtung und Geschichte zwar den Kern des Problems berührt. Dennoch ist davon auszugehen, dass, obwohl keine Gattungspoetik bekannt ist, vor dem Hintergrund der lateinischen Tradition ein Bewusstsein für eine solche Systematik existiert hat. Diese Aussage lässt sich empirisch nicht belegen, richtet den Fokus dennoch erneut auf Gemeinsamkei­ ten von sich ähnelnden Texten, von Texten, die in eine literarische Reihe gehören und aufgrund intertextueller Zusammenhänge als Spielarten einer Gruppe aufge­ fasst werden können.65 Das Mittelalter kannte jene Gattungen, die nach antikem Vorbild und in ihrem jeweils anderen Wirklichkeitsbezug in fabula, historia und argumentum unterteilt66 und mit den klassischen Gattungen der Tragödie, Histo­ rie und Komödie in Verbindung gebracht wurden. Obwohl diese Zuordnung zum Schulwissen gehörte, war ihre Umsetzung in der dichterischen Praxis, vor allem in den volkssprachlichen Texten, keinesfalls einheitlich.67 Isidors Aufzählung der

63 Vgl. Dorothea Klein; Johannes Rettelbach: Zur mittelhochdeutschen Weltchronistik: Gattun­ gen, in: Blick 2 (1993), S. 32–35. 64 Wenzel: Höfische Geschichte, S. 7. 65 Ich nehme hier Bezug auf die von Klaus Grubmüller beschriebenen literarischen Reihen, die sich aufeinander, nacheinander oder auch unabhängig von ihrer Chronologie „erkennbar und be­ schreibbar aufeinander beziehen.“ Vgl. Klaus Grubmüller: Gattungskonstitution im Mittelalter, in: Nigel F. Palmer; Hans-Jochen Schiewer (Hg.): Mittelalterliche Literatur und Kunst im Spannungs­ feld von Hof und Kloster. Tübingen 1999, S. 193–210, dort S. 201. 66 Zur Gattungsdefinition sei grundsätzlich an die antike Unterscheidung erinnert; in der Rhetorica ad Herrennium 1,8,13 heißt es: Fabula est, quae neque veras neque veri similes continet res, ut eae sunt, quae tragoediae traditae sunt. Historia est res gesta, sed ab aetatis nostrae memoria remota. Argumentum est ficta res, quae tamen fieri potuit velut argumenta commoediarum. Vgl. Rhetorica ad Herrenni­ um, hg. von Harry Caplan. Cambridge 1968, S.  22–24. Isidor unterteilt in den Etymologiae I,44,5 wie folgt: Item inter historiam et argumentum et fabulam interesse. Nam historiae sunt res verae quae factae sunt; argumenta sunt quae etsi facta non sunt, fieri tamen possunt; fabulae vero sunt quae nec factae sunt nec fieri possunt, quia contra naturam sunt, zitiert nach: Isidor von Sevilla: Origines sive etymologiae, libri XX. 2 Bde., hg. von Wallace Martin Lindsay. Oxford 1911. Vgl. grundlegend Fritz Peter Knapp: Historische Wahrheit und poetische Lüge. Die Gattungen weltlicher Epik und ihre theo­ retische Rechtfertigung im Hochmittelalter, in: DVjS 54 (1980), S. 581–622; Ders.: Fabulae – parabolae – historiae. Die mittelalterliche Gattungstheorie und die Kleinepik von Jean Bodel bis Boccaccio, in: MJb 44 (2009), S. 97–117, dort S. 98; Gertrud Grünkorn: Die Fiktionalität des höfischen Romans um 1200. Berlin 1994 (Philologische Studien und Quellen 129). 67 Dagegen hält Klaus Grubmüller, dass die mittelalterliche volkssprachliche Literatur „keine präskriptive und nicht einmal eine deskriptive Gattungspoetik“ kannte. Vgl. Klaus Grubmüller: Die Ordnung, der Witz und das Chaos. Eine Geschichte der europäischen Novellistik im Mittelalter: Fabliau – Märe – Novelle. Tübingen 2006, S. 12.



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genera narrationis lässt sich als absteigende Hierarchie lesen, wobei der historia im Mittelalter höchste Bedeutung zukam,68 da Weltgeschichte als Heilsgeschichte fungierte und somit dem Verständnis göttlichen Handelns diente. Da aus stilisti­ scher Perspektive eine Trennung zwischen Dichtung und Geschichtsschreibung im Mittelalter immer unscharf war und auch der Historiker seine Rezipienten mit rhetorischen Mitteln beeindrucken konnte, bleibt die Nähe zur Wirklichkeit der ent­ scheidende Unterschied.69 Vor diesem Hintergrund konnte auch das Argument, das Aristoteles in seiner Mimesistheorie hervorbrachte, der Dichter schildere das, was geschehen könnte, d. h. das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit oder Notwen­ digkeit Mögliche,70 nicht bestehen. Die dritte Gattung, argumentum, steht zwischen diesen beiden Polen, da sie in ihrer Ausformung als Komödie durch die Inszenie­ rung menschlicher Handlungen und Personen einen stärkeren Wirklichkeitsbezug hatte und sich somit ihre utilitas leichter ableiten ließ. Dennoch ist die Aufgabe des Geschichtsschreibers seit der Antike klar formuliert: Er soll von den Ereignissen der Vergangenheit berichten, er soll erzählen, nicht aber beweisen.71 Dabei dient die Augenzeugenschaft als Wahrheitskriterium für den Text, dessen Lücken nach Ermessen des Autors ausgefüllt werden konnten. Der mittel­ alterliche Geschichtsschreiber hingegen ist, da er Heilsgeschichte vermittelt und sein

68 Vgl. Isidor von Sevilla: Etymologiae I,44. 69 Die Frage, ob historia oder fabula hat und wird die mediävistische Forschung weiterhin be­ schäftigen, solange versucht wird, Gattungsgrenzen anhand dieser Kategorisierung festzumachen. Vgl. Hans Robert Jauss: Der Gebrauch der Fiktion in Formen der Anschauung und Darstellung der Geschichte, in: Reinhart Koselleck (Hg.): Formen der Geschichtsschreibung. Traditionen der Ge­ schichtsschreibung und ihrer Reflexion. Fallstudien; systematische Rekonstruktionen; Diskussion und Kritik. München 1982, S.  415–451; Peter von Moos: Poeta und historicus im Mittelalter. Zum Mimesis-Problem am Beispiel einiger Urteile über Lucan, in: PBB 98 (1976), S. 93–130; Alfred Eben­ bauer: Das Dilemma mit der Wahrheit. Gedanken zum „historisierenden Roman“ des 13. Jahrhun­ derts, in: Christoph Gerhardt (Hg.): Geschichtsbewusstsein in der deutschen Literatur des Mittel­ alters. Tübinger Colloquium [vom 12.–16. Sept.]. Tübingen 1985, S. 52–71; Fritz Peter Knapp: Historie und Fiktion in der mittelalterlichen Gattungspoetik. 2 Bde. Heidelberg 1997; 2005; Ders.; Manuela Niesner (Hg.): Historisches und fiktionales Erzählen im Mittelalter. Berlin 2002 (Schriften zur Litera­ turwissenschaft 19); Walter Haug: Literaturtheorie im deutschen Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. Darmstadt 21992 (Germanistische Einführungen); Ders.: Die Wahrheit der Fiktion. Studien zur weltlichen und geistlichen Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Tübingen 2003; Jan-Dirk Müller: Literarische und andere Spiele. Zum Fiktionalitätsproblem in vor­ moderner Literatur, in: Ders.: Mediävistische Kulturwissenschaft. Ausgewählte Studien. Berlin; New York 2010, S. 83–100; Sonja Glauch: An der Schwelle zur Literatur. Elemente einer Poetik des höfi­ schen Erzählens. Heidelberg 2009 (Studien zur historischen Poetik 1). 70 Vgl. Aristoteles: Poetik, 9,1451b: Φανερόν, zitiert nach: Aristoteles: Poetik. Griech. / Dt. Übers. und hg. von Manfred Fuhrmann. Stuttgart 1982. 71 Vgl. Quintilian: Institutio oratoria X,i,31, zitiert nach: Quintilian: Ausbildung des Redners. Insti­ tutio oratoria. 12 Bücher. 2 Bde., hg. und übers. von Helmut Rahn. Darmstadt 31995 (Texte zur For­ schung 2 / 3).

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Schreiben officium ist, per se an der Wahrheit orientiert. Dennoch kann er Deutungen vornehmen, die vorhandenen Fakten mit Beispielen auffüllen. Auch sein Text ist ein künstlerisches Produkt zum Lob der Schöpfung und an den Regeln und Figuren der Rhetorik orientiert. Insbesondere Fritz Peter Knapp hat in Auseinandersetzung mit der These Walter Haugs, der die Historie als eine Wahrheit, die „vorgegeben“ sei, gegen die Fiktion als einer Wahrheit, die „einem aufgegeben sei“, behauptet hat,72 eine stärkere Differenzierung vorgenommen. Knapp betonte, dass weder in der fiktionalen Dichtung noch in der Geschichtsdichtung eine Wahrheit verfügbar sei, so dass eine Gegenüber­ stellung beider Genres auf der Grundlage dieses Kriteriums in die Irre führe. Einzig, wenn historia entlang der Heilsgeschichte und auf der Basis kirchlicher Autoritäten erzählt werde, könne man eine starke Kontrastierung zur Fiktion annehmen und ihre strenge Orientierung an der vorgegebenen christlichen Wahrheit ernst nehmen.73 Dennoch verwenden auch die Geschichtsschreiber Sagen, Mythen und Legenden, um ihre Darstellung zu stützen, obwohl sie den Anspruch erheben, historische Fakten zu vermitteln. Fakten und Fiktion schließen sich demnach als Gattungsmerkmal nicht aus, sondern können auch in Kombination auftreten. Das entscheidende Kriterium für eine Unterscheidung ist der Selbstanspruch des Autors, der seinen Stoff unter Zuhilfenahme rhetorischer Muster als historische Wirklichkeit vermittelt oder nicht. Dass diese Entscheidung gefällt werden musste, zeigen nicht zuletzt die zahlreichen Bekenntnisse in den Prologen der volkssprachlichen Dichtung. Die Trennung zwischen Fakten und Fiktion und ihre Existenz im historiogra­ phischen Erzählen ist seit langem Gegenstand historischer, literatur- und kultur­ wissenschaftlicher Forschung. Seit den 1960er Jahren spielen Fiktionalitätskriterien zunehmend in der Erzähltheorie eine Rolle, mit deren Hilfe insofern eine Abgrenzung von der Geschichtswissenschaft stattfand, als hier die Narrativität von Geschichts­ schreibung weitestgehend ausgeblendet wurde.74 Arthur C. Dantos „Analytical Philosophy of History“75 leitete eine Wende in der Geschichtstheorie ein. Fortan fand der Konstruktcharakter der Historiographie Eingang in die Forschungsdiskussion. Im Nachgang formulierte Hayden White in den 1960er und 1970er Jahren weitere Thesen, die die Konstruktion historischer Vergangenheit betonten und die Vielfältigkeit und

72 Walter Haug: Die Entdeckung der Fiktionalität, in: Ders.: Die Wahrheit der Fiktion. Studien zur weltlichen und geistlichen Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Tübingen 2003, S. 128–144, dort S. 134. 73 Vgl. Fritz Peter Knapp: Sein oder Nichtsein. Erkenntnis, Sprache, Geschichte, Dichtung und Fiktion im Hochmittelalter, in: Ders.: Historie und Fiktion in der mittelalterlichen Gattungspoetik II. Zehn neue Studien und ein Vorwort. Heidelberg 2005 (Schriften der Philosophisch-Historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 35), S. 253. 74 Vgl. Käte Hamburger: Die Logik der Dichtung. München 1987. 75 Vgl. Arthur C. Danto: Analytical Philosophy of History. Aus dem Engl. von Jürgen Behrens. Frankfurt am Main 1974.



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den Variantenreichtum der Vergangenheitserzählung akzentuierten.76 Whites Argu­ mentation ist für den Umgang mit vormodernen Texten von Relevanz, da White nicht von Realitäten und Wahrheiten in den Texten ausging, sondern die Abhängigkeit der Einzeldarstellung vom jeweiligen Kontext betonte. Danach wird jede Geschichtser­ zählung zu einer spezifischen Narration, die den Gesetzen der Erzählung gehorcht und eine eigene Welt erschafft.77 Paul Ricoeur hat in „Zeit und Erzählung“ den Konnex zwischen Narration und Zeit beschrieben und erklärt, dass sich Narration in historische und fiktive Erzählungen einteilen lässt, die ihrerseits von Elementen des jeweils anderen durchdrungen sind. Er konstatiert, dass „zwischen dem Erzäh­ len einer Geschichte und dem zeitlichen Charakter der menschlichen Erfahrung eine Korre­lation besteht“78, so dass schließlich die Narration die menschliche Zeiterfah­ rung erst gestaltet, in der sich Historie und Fiktion überkreuzen. Aus seinen Thesen wird der Einfluss der Kategorie Zeit auf historische oder fiktive Erzählungen einerseits und die Unmöglichkeit der Trennung zwischen historischer und fiktiver Erzählung andererseits deutlich. Festzuhalten bleibt, dass es narrative Strukturen gibt, die Einblicke in mensch­ liche Zeiterfahrungen ermöglichen und, da sie die Spannung zwischen Erwartung und Erfahrung auf der Ebene des Autors wiedergeben, zwar Reflexionen über ein bestimmtes Geschichtsbild zulassen, nicht aber die streng analytische Trennung zwischen Historie und Fiktion ermöglichen.79 Die Einsicht, dass jegliche Erzählung,

76 Vgl. Hayden White: Metahistory. The Historical Imagination in Nineteenth-Century Europe. Balti­ more 1973; Ders.: The Content of the Form. Narrative Discourse and Historical Representation. Balti­ more 1987; Paul Ricoeur: Zeit und Erzählung. 3  Bde. München 1988–1991. Es ist an dieser Stelle nahezu unmöglich, einen Überblick über die sich daran anschließende Literatur zur historischen Er­ zähltheorie zu geben, deshalb sei eine Auswahl getroffen: Jonas Grethlein: Das Geschichtsbild der Ilias. Eine Untersuchung aus phänomenologischer und narratologischer Perspektive. Göttingen 2006; Johannes Süssmann: Geschichtsschreibung oder Roman? Zur Konstitutionslogik von Geschichtser­ zählungen zwischen Schiller und Ranke (1780–1824). Stuttgart 2000; Hans Michael Baumgartner: Kontinuität und Geschichte. Zur Kritik und Metakritik der historischen Vernunft. Frankfurt am Main 1997; Jörn Rüsen: Die vier Typen des historischen Erzählens, in: Reinhart Koselleck: Formen der Geschichtsschreibung. Traditionen der Geschichtsschreibung und ihrer Reflexion. Fallstudien; syste­ matische Rekonstruktionen; Diskussion und Kritik. München 1982, S. 514–605. 77 Ähnlich definiert auch Gérard Genette Erzählung und Geschichte [Geschichte ist dabei die reine Abfolge der Ereignisse, GM]: „Geschichte und Narration existieren für uns also nur vermittelt durch die Erzählung. Umgekehrt aber ist der narrative Diskurs oder die Erzählung nur was sie ist, sofern sie eine Geschichte erzählt, da sie sonst nicht narrativ wäre […]. Narrativ ist die Erzählung durch den Bezug auf die Geschichte, und ein Diskurs ist sie durch den Bezug auf die Narration.“ Gérard Genet­ te: Die Erzählung. Aus dem Französischen von Andreas Knop, mit einem Nachwort hg. von Jochen Vogt. München 21998, S. 17. 78 Ricoeur: Zeit und Erzählung. Bd. 1, S. 87. 79 Jonas Grethlein hat die Spannung zwischen Erwartung und Erfahrung, die durch Kontingenz hervorgerufen wird, als anthropologische Konstanten für Geschichtsbilder beschrieben. Vgl. Greth­ lein: Das Geschichtsbild, S. 20f.

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auch die Erzählung von Geschichte, subjektabhängig konstruiert ist, ist deutlich. Daran ändert der Gegenstand der Erzählung nichts: Auch das Bewusstsein darüber, Geschichte erzählen zu wollen, entbindet nicht von den Gesetzen der Narration. Ent­ scheidend scheint in diesem Kontext doch zu sein, dass der mittelalterliche Chronist mit der Bindung an das Göttliche sich im Besitz einer Wahrheit sah, an der er alles ausrichtete. Die Frage blieb vor diesem Hintergrund, wie er die Dinge in der Welt las, zusammenfügte und auslegte. Es geht damit aus wissenschaftlicher Perspektive nur noch beiläufig um die Trennung zwischen fabula und historia und viel stärker darum, wie der Autor seinen Stoff zu einem Sinnganzen zusammenfügte, wie er die Bestand­ teile seines Baukastens zu welchem Zweck organisierte. Dahinter steht weniger das Bestreben eine Metaphysik zu suchen, als vielmehr die Entstehung eines Werkes aus seinem Kontext zu betrachten und die unmittelbare Entstehenssituation zu berück­ sichtigen. Wenn man historia als die Erzählung der Heilsgeschichte verstünde, dann gehörten fabulae als notwendige Bestandteile dorthinein. Dass Geschichtsschreibung konstruiert ist, war den mittelalterlichen Autoren schon aus dem Grund präsent, da sie eine Gattung bedienten, deren Bestandteile vorgegeben waren. Die Konstruktion war somit gesetzt, entscheidender schien die Auslegung, die auf ein Telos – das Heil – ausgerichtet war. Wichtiger noch ist die Frage, wie die Autoren mit der Tradition der Geschichtsschreibung und der ihnen gegebenen Möglichkeit, Erzählungen einzu­ bauen, umgingen und welche Aussagen sich auf dieser Basis über ihre Wirkabsicht treffen lassen. Davon ausgehend, dass Texte vor dem Hintergrund ihrer kulturellen Ordnung entstehen und Autoren sich literarischer Muster bedienen, kann nur nach dem Akt des Fingierens und der Funktion der Fiktion gefragt werden. Jan-Dirk Müller hat explizit darauf hingewiesen, dass insbesondere Chronikautoren wie Jans von Wien literarischen Mustern folgten und dennoch Anspruch auf die Vermittlung von Ver­ gangenheit erhoben.80 Müller spricht hier von einem Rahmen, der eine Wahrheit der Welt des Als-ob fassen kann. Dabei ist die Differenz zwischen der gerahmten und der alltäglichen Welt entscheidend, da sie für die Definition von Fiktionalität entscheidend sei. Mittelalterliche Texte sind immer an ihre Kontexte gebunden, ent­ stehen aus ihnen heraus und entsprechend ist auch die Welt des Als-ob mit diesen Vorgaben verknüpft. Chroniken können auf ihre historische Zuverlässigkeit überprüft und hinsichtlich ihrer Quellen untersucht werden. Mit Franz Josef Worstbrock ist „Wiedererzählen“81 für die mittelalterliche Literaturproduktion unabdingbar. Dieses impliziert jedoch Abweichungen und Veränderungen, die es herauszufiltern gilt, da eben diese Spielräume für Fiktionalität gewähren.

80 Vgl. Müller: Literarische und andere Spiele, S. 287. 81 Vgl. Franz Josef Worstbrock: Wiedererzählen und Übersetzen, in: Walter Haug (Hg.): Mittelalter und frühe Neuzeit. Übergänge, Umbrüche, Neuansätze. Tübingen 1999 (Fortuna vitrea 16), S. 128–144.



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Schließlich enthält ein Text unabhängig davon, ob er stärker Fakten oder Fiktio­ nen vermittelt, die Welt eines Als-ob, eine gedachte Ordnung. Vor diesem Hinter­ grund kommt es darauf an, nach dem Wie dieser Ordnung zu fragen. Wie werden die Muster und Motive verwendet, welche Welt konstruieren sie und was sollen sie ver­ mitteln? Es kann demnach nicht mehr die Frage sein, ob Geschichte konstruiert ist82 – dies hat Hayden White herausgestellt –, sondern das Wie der Konstruktion muss freigelegt werden. Mehr denn je muss es darum gehen, wie der Autor die ­textuelle Welt konstruiert hat. Gedachte Ordnungen sind in der jeweiligen Kultur verhaftet und erlangen Existenz durch ihre Verwurzelung in unterschiedlichen Diskursen oder auf­ grund bestimmter „Referenzbezüge“83. Als Referenz gilt seit Wolfgang Isers Unter­ suchungen zur Fiktionalität das Imaginäre. Auch das Imaginäre ist in der kulturellen Ordnung fest verankert bzw. entsteht durch diese. Fiktionale Texte – und dies ist entscheidend – haben teil an Aushandlungspro­ zessen. Sie können Ordnungen überhöhen, karikieren, zeitweise ausschalten und erschüttern. Entsprechend können Fiktionen Wahrheiten über etwas produzieren; bestimmend bleibt, welchen Sinn sie vermitteln. Sie gehen spielend mit den Ord­ nungen um und können in unterschiedlicher Intensität ihre Stabilität beeinträch­ tigen. Inwieweit dies zugelassen wird, bestimmt der Autor, der spielerisch mit den Gattungen und Mustern umgeht. Entsprechend lässt sich hier die Frage anschließen, welchen Sinn Texte transportieren, die sich scheinbar schwankend zwischen den Gattungen bewegen. Jeder Autor vermittelt Sinn im Kontext seiner Zeit und vermittelt seine Lektüre des Buchs der Welt. Wolfgang Achnitz hat in seiner Untersuchung des Reinfried von Braunschweig und Appollonius von Tyrland darauf hingewiesen, dass es um die spezi­ fischen Verfahren der Sinnkonstituierung innerhalb der Texte gehe,84 die sich aus der Spannung zwischen Wirklichkeit und Fiktion erst ergeben. Dabei spricht er dem Rezeptionsvorgang an sich eine immense Bedeutung zu, da dieser erst einen inter­ subjektiven Sinn innerhalb des literarischen Kontextes beim Rezipienten auslöst.85 Beate Kellner brachte ein weiteres Argument vor, um das Verhältnis von Literatur und Geschichtsschreibung deutlich zu machen. Sie betonte in Bezug auf die wissens­

82 Vgl. Gert Melville: Durch Fiktionen von der Wirklichkeit zur Wahrheit. Zum mittelalterlichen Umgang mit Widersprüchen zwischen Empirie und kultureller Axiomatik, in: Ursula Peters; ­Rainer Warning (Hg.): Fiktion und Fiktionalität in den Literaturen des Mittelalters. Jan-Dirk Müller zum 65. Geburtstag. Paderborn 2009, S. 83–104. 83 Müller: Literarische und andere Spiele, S. 299. 84 Vgl. Wolfgang Achnitz: Babylon und Jerusalem. Sinnkonstituierung im ‚Reinfried von Braun­ schweig‘ und im ‚Apollonius von Tyrland‘ Heinrichs von Neustadt. Tübingen 2002 (Hermaea NF 98), S. 8. 85 Vgl. Achnitz: Babylon und Jerusalem, S. 9.

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soziologischen Arbeiten von Peter L. Berger und Thomas Luckmann,86 dass „in Texten als kulturellen Erzeugnissen nie die ‚Wirklichkeit‘, vielmehr stets das ‚Wissen‘ um sie sedimentiert, und insofern […] Geschichts- und Literaturwissenschaft zu einer Geschichte des ‚Wissens‘ werden [müssten].“87 Literatur, und dies ist das Entscheidende für die folgende Untersuchung, gilt nicht nur in ihrer Beziehung zur Anthropologie als eine „textuelle Welt zweiter Ordnung“, die ein „Probehandeln“88 ermöglicht, wie Kellner betonte. In Bezug zur historischen Wirklichkeit öffnet sie gleichermaßen Spielräume für die Auslotung und Aushandlung von Prozessen zur Andeutung bestimmter Konstellationen. Litera­ tur konstituiert sich damit aus ihren eigenen (An)Ordnungen, greift historische und theologische Diskurse auf, transformiert sie in ihre eigenen Seinsordnungen: Sie ent­ wirft ihren eigenen Diskurs, der mit den anderen vernetzt ist. Dennoch bereitet eine Anwendung der Diskursanalyse, folgt man Kellner, der mediävistischen Forschung insofern Schwierigkeiten, da die Datenmenge extrem reduziert ist und der Nachweis der Vernetzung einzelner Diskurse aus diesem Grund kompliziert erscheint.89 Trotz dieser quantitativen Einwände kommt es bei einer Analyse von Diskursen zunächst auf die Fragestellung an, die die Untersuchung des Diskurses bzw. dessen wuchern­ den Geflechts bestimmt.90 Insofern stellen volkssprachliche historiographische oder literarische Texte in gleicher Weise wie ihre lateinischen Vorgänger einen Gegen­ stand für Diskursanalysen dar.91 Wenn Michel Foucault davon spricht, dass die Diskurse mit ihren Formationsregeln „systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen“92, dann konstituiert sich die Bedeutung des Diskurses auch erst in dem Moment des In-die-Welt-Tretens. Unabhängig davon geht es Foucault um spezifische Wissensformationen, die in jeglicher Art Text, unwichtig aus welcher Zeit, auftreten können. Und schließlich soll auch kein hinter den Diskursen liegen­ der Sinn expliziert werden.93

86 Vgl. Peter L. Berger; Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt am Main 1969. 87 Beate Kellner: Ursprung und Kontinuität. Studien zum genealogischen Wissen im Mittelalter. München 2004, S. 86. 88 Kellner: Ursprung und Kontinuität, S. 90. 89 Vgl. Kellner: Ursprung und Kontinuität, S. 95. 90 Vgl. Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses. Frankfurt am Main 92003. 91 Vgl. hierzu u. a. Michel Foucault: Von seinen Lüsten träumen. Über das Traumbuch des Arte­ midor, in: Ders.: Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits. Bd. IV. 1980–1988. Hg. von Daniel Defert und François Ewald. Frankfurt am Main 2005, S. 561–594; Ders.: Die Sorge um sich. Sexualität und Wahrheit. Bd. 3. Frankfurt am Main 1989. 92 Michel Foucault: Archäologie des Wissens. Frankfurt am Main 71995, S. 74. 93 Vgl. Hermann Kocyba: Diskursanalyse als neue Wissenssoziologie? Über einige Schwierigkeiten der disziplinären Verortung Foucaults, in: Robert Feustel; Maximilian Schochow (Hg.): Zwischen Sprachspiel und Methode. Bielefeld 2010, S. 99–117.



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Sinn aber lässt sich für den zeitgenössischen Rezipienten aus der Literatur und den ihr eingeschriebenen Diskursen konstituieren. Ein absoluter Wahrheitsanspruch wird nicht erhoben. Die chronikalen volkssprachlichen Texte sind entsprechend, da sie Ordnungen im Literarischen verhandeln, innerhalb der Dichtung zu verorten, auch, wenn sie sich zunächst der äußeren Form nach der historia bedienen. Die Ent­ scheidung, ob historia oder fabula, ist damit eine, die dem mittelalterlichen Autor und Rezipienten zukäme, nicht dem neuzeitlichen Betrachter. Welche Hinweise, so ließe sich in einem nächsten Schritt mit Blick auf den zu untersuchenden Gegenstand fragen, lassen sich im Text, in der Weltchronik Jans’ von Wien, selbst dazu finden? Zunächst bittet der Autor-Erzähler im Prolog der Chronik der mittelalterlichen Rhetorik gemäß um göttlichen Beistand, bevor er deutlich bekennt, dass er tihten (v. 46) und das Buch seinem Sinn entsprechend verfassen will. Des Weiteren betont er, dass er sich nach der künclîchen lêr (v. 45) – und damit meint er hier vor allem die dem mittelalterlich Gebildeten bekannte Abfolge der historia – richten werde. Auch durch den Bezug auf seine Quelle, die er als korônike (v. 86) bezeichnet, unterstreicht er, dass ihm eine historiographische Vorlage zur Verfügung stand, die ihm eigent­ lich die Ausrichtung seines Textes vorgegeben haben müsste. Dennoch führt Jans anschließend aus, dass er vor allem dem Vorbild der deutschen Dichter folgen wird, so dass er seinen Selbstanspruch als Dichter über die Bindung an die Quelle stellt und damit ein Werk nach eigenem Ermessen verfasste. Die wenigen Ausführungen im Prolog weisen bereits darauf hin, dass in der Weltchronik historia und fabula zusammengebracht und -gedacht werden. Narra­ tive Exempla werden verwendet, um Geschichte(n) zu erzählen. Das bewusste Spiel mit den Gattungen wird im Prolog angekündigt bzw. legitimiert und darüber hinaus durch den Wechsel zwischen Vers und Prosa sichtbar gemacht. Damit ist dem Autor bewusst, dass seine Darstellung teilweise ins Fiktionale ausgreift und er innerhalb einer literarischen Ordnung eine spezifische Geschichte der Welt konstruiert, die auch einen ebensolchen Sinn konstituiert. Entsprechend entspringen seine Erzählun­ gen nicht einer bloßen ‚Fabulierlust‘, sondern haben eine klare Funktion innerhalb des Gesamtkonzeptes der Chronik.94 Wolfgang Iser hat das Fiktive als die Wiederholung von Wirklichkeit beschrie­ ben, das etwas Imaginäres konstituiert.95 Dieses ist jene literarische Ordnung, die

94 Dies wird in der Forschung noch immer diskutiert. Christiane Witthöft und Frank Fürbeth halten dem entgegen, dass Jans in erster Linie historia verfassen bzw. sein Werk als res gestae ver­ standen wissen wollte. Vgl. Witthöft: Ritual und Text, S. 21; Frank Fürbeth: Carolus Magus. Zur dunklen Seite des Karlsbildes im Mittelalter, in: Franz-Reiner Erkens: Karl der Große und das Erbe der Kulturen. Akten des 8. Symposiums des Mediävistenverbandes, Leipzig 15.–18. März 1999. Berlin 2001, S. 314–325, dort S. 318. 95 Vgl. Wolfgang Iser: Akte des Fingierens oder was ist das Fiktive im fiktionalen Text?, in: Dieter Henrich; Wolfgang Iser (Hg.): Funktionen des Fiktiven. München 1983, S. 121–151, dort S. 123; Ach­ nitz: Babylon und Jerusalem, S. 12f.

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auch Jans von Wien entwirft, und die sich aus verschiedensten Diskursen speist. Iser geht noch einen Schritt weiter, indem er zwischen dem Realen und dem Imagi­ nären Prozesse der Selektion und Kombination ausmacht als grenzüberschreitende Akte des Fingierens, die nur in ihren Produktionen sichtbar werden.96 Wirklichkeit und Fiktion stehen in keinem Seinsverhältnis, so dass Wahrheit aus fiktionalen Texten nicht abgeleitet werden kann, Erkenntnis sich indirekt aus ihrem Bezug zur Wirklichkeit ergibt. Dies trifft auf jeden fiktiven Text zu und ist keinesfalls spezifisch für die mittel­ alterliche Literatur, verdeutlicht aber die Unmöglichkeit, die volkssprachlichen Ver­ schroniken als rein historiographische Werke aufzufassen, zeichnen sie sich doch durch Fiktionalisierung aus. Entsprechend muss die Frage, die sich an diese Texte richtet, eine andere sein als die, ob historiae oder fabulae vermittelt werden. Es handelt sich vor allem um heterogene Texte, deren Autoren sich bewusst zwischen den Gattungen bewegen.97 Die Synthese unterschiedlicher Textsorten macht, wie Manfred Kern betonte, die Attraktivität der Chroniken erst aus und gewährleistet eine umfassende Schau der Welt, die sie konstruieren.98 Darüber hinaus legitimiert der Wahrheitsanspruch mittelalterlicher Dichter eine Auslegung der Geschichte der Welt, die einen bestimmten Sinn erfüllt. Da das Lesen im Buch der Welt, das vom Finger Gottes geschrieben wurde, und die Exegese der Ereignisse nach mittelalterli­ cher Vorstellung im Vordergrund standen,99 ist jede Auslegung an das Subjekt ‚Autor‘ gebunden. Er bringt die Ereignisse in eine bestimmte Ordnung, in der die Erzählun­ gen als Exempla dienen, die Problematisierungen aufzeigen und Deutung erfah­ ren müssen.100 Daneben aber kommt dem Rezipienten eine nicht nur rezipierende,

96 Vgl. Grünkorn: Fiktionalität; Aleida Assmann: Die Legitimität der Fiktion. Ein Beitrag zur Ge­ schichte der literarischen Kommunikation. München 1980; Hans Blumenberg: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, in: Hans Robert Jauss (Hg.): Nachahmung und Illusion. München 2 1969, S. 9–27. 97 Das Diktum der ‚Hybridität‘ ist in den letzten Jahren vor allem für den höfischen Roman nach 1300 in Anspruch genommen worden und trifft, da die Texte in einem engen Zusammenhang zur volks­ sprachlichen Reimchronistik dieser Zeit zu sehen sind, auch auf diese Texte zu. Vgl. Stephan Fuchs: Hybride Helden. Gwigalois und Willehalm. Beiträge zum Heldenbild und zur Poetik des Romans im frühen 13. Jahrhundert. Heidelberg 1997 (Frankfurter Beiträge zur Germanistik 31); Armin Schulz: Hybride Epistemik. Episches Einander-Erkennen im Spannungsfeld höfischer und religiöser Identi­ tätskonstruktionen: Die gute Frau, Mai und Beaflor, Wilhelm von Wenden, in: Peter Strohschnei­ der (Hg.): Literarische und religiöse Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit. Berlin; New York 2009, S. 658–688; Mathias Herweg: Wege zur Verbindlichkeit. Studien zum deutschen Roman um 1300. Wiesbaden 2010 (Imagines medii aevi 25). 98 Vgl. Kern: Welt aus Fugen. 99 Vgl. Hugo von St. Victor: Didascalicon. De studio legendi VII,3, in: PL 176, Sp. 739–812, dort Sp. 814 B; Kern: Welt aus Fugen, S. 133. 100 Vgl. dazu auch Karlheinz Stierle: Geschichte als Exemplum – Exemplum als Geschichte, in: Reinhart Koselleck; Wolf-Dieter Stempel (Hg.): Geschichte – Ereignis und Erzählung. München 1973 (Poetik und Hermeneutik 5), S. 337–375; Ebenbauer: Das Dilemma, S. 70f.



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sondern vor allem exegierende Aufgabe zu: Der Leser selbst muss das Gelesene zu dem in Beziehung setzen, das er kennt. Für die vorliegende Untersuchung ist es von wesentlicher Bedeutung, dass litera­ risches Verstehen erst durch den Vermittlungs- und Verstehensprozess zustande kommt, auf Interpretation basiert und literarische Sinnfindung an die Erfahrungen und das Wissen des Rezipienten gebunden ist.101 Diesem wird damit für die volks­ sprachliche Verschronistik eine weitaus größere Bedeutung beigemessen als bislang geschehen. Der Rezipient muss eine ‚solide‘ Grundlage besitzen, um die Abweichun­ gen innerhalb einzelner Geschichten um Päpste und Kaiser zu erkennen und die (Um-)Erzählungen zu deuten. Dabei sind es gerade die Abweichungen und Brüche, die die Notwendigkeit des fiktionalen Erzählens in der Heilsgeschichte ausmachen: Sie bedürfen der Auslegung. Im Falle der Weltchronik des Jans von Wien muss entsprechend von einem Publi­ kum ausgegangen werden, das nicht nur unterhalten und amüsiert werden sollte, wie Ursula Liebertz-Grün nahelegte, sondern das in eigener Reflexion die Perversion der Erzählungen erkannte, deutete und sie in einen Sinnzusammenhang zu bringen vermochte. Auch die von Kurt Gärtner aufgezeigten „Lücken“102 innerhalb des Textes sind in diesem Zusammenhang neu zu überdenken: Verweisen sie tatsächlich auf Unkenntnis oder Oberflächlichkeit des Autors? Den bereits zitierten Vorwurf, Jans habe kleine Geschichten, die er nicht besser kannte, aneinandergereiht, möchte ich schon an dieser Stelle weit zurückstellen und stattdessen mit der folgenden Studie eine andere Lesart der Chronik vorschlagen. Um die Variation von Erzählmustern, die (Um-)Deutung von Erzählmotiven und ihre Neukonfigurationen innerhalb der Verschronistik transparent zu machen, müsste ein umfassender Vergleich, beispielsweise zwischen den Erzählmotiven und ihren Veränderungen in der Kaiserchronik und der Weltchronik, vorgenommen werden. Dieser steht bislang noch aus. Dabei geht es nicht um eine rein motivge­ schichtliche Perspektive, sondern um die Frage des literarischen Typus und seiner Variation.103 Ein diachrones Vorgehen ist hier problematisch, da zwar der Typus her­ vorgebracht werden soll, seine Veränderung im Wiedererzählen des Mittelalters aber entscheidend ist. Insofern sollte die Kaiserchronik zwar als Referenz, jedoch nicht in jedem Fall als direkte Quelle angesehen werden. Ein Vergleich mit der Kaiserchronik könnte darüber Aufschluss geben, inwiefern eine bewusste ‚Neu‘-Erzählung statt­ fand und ließe neue Aussagen über die Einordnung der volkssprachlichen Chronis­ tik im ausgehenden Mittelalter, ihrer Autoren, ihres Publikums zu. Die vorliegende

101 Vgl. Grünkorn: Fiktionalität, S. 9f. 102 Gärtner: Tradition, S. 68. 103 Vgl. Christian Kiening: Versuchte Frauen. Narrative Muster und kulturelle Konfigurationen, in: Jan-Dirk Müller (Hg): Text und Kontext. Fallstudien und theoretische Begründungen einer kultur­ wissenschaftlich angeleiteten Mediävistik. München 2007, S. 77–98, dort S. 78.

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Untersuchung vermag dies nicht für die gesamte Chronik zu leisten, deshalb soll das Prinzip an ausgewählten Beispielen erprobt werden. An diese Analyse ist die Frage gebunden, inwiefern die Ordnung der Welt in der Chronik kritisch verhandelt wird und welche Rolle dem Rezipienten für eine solche Lesart aus wirkungsästhetischer Perspektive zugesprochen werden muss. Die folgende Studie will dabei weniger nach einer Definition von Fiktionalität suchen, als vielmehr deren Bedeutung thematisieren und sie als eine Möglichkeit prüfen, durch die bestehende Ordnungsvorstellungen und politische Konzepte literarisch diskutiert werden konnten. Dabei ist klar, dass Literatur ein Archiv von Diskursen ist, deren Freilegung Schwierigkeiten bereiten muss, da der jeweilige Diskurs (historisch, theologisch, naturkundlich etc.) an verschiedenen Stellen ver­ dichtet, verallgemeinert oder nur angedeutet aufscheint. Entsprechend ist davon auszugehen, dass jegliche Art von Wissen in den Texten verwoben und darüber hinaus dem Erzählgegenstand angepasst ist. Ein Bezug auf eine historische Wahr­ heit ist nicht anzunehmen, da im literarischen Text ein Verlust an Genauigkeit statt­ findet und letztere für die Komposition der Texte keine Rolle spielt. Die Variabilität zeugt von Freiheit und Selbstständigkeit der Autoren, aber auch davon, dass die Anspielungen verstanden werden müssen, die erst neue literarische Konfiguratio­ nen erzeugen. Literatur offenbart eine Welt zweiter Ordnung, die sich unabdingbar an der ersten orientiert und Raum für Aushandlungsprozesse verschiedener Art schafft. Als wesentlich erscheint mir, nach der Wirkmächtigkeit fiktionaler Welten zu fragen. Jans von Wien agiert offenbar spielerisch mit einer Welt des Als-ob, des anderen Als-ob, das auf Seiten des Publikums Verwunderung bzw. Gelächter aus­ lösen sollte. Der Autor  – und dies ist meine grundlegende These  – überschreitet Ordnungen innerhalb seines literarischen Textes. Inhaltlich werden vor allem im Vergleich zur Kaiserchronik Erzählmotive und -schemata variiert, so dass sich der Aussagegehalt des Textes ändert. Zu fragen bleibt aus dieser Perspektive, wie sich dies auf das Erzählen allgemein auswirkt, inwiefern die Neukomposition auf ein Konzept für die Chronik als Ganzes schließen lässt und an welches Publikum der Text gerichtet war.

Problemaufriss Die Auseinandersetzung mit der Ordnung des Gesamtkosmos, die Einfügung des Menschen darin sowie die Etablierung des geistigen Ordo haben eine lange geistesge­ schichtliche Tradition. Diese Problematik gewann insbesondere mit der Institutionali­ sierung der christlichen Religion an Relevanz und blieb bestimmend für die Folge­ zeit. Darüber geben spätantike und mittelalterliche theologische und philosophische Traktate Auskunft. Nicht zuletzt ist auch die mittelalterliche Literatur im Kontext der Ordo-Debatten zu sehen. Entsprechend verwundert es nicht, dass die höfischen

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Romane des 12. und 13. Jahrhunderts bzw. die weltliche Kleinepik – Märendichtung, Schwank- und Exempelliteratur – Ordo-Brüche verhandeln und auf einer weltlichen Folie immer wieder vorführen. Auf diesem Feld hat die mediävistische Forschung umfassende Arbeit geleistet.104 Umso erstaunlicher ist es, dass die volkssprachlichen Verschroniken, die die Ordnung des Kosmos verhandeln und mosaikartig aus kleineren Verserzählungen zusammengesetzt sind, bislang nicht unter dieser Prämisse untersucht wurden. Ins­ besondere die Chronik Jans’ von Wien bietet einen heils- und weltgeschichtlichen Abriss, der in Geschichten und Anekdoten erzählt wird. Dabei lassen sich auf den ersten Blick weder moraldidaktische Implikationen oder Handlungsanweisungen ableiten, noch hat der Autor ein Kompendium an Typen positiver bzw. negativer Kaiser oder Päpste zusammengestellt. Die Darstellung der Geschichte der Welt von ihrem Alpha bis zu ihrem Omega, den Babenbergern, enthält Geschichten, die bekannte Erzählungen in veränderter Form wiedergeben. Die Frage nach dem Sinnzusammen­ hang drängt sich bereits vor dem Hintergrund der Spannbreite der skizzierten litera­ turhistorischen Einschätzungen auf, die von ‚fabulierender Geschichtserzählung‘ bis hin zu ‚Kompendien spätmittelalterlichen Erzählens‘ reichen. Ähnliche Diskussionen wurden um den etwa zeitgleich auftretenden späten höfischen Roman geführt, was ein vergleichender Blick bestätigt.105 Allein die Gattungsdiskussion am Beispiel von Reimchronistik und Roman um 1300, der Vers- bzw. Reimchronistik und Geschichts­ dichtung hier, dem so genannten „Minne- und Aventiureroman“106 bzw. „Fürstenund Herrschaftsroman“107 da, weist Übereinstimmungen auf.108

104 Vgl. Anton Schwob: Das mittelhochdeutsche Märe von ‚Helmbrecht‘ vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Ordo-Lehre, in: David R. McLintock [u. a.] (Hg.): Geistliche und weltliche Epik des Mittelalters in Österreich. Göppingen 1987 (GAG 446), S. 1–16; Walter Haug: Die Lust am Widersinn. Chaos und Komik in der mittelalterlichen Kurzerzählung, in: Dorothee Lindemann [u.  a.] (Hg.): bickel­wort und wildiu maere. Festschrift für Eberhard Nellmann zum 65. Geburtstag. Göppingen 1995, S. 354–365; Grubmüller: Die Ordnung, der Witz und das Chaos. 105 Vgl. dazu die Studien von Fuchs: Hybride Helden; Cora Dietl: Minnerede, Roman und histo­ ria. Der ‚Wilhelm von Österreich‘ Johanns von Würzburg. Tübingen 1999 (Hermaea NF 87); Schulz: ­Hybride Epistemik; Herweg: Wege zur Verbindlichkeit. 106 Die Bezeichnung findet sich bei Kurt Ruh: Epische Literatur des deutschen Spätmittelalters, in: Willi Erzgräber (Hg.): Europäisches Spätmittelalter. Wiesbaden 1978, S. 117–188; Werner Röcke: Höfische und unhöfische Minne- und Abenteuerromane, in: Volker Mertens; Ulrich Müller (Hg.): Epische Stoffe des Mittelalters. Stuttgart 1984 (KTA 483), S.  395–423. Eine Übersicht der aktuellen Diskussion findet sich bei Herweg: Wege zur Verbindlichkeit, S. 38–42. 107 Mathias Herweg: Herkommen und Herrschaft. Zur Signatur der Spätausläufer des deutschen Versromans um 1300, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 241 (2004), S. 241–287, dort S. 244. 108 Vgl. Mathias Herweg: ‚Verwilderter Roman‘ und enzyklopädisches Erzählen als Perspektiven vormoderner Gattungstransformation, in: Freimut Löser [u. a.] (Hg.): Neuere Aspekte germanisti­ scher Spätmittelalterforschung. Wiesbaden 2012 (Imagines medii aevi 29), S. 77–90, dort S. 83.

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Als Kennzeichen der letztgenannten Texte gilt eine Historisierung, die zugleich mit einer Sinnsuche, einer Suche nach ‚Verbindlichkeit‘109 in Religion und Geschichte einhergeht. Diese im Vergleich zu den höfischen Romanen um 1200 heterogen erschei­ nenden Texte wurden mit dem Signum der „Verwilderung“110 bzw. abgeschwächt des „Hybriden“111 belegt. Die damit benannte Amalgamierung von Erzählformen und die Etablierung von Mischformen „als Kombination variierender Bausteine im Aggre­ gatzustand permanenten Wandels“112 gelten als Ausdruck einer offenen und neu einsetzenden Sinnfindung, die das Bemühen um epische Ganzheit zugunsten einer perspektivischen Pluralität hinter sich ließ. Die für diese Texte diagnostizierte Rehis­ torisierung scheint nahezu zeitgleich mit einer Fiktionalisierung historischer Gattun­ gen, beispielsweise der Chronistik, einherzugehen. Ähnlich wie den späten Romanen wird diesen Texten die Tendenz zu Pluralität und Hybridität bescheinigt, die ‚nach‘ dem ‚klassischen‘ höfischen Roman nach neuen Formen sucht. Die bislang in der Forschung angenommene Hybridität der Texte verweist zwar auf ihr spezi­fisches Gemachtsein, soll aber im Folgenden nicht als Kriterium verstanden werden, das auf die Brüchigkeit der Texte und ihrer narrativen Inkohärenz schließen lässt. Vielmehr scheinen die Texte, meiner Ansicht nach, zwar auf den ersten Blick hybrid, ergeben aber bei genauerer Analyse der Muster und ihrer Variation in ihrer Neuanordnung eine sinnvolle Komposition. Diese Neukomposition soll gerade nicht als Qualitätsaus­ weis im Vergleich zum höfischen Erzählen verstanden werden. Eher möchte ich von einem Nebeneinander von Textsorten und ihrer gegenseitigen Beeinflussung ausge­ hen und weniger eine chronologische Entwicklung annehmen, in der stringent das Eine das Andere ablöst. Ausgehend davon, dass das Kennzeichen der Poetik des Romans um 1300 eine Vielfalt der Stimmen, Überlagerungen, Verwerfungen und Brüche, das Konzept einer literarischen ‚bricolage‘ ist, soll am Beispiel der Weltchronik des Jans von Wien, die unmittelbar in diesen Zeitraum gehört, nach eben dieser Synthetisierung der Vielheit, in der Variation von literarischen Motiven und Schemata sowie der Überlagerung von Gattungen, gefragt werden. Dabei stehen das Zusammenspiel von fabula und his-

109 Vgl. Herweg: Wege zur Verbindlichkeit. 110 Karlheinz Stierle: Die Verwilderung des Romans als Ursprung seiner Möglichkeit, in: Hans Ulrich Gumbrecht (Hg.): Literatur in der Gesellschaft des Spätmittelalters. Heidelberg 1980, S. 253– 313, dort S. 254. 111 Fuchs: Hybride Helden, S.  394–403; Armin Schulz: Poetik des Hybriden. Schema, Variation und intertextuelle Kombinatorik in der Minne- und Aventiureepik: Wilhelm von Orlens, Partonopier und Meliur, Wilhelm von Österreich, Die schöne Magelone. Berlin 2000 (Philologische Studien und Quellen 1961), S. 35–40; Herweg: Wege zur Verbindlichkeit, S. 54–66. 112 Das Zitat stammt aus der Definition für ‚hybride‘ Kulturen aus dem gleichnamigen Sammelband und trifft auch auf ‚hybride‘ literarische Kulturen zu. Vgl. Michael Borgolte; Bernd Schneidmül­ ler (Hg.): Hybride Kulturen im mittelalterlichen Europa. Vorträge und Workshops einer internationa­ len Frühlingsschule. Berlin 2010, S. 7.

Problemaufriss 

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toria als Ausagieren der Gattungsgrenzen, die Analyse von Ordnungsmustern und die Varia­tion von Erzählmotiven in Hinblick auf eine komische Lesart, die zu dieser Neukon­figuration beitragen, im Mittelpunkt der Arbeit. Diese Kategorien – Ordnung, Erzählen, Gattung  – sollen als Ausgangspunkte dienen, um am Beispiel der Weltchronik des Jans von Wien danach zu fragen, inwiefern Fehltritte, Vergehen und Ord­ nungsverletzungen für die Konstruktion und den Sinn der Chronik konstitutiv sind. Dabei soll nach einer kurzen Skizze der für die Interpretationsarbeit grundlegenden Präliminarien wie Datierungs-, Überlieferungs- und Quellenfrage (Kapitel II) zunächst ren nach formalen Ordnungsmustern gefragt werden, die die Chronik strukturie­ (Kapitel  III). Daran anschließend werden in Kapitel  IV inhaltliche Ordnungen skiz­ ziert, die den Ordo-Gedanken aufgreifen und literarisch die Themen Begehren und Gewalt, Sexua­lität und Ehe, Herrschaft und Minne verhandeln. Das Wechselspiel zwi­ schen Ordnungszerstörung und -wiederherstellung, Konfliktaufbau und -entladung, das sich in diesem Bereich andeutet, wird in Hinblick auf seine Wirkungs­ästhetik und die Funktion des Komischen, als Stabilisator von Ordnungsvorstellungen, Gegen­ stand des V. Kapitels sein. Die Grenzüberschreitungen in der Weltchronik bieten die Möglichkeit, indem quasi in der Erzählung bewusst die Ordnung gestört wird, jene vor dem Hintergrund der bekannten Geschichte(n) zu reflektieren. Dies soll Gegen­ stand des VI. Kapitel sein, in dem der ‚Weg‘ von der Kaiserchronik zur Weltchronik des Wiener Bürgers Jans exemplarisch durch den Vergleich einzelner Episoden nachge­ zeichnet wird. Im VII. Kapitel wird abschließend das ‚Spiel‘ mit den Gattungsgrenzen untersucht. Dabei geht es vor allem darum, den bewussten Umgang mit historia und fabula und die Konsequenzen für das Erzählen aufzuzeigen. Ein solches Vorgehen setzt voraus, dass das Publikum die Ordnungs- und Erzähl­ muster kannte und ihre Transformationen in der Chronik als komische Überzeich­ nung verstehen konnte. Denn nur ein Verständnis und eine Offenheit gegenüber den Anspielungen verleiht den Geschichten Sinn und lässt Komik zu. Um das Modell der ‚Riskanten Ordnung‘ und seine Sinnhaftigkeit in Bezug auf eine neue Lesart der Weltchronik des Jans von Wien vorzuführen, ergeben sich im Ganzen drei miteinander verbundene Untersuchungsebenen. 1. Ordnungen: Im Rahmen der Studie werden traditionelle Ordnungsmuster und Strukturen der Chronik (Weltalter, Weltreiche) beschrieben und auf formaler Ebene untersucht, inwiefern diese für eine Chronik zu erwartenden Gliederungs­ prinzipien verändert auftreten. Auf dieser Grundlage werden Erzählungen aus­ gewählt, analysiert und dahingehend befragt, ob und wie bewusste Um- bzw. Neuerzählungen, die Variation von Erzählmustern, vorgenommen wurden, die von der bekannten Tradition abweichen. Im Mittelpunkt steht dabei die Sinnkon­ stituierung, die sich durch Neukomposition und Variation der narrativen Muster ergibt. 2. Erzählen und Komik: Mit Blick auf den höfischen Roman um 1300 soll die Weltchronik auf ihre Hybridität hin betrachtet werden. Diese ergibt sich aus der Komposition des Textes, dem novellistischen Erzählen von Geschichte und den

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 Einleitung

komischen Elementen einzelner Episoden. Aus wirkungsästhetischer Perspektive soll es im Folgenden auch um die kathartische Funktion des Lachens gehen, wie sie Michail Bachtin für den Karneval als momentane Umkehrung aller Werte beschrieben hat. Im Sinne der mimetischen Theorie René Girards soll daran anknüpfend nach der ordnungsstabilisierenden Funktion des Lachens in Hin­ blick auf die Rezeption der Erzählungen gefragt werden. 3. Gattung: Wenn das Erzählen von Ordo-Brüchen ein Grundprinzip der Weltchronik ausmacht und diese als eine Aneinanderreihung komischer Geschichten zu lesen ist, bleibt zu fragen, inwiefern die Ernsthaftigkeit historischer Darstellung gewahrt bleibt bzw. ihre Wahrhaftigkeit (bewusst) unterlaufen wird. Damit soll die Frage nach der Gattungszugehörigkeit des Textes erneut aufgeworfen und als notwendige Bedingung für die Erzählung des Weltentwurfs einer ‚Riskanten Ordnung‘ perspektiviert werden. Hat der Autor bewusst auf historia und fabula zurückgegriffen? An was für ein Publikum richtet sich seine Darstellung? Welche Aussagen lassen sich mit Blick auf die Kaiserchronik über Rezeptions- und Verwendungszusammenhang der Weltchronik treffen? Insbesondere bewusst inszenierte ‚Riskante Ordnungen‘, ein riskanter Umgang mit der Tradition und die Aufreihung komischer Erzählungen lassen auf einen innovativen Umgang mit der chronistischen Überlieferung schließen. Dies spräche dem Autor der Chronik eine wesentlich größere literarische Kompetenz zu als bislang angenom­ men, schwächte die Absicht des „pure entertainment“113 ab und unterstellte der Chronik ein sinnhaftes Gesamtkonzept.

113 Raymond Graeme Dunphy: Daz was ein michel wunder. The Presentation of Old Testament ­ aterial in Jans Enikel’s ‚Weltchronik‘. Göppingen 1998 (GAG 650), S. 61. M

I  Präliminarien  1  Autor Als Johans (v. 85) oder her Jansen eninchel (v. 21) stellt sich der Autor der österreichi­ schen Weltchronik und des Fürstenbuches zu Beginn der Texte seinem Publikum vor. Als Jan(s) von Wien wird er in der Forschung geführt.1 Nur Weniges lässt sich mit Bestimmtheit über den Verfasser der beiden groß angelegten chronistischen Texte sagen, die dem Leser einen Einblick in die Geschichte von der Schöpfung bis in die Gegenwart der Babenberger gewähren. Da der Autor urkundlich nicht bezeugt ist, führen keine weiteren Spuren in seine historische Biographie.2 Einzig seine beiden Werke lassen Umrisse einer Person erkennen, die im ausgehenden 13.  Jahrhundert in Wien, zwischen 1230 / 1240 bis etwa 1290, lebte.3 Die Suche nach dem empirischen Autor wurde insbesondere im 19.  Jahrhundert intensiv betrieben, so dass Philipp Strauch den vermeintlichen Autornamen als Hinweis auf eine Abstammung aus Böhmen oder den slawischen Ländern las.4 In den Prologen der Weltchronik und des Fürstenbuches stellt sich das ErzählerIch wie folgt vor:

1 Gegen die ältere Bezeichnung Jans(en) Enikel wies Fritz Peter Knapp darauf hin, dass Enikel kein Familien- bzw. Eigenname sei, sondern der Autor sich als Enkel eines älteren Jans ausgab. Vgl. Knapp: Die Literatur des Spätmittelalters, S.  236. Geht man jedoch allein von den Texten aus, so heißt es explizit: hern Jansen eninchel heize ich (Fürstenbuch, v.  21). Zitiert nach: Jans Enikel: Fürstenbuch, hg. von Philipp Strauch, in: MGH (Deutsche Chroniken 3). Hannover; Leipzig 1900, S.  597–679.). Gegen­argumente bringt auch Raymond Graeme Dunphy, vgl. Ders.: Jans der Enikel oder Jans von Wien?, S. 1. 2 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. LXX; Rupprich: Das Wiener Schrifttum, S. 23; Otto Brun­ ner: Zwei Studien zum Verhältnis von Bürgertum und Adel. 1. Das Wiener Bürgertum in Jans ­Enikels Fürstenbuch, in: Ders.: Neue Wege der Sozialgeschichte. Vorträge und Aufsätze. Göttingen 1956, S. 116–134, dort S. 116; Karl-Ernst Geith: Enikel, Jans, in: 2VL 2 (1980), Sp. 565–569, dort Sp. 565; 2VL 11 (2004), Sp. 412; Ders.: Carolus Magnus, S. 221; Liebertz-Grün: Gesellschaftsdarstellung, S. 76; Dies.: Das andere Mittelalter. Erzählte Geschichte und Geschichtserkenntnis um 1300. Studien zu ­Ottokar von Steiermark, Jans Enikel, Seifried Helbling. München 1984 (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur 5), S. 71; Wenzel: Höfische Geschichte, S. 87. 3 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. LXX–LXXVII; Geith: Enikel, Sp. 565; Brunner: Das Wie­ ner Bürgertum, S. 116; Wenzel: Höfische Geschichte, S. 87; Rupprich: Das Wiener Schrifttum, S. 23; Lhotsky: Quellenkunde, S. 269. Ursula Liebertz-Grün macht keine genaue Zeitangabe, nimmt aber an, er habe im 13., vielleicht auch noch Anfang des 14. Jahrhunderts gelebt. Vgl. Liebertz-Grün: Gesellschaftsdarstellung, S. 76. 4 Strauch erwähnt einen Pfarrer Friedrich in Wonawicz zu Böhmen und stellt einen Bezug zu ­Wanowitz im Kreise Gitschin her. Karl Roth verwies in diesem Zusammenhang auf ein Dorf ­Wanowitz in der Herrschaft Lautschin. Darüber hinaus ist im Gültenbuch des Wiener Schottenklosters ein Janso Bohemus erwähnt. Vgl. Strauch: Studien, S. 57; Strauch: Jansen Enikels Werke, S. LXXf.; Brunner: Das Wiener Bürgertum, S. 117.

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 Präliminarien

Der ditz getiht gemachet hât, der sitzt ze Wienn in der stat mit hûs und ist Johans genant. an der korôniken er ez vant. der Jansen Enikel sô hiez er. (Weltchronik, v. 83–87) ich bin Jans genant, daz getiht ich von mir selben vant. hern Jansen eninchel heize ich, des mac ich wol vermezzen mich, daz ich ein rehter Wienner bin. (Fürstenbuch, v. 19–23) Der Erzähler mit Namen Jans bezeichnet sich nicht nur als rechte[n] Wienner, sondern gibt Auskunft über seinen sozialen Status.5 Die Information über seine Besitzverhält­ nisse, ob sie historisch begründet sind oder nicht, markiert seinen Anspruch und stellt eine Verbindung zu den von ihm herbeigerufenen tihter[n] über tiutschiu lant (v. 101) her. Aussagen über Lehen, Land oder Haus markieren, wie Walthers Freude über lêhen (L 28,31)6 oder Neidharts Bitte um ein kleinez hiuselîn7, vor allem Selbstbe­ wusstsein und soziale Bedürfnisse der Autoren.8 Nimmt man die Aussage, Jans besitze in Wien ein Haus, mit Brunner ernst, hat diese rechtli­ che Bedeutung.9 Zwar stellte Hausbesitz noch keine Voraussetzung für den Besitz des Bürger­ rechtes dar; Jans gehörte aber möglicherweise der zu der Zeit entstehenden Ritterbürgerschicht an, die ihre Rechte, die sie dem Landadel und den Prälaten gleichstellte, von ihrem Besitz herleiteten. Jans’ Titulierung rechter Wienner rückt ihn unter dieser Prämisse in die Nähe des rechten Bürgers, der den rittermäßigen Leuten gleichgestellt war. Die so genannten ‚Erbbür­ ger‘ des österreichischen Landrechts sind mit den Ritterbürgern gleichzusetzen, so dass Jans die Alteingesessenen gegenüber den Zuwanderern und Emporkömmlingen bezeichnet.10 Durch

5 Vgl. Liebertz-Grün: Gesellschaftsdarstellung, S. 71. 6 Zitiert nach: Walther von der Vogelweide. Leich, Lieder, Sangsprüche. 14., völlig neubearb. Aufl. nach der Ausgabe Karl Lachmanns mit Beiträgen von Thomas Bein und Horst Brunner. Berlin; New York 1996, hier Nr. 11,X, S. 54. 7 Neidhart: Lied 35, VII,3. Zitiert nach: Die Lieder Neidharts, hg. von Edmund Wiessner, fortgef. von Hanns Fischer, 4. Aufl. rev. von Paul Sappler. Tübingern 1984 (ATB 44). 8 Vgl. dazu Jens Haustein: Neidharts hiuselîn in intertextueller Perspektive, in: Christa Bertels­ meier-Kierst; Christopher Young (Hg.): Eine Epoche im Umbruch. Volkssprachliche Literalität 1200–1300. Cambridger Symposium 2001. Tübingen 2003, S. 307–316. 9 Vgl. Brunner: Das Wiener Bürgertum, S. 129. 10 Vgl. Peter Csendes: Stadtherr und bürgerliche Führungsschicht in Wien, in: Wilhelm Rausch (Hg.): Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert. Entwicklungen und Funktionen. Linz 1972 (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 2), S. 251–256, dort S. 252.

Autor 

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den Bezug zum Großvater als hern Jansen eninchel wird dies noch verstärkt. Die genealogische Anbindung betont den rechtlichen Anspruch und manifestiert zugleich den eigenen Status: Jans hatte demnach sein Bürgerrecht legitim durch Erbschaft erworben. Im Fürstenbuch findet sich ein weiterer Hinweis auf die Genealogie des jansschen Geschlechts. Hier beschreibt der Autor, dass Herzog Friedrich II. 1239 zwölf junge Wiener Bürger, unter denen sich auch herren Jansen sun (v. 2.434) befand, an seinen Hof rufen ließ, um sie zu ehren: Darnâch der fürste Fridrîch tet der stat frumclîch, wan er wolt des niht enbern, er wolt die jungen burger êrn. der nam er zwelf ûz der stat, als in dô sîn wille bat. (Fürstenbuch, v. 2.419–24) Der Erwähnte könnte der Vater oder der Oheim des empirischen Autors sein.11 Ließe sich eine solche Verbindung herstellen, wäre dies ein zusätzliches Argument für das genealogische ­Interesse des Autors, der die Heils- und Weltgeschichte bis in seine Stadt und seine Familie fort­ schreibt. Der Titel her, der im 13. und 14. Jahrhundert vor allem von der Wiener Oberschicht getragen wurde, bestätigt seinen herausragenden Status. Diese Ritterbürgerschicht ist, wie Brunner darlegte, kein Phänomen der Stadt Wien, sondern im 14. und 15. Jahrhundert auch aus anderen Städten bekannt.12 Ihre wirtschaftliche Stellung basiert vor allem auf Haus- und Grund­ besitz, der sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stadt befand. Die Ritterbürger waren als Bürger frei, viele von ihnen erwarben die Ritterwürde. Die genaue Herkunft dieser Gruppe ist unbestimmt, möglicherweise gehen einige der Familien auf die milites der Stadtherren zurück.13 Für ihren Aufstieg und ihre soziale Verankerung spielten Geld- und Kreditwesen eine große Rolle. Insbesondere die Stadt Wien hatte sich um 1200 zu einem bedeutenden Fernhandelsmarkt entwickelt und somit ein Stadium ökonomischer Reife erreicht, wie die Einrichtung der Münz­ stätte bestätigt. Als Hauptstadt und Residenz eines mächtigen Fürstengeschlechtes gehörte Wien seit dem 12. Jahrhundert zu den großen Städten Mitteleuropas. Das Wirtschaftsleben wurde wei­ testgehend durch die Bürger in den Zünften organisiert und durch die patrizische Oberschicht getragen.14 Entsprechend stellt die Verbindung von Kreditgeschäften und Finanzämtern ein wesentliches Moment der Reichsumbildung und des sozialen Aufstiegs dar, so dass nicht zuletzt das besondere Ethos des Rittertums große Anziehungskraft auf das Bürgertum ausübte. Neben der rechtlichen Bedeutung kann sich die Wendung mit hûs15, wie sie einzig im Prolog der Weltchronik vorkommt, auch auf die Familie des Autors beziehen und ist als Hinweis auf die Anwesenheit der Familie am Ort zu lesen, was zunächst keine Aussage über den sozialen Status

11 Vgl. Brunner: Das Wiener Bürgertum, S. 119; Liebertz-Grün: Das andere Mittelalter, S. 72. 12 Brunner führt weitere Beispiele an: Tulln, Krems, Klosterneuburg, vgl. Brunner: Das Wiener Bürgertum, S. 122. 13 Vgl. Brunner: Das Wiener Bürgertum, S. 123. 14 Vgl. Rupprich: Das Wiener Schrifttum, S. 7f. 15 Lexer gibt als Übersetzung für hûs auch „familie, geschlecht, daz hûs von Bayern“, vgl. ­Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Bd.  I. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1872–1878. Stuttgart 1992, Sp. 1399f., dort Sp. 1400.

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 Präliminarien

zulässt. In diesem Zusammenhang lässt sich der rehte Wienner der Bedeutung des Adjektivs nach als auf die Abstammung bezogen verstehen, womit das Argument, Jans schreibe, um sich seines eigenen Platzes zu vergewissern, aus einer genealogischen Perspektive, gestützt wird.

Das Interesse des Autors an seiner Stadt, der sich entwickelnden Residenz Wien, ist sowohl der Weltchronik als auch dem Fürstenbuch zu entnehmen. Wien als ‚neue Metropole‘ nimmt vor allem in letzterem großen Raum ein.16 Die Schilderung der Stadt (v. 29–90), ihre Gründung, Kultivierung und Zivilisierung stehen am Beginn des Textes. Dies ist bemerkenswert, da in der Weltchronik Stadtbeschreibungen in dieser Form nicht vorkommen. Allein als Anspielung auf die Vier-Reiche-Theorie werden die Gründungen Trojas und Roms ausführlicher dargestellt. Von Troja bleibt so die Größe erwähnenswert: ez wart ein grôz stat (v. 13.497), wie man sie vorher noch nicht kannte. Nach diesem knappen Hinweis auf die Mächtigkeit der Stadt wechselt der Erzähler zu den Ereignissen innerhalb der Stadtmauern. Dagegen wird der Gründung Roms größere Beachtung geschenkt, da aus genealogischer Perspektive das Römi­ sche Reich in direkter Linie auf die deutschen Kaiser übergeht. In diesem Zusammen­ hang werden ausdrücklich die Kultivierung des wilden Landes und das Erschaffen der Stadt aus dem Nichts, die creatio ex nihilo, hervorgehoben: hie dishalb mers was dannoch niht, daz was ein wunderlîch geschiht, wan walt unde wazzer zwâr und kein lant noch stat gar was gebouwen in dem rîch. (Weltchronik, v. 20.025–29) Wasser und Land markieren die Wildheit des noch nicht erschlossenen Gebietes. Erst die wilde Wölfin überführt Romulus und Remus von der Natur in die Kultur und trägt beide in eine Gruppe von Viehhirten, die das Land in und um Rom kultivieren und bebauen: der wilden wolf kômen dar und nâmen der kindel war und truogen si an die stat, dâ Rôm sît gebouwen wart. dâ wârn herter nâhen bî, die wârn dâ gewaltes vrî, etslîcher hêt ein rint brâht über mer und sîniu kint,

16 Vgl. Fürstenbuch, v. 57–112.

Autor 

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etlîcher het schâf ein michel teil, der selb hêt dester grœzer heil. (Weltchronik, v. 20.047–56) Anschließend geht es nicht mehr um den konkreten Auf- und Ausbau der Stadt, sondern um die Herrscher, die die Macht Roms etablieren. Nach Rom, auf das die weltgeschichtliche Perspektive zuläuft, wird in der Weltchronik auf keine weitere Stadt ausführlicher Bezug genommen. Sieht man jedoch das Fürstenbuch als Fort­ setzung der Weltgeschichte, lässt sich sehr gut begründen, dass der Erzähler des Fürstenbuches der Stadt Wien so große Aufmerksamkeit schenkt. Wien kommt für die Lokalgeschichte, die in diesem Text im Vordergrund steht, entscheidende Bedeutung zu. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Rezipient die bauliche Entwicklung der Stadt schrittweise mitverfolgen kann. Zunächst beschreibt der Erzähler als ersten heidnischen Besiedlungsort den Perchhof (v. 69). In dessen unmittelbarer Nähe befin­ det sich der Beschreibung nach ein werd (v. 77), ein eingegrenztes Gebiet also, das Strauch mit den Donauauen gleichsetzt.17 Der Ort, an dem sich boume âne zal (v. 79) und viel wilt (v. 81) befinden, korrespondiert mit den Darstellungen von Tiergärten und Wildparks in verschiedenen historischen Quellen und literarischen Texten.18 Die Gehege, wie sie beispielsweise Notker der Stammler für Aachen beschrieb,19 waren mit allerlei exotischen Tieren ausgestattet. Sie dienten, wie die höfische Jagd, fürst­ licher Machtrepräsentation und fungierten als herrscherliches Statussymbol.20 Der bekannteste ist freilich der Aachener Park Karls des Großen, der, zumindest wenn man Notker folgt, neben unterschiedlichen Wildarten auch Wisente und Auerochsen sowie Affen und sogar einen Elefanten beheimatete.21 Im Kontext der Wiener Stadtgeschichte des Fürstenbuches ist der Wildpark als topischer Verweis auf die besondere Fruchtbarkeit und Paradieses gleiche Wiener Umgebung zu verstehen, die hervorragende Bedingungen für die spätere Ansiedlung der österreichischen Fürsten bietet. Vorerst wird nach der römischen Gründung das mittelalterliche Wien mit einer Mauer umbaut und damit sichtbar gegen das unzivilisierte Land abgegrenzt:

17 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. 601, Anm. 1. 18 Zu den bekanntesten literarischen Darstellungen gehört die Beschreibung Penefrecs im Erec, v. 7.115–196, vgl. Hartmann von Aue: Erec, hg. von Manfred Günter Scholz, übers. von Susanne Held. Frankfurt am Main 2004 (Bibliothek des Mittelalters 5). 19 Vgl. Notkeri: Gesta Karoli, II, c. 8, vgl. Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte. Dritter Teil: Jahrbücher von Fulda, Regino Chronik, Notker Taten Karls, neu bearb. von Reinhold Rau. Darmstadt 1969 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, FStGA 7). 20 Vgl. dazu Karl Hauck: Tiergärten im Pfalzbereich, in: Deutsche Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung. Erster Band. Göttingen 1963 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 11 / 1), S. 30–74. 21 Vgl. Notkeri: Gesta Karoli, II, c. 8.

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 Präliminarien

dar nâch über manic jâr wart ein stat ze wâr erbouwen [diu] hiez Vaviana, sît wart sî schôn umbmûrt sâ und wart Wiennâ genant, als si noch hiut ist bekant. (Fürstenbuch, v. 37–42) Erst nach der christlichen Ummauerung kann die Stadt zu entsprechender Größe gelangen. Als Relikt aus dem heidnischen Wien, das Favianis genannt wurde, sei einzig der Perchof (v.  69) erhalten. Dazu vermerkt Philipp Strauch, „dass der Berghof, das älteste namentlich erwähnte haus (besser: der älteste häusercomplex) in Wien“22 sei: ê hiez er Vaviana; und lac ouch niht mêr hiuser dâ wan der hof besunder. […] der vie der heiden genuoc,23 vil manigez er nider sluoc; des moht er dâ gerne sîn. er stifte ein wênigz stetelîn, daz hiez er Vavianâ, sît wart ez schôn umbmûrt dâ und wart Wiennâ genant […]. (Fürstenbuch, v. 73–89) Was intra muros passiert, unterliegt Regeln und Normen, die das Stadtgeschehen von der unzivilisierten äußeren Welt abschirmen. Der Erzähler durchschreitet die ver­ schiedenen Zeiten. So folgt auf die ‚wilde‘ heidnische Zeit die kultivierte christliche, in der signifikante Bauten errichtet werden: dô sâzen die kristen und trahten,  / wie si ein kirchen gemachten (v. 95f.). Der Kirchenbau lässt nicht lange auf sich warten, so dass schließlich in sant Ruoprehtes êre (v. 110) eine Kirche entsteht. Nachdem die christliche Herrschaft im Text sichtbar etabliert ist, leitet der Erzähler zu den einzel­ nen Herrschern der Stadt über. In dieser einleitenden Passage des Fürstenbuches wird mit der Beschreibung der Lage der Stadt, ihrer Gründung, ihrer Befestigung und der Nennung ihrer öffentlichen

22 Strauch: Studien über Jansen Enikel, S. 43 und Anm. 19, S. 60. 23 Gemeint ist hier das Wild, das in den Auen um Wien lebte.

Autor 

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Bauten auf die Elemente der laus urbis zurückgegriffen,24 wie sie in der Institutio oratoria Quintilians benannt werden.25 Dabei werden Aus-, Um- und Neubau der Stadt in den Mittelpunkt gerückt, was die Vorstellung einer dynamischen Stadtentwicklung evoziert. Hartmut Kugler hat in seiner Studie zur Stadt von 1986 die Bedeutung des lite­ rarischen Stadtlobs und seiner Topoi am Beispiel von Karthago, Jerusalem, Bamberg und Nürnberg beschrieben.26 Für Wien listet er weitere Textbeispiele wie Der Wiener Meerfahrt (v.  45–81), den anonymen Text Vienna civitas gloriosa und die Translatio s. Delicianae Gutolfs von Heiligenkreuz27 auf, die vor dem Fürstenbuch zu datie­ ren sind.28 Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass Jans für die Beschreibung Wiens Elemente des topischen Stadtlobs aufgriff, die in den von Kugler benannten latei­ nischen Texten, vor allem in Gutolfs Translatio, vorkommen. In diese Beschreibung der Übertragung der Gebeine der heiligen Deliciana ist ein Lob auf die Stadt Wien ­integriert, in dem neben dem Überblick über die Stadtgeschichte auch der ursprüng­ liche Name Favianis erwähnt wird29 sowie Informationen zur Lage der Stadt und Hin­ weise zum umliegenden Jagdgebiet gegeben werden:

24 Das Stadtlob folgt den Regeln des genus demonstrativum. Für das mittelalterliche Stadtlob rele­ vant sind die Ausführungen bei Quintilian und Priscian. Vgl. Quintilian: Institutio oratoria III, 7, hg. und übers. von Helmut Rahn. Darmstadt 1972 / 1975 (Texte zur Forschung 2 / 3), S. 349–361; Priscian: Praeexercitamina. Ausgabe: Rhetores Latini Minores, hg. von Carl Halm. Leipzig 1863. Nachdruck Frankfurt 1964, S. 551–560, dort S. 556f. 25 Dort heißt es: Laudantur autem urbs similiter atque homines. Nam pro parente est conditor, et multum auctoritatis adfert vetustas, ut iis, qui terra dicuntur orti, et virtutes ac vitia circa res gestas eadem quae in singulis: illa propria, quae ex loci positione ac munitione sunt. Cicis illis ut hominibus liberi sunt decori. Est laus et operum: in quibus honor, utilitas, pulchritude vel auctor utrubique. Est et locorum, qualis Siciliae apud Ciceronem: in quibus similiter speciem et utilitatem intuemur, speciem maritimis, planis, amoenis, utilitatem salubribus, fertilibus. Quintilian: Institutio oratoria III, 7, 26–27; vgl. ­Hartmut Kugler: Die Vorstellung der Stadt in der Literatur des deutschen Mittelalters. München; Zürich 1986 (MTU 88), S. 27f. 26 Vgl. Kugler: Die Vorstellung der Stadt. 27 Die entscheidenden Passagen sind abgedruckt bei Alphons Lhotsky: Mittelalterliche Lobs­ prüche auf Wien, in: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 11  (1954), S.  29–34, dort S. 29f. Zu Gutolf von Heiligenkreuz vgl. Winfried Stelzer: Gutolf von Heiligenkreuz, in: 2VL 3 (1981), Sp. 342–346; 2VL 11 (2004), Sp. 580. 28 Vgl. Kugler: Die Vorstellung der Stadt, S. 266. 29 Strauch vermutet, dass Jans diese Herleitung aus der Cronica Ottos von Freising I, cap.  32, SS XX,370 kannte. Vgl. Otto Bischof von Freising und Rahewin: Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica. Lat. / Dt., übers. von Adolf Schmidt, hg. von Franz-Josef Schmale. Darmstadt 1974 (Aus­ gewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 17). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. 600, Anm. 1. Die Anspielungen auf das Lob Wiens jedoch zeigen, dass Jans die Bezeichnung Favia­ nis aus der Translatio s. Delicianae Gutolfs von Heiligenkreuz geläufig war.

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 Präliminarien

Est vero in hac nostra marchia civitas Wienna, que olim oppidum, sicut hodie, quia vetustissimus monstrat murus, a Romanis conditum Favianis dicebatur […] Montes a tergo versus septentrionem confertissimis excultos vineis portat, quarum charissimus liquor ita bibentem reficit, ut Falernum querere sit nefas. Ad occidentale latus munitur nemoribus magnorum roborum et venatui aptissmimis, ad orientem vero ac meridiem planam agrorum faciem et plerumque campanias intersertas monstrat.30

Aufgrund der ähnlichen Elemente,31 die für die Stadtbeschreibung verwendet wurden, ist anzunehmen, dass Jans von Wien die Translatio Gutolfs kannte und die Datierung dieses Textes, 1285–87, den terminus post quem für die Abfassung des Fürstenbuches und den terminus ante quem für die Niederschrift der Weltchronik liefert. Dass die Weltchronik früher als das Fürstenbuch entstanden sein muss, wird an anderer Stelle durch intertextuelle Bezüge innerhalb des Jansschen Œuvres noch zu zeigen sein.32 Wirft man von diesem Befund noch einmal einen Blick auf den Bildungshinter­ grund Jans’, zeigt sich, dass der Autor, auch wenn er Honorius’ Imago an einigen Stellen fehlerhaft wiedergegeben hat,33 eine lateinische Elementarausbildung besaß und für das Stadtlob auf lateinische Texte zurückgriff. Darüber hinaus zeigen seine Verbindungen zum Wiener Schottenkloster, dass er als Geistlicher (Domherr) enge Kontakte hierher und zum Hof pflegte.34 Für seine Beziehung zum Hof spricht vor allem die Darstellung des Fürstenbuches als Genealogie der Babenberger. Dabei kommt vor allen Herrschern, die Jans in seinem Œuvre vorstellt, Leopold  VI. als besonders freigiebigem, gerechtem, barmherzigem und im Ganzen tugendhaftem Herzog großes Lob zu (v. 1.653–2.101). Leopold zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er engen Kontakt zu den Stadtbürgern sucht und der stat ze Wienne holt war (v. 1.665). Erwähnt wird ein Bürger Dietrich, ein Günstling Leopolds, der Verbindun­ gen zu Kaufleuten und Stadtbewohnern herstellt und somit die Wirtschaft beför­ derte.35 Entsprechend wird der Herzog zu Weihnachten in Wien empfangen und von

30 Oswald Redlich; Anton Schönbach: Des Gutolf von Heiligenkreuz Translatio S. Delicianae, in: Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien. Philosophisch-historische Klasse, 159 / 2, 1908, S. 8–20, dort S. 11. 31 Ummauerung der Stadt, Name[n] der Stadt, Lage der Stadt. 32 Vgl. Kap. I.2. 33 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. LXIIIf. 34 Die Vermutung, Jans sei Domherr zu Wien, wurde bereits in der Forschung des 19. Jahrhunderts diskutiert. Vgl. Heinrich Kurz: Geschichte der deutschen Literatur. Bd. 1: Von den ältesten Zeiten bis zum ersten Viertel des 16. Jahrhunderts. Leipzig 81887, S. 453; Strauch: Studien über Jansen Enikel, S. 37, S. 57, Anm. 9; S. 58, Anm. 11. Ingeborg Anna Ali vermutet, dass Jans zumindest das Curriculum einer Lateinschule durchlaufen habe. Vgl. Ingeborg Anna Ali: Die Entwicklung der deutschsprachi­ gen Weltchronistik im 12. und 13. Jahrhundert. Erscheinungsformen und Beweggründe. Ottawa 1985, S. 368–370. 35 Ursula Liebertz-Grün hat darin einen Hinweis auf die Interessen des intendierten Publikums gesehen, das seinen Blick auf „‚Kapital und Politik‘“ richtete. Vgl. Liebertz-Grün: Gesellschaftsdar­

Autor 

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den Kaufleuten, Kürschnern, Krämern, Fleischern, Bäckern als Zeichen besonderer Ehrerbietung reichhaltig beschenkt: Die koufliut gâben im guot gewant, sô man si beste veil vant, grüen, brûn, blâ, scharlât, und dar zuo ander rîche wât. vêhe vedern, hermîn, daz niht schœners mohte sîn, gâben im die wiltwerkære mit êren âne swære […] dô kômen die krâmer zehant und gâben im sîdîn gewant; wurzen unde zendâl brâhten si im über al. (Fürstenbuch, v. 1.735–50) Leopold verbriefte den Bürgern ihre Rechte, baute die Stadt aus und griff in den Streit zwischen Kaiser und Papst schlichtend ein, daz diu stôl und ouch daz swert / wurden en ein (v. 1.899f.). Er wurde in seiner berühmtesten Gründung, dem Kloster Lilienfeld, beigesetzt. An die Nennung seiner Taten schließt Jans eine umfassende, in seinem Text singuläre Totenklage an, die Leopolds Tugendhaftigkeit ausstellt und ihn auch als Förderer von Literatur ausweist: wer stiftet uns nû reien / in dem herbst und in dem meien? (v. 2.031f.). Auch mit der Klage um den Verstorbenen wird die Nähe des Herr­ schers zu seiner Stadt und ihren Bewohnern betont, denn vor allem die Wiennære (v. 2.011) betrauern seinen Tod mit jæmerclîcher swaere (v. 2.012) und fürchten den Verlust ihrer Rechte: wer vrît uns nû vor den dienstmann,  / als er uns hât getân? (v. 2.021f.) Vor dem Hintergrund der Aussage des Erzählers, er sei ein rehter Wienner, und der Perspektivierung der Interessen der Stadtbewohner lässt sich Jans in diesem sozialen Kontext verorten. Aufs Ganze gesehen wird Wien im Fürstenbuch als „palimpsestuöse Stadt“36 beschrieben, in der verschiedene Bauwerke als Erinnerungsort an Vergangenes fungie­ ren. Entscheidend bleibt die Idee der Translatio im Sinne der Überlagerung von Zeiten und Reichen mit dem Höhepunkt des christlichen Reiches und christlicher Stadtgrün­

stellung, S.  80. Dem ist zunächst nicht zu widersprechen, dennoch wird vor dem Hintergrund der Weltchronik die Stadt Wien unter der Herrschaft Leopolds zur prosperierenden Metropole und zum Fluchtpunkt der Weltgeschichte. 36 Christoph Fasbender: Die Wiederkehr der Stadt in Hans Schneiders ‚Ursprung und Herkommen der Stadt Annaberg‘, in: Gesine Mierke; Christoph Fasbender (Hg.): Wissenspaläste. Räume des Wissens in der Vormoderne. Würzburg 2013 (Chemnitzer Arbeiten zur Literaturwissenschaft 2), S. 102.

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 Präliminarien

dungen. Auch hier wird, in ähnlicher Weise wie Christoph Fasbender dies für Hans Schneiders literarisches Abschreiten der Stadt Annaberg gezeigt hat, versucht, „Gegen­ wärtiges und Vergangenes, Begehung und Erinnerung miteinander zu verquicken“37. Der Erzähler führt den Blick des Rezipienten durch die Zeiten (Heidentum, Christen­ tum – Antike, Mittelalter) und durch die Stadt (Beschreibung der Lage und sakraler Orte). Neben der genealogischen Ausrichtung und christlichen Überschreibung geht es dem Autor des Fürstenbuches um die Interessen des Stadtbürgers. Er beschreibt Geldwirtschaft und Kreditgeschäfte als Motoren für eine aktive Stadtentwicklung und gibt zudem Einblick in das Verhältnis zwischen Stadtbewohnern, Kaufleuten, Hand­ werkern und Fürsten, kennzeichnet Autonomiebestrebungen der Zünfte und Gilden. Als Bewohner interessiert er sich gleichermaßen für Landbesitz, kaufmännische Akti­ vitäten, Turniere, Rüstungen, Kämpfe und prunkvolle Kleider. Diese par­tielle Hinwen­ dung zu einer städtischen Elite ist nicht als Abkehr und Gegenentwicklung zum Höfi­ schen zu sehen, sondern macht Einflüsse des städtischen Lebens kenntlich.

2  Datierung Die Datierung der Weltchronik ist nach wie vor umstritten und schwankt zwischen 1275 und 1284 / 85.38 Philipp Strauch datierte aufgrund verschiedener Angaben aus dem Werk, wie dem in die Chronik integrierten Papstkatalog, auf die Zeit nach 1277.39 Innerhalb jenes Kataloges schildert Jans u. a. die Geschichte um Papst Johannes XXI., der als Nachfolger Gregors X. auf den Heiligen Stuhl erhoben und am 16. Mai 1277 von einer einfallenden Decke in seinem Palast in Viterbo erschlagen wurde. Dass es sich, wie Strauch vermutete, hier nur um Johannes XXI. handeln könne, geht aus dem Text eindeutig hervor: Ein bâbest ze Rôm was, von dem man schreip unde las. ob der selb wære, daz seit niht daz mære, wan einz ist uns von im bekant, daz man in tôten ligent vant, wan in ein mûr sluoc zwâr; des muost er tôt ligen gar. (Weltchronik, v. 22.703–10)

37 Fasbender: Die Wiederkehr der Stadt, S. 108. 38 Vgl. Geith: Carolus Magnus, S. 221; Ders.: Enikel, Sp. 565; Dunphy: Daz was ein michel wunder, S. 22f.; siehe auch den Abschnitt zum Autor. 39 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. 428–442.

Überlieferung 

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Ursula Liebertz-Grün hält diese Verse für zu vage, um sie als ein eindeutiges Indiz zu werten.40 Die Frage der Priorität von Weltchronik oder Fürstenbuch lässt sich mittler­weile durch die intertextuellen Bezüge der Texte untereinander eindeutig klären. Bereits Strauch war völlig sicher, dass die Weltchronik vor dem Fürstenbuch verfasst wurde. Einen Hinweis sah er im Prolog, in dem der Autor beteuert, er habe noch kein Werk verfasst: dâ von will ich mich nemen an, / des ich nie begunnen hân (v. 29f.). Hingegen nimmt Ursula Liebertz-Grün an, dass die Chronik sicher nach 1272 entstanden sei, während das Fürstenbuch zwei bis drei Jahrzehnte nach dem Tod Herzog Friedrichs II. (1246) verfasst wurde.41 Da der Autor offenbar das Ziel verfolgte, die Geschichte der Welt bis in lokalgeschichtliche Detailerzählungen mit Wien als Fluchtpunkt festzuhalten, scheint mir unter Berücksichtigung der Konzeption des Werkes, ausgehend von makrokosmischen mikrokosmische Gegenstände (Geschich­ ten) zu verhandeln, die Priorität der Weltchronik nahe liegend. Zudem werden im Fürstenbuch Passagen aus der Weltchronik, wie etwa das grausame Vorgehen Friedrichs II. gegen Kleriker,42 wiederholend aufgegriffen, aber nicht mehr in Gänze ausgeführt.

3  Überlieferung Derzeit sind 49 Handschriften und Fragmente des Textes bekannt, die, zu einem großen Teil bebilderte Pergament- und Papierhandschriften, aus dem 14. und 15. Jahr­ hundert stammen.43 Von diesen enthalten sechzehn Codices den Text der Weltchronik ohne Einfügungen aus anderen Texten, der größte Teil liegt in Mischredaktionen vor. Folgt man der Überlieferung, so zeigt sich, dass im 14. und 15. Jahrhundert, lokal und

40 Vgl. Liebertz-Grün: Gesellschaftsdarstellung, S. 75. 41 Vgl. Liebertz-Grün: Gesellschaftsdarstellung, S. 76.  42 Im Fürstenbuch heißt es dazu: er [Friedrich] tet den priestern vil heiz, / die platen er in ûz reiz, / den münichen die hût ab ziehen, / des mohten si niht enpfliehen (v. 1.949–52). Dem geht jene Passage der Weltchronik voraus, in dem Friedrichs Grausamkeiten ausführlich beschrieben werden. Dort heißt es: die pfaffen muosten dô irn sweiz / lâzen, wan er in ûz reiz / die platen ûz dem houbt her. / daz was sînes herzen ger. / die bruoder mohten im niht enpfliehen, / er hiez in ab ziehen / die hût über die ôren, / als sie wæren tôren. (Weltchronik, v. 28.026–36). Vgl. Kap. III.2.4. 43 Philipp Strauch hat 1895 eine Übersicht über die Handschriften der Weltchronik erstellt, die ­Raymond Graeme Dunphy 1998 erweitert und aktualisiert hat. Jörn-Uwe Günther und Martin ­Roland haben die Bilderzyklen der Weltchronik-Handschriften katalogisiert und aus kunsthistori­ scher Perspektive untersucht. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S.  III–LX; Geith: Enikel; Dun­ phy: Daz was ein michel wunder, S. 29–29; Kornrumpf: Die ‚Weltchronik‘ Heinrichs von München; Jörn-Uwe Günther: Die illustrierten mittelhochdeutschen Weltchronikhandschriften in Versen. Katalog der Handschriften und Einordnung der Illustrationen in die Bildüberlieferung. München 1993 ­(Tuduv-Studien. Reihe Kunstgeschichte 48); Martin Roland: Illustrierte Weltchroniken bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. Wien 1991. Eine Übersicht zur Überlieferung findet sich im Anhang.

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 Präliminarien

zeitlich begrenzt, eine umfassende Kompilierungstätigkeit begann. Diese ist von der Überlieferung des Einzeltextes zu trennen und nicht ‚Ziel der Gattung‘.44 Die Kompi­ lationsgeschichte nimmt ihren Ausgang bei der Vermischung der Weltchronik Jans’ von Wien mit der Christherre-Chronik und setzt sich bis zu den Heinrich von Mün­ chen-Komplexen fort. Bis heute sind 185 Textzeugen volkssprachlicher Verschronistik erfasst.45 Zu den bekanntesten Werken zählen neben der Weltchronik Jans’ von Wien die Weltchronik Rudolfs von Ems, die Christherre-Chronik und die Chronik des Heinrich von München. Die Überlieferung der Weltchronik wird für uns um 1340 fassbar, ca. 60 Jahre nach Abfassung des Textes. Bereits kurze Zeit später begann auch die Kompilation des Textes mit der Weltchronik Rudolfs von Ems,46 der Christherre-Chronik und später der Weltchronik Heinrichs von München. Ob der Autor selbst eine Bebilderung der Hand­ schrift beabsichtigte, lässt sich nur schwer beantworten. Bereits die ersten Hand­ schriften, die um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden, weisen Bilderzyklen oder die Anlage dazu auf. Nicht alle sind ausgeführt. Der Regensburger Codex Ms. Perg. III gilt als die einzige vollständige Weltchronik-Handschrift, die zudem als einzige ein vollständiges Bildprogramm zum Text überliefert.47 Die Vermischung unter den Texten geht so weit, dass teilweise nur noch Bruch­ stücke der Weltchronik nachweisbar sind. Dieser Befund lässt darauf schließen, dass der individuelle Charakter des Einzelwerkes für die Kompilation eine untergeordnete Rolle spielte und interessenspezifisch eine Kombination einzelner Textbausteine pro­ blemlos vorgenommen wurde. Kurt Gärtner hat 1985 die Kompilation als charak­ teristischen Überlieferungstyp mittelhochdeutscher Weltchroniken beschrieben und damit schließlich eine Tendenz beschworen,48 die dem Einzelwerk nur wenig Konsis­ tenz und dem Konzept nur geringe Relevanz zusprach. In Anlehnung an die detail­ lierte Untersuchung der Überlieferung der Christherre-Chronik durch Ralf Plate 2005 sei jedoch noch einmal darauf hingewiesen,49 dass Einzelüberlieferung und Mischredaktionen getrennt voneinander zu behandeln sind, da sich erstgenannte nach der Überlieferungslage als konstant erweist. Für Plate sind die Kompilationen ein „Spätphänomen“, das zudem temporär und punktuell, auf die bayerisch-öster­

44 Vgl. dazu ausführlich: Plate: ‚Christherre‘, S. 18f. 45 Vgl. Dorothea Klein: Heinrich von München und die Tradition der gereimten deutschen Welt­ chronistik, in: Horst Brunner (Hg.): Studien zur ‚Weltchronik‘ Heinrichs von München. Bd. 1: Über­ lieferung, Forschungsbericht, Untersuchungen, Texte. Wiesbaden 1998 (Wissensliteratur im Mittelal­ ter 29), S. 1–112, dort S. 28. 46 Vgl. Plate: ‚Christherre‘, S. 1. 47 Vgl. auch Roland: Illustrierte Weltchroniken, S. 179. 48 Vgl. Kurt Gärtner: Überlieferungstypen mittelhochdeutscher Weltchroniken, in: Christoph Gerhardt [u. a.] (Hg.): Geschichtsbewußtsein in der deutschen Literatur des Mittelalters. Tübinger Colloquium 1983. Tübingen 1985, S. 110–118, dort S. 95. 49 Vgl. Plate: ‚Christherre‘.

Überlieferung 

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reichische Schreiblandschaft begrenzt, am Ende des 14.  Jahrhunderts auftrat.50 In diesen Zeitraum fallen sowohl Einzelüberlieferungen der Weltchronik Jans’ als auch erste Kompilationen. Auch für die Weltchronik ist eine umfassende Tradierung des Einzeltextes mit unterstützender Bebilderung auszumachen, was auf ein Interesse und eine Rezeption des gesamten Textes hinweist und nicht zuletzt dem Gesamtkon­ zept größere Bedeutung zuspricht. Ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts setzt jene Überlieferung ein, die Exzerpte aus der Weltchronik Jans’ von Wien mit Auszügen aus der Weltchronik Rudolfs von Ems und aus der Christherre-Chronik mit Bruder Philipps Marienleben tradiert.51 Als wichtigster Textzeuge gilt die Handschrift Cod.  472, Oberösterreichi­ sche Landesbibliothek Linz, die, wie Ralf Plate jüngst beschrieb, anders als bislang angenommen auf der Basis der Weltchronik des Jans entstanden ist.52 Plate konnte zeigen, dass die Kompilatoren vor allem daran interessiert waren, einen vollständigen Text mit alter und neuer Ê zu liefern, der auf die Vermittlung eines religiösen Grund­ wissens ausgerichtet war. Insbesondere die Textanfänge zeigen, dass der theologisch anspruchsvollere Prolog der Christherre-Chronik durch entsprechende Übernahmen aus der Weltchronik des Jans entschärft und vereinfacht wurde. Ähnliches lässt sich sicher auch für den Rest des Textes ableiten. Stephan Müller hat jüngst am Beispiel der Prosakaiserchronik noch einmal deutlich die Relevanz der „Mitüberlieferung“53 und die Bezüge zwischen ‚Text und Text‘ betont,54 die nicht zuletzt auch für die Weltchronik-Kompilationen bedeutsam sind. Insbesondere in Bezug auf die Weltchronik zeigt sich, dass Teile aus diesem Text über einen langen Zeitraum dazu dienten, alttestamentliches Wissen zu vermitteln,

50 Plate: ‚Christherre‘, S. 124. 51 Vgl. Überlieferungsverbünde in: Los Angeles, The J. Paul Getty-Museum, Ms. 33; Kassel, UB, LMB, 2° Ms. Theol. 4; Augsburg, UB, cod. Öttingen-Wallerstein I, 3, 2°,II; Stuttgart, LB, HB XIII 6; Pommers­ felden, Gräfl. Schönbornsche Schloßbibl., Cod.  303  (2897); Bamberg, Staatsbibl., Msc.  I  Qa  4; Los Angeles, The J. Paul Getty-Museum, Ms. Ludwig XIII 2. 52 Vgl. Ralf Plate: Wie fängt die Bibel an? Zu den Vorstufen der ‚Weltchronik‘ Heinrichs von Mün­ chen am Beispiel der Schöpfungsgeschichte, in: Ders.; Andrea Rapp: Metamorphosen der Bibel. Beiträge zur Tagung ‚Wirkungsgeschichte der Bibel im deutschsprachigen Mittelalter‘ vom 4. bis 6. September 2000 in der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Trier. Berlin [u. a.] 2002 / 2003, S. 229–246, dort S. 235. 53 Stephan Müller: ‚Schwabenspiegel‘ und ‚Prosakaiserchronik‘. Textuelle Aspekte einer Überlie­ ferungssymbiose am Beispiel der Geschichte Karls des Großen (mit einem Anhang zur Überlieferung der ‚Prosakaiserchronik‘), in: Eckhart Conrad Lutz (Hg.): Wolfram-Studien XIX. Text und Text in lateinischer und volkssprachiger Überlieferung des Mittelalters. Freiburger Kolloquium 2004. Berlin 2006, S. 233–252, dort S. 248. 54 Zur Bedeutung der Mitüberlieferung allgemein vgl. Wolfgang Haubrichs: Die Edition alt­ hochdeutscher (theodisker) Texte zwischen Überlieferungstreue und Rekonstruktion, in: Martin J. ­Schubert: Deutsche Texte des Mittelalters zwischen Handschriftennähe und Rekonstruktion. Berli­ ner Fachtagung 1.–3. April 2004. Tübingen 2005, S. 95–118.

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und, durch Geschichten aus dem Neuen Testament ergänzt, als Reimbibeln fungier­ ten. Gerade der aus den Überlieferungsverbünden ersichtliche mehrfache Bezug zum Marienleben Bruder Philipps unterstreicht, dass die Erzählungen der Weltchronik für die Vermittlung christlichen Grundwissens auf der Ebene der historia Verwendung fanden. Insbesondere die Handschriften aus Stuttgart (LB, HB XIII 6), Pommersfelden (Gräfl. Schönbornsche Schloßbibl., Cod.  303  (2897)), Augsburg (UB, cod. ÖttingenWallerstein I,  3,  2°,II) zeichnen sich durch Interpolationen aus, die u.  a. gereimte Evangelien-Perikopen der Passion enthalten. Diese Lese- oder Vortragshilfen dienen nicht nur der Gliederung des Textes. Sie unterstützen zudem die Lektüre und haben memoriale Funktion. Damit weisen sie in den Bereich der geistlichen Wissensvermitt­ lung, die sich an ein laikales Publikum richtet.55 Entsprechend ergänzen die Kompila­ tionen die Geschichte des Alten Testaments aus Christherre-Chronik, Rudolfs Weltchronik, Jans’ von Wien Weltchronik für das sechste Weltalter mit dem Marienleben Bruder Philipps. Der Heinrich von München-Komplex setzt das Marienleben zudem mit Teilen aus der Weltchronik des Jans oder der Sächsischen Weltchronik mit lokal­ geschichtlichen Ereignissen fort.56 Neben diesem Befund ergibt sich für den Über­ lieferungskonnex der Mischredaktionen aus der Weltchronik des Jans, der Weltchronik Rudolfs von Ems und der Christherre-Chronik sowie der Einzelüberlieferung eine deutliche Präferenz des bayrisch-österreichischen Sprachraums.57 Das geht mit den lokalhistorischen Interessen des Autors und seinem Bedürfnis einher, den Baben­ bergern einen Platz in Welt- und Heilsgeschichte zu sichern, wie er es schließlich im Fürstenbuch konsequent fortführt. Neben der Kompilation der jansschen Texte mit anderen Weltchroniken fand, wie Raymond Graeme Dunphys Vergleich mit der Erzählung Von Luzifers und Adams Fall (Karlsruhe, Landesbibliothek, Codex 408, fol. 116ra–120rb) zeigt,58 eine Rezeption aus­ gewählter schwankhafter Episoden statt, die „sacred history and bawdy a ­ necdotes of sexual conquest“59 miteinander verbanden. Ähnlich wie die Miniaturen in der Regensburger Handschrift (Thurn und Taxissche Bibliothek, Ms. Perg.  III) oder im Wiener Codex (Österreichische Nationalbibliothek, Cod.  2921) bestätigt dieses kon­ krete Rezeptionsinteresse, dass Jans’ Texte als Sammlung von Erzählungen wahrge­ nommen und die Episoden unabhängig von ihrer historischen Verankerung rezipiert wurden. Darüber hinaus zeichnet sich im Vergleich mit der Tradition ein literarischer

55 Vgl. Kornrumpf: Die ‚Weltchronik‘ Heinrichs von München, S. 495; Kurt Gärtner: Bruder ­Philipp, in: 2VL 11 (2004), Sp. 1234. Hier lässt sich zudem ein Zusammenhang zu den Admonter Predigten her­ stellen, der im Abschnitt um Samson und Dalila ausführlich behandelt wird. Vgl. Kap. III.1.2. 56 Vgl. Kurt Gärtner: Philipps ‚Marienleben‘ und die ‚Weltchronik‘ Heinrichs von München, in: Werner Schröder (Hg.):Wolfram-Studien VIII. Berlin 1984, S. 199–218, dort S. 206. 57 Vgl. Brunner: Studien zur ‚Weltchronik‘ Heinrichs von München. Bd. 1, S. 74f. 58 Vgl. Raymond Graeme Dunphy: On neutral and fallen angels. A text from the Codex Karlsru­ he 408 and its source in Enikel’s ‚Weltchronik‘, in: Neuphilologische Mitteilungen 96 (1955), S. 9–13. 59 Dunphy: On neutral and fallen angels, S. 13.

Quellen 

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Umgang mit der Heilsgeschichte in der Volkssprache ab. Hier wären weitere Unter­ suchungen anzuschließen, die unabhängig von den Weltchronik-Kompilationen die Rezeption der Erzählungen a) in der volkssprachlichen Literatur und b) in volks­ sprachlichen Predigtzusammenhängen untersuchten.

4  Quellen 4.1 als ich an dem buoche las60 oder als ich die liut hoer jehen61 Die Frage nach den Quellen lässt sich ähnlich wie jene nach dem empirischen Autor nur schwer beantworten. Der Text liefert nur wenige Hinweise. In der Chronik werden eine korônike und das buoch62 an verschiedenen Stellen genannt: Der ditz getiht gemachet hât, der sitzt ze Wienn in der stat mit hûs und ist Johans genant. an der korôniken er ez vant. der Jansen Enikel sô hiez er. von dem buoch nam er die lêr. (Weltchronik, v. 83–88) Der Weltchronik, dies lässt sich mit einiger Sicherheit behaupten, liegen darüber hinaus die Bibel, das dritte Buch der Kosmographie des Honorius Augustodunen­ sis, die Redaktion B der Kaiserchronik63 und ein Annalenwerk zugrunde.64 Obwohl Dunphy herausgestellt hat, dass die von Strauch konstatierten 101 Honorius-Paral­ lelen, an einigen Stellen nicht zutreffen, bleibt dennoch festzuhalten, dass die Makro­ struktur des Textes und annalistische Elemente wie der Papstkatalog die Verwendung der Imago mundi nahe legen.65 Philipp Strauch hat zusätzlich auf jüdisch-apokryphe Traditionen der Erzählstoffe hingewiesen, die in jüngster Zeit nachgewiesen wurden. Entsprechend zitierte Fritz Peter Knapp die Weltchronik als Zeugnis jüdisch-christ­

60 Weltchronik, v. 338. 61 Weltchronik, v. 11.321. 62 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. LXIII. 63 Strauch hat den Vergleich der Redaktionen mit dem Weltchronik-Text vorgenommen und an ver­ schiedenen Belegstellen die Benutzung der Redaktion B herausgestellt. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. LXVIII. 64 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S.  LXIII; Geith: Enikel, Sp.  567; Ders: Carolus Magnus, S. 223; Liebertz-Grün: Gesellschaftsdarstellung, S. 77. 65 Vgl. Dunphy: Daz was ein michel wunder, S. 251f., 262f., 311.

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lichen Kulturtransfers, und Martin Przybilski beschrieb die Aufnahme verschiede­ ner jüdischer Erzählmotive.66 Die Heterogenität der jansschen Erzählstoffe ist bekannt. Sie bietet Raum für viel­ fältige Diskussionen. Die Geschichte der Welt, wie sie Jans erzählt, lässt zunächst auf ein großes Interesse des Autors an kleinen, ungewöhnlichen Geschichten schließen. Deren Zusammenhang als sinnvolles Ganzes erschließt sich freilich nicht auf den ersten Blick. Daher sind die Frage nach den Quellen und die Annahme ihrer sinnhaften Trans­ formation umso interessanter. Bereits Karl-Ernst Geith wies darauf hin, dass die in die Chronik eingeschobenen Geschichten internationales Erzählgut repräsentieren, wie es u. a. die Gesta Romanorum exemplarisch überliefern.67 Zudem deutet der Erzähler immer wieder an, dass er auf mündliche Berichte zurückgreift. Die Bibel bezeichnet er oft als buoch, etwa als ich an dem buoche las (v. 338), daz selb nâch des buoches sag / geschach an dem sehsten tag (v. 476f.), oder als geschrift, als uns diu geschrift von im seit (v. 17.326). Dennoch bleibt die Angabe des an den buochen lesens zu allgemein, um daraus auf andere Quellen als die Heiligen Texte zu schließen. Auf die Bibel nimmt Jans mit der Formulierung nâch der künclichen lêr will ich / tihten und ouch rihten mich (v. 45f.) Bezug und betont damit die Legitimität seiner Dichtung. Auch die Kaiserchronik bezeichnet der Autor als buoch: alsô ist des buoches sag (v. 20.240), nû merket des buoches sag (v. 20.339), daz tuot uns daz buoch kunt (v. 21.102). Philipp Strauch hat darüber hinaus die Verwendung der Imago mundi des Honorius Augustodunensis angenommen, die er hinter den Versen als ich ez geschriben vant (v.  1.438), wan ich ez ­geschriben vant (v.  9.336) sah. Eine letztgültige Identifizierung der Quellen bleibt schwierig. Mögliche Vorlagen lassen sich einzig aus dem Kontext ableiten. Strauch hat neben den bisher genannten eine Handschrift österreichischer Annalen als Vorlage identifiziert, die mit der Imago mundi des Honorius eingeleitet wurde.68 Geith vermutet hinter dieser Kompilation einen Text, der auf die Melker Annalen zurückgeht.69 Eine weitere Spur auf der Suche nach den Quellen führt in die Bibliothek des Schottenklosters zu Wien, die Jans zugänglich war. Im Fürstenbuch betont er an verschiedenen Stellen die Bedeutung des Klosters. So verweist er auf seinen Stifter Heinrich II. Jasomirgott, der die Schotten 1155 nach Wien berief: ich tuon iu ouch von im bekant, der herzoc Heinrîch ist genant: der stift ze Wienne ein klôster grôz.

66 Vgl. Knapp: Die Literatur des Spätmittelalters, S.  105; Przybilski: di juden; Ders.: Salomos Wunder­wurm. Stufen der Adaptation eines talmudischen Motivs in lateinischen und deutschen Tex­ ten des Mittelalters, in: ZfdPh 123 (2004), S. 19–39. 67 Vgl. Geith: Enikel, Sp. 567. 68 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. LXIV. 69 Vgl. Geith: Carolus Magnus, S. 223.

Quellen 

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daz guot er sêre von im schôz und hiez daz klôster bouwen sêre zwâr in unser vrouwen êre, als ez noch hiut ze Wienne stât. Schotten sazte er dar in drât, als si noch hiut ze Wienne sint; dar gênt man, wîp und kint. (Fürstenbuch, v. 961–970) Er kennt die Grabstätte Heinrichs II.: Ich wil iu ouch daz kunt tuon, daz er was herzogen Heinrîchs sun, der der êrst herzoc was in Ôsterrîch, als ich las, und hiut zen Schotten ist begraben, sîn schîn in einem stein erhaben, der mitten in dem münster stât; sîn grap man dick gesehen hât, als manz noch hiut ze Wienn siht stân. (Fürstenbuch, v. 1.119–27) – und betont, dass er in engerem Kontakt mit der Mönchsgemeinschaft und dem Abt des Klosters stand: wie er Stîr gewunnen hât, daz will ich iu sagen drât, wan ichz ze Wienn geschriben vant: ze den Schotten tet mirz der apt bekant, dâ las ichz und hânz gesehen […]. (Fürstenbuch, v. 1.087–91) Da 1276 infolge eines Brandes ein großer Teil des Bestands zerstört wurde, lassen sich nur wenig genaue Aussagen über die tatsächlich im Kloster vorhandenen und von Jans in der Bibliothek womöglich benutzten Handschriften machen. Der Erzähler erwähnt Augustinus: daz im iht geschæch als Augustin (v. 21.883) und verweist auf jüdische Gewährsmänner: di juden jehent, bî der zît (v. 9.376), alsô hân ich von in vernomen (v. 9.384) oder beruft sich auf ungenannte Pfaffen und Gelehrte: mîn frâg ich doch dicke kert, / an di der buoch wârn gelêrt (v. 3.153f.), als uns die pfaffen haben geseit (v.  3.395). Erzählkomplexe, wie Noah und seine Familie in der Arche (v.  1.775–2.582), die Sprachenverwirrung (v.  3.315–76), die Geburt Jakobs und Esaus (v. 4.510–13), einige Episoden aus der Lebensgeschichte Moses (v. 6.737–850, v. 8.470–

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 Präliminarien

500, v. 8.695–710, v. 8.945–94, v. 9.311–30), Salomos Einzug nach Jerusalem (v. 11.985– 12.030), die Errichtung des Tempels mit Hilfe eines Wurms (v. 12.067–206) oder Daniels Verhältnis zu Nebukadnezar (v. 17.401–844) gehen auf jüdische Tradi­tionen zurück. Martin Przybilski vermutet darüber hinaus, dass für die Geschichten um Alexander den Großen zusätzlich hebräische und talmudische Überlieferungen Pate gestanden haben könnten.70 Der Frage, wie der Autor mit jüdischen Quellen in Kontakt gekom­ men sei, ist in verschiedene Richtungen nachgegangen worden. Bereits Strauch betonte die Bedeutung des (nicht nachweisbaren) mündlichen Austauschs Jans’ mit der jüdischen Bevölkerung Wiens. Darüber hinaus machte Strauch Jans’ Kenntnis der Historia scholastica des Petrus Comestor durch die in der Weltchronik zahlreich auftauchenden Motive aus der apokryph-jüdischen Tradition plausibel.71 Zudem wies Strauch auf den möglichen kulturellen Austausch zwischen den Wiener Juden und dem Autor aufgrund eines Gewerbes Jans’ hin.72 Przybilski griff diese Argumenta­ tion auf und betonte, dass in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine bedeutende jüdische Gemeinde in Wien existierte, die zudem intellektuell etabliert war.73 Des Weiteren bot Jans’ Zugehörigkeit zur Ritterbürgerschaft die notwendige Vorausset­ zung, um mit führenden jüdischen Familien durch verschiedene Geldgeschäfte in Kontakt zu kommen.74 Sollte Jans von Wien als ‚Geschäftsmann‘ Interesse an der jüdi­ schen Kultur gefunden haben? Auch das von Jans benannte Wiener Schottenkloster stand in Kontakt mit der jüdischen Bevölkerung, so dass auch darüber ein Transfer angenommen werden kann.75 Dennoch entbehrt der direkte Austausch mit der jüdi­ schen Bevölkerung durch kaufmännische Kontakte o. ä. eines Beweises. Nachweisbar ist die Dichte jüdischer Motive in der Chronik. Dem Autor müssen neben dem münd­ lich Vermittelten vor allem schriftliche Quellen zur Verfügung gestanden haben.

70 Vgl. Przybilski: di juden, S. 87. 71 Vgl. die Vielzahl der aufgeführten Stellen bei Strauch: Jansen Enikels Werke, S. LXVIII. Die Ver­ führung Adams und Evas durch Lucifer und Sathanas, der in Gestalt der Schlange auftaucht, erklärt Strauch mit der Historia scholastica. Bei Jans heißt es: Dô sprach der tiufel Sathanas, / […] ‚Lucifer, lieber meister mîn, / ir sült des vil gewis sîn, / daz Adam nindert ist sô wîs, / ich bring in ûz dem paradîs. / ich tuon dir wærlîch bekannt, / ich will varn in den serpant, / sît si schôn gêt ûfgereht, / reht als ein kerz sleht.‘ (Weltchronik, v. 716–722). In der Historia Scholastica heißt es: […] quia tunc serpens erectus est ut homo, quia in maledictione prostatus est. Petrus Comestor: Historia scholastica, ad. lib. Gen 21, in: PL 198, Sp. 1053–1722, dort Sp. 1072, vgl. Strauch: Weltchronik, Anm. zu 721, S. 14. 72 Strauch vermutet vorsichtig: „Vielleicht darf man die reiche kenntnis jüdischer sagenvarianten bei ihm [Jans, G.M.] u.a. auch aus dem verkehr erklären, in dem er, der aus dem handelsstande her­ vorgegangen war und selbst gewerbetreibender gewesen zu sein scheint, mit der Wiener jüdischen bevölkerung gestanden haben mag.“ Strauch: Jansen Enikels Werke, S. LXVIII. 73 Vgl. Przybilski: di juden, S. 86. 74 Vgl. Klaus Lohrmann: Die Wiener Juden im Mittelalter. Berlin; Wien 2000 (Geschichte der Juden in Wien 1), dort S. 110. 75 Martin Przybilski hat dies eindrucksvoll am Beispiel der Bezeichnung des Wurmes Tantyr, als Zomêr, beschrieben. Vgl. Przybilski: die juden, S. 90f.

Quellen 

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Darauf deuten Formeln, wie die juden jehent (v. 9.376), also hân ich von in vernomen (v.  9.384), daz widersagent di juden gar (v.  12.077), die aus Texten der mittelalterli­ chen Literatur bekannt sind.76 Sie dienen nicht notwendig dem Nachweis mündlicher Dichtungstradition, sondern fungieren als Stilmittel, Erzählformeln, die in den Text integriert werden, aus der Vorlage übernommen sein können oder sich gar polemisch gegen eine mündliche Dichtungstradition wenden, da durch die Verschlüsselung der eigentlichen Quelle implizit genaue Kenntnis verschwiegen wird. Neben den Bekun­ dungen, Dinge gehört zu haben, erwähnt der Autor schriftliche Quellen. Um in die Geschichte Daniels einzuführen, betont er beispielsweise: Ein jud ouch gesezzen was, als ich an dem buoch las, der was geheizen Daniel der was zuo guoten dingen snel. (Weltchronik, v. 17.059–63) Der Autor hatte zu mündlichen und schriftlichen Erzähltraditionen Zugang. Im ‚Spra­ chenspiegel der Völker der Zeit‘ äußert er sich durch den Rückgriff auf das traditio­ nelle Argument von der Erkenntnisfähigkeit distanzierter und trennt die Sprache der Christen von der der Juden und Heiden: dâ was ein zung under, die nenn ich iu besunder, diu was von jüdischer ê. sie hêten dhein zung mê. ir sprâch was ebraisch genant. in was nimêr sprach bekant. dâ von sint si gescheiden von kristen und von heiden. (Weltchronik, v. 27.381–88) Entsprechend kennen die Juden nur ihre Sprache und keine andere. Dass es hier nicht um die bloße Sprachkompetenz geht, zeigen die folgenden Verse:

76 Vgl. Hildebrandslied: ik gihorta dat seggen, v. 1. Zitiert nach: Das Hildebrandslied, in: Walter Haug; Benedikt Konrad Vollmann (Hg.): Frühe deutsche Literatur und lateinische Literatur in Deutschland 800–1150. Frankfurt am Main 1991 (Bibliothek des Mittelalters 1; Bibliothek deutscher Klassiker 62); Nibelungenlied: uns ist in alten maeren; Heliand: sô gifragn ik, v. 288, 367 etc. Zitiert nach: Heliand und Genesis, hg. von Otto Behaghel, neu bearb. von Burkhard Taeger. Tübingen 101996. Die Benannten sind bekannte Formeln, die als Erzähleinstiege fungieren, die Kommunikations­situation mit dem Pub­ likum leiten und auf den Wahrheitscharakter der Dichtung verweisen sollen.

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 Präliminarien

dâ wellent si sîn behalten mit: des müezen die betœret sîn, daz si nimmer dheinen wîn trinkent mit der kristenheit; daz sî iu allen vor geseit. (Weltchronik, v. 27.390–94) Diese Verse lassen sich, wie Martin Przybilski beschreibt, zum einen als eine Anspielung auf einen jüdischen Brauch lesen. Demnach zitiere der Autor hier das talmudische Verbot von geweihtem Wein, das Juden und Christen näheren Kontakt untersage.77 Zum anderen bietet sich für diesen Abschnitt, in dem der Erzähler in Anlehnung an die Babylonische Sprachverwirrung über die Sprachen der Welt handelt, eine allegorische Lesart an, die die Überlegenheit der Christen gegenüber den Juden zum Ausdruck bringt. Danach nimmt der Erzähler hier Bezug auf die Nicht­ erkenntnisfähigkeit der Juden und Heiden und betont, dass die Juden aufgrund ihrer Sprache und ihres Verharrens im sensus litteralis von Heiden und Christen geschie­ den seien und daher keinen Wein mit den Christen trinken können. Dies bleibe ihnen verwehrt, so zitiert er die theologische Tradition, da sie ohne christliche Erkenntnis und ungetauft die Sinnträger nicht erschauen und auslegen können.78 Namentlich und als Quelle wird im Text einzig ein Pfarrer aus Böhmen genannt. Dieser habe dem Autor die Geschichte vom Tode Urs nach einer schriftlichen Vorlage erzählt: die red hât mir tân bekannt ein pfaff, der ez geschriben vant, der ist genant Friderîch, ze Bêheim sitzt er sicherlîch. […] Ze Wonawicz ist er pfarrær. (Weltchronik, v. 8.813–18)79

77 Vgl. Przybilski: di juden, S. 92; Charles B. Chavel (Hg.): The commandments. Sefer Ha-Mitzvoth of Maimonides. Translated from the Hebrew with foreword, notes, glossary, appendices and indices. Bd. 2. London; New York 1967, S. 190. 78 Vgl. Mt 5,17: Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. Otfrid von Weißenburg nimmt in seiner Evangelienharmonie am Beispiel der Hochzeit zu Kana eine entsprechende Deutung vor, die auch für den jansschen Erzählzusammenhang sinnstiftend ist: Thisu selba redina theih zalta nu hiar obana, breitit siu sih harto geistlichero worto; Thoh will ich es mit willen hiar etheswaz irzellen, thaz wir ni werden einon thero goumano adeilon, Thes wazares gismeken joh wir then sens intheken, thaz frowon lidi thine fon themo heilegen wine […]. Vgl. Otfrid von Weißenburg: Evangelienbuch. Ahd. / Nhd, hg., übers. u. komm. von Gisela Vollmann-Profe. Stuttgart 1987, Buch II, Kap. 9, v. 1–6. 79 Vgl. Anm. 4. in diesem Kapitel.

Quellen 

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An keiner Stelle wird eine weitere Quelle erwähnt, stattdessen finden sich zahllos all­ gemeine Aussagen wie als ich die liut hœr jehen (v. 11.321), doch hôrt ich liut sagen dâ bî (v. 11.077) oder an irr brust, als ich hœr sagen (v. 13.599), die der Wahrheitsbezeugung dienen. Jans übernimmt nicht unkommentiert einzelne Passagen aus seinen Vorla­ gen, sondern hinterfragt diese und meldet Zweifel an der Wahrhaftigkeit bestimmter Geschichten an. Nach der Erzählung über Vespasian äußert er: man sagt, er schüef sô wol sîn dinc, daz er umb einen pfenninc drîzic juden gæbe zwâr. daz enweiz ich niht, ob ez wâr sî oder ein geriht, dâ von ich ez ungern tiht und daz buoch besunder. (Weltchronik, v. 24.349–55) Daneben führt er voneinander abweichende Berichte über ein Ereignis, beispiels­ weise über den Tod Friedrichs  II., an.80 Solcher Umgang mit unterschiedlichen Erzählvarianten gehört zu den Erzählprinzipien der Weltchronik. Ähnlich verfährt der Autor in den Berichten über Moses Tod81 oder über die Rache Davids an Sauls Mör­ dern.82 Hier werden nicht nur unterschiedliche Erzählvarianten kompiliert, sondern wird die Kenntnis unterschiedlicher Quellen explizit gemacht. Dabei unterläuft der Autor-Erzähler, indem er auf mündliche und schriftliche Quellen verweist, das Krite­ rium der Geschichtsschreibung, verlässliche Quellen anzugeben, um Wahrhaftig­ keit zu bezeugen. Da dem mittelalterlichen Autor der Hinweis auf eine autorisierte Quelle ausreicht, um seinen Text als historia auszuweisen, scheint Jans’ Vorgehen ein absichtliches Wechseln der Gattung anzudeuten. Der Autor verschleiert in Teilen bewusst, als eine Strategie des Literarisierens, die Herkunft seines Wissens, um so in den Bereich des Wahrscheinlichen auszugreifen.

80 Vgl. Weltchronik, v. 28.945–58. 81 Vgl. Weltchronik, v. 9.311–30. 82 Vgl. Weltchronik, v. 11.089–100.

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 Präliminarien

4.2 als uns die pfaffen haben geseit83: Honorius Augustodunensis und Petrus Comestor Dass Jans von Wien Zugang zur Bibliothek der Schottenabtei in Wien hatte, gilt nicht nur aufgrund seiner eigenen Aussage als gesichert. Auf welche Bände er genau Zugriff hatte, bleibt indes nur zu vermuten. 1139 wurden die Babenberger Herzöge von Bayern und hatten damit ihren Sitz in Regensburg. Herzog Heinrich Jasomirgott, der 1156 durch das Versprechen des Kaisers an Heinrich den Löwen Österreich als Herzogtum erhielt,84 berief kurz vor seiner Erhebung 1155 zwanzig irische Mönche aus St. Jacob von Regensburg nach Wien. Mit ihnen besiedelte er das von ihm gegründete Schottenkloster,85 zu dem Jans Zugang hatte. Das Bestehen einer Schottenschule ist seit 1310 bezeugt; ab 1314 sind Urbare belegt. Vor allem aber wird seit 1177 unter Abt Finian Geschichts­ schreibung gepflegt, etwa schottische Hausgeschichte und (nicht überlieferte) österreichische Landesgeschichte, die vom 11. Jahrhundert bis zum Jahr 1284 reicht86 Allerdings ist die ursprüng­ lich vorhandene alte Bibliothek des Stiftes mit der Auswanderung der einstigen Schottenmönche verschollen. Nur zwei Handschriften der heutigen Bibliothek stammen aus dem 11. und 12. Jahr­ hundert.87 Ob die alte Bibliothek bei einem Brand im Jahr 1410 vollständig vernichtet wurde, ist nicht endgültig geklärt.88 Die Schotten haben 1418 die Stadt verlassen. Das Kloster wurde von deutschen Mönchen besetzt, die eine Bibliothek einrichteten. Die meisten Handschriften der heutigen Sammlung stammen aus dem 15. Jahrhundert.

Trotz der vorgebrachten Einwände ist davon auszugehen, dass Jans über diese Bib­ liothek die Möglichkeit hatte, die Imago Mundi des Honorius Augustodunensis, die Historia scholastica des Petrus Comestor und die Kaiserchronik zu rezipieren. Diese Texte dürften spätestens mit der Gründung des Schottenklosters aus Regensburg nach Wien gekommen sein.

83 Weltchronik, v. 3.395. 84 Die genauen Bestimmungen enthält das Privilegium minus vom 17. September 1156. Vgl. Privilegi­ um minus, in: Wilfried Hartmann (Hg.): Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Bd. 1: Frühes und hohes Mittelalter 750–1250. Stuttgart 1995, S. 360–363. 85 Vgl. Karl Lechner: Die Babenberger: Markgrafen und Herzöge von Österreich. 976–1246. Köln [u.  a.] 1992, S.  254; Wilibald P. Berger: Die Wiener Schotten. Wien 1962 (Österreich-Reihe Band Nr. 179 / 181), S. 6. 86 Vgl. Berger: Wiener Schotten, S. 14; Cölestin Roman Rapf: Das Schottenstift. Wien 1974 (Wiener Geschichtsbücher 13), S. 24. 87 Vgl. Mittelalterliche Bibliothekskataloge Österreichs, hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 1: Niederösterreich. bearb. von Theodor Gottlieb. Neudruck der Ausgabe Wien 1915. Aalen 1974, S.  431; Albertus Hübl: Catalogus codicum manu scriptorum: Qui in bibliotheca Monasterii B.M.V. ad Scotos Vindobonae servantur. Ex mandato Ernesti Hauswirth ed. Albertus Hübl. Neudruck der Ausgabe Wien, Braumüller, 1899. Wiesbaden 1970. 88 Vgl. Mittelalterliche Bibliothekskataloge Österreichs, S. 431.

Quellen 

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Über die Biographie Honorius’ Augustodunensis (1080 / 90–1140), der als einer der bedeutends­ ten Autoren des 12. Jahrhunderts gilt,89 ist nur wenig bekannt.90 Dass Honorius inclusus oder solitarius91 war, lässt sich aus der Überlieferung erschließen.92 Während die ältere Forschung versuchte, Honorius in Frankreich zu lokalisieren und einen starken Einfluss der französischen Theologie in seinen Schriften ausmachte,93 weisen einige Indizien nach Regensburg. So ist De imagine mundi Christian gewidmet, der 1133–1153 Abt des Klosters St. Jakob in Regensburg war, in dem Honorius lebte. Dass Honorius’ Heimat die britischen Inseln waren, ist aufgrund der Abhängigkeit seines Werkes von Anselm von Canterbury, aus der Vertrautheit des Autors mit dem Opus des Johannes Scotus Eriugena, aus dem großen Bestand von Manuskripten des Honorius in England und auch aus der weiten Verbreitung des Namens Honorius im England des 12. Jahrhunderts anzunehmen.94 Die Gründung der Schottenabtei St. Jakob in Regensburg geht wahrscheinlich auf die zuneh­ mende Ansiedlung schottischer Mönche zurück, die sich seit dem 10. Jahrhundert zur Missionie­ rung an Pilger- und Handelsstraßen in Mittel- und Süddeutschland niederließen und Benedikti­ nerklöster gründeten.95 Alle in Deutschland lebenden schottischen Mönche unterstanden gemäß der Bulle Papst Lucius’ III. (1181–1185) vom 10. April 1185 dem Abt von St. Jakob in Regensburg. Innocenz III. (1198–1216) verfügte, dass die Schottenklöster eine diesem Abt untergeordnete Kon­ gregation bilden sollten, was 1225 vom Kaiser bestätigt wurde.96 Aufgrund des Andranges der irischen Mönche auf die Abtei St. Peter, die als die pia mater peregrinorum praecipueque Scotorum97 galt, mussten bald untergeordnete Kongregationen gegründet werden, die ab 1185 der an Bedeutung gewonnenen Abtei St. Jakob zu Regensburg unterstanden. Das S ­ chottenkloster

89 Vgl. Hartmut Freytag: Honorius Augustodunensis, in: 2VL 4  (1983), Sp.  122–132; Wolfgang ­Beinert: Die Kirche – Gottes Heil in der Welt. Die Lehre von der Kirche nach den Schriften des Rupert von Deutz, Honorius Augustodunensis und Gerhoh von Reichersberg. Ein Beitrag zur Ekklesiologie des 12. Jahrhunderts. Münster 1973 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mit­ telalters 13), dort S. 41. 90 Vgl. Beinert: Die Kirche, S. 38; Dagmar Gottschall: Das ‚Elucidarium‘ des Honorius Augusto­ dunensis. Untersuchungen zu seiner Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte im deutschsprachi­ gen Raum mit Ausgabe der niederdeutschen Übersetzung. Tübingen 1992 (Texte und Textgeschichte 33), S. 8; Anton Endres: Honorius Augustodunensis. Beitrag zur Geschichte des geistigen Lebens im 12. Jahrhundert. Kempten; München 1906, S. 1. 91 Vgl. Endres: Honorius, S. 2; Freytag: Honorius. 92 Vgl. Hermann Menhardt: Der Nachlaß des Honorius Augustodunensis, in: ZfdA 89 (1958 / 59), S. 23–69, dort S. 53; Endres: Honorius, S. 2. 93 Vgl. Beinert: Die Kirche, S. 39. 94 Vgl. Beinert: Die Kirche, S. 40. 95 Den Anfang irischer Niederlassungen in der Stadt markierte wahrscheinlich die Begegnung iri­ scher Mönche, die unter der Führung des Marianus Scotus auf dem Weg nach Rom waren, mit einem Inklusen, Mercherdach, der bereits einige Zeit in einer Zelle in Obermünster lebte. Dieses Ereignis wird auf die Zeit um 1070 datiert. Vgl. Anneliese Hilz: Benediktiner, Kartäuser, Iroschotten, Mendi­ kanten, in: Peter Schmid (Hg.): Geschichte der Stadt Regensburg. Bd. 2. Regensburg 2000, S. 764– 807, dort S. 780. 96 Vgl. Johanna Lanczkowski: Kleines Lexikon des Mönchtums und der Orden. Stuttgart 1993, S. 224f. 97 Endres: Honorius, S. 7.

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wurde zum Ausgangspunkt einer starken monastischen Bewegung. Zwischen 1130 und 1170 ent­ standen im fränkisch-thüringischen, im bayrisch-österreichischen und im alemannischen Raum sieben neue irische Benediktinerklöster. Hinter diesen Schottenabteien steht eine lange Tradi­ tion der Missionierung durch irische Mönche, die aufgrund ihrer peregrinatio pro deo im Zuge der Christianisierung auf den Kontinent kamen.98

Honorius bemühte sich in seinen Werken um die theologische Bildung des niederen Klerus und interessierter Laien. Er versuchte Grundwissen in Naturwissenschaft, Geschichte, Exegese, Liturgik, Philosophie, Dogmatik, Ethik zu vermitteln. Die drei Bücher der Imago mundi entwerfen in ihrer Gesamtheit einen Plan der Welt, wie er in der folgenden Zeit zum Gegenstand der Lehrbücher wurde. Das erste der drei Bücher beschreibt, auf Augustinus, Isidor, Beda, Orosius und Solinus basierend, den globus totius mundi,99 die Geographie, Meteorologie und Astronomie. Das zweite Buch beschreibt die Zeit, in der sich der Globus bewegt (tempus, in quo volvitur)100, es stellt den Kalender und die Abschnitte des Kirchenjahres dar. Buch drei befasst sich letztlich mit dem Inhalt dieser Zeit in ihren sechs Weltperioden. Während der Autor im sechsten Zeitalter die Angaben bis auf seine Zeit fortführt und eine Herrscherreihe anführt, reiht er im fünften Weltzeitalter die jüdischen Hohepriester bis zum Ende auf. Der Aufzählung der weltlichen Herrscher im sechsten Zeitalter ist eine Papstreihe angefügt, die von Jans in die Weltchronik übernommen wurde.101 Dieser Katalog, bei Honorius als Catalogus Romanorum pontificum bezeichnet, bietet in beiden Fällen keine weiteren Informationen außer den Namen der einzelnen Päpste und deren Ponti­fikat. Für die Weltchronik des Jans von Wien spielte vor allem das dritte Buch der Imago mundi mit der Behandlung der Geschichte der sechs Weltalter eine Rolle. Als weitere Vorlage gilt die Historia Scholastica des Petrus Comestor.102 Eine direkte Abhängigkeitsbeziehung lässt sich jedoch nicht mit letzter Sicherheit konsta­ tieren. Petrus Comestor (um 1100–1187) steht in der Tradition der Viktoriner Schule. Die hier vertre­ tene theologische Richtung hielt den geschichtlichen Sinn der Schrift für besonders bedeutsam. Darin gründete auch das Interesse dieser Schule an jüdischen Auslegern, da jene das Alte Testa­ ment nicht unter der Perspektive einer Vorabbildung des Lebens Christi lasen. Petrus Comestor verweist in seinen Schriften auf die Hebraici und leitet sein Werk mit Bezug auf die jüdische Literatur, fabulantur judaei,103 ein. Nachdem die Schrift auf dem IV. Lateranum 1215 durch Papst Innozenz  III. in den Kanon der geistlichen Literatur aufgenommen worden war, zählte sie zu den Standardwerken des universitären Unterrichts. Die Historia diente vor allem als Nachschla­

98 Vgl. Gen 12,1. 99 Endres: Honorius, S. 46. 100 Endres: Honorius, S. 46. 101 Vgl.Weltchronik, S. 428–434. 102 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. LXVIII. 103 Petrus Comestor: Historia scholastica, Sp. 1057.

Quellen 

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gewerk und erfuhr umfassende Verbreitung. Die Übersetzungen ins Französische, Deutsche, Niederländische, Portugiesische und Tschechische unterstreichen ihre Rezeption. Als Grundla­ genwerk für den Schulgebrauch sind die biblischen Ereignisse zusammenfassend dargestellt, schwierige Stellen kommentiert und entsprechend mit Auszügen aus profangeschichtlichen Darstellungen sowie Bibelkommentaren ergänzt. Im Vordergrund stehen die Vermittlung und das Verständnis der historia als Voraussetzung für eine mögliche allegorische Interpretation.104 Damit wird der historia eine größere Bedeutung beigemessen, die sich auch auf die volkssprach­ lichen Werke niederschlägt. Entsprechend steht in der volkssprachlichen Chronistik, wie der Kaiserchronik oder der Weltchronik des Jans, die Vermittlung eines heils- und weltgeschichtli­ chen Wissens auf der Basis jener Quellen, die zu einem Verständnis der historischen Sinnebene beitragen, im Vordergrund. Aus dieser Perspektive ist auch der Umgang des Wiener Autors mit seinen Quellen, wie im Folgenden zu erläutern sein wird, zu verstehen.

4.3 Wahrheitskonstruktion(en) Im Prolog der Weltchronik begegnet uns ein Erzähler-Ich, das der rhetorischen Tradi­ tion gemäß seinen Namen nennt, über die verwendeten Quellen Auskunft und Ein­ blick in poetologische Reflexionen gibt.105 Die Erzählsituation wird durch die Anru­ fung Gottes und die Bekundung seiner Allmächtigkeit eröffnet. Dies gibt dem Prolog, der mit einem Gebet und der erneuten Wendung an den Schöpfer (v. 129–138) endet, nicht nur einen Rahmen, sondern ermöglicht dem Erzähler zugleich, um göttlichen Beistand zu bitten. Damit erfleht er Gnade für sein Werk und eröffnet die Redesitua­ tion mit seinem Publikum. Mit dem Topos der affektierten Bescheidenheit weist der Erzähler auf seine Unzulänglichkeit hin: Got, […] sprech ein teil von dem sin, wan ich ze kranc dar zuo bin. wie sol ich mich des nemen an, daz ich ze end niht bringen kan? (Weltchronik, v. 1–10) Er bittet um die Hilfe Gottes und damit um Inspiration und legitimiert seine Posi­ tion als Dichter. Anschließend wird der Prolog mit selbstbewusster Bekundung der Erzählabsicht fortgesetzt (v. 1–39). Der Erzähler will der bekannten Lehre folgen, aber dennoch daz buoch […] nach [s]înem sinne rihten (v. 41f.). Und noch ein ­weiteres Detail

104 Im Prologus epistolaris heißt es: Qui cum historiam sacrae Scripturae in serie, et glossis diffusam lectitarent, brevem nimis et inexpostiam, opus aggredi me compulerunt: ad quo pro veritate historiae consequenda recurrerent. Petrus Comestor: Historia scholastica, Sp. 1054. 105 Vgl. Kap. VI.

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ist aussagekräftig: Er will vor allem tihten (v. 46). Tihten hat hier weniger schöpferische Implikationen, wie beispielsweise in der Weltchronik Rudolfs von Ems (v. 26–28).106 Vielmehr steht die eigene Verfasserschaft, das tihten auf der Basis einer Vorlage im Vordergrund.107 Anschließend wird die eigentliche causa des Textes benannt und über Plan und Anlage des Werkes Auskunft gegeben: nâch der künclîchen lêr will ich tihten und ouch rihten mich, wie die heiden besunder stiften manic wunder […] und waz si dâ begiengen; si stiften unde viengen beidiu stet unde lant: […] ich wolt iu sagen mêre, verdruzz iuch sîn niht sêre, wie die künig ze Rôm sâzen […] daz wolt ich gern bescheiden, wie die kristen und die heiden dâ gekrœnet giengen. (Weltchronik, v. 45–65) Der Erzähler kündigt eine dichterische Abhandlung an, die sich mit der biblischen und der profanen Geschichte sowie der Geschichte der römischen Könige beschäf­ tigt. Mit dem topischen Rückgriff auf die traditionelle Bestimmung der Dichtung, den Zuhörer zu erfreuen und zu belehren,108 betont der Autor, sein Publikum nicht lang­ weilen zu wollen.109 Er erbittet göttliche Hilfe für das Gelingen seiner Erzählung heilsund weltgeschichtlicher Ereignisse. Dabei betont er, dass er zwar über historische Ereignisse berichten, zugleich aber dichten werde. Um seine Tätigkeit zu beschreiben, benutzt der Autor-Erzähler vor allem Wendungen wie daz buoch […] slihten (v.  41), tihten (v. 46), ich wolt iu sagen mêre (v. 55), daz wolt ich gern bescheiden (v. 63) oder

106 Vgl. auch Monika Unzeitig: Autorname und Autorschaft. Bezeichnung und Konstruktion in der deutschen und französischen Erzählliteratur des 12. und 13. Jahrhunderts. Berlin; New York 2010 (MTU 139), S. 105f. 107 Monika Unzeitig hat auf die Verbindung von „schöpfen“ und „verfassen“ in tihten hingewie­ sen. Vgl. Monika Unzeitig: tihten  – diuten  – tiutschen. Autor und Translator. Textinterne Aussa­ gen zu Autorschaft und Translation in der mittelhochdeutschen Epik, in: Bodo Plachta; Winfried ­Woesler: Edition und Übersetzung. Zur wissenschaftlichen Dokumentation des interkulturellen Transfers. Tübingen 2002 (Beihefte zu Editio; Bd. 18), S. 55–69, dort S. 58–61. 108 Vgl. Horaz: Epistulae / Briefe. De arte Poetica / Von der Dichtkunst. Lat. / Dt. Übers. von Gerd ­Hermann, hg. von Gerhard Fink. Düsseldorf; Zürich 2003 (Tusculum Studienausgaben), v. 333. 109 Weltchronik, v. 55f.: ich wolt iu sagen mêre, / verdruzz iuch sîn niht sêre.

Quellen 

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ich wil iu allen tuon bekant (v. 125). Diese umreißen seine Absicht: Er will mitteilen, erklären, verbreiten und dichten. Auf die Begründung für den Text, die der Prolog gibt, nehmen auch formelhafte Wendungen im Hauptteil der Chronik Bezug. Sie stellen  – zum Teil unspezifisch  – Beziehungen zu mündlichen und schriftlichen Quellen her: di pfaffent schriben alsus (v. 3.430), als ich von im gelesen hân (v. 4.296), als ich von im vernomen hân (v. 27.658), di juden jehent, bî der zît (v. 9.376), alsô hân ich von in vernomen (v. 9.384).110 In den meisten Fällen beziehen sich diese Angaben auf schriftliche Quellen, deren Inhalt der Erzähler referiert. Damit bestärkt er die Solidität seiner Darstellung, gibt sich aber vor allem in der Rolle des Berichterstatters, des Boten, der dem Publikum etwas mit­ teilt, ohne eine Deutung der Ereignisse vorzunehmen. Da er die direkte Augenzeugen­ schaft nicht mehr in Anspruch nehmen kann, verlässt er sich auf die Authentizität der Quellen, die er referiert. Das Gelesene tritt somit an die Stelle des ursprünglichen direkten Zeugnisgebens und knüpft an die Auffassung, dass den Augen mehr zu trauen sei als den Ohren, an.111 Er vermittelt somit eine Botschaft auf der Basis als ‚wahrhaftig‘ angenommener Quellen, deren letzte Referenz Gott bleibt. Seine Wahrhaftigkeitskon­ zeption ist dennoch nicht vollständig gesetzt, sondern wird in Teilen Gegenstand der Reflexion und damit Ausgangspunkt einer sich andeutenden Quellenkritik. In der Episode um die Verfluchung Chams thematisiert der Erzähler das Thema der Knechtschaft, indem er verschiedene Quellen referiert.112 Hier treten zunächst Formulierungen auf wie ich sag iu daz ze mæren (v. 3.059), daz hân ich dick vernomen (v. 3.072), daz weiz ich sicherlîch (v. 3.086), die auf eine unspezifische – mündliche – Quellenbasis verweisen. Daneben tritt der Erzähler in ein Gespräch mit dem Publi­ kum, indem er fragt, ob ich iu daz bediute (v. 3.107). Damit signalisiert er, dass er als Wissensinstanz eine Auswahl aus dem Stoff trifft und bestimmt, ob und wie er diesen seinem Zuhörer- bzw. Leserkreis präsentiert. Auswahl und Präsentation des Gegen­ standes sind dem Bedürfnis und Vorwissen des Publikums angepasst. Didaktisch auf­ bereitet und rhetorisch schulgemäß klärt er über seine Methode auf und führt diese vor, hinterfragt seine Quellen kritisch und reflektiert den Anspruch des Adressaten. Letzteres wird auch in den folgenden Versen deutlich, in denen er sein eigenes Wis­ sensbedürfnis als Grund für weitere Nachforschungen angibt: doch west ich gern diu mære, von wiu ez komen wære

110 Eine Übersicht über die Formeln, die der Autor verwendet, findet sich bei Strauch. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. LXXIXf. 111 Entsprechend heißt es bei Isidor: Historia est narratio rei gestae, […]. Melius enim oculis quae fiunt deprehendimus, quam quae auditione colligimus. Quae enim videntur, sine mendacio proferuntur. Vgl. Isidor von Sevilla: Etymologiae I,41. 112 Vgl. Gen 9,18–27; Eph 6,5; Augustinus: De civitate dei, XIX,15; Hartmut Zwahr: Herr und Knecht. Figurenpaare in der Geschichte. Leipzig [u. a.] 1990.

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oder wer inz hiet beschaffen, leien oder pfaffen. der nû daz kund suochen an den alten buochen oder an der niuwen ê, daz wolt ich dienen immer mê. ich weiz daz sicherlîchen wol swie gar mîn lîp sî tumpheit vol doch hân ich dick vernomen, daz wir von Evâ sîn bekomen und von Adâmen und von ir beider sâmen, herren unde knehte, dâ von ich gern rehte west diu wâren mære, von wannen ez komen wære. (Weltchronik, v. 3.111–28) Die Suche nach der ‚Wahrheit‘, wie sie der Erzähler hier anspricht, kommt etwa dem Bestreben nach Aufdeckung der wahrhaften Ereignisse, wie sie die positivisti­ sche historische Forschung des 19. Jahrhunderts forderte, gleich.113 Und auch in der aktuellen historischen Forschung muss sich der Richtigkeit der Methode nach wie vor versichert werden.114 Wenn der mittelalterliche Chronist darauf hinweist, dass er gern wüsste, wie es gewesen sei, macht er zum einen auf seine Belesenheit und Quel­ lenkenntnis aufmerksam und signalisiert, dass auch er die ‚richtigen‘ Fakten sucht. Zum anderen bedeutet er dem Publikum, dass er sich um Aktualität seiner Darstel­ lung bemüht und auf Gott als wahrheitsstiftende Instanz verlassen kann. Das Lesen in seinem Buch vermittelt somit ein Weltwissen, das, an die vorgegebene christliche Wahrheit gebunden, immer ‚wahr‘ ist. Eine Frage, so beschreibt der Erzähler seine Methode, wird in einem (begrenz­ ten) Textcorpus anhand verschiedener Autoritäten untersucht. Die unterschiedlichen Antworten werden dem Publikum mit dem Ziel, den wahren Kern herauszuschälen, vorgestellt, um abschließend kritisch diskutiert zu werden. Die kritische Reflexion

113 Leopold von Ranke brachte dies mit seiner Frage, wie es eigentlich gewesen ist, auf den Punkt: Vgl. Leopold von Ranke: Geschichten der romanischen und germanischen Völker von 1449–1514. Leipzig 1885, (Vorrede) S.  VII; Herbert Grundmann: Geschichtsschreibung im Mittelalter. Gat­ tungen  – Epochen  – Eigenart. Göttingen 1978 (Kleine Vandenhoeck-Reihe 1209), S.  10; Gerhard Wolf: Von der Chronik zum Weltbuch. Sinn und Anspruch südwestdeutscher Hauschroniken am Ausgang des Mittelalters. Berlin; New York 2002 (Quellen und Forschungen zur Literatur- und ­Kultur­geschichte 18), S. 1–23. 114 Vgl. Werner Paravicini: Die Wahrheit der Historiker. München 2010, S. 14f.

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der Aussagen fehlt in der Weltchronik, da der Erzähler diese dem Publikum überlässt. Um die oben aufgeführte Frage, woher beispielsweise die Knechtschaft komme, zu beantworten, greift der Erzähler auf die Römer zurück, die für sich die Vorherrschaft mit der Begründung, dass Rom die erste Stadt war, dâ ie mensch în getrat (v. 3.140), in Anspruch nahmen. Mit der Antwort unzufrieden sucht er weiter und wendet sich schließlich an di der buoch wârn gelêrt (v. 3.154) und stößt auch hier auf unterschied­ liche Aussagen, denn: die jehent niht gelîche, daz weiz ich sicherlîche. es jehent sümlîch pfaffen, ez hab got nie geschaffen. sümlîch beginnent ouch jehen, ez sî von Noê geschehen, daz er dem sun tet den fluoch, als man ez schrîbet an diu buoch […]. (Weltchronik, v. 3.155–62) Der Erzähler blättert hier, für das Publikum herunter gebrochen, seinen Umgang mit dem komplexen theologischen und gesellschaftlichen Problem der Knecht­ schaft, von Freiheit und Unfreiheit, auf. Damit verbundene Diskussionen werden angedeutet und mit Rücksicht auf das Publikum vereinfacht aufbereitet. Da der Erzähler schließlich keine Quellenkritik vornehmen und keine gültige Aussage treffen kann, verweist er für die Lösung des Problems auf Gott, der allein im Besitz der Wahrheit sei: alsô hân ich vernomen. an got ich ez lâzen sol, der weiz di wâhrheit all wol. (Weltchronik, v. 3.180–82) An diesem Ausschnitt wird exemplarisch deutlich, wie der Erzähler der Weltchronik Wahrheit konstruiert: Auf der Basis verschiedener Quellen, die dem Publikum ein breites Wissen des Autors versichern, und als Autoritäten herangezogen werden, bleibt Gott Garant und Maßstab für die eigentliche Wahrheit. Methodisch verankert sich der Erzähler hier in der Historiographie. Da er sich zum Teil jedoch unautori­ sierter Quellen bedient, ufern seine Geschichten auch ins Wahrscheinliche aus, so dass er an den Grenzen des Historisierens mit dem Literarisieren beginnt. Dass er dem tradierten Prinzip folgt und den Wert einer Quelle an ihrer Autorität misst, wird an einem weiteren Beispiel deutlich. Die Bestätigung über die Abkunft der zwölf Stämme Israel von Jakob gibt der Erzähler mit Verweis auf die lateinischen Quellen wieder:

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 Präliminarien

der dis zal uns tet bekant, der ist Johannes genant: der hôch êwangelistâ hât uns vor geschriben sô. in den latînischen buochen sol man di wârheit suochen. (Weltchronik, v. 4.837–42) Im Verhältnis zu den mündlichen Quellenbezügen oder unbenannten schriftlichen Vorlagen werden die lateinischen Referenzen bevorzugt, da sie als autorisierter Wahr­ heitsspeicher gelten und so an die Spitze der Quellenhierarchie gehören. An diesen wenigen Beispielen zeigt sich, dass der Chronist seine Methode, den Umgang mit Quellen, die Kriterien der Geschichtsschreibung beherrscht und sich sowohl in der schriftlichen als auch mündlichen, der für ihn relevanten lateinischen und volks­ sprachlichen Überlieferung, auskennt. Deutlich kann er Gehörtes und Gelesenes ­differenzieren und somit wahrscheinliche und gesicherte Informationen unterschei­ den. Entsprechend heißt es über Davids Söhne in der Chronik: ez was der starc Sampsôn und der schœn Absalôn und Salomôn der wîse wârn all drî mit prîse Davites sün zwâr und wârn im liep ân mâzen gar. sô jehent sümlîch pfaffen, ez wurd sô niht geschaffen, ez wær Sampsôn niht sîn kint; dez muoz ich sîn an sinnen blint, wan ich dâ von die wârheit niht wizzen kann – daz ist mir leit –, ob er sîn sun sî gewesen. des hân ich von im niht gelesen. sô jehent etlîch liute, sîn muoter wurde ze briute neben einem man hiez Danyê. waz sol ich dâ von sagen mê? sümlîch jehent ân nît, er sî Davites sun ân strît. nu enweiz ich waz ich sagen sol, wan got weiz alliu dinc wol; der sol dieser ding pflegen, wan er læt kein guot under wegen.

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doch will ich an dem gelouben wesen, daz man von im hab gelesen, daz er Davites kint wær. dâ von wil ich âne swær von im daz mærel tihten an daz buoch rihten. (Weltchronik, v. 11.318–52) Nimmt man diese Ausführungen ernst, zeigt sich (deskriptiv) ein affektiert beschei­ denes Erzähler-Ich, das sein Wissen immer wieder relativiert und zurücknimmt und so die Verantwortung für seinen Text an Gott rückbindet. Der Erzähler hat Verschie­ denes gehört, vermag aber nicht über Wahrheit oder Unwahrheit des Gehörten zu entscheiden und sieht darin auch nicht seine Funktion. Er versucht aber dennoch, die Geschichten im Kontext der Heilsgeschichte auszulegen. Es ist dabei unwichtig, ob die Geschichte (historisch) wahr ist; er kann sie, so oder anders, auf das Walten Gottes hin auslegen. Es kommt demnach nicht darauf an, ob etwas ‚wahr‘ ist, sondern wie es zur Wahrheit gemacht wird. Folgt man aus der Perspektive des neuzeitlichen Betrachters diesem Prozess, wie etwas als Wahrheit konstruiert wird, zeigt sich, dass historische Fakten und literarische Muster unentwirrbar miteinander verwoben sind. Das zitierte Textbeispiel fügt sich in die im Prolog entworfene Debatte. In den letzten Versen bestätigt der Erzähler, dass er zwischen Gott als Wahrheitsinstanz und eigenem Anspruch als Dichter changiert. Unter dieser Prämisse kann er sich seiner Darstellung der Geschichte um Samson zuwenden und seine Variante erzählen. Er hat die Verantwortung an Gott als höchste Instanz abgegeben und kann sein Werk auf seine Weise verfassen. Nicht nur die Nähe zum historischen Ereignis ist für die Frage, wie Wahrheit in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung produziert wurde, entscheidend, sondern auch der Rückbezug und eine unbedingte Bindung an die überlieferten Quellen115 sowie die Hierarchisierung nach lateinischen und volks­ sprachlichen Texten, die Zitation von Autoritäten, die Unterwerfung unter die göttli­ che Allmacht und ein wohl gesonnenes Publikum. Ein bewusster Umgang mit den Gattungen ist an den teilweise unspezifischen Quellenangaben in der Weltchronik abzulesen. Damit wird nicht nur ihr Wahrheits­ gehalt infrage gestellt, sondern auf die Differenz zwischen historia und fabula hin­ gewiesen und zugleich mit der Neugier des Publikums und der Lust am Unerhör­ ten gespielt.116 Diese steht nicht allein für das Wissensbedürfnis der Rezipienten, sondern zunächst für das erzählerische Geschick des Autors, der als einer der Ersten

115 Vgl. Albrecht Hagenlocher: Quellenberufungen als Mittel der Legitimation in deutschen Chroniken des 13. Jahrhunderts, in: Niederdeutsches Jahrbuch 102 (1979), S. 15–71. 116 Zu curiositas vgl. grundlegend Barbara Vinken: Curiositas / Neugierde, in: Karlheinz Barck (Hg): Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden. Bd. 1. Stuttgart; ­Weimar

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eine volkssprachliche Geschichte der Welt zusammenstellt, die aus einem Gewebe von Andeutungen, Vagheiten und Anspielungen Welt- und Erfahrungswissen an der Grenze von Geschichtsschreibung und Literatur vermittelt. Diese Art des Erzäh­ lens geht mit der Neugier und der Lust an Unterhaltung, der Lust am Verborgenen, Unentdeckten, Verbotenen, aber auch mit dem Bedürfnis, Wissen anzusammeln, es schließlich zu enzyklopädisieren um. Wundersames und Kuriositäten werden prä­ sentiert, die die vertraute Ordnung erschüttern. Aus dieser Perspektive werden alle Bezüge zu Gott und die scheinbar unauflösbare Bindung an das tradierte christliche Wissens­system, die der Autor in Auseinandersetzung immer wieder beteuert, durch den Inhalt der einzelnen Geschichten (Reussenkönig, Karl der Große, Vergil, Fried­ rich  II., Friedrich von Antfurt etc.) zutiefst hinterfragt. Die Grenzen des Wissbaren werden, wie im Falle Vergils oder Friedrichs II., ohne Wertung durch den Autor sicht­ bar überschritten. Insbesondere am Beispiel dieser Figuren zeigt sich, dass der Drang nach Wissen durch Gott begrenzt ist und der Grat zwischen dem erlaubten Unter­ suchen der Natur und dem Abgleiten in dunkle, magische Bereiche schmal ist. Die ständige Referenz (auch des Erzählers) auf die göttliche Instanz wird eben dann zur Phrase, wenn die Ordnung fragil und die Geschichten kurios werden. In der Weltchronik wird das „Dilemma mit der Wahrheit“117 zum Thema. Daraus lassen sich folgende Schlüsse für das mittelalterliche Verständnis von historia ziehen. Zunächst verbindet sich mit historia jener Akt der unbedingten Wahrheitsvermitt­ lung, der den volkssprachlichen Dichtern durch das Dogma der heiligen drei Spra­ chen von Beginn an auferlegt ist. Folglich muss Dichtung in der Volkssprache immer officium sein und der Vermittlung der geoffenbarten Wahrheit dienen. Zudem sind es die Dichter, die der Lügenhaftigkeit bezichtigt und aus dem Staat verbannt wurden, so dass einzig die Vermittlung von historia legitimiert werden konnte. Der Autor der Kaiserchronik greift dieses Diktum einhundert Jahre früher als Jans von Wien in noch stärkerem Maße auf, wenn er sich im Prolog direkt von den lugenaere, manege erdenchent in lugene (v. 29) abwendet. Geschichtsschreibung ist damit immer einer höheren Wahrheit verpflichtet, die schließlich auch ihre Mittel rechtfertigt. Dennoch gibt es Kriterien, die sie konstituieren: die (zunächst vorgegebene) series temporum, die direkte oder indirekte Zeugenschaft, die Authentizität der Informationen auf der Basis mindestens einer gesicherten schriftlichen (nach Möglichkeit lateinischen) Quelle, der Bezug zu entsprechenden Autoritäten sowie Wahrheitsbekundungen, die für den Anspruch des Autors, Wahres zu berichten, stehen. Dabei bürgen die Überset­ zung lateinischer Quellen, die Kürzung oder Erweiterung des Stoffes sowie die Dar­

2010, S. 794–813; Klaus Krüger (Hg.): Curiositas. Welterfahrung und ästhetische Neugierde in Mittel­ alter und früher Neuzeit. Göttingen 2002 (Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft 15). 117 An dieser Stelle sei nur qua Titelzitat auf die umfangreiche Debatte verwiesen. Vgl. Ebenbauer: Das Dilemma.

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stellung in Versen Gefahren, die den ‚Wahrheitsgehalt‘ mindern können.118 Zudem wird die ursprüngliche Augenzeugenschaft in eine fingierte Zeugenschaft überführt, die in der Figurenrede gegenwärtig wird. Fabulae, die als Bausteine in die historischen Darstellungen integriert werden, dienen als Exempla der Wissensvermittlung und sind entsprechend auszulegen. Dass die strenge Einhaltung dieser Vorgaben sich ändert und mit der ‚Entdeckung der Fiktio­nalität‘119 im höfischen Roman zu verschwimmen beginnt, liegt in der Natur der Sache und zeigt sich an der veränderten Konzeption, dem Umgang mit den Quellen, der Zunahme der fabulae in der volkssprachlichen Verschronistik sowie den zum Teil ironischen Quellenberufungen.120 Letztere finden sich häufiger im höfischen Roman bzw. werden gänzlich durch Berufung auf eine fiktive Quelle ersetzt.121 In der Weltchronik weicht der Autor selbst die Grenzen auf, indem er Geschichtsschreibung und Dichtung bis zur komischen Übersteigerung miteinander verbindet, zunächst aber die benannten Kriterien vor und mit dem Publikum diskutiert. Dem Erzählen ist dabei ein ironischer Gestus eigen, der in seiner eigentlichen Aussage, dem eingeweihten Rezipienten vor dem Hintergrund einer bestimmten Tradition Geschichte erzählt, so dass nur der Uneingeweihte (Nichtwissende) den Eindruck einer banalen Geschichts­ erzählung erhält. Nur der Wissende vermag dann das Erzählte zu reflektieren und auf einer höheren Ebene nach Sinn zu befragen.122 Es fällt geradezu auf, dass der Autor der Weltchronik die Gattungsgrenzen bewusst überschreitet und den Vertrag, den der Geschichtsschreiber mit seinem Pub­ likum eingeht, nicht einhält, da er die oben benannten Kriterien nicht berücksich­ tigt.123 Mehr als einmal verunsichert der Chronist seine Leser- bzw. Zuhörerschaft,

118 Vgl. weitere Beispiele bei Peter Johanek: Die Wahrheit der mittelalterlichen Historiographen, in: Fritz Peter Knapp; Manuela Niesner (Hg.): Historisches und fiktionales Erzählen im Mittelalter. Berlin 2002 (Schriften zur Literaturwissenschaft 19), S. 9–25, dort S. 18. 119 Vgl. Walter Haug: Programmatische Fiktionalität. Hartmanns von Aue ‚Iwein‘-Prolog, in: Ders.: Literaturtheorie im deutschen Mittelalter von den Anfängen bis zum Ende des 13.  Jahrhun­ derts. Tübingen 21992 (Germanistische Einführungen), S. 118–130, dort S. 125–130. 120 Entsprechende Anspielungen finden sich in Chrétiens ‚Cligés‘, ‚Erec et Enide‘, ‚Perceval‘, im ‚Lanzelet‘ Ulrichs von Zatzikhovens, in der ‚Crône‘ Heinrichs von dem Türlin. Vgl. dazu Xenia von Ertzdorff: Die Wahrheit der höfischen Romane des Mittelalters, in: ZfdPh 86  (1967), S.  375–389; Dietl: Minnerede, Roman und historia, S. 61. 121 Vgl. ‚Prosalancelot‘, Wolfram von Eschenbach ‚Parzival‘. 122 Zur Definition von Ironie beschränke ich mich hier auf die Ausführungen von Dennis H. Green. Dort heißt es: „Die Ironie ist eine Aussage, deren eigentliche, den Eingeweihten mitgeteilte Bedeu­ tung von der vermeintlichen, den Uneingeweihten vorgetäuschten Bedeutung abweicht.“ Dennis H. Green: Alieniloquium. Zur Begriffsbestimmung der mittelalterlichen Ironie, in: Hans Fromm [u. a.] (Hg.): Verbum et signum. Bd. 2. Beiträge zur mediävistischen Bedeutungsforschung. Studien zu Se­ mantik und Sinntradition im Mittelalter. München 1975, S. 119–159, dort S. 129. 123 Rolf Sprandel hat diesbezüglich von einer „Fabulierfreude, die literarische Gattungsgrenzen sprengt […]“ gesprochen. Vgl. Rolf Sprandel: Kurzweil durch Geschichte: Studien zur spätmittel­ alterlichen Geschichtsschreibung in Deutschland, in: Ernstpeter Ruhe; Rudolf Behrens (Hg.):

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indem er seine Quellen in Zweifel zieht oder vage in seinen Ausführungen bleibt. Die Frage der Wahrhaftigkeit wird somit obsolet, die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Ganzen jedoch rückt in den Mittelpunkt. Daraus lässt sich zweierlei ableiten. Zum einen steht auf der Ebene des Historisierens die Vermittlung von historia als heilsund weltgeschichtliches Grundwissen im Vordergrund. Zu diesem Zweck zitiert der Autor-Erzähler nicht nur alle denkbaren Quellen, die der Erläuterung zuträglich sind, sondern thematisiert zugleich seine Methode. In einem zweiten Schritt bleibt auf der Ebene des Literarisierens die Sinnkonstruktion offen, die er dem Publikum überlässt. Diese zu ermitteln, ist Gegenstand der folgenden Kapitel.

­ ittelalterbilder aus neuer Perspektive: Diskussionsanstöße zu amour courtois, Subjektivität in der M Dichtung und Strategien des Erzählens. Kolloquium Würzburg 1984. München 1985, S. 344–363, dort S. 360.

II  Die Ordnung des Stoffes Die Weltchronik Jans’ von Wien beinhaltet als Kompendium von Welt- und Erfah­ rungswissen biblische Geschichten aus dem Alten und (weniger) aus dem Neuen Testament, legendarische Erzählungen, profan- und lokalgeschichtliche Ereignisse sowie kultur- und naturgeschichtliche Informationen. Thematisch verbinden sich Aspekte von Rechts- und Wirtschaftsgeschichte, Reichs- und Papstgeschichte, die bis in Einzelheiten der Lokalgeschichte, insbesondere der Stadt Wien, im Fürstenbuch fortgesetzt werden.1 Der äußeren Form nach wechselt die Darstellung zwischen Vers und Prosa. Diese Hybridform gibt gleichzeitig die Struktur des Textes vor. Strukturell rufen die Prosapartien, wie die Weltaltereinschübe, der Papstkatalog, die Babenbergische Genealogie oder die Regierungszeiten der Könige, historiographische Traditionen auf, so dass sich die Chronik durch Strukturzitate wie Weltalter oder Weltreiche kon­ ventionell gliedern lässt. Neben der Einteilung in Weltalter und Weltreiche tauchen im Stil der Annalen Königs- und Papstlisten auf, die als erläuternde und strukturie­ rende Prosapartien in den Text integriert sind. Im Ganzen bilden die Prosapartien das historiographische Grundgerüst des Textes, das durch die unterschiedlichsten Erzählungen aufgefüllt wird. Verkürzt betrachtet, ließen sich die prosaischen Ein­ schübe und eigenständigen Abschnitte als Zusammenfassung lesen, die historische ‚Fakten‘, die Tatsachen in Abgrenzung zu den fabulae vermitteln. Der Blick des Lesers wird durch diese Strukturen geführt, denn die Informationen, die in vielen Fällen den Beginn oder das Ende einer Erzähleinheit markieren, haben akzentuie­ rende Funktion. Der „Lesevorgang“2 wird zudem durch die unterschiedliche farbli­ che Gestaltung von Vers und Prosa in den meisten Handschriften gesteuert. Diese Orientierungshilfe ermöglicht (auch für den Vortrag), Informationen des Textes, der Bilder und der prosaischen Zusammenfassungen auf den ersten Blick vonei­ nander zu sondieren. Strukturell und inhaltlich dienen die zusammenfassenden Prosaabschnitte dazu, neben den Regierungszeiten der Könige und Päpste und konkreten Jahreszahlen, eine Chronologie vom Anfang bis zu den Babenbergern wiederzugeben. Dabei bildet die Genealogie einen Rahmen, dennoch geht es vor­ dergründig nicht um Legitimationsstrategien für ein Königshaus, sondern um die lineare Abfolge der Zeiten und Herrscher, kurz um die chronologische Ordnung der Geschichte.

1 Auch wenn die Reihenfolge der beiden Werke nicht klar ist, lässt sich konzeptionell eine klare Ver­ bindung feststellen, da das Fürstenbuch chronologisch die Weltchronik fortführt. 2 Zum Verstehen und Erkennen in Lesevorgängen vgl. Eckart Conrad Lutz [u. a.] (Hg.): Lesevor­ gänge. Prozesse des Erkennens in mittelalterlichen Texten, Bildern und Handschriften. Zürich 2010 (Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen 11).

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 Die Ordnung des Stoffes

Den benannten Strukturen will sich das folgende Kapitel widmen, wobei der Fokus besonders auf den Abweichungen von der Tradition und den Veränderungen im Text liegt. Da die prosaischen Einschübe den Text zunächst in den Bereich der Historiographie einordnen, scheint gerade das Aufweichen dieser ‚harten‘ Kriterien, so meine These, ein Indikator für das bewusste ‚Spiel‘ mit formalen Vorgaben der Gattungstradition zu sein.

1  Die Gliederung der Weltchronik Die Gliederung der Weltchronik nach Weltreichen oder Weltaltern ist immer wieder diskutiert und ebenso oft bezweifelt worden. Ursula Liebertz-Grün und Harald Tersch haben deutliche Einwände formuliert.3 Dagegen hat Hartmut Kugler bereits 1982 nicht nur eine Gliederung der Chronik vorgenommen, sondern betont, dass Jans’ Werk weitestgehend der dem Mittelalter bekannten Struktur nach Weltaltern folgt.4 In Anlehnung an Kuglers Ausführungen zur Strukturierung der Chronik schlage ich folgende Einteilung des Textes vor: Gliederung des Textes nach Weltaltern: Prolog (v. 1–128) 1. Weltalter: Von Adam bis Noah Erschaffung der Welt, Engelssturz, Siebentagewerk (v. 129–496) Adam und Eva und ihre Kinder (v. 497–1.670) 2. Weltalter: Von Noah bis Abraham Noah (v. 1.671–3.042) Turmbau zu Babel, Sprachverwirrung (v. 3.043–456) 3. Weltalter: Von Abraham bis David Assyrische Herrscher, Semiramis, Abraham und Isaak (v. 3.457–4.050) Lot und der Untergang von Sodom und Gomorrah (v. 4.051–292) Isaak (v. 4.293–592) Jakob (v. 4.593–906)

3 Ursula Liebertz-Grün und Harald Tersch bezweifeln die Einteilung der Weltchronik in Weltal­ ter. Vgl. Liebertz-Grün: Das andere Mittelalter, S. 92; Harald Tersch: Unruhe im Weltbild. Darstel­ lung und Deutung des zeitgenössischen Lebens in deutschsprachigen Weltchroniken des Mittelalters. Wien [u. a.] 1996. 4 Vgl. Hartmut Kugler: Jans Enikel und die Weltchronistik im späten Mittelalter, in: Winfried Frey [u.a.] (Hg.): Einführung in die deutsche Literatur des 12. bis 16. Jahrhunderts. Bd.  2: Patriziat und Landesherrschaft – 13.–15. Jahrhundert. Opladen 1982, S. 216–252, dort S. 220.



Die Gliederung der Weltchronik 

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Joseph (v. 4.907–6.172) Moses (v. 6.173–9.396) Saul, David, Goliath (v. 9.397–10.100) 4. Weltalter: Von David bis Nabuchodonosor Saul und David, Jonathan (v. 10.101–11.102) David und Bathseba (v. 11.103–316) Davids Söhne: Samson, Absalom, Salomon, Davids Tod (v. 11.317–13.164) Rehoboam, Hiob (v. 13.165–456) Der Trojanische Krieg (v. 13.457–16.932) 5. Weltalter: Von Nabuchodonosor bis zu Jesus Christus Geschichte Mesopotamiens, Daniel und Susanna (v. 16.933–18.922) Alexander der Große (v. 18.923–19.658) Seleukos und Antiochus, Hesekiah, Jugend des Pilatus (v. 19.659–20.020) Geschichte Roms: Romulus und Remus, Eraclius und Focas (v. 20.021–942) Geschichte Roms: Caesar und die Germanen (v. 20.943–21.536) 6. Weltalter: seit der Geburt Jesu Geschichte Roms: Augustus, Tiberius, Apostel Petrus (v. 21.537–22.284) Geschichte Roms: Prosakatalog der Päpste von Petrus bis Gregor X. Geschichte Roms: Papstgeschichten (v. 22.285–740) Geschichte Roms: Gaius (v. 22.741–934) Geschichte Roms: Nero (v. 22.935–23.432) Geschichte Roms: Domitian, der Zauberer Vergil (v. 23.433–24.224) Geschichte Roms: Weitere römische Kaiser, Takprecht, Konstantin (v. 24.225–25.538) Karl der Große, Sultan Saladin (v. 25.539–26.676) Des Reussenkönigs Tochter (v. 26.677–27.356) Sprachenspiegel der Völker der Zeit (v. 27.357–652) Prosa: Von den Königen, Babenbergische Genealogie Otto IV., Friedrich II. (v. 27.653–28.958) Anhang I, Anhang II Über das Zeitbewusstsein mittelalterlicher Historiographen und Chronisten ist in der Forschung viel gehandelt worden.5 Die Zeit nach Weltaltern zu ordnen, die gleich­

5 Vgl. Anna-Dorothee von den Brincken: Studien zur lateinischen Weltchronistik bis in das Zeit­ alter Ottos von Freising. Düsseldorf 1957; Rudolf Wendorff: Zeit und Kultur. Geschichte des Zeit­ bewusstseins in Europa. Wiesbaden 21980; Arno Borst: Computus. Zeit und Zahl in der Geschichte Euro­pas. Berlin 1990 (Kleine kulturwissenschaftliche Bibliothek 28); Gertrud Bodmann: Jahreszah­ len und Weltalter. Zeit- und Raumvorstellungen im Mittelalter. Frankfurt am Main; New York 1992;

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 Die Ordnung des Stoffes

zeitig mit den menschlichen Lebensaltern (infantia, pueritia, adolescentia, iuventus, gravitas, senectus) korrespondieren, ist eines der wesentlichen Strukturmerkmale mittelalterlichen Weltgeschehens. Die Einteilung der aetates findet ihren Ursprung im biblischen Schöpfungsbericht, dessen Sechs-Tage-Werk die gesamte Geschichte präfiguriert: So wie am sechsten Tag der Schöpfung der erste Adam entsteht, kommt im sechsten Jahrtausend der neue Adam in die Welt.6 Ein weiterer Hinweis, der eine Einteilung und eine zeitliche Einklammerung beschreibt, findet sich im 33. Kapitel des slawischen Henochbuches.7 Hier tritt der Gedanke einer präfigurierten Weltge­ schichte durch die Schöpfung und des Weltensabbats nach 6000 Jahren bereits auf.8 Durch Augustinus’ Einteilung der Weltalter nach Generationen wurde die genaue Zeitbestimmung aus diesem Kontext gelöst. Im 20. Buch von De civitate dei legte er die Grundlage, die als Bezugspunkt in den folgenden Jahrhunderten aufgegriffen wurde, wenn die genaue Abfolge der Zeiten zitiert werden musste.9 Da historia nach Hugo von St. Victor an tempus und gestum gebunden war,10 vollzog sich auch die Ordnung der Geschichte in chronologisch aufeinander folgenden Zeiten. Die irdische Zeit kulminiert im letzten saeculum, das das Ende einschließt. Die mittelalterlichen Historiographen nahmen dieses Ordnungsprinzip als Grundlage und konnten ent­ sprechend das Weltgeschehen in chronologischer Reihung abbilden. Orientierung boten vor allem im 12. Jahrhundert Hugos von St. Victor In ecclesiasticam homilia und Honorius’ Augustodunensis Imago mundi. In der lateinischen und volkssprachlichen

Norbert Elias: Über die Zeit. Frankfurt am Main 41992; Gerhard Dohrn-van-Rossum: Die Ge­ schichte der Stunde. Uhren und moderne Zeitordnung. München; Wien 1992; Werner Sulzgruber: Zeiterfahrung und Zeitordnung vom frühen Mittelalter bis ins 16. Jahrhundert. Hamburg 1995; HansWerner Goetz: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter. Berlin 1999 (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 1). 6 Vgl. Ps 89,4. 7 Dort heißt es: Am 8. Tag aber setzte ich denselben 8. Tag ein, damit er der 1. werde, der ersterschaffene meiner Woche, und damit sie wiederkehren im Bild der 7 Tausend, und damit er zum Anfang der 8 Tausend werde, einer Zeit der Zahllosigkeit und endlos: weder Jahre, noch Monate, noch Wochen, noch Tage, noch Stunden. Wie die Woche einen ersten Tag hat, so soll auch der 8. Tag der Woche beständig wiederkehren. Vgl. Christfried Böttrich: Das slavische Henochbuch. Einleitung – Übersetzung – Kommentierung. Leipzig 1995, S. 57. 8 Vgl. von den Brincken: Lateinische Weltchronistik, S. 91. 9 Vgl. Augustinus: De civitate dei XXII, 30, dort heißt es: Ipse etiam numerus aetatum, veluti dierum, si secundum eos articulos temoris computetur, qui scripturis videntur expressi, iste sabbatismus evidentibus apparebit, quoniam septimus invenitur; ut prima aetas tamquam priums dies sit Adam usque dilivium, secunda inde usque ad Abraham, non aequalitate temproum, sed numero generationum; denas quippe habere reperiuntur. Hinc iam, sicut Matthaeus evangelista determinat, tres aetates usque ad Christi subsequuntur adventum, quae singulae denis et quaternis generationibus explicantur: ab Abraham usque ad David una, altera inde usque ad transmigrationem in Babyloniam, tertia inde usque ad Christi carnalem nativitatem. Fiunt itaque omnes quinque. Sexta nunc agtur nullo generationum numero metienda propter id quod dictum est […]. 10 Vgl. Hugo von St. Victor: De vanitate mundi 2, in: PL 176, Sp. 703–740, dort Sp. 717.



Die Gliederung der Weltchronik 

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Chronistik war dieses chronologische Prinzip verbreitet und anerkannt. Es ist anzu­ nehmen, dass der Autor der Wiener Weltchronik diese Einteilung kannte, wenn nicht aus der Imago mundi des Honorius, dann aus anderen zeitgenössischen Werken. Allerdings setzt er die Gliederung in einer eigenen Form um, wobei sich Prosa- und Versdarstellung überlagern. Die erläuternden Prosaeinschübe dienen zum einen als Überschriften bzw. ‚Kapitel‘-Einteilung, die zusätzliche historische Angaben liefern oder summarisch am Ende eines Abschnittes Informationen bündeln. Die zu erwartende Einteilung in Weltalter ist in der Überlieferung jedoch unterschiedlich konsequent ausgeführt: Keine Handschrift liefert eine komplette Einteilung in Weltalter durch Prosaein­ schübe. Entsprechend wirken die eingeschobenen Partien zunächst unvollkom­ men und eher als ein Hinweis darauf, dass der Text noch bearbeitet werden sollte. Da dieser Eindruck der nichtvollendeten Bearbeitung einzig für die prosaische Markierung der Weltalter zutrifft  – an allen anderen Stellen haben die Prosaein­ schübe eine klare Funktion innerhalb der Ordnung der Chronik – bleibt anzuneh­ men, dass der Autor das Gliede­rungsprinzip als bekannt voraussetzte und nur an einigen Stellen explizit darauf hinwies.11 Damit läge das Problem schlicht in der Überlieferung. Darüber hinaus variieren die Prosaeinschübe sprachlich zwischen Latein und Volkssprache. Mit dem Lateinischen ist zum einen die Vorlage (Honorius) direkt zitiert. Zum anderen wird auf diese Weise eine gelehrte Distanz zum gereimten volks­ sprachlichen Text aufgebaut. Das dritte Weltalter beispielsweise, das die Zeit von Abraham bis David einschließt, wird wie folgt eingeleitet: Hic modo mundi tertia etas continet auctoritate domini CCC et XL annos; a diluvio usque ad David vero anni MCXVII, sed ab inicio mundi usque ad David MMMMCXXIIII anni.12

Philipp Strauch hat darauf hingewiesen, dass diese Stelle der Imago mundi des Honorius Augustodunensis fehlerhaft entnommen wurde.13 Der Einschub, der das vierte Weltalter markiert, wurde schließlich in deutscher Sprache verfasst. Hye hebt sich an das vierd alter. das hat gehabt vom David hinczt Fnczt transmigrationem Babilonis nach der juden sag vier hundert und fünf und sibenczk jar, aber nach zwaier und sibenczk maister sag so ist gewesen vier hundert und siben und achczk jar.14

11 Ursula Liebertz-Grün hat diese These mit der Begründung, dass die „eher sorglos gebauten Verse eine derartige Vermutung […] nicht nahe legen“ verworfen. Vgl. Liebertz-Grün: Gesellschafts­ darstellung, S. 74. 12 Weltchronik, S. 193. Der Prosaeinschub fehlt in den Handschriften Cgm 11 und Cgm 250, München, Staatsbibliothek sowie in Mgf. 927, Berlin, Staatsbibliothek. 13 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. 193. 14 Dieser Einschub taucht so in der Handschrift 9 auf, die nach meiner Zählung mit Handschrift 8 bezeichnet ist. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. 321, in den Handschriften Heidelberg, Uni­

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 Die Ordnung des Stoffes

Auch den Beginn des sechsten Weltalters kennzeichnet ein deutschsprachiger Einschub: Hye wurden der römär ratgeben abgeseczt. Dar nach reychsent in dem sechsten alter der chaiser äugustus. Pey den zeiten ward geporn Jesus christus. Es was auch von anegang der welt unczt hincz unsers herren gepürd fümff tawsent jar und zway hundert jar an ain jar. Hye hebt sich an dy new karanica oder dy new E nach unsers herren gepürd und dye weil äugustus regnierot.15

Der Anfang bzw. das Ende des ersten, zweiten und fünften Zeitalters werden nicht hervorgehoben und auch nicht alle Handschriften enthalten die aufgeführten Ein­ schübe. Dieses uneinheitliche Vorgehen sowohl in sprachlicher als auch in chrono­ logischer Hinsicht deutet auf ein work in progress oder auf entsprechende Voraus­ setzungen beim Publikum hin. Denkbar wäre zudem, dass der jeweilige Schreiber nicht alle Einträge übernommen hat bzw. diese teilweise veränderte. Die Wiener Handschrift (Österreichische Nationalbibliothek, Cod.  2921) weist am Beginn der Geschichte Roms einen Erzählereinschub und Schreibervermerk auf (fol.  201rab), der auf den Beginn einer neuen Zeit auch visuell durch größere Schreibung und Unterstreichung explizit hinweist. Erzählerkommentar und Schreibernotiz fallen zusammen. Der Erzähler nennt seine Quelle und betont, dass er in der Volksspra­ che berichtet. Damit wird die Aufmerksamkeit des Publikums noch einmal einge­ fordert und gesteuert, zudem die Besonderheit des Schreibens in der Volkssprache markiert: Hie hebent sich an die Rommischen chuninch und wie Rom gestifftet wart und erfunden ich sag ew sunder wan als ich es vernomen han an enem puch alz man es las das merkchet hie noch furbaz alz ich es hie tichte unde in dewtsch berichte.16

versitätsbibliothek, Cpg  336 (nach Strauchs Zählung Hs. 11), Wien, Österreichische Nationalbi­ bliothek, Cod.  2921 (nach Strauch Hs. 12), München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm  5 (nach Strauch Hs. 13), Berlin, Staatsbibliothek, Hdschr. 389, (nach Strauch Hs. 16) wird der Beginn des vierten Weltalters vergleichsweise knapper eingeleitet, dort heißt es: Ditz ist daz vierd alter: von Davides zîten biz her nâch ebraischem reht vier hundert jâr und vier und sibenzic jâr. Vgl. Weltchronik, S. 321. 15 Weltchronik, S. 417, Anm. zu v. 21.800-21.809. 16 Cod. 2921, fol. 201r, Österreichische Nationalbibliothek.

Die Gliederung der Weltchronik 



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Anschließend findet sich der Schreibervermerk: Iste liber est compositus et constructus anno domini millesimo ccc nonagesimo septimo in vigilia Thome apostoli.17 Der gesamte Einschub geht vermutlich auf den Schreiber bzw. Bearbeiter zurück, der offenbar nachdrücklich auf den Beginn eines neuen Zeitabschnittes, auf die beson­ dere Relevanz der Geschichte Roms für den Leser und die Bedeutung des volkssprach­ lichen Werkes hinweisen wollte. Die Gesamtkonzeption des Werkes, auf die im Folgenden immer wieder einzuge­ hen sein wird, lässt jedoch vermuten, dass die meisten Einschübe vom Autor angelegt waren. Sie geben der Chronik ein Gerüst. Erst durch den stilistischen ‚Bruch‘ zu den angelagerten Verserzählungen entsteht die Spannung zwischen Historiographie und fiktionaler Erzählung, die den Text konstituiert.18 Die diskontinuierliche Weltaltergliederung innerhalb der Chronik wurde bislang als Hinweis darauf gesehen, dass der Autor diese Unterteilung nicht mehr genau kannte, seine Vorlagen nicht lesen konnte, sich mit dem Schema nicht gedanklich auseinander gesetzt hatte, letztlich sein Werk einer umfassenden Bil­ dungsgrundlage entbehrt.19 Allein die Abfolge der Geschichten in der bekannten Weltalter-Chronologie und die Gestaltung der Einschübe in unterschiedlichen Spra­ chen legen entgegen dieser Argumentation eher einen selbstbewussten Umgang des Autors mit dem gebräuchlichen Schema nahe. Dafür spricht auch, dass ab der römischen Geschichte die Erläuterungen und Einschübe zunehmen. Der Autor kom­ mentiert demnach das, was seiner eigenen Geschichte näher ist. Darüber hinaus signalisiert er, dass ab der römischen Geschichte das eintritt, was für die eigene (Lokal-)Geschichte relevant und bedeutsam erscheint. Entsprechend häufen sich ab Vers 20.943 Einschübe wie: Ze den selben zîten wârn ze Rôm zwelf râtman. Dannoch hêten di Rœmær ir rîche stæte. Dar nâch siben künigen hêten si aber râtliute, die wil ich iu nennen: Plato, Pompeius, Seneca, Sibilla, Aristotiles, Pitagoras, Demetricus, Ypocras Medicus, Esdras und ander mêr râtliut die dâ wârn.20 oder

17 Zwei ähnliche Vermerke mit nahezu dem gleichen Wortlaut tauchen auf fol. 218vb auf: Iste liber est constructus sive compositus anno cc nonagesimo tertio. Fol. 292va: Anno domini Millesimo Tricente­simo nonagesimo VIII in die sancte dorothee. Der Schreiber aller drei Einträge ist vermutlich der Rubrikator Hans Vogel. Vgl. dazu auch: Hermann Menhardt: Verzeichnis, S. 619. 18 Vgl. dazu Kap. VI. 19 Vgl. Tersch: Unruhe im Weltbild, S. 49. 20 Weltchronik, S. 400.

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 Die Ordnung des Stoffes

Die Rœmær hêten nâch Romolum siben keiser und an dem jungsten Tarquinium in zwein hundert jârn und in drîn und vierzic jârn, dar nâch aber râtliut.21 Auch hier markieren die Prosastücke jeweils den Beginn eines neuen Abschnitts und liefern faktisches Wissen, bevor die einzelnen Erzählungen beginnen. Neben diesen recht allgemeinen Informationen in den Prosaabschnitten sind weitere zu finden, die die Geschichte des zu besprechenden Herrschers noch einmal zusammenfassen. Für Nero beispielsweise werden in einem kurzen Überblick die wesentlichen Informatio­ nen (in den Handschriften häufig in roter Farbe) zusammengefasst. Entsprechend heißt es für ihn abschließend: Nerô der griulîch künic und æhter der kristenheit, der kriuzet sant Peter. sant Pauls enthoubt er. Senecam tôt er. sant Jacoben unsers herren muomen sun enthoubt er. sant Marcum in Alexandria martert er. der selb künic rîchset ze Rôm drîzehen jâr und einlef mânôt von gotes geburt LVII jâr und der selb Nerô schuof und hiez IX tûsent, sehzic tûsent und hundert und tûsent und vier und vierzic burger die gezalt sint di von ihm verdurben und drîzic tûsent juden die er hiez verderben. Dar nâch wart Jerusalêm gewunnen.22

Ab der Geschichte der römischen Herrscher bis einschließlich zu Karl dem Großen beginnen und enden die Erzählungen damit, dass der Autor Fakten, wie die jeweili­ gen Regierungszeiten, in einem zusammenfassenden Prosaeinschub einfügt. Ähnli­ ches findet sich in der Imago mundi und in der Kaiserchronik. Auf diese Weise werden Erzählabschnitte markiert, historische Fakten deutlich gegen die anekdotischen Erzählungen abgegrenzt und Wissen sichtbar strukturiert. Folgende Informationen sind dem zu entnehmen: Künic Ottô rîchset ze Rôm drî mânôt von gotes geburt einz und achzic jâr.23

21 Weltchronik, S. 412. 22 Weltchronik, S.  456f. Dieser Einschub ist in folgenden Handschriften überliefert: Ms.  Perg.  III, Fürstl. Thurn und Taxissche Hofbibliothek (entspricht Strauch Hdschr. 2), Mgf  927, Staatsbiblio­ thek Berlin (entspricht Strauch Hdschr. 10); Cpg 336, Universitätsbibliothek Heidelberg (entspricht Strauch Hdschr. 11); Cod. 2921, Österreichische Nationalbibliothek Wien (entspricht Strauch Hd­ schr. 12). Ein ähnlicher Einschub findet sich auch in Rep. II. 116a, Universitätsbibliothek Leipzig (ent­ spricht Strauch Hdschr. 9): Nero der büetreich, ein ächter der christenhait, der chräwczt sand Peter und enthäwpt sand Pauls. Marcus ward in Allexandria gemortert. Nero hat gereichsent dreyzehen jar und aindliff monet da von Christ gepurd was siben und fümfczk jar. darnach auch zw Nerones zeiten burden all Roemisch purger geczalt und der was newn und sechczk hundert tawsent und drew und virczk tausent und der Juden dreisk tawsent, dy auch da erslagen wurden an dem ostertag und Jerusalem wart gewungen und ervochten vom Tyto. 23 Weltchronik, S. 474. Vgl. Kaiserchronik, v. 4.852; Honorius Augustodunensis: De imagine mundi. Libri tres, in: PL 172, Sp. 115–188C, dort Sp. 180.

Die Gliederung der Weltchronik 



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Künic Vespesianus rîchset aht jâr und zehen mânot von gotes geburt zwei und ahzic jâr.24 Decius der künic rîchset ein jâr und zwên mânôt von gotes geburt zwei hundert jâr und sehs und fünfzic jâr für wâr.25 Insbesondere die Taten Karls des Großen werden durch derartige Einschübe abge­ schlossen. Die Herrschaftsjahre sind zur genauen Orientierung eingefügt: Daz geschach nâch gotes geburt siben hundert jâr und niun und sibenzic jâr.26 oder Daz geschach nâch gotes geburt aht hundert jâr.27 Entlang der Jahreszahlen lassen sich die Episoden gliedern. Greifen die Erzählungen ins Wahrscheinliche aus, fehlen konkrete Angaben. Auch in der ‚Babenbergischen Genealogie‘ wird das Prinzip fortgeführt und Regierungsjahre und -zeiten der ein­ zelnen Herrscher aneinandergereiht. Der Autor fügt Fakten ein, wo sie ihm verfügbar sind. Mit steigendem Fiktionalitätsgehalt schwinden Häufigkeit und Exaktheit der Angaben. Damit lassen sich fiktionalisierende und historisierende Tendenzen von­ einander trennen.

1.1 Die Gliederung nach Weltreichen Auch die Umsetzung des zweiten wichtigen Strukturzitats der mittelalterlichen His­ toriographie, die Gliederung nach Weltreichen, erfährt in der Weltchronik eine eigene Auslegung. Die den mittelalterlichen Gelehrten hinlänglich bekannte Idee, dass die Geschichte der Welt in verschiedene regna eingeteilt ist, findet ihren Ursprung

24 Weltchronik, S. 475. Vgl. Kaiserchronik, v. 5.362f. 25 Weltchronik, S. 484. Vgl. Kaiserchronik, v. 6.448f. 26 Weltchronik, S. 499. 27 Weltchronik, S. 501.

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 Die Ordnung des Stoffes

in antiken und orientalischen Quellen. Hier haben sich Vorstellungen über vier geschichtliche Perioden mit der Deutung der Folge orientalischer Großreiche zu einer Theorie verbunden.28 Die jüdischen und christlichen Vorstellungen basieren auf der Traumdeutung des Propheten Daniel und auf den Andeutungen in den paulini­ schen Briefen.29 Daniel berichtet über die Abfolge von vier Weltreichen, die durch einen Stein, der ohne Zutun von Menschenhänden vom Berg herunterkam,30 zertrüm­ mert werden. Jener Stein sei, so die Vorstellung, das ewige Königtum Gottes, das die menschlichen Königtümer beseitigen und an ihre Stelle treten werde.31 Die bekannte parallele Darstellung, die vier große Tiere beschreibt, erscheint im siebenten Kapitel des Danielbuches.32 Hier symbolisieren die vier Tiere wie die Metalle der Statue nach der biblischen Reihe das Babylonische, das Medische, das Persische und das Make­ donisch-griechische Reich. Hieronymus hat diese Folge der orientalischen Reiche in seinem Danielkommentar als das Babylonische, das Medisch-persische, das Makedo­ nische und das Römische Reich gedeutet.33 Die Einbeziehung des Imperium Romanum in die Weltreichslehre hatte ent­ scheidende Auswirkungen auf das abendländische Geschichtsdenken und begrün­ dete letztlich die Idee der Translatio Imperii.34 In der Chronik des Jans von Wien sind Spuren dieser Vorstellung zu finden, die der Autor in modifizierter Form auf zwei Wegen in seinen Text übernimmt. Folgende Gliederung lässt sich aus dem Text ableiten: 1. Weltreich: Assyrisches Reich Erschaffung der Welt, Engelssturz, Siebentagewerk (v. 129–496) Adam und Eva und ihre Kinder (v. 497–1.670) Noah (v. 1.671–3.042) Turmbau zu Babel, Sprachverwirrung (v. 3.043–456) Assyrische Herrscher, Semiramis, Abraham und Isaak (v. 3.457–4.050) Lot und der Untergang von Sodom und Gomorrah (v. 4.051–292)

28 Vgl. Johan Hendrik Jacob van der Pot: Sinndeutung und Periodisierung der Geschichte. Eine systematische Übersicht der Theorien und Auffassungen. Leiden [u. a.] 1999, S. 82f. 29 Vgl. Dan 2,31–45; Dan 7,1–27. 30 Dan 2,45. 31 Vgl. Martin Noth: Das Geschichtsverständnis der alttestamentlichen Apokalyptik, in: Walther Lammers (Hg.): Geschichtsdenken und Geschichtsbild im Mittelalter. Darmstadt 1965 (Wege der For­ schung 21), S. 30–54, dort S. 33. 32 Vgl. Dan 7,4–7. 33 Vgl. Commentariorum in Danielem, hg. von F. Gloriae, in: CCSL 75A (1964). 34 Vgl. grundlegend dazu Werner Goez: Translatio imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichts­ denkens und der politischen Theorien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Tübingen 1958; Eber­ hard Nellmann: Die Reichsidee in deutschen Dichtungen der Salier- und frühen Stauferzeit. ‚Anno­ lied‘ – ‚Kaiserchronik‘ – ‚Rolandslied‘ – ‚Eraclius‘. Berlin 1963 (Philologische Studien und Quellen 16).



Die Gliederung der Weltchronik 

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Isaak (v. 4.293–592) Jakob (v. 4.593–906) Joseph (v. 4.907–6.172) Moses (v. 6.173–9.396) Saul, David, Goliath (v. 9.397–10.100) Saul und David, Jonathan (v. 10.101–11.102) David und Bathseba (v. 11.103–316) Davids Söhne: Samson, Absalom, Salomon, Davids Tod (v. 11.317–13.164) Rehoboam, Hiob (v. 13.165–456) Der Trojanische Krieg (v. 13.457–16.932) 2. Weltreich: Persisches und babylonisches Reich Geschichte Mesopotamiens, Daniel und Susanna (v. 16.933–18.922) 3. Weltreich: Griechisches Reich Alexander der Große (v. 18.923–19.658) Seleukos und Antiochus, Hesekiah, Jugend des Pilatus (v. 19.659–20.020) 4. Weltreich: Römisches Reich Geschichte Roms: Romulus und Remus, Eraclius und Focas (v. 20.021–942) Geschichte Roms: Caesar und die Germanen (v. 20.943–21.536) Geschichte Roms: Augustus, Tiberius, Apostel Petrus (v. 21.537–22.284) Geschichte Roms: Prosakatalog der Päpste von Petrus bis Gregor X. Geschichte Roms: Papstgeschichten (v. 22.285–740) Geschichte Roms: Gaius (v. 22.741–934) Geschichte Roms: Nero (v. 22.935–23.432) Geschichte Roms: Domitian, der Zauberer Vergil (v. 23.433–24.224) Geschichte Roms: Weitere römische Kaiser, Takprecht, Konstantin (v. 24.225–25.538) Karl der Große, Sultan Saladin (v. 25.539–26.676) Des Reussenkönigs Tochter (v. 26.677–27.356) Sprachenspiegel der Völker der Zeit (v. 27.357–652) Prosa: Von den Königen, Babenbergische Genealogie Otto IV., Friedrich II. (v. 27.653–28.958) Anhang I, Anhang II

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 Die Ordnung des Stoffes

1.2 Die Ordnung der Reiche in der Weltchronik Obwohl es im Text an expliziten Hinweisen zur Markierung der Weltalter mangelt, lässt sich die bekannte Abfolge der vier Weltreiche nachvollziehen.35 Die Darstellung läuft auf die Geschichte des Römischen Reiches zu.36 Nicht jedes Weltreich wird mit einer prosaischen Hinführung eingeleitet, dennoch gibt es verschiedene Hinweise und narrative Varianten, die diese Gliederung sichtbar machen, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Nach der Urgeschichte folgt die Geschichte des assyrischen Reiches, auf die nicht gesondert hingewiesen wird. Diese wird durch den Trojanischen Krieg abgelöst: Dar nâch wart ein man, der ein stat stiften began – ez wart ein grôz stat, als in dô sîn will bat –, der was geheizen Troyus, di pfaffen nennent in alsus; dâ von ir nam Troyâ hiez, den namen er der stat liez. si wart sô grôz und sô wît, daz man sider noch sît ein grœzer stat nie gesach; dar inn sô hêt er sînn gemach. (Weltchronik, v. 13.495–506) Aus dem brennenden Troja können verschiedene Helden fliehen. Darunter befindet sich Anthenor, der Mantua in Italien gründet, aber auch in Bayern als Gründungs­ vater Passaus gilt (v. 16.885–98).37 Die Geschichte des Eneas wird nur knapp erwähnt. Er wird aus der Not heraus Stammvater der Römer: des muost er ein Rœmær / werden (v. 16.903f.). Franco zieht anschließend, so der Bericht, mit anderen Mitstreitern an den Rhein, um sich dort anzusiedeln und wird Landesherr: da von si Franken wurden genant (v. 16.923). Damit wird, obwohl sich für das Schicksal Helenas niemand mehr interessiert, wie der Erzähler beklagt (v. 16.929f.), gleichzeitig die Linie von Troja bis zu den Deutschen gezogen.38

35 Dagegen meint Raymond Graeme Dunphy: „We are forced to the conclusion that, while Enikel acknowledges the six-age-theory, it is not the principle governing his composition. The same is true of the four-kingdom schema.“ Dunphy: Daz was ein michel wunder, S. 263. 36 Vgl. Mathias Herweg: Erzählen unter Wahrheitsgarantie, S. 16. 37 Ganz ähnlich aber an anderer Stelle tauchen die drei Figuren Anthenor, Eneas und Franko auch in der Darstellung der Kaiserchronik (v. 367–376) auf. 38 Hier hat der Autor sich deutlich an die Kaiserchronik, auch das Annolied (c. 18–24) angelehnt.

Die Gliederung der Weltchronik 



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Im Anschluss an die Trojanersage beginnt das vierte Weltalter mit der Geschichte um König Nabuchodonosor und Daniel. Diese Episode steht recht eigenständig, der bekannten Struktur gemäß allerdings untypisch, zwischen den Troja- und Alexand­ ergeschichten. Der Erzähler beschreibt hier den Traum des Königs und deutet ihn: Daniel erklärt der Tradition entsprechend die einzelnen Teile der Statue. Allerdings deutet er die eisernen Schenkel und Füße nach jüdischer Tradition als das Reich Ale­ xanders: daz bediutt daz dann kumt ein man, der grôzen gewalt haben kan und daz im in der werlt wît nieman mac gewinnen nît; im muoz gar sunder wân diu werlt werden undertân. so bediutt der berc den er truoc – diu bediutung wart starc genuoc –, daz bediutet, daz sunder wân diu werlt muoz an im ein stân. er twingt sie vil lîse unz an daz paradîse; daz ist der berc der ûf im lît, die wîl er lebt ze aller zît; er wirt im gar swær. sin nam heizt Alexander. (Weltchronik, v. 17.177–92) Die Idee der messianischen Königsherrschaft überträgt Jans von Nebukadnezar auf Alexander den Großen. Nicht das Römische Reich ist damit das letzte vor dem Erscheinen des Gottesreiches, sondern am Ende steht das Makedonische. Dies ent­ spricht der vorchristlich-jüdischen Traumauslegung39 und deutet darauf hin, dass der Autor entsprechende Quellen kannte. Danach wurden die vier Reiche zunächst auf die babylonische, medische, persische und makedonische Herrschaft gedeu­ tet, später kommt die römische hinzu, so dass Medien und Persien als ein Reich gelten.40 Die Auslegung des Traumes hat eine entscheidende Funktion: Hier findet mit ­Alexander die Translatio auf die Griechen statt. Damit wird eine ungebrochene Linie

39 Vgl. Tersch: Unruhe im Weltbild, S. 49. 40 Vgl. von den Brincken: Lateinische Weltchronistik, S. 47.

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 Die Ordnung des Stoffes

von den griechischen Kaisern auf die römischen und fränkischen Herrscher bis hin zu den Staufern und Babenbergern gezeichnet. Anschließend wird die Erzählung mit den Fahrten Alexanders des Großen als Kaiser Griechenlands fortgesetzt. Nach einigen kleinen Einschüben beginnt die Geschichte Roms, die ausführlich von der Gründungslegende um Remulus und Romus bis hin zur Erzählung einzelner Kaiserportraits wiedergegeben wird. Der Eingang dieses Abschnittes beschreibt, wie aus einer Einöde, einem wilden Land, ein Weltreich entsteht, die Umwandlung von Natur in Kultur stattfindet. Auch diese Geschichte setzt Kenntnisse des Geschehens beim Publikum voraus, denn der Erzähler führt sehr knapp in die Geschichte ein und Rôm als Gegenstand wird keine weitere Erklärung hinzugefügt. Auf die Bedeutung des Reiches wird durch die einleitende Legende um das Geschwisterpaar und den Rückgriff auf mythologische Ahnen hingewiesen: Nû mac ich lenger niht verdagen, ich müez iu von Rôm sagen, wie ir gewalt gewîtet wart von der vichhirten zuovart. hie dishalb mers was dannoch niht, daz was ein wunderlîch geschiht, wan walt unde wazzer zwâr und kein lant noch stat gar was gebouwen in dem rîch, daz wizzet sicherlîch. ich hân ouch daz wol vernomen, daz zuo dem wald ein wîp was komen, diu hêt zwei kleiniu kindelîn […]. (Weltchronik, v. 20.021–33) An die Gründungssage schließt sich eine lange Erzählung um Cäsar und die Erobe­ rung der germanischen Stämme an, die der Kaiserchronik folgt.41 Cäsar erobert ent­ sprechend Schwaben, Bayern und Sachsen. In der Weltchronik sind die Heerfahrten Cäsars ergänzt. Dem Herrscher, der auf Wundervölker trifft, wird eine universale Bedeutung beigemessen. Im Text heißt es: Dar nâch fuor er zehant in der platfüezen lant. die wârn griulîch gestalt […]. (Weltchronik, v. 21.119–21)

41 Vgl. Kaiserchronik, v. 267–602.

Die Gliederung der Weltchronik 



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Nachdem Cäsar, so der Bericht weiter, die Plattfüßler und die Einäugigen aus dem Rheingebiet nach Indien vertrieben hatte, fuhr er mit der Gründung von Mainz, Ingel­ heim, Oppenheim und Trier fort,42 kehrte mit Hilfe der Deutschen nach Rom zurück und wurde schließlich von den Römern erschlagen. In die Regierungszeit Augustus’ fällt als Beginn des christlichen Zeitalters die Geburt Jesu. Die Episode fällt so knapp aus, dass ihre Marginalität nur mit dem Hintergrundwissen des Publikums zu erklä­ ren ist: Daz Rôm ein wîser künic saz, der sîns gewaltes niht vergaz, der was der gewaltigst man, von dem ich gehœrt hân. des nam Augustus hiez. […] ze den zîten man niht kristen vant, und was dô geborn dâ in Bethlehem Judâ Marien sun Jesus Krist, als er noch hiut ze himel ist. (Weltchronik, v. 21.801–16) Dem Autor der Weltchronik kam es nicht darauf an, christliche Heilsgeschichte nachzuerzählen, sondern die Herrschaft und Taten der irdischen Könige und Kaiser in der Zeit darzustellen und dabei vor allem Außergewöhnliches zu berichten. Da geschichtstheologische Implikationen in der gesamten Chronik eine untergeordnete Rolle spielen, bleibt auch die Geburt Jesu einzig als Faktum bestehen. Das Interesse des Autors lag auf den einzelnen Figuren und ihren Geschichten. Die Bedeutung des Heilsereignisses scheint in einer Weise klar, dass es keiner weiteren Erklärung bedurfte. Und so ist es nicht verwunderlich, dass der Erzähler auf den Streit zwischen

42 Die Cäsar-Geschichte hat der Autor der Weltchronik weitestgehend aus der Kaiserchronik ent­ nommen und an einigen Stellen verändert. Möglich ist, dass er u. a die Geschichte der Einäugigen aus dem Annolied kannte, denn hier geht es nach der Eroberung der germanischen Stämme durch Cäsar in c. 22 rückblickend noch einmal um die Irrfahrten der Griechen, die auf die Zyklopen tref­ fen, die schließlich von Gott in die Wälder Indiens getrieben wurden. Daran anschließend wäre zu überlegen, ob dem Autor der Weltchronik neben der Kaiserchronik auch das Annolied vorgele­ gen hat. Dies wäre über das Schottenkloster in Regensburg möglich, da hier Verbindungen zum Schottenstift in Wien bestanden. Wenn demnach Bischof Kuno  I. das Annolied 1126 (Bumke) mit nach Regensburg gebracht hätte, könnten hier beide Texte verwendet worden sein. Vgl. Joachim Bumke: Mäzene im Mittelalter. Die Gönner und Auftraggeber der höfischen Literatur in Deutsch­ land 1150–1300. München 1979, S. 82. Auffällig ist in jedem Fall, dass der Autor der Weltchronik zwar der Kaiserchronik folgt, aber durch andere Einsprengsel auffüllt, von denen einige auf Kenntnis des Annoliedes weisen.

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 Die Ordnung des Stoffes

Christen und Juden um die Stellung Augustus’ hinweist. Während die Juden Augustus und sein Wirken für die Ursache des allgegenwärtigen Friedens halten, sei dies aus Sicht der Christen allein mit der Geburt Jesu in Verbindung zu bringen. Es zeigt sich, dass der Autor aus christlicher Perspektive argumentiert, denn er berichtet über die inzestuöse Herkunft Augustus’: Man liset von dem künig daz mær, daz er geborn wær von sîner rehten swester. sîn geburt was dannoch vester, daz in der fleischlîch vater sîn mit sô heidenischen schîn hêt bî der tohter sîn zwâr. daz was ketzerlîchen gar, daz er was vater unde en sîn tohter. nieman wæn, daz im iht geschæch als Augustîn, oder er müez ein ketzer sîn. (Weltchronik, v. 21.873–84) Den Übergang von den römischen zu den deutschen Kaisern markiert ein herausra­ gendes Ereignis. Nach der Taufe Konstantins durch Silvester, seiner Bekehrung zum Christentum und seinem Tod folgt eine Naturkatastrophe, die eine neue Ära einleitet bzw. die gerade begonnene christliche fortsetzt: Nâch dem künic Constantîn, sag ich für wâr, wol über einz und sehzic jâr dô schuof got gewalticlîch, daz von dem himelrîch ein wunder kom alsô grôz, mit regen, mit winde ein stôz. der regen gie sicherlîch zwâr über allez ertrîch unde was gemischet gar mit wollen. daz sag ich offenbar, daz wolle regent von himel ze tal über alle werlt âne schal. daz tet got mit der kraft sîn. (Weltchronik, v. 25.522–33)

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Das Naturereignis überbrückt einen zeitlichen Abstand von 500 Jahren und führt die genealogische Linie direkt von Konstantin auf Karl den Großen. Der Regen und der große Überfluss an Wasser markieren einerseits diese Schwelle, deuten aber anderer­ seits auch auf die Taufe und den Beginn des christlichen Zeitalters hin. Karl der Große wird bereits durch diese Initiation als rechtmäßiger christlicher Herrscher eingeführt, der das abendländische Kaisertum weiter trägt. Darüber hinaus tauchen ab der Zeit Karls genaue Jahreszahlen auf, was auf eine bessere Kenntnis der unmittelbaren Zeit hinweist. Das wahre christliche Zeitalter, so suggeriert die Komposition, beginnt mit Karl dem Großen. Das Reich kann nicht untergehen und ist das letzte vor dem Reich Gottes. Nach den römischen Kaisern folgen entsprechend in ungebrochener Linie die Episoden um Karl den Großen: Ich sag iu daz offenbâr, daz künic Karl vierdhalp jâr rîchset und der bruoder sîn. (Weltchronik, v. 25.539–41) Das Porträt Karls wird durch die Erzählung um Sultan Saladin und die Teilung des Tisches der Religionen beendet. Mit der Einbeziehung Saladins ist eine Erweiterung der religiösen Perspektive verbunden,43 die sich durch die Einführung in die inter­ religiöse Problematik der drei großen Religionen kosmologisch entfaltet und erst auf der Basis des orbis christianus durch Karl gesichert werden kann. Nach Saladin folgt die Geschichte des Königs der Riuzen (Russen) und seiner Tochter. Mit dieser Erzäh­ lung wird der Blick von der religiösen Vielfalt und Toleranz des Karlsreiches zurück auf die politische Ebene gelenkt. Die Geschichte um Karl den Großen als dem ersten christlichen Herrscher wird damit durch zwei Ereignisse flankiert und herausgeho­ ben: Die Naturkatastrophe und die Übertragung des christlichen Kaisertums durch die Tochter des Riuzenkönigs: Nû süllen wir ân schande von der Riuzen lande von dem künig heben an […]. (Weltchronik, v. 26.677–79) Einige Verse vorher wird die Beziehung zwischen Trojanern und Franken durch Eneas und Franco hergestellt und auf diese Weise der Übergang des Imperiums von Rom

43 Zur Erzählung vgl. Fulvio Ferrari: Der frum heiden und sein kostbarer Tisch: Jans Enikels Erzäh­ lung um Saladins Tod und die Darstellung des muslimischen Ostens in der deutschen Literatur des Mittelalters, in: Bernd F. W. Springer (Hg.): Religiöse Toleranz im Spiegel der Literatur. Eine Idee und ihre ästhetische Gestaltung. Zürich [u. a.] 2009 (Literatur 18), S. 83–91.

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auf die Franken erklärt. Karl der Große kann danach qua „genealogische[r] Fiktion“44 sein Geschlecht über Franco und Eneas in ungebrochener Linie auf trojanisch-römi­ schen Ursprung zurückführen. Die Kaiserkrönung (er wart erwelt ze keiser dô / des wârn die Rœmær hart vrô (v.  26.239f.)) steht für die Translatio des Kaisertums von Ostrom auf Westrom. Durch die brüderliche Verbindung Karls mit sîne[m] bruoder bâbst Leô (v.  26.193) wird der Primat der weltlichen Gewalt festgeschrieben. Damit wird Karl nach dem Vorbild des griechischen Basileus oberster Priester und weltlicher Herrscher, so dass seine Vorherrschaft außer Frage steht.

1.3 Translatio imperii: Die Tochter des Riuzenkönigs Nach den Episoden um Karl den Großen findet für die Genealogie der Herrscher und für die Situierung in der eigenen Geschichte ein deutlicher Einschnitt statt. Hier hat die Entfaltung der Macht strukturell im Sinne einer christlichen Herrschaft einen Höhepunkt erreicht, denn auf Karl laufen die Weltreiche zu. Seine universale Posi­ tion wird durch die geschwisterliche Verbindung zum Papst einerseits, durch seine weltreligiöse Offenheit andererseits verstärkt und sein Platz als oberster Diener im christlichen Orbis fest verankert. In der Weltchronik wird seine Position und die Vier-Reiche-Lehre zudem durch die Geschichte der Tochter des Reussenkönigs manifestiert,45 denn das Narrativ wie­ derholt auf symbolischer Ebene noch einmal die Weltreichsidee. Erst auf dieser Basis können nach der Herrschaft Karls die Regierungen der folgenden deutschen Kaiser anschließen. Die heils- und weltgeschichtliche Perspektive, die in Karl zusammen­ fällt, wird nach der Erzählung um den Riuzenkönig zugunsten einer stärkeren Ein­ bindung der Lokal- und Regionalgeschichte aufgegeben. Dieser Teil beginnt mit einer ‚Bestandsaufnahme‘ bzw. einem Überblick über die existierenden Sprachen. Von hier aus wird der Blick weiter über die Genealogie der Könige bis hin zu den Babenbergern verengt, so dass auch nach Otto IV. und Friedrich II. mit Herzog Leopold die Baben­ berger fokussiert werden.

44 Michaela Scheibe: Dynastisch orientiertes Geschichtsbild und genealogische Fiktion in der mecklenburgischen Reimchronik des Ernst von Kirchberg, in: Matthias Thumser (Hg.): Studien zum südlichen Ostseeraum vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, Köln [u. a.] 1997 (Mitteldeutsche Forschungen 115), S. 23–61, dort S. 47; dazu vgl. auch Gerd Althoff: Genealogische und andere Fiktionen in mittel­ alterlicher Historiographie, in: Fälschungen im Mittelalter, internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica, München, 16.–19. September 1986. Teil 1: Kongreßdaten und Festvorträge. Lite­ ratur und Fälschung. Hannover 1988 (Monumenta Germaniae Historica, Schriften 33,I), S. 417–441, dort S. 419. 45 Die Handlung basiert auf dem etwas früher entstandenen Minne- und Herrschaftsroman Mai und Beaflor (um 1270). Vgl. Herweg: Erzählen, S. 17; Strauch: Jansen Enikels Werke, S. 239, Anm. 53.



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Die Episode um die russische Königstochter, in der Motive des Mädchens ohne Hände46 aufgegriffen werden, ist in zweifacher Hinsicht brisant. Sie fasst zum einen typisiert das Weltreichsschema zusammen, zum anderen greift sie mit dem InzestKomplex familiale Grundkonstellationen (Vater-Tochter und Mutter-Sohn) variierend auf.47 Dabei tauchen Motive wie die Geburt des ‚Wechselbalges‘,48 die ‚Verfolgung einer unschuldigen Frau‘ in der Vertreibung der Königstochter und ihrer Rehabilitie­ rung aus der international verbreiteten Erzählung vom verstümmelten Mädchen auf, um hier im Spannungsfeld zwischen Genealogie und Heiligkeit,49 den Transfer der Weltreiche zu verdeutlichen. Die Erzählung in der Weltchronik (v. 26.677–27.356) lässt sich wie folgt gliedern: Vorbereitung der Hochzeit zwischen Vater und Tochter (v. 26.677–774) Verweigerung der Hochzeit durch die Tochter (Verstümmelung) (v. 26.775–816) Erste Vertreibung: Aussetzung der Tochter im Fass (v. 26.817–63) Rettung durch den Fischer und Ankunft in Griechenland (v. 26.864–916) Hochzeit mit dem griechischen König und Geburt des Kindes (v. 26.917–966) Fälschung des Briefes und Verleumdung des Kindes durch die Schwiegermutter (v. 26.967–27.084) VII. Zweite Vertreibung der Königin mit dem Kind (v. 27.085–116) VIII. Rettung durch den Fischer und Ankunft in Rom (v. 27.116–60) IX. Versöhnung mit Hilfe des Papstes (v. 27.161–356).

I. II. III. IV. V. VI.

Die Episode beginnt mit einem genealogischen Dilemma: Der verwitwete König von Riuzenland will nur eine Frau heiraten, die ebenso schön ist wie seine Tochter. Als man diese nicht findet, beschließen die Fürsten mit Dispens des Papstes einer Hoch­ zeit zwischen Vater und Kind zuzustimmen.

46 Vgl. Kinder- und Hausmärchen, gesammelt durch die Brüder Grimm. Berlin 1812. Nachdruck hg. von Heinz Rölleke. Bd. 1. Göttingen 1986, S. 132–138. Der Stoff ist nachgewiesen weit verbreitet, wobei zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert ca. 40 Textzeugen überliefert sind. Vgl. Christian Kiening: Die Königstochter von Reußen, in: 2VL 11 ( 2004), Sp. 873–875; Ders.: Genealogie-Mirakel. Erzählun­ gen vom ‚Mädchen ohne Hände‘. Mit Edition zweier deutscher Prosafassungen, in: Christoph Huber [u.  a.] (Hg.): Geistliches in weltlicher und Weltliches in geistlicher Literatur des Mittelalters. Tübin­ gen 2000, S. 237–272; Pavel Popovič: Die Erzählung vom Mädchen ohne Hände. Belgrad 1905; Karin ­Ueltschi: La main coupée. Métonymie et mémoire mythique. Paris 2010 (Essais sur le moyen âge 43). 47 Auf diesen Komplex gehe ich noch einmal gesondert ein, um eine weitere Lesart vorzustellen. Vgl. Kap. III.2.3. 48 Vgl. Kiening: Genealogie-Mirakel, S. 237. 49 Auf die Bedeutung der Erzähllogik hat Christian Kiening am Beispiel des altfranzösischen Romans ‚La Manekine‘ des Philippe de Beaumanoir hingewiesen. Vgl. Kiening: Genealogie-Mirakel, S. 240f.

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Die Ausgangssituation zeigt bereits, dass feudaladlige Interessen und Probleme wie das der Exogamie sowie deren gesellschaftliche Aushandlung berührt werden.50 Der Autor schildert das Begehren eines Vaters nach seiner Tochter, die seinem inzestu­ ösen Verlangen ausweicht und sich damit der patriarchalen Gesellschaft widersetzt. Anders als im Märchen verstümmelt die Tochter des Königs ihr Äußeres, indem sie sich die Haare, das Signum ihrer Weiblichkeit, abschneidet, ihr Gesicht zerkratzt und alte Kleider anzieht.

Abb. 1: Regensburg, Fürstl. Thurn und Taxissche Hofbibl., Ms. Perg. III, fol. 151vb: Die Tochter des Riuzenkönigs schneidet sich die Haare ab.

Im Text heißt es an dieser Stelle: daz hâr si von dem houbt sneit. ir guot gewant daz was ir leit: daz zôch si ab irem lîp, daz selb wolgetân wîp. einen grâwen roc leit si an sich. si sprach: ‚wærlîch nû, ich wil mich machen als ein schem gevar.‘

50 An dieser Stelle sei auf das IV. Laterankonzil von 1215 hingewiesen, nach dem das Ehehindernis der Verwandtschaft auf den 4. Grad angehoben wurde. Vgl. Werner Maleczek: IV. Lateranum, in: LexMA 5 (2002), Sp. 1742–1744, dort Sp. 1744.

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si zerkratzt ir antlütz gar, daz ir daz bluot ze tal ran. (Weltchronik, v. 26.801–09) Daraufhin setzt der (in der Miniatur ohnmächtige) König seine entartete Tochter in einem Fass aus, und ihre Reise durch die verschiedenen Herrschaftsräume und -reiche beginnt. Nachdem sie in Griechenland entdeckt und von einem Fischer an Land gebracht wird, macht der dortige König sie als seine Frau zur Königin von Griechenland. Dies schürt – als Wiederholung der inzestuösen Struktur – den Groll der Schwiegermutter, die ihrer neuen Schwiegertochter nicht wohlgesonnen ist. Während der König von Griechenland sich auf einem Feldzug befindet, gebiert die neue Königin ihm ein wunderbares Kind. Die Nachricht von der Geburt soll ein Bote brieflich überbringen. Der Bote jedoch gerät in die gefährliche Nähe der Schwieger­ mutter, die den Brief findet und fälscht.51 Als der König von der Geburt eines hässli­ chen Wesens erfährt, lässt er Frau und Kind erneut in ein Fass sperren und aussetzen. Das Fass wird von einem Bürger in Rom entdeckt und von einem Fischer an Land gebracht. Die Königin wird mit ihrem Kind freundlich aufgenommen und zu einer ehrbaren Römerin gemacht. Inzwischen hat der griechische König die Wahrheit über das Unrecht an seiner Frau erfahren und sich entschlossen, in Rom Buße zu tun. Auch der Vater der Königin begibt sich nach Rom, um Vergebung seiner Sünde zu erbitten. Der Papst, der nun von den Sünden der Männer erfährt, weiß bereits, dass die betrof­ fene Frau in Rom weilt. Er führt als Mediator die Personen wieder zusammen und ver­ bindet die Reiche. Er übergibt dem griechischen König die Frau, nachdem der Vater seine Tochter wieder erkannt und Buße geleistet hat. Die Tochter des Riuzenkönigs, die sich aus den familialen Konstellationen gelöst und in die Hände des geistigen Vaters begeben hat, ist nun griechische Königin, römische Bürgerin und Schutzbe­ fohlene des Papstes. Die Idee der Translatio imperii wird in der Weltchronik fiktionalisiert und auf eine allgemeine Ebene gebracht. Der Erzählstoff um das ‚Mädchen ohne Hände‘ wird so transformiert, dass die Geschichte Reichsidee und gesellschaftliche Konstellationen erzählerisch synthetisiert. Die final motivierte Erzählung variiert das Schema der unschuldig verfolgten Frau, die am Ende rehabilitiert und geheiligt wird. Der genealo­ gische Grundgedanke, der hier ausgehend von verwandtschaftlichen Beziehungen und Konzepten auf das Weltreichsschema erweitert wird, hält die Erzählung zusammen. Die verschiedenen Räume, die die Königstochter betritt, stehen für die unterschiedli­ chen Reiche. Ihre Grenzen und deren Überwindung sind durch die Bewegung in den

51 Das Sujet findet sich auch in Mai und Beaflor, v. 131,32–133,4. Hier fälscht die Mutter Mais Briefe und diskreditiert damit ihre Schwiegertochter. Zur Funktion der Briefe vgl. auch Kap. V.3.

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Flüssen („Schwellenräume“52) markiert, die realgeographische Anbindung haben.53 Die Abfolge der Reiche wird hier in die Biographie einer Figur integriert, die der histo­ rischen Zeit, die der prosaische Rahmen der Chronik vorgibt, enthoben ist. Innerhalb der Geschichte tauchen nur noch vage Zeitbestimmungen auf,54 die sich nicht mehr an die konkrete zeitliche Verortung wie etwa bei Karl dem Großen anfügen lassen.55 Die Königin wird aus allen Reichen mit ihrem Kind vertrieben, um schließlich am Kulmi­ nationspunkt der Geschichte alle Konzepte und Bindungen zusammenzubringen und mit geistlicher Hilfe zu harmonisieren. Die Erzählung ist der Zeitlichkeit des chronika­ len Rahmens (Weltalter, Regierungszeiten) insofern enthoben, da in der Diegese keine genauen Jahreszahlen angegeben werden und das zeitliche Gerüst der Erzählung vage bleibt. Summarisch werden die Stationen der Königstochter wiedergegeben. Die Rei­ henfolge der Ereignisse in Erzählung und Geschichte ist gleich. Die Sequenzen werden durch wiederholendes dô sprach, dô kâmen etc. miteinander verbunden. Ein vorhandenes Erzählmuster wird eingesetzt, um die Abfolge der Weltreiche noch einmal symbolisch nachzuvollziehen, was ihre Bedeutung für den Text ver­ stärkt. Neben der ‚historischen‘ Reihe werden in der Geschichte des Reussenkönigs die Reiche über Herkunft und Eheschließungen miteinander verbunden, wobei zugleich die Schwierigkeiten des Herkommens (Inzest) und dynastischer Prinzipien thematisiert werden. Die Reise der Königstochter endet mit ihrer genealogischen Aufwertung in Griechenland und der Aufhebung des Königtums in Rom. Die Vertre­ ter der Reiche erscheinen am Ende der Geschichte vor dem Papst, der den Primat der christlichen Herrschaft für sich erhebt und sie unter seiner Hoheit wieder zusammen­ führt. Die Erzählung beschreibt die Translatio: Das oströmische Reich wird durch die verbindende Hand des Papstes auf das weströmische übertragen. Historisch steht an dieser Stelle Karl der Große. In der Weltchronik wird nach der bekannten Abfolge: Babylonisches Reich, Medisches und Persisches Reich, Griechisches Reich die Idee der Übertragung der Reiche noch einmal erklärt. Die Anspielungen sind allerdings nur dem verständlich, der die Folie um die Idee der Translatio kennt. Die Miniatur in der Regensburger Handschrift unterstreicht die Aussage. Bild 154vab zeigt den Papst, der die Königstochter und ihr Kind als legitimen Erben dem König von Griechenland zuführt.

52 Begriff nach Andrea Glaser: Der Held und sein Raum. Die Konstruktion der erzählten Welt im mittelhochdeutschen Artusroman des 12. und 13. Jahrhunderts. Frankfurt am Main [u. a.] 2004 (Euro­ päische Hochschulschriften I / 1888), S. 20. 53 Die Königstochter wird in den Rîn geworfen und gelangt später von dort aus über das Meer in den Tîver (v. 27.127) und nach Rom. 54 Die Geschichte beginnt mit der Angabe dar nâch (v. 26.681). Weitere Angaben wie si was bî im, daz ist wâr, / völliclîch ein halbez jâr (v. 26.919f.) oder daz was dar nâch zwâre / in dem fünften jâre (v. 27.261f.) beziehen sich auf die Biographie der Protagonistin. 55 Hier sind im Stil der Annalen konkrete Angaben, wie nâch gotes geburt siben hundert jâr und vier und sibenzic jâr (nach v. 25.560), eingeschoben.

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Abb. 2: Regensburg, Fürstl. Thurn und Taxissche Hofbibl., Ms. Perg. III, fol. 154vab: ‚Translatio Imperii‘.

Die Miniatur zeigt, dass sich beide Könige in Rom unter die Hoheit des Papstes begeben, dessen Herrschaft als minister dei damit auch vom griechischen Basileus bestätigt wird. Zudem führt er die verschiedenen Generationen zusammen. Das Bild ist im Vergleich zu den anderen in der Handschrift größer und erstreckt sich über die ganze Breite des Blattes, was die Bedeutung der Szene zusätzlich unterstreicht. Nachdem die Königin sich mit ihrem Vater ausgesöhnt hat und dem griechischen König zugeführt wurde, endet die Episode in der christlichen Heilszeit und mit dem Ausblick auf das ewige Reich Gottes. daz sült ir wizzen alle, si lebten mit grôzem schalle und mit grôzer wirdikeit. alliu wunn was in bereit, und wurden ergetzet gar alles des in ie gewar von got von himelrîch, dem niht ist unmüglîch. der geb uns daz êwic rîch und mach uns all freudenrîch. (Weltchronik, v. 27.347–56) Als Stellvertreter Christi hat der Papst die christlichen Herrscher unter seiner Obhut zusammengeführt. Auf die Frage Saladins, welcher Gott der stärkere sei, gibt Jans von Wien mit der Geschichte um die Tochter des Riuzenkönigs Antwort. Die Heilig­ keit der Königstochter hat das genealogische Dilemma und die Weltreiche überwun­ den, um schließlich aus der Hand des Papstes ein ‚neues‘ Königtum zu empfangen. Nach dieser Episode endet der weltgeschichtliche Abriss der Chronik mit dem Über­ blick über die Sprachen der Welt, wobei auch hier der christliche orbis beschrieben wird. Mit der Übersicht über die Sprachen führt der Erzähler von der Welt- auf die

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Lokalgeschichte und verengt die Perspektive bis hin zu den Babenbergern Otto IV. und Friedrich II. Harald Tersch sieht „die Weltreichslehre“ in der Weltchronik Jans’ von Wien „gänzlich historisiert“ und formuliert, dass der Autor diese „zur heilsgeschichtlichen Deutung seiner eigenen Zeit unbrauchbar macht.“56 Diese Einschätzung lässt sich aus dem Text heraus nicht belegen. Vielmehr gibt die Episode um den Riuzenkönig eine Auslegung dieser Idee, die als Erzählung auf einer allgemeinen Ebene anschluss­ fähig wird und für die Anlage und die Perspektive der Chronik sinnstiftend ist. Diese Transformation zeigt sich auch daran, dass der Autor nicht den Beginn bzw. das Ende jedes einzelnen Weltreiches erwähnt, sondern nur die für die Idee der Translatio imperii wesentlichen Schnittstellen aufgreift. Dazu gehört u. a. die Weissagung an Nebukadnezar, nach dessen Reich das Makedonische folgen soll. Der Autor lässt das Römische Reich und die deutschen Kaiser in unkommentierter Reihenfolge, eben nach bekanntem Schema, folgen. Das deutsche Kaisertum beginnt mit dem griechi­ schen; eine Ansicht, die die Rechtmäßigkeit des Kaisers als rex und sacerdos zusätz­ lich betont. Die Art und Weise, wie Jans von Wien die Idee der Weltreiche in seine Chronik integriert, zeigt, dass er Informationen für sein Publikum auswählt und Wissen voraussetzt und Anspielungen verstanden werden müssen. Im Rückblick auf die eingangs erwähnte Strukturierung der Chronik durch prosaische Einschübe, die das historische Grundgerüst der Chronik liefern, bildet die narrative Gestaltung der Weltreichsidee in der Geschichte um die Tochter des Riuzenkönigs das historiographi­ sche Prinzip symbolisch noch einmal ab. Auf diese Weise wird zweifach die Lehre von den Weltreichen und die Idee der Translatio vermittelt: als Struktur, die in den Text eingeschrieben ist, und als Erzählmuster einer Geschichte. Dabei werden thematisch Genealogie, Herkommen und Herrschaft in den Mittelpunkt gerückt. Sie gehören zu den Grundthemen der Chronik.

2  Prosapartien Neben den bereits angesprochenen Prosaeinschüben gehören der Papstkatalog (S. 428–434) und die Genealogie der deutschen Könige (S. 539–543) sowie der Baben­ berger (S. 544–548) zu den Prosapartien, die den Text strukturieren. Diese haben vor allem die Funktion, historische Fakten zu bündeln, um den Eindruck von Vollstän­ digkeit und Stichhaltigkeit der Angaben zu vermitteln und dem Text Züge eines Kom­ pendiums zu verleihen. Das Faktengerüst wird dann durch narrative Beispiele, die (bedingt) Handlungswissen vermitteln, ergänzt. Die Gestaltung der Handschriften lässt ein Lesepublikum vermuten, wie bereits Hartmut Kugler57 angedeutet hat. Im

56 Vgl. Tersch: Unruhe im Weltbild, S. 49. 57 Vgl. Kugler: Jans Enikel, S. 223.

Prosapartien 

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Stile der Annalen führt der Autor in den Prosapartien historische Ereignisse über­ blicksartig auf. Alle prosaischen Einschübe strukturieren den Text zusätzlich, in dem sie auf die jeweils folgenden Erzählpartien hinweisen. Sie fungieren damit an den Schnittstellen zu den fabulae, leiten diese ein oder fassen sie zusammen.

2.1  Die Ordnung der Päpste: Papstkatalog Der Papstkatalog, den der Autor aus der Imago mundi des Honorius kannte, folgt im Anschluss an die Geburt Jesu unter Augustus und die Regierung Petri auf dem Heiligen Stuhl, so dass die Nachfolge des Papsttums bis in die Zeit des Autors chronologisch aufgearbeitet ist.58 So wie die Geburt Jesu in aller Kürze abgehandelt wird, widmet der Autor auch dem ersten Papst keine größere Aufmerksamkeit: Die Übergabe der Schlüssel für das Himmelreich wird gar nicht erwähnt. Im Text heißt es lediglich: Dar nâch ein heilic man ze Rôm in die stat kam, der den stuol besaz und der kristenheit niht vergaz, und trouc ir reht lêr vor. zwâr er was niht ein tôr. er was geheizen Petrus, die paffen schrîbent in alsus. waz er wunders ze Rôm begie, daz wilich niht allez schrîben hie, wan einez, daz ist mir bekant, daz im Rôm und etlîch lant was mit dienst undertân. niht fürbaz ich gesagen kan. (Weltchronik, v. 22.271–84) Der Katalog führt anschließend alle folgenden Päpste mit ihren Regierungszeiten auf. Philipp Strauch hat durch den Vergleich mit der Imago des Honorius auf einige Fehlübertragungen hingewiesen. Folglich tauchen in der Weltchronik statt Calixtus und Cleuter beispielsweise die Päpste Palexitus und Eleuter auf. Dies allenfalls typi­ sche Abschreibfehler, die jedoch nichts über Jans Kenntnisse aussagen.59 Während die Auflistung der Päpste bei Honorius mit Innocenz II. endet, Innocentius II, qui fuit

58 Vgl. Honorius Augustodunensis: Catalogus romanorum pontificum, in: PL 172, Sp. 239–244D. 59 Strauch wertet diese Fehler als Hinweise auf fehlende Kenntnisse des Autors über Päpste und ihre Namen sowie als Schwierigkeiten beim Lesen, vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. 428f.

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 Die Ordnung des Stoffes

pontifex ordine 165, Christi anno 1130,60 führt Jans die Reihe bis zu Gregor  X. fort, der ein Jahr regierte. Unmittelbar an die Auflistung der Päpste knüpft der Autor mit den Papstgeschichten (v. 22.285–740) verschiedene Anekdoten, die Beispiele liefern. Hierher gehören die Erzählungen um Papst Leo  III. und den Teufelspapst Gerbert ­Sylvester II. sowie die Geschichte um die Päpstin Johanna, die in der Weltchronik zum ersten Mal in mittelhochdeutscher Fassung auftaucht.61 Der Autor wechselt von der Seriosität der Annalistik zum lockeren epischen Erzählen. Er beginnt die Papstge­ schichten wie folgt: Under den bæbsten gemein was einer unrein. ob die andern wæren reht mit ir gebæren und mit heiligem leben, ob in got die êr hêt gegeben, des kan ich reht gewizzen niht, wan got hât mit den rehten pfliht, daz weiz ich sicherlîchen wol; die rehten di sint freuden vol. (Weltchronik, v. 22.285–94) Auch von den Vertretern des geistlichen Schwertes berichtet der Erzähler Frevelhaf­ tes. Damit stellt der Autor die Rechtmäßigkeit ihrer Einsetzung zwar nicht in Frage, beklagt indirekt jedoch ihre praktische Amtsausführung. Da er keine gesicherten Informationen geben kann, überlässt er es dem Publikum, die folgenden Geschichten zu deuten und auf eigenes Handeln hin auszulegen. Die Papstgeschichten hat der Autor in absteigender Hierarchie nach der Schwere ihrer Vergehen geordnet. Der Geschichte der Päpstin (v. 22.285–320) folgt die Erzäh­ lung vom Teufelspapst Sylvester, der als Partner des Höllenfürsten schließlich zer­ stückelt wurde (v. 22.321–678). Anschließend folgt Papst Leo, dem die Zunge heraus­ getrennt wurde (v. 22.679–90). Die Reihe wird mit weiteren Päpsten fortgeführt, die mit dem Teufel im Bund standen, zu großen Wissensdrang hatten (v. 22.703–10), nicht lesen und schreiben konnten (v.  22.711–18) oder in großer Verschwendung lebten (v. 22.720–41).

60 Honorius Augustodunensis: Catalogus romanorum pontificum, Sp. 244. 61 Vgl. Weltchronik, S. 435.

Prosapartien 

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2.2  Die Ordnung der Sprachen: Sprachenspiegel Der ‚Sprachenspiegel‘ beendet als ethnographisch-geographische Gesamtschau den welt- und heilsgeschichtlichen Abriss der Chronik. Er steht an der Schnittstelle zur Lokalgeschichte und gehört zu den enzyklopädisierenden Bausteinen des Textes. Als solcher weist dieser Überblick über Völker und Sprachen der Zeit eine doppelte Struk­ tur auf. Zum einen gibt er ausgehend von der Babylonischen Sprachverwirrung eine Zusammenschau der christlichen Sprachen und ihrer Völker. Zum anderen entwirft er eine Skizze der deutschen Dialekte.62 Obwohl der Sprachenspiegel in Versen verfasst ist, soll er hier als ein wichtiges Strukturelement des Textes behandelt werden. Der Autor greift, und damit wird sein universalgeschichtlicher Anspruch noch einmal unterstrichen, das Motiv der alttestamentlichen Sprachverwirrung auf und berichtet von den 72 Sprachen, die unter den Menschen kursieren. Dabei greift er zunächst das Thema ‚Religion‘ auf, denn er trennt die Sprache der Christen von der der Juden und Heiden. Er nennt hier das Hebräische und begründet die Trennung der jüdischen von der christlichen Sprache mit der Lehre vom mehrfachen Schriftsinn: kristen, juden, heiden zwâr habent die selben zungen gar. die zung wil ich bescheiden von juden und von heiden. dâ was ein zung under, die nenn ich iu besunder, diu was von jüdischer ê. si hêten dhein zung mê. ir sprâch was ebraisch genant. in was nimêr sprâch bekant. dâ von sint si gescheiden von kristen und von heiden. si habent ouch wunderlîchen sit, dâ wellent si sîn behalten mit: des müezen si betœret sîn, daz si nimmer dheinen wîn trinkent mit der kristenheit;

62 Einen ähnlichen Überblick über die Sprachen gibt Hugo von Trimberg im ‚Renner‘. Hier gibt der Autor Folgendes für die Klassifizierung der Einzeldialekte an: Ein ieglich lant hât sînen site, / der sînem lantvolke volget mite. / An sprâche, an mâze und an gewande / ist underscheiden lant von lande. / Der werlde dinc stêt über al / an sprâche, an mâze, an wâge, an zal. (v. 22.259–64). Im Anschluss zählt auch Hugo die einzelnen Regionen auf, wobei Abweichungen im Vergleich zu Jans auftreten. Darüber hinaus setzt sich Hugo auf sehr viel detailliertere Weise mit den Dialekten auseinander. Vgl. Hugo von Trimberg: Der Renner, hg. von Gustav Ehrismann. Bd. 3. Berlin 1970.

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 Die Ordnung des Stoffes

daz sî iu allen vor geseit. (Weltchronik, v. 27.377–94) Entsprechend sind es die Juden, die aufgrund mangelnder Erkenntnis auf der Ebene des Buchstabensinnes verhaftet bleiben müssen und nie vom Wein der Erkenntnis trinken werden.63 In Anlehnung an das Pfingstwunder der Apostelgeschichte64 greift Jans das Motiv der unterschiedlichen Sprachen auf und erklärt seinem Publikum die zwölf christlichen Sprachen, entsprechend den zwölf christlichen Stämmen65 und signalisiert damit die Auserwähltheit des christlichen Volkes: doch lêr ich iu erkennen, die zwelf will ich iu nennen, die dâ kristen sint genant; daz si iu werden bekant, des ich guoten willen hân. (Weltchronik, v. 27.395–99) Damit bekundet der Autor nicht nur seine Kenntnis einfacher exegetischer Methoden, sondern nimmt das typologische Grundmuster von Verheißung und Erfüllung auch für die Chronik in Anspruch. Danach setzt er sich und die gegenwärtige Geschichte deut­ lich in die Zeit nach dem Kreuzestod, in die Zeit wahrhafter Erkenntnis. Aus dieser Per­ spektive ist der anschließende kurze Abriss der ihn umgebenden Sprachen zu lesen. Zu den zwölf christlichen Sprachen gehören nach der Klassifikation des Autors die Sprachen der Walhen (v.  27.400) und der Wind (v.  27.409), die diutsch sprâch (v. 27.419), die Sprache der Riuzen (v. 27.560) und der Kriechen (v. 27.571). Die sehst zung findet man ze Bêheim (v. 27.579f.), eine weitere in Polân (v. 27.595), bei den Schotten (v. 27.603), in Ormenie (v. 27.612), bei den môren (v. 27.619), bei den Franzoys (v. 27.631) und die zwölfte schließlich in Ungerlant (v.  27.641). Damit umreißt der Autor nicht nur seinen Horizont, sondern weist deutlich darauf hin, dass er die Vorstellung einer ordenung (v. 27.420) der Sprachen hat. Zudem kann er einige Regionen wie Ungarn, Polen, Russland, Frankreich näher spezifizieren, da sie ihm aufgrund von Handelsund Austauschbeziehungen vertraut sind. Von anderen, wie den môren, hat er nur eine vage Vorstellung. Ausgehend von den einzelnen Sprachgemeinschaften nimmt er ethnographische Beschreibungen vor, indem er typische Kleidung, Sitten und Essgewohnheiten beschreibt: Die Italiener tragen Hauben, weite Röcke und führen ein christliches Leben; die Wenden, obwohl sie nach christlichen Bräuchen leben, bringen sich gegenseitig um; die Deutschen werden ausführlicher beschrieben; die

63 Vgl. Otfrid von Weißenburg: Evangelienharmonie, Ad Liutbertum, 115–120. 64 Vgl. Apg 2,1–4. 65 Vgl. Gen 29,31–30,24; Gen 35,23–26; Gen 49,1–27.

Prosapartien 

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Russen feiern die Messe nach einem anderen Ritus als die Wiener; die Griechen sind sehr reich, haben aber keine Glocken; die Böhmen haben kurze Haare, trinken in kurzer Zeit viel Bier und sind sehr gute Wirte; unter den Polen sind die Mönche die edelsten; auch unter den Schotten gibt es viele Mönche; die Armenier sind sehr gute Christen; die Mohren verhalten sich wie die Narren; die Franzosen beherrschen ihr Land sehr gut, haben viele Ritter und sind gute Krieger; die Ungarn haben weniger Ritter, aber viel mehr Grafen in langen Röcken und mit langen Haaren. Die deutsche Sprache setzt der Autor an die dritte Stelle und unterteilt sie in weitere Dialekte. Dabei nennt er nicht nur die ihm bekannten deutschen Regio­ nen, sondern beschreibt vor allem ihre Besonderheiten, gibt Auskunft zu Kleidung, Lebensgewohnheiten, Brauchtum. Die Franken beispielsweise wellent guot kristen sîn (v. 27.459), die Thüringer lebent nâch kristenlîchem sit (v. 27.473), die Meißner sint wârhaft liute (v. 27.477), die Beiern sind gFtig liute (v. 27.509–11). Jans entwirft in enzy­ klopädischer Tradition eine Landkarte mit geographischem und ethnologischem Wissen. Folgende Gebiete sind ihm bekannt: Swâben (v.  27.423), Wetrey (v.  27.427), Franken (v.  27.457), Sahsen (v.  27.461), Dürgen (v.  27.469), Mîchsner (v.  27.475), Tyrol (v. 27.501), Görz (v. 27.503), Beiern (v. 27.509), Kerndner (v. 27.523), Stîrer (v. 27.531) und Œsterrîch (v. 27.538). Es verwundert nicht, dass der Autor auch die deutschen Dialekte in zwölf Gebiete aufteilt, was ihre christliche Dignität, die er innerhalb der Aufzäh­ lung immer wieder betont (diu diutsch sprâch […] kan niht kristenlîcher sîn (v. 27.419– 21)) zusätzlich hervorhebt und seinen Versuch, eine universalhistorische Sicht ein­ zunehmen, unterstreicht. Dabei dringt er von einer makrokosmischen Perspek­tive zu einer mikrokosmischen vor. Entsprechend liegt sein Hauptaugenmerk auf dem süddeutschen Raum. Er versucht, in ähnlicher Weise, wie er die Weltgeschichte in die Lokalgeschichte überführt, von der babylonischen Sprachverwirrung ausgehend, eine christliche Begründung und Einteilung der Sprachen von universaler bis auf regionale Ebene vorzuführen.

2.3  Die Ordnung der Könige: Babenbergische Genealogie Die Babenbergische Genealogie ‚Von den kunigen‘ gibt nach dem Sprachenspiegel der Völker einen Überblick über die weltlichen Regenten in Form einer Genealogie der Könige von Karl dem Großen bis zu den Babenbergern. Auch hier werden die Zeiten von Regierungsantritt und -ende angegeben. Entsprechend heißt es von Karl dem Großen: dar nach starb kaiser Karl von gotes geburt acht hundert jar und zwelf jar. Darnach sein sun Ludweig wart kaiser nach gotes gepurt acht hundert jar und fFnfzehen jar.66

66 Weltchronik, S. 539.

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 Die Ordnung des Stoffes

Die dynastische Abfolge von Karl dem Großen bis zu den Babenbergern steht inso­ fern im Mittelpunkt, als ein reichspolitisches Denken und die Weltreichstheorie einerseits, andererseits die lokalgeschichtliche Bindung an die Babenberger unter­ strichen werden. Daneben weisen detaillierte Angaben wie die Todesursachen der österreichischen Herzöge auf genaue Kenntnisse des Autors. So berichtet Jans, dass Leopold  V. das Schottenkloster gestiftet habe, Leopold  VI. nicht nur ein mächtiger Herrscher über Österreich und die Steiermark war, sondern zudem Richard Löwen­ herz, den König von England, gefangen genommen habe. Auch die Todesursache wird benannt: dar nach der selb herzog Leupolt viel von einem pfaerd sich ze tod.67 Die Auflistung der einzelnen Könige liefert einen faktischen Abriss. Je näher der Autor seiner Gegenwart kommt, desto genauer kann er einzelne Details anfügen, greift aber nicht auf Anekdotisches oder Schwankhaftes zurück. Während die Regierungszeiten der karolingischen und salischen Herrscher mit dar nach ward, ez reichset oder dar nach starb eingeleitet werden, folgt für die babenbergischen Herrscher die Mahnung nu merkt, nu suellt ir euch merken oder dar nach suellt ir wizzen.68 Damit fordert er sein Publikum zu aufmerksamer Rezeption und zum Behalten des Gesagten auf. Lokalund regionalgeschichtliche Aspekte gehören neben ihrer rein memorialen Funktion zu jenem Wissen, das abrufbar sein sollte.

3  Zusammenfassung Die beschriebenen Prosapartien bilden das Gerüst der Chronik, an das Erzählungen angelagert werden. Die Verbindung verweist auf jene Spannung zwischen Historizität und Fiktionalität, die die Chronik bestimmt. Historizität ist formal durch die Gattung vorgegeben. Vor allem im Gegensatz zum höfischen Roman um 1300, der um Histori­ zität bemüht ist, findet in den Verschroniken eine Auflösung ihrer Bedingungen statt. Setzt man, wie Mathias Herweg exemplarisch gezeigt hat, Namennennung, Quel­ lenberufung und eine externe Chronologie als Merkmale von Historizität an,69 zeigt sich, dass sich der Autor der Weltchronik von diesen distanziert. Namen, historische Figuren und Chronologie tauchen zwar allenthalben auf. Dennoch ist der Autor nicht durchgängig um exakte Daten bemüht. Das Publikum erfährt in vielen Fällen weder die Namen von Nebenfiguren noch bekommt es genauere Informationen über ihre Herkunft (vgl. die Tochter des Riuzenkönigs; die römische Bürgerin, die Vergil im Korb hängen lässt; die Frau Karls des Großen; die verheiratete Gräfin von Friedrich von Antfurt etc.). Daneben bleiben in vielen Fällen auch die Quellenberufungen vage. Oft betont der Autor, das Eine oder Andere gehört, irgendwo gelesen zu haben oder nicht

67 Weltchronik, S. 545, v. 1.193. 68 Weltchronik, S. 539f. 69 Vgl. Herweg: Wege zur Verbindlichkeit, S. 138–143.

Zusammenfassung 

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genau zu wissen. Und schließlich scheint auf den ersten Blick auch die Monarchienund Weltalterlehre nicht komplett ausgeführt. All dies erweckt den Eindruck, der Autor sei kein Chronist bzw. greife auf rudi­ mentäre Kenntnisse zurück. Bei genauerem Hinsehen jedoch zeigt sich, dass hier eine bewusste Komposition von historia und fabula stattfindet, die sich nicht zuletzt formal im Wechsel zwischen Vers und Prosa enthüllt. Der Autor agiert überall dort historisch exakt, wo ihm dies notwendig erscheint: in den Rahmendaten, und er stützt diese prosaisch ab. Diese Daten bzw. Fakten, die den Text strukturieren, ver­ ankern ihn nicht nur fest in der chronistischen Tradition, sondern verleihen ihm den Anstrich des Enzyklopädischen, wie er für die spätmittelalterliche Literatur kenn­ zeichnend ist.70 Entsprechend wird die heilsgeschichtliche Perspektive durch Welt­ alter und –reiche eröffnet, werden die Sprachen der Welt skizziert und die geistli­ chen Herrscher von Anfang bis Ende aufgeführt. Unter dieser Prämisse vermittelt die Chronik in den prosaischen Einschüben summarisch ‚Welt- und Geschichtswissen‘, die Erzählungen hingegen Erfahrungswissen. Thematisch stehen genealogische Aspekte wie die Chronologie der Herrscher bis zu den Babenbergern und die Aus­ stellung einzelner Herrscher im Mittelpunkt und vermitteln historische ‚Verbindlich­ keit‘. Letztere wird durch die flüchtige Einhaltung reihenkonstituierender Merkmale bestärkt. Die Fiktionalisierung der Chronik zeigt jedoch, dass Gattungsgrenzen zwi­ schen höfischem Roman und narrativer Geschichtsschreibung im 13.  Jahrhundert zunehmend verwässert werden.

70 Vgl. Hugo Kuhn: Versuch einer Literaturtypologie des deutschen 14. Jahrhunderts, in: Stefan Sonderegger (Hg.): Typologia litterarum. Festschrift Max Wehrli. Freiburg / Br. 1969, S. 261–280, dort S. 276. Mathias Herweg hat jüngst die Perspektiven einer „‚Poetik‘ enzyklopädischen Erzählens“ ab dem 13. Jahrhundert aufgezeigt und darauf hingewiesen, dass für die Gattungsgeschichte nicht nur die späthöfischen Romane, sondern auch die historiographischen Texte zu berücksichtigen seien. Vgl. Mathias Herweg: ‚Verwildeter Roman‘, S. 80.

III  Ordnungsmuster 1  Die Ordnung der Geschlechter Entlang der beschriebenen Gliederungsprinzipien werden in der Weltchronik Erzählun­ gen angelagert, in denen bekannte Erzählmuster und -motive aufgegriffen und vari­ iert werden. Die Episoden tragen, wie Horst Wenzel bereits 1980 beschrieb,1 Züge der schwankhaften Märendichtung, die u. a. in den Texten des Strickers vorgeprägt sind. Ein inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf den Geschlechterverhältnissen, familialen Ord­ nungen und Minnebeziehungen, in denen Rollenverhalten und -verteilung thematisiert sowie Zuschreibungen von Männlichkeit und Weiblichkeit durchgespielt werden.2 Die Grundkonstellation Mann-Frau-Minnewerber wird dabei häufig verhandelt. Geschichten um Begehren und Ehebruch, Keuschheit und Gewalt, Sexualität und List werden in verschiedenen Varianten und mit Blick auf unterschiedliche Kon­ stellationen erzählt, so dass Fragen nach der christlich-mittelalterlichen Eheauffas­ sung sowie nach einer Phänomenologie des Weiblichen allgemein berührt werden. Im Text finden sich Darstellungen bekannter Frauensklaven, die libidinöse Weib­ lichkeit und männliche Gewalt gegen ‚keusche, verfolgte‘ Frauen thematisieren.3 Ihre Neuinterpretation gehört zum Bestand der jansschen Erzählungen. Ähnlich wie in der Märendichtung des 13. Jahrhunderts werden die Beziehungen zwischen Männern und Frauen auch in den volkssprachlichen Verschroniken zu einem Feld, auf dem die Regeln des menschlichen Zusammenlebens erprobt werden. In Anleh­ nung an den höfischen Roman und zugleich als Abgrenzung werden diese Themen aufgegriffen, weniger um höfische Vorbildlichkeit zu demonstrieren, sondern um Geschichten zu erzählen, die überkommene Vorstellungen verzerren. Vor dem Hin­ tergrund konkreter Ordo-Vorstellungen wird der Blick für die Funktionsweise vitaler Ordnungen sensibilisiert. Die folgenden Beispiele sollen anhand der Paarbeziehun­ gen die Spielarten mittelalterlichen Rollenverständnisses veranschaulichen. Zudem werden diese Konstellationen und die narrativen Überschreitungen der Ordnung auf ihre Funktion hin befragt.

1 Vgl. Wenzel: Höfische Geschichte, S. 89; Karl Bartsch: Kleine Mitteilungen, in: Germania VIII (1863), S. 36–50, dort S. 46. 2 Die ‚Ordnung der Geschlechter‘ ist in den letzten Jahren auf der Basis der Arbeiten von Michel ­Foucault, Thomas Laqueur und Judith Butler auch am Beispiel mittelalterlicher Texte themati­ siert und untersucht worden. Vgl. Kap. III.2.1 dieser Arbeit; Melanie Uttenreuther: Die (Un)ord­ nung der Geschlechter. Zur Interdependenz von Passion, ‚Gender‘ und ‚Genre‘ in Gottfrieds von Straß­ burg ‚Tristan‘. Bamberg 2009 (Bamberger interdisziplinäre Mittelalterstudien 2). 3 Kiening spricht in Bezug auf Crescentia vom Motiv der ‚keuschen, von ihrem Schwager begehrten Frau‘, vgl. Christian Kiening: Unheilige Familien. Sinnmuster mittelalterlichen Erzählens. Würz­ burg 2009 (Philologie der Kultur 1), S. 87–104, dort S. 87.

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 Ordnungsmuster

1.1  Verführerinnen Superbia: Adam und Eva Bereits in der Schöpfungsgeschichte der Weltchronik wird dem Rezipienten als Basis­ konstellation eine Situation vorgeführt, die  – die biblische Vorlage weit übertref­ fend – Eva in Misskredit bringt. Durch die ausführliche Schilderung des Sündenfalles wird der Blick auf den Kampf um die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern gelenkt. Am Beginn der Episode übergibt Gott Adam Eva: ‚viel lieber friunt, froun Even man, ich enpfilch dir daz wîp ûf dîn sêl und dînen lîp, daz dû ir pflegest alsô wol, als ein frumer man sol pflegen sînes wîbes, ir êren und ir lîbes. alsô enpfilch ich dir Evâ dînen man aldâ, daz du pflegest sînes lîbes wol, als ein frum wîp sol.‘ (Weltchronik, v. 550–560) Das wechselseitige enphëlhen (v.  551; 557) und die Formulierungen als ein frumer man / frum wîp sol nehmen Bezug auf den sexuellen Unterschied und die Aufgaben­ verteilung, die, da sie bekannt ist, nicht mehr ausformuliert werden muss. In den folgenden Versen verweist Gott auf die patriarchalische Ordnung:4 ‚Evâ, ich tuon dir mêr bekant: ich enpfilch dir aber dînen man. dû solt im wesen undertân beidiu tac unde naht, als ich mir vor hân gedâht. […]‘ (Weltchronik, v. 568–572) In der naturrechtlichen Argumentation der mittelalterlichen Theologen sind in Adam und Eva die Aufgaben für beide Geschlechter vorgegeben. Entsprechend formulierte Augustinus in De Genesi ad litteram, dass die Frau durch die Hervorbringung von Nachkommen nur einem einzigen Zweck  – im Gegensatz zur mehrfachen Bestim­

4 Jans zitiert damit die paulinische Auffassung vgl. 1. Tim 2,11–14: Eine Frau soll sich still und in aller Unterordnung belehren lassen. Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht, auch nicht, dass sie über ihren Mann herrscht; sie soll sich still verhalten. Denn zuerst wurde Adam geschaffen, danach Eva. Und nicht Adam wurde verführt, sondern die Frau ließ sich verführen und übertrat das Gebot.



Die Ordnung der Geschlechter 

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mung des Mannes – diene. Obwohl die naturstandgemäßen Pflichten der Frau ein­ deutig sind, wehrt sich Eva in der Weltchronik gegen diese Festlegung und kann nur allzu leicht von der Schlange verführt werden. Der Autor inszeniert sie damit als Erbin Lucifers, dessen Geschichte ein Kapitel vorher erzählt wird. In dieser Szene erhebt sich Lucifer als gefallener Engel gegen Gott und verhält sich wie Eva, wobei hier vor allem die Kennzeichen des Naturstandes Frau im Mittel­ punkt stehen. Eva lässt sich in Ermangelung tugendhafter staete schnell auf das Werben der Schlange ein. Während sie vor dem Gespräch mit Sathanas nicht explizit in Erscheinung tritt, dominiert sie nach ihrer Erkenntnis Adam umso mehr und erteilt ihm Befehle. Lucifers Komplize kann Eva, indem er ihr Macht und Herrschaft ver­ spricht, sehr leicht dazu verführen, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Als sie Adam auffordert Gleiches zu tun, will sie, dass Adam als wîse (v. 841) werde wie jener, der beschuof daz paradîse (v. 842). Indem Eva Adam mahnt, an die Stelle Gottes zu treten, wiederholt sie das Vergehen Lucifers und macht sich der superbia schuldig. Als Adam auf das Gebot Gottes hinweist, fährt sie ihn an: ‚swîc und iz den apfel sâ, und brichest dû hiut daz gebot, sô wirst dû schœner dann got. daz weiz ich von der wârheit, swem ez sî liep oder leit. solt ich niht lieber frou sîn, und daz der himel wære mîn und ouch daz paradîse, sô wær ich vil unwîse.‘ (Weltchronik, v. 862–870) Hier geht es nicht nur um das Vergehen gegen den Befehl Gottes, sondern um die Über­ zeichnung Evas als Inbegriff weiblicher Hybris. Indem sie Adam Befehle erteilt, werden die Verkehrung der Rollen und die Diffamierung der Frau als ungehorsam festgeschrie­ ben. Dies wird in der Erzählung durch Gott unterstützt, der Eva des Verrates an ihrem Mann bezichtigt – war umb hâst dû verrâten sâ dînen man und dînen lîp (v. 982f.) – und auf diese Weise ihre Unterordnung und Strafe für alle Zeiten proklamiert: Adam dîn herr müez wesen. ân in sô mügest dû niht genesen. dû müezt ouch heizen sîn wîp. an maht, an kraft sî dir der lîp krenker dann er im sî: elliu krancheit sî dir bî. der fluoch sî hiut dîn: undertân müezt dû im sîn.

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 Ordnungsmuster

als er dich mit ruoten welle bern, sô mügest dich sîn niht erwern, und alz daz von dir künftic sî, diu sîn des fluoches niht frî, daz einem ieslîchem man sîn wîp müez wesen undertân. daz hâst dû in verdienet zwâr. si füeren in der engel schar. alliu wîp und alliu kint, diu her nâch dir künftic sint, diu müezen dîn engelten. si geniezent dîn vil selten. (Weltchronik, v. 995–1.014) Eva wird, wie in der Tradition vermittelt, zur Schuldigen und muss sich auf immer bedingungslos ihrem Mann unterwerfen. In der Weltchronik steht der unbedingte Wille der Frau zur Herrschaft, der ihr einge­ schrieben ist, im Mittelpunkt. Adam sinkt als warnendes Beispiel zu einem Untergebe­ nen herab, der der Hilfe Gottes bedarf, um sich seiner Frau zu erwehren. Eine ähnliche Inszenierung in noch stärkerer Überzeichnung nimmt der Stricker vor, der Eva als übeles wîp5 und Adam als schwachen Ehemann darstellt. Hier aber sind durch das Genre gro­ teske Elemente bereits vorgegeben, so dass eine noch knappere Zeichnung der Figuren ausreicht, um das, was vermittelt werden soll, deutlich zu machen. In der Weltchronik wird das Lächerliche gattungsgemäß nicht erwartet, so dass die Einzelszenen stärker ausgeführt werden müssen, um die Konstellationen in ihrer Brisanz abzubilden. Am Ende der Episode ist die Ordnung so, wie sie sich in der Heilsgeschichte fortsetzt, ausgehandelt. In der Weltchronik wird die biblische Darstellung erweitert, indem auf die augustinische Begründung des Sündenfalles zurückgegriffen wird. Ent­ sprechend kann die Schlange einzig Eva und nicht Adam verführen, da sie, als Frau mit weniger Verstand ausgestattet, ihrer Libido eher erliegen muss.6 An der Eva-Figur wird superbia dargestellt, verbinden sich Begierde und Schwäche als Attribute, die im gesamten Mittelalter und darüber hinaus stereotyp für alles Weibliche zitiert werden. Auf diese Erzählung bauen in der Weltchronik weitere Frauenportraits auf, die den Sündenkatalog ausgestalten und ergänzen.

5 Der Stricker: Von übelen wîben, in: Franz Brietzmann: Die böse Frau in der deutschen Literatur des Mittelalters. Berlin 1912 (Palaestra 42), S. 15–41, dort v. 145f. 6 Vgl. Augustinus: De Genesi litteram XI, xlii, 58, in: PL 34, Sp. 245–486; Margarete Hubrath: Eva. Der Sündenfall und seine Folgen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Ulrich Müller; Werner Wunderlich (Hg.): Verführer, Schurken, Magier. St. Gallen 2001. (Mittelaltermythen 3), S. 243–256.



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Superbia: Noahs Sohn und seine Frau Die Reise in der Arche wird in der Weltchronik als Variation des Sündenfalls geschil­ dert und oszilliert zwischen Begehren und Gehorsam. Das figurale Dreieck bilden Noah, Noahs Sohn und dessen Frau. Nachdem Noah und seine Familie die Arche bestiegen haben, macht er seinen Kindern noch einmal deutlich, dass er das Schiff bauen musste, weil die Diener Gottes sich mehrfach vergangen hatten. Noah beginnt seine Aufzählung mit der Erinnerung an Lucifer, der sich aufgrund seiner hôchfart (v. 1.905) der Abkehr von Gott schuldig gemacht hatte und verstoßen wurde. Einzig diemuot hätte ihn aus seinem Dilemma befreien können. Noah warnt seine Kinder vor einer Wiederholung dieser Sünden, die als sinnliche Begierden und Fleischeslust erklärt werden, was auf die dreifache Begierlichkeit – Sinneslust, Verführung durch äußeren Schein und Hochmut – Bezug nimmt.7 Strukturell ist Noah das Bindeglied zwischen den Geschichten, denn er verfügt über Vorwissen. Als Noah auf Geheiß Gottes die Arche belädt und das Schiff ablegen soll, gerät ein Teufel mit an Bord, wie auch die Miniatur der Regensburger Handschrift, fol. 12rb, zeigt. Im Bild wird deutlich, dass die Frau Noahs den Einlass des fremden Passagiers begünstigt.

Abb. 3: Regensburg, Fürstl. Thurn und Taxissche Hofbibliothek, Ms. Perg. III, fol. 12rb: Noah belädt die Arche. 7 Vgl. 1. Joh 2,15f.: Liebt nicht die Welt und was in der Welt ist! Wer die Welt liebt, hat die Liebe zum Vater nicht. Denn alles, was in der Welt ist, die Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und das Prahlen mit dem Besitz, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. In der Historia scholastica des Petrus Comestor findet sich folgende Stelle: Und besonders nannte der Herr die Männer, besonders die Frauen, als er vom Eintritt sprach [Gen 6,18]. Als ob er sagen wollte: In der Zeit der Heimsuchung soll man sich der Umarmung der Frau enthalten. Vgl. Petrus Comestor: Historia scholastica, Genesis, 33, Sp. 1159; Knapp: Die Literatur des Spätmittelalters, S. 244.

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 Ordnungsmuster

Da auf der Arche Gottes Gesetz befolgt werden soll, steht das züchtige Verhal­ ten der Passagiere im Mittelpunkt: Sie sollen für die Dauer ihres Aufenthalts frei von Sünden leben und enthaltsam sein. Der Teufel sieht seine Chance und versucht Noahs Sohn zu überreden, das Gebot des Vaters zu übertreten. Noah jedoch, misstrauisch gegenüber seinen Kindern, streut Asche auf den Weg zwischen den Zimmern. Dem Teufel fällt es leicht, Noahs Sohn und seine Frau davon zu überzeugen, dass sie sich in brennender Sehnsucht nach einander verzehren. In dieser Episode ist es der Mann, den der Teufel überzeugen muss, sich auf seinen Rücken zu setzen, um ihn zu seiner Geliebten zu bringen. Leichter war es dem Teufel, die Frau zu überreden: si sprach: ‚swaz dem mann mîn lieb ist, daz sol mîn will sîn.‘ do der frouwen willigiu wort der tiufel sô snell erhôrt, dô fuor er vil drâte zuo des mannes kemnâte. dar inn was Noê sun. (Weltchronik, v. 2.003–09) Schemagemäß bricht der Teufel am nächsten Morgen sein Versprechen und versagt Noahs Sohn die unbemerkte Rückkehr in seine Kammer. Diese Situation, in der die Liebenden bestürzt Geschehenes und Kommendes beklagen, ist als Adaptation einer Tageliedszene zu sehen.8 Der Vater lässt sich nicht täuschen und will Licht ins Dunkel der vergangenen Nacht bringen. Zunächst will er wissen, warum nur einmal Spuren in der Asche zu finden sind. Während in der Paradiesesszene die Gewalt Evas im Mittel­ punkt stand, geht es in dieser Geschichte um das Verlangen beider Partner. Entspre­ chend wollen beide einander beistehen, ihre Sünde bekennen und die Strafe auf sich nehmen. In der Überzeugung, die Frau sei zu ihrem Mann gegangen, verteufelt Noah irn vil bœsen kranken lîp (v. 2.346) und sieht so den Ausgang der Sünde bei ihr, reduziert sie aufs Körperliche und verurteilt ihren unsælic lîp (v. 2.370). Der Sündenfall wieder­ holt sich, wobei nicht hôchvart wie bei Eva, sondern luxuria, das Begehren, thematisiert wird. In beiden Episoden ist es der Teufel, der die Ordnung stört; und beide Male ist es die Frau, die zum Medium der Sünde wird. Obwohl auch hier ein Vergehen gegen das Gebot vorliegt, endet die Episode nicht mit der Bestrafung des Sohnes und seiner Frau, sondern mit der Bestrafung des Teufels, den Noah von der Arche jagt. In Anlehnung an Gottfrieds Tristan wird in der Episode das Motiv der ‚Mehlstreu­ probe‘ als Treueprobe aufgegriffen und variiert.9 Der Intrigant ist der Teufel, der nach

8 Vgl. auch Knapp: Die Literatur des Spätmittelalters, S. 244. 9 Vgl. Mehlstreuszene im ‚Tristan‘, vgl. v. 15.117–266. Zitiert nach: Gottfried von Straßburg: Tristan, hg. von Rüdiger Krohn. 3. Bde. Stuttgart 51996.



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vollbrachter Tat bestraft wird. Während es im Tristan um die Entdeckung der Liebe zwischen den Protagonisten geht und ihre Vergehen im Kontext eines vielschichtigen Komplexes zu sehen sind, wird in der Weltchronik die körperliche Lust des Ehepaares weniger komplex dargestellt. In Anlehnung an die Paradiesesszene geht es vielmehr um die Wiederholung der Verführung durch den Teufel, die im höfischen Roman, sieht man vom Liebestrank ab, nicht ‚von außen‘ motiviert werden muss. Das Muster Versuchung, Kontrolle und Entdeckung der Liebenden ist hier wie dort eingehalten, jedoch mit einem veränderten Schwerpunkt umgesetzt: In der Arche erkennen die Liebenden am Morgen selbst, dass sie entdeckt werden und warten auf das Erscheinen des Vaters. Gleichzeitig wird die Treueprobe parodiert, denn Noah sieht in der ausgestreuten Asche nur die Fußspuren, die in die Kammer seines Sohnes führen und verdächtigt daraufhin seine Schwiegertochter, nicht aber seinen Sohn. Seine Erwartung – und damit kommt es zu einem weiteren Betrug – wird zusätzlich dadurch übertroffen, dass sein Sohn ihn nicht nur betrogen, sondern zudem ein Bündnis mit dem Teufel geschlossen hat. Beide Motive aus dem Garten Eden – die Schlange als Verführerin (mich verriet der vâlant) und das körperliche Verlangen durch irn vil bœsen kranken lîp – tauchen hier wieder auf. Auf diese Weise wiederholt sich die Treueprobe und der Pakt mit dem Teufel, was auch durch die Zweiteilung der Erzählung deutlich wird. Während Noah nach der ersten Entdeckung bereit ist, dem Paar seine Schuld zu vergeben, wird er durch den Teufelsbund enttäuscht und die Probe, noch einmal erschwert, erneut nicht bestanden. Je tiefer die Protagonisten in die Aufdeckung ihres Vergehens verstrickt werden, desto mehr Heiterkeit erzeugen sie beim Publikum. Da auch die scheinbare Schwere ihres Vergehens am Schluss allein durch die Bestrafung des Teufels aufgelöst wird, steht der Betrug am Vater nicht mehr im Mittelpunkt. Zudem wird die eigentliche Treueprobe dadurch obsolet, dass kein Ehebruch, wie im Tristan, vorliegt, sondern, wie bei Adam und Eva, ein Verstoß gegen das Gebot des Vaters. Auf diese Weise wird die Sünde der Schöpfungsszene erneut thematisiert und mit Rückgriff auf das bekannte Erzählmotiv variiert. Die sündhaf­ ten Liebenden werden am Ende integriert, der Teufel als ‚Sündenbock‘ symbolisch aus der Arche verstoßen. Mit ihm und seiner ‚Opferung‘ leitet die Gesellschaft rituell negative Konfliktpotentiale ab. Die temporäre Krise hilft, Gewalt zu kanalisieren.10

Luxuria: Daniel und Susanna Neben den Verführerinnen greift der Autor der Weltchronik Frauen heraus, die auf­ grund ihrer zur Schau getragenen Weiblichkeit männliche Begierden wecken und,

10 Vgl. ausführlich dazu René Girard: Ausstoßung und Verfolgung. Eine historische Theorie des Sündenbocks. Frankfurt am Main 1992; Ders.: Figuren des Begehrens. Das Selbst und der Andere in der fiktionalen Realität. Aus dem Franz. von Elisabeth Mainberger-Ruh. Münster [u.  a.] 1999 (Beiträge zur mimetischen Theorie 8).

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 Ordnungsmuster

Lucretia vergleichbar, schuldlos schuldig werden. Susanna ist eine solche Figur, die ihren Verehrern zum Opfer fällt, die vergewaltigt, temporär ausgestoßen und schließlich, mit Gottes Hilfe, durch Daniel rehabilitiert wird. Die Brisanz der Episode wird dadurch gesteigert, dass vor der Tat in einer allgemeinen Gerichtsverhandlung beschlossen wird, wie Ehebruch künftig zu handhaben sei. Gemeinschaftlich spricht die Versammlung sowohl männliche als auch weibliche Verdächtige schuldig. Susanna wird als Frau Joachims vorgestellt: er hêt ouch ein schœn wîp, zühtic und rein was ir lîp, diu was genant Susannâ. (Weltchronik, v. 18.653–55) Der Erzähler erhebt das tägliche Ritual Susannas, sich an einem Quell im Garten zu waschen, zum Zeichen ihrer besonderen Reinheit: ir reincheit des niht enliez, si bereitet sich bî der zît, daz si in iren boumgarten wît gienc zuo einem ursprinc. vil rein was der frouwen dinc. si twuoc ir hende, ir antlütz, daz was ir zuo der reincheit nütz. daz hêt der altman ersehen unde kunt daz von ir spehen, daz si des morgens tougenlîch gienc in den garten wunniclîch, wan si hêt des guoten sit, der volget ir ze allen zîten mit, daz si ein gie und nieman mit ir lie. (Weltchronik, v. 18.686–700) Die Szene ist als Allegorie auf die Paradiessituation angelegt. Susanna provoziert, da sie sich unbeobachtet glaubt und ihre Schönheit offenbart, die „erotischen Blick[e]“11 ihrer männlichen Widersacher. Ein alter Mann beobachtet ihr Treiben, um sie schließ­ lich, wie er es mit seinem Komplizen ausgehandelt hat, zu überwältigen:

11 Horst Wenzel: Spiegelungen. Zur Kultur der Visualität im Mittelalter. Berlin 2009 (Philologische Studien und Quellen 216), S. 142.



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dô wârn die alten man über des garten zûn gegân und warten der schœnen frouwen dâ und kômen gegangen zuo ir iesâ. der ein sprach: ‚frou wolgetân, ir sült mich geniezen lân, daz ich iu bin mit triuwen holt und ir mir lieber dann golt. ich muoz hiut bî iu ligen hie, oder ich sag iu, wie iurem schœnen lîb geschiht. zwâr des lâz ich niht, ich sag vor dem teidinc, daz zwâr ein jüngelinc bî iu hie sî gewesen; zwâr sô mügt ir niht genesen.‘ (Weltchronik, v. 18.725–40) Bereits das Überschreiten des Zaunes zum Garten deutet symbolisch das Kommende an. Einfach und prägnant wird die Situation umrissen, zugleich aber ist sie gerade durch ihre Simplizität drastisch in ihrer Aussage. In der Szene werden Keuschheit und Begeh­ ren, Heiligkeit und Gewalt thematisiert. Der Mann überwindet bestehende Grenzen und bringt direkt sein Anliegen vor: formuliert Begehren und Drohung. Susanna will sich ihren Peinigern nicht ergeben, ruft laut um Hilfe und übergibt sich nach der Tat selbst der Menge, die über sie richtet. Augenscheinlich trifft sie Schuld, zudem behaupten die Täter, sie mit einem anderen beim Ehebruch überrascht zu haben. Schließlich kann Daniel sie retten, indem er die Lüge der Männer aufdeckt und Susannas Unschuld beweist: ‚seht, wie si an den lugen sint! nû sol an disen zwein ergân, daz si erliten solt hân, des sint si wærlîch wol wert. der frouwen lîp niht bôsheit gert, wan si ist ein reinez wîp, si hêt einen tugenthaften lîp.‘ dô wart her Joachim vrô, und lobten got von himel dô sîner êren manicvalt; si wart bî im in freuden alt. zehant wurdens beide versteinet ûf der heide. (Weltchronik, v. 18.836–48)

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 Ordnungsmuster

Im Mittelpunkt stehen der Ehebruch Susannas und vor dem Hintergrund der Luc­ retia-Geschichte die Frage ihrer Schuld an der Vergewaltigung.12 Susanna erscheint zunächst unschuldig, da die Täter bewusst und geplant handeln. Die Frage nach der Schuld hat Augustinus in De civitate dei ausführlich disku­ tiert, und erörtert, ob Frauen Lust bei der Vergewaltigung empfinden.13 Danach habe die Römerin Lucretia Gefallen daran gefunden, da sie aus einem schwächlichen Schamgefühl und aufgrund äußerer Maßstäbe den Tod wählte. Christinnen hinge­ gen, so Augustinus weiter, geben sich nach innen ganz Gott hin und können so ihre Keuschheit leben. Entsprechend ruft Susanna, anders als Lucretia, um Hilfe, um ihre Unschuld zu bezeugen und ihre Leidensfähigkeit unter Beweis zu stellen. Dennoch bedarf es der Unterstützung durch Daniel, da ihr allein nicht geglaubt wird. Susanna, die sich privat glaubt, zeigt ihre Weiblichkeit im Garten. Sie zieht so die Blicke der Männer auf sich und provoziert die „Augen-Lust“14, vor der die mit­ telalterlichen Theologen warnen.15 Allegorisch steht das Eindringen in den Garten für ihre Vergewaltigung. Diese Lesart diskursiviert den Ehebruch (Mt  5,28), seinen Beginn und die Schuldhaftigkeit der Frau. In der Weltchronik steht Susanna für den Naturstand ‚Frau‘. An ihrem Beispiel werden das Thema ‚Ehe‘ und damit verbundene Verhaltensregeln ausgeführt. Die Figur steht in einer Reihe mit Eva, Noahs Frau und Bathseba, die weitere Beispiele als Warnung für das Publikum liefern.

1.2  Verführte: Minnesklaven David und Bathseba Eines der bekanntesten Beispiele für die Wirkung weiblicher Schönheit und ihrer Macht ist die Geschichte um David und Bathseba,16 die in den Kanon der Verführe­ rinnen gehört. Anders als in der biblischen Vorlage erscheint Bathseba in der Welt-

12 Vgl. Kaiserchronik, v. 4.301–834. Entsprechend wird Lucretia Susanna als christlicher Antitypos und als Beispiel vorbildlichen Verhaltens in der spätmittelalterlichen Kunst gegenübergestellt, vgl. Irene Erfen: Honey turns to gall. Lucretia als Mythologem in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Michael Szczekalla (Hg.): Britannien und Europa. Studien zur Literatur-, Geistes- und Kulturge­ schichte. Festschrift für Jürgen Klein. Frankfurt am Main [u. a.] 2010, S. 11–27, dort S. 21f. 13 Vgl. Augustinus: De civitate dei I, 19. 14 Edith Wenzel: Die schuldlose Schöne und die schöne Schuldige. Batseba in mittelalterlicher Kunst und Literatur, in: Ulrike Gaebel; Erika Kartschoke (Hg.): Böse Frauen – Gute Frauen. Dar­ stellungskonventionen in Texten und Bildern des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Trier 2001 (LIR  28), S. 89–108, dort S. 91. 15 Liber de modo bene vivendi, ad sororem, in: PL 184, Sp.  1199–1306. Zitiert nach Wenzel: Die schuldlose Schöne, S. 91. 16 Vgl. Thomas Naumann: David und die Liebe, in: Walter Dietrich; Hubert Herkommer (Hg.): König David  – biblische Schlüsselfigur und europäische Leitgestalt. 19. Kolloquium (2000) der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften. Freiburg/Schweiz 2003, S. 51–83.



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chronik, die ein frühes Beispiel für diese Lesart liefert,17 als Minneherrin, die über den Werbenden bestimmt. Entsprechend entscheidet das schœne [...] wîp (v. 11.195), wann der König zu ihr zu führen sei – er warp um si biz an die zît, / daz si in zuo ir leit (v. 11.199f.). David ist von ihrer Schönheit überwältigt: ‚ich hân nie schœner wîp gesehen, des muoz ich von schulden jehen. sam mir sêl unde lîp, si muoz werden mîn wîp!‘ (Weltchronik, v. 11.195–98) Die Episode eröffnet eine Reihe von Ehebruchsgeschichten, in denen es per definitio­ nem um trianguläre Situationen zwischen Ehemann, Ehefrau und Minnewerber geht. Letzterer tritt als Verführer an die Stelle des Teufels. In dieser Episode wird zunächst ein Mann gezeigt, dessen Verlangen beim Anblick der Frau geweckt wurde. Setzt man die biblische Folie als bekannt voraus, wird die Akzentverschiebung, die die gegebene Schuld der Frau in den Vordergrund rückt, deutlich. Denn die Information, dass David Bathseba beim Bade beobachtete, gibt der Text nicht, sondern allein Bathsebas Schönheit wird fokussiert. Davids voyeuris­ tisches Zuschauen, das die männliche Lust hervor treibt, bleibt hingegen unberück­ sichtigt. Die gewaltsame Eroberung Bathsebas ist in der Weltchronik insofern höfisch überformt, als die Frau den Mann zu sich bittet. Mehr noch: dô wart si im unmâzen liep. si sleich zuo im als ein diep, sô er sie haben wolde und kurzwîln mit ir solde. (Weltchronik, v. 11.201–04) In dieser Szene verbirgt sich nicht nur das minnetypische Ideal des werbenden Mannes, wie es aus den höfischen Romanen und der Minnelyrik bekannt ist. Viel­ mehr wird die Frau zur Herrscherin über den Mann: David kann sich der Macht ihrer Schönheit nicht erwehren und muss somit in ihre Gefangenschaft geraten. Entspre­ chend gewinnt die Minneherrin ihren Minnesklaven.

17 Edith Wenzel sieht erste Belege für die Darstellung Bathsebas als Verführerin erst „in einigen Texten des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit.“ Hier „werden der biblische Text und seine Botschaft auf den Kopf gestellt. Nun wird Batseba beschuldigt, die aktive Rolle übernommen zu haben, indem sie sich mit voller Absicht als Badende präsentiert, um den König David zu verführen.“ Wenzel: Die schuldlose Schöne, S. 95. Jans’ Version ließe sich damit in eine Reihe mit dem Ritter vom Turn (1493) von Marquart von Stein und Hans Sachs’ Comedia mit 10 personen, der David mit Batseba im ehbruch, unnd hat fünff actus (1556) stellen.

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Was der Autor hier beschreibt, ist nicht die Übermächtigkeit der Minne, sondern die Macht der Frau, die sich in ihrer Körperlichkeit konstituiert. Obwohl der Topos des ‚Frauensklaven‘18 nicht in aller Ausführlichkeit zitiert wird, diente er implizit als Muster und war dem Publikum aus verschiedensten Darstellungen der antiken und der biblischen Literatur bekannt.19 Die Figuren und Geschichten wurden dem mittel­ alterlichen Rezipienten in verschiedenen Kompendien, Novellen oder auch Werken der bildenden Kunst (Wandteppichen, Minnekästchen etc.) immer wieder vorgeführt: der gesattelte Aristoteles, der geschorene Samson, David, der Bathseba begehrt, der von Salomes Tanz bezauberte Herodes etc.20 Schließlich wird auch der Grund für den Tod Urias’ in der Weltchronik bei der Minneherrin, Bathseba, gesucht: David, der, von ihr überwältigt, ihrer Schönheit zum Opfer fiel, begehrte sie für sich allein und kam so erst auf die Idee, Urias zu töten: Davit nam an der selben stat in daz hûs ze frouwen Bersabê. im wart sît noch ê nie sô liep dhein wîp; si was schœn über al ir lîp. dô im diu botschaft wart geseit, Urie tôt was im niht leit; daz er verlorn hêt den lîp, daz geschach alz durch sîn wîp, daz si Davit wolt alein und nieman mit im gemein. (Weltchronik, v. 11.274–84)

18 Vgl. Rüdiger Schnell: Causa amoris. Liebeskonzeption und Liebesdarstellung in der mittel­ alterlichen Literatur. München; Bern 1985 (Bibliotheca Germanica 27); Norbert Ott: Minne oder amor carnalis? Zur Funktion der Minnesklaven-Darstellungen in mittelalterlicher Kunst, in: Jeffrey ­Ashcroft [u.  a.] (Hg.): Liebe in der deutschen Literatur des Mittelalters. St. Andrews Colloquium 1985. Tübingen 1987 (Publications of the Institute of Germanic Studies 40), S.  107–125, dort S.  114; Friedrich Maurer: Der Topos von den ‚Minnesklaven‘. Zur Geschichte einer thematischen Gemein­ schaft zwischen bildender Kunst und Dichtung im Mittelalter, in: Ders.: Dichtung und Sprache des Mittelalters. Gesammelte Aufsätze. Bern; München 21998, S. 224–248. 19 Vgl. Irene Erfen: Phyllis. Zu einigen antiken Exempla des ‚Weibersklaven‘-Topos, in: Ulrich Müller; Werner Wunderlich (Hg.): Verführer, Schurken, Magier. St. Gallen 2001. (Mittelalter­ mythen 3), S. 751–776. 20 Darstellungen finden sich auf verschiedenen kunsthistorischen Zeugnissen: der Regensburger Teppich, der ‚Maltererteppich‘ aus Freiburg (um 1310/20) oder Minnekästchen, vgl. Erfen: Phyllis, S. 754; Eine Übersicht liefert Schnell, vgl. Schnell: Causa amoris, S. 480f.



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Dass Ehebruch im Kopf beginnt und damit die Schuld der Frau unumstritten feststeht,21 ist Gegenstand der Episode.22 Gleich mehrfach wird die Schuldzuwei­ sung ausgesprochen: daz Urjas hât verlorn den lîp  / durch Bersabê daz schœn wîp (v. 11.289f.); Urie tôt was im niht leit; / daz er verlorn hêt den lîp, / daz geschach alz durch sîn wîp,  / daz si Davit wolt alein  / und nieman mit im gemein (v.  11.280–84). Bathseba bleibt passiv, auch nachdem sie David verführt hat. Ihre Typologisierung als Ecclesia und Braut Christi wird in der Weltchronik aufgehoben. David büßt seine Tat und wird ein heiliger Mann. Das abrupte Ende unterstreicht die vorherige Schuld­ zuweisung zusätzlich. Durch die starke Positivierung und Entdramatisierung der Episode wird Davids Schuld gesühnt und seine Funktion als Typus Christi betont.23

Samson und Dalila Die Warnung vor der Macht der Frauen setzt sich in der Geschichte um Samson und Dalila fort. Entgegen der bekannten Episode aus dem Buch der Richter wird Dalila als Negativexempel, als das sie traditionell in der geistlichen und weltlichen Didaxe zitiert wird, entschärft.24 In der Weltchronik werden die Vorwürfe gegen Dalila aufge­ weicht, indem sie über ihr Verhalten reflektiert und an ihrer Tat zweifelt. Der Topos von Samson als Minnesklavem wird aus dieser Perspektive zum Teil aufgelöst und Dalila im Vergleich zur Darstellung im Alten Testament nahezu rehabilitiert. Samson erscheint weniger in der Funktion des von Gott Berufenen, sondern in der Rolle des Ehemannes, der seine Frau über alle Maßen liebt. Da er sie freilich mehr liebt als Gott, lädt er den Verdacht der Gottesferne auf sich: Er hêt ouch friundinn vil, die ich niht all nennen wil noch niht all nennen kan, under in ein wîp wolgetân was im ân mâzen liep. zuo der sleich er als ein diep, wan si was ein flætic wîp, ân mâzen schœn übr al ir lîp; dâ von er si ze konen nam,

21 Mt 5,27–32: Wie ihr wißt, heißt es im Gesetz: ‚Du sollst nicht die Ehe brechen!‘ Ich sage euch aber: Schon wer eine Frau mit begehrlichen Blicken ansieht, der hat im Herzen mit ihr die Ehe gebrochen. Wenn dich also dein rechtes Auge verführt, dann reiß es heraus und wirf es weg! Besser, du verlierst eins deiner Glieder, als daß du heil und unversehrt in die Hölle geworfen wirst. 22 Der augustinischen Argumentation folgend tragen aus dieser Perspektive Isolde, Sigune, Dido, vor allem aber Lucretia Schuld. Vgl. dazu: Augustinus: De civitate dei I,16–20. 23 Vgl. Wenzel: Die schuldlose Schöne, S. 90. 24 Vgl. Dorninger: Ein Plädoyer für Dalila?

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als sînen êren wol zam. si was im lieber dann got, vil gern behielt er ir gebot. (Weltchronik, v. 12.419–30) Gottesferne aus Liebe muss, wie dies an Samson gezeigt wird, ins Verderben führen. Im Vergleich zu David und Bathseba, die zu David als ein diep (v. 11.202) kommt, ist es hier Samson, auf den diese Aussage zutrifft (zuo der sleich er als ein diep)25. Nicht nur aus Gründen des Reimes verwendet der Autor die gleiche Formulierung wie in der vorherigen Situation. Täter und Opfer kommt die gleiche Bezeichnung zu. Bath­ seba verführte David und überwältigte ihn zunächst unbemerkt. Samson ist ebenfalls durch die Liebe zu Dalila gefangen, die hier bereits negativ konnotiert ist. Das Motiv des Minnesklaven wird variiert und die Geschichten paradigmatisch miteinander ver­ bunden.26 Auf der Wortebene wird durch ähnliche Begriffe wie liep, lîb, wîb, diep und nahezu parallele Verse Kohärenz hergestellt.27 Dalila gibt, wie Bathseba, dem unablässigen Werben ihres heidnischen Verehrers nach und plant den Mord ihres Ehemannes. Ihre List liefert ein Beispiel für gefähr­ liche Weiblichkeit. Zunächst ist Dalila die von ihrem Mann und von ihrem Werber verehrte Frau. Lobpreisend schildert der heidnische Adlige ihre weiblichen Vorzüge, die äußerlich vom Kopf bis zu den Füßen sichtbar sind und mit ihrer besonderen Tugendhaftigkeit in Einklang stehen. Dalila sitzt in der Haltung der Verführerin am Fenster und führt eine kokette Unterhaltung mit dem fremden Werber, rät ihm umzu­ kehren. Sie bedauert schließlich ihre staetecheit und die Gunst, die sie durch ihren Mann erfährt und die sie nun in starke Konflikte bringt. Sie beklagt den bevorstehen­ den Ehebruch, der jedoch schnell außer Frage scheint: Dô sprach diu frou guot ûz trûrigem muot:

25 In ähnlicher Form taucht das Bild im Friedrich von Schwaben auf (Vgl. ‚Friedrich von Schwaben‘, hg. und komm. von Sandra Linden. Konstanz 2005, dort v. 1.004, v. 2.516, v. 4.444 sowie den Kom­ mentar S. 421.) 26 Kohärenz definiert Elisabeth Stuck als „Bedeutungszusammenhang zwischen einzelnen Text­ ele­menten, welcher dadurch entsteht, dass diese Elemente durch Wiederholungen implizit mitei­ nander verknüpft werden.“ Vgl. Elisabeth Stuck: Kohärenz, in: Reallexikon der deutschen Lite­ raturwissenschaft 2  (2000), S.  280–282, dort S.  280; dazu auch Armin Schulz: Fremde Kohärenz. Narrative Verknüpfungsformen im ‚Nibelungenlied‘ und in der ‚Kaiserchronik‘, in: Harald Hafer­ land; ­Matthias Meyer (Hg.): Historische Narratologie – mediävistische Perspektiven. Berlin; New York 2010 (Trends in medieval philology 19), S. 339–360, dort S. 342f., 354–357. 27 Der Vergleich der Minne mit einer Diebin, die um die Häuser schleicht, ist aus dem Tristan Gottfrieds bekannt (v.  12.290–95). Während es hier darum geht, die Geringschätzung der Liebe auszudrücken, steht bei Bathseba und Samson die Heimlichkeit des Vorgehens im Mittelpunkt. Darüber hinaus wird deutlich gemacht, dass derjenige, der von der Minne willkürlich getrieben ist, wie ein Dieb handelt.



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‚âwê mîner stæticheit! sol ich di brechen, dâst mir leit, gegen mînem getriuwen man, der mir nie leit hât getân und mich ie hêt für alliu wîp.‘ (Weltchronik, v. 12.631–37) Deutlich beschwert sie sich im Folgenden über ihren bœse[n] lîb (v. 12.641), den sie nicht disziplinieren kann und dessen Verlangen sie schließlich nachgibt, wofür sie bestraft wird. An dieser Stelle wird wiederum implizit die augustinische Argumenta­ tion in Bezug auf die Frage, warum sich die Schlange im Paradies zuerst Eva näherte, aufgegriffen. Und wiederum scheint die Antwort, dass die Frau, da sie mit weniger Verstand ausgestattet ist, nach dem Lustprinzip handele.28 Trotz dieses Wissens wird Dalila zur Verräterin an Samson. Indem sie ihm das Geheimnis seiner Kraft abringen kann, liefert sie ihn geschoren dem Werber aus. Die Miniatur in der Regensburger Handschrift auf fol. 72vb fasst die Situation zusammen: Samson schläft vertrauensvoll in Dalilas Schoß, während sie ihn seiner Macht, die im Bild durch die Dicke seiner Haare dargestellt wird, beraubt. Ihr Mann weist mit dem Finger auf Samson, der passiv Opfer der Frau wird.

Abb. 4: Regensburg, Fürstl. Thurn und Taxissche Hofbibliothek, Ms. Perg. III, fol. 72vb: Dalila schneidet Samson die Haare.

28 Vgl. Augustinus: De Genesi ad litteram XI, xlii, 58, in: PL 34, Sp. 245–486, dort Sp. 452.

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Dennoch schützt Dalila ihn aus Treue und Dankbarkeit vor dem Tod, so dass ihm nur das Augenlicht genommen wird. Während der Hochzeit bringt Samson den Palast des neuen Paares zum Einsturz. Unter den Trümmern werden schließlich alle begraben. Dalila erliegt nicht nur ihrer Schönheit, sondern auch den Verlockungen des Reichtums und des gesellschaftlichen Aufstiegs, der hochvart. Der fremde Heide, der die Funktion des teuflischen Verführers einnimmt, kann sie in Versuchung führen und zur Tat verleiten: ich hêt brûn, wîz, mermlîn, rôt gefüeret zuo einem palast, den ich dir schôn hêt verglast, vil edliu herzoginne; dâ müest dû küniginne mit êren în sîn gegân. zehen tûsent dienstman müesten dîner genâden gern, ob dû mich, frou, woldest gewern, und zwei tûsent frouwen – die maht dû gern schouwen –, die müesten dir sîn undertân und dar zuo allez daz ich hân, alliu jâr bezzer dann vert. (Weltchronik, v. 12.664–77) Dalila wird wie Eva geprüft und versagt. Sie steht im Spannungsfeld zwischen weibli­ cher Sinneslust (Trieb) und ehelichen Verpflichtungen (Gesellschaft). Dennoch unter­ scheidet sich ihre Darstellung in der Weltchronik von der biblischen Tradition, da sie nicht allein als skrupellose Verführerin erscheint, sondern ihre Versuchung und das Ringen um ihre Tugendhaftigkeit episch breiter auserzählt werden. Aus dieser Perspektive ist Maria E. Dorninger zuzustimmen, die am Beispiel dieser Episode beschrieben hat, dass Jans von Wien der Erzählung um Dalila und Samson das misogyne Potential nimmt.29 Dorninger hat darüber hinaus einen Bezug zur geistlichen Literatur hergestellt, da auch Gottfried von Admont in einer Homilie zum 42. Palmsonntag die Geschichte um Samson und Dalila zugunsten der Frau auslegt.30 Während Samson Christus und sein Leiden präfiguriert, steht Dalila für die gesamte menschliche Natur, die in Adam und Eva ihren Ursprung findet. Der Wohnort Dalilas, das Tal Soracte, steht für das Paradies, in das böse Geister – der Teufel – eindringen.

29 Vgl. Dorninger: Ein Plädoyer für Dalila? 30 Vgl. Gottfried von Admont: Homilia XLII in Dominicam in Palmis quarta. De Samsone et Dalila (Judic. XVI), in: PL 174, Sp. 275–288.



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Hinter der Frage nach der Stärke Samsons steht die Frage nach dem Mysterium der Menschwerdung. Die Befreiungsakte Samsons werden als diejenigen Christi – Inkarna­ tion, Tod, Auferstehung – ausgelegt.31 Gottfried von Admont deutet Dalila vor diesem Hintergrund als Auserwählte, als gute Seele, die die Stärke Gottes erfahren will, und parallelisiert sie mit der Kirche. Dalila erwartet und ersehnt, wie Maria, die Ankunft des Menschensohnes, die sich in der Offenbarung Samsons vollzieht. Davon getrennt betrachtet Gottfried die negative Seite Dalilas, die Samson ins Verderben führt: Sie ist die treulose Synagoge, die Christus abweist. Typologisch bedient Gottfried von Admont mit seinem Kunstgriff zwei Typen: Ecclesia und Syna­goge  – zwei Seiten, die Dalila vereint. Die Geschichte impliziert in der Palmsonntagspredigt die Leidenszeit Christi, die durch den Judas-Verrat eingeleitet wird. Beide Facetten Dalilas, die Entscheidung zum einen oder anderen, werden dem Publikum vorgeführt. In der Weltchronik wird die Geschichte um Samson nicht nur in eine höfische Umgebung verlagert, sondern vor allem der in der Bibel tradierte Vorwurf an Dalila gemindert, sie sei Verführerin und Verräterin. Folglich ist die Dalila-Episode vorder­ gründig nicht als Negativexempel für Frauenlist und Verrat zu verstehen und erscheint in der erzählten Variante weniger frauenfeindlich. An Dalila und in ihrem Ringen mit sich selbst zeigen sich die Bedrängnisse menschlichen Daseins, die sie in Anlehnung an Eva zur Präfiguration der Kirche werden lassen.

Alexander der Große Die Geschichten um Alexander den Großen, die in der mittelalterlichen Literatur umfassend tradiert wurden, nehmen auch in der Weltchronik breiten Raum ein.32 Im Text werden die legendarischen Taten Alexanders, wie der Zug zum Paradies (v.  18.977–19.224), die Tauchfahrt ins Meer (v.  19.235–440), die Greifenfahrt zum Himmel (v.  19.441–570), das Gespräch mit den Bäumen, der Sonne und dem Mond (v. 19.601–44) in ähnlicher Abfolge wie in Ulrichs von Etzenbach Alexanderdichtung erzählt.33 Darunter findet sich eine Episode, die Alexander in Abhängigkeit von einer Frau darstellt, die er über alle Maßen liebt. Im Text heißt es: doch hêt er friundinn genuoc. under in ein die krôn truoc, diu im die liebst was under in,

31 Vgl. Dorninger: Ein Plädoyer für Dalila? 32 Vgl. Alfred Ebenbauer: Antike Stoffe, in: Volker Mertens; Ulrich Müller (Hg.): Epische Stof­ fe des Mittelalters. Stuttgart 1984 (KTA 483), S. 268–281; Manfred Kern: Alexander, in: Ders.; Alfred Ebenbauer (Hg.): Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters. Berlin; New York 2003, S. 38–54. 33 Vgl. Ulrich von Etzenbach: Alexander, hg. von Wendelin Toischer. Tübingen 1888. Neudruck Hildesheim 1974.

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der truoc er vil hôhen sin, wan si was ein flætic wîp und wol gestalt umb iren lîp. zuo der sprach er mit sinne: ‚dû bist ein küniginne!‘ vil dick er ir vor lieb swuor. swâ der künic mit her hin fuor, dâ muost si allez mit im varn; vor lieb kund er niht gebârn gegen der küniginne sô er sie wolt minnen. (Weltchronik, v. 19.235–48) Alexander kann zwischen mehreren Frauen wählen und entscheidet sich für die, deren körperliche Vorzüge ihn reizen. Die minne bringt ihn in jene Abhängigkeit, die ihm zum Verhängnis wird. Alexander fordert die Frau auf, ihm Treue zu schwören: ‚getar ich mich an dich verlân, schœniu frou wolgetân, daz dû dîn triu, dîn êre an mir behaltest sêre, sô wil ich lîp und leben in dîn hant geben.‘ (Weltchronik, v. 19.253–58) Mit der Bitte um diesen Schwur verkehren sich die gegebenen Machtverhältnisse. Alexander bemüht die Frau um ihre Treue zu ihm, er tritt als Bittsteller an sie heran, um zu erflehen, was längst klar sein sollte. Darüber gibt er sein Leben, nicht nur als Lehensmann, in ihre Hände. Das hat fatale Folgen. Auch die Frau schwört Treue bis über ihren Tod hinaus. Alexander, der sich darauf verlässt, besteigt, um die Wunder des Meeres zu erkunden, seine Taucherglocke. Die Symbolik ist deutlich: Die zurück­ gelassene Frau hält ihn, der in der Glocke wie in einem Käfig sitzt – die keten nim dû in die hant,  / dîn triu ich hân vil wol bekant (v.  19.339f.) –, als Zeichen seiner Abhängigkeit an einer Kette und soll ihn auf das verabredete Zeichen hochziehen. Die Frau nimmt erneut die oberste Machtposition ein. Sie rückt an die Stelle Gottes, da sie die einzige ist, auf die Alexander vertraut und in deren Hände er sein Leben gibt. Auf diese Weise geht es hier um Gottesferne und vanitas, bekannte Motive der Alexander­darstellungen, die in der Weltchronik auf eine Minnehandlung übertragen werden und diese diskreditieren. Nach drei Tagen und Nächten, die Alexander in der Taucherglocke verbringt und die Wunder des Meeres bestaunt, erscheint ein Werber vor der Königin, um sie zu seiner Herrin zu machen:



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‚ich wil dich mêre êrn dan Alexander. dû bist ein frou êrbær und bist schœn unde junc. tuo von der keten einen sprunc und var mit mir ze land heim, ich mach dich frou dâ alein. Alexander hât vil friundinn zuo dir, edliu küniginn […].‘ (Weltchronik, v. 19.376–84) Mit verschiedenen Argumenten, von denen das Machtversprechen eines ist, verheißt der Fremde ihr sein Land und seine Bewohner. Die Miniatur der Regensburger Hand­ schrift verdeutlicht die ambivalente Situation, da das Dreiecksverhältnis im Zentrum steht und Alexander in der Glaskugel unterhalb des Bootes gezwungen ist, an Werbung und Betrug teilzuhaben.

Abb. 5: Regensburg, Fürstl. Thurn und Taxissche Hofbibliothek, Ms. Perg. III, fol. 108va: Alexander bestaunt die Wunder des Meeres, während seine Frau ihn betrügt.

Das anschließende kurze Ringen der Frau gibt Einblick in ihre Bedrängnisse, die sich, ähnlich wie in der Dalila-Darstellung, aus ihren Verpflichtungen Alexander gegenüber ergeben. Sie zweifelt nicht daran, dem Werber zu folgen, thematisiert aber ihren Dienst, den sie Alexander nicht aufkündigen möchte. Schließlich wirft sie die Kette ins Meer, folgt dem Heiden und überlässt Alexander den Fluten. Auch in Ulrichs von Etzenbach Alexander lässt Roxane die Kette, an der die Glaskugel mit Alexander hängt, fallen. Hier tötet Alexander einen Hahn, um, da das Meer alles Tote ausspeit, wieder an die Oberflä­ che zu gelangen. In der Weltchronik tötet er eine Katze, und das vom Blut des Tieres auf­ gewühlte Meer spült ihn sicher an Land. Auch in der Kaiserchronik wird in aller Kürze von der Tauchfahrt und untreuen Männern, die die Kette ins Meer warfen, berichtet:

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in einem glasevazze liez er sich in daz mer fram. nâch im wurfen sîn ungetrûwe man die keten alsô fraissam. (Kaiserchronik, v. 543–546) Die Erzählung um Alexander den Großen reiht sich in die Aufzählung um die Frauen­ sklaven-Episoden ein. Unbeständigkeit, Wankelmut und Gier werden hier als Phäno­ mene des Weiblichen beschrieben. Alexander, der die Welt beherrscht, verlässt sich auf das Treueversprechen einer Frau, die, kaum bietet sich die Gelegenheit, sich auf einen neuen Werber einlässt. Die Abhängigkeit symbolisiert die eiserne Kette, an der Alexander, in die Taucherglocke eingesperrt, wie später Vergil im Korb, hängt. So wie die Frau die Kette nicht halten kann, hält sie auch die gegebenen Versprechen nicht und überlässt Alexander seinem Schicksal. Verschiedene Motive, wie das ‚gebro­ chene Versprechen‘ oder die ‚habgierige Frau‘, werden hier zitiert. Die Geschichte vom gehörnten Ehemann, der sich auf seine Frau nicht verlassen kann, wird mit den Taten Alexanders des Großen verbunden.

Vergil im Korb Über die Herkunft des Zauberers Clinschor heißt es in Wolframs von Eschenbach ­Parzival: sîn lant heizt Terre de Labûr: von des nâchkomm er ist erborn, der ouch vil wunders her erkorn, von Nâpels Virgilîus. Clinschor des neve warp alsus. (Parzival 656, 14–19)34 Diese Passage deutet bereits die im 12. Jahrhundert einsetzende Etablierung der Vergilsage und die damit verbundene Uminterpretation des vormaligen poeta laureatus an.35 Während Vergil spätestens seit der Spätantike und anschließend seit der

34 Zitiert nach Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe, mhd. Text nach der 6. Ausgabe von Karl Lachmann, Übersetzung von Peter Knecht. Berlin; New York 22003. 35 Vgl. zur Vergil-Sage: Der keiser und der kunige buoch oder die sogenannre Kaiserchronik, Gedicht des 12. Jahrhunderts, hg. von Hans Ferdinand Massmann. Dritter Theil. Quedlinburg; Leipzig 1854, S. 433–460; Franz Josef Worstbrock: Vergil, in: 2VL 10 (2001), Sp. 247–284; Otto Neudeck: ­Vergil in deutschsprachiger Literatur um 1300: Ein Zauberer und Magier in heilsgeschichtlicher Funktion, in: Germanica Wratislaviensia LXXXV (Acta Universitatis Wratislaviensis No 1164, Mikrofiche  7), S. 41–49, dort S. 42.



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intensiven Beschäftigung der Karolinger mit dem antiken Erbe zum Propheten Christi erhoben, als Kenner der Wissenschaften gepriesen und als Musterautor der Stiltheo­ rie den mittelalterlichen Kanon dominierte, erfolgt hier eine Umdeutung seiner Quali­ täten. Sie steht konträr zu der von Augustinus vertretenen Auffassung, dass Vergil und seine Aeneis in den Kontext christlicher Heilstypologie gehören. Vergil gerät im Gegensatz zu dieser Interpretation in den Verdacht der Zauberei, der Nekromantie, die ihm fortan anhaftet. Die ältesten Zeugnisse der fabulösen Vergil-Figur sind auf die angelsächsische Überlieferung zurückzuführen.36 Wolfram deutet in den bereits angeführten Versen eine Verbindung zwischen Vergil und Clinschor an, die der Sage nach darauf basieren, dass Vergil als der Beschützer Neapels eine Flasche mit dem Bild der Stadt erschaffen hatte. Solange diese unversehrt blieb, konnte auch die Stadt Neapel nicht eingenommen werden.37 Vergil ist auch im Parzival nicht mehr nur der Weise, Wissende, sondern verfügt über nekromantische Fähigkeiten und beherrscht, als gefährlichste Form der Zauberei, die Schwarze Kunst. In der Literatur des 12. Jahrhunderts findet verstärkt ein polemischer Umgang mit der Figur statt. Vergil pflegt nicht nur Umgang mit dem Teufel, sondern erschafft eine weissagende Statue für die Stadt Rom, kreiert eine bronzene Fliege, erfindet ein prophetisches Haupt und gründet die Stadt Neapel.38 Allerdings werden nicht nur die Erfindungen und Zaubereien Vergils tradiert. Vor allem die Erzählung über seine Liebe zur römischen Kaisertochter, die zuweilen auch als Tochter Neros firmiert, bestimmt das narrative Gedächtnis. Im Gegensatz zur Kaiserchronik wird die Geschichte um den Nekromanten Vergil ausführlich erzählt (v. 23.695–24.224). Vergil findet ein Glas mit 72 Teufelchen, die ihn in der Kunst der Zauberei unterrichten (v. 23.710–64). Er erschafft in Rom eine Statue (v. 23.765–78). Er hängt im Korb einer römischen Bürgerin (v. 23.780–960) und rächt

36 Vgl. Johannes von Salisbury: Policraticus I,4; Apokalypsis Goliae; Alexander von Neckham: De naturis rerum II 174; Albert von Stade: Chronica, v. 19, zitiert nach: Die Chronik des Albert von Stade. Übers. von Franz Wachter. Leipzig 1896, in: Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit; Bd. 72, 2. Gesamtausgabe 1940; S. Domenico Comparetti: Vergilio nel medio eva. 2 Bde. Neuausgabe von Giorgio Pasquali. Firenze 1937; 1941. Einen (nicht mehr ganz vollständigen) Überblick über die Text­ zeugnisse liefern John Webster Spargo: Vergil the Nigromancer. Cambridge 1934, S. 60–68; Jan M. Ziolkowski; Michael C. J. Putnam (Hg.): The Virgilian Tradition. The first fifteen hundred years. New Haven; London 2008, S.  825–1024; Burghart Wachinger: Sängerkrieg. Untersuchungen zur Spruchdichtung des 13. Jahrhunderts. München 1973 (MTU 42), S.  17, 24f.; vgl. auch Karl Ludwig Roth: Über den Zauberer Virgilius, in: Germania 4 (1859), S. 257–298. Comparetti hat den Ursprung der Vergil-Sage in Neapel wahrscheinlich gemacht und ist dafür aufgrund fehlender Textzeugnisse vor dem 14. Jahrhundert kritisiert worden. Vgl. Comparetti: Vergilio, S. 219; zur Kritik vgl. Spargo: Vergil, S. 309; Neudeck: Vergil, S. 42. 37 Vgl. Susann Tuchel: Macht ohne Minne. Zu Konstruktion und Genealogie des Zauberers ­Clinschor im Parzival Wolframs von Eschenbach, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litera­ turen 231 (1994), S. 241–257. 38 Vgl. Worstbrock: Vergil.

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sich an ihr (v. 23.961–24.138). Er gründet Neapel (v. 24.139–56) und erfindet ein Zauber­ bild (v. 24.157–224), das reich macht. Die Weltchronik berichtet nicht nur vom Heiden Vergil, der die Zauberei beherrscht, sondern auch, woher er die Künste hat: Ein man ze Rôm saz alsus, der was genant Virgilius. der was ze Rôm alsô kluoc, daz er zoubers vant genuoc. als ich iuch wil bescheiden, er was ein rehter heiden. an rehtem glouben was er blint. er was gar der helle kint. (Weltchronik, v. 23.695–702) Die christlich-prophetische Verwurzelung Vergils bleibt hier unberücksichtigt, vielmehr wird er als Spross der Hölle bezeichnet, der einen Bund mit den Teufeln schließt.39 Der Dichter wird aufgrund seines unbändigen Wissensdranges diskredi­ tiert. Um seine gewonnenen Fähigkeiten auszuprobieren, erschafft Vergil in Rom eine steinerne Statue: von kunst, diu hêt einen lîp, swanne ein schalc, ein bœser man wolde ze einem wîb gân, daz er gie zuo dem steine, der bœs, der unreine, daz im was bî des steines lîp, reht als ez wær von art ein wîp. (Weltchronik, v. 23.770–76) Eine der bekanntesten Geschichten ist jene, die als Vergil im Korb verhandelt wird und zu einer Variante der Episoden um die Frauen- oder Minnesklaven gehört.40 Die frü­ heste volkssprachliche Darstellung dieses Schwankexemplums, in dem das Motiv der

39 Das Motiv des Teufelsbundes taucht auch in den Papstgeschichten wieder auf. Vgl. Kap. III.3.2. 40 Vgl. Spargo: Virgil, S.  136–197; Franz Josef Worstbrock: Virgil im Korb, in: 2VL 10  (1999), Sp.  379–381; Leander Petzoldt: Virgilius Magus. Der Zauberer Virgil in der literarischen Tradi­ tion des Mittelalters, in: Ursula Brunold-Bigler; Hermann Bausinger (Hg.): Hören Sagen Lesen Lernen. Bausteine zu einer Geschichte der kommunikativen Kultur. Festschrift für Rudolf Schenda zum 65. Geburtstag. Bern [u. a.] 1995, S. 549–568, dort S. 556f.; Gesine Mierke: Virgil im Korb, in: Wolfgang Achnitz (Hg.): Deutsches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter. Bd. 5: Epik (Vers – Strophe – Prosa), und Kleinformen. Berlin; New York 2013, Sp. 534–537.



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unschuldig verfolgten Frau mit dem der Rache des Minnewerbers verschränkt wird, liefert die Weltchronik.41 Jans von Wien erzählt seinem Publikum die Geschichte von Vergil, der eine römische Bürgertochter und Ehefrau begehrt und sie bittet, daz si sînen willen taet (v. 23.789). Auch nachdem sich die Römerin mehrfach von ihm abwendet, gibt Vergil nicht auf. In ihrer Bedrängnis wendet sich die treue Frau an ihren Mann, der ihr zu einer List rät: ‚[…] sag im er, er müg niht schier in daz hûs komen zuo dir, ich hab dich in starker huot. sprich: ‚mich dunket guot, daz ich iu lâz einen korp ze tal. dar in sô sitzt ir ân schal. diu sorg iuch vil gar verbirt, wan sîn nieman innen wirt. iurn willen tuon ich sicherlîch. ûf ziuch ich iuch frôlîch in den turn, den ich hân. iuwern willen wilich begân.‘ sô er siht den willen dîn, sô wil er gar ân angst sîn.‘ (Weltchronik, v. 23.847–60) Sie befolgt seinen Rat und Vergil kommt in der Hoffnung auf baldige Erfüllung seiner Wünsche ihrer Einladung nach. Doch der Zauberer erreicht sein Ziel nicht, da er bis zum nächsten Tag am Turm im Korb hängen bleiben muss. Hier sehen ihn nicht nur die Römer. Der Ehemann weist ihn persönlich auf seine Schmach hin, befreit ihn aber schließlich aus seiner Situation. Die Miniatur zeigt Vergil in der Rolle des Opfers, der, sich im Korb versteckend, aus der Gemeinschaft exkludiert und von dieser verhöhnt wird. Schwer getroffen sinnt er auf Rache an der Römerin.

41 Die Rache des Magiers taucht in späteren Bearbeitungen des Stoffes wie in der Verserzählung Von Virgilio dem Zauberer (um 1495), (überl. Quart-Druck: [Nürnberg, P. Wagner, um 1495], Ex. Mün­ chen, UB, Cim. 71/1) oder in der hebräischen Weltchronik The Book of Memory, auch The Chronicles of ­Jerahmeel (1325) (überl. in Oxford, Bodleian Library, ms. Heb. D.11), auf. Vgl. dazu Eli Yassif: Virgil in the Basket. Narrative as hermeneutics in Hebrew literature of the Middle Ages, in: Deborah A. Green (Hg.): Scriptural exegesis. The shapes of culture and the religious imagination. Essays in honour of Michael Fishbane. Oxford 2009, S. 245–267.

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Abb. 6: Regensburg, Fürstl. Thurn und Taxissche Hofbibl., Ms. Perg. III, fol. 136ra: Vergil im Korb.

Dieser erste Teil der Erzählung war bekannt und wurde vielfach rezipiert, um eine Facette der Weiberlisten vorzuführen.42 Der zweite Teil der Erzählung, die Rache des Magiers, wird in der Weltchronik erstmalig auf Vergil übertragen und in der Volksspra­ che erzählt.43 Diese Episode wurde in der Kunst und in der Literatur des Mittelalters wenig tradiert.44 Für den zweiten Teil der Episode wird in der Weltchronik, wie die Miniatur bereits andeutet, der Ehemann als Hüter der Frau institutionalisiert, so dass die eigentlich weibliche Tücke nicht mehr im Zentrum steht. Die Schilderung der Rache Vergils trägt stärker dazu bei, den Zauberer abzuwerten, weniger die List der Frau vorzuführen.

42 Vgl. Ott: Minne oder amor carnalis?, S.  107–125; Maurer: Der Topos von den ‚Minnesklaven‘, S. 224–248. 43 Gautier von Metz erzählt in der Mappemonde (1245) von der Rache des Zauberers, allerdings ohne Bindung an die Korbgeschichte. Vgl. dazu Roth: Über den Zauberer, S. 274. 44 Daneben taucht die Rache in der anonymen lateinischen Erzählung Quomodo Virgilius fecit ignem exire de vulva filie Neronis auf (Arras, Bibl. Mun., Ms. 184, 13. Jahrhundert; Paris, Bibl. Nat., ms. lat. 6186, 13. Jahrhundert); vgl. Spargo: Vergil, S. 372f.



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Während der von seiner Reiterin verhöhnte Philosoph Aristoteles sich auf eine Insel zurückzieht und ein Buch über die Listen der Weiber schreibt,45 gibt sich Vergil grausamen Rachegelüsten hin. Zunächst raubt er den Römern das Feuer und lässt in Rom das Licht erlöschen. Sie können nicht kochen, nicht backen, nichts sehen; ihre Kinder und sie selbst drohen zu verhungern. Nur der Zauberer vermag es, diesem Zustand Abhilfe zu schaffen. Da er diese Situation heraufbeschworen hat, wartet er auf ihr Hilfegesuch und vor allem darauf, die Römerin zur Verantwor­ tung ziehen zu können. Damit beginnt in der Weltchronik eine Passage, die der Zurschaustellung einer öffentlichen und mehrfachen Vergewaltigung gleichkommt. Um die Römer zu retten, muss die Ehefrau, der von keiner Seite (auch nicht von der ihres Mannes) Hilfe geleis­ tet wird, auf die Forderung Vergils eingehen und sich selbst opfern. Dennoch ist nicht nur die Frau das Opfer, sondern durch ihre symbolische Vergewaltigung erfährt auch der Mann öffentliche Demütigung. Ihr Körper wird bestraft, was gleichzeitig den Mann, den Bruder, die Familie betrifft.46 Vergil zieht demnach nicht nur die Frau, die sich ihm verschlossen hat, zur Verantwortung, sondern zugleich den Ehemann, der ihn – eben­ falls öffentlich – aus seiner misslichen Korblage befreite. Die Szene der Rache wird zum grausamen Prozess, der an der Frau vollzogen wird und sie in jeglicher Hinsicht zerstört: nû hœret, wie ir wirt tet. er wolt des niht erwinden, er hiez die frouwen binden. daz gewant hiez er ir ab ziehen, des moht sie niht enpfliehen. er stalt sie nider ûf den stein. ir scham was niht klein. dâ muost diu frou mit schal daz fiur geben über al, wan si muost ûf dem stein stân, des wolt man sie niht erlân. der ein truoc ein kerzenlieht dar, der ander unslit zwâr. der dritt truoc einen schuop, der vierd ein boschen loup.

45 Vgl. Wolfgang Stammler: Der Philosoph als Liebhaber, in: Ders.: Wort und Bild. Studien zu den Wechselbeziehungen zwischen Schrifttum und Bildkunst im Mittelalter. Berlin 1962, S. 12–44, dort S. 15. 46 Vgl. Ingrid Bennewitz: Lukretia, oder: Über die literarischen Projektionen von der Macht der Männer und der Ohnmacht der Frauen. Darstellung und Bewertung von Vergewaltigung in der ‚Kai­ serchronik‘ und im ‚Ritter vom Thurn‘, in: Dies. (Hg.): Der frauwen buoch. Versuche zu einer feministi­ schen Mediävistik. Göppingen 1989 (GAG 517), S. 113–134, dort S. 124.

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der fünft truoc ein buchel her, der sehst einen brant swær. alsô zunten sie all samt. daz was der froun ein bitter amt. (Weltchronik, v. 24.116–34) Zur Präsentation des nackten Körpers kommt die Zurschaustellung des weiblichen Hinterteils, mit dem der Ekel vor Körperausscheidungen sowie pervertierte Lüste ver­ bunden sind, so dass diese Geste, die Vergil von der Frau fordert: und sült daz aftermuoder zwâr hinden ûf lesen gar und an allen vieren stân. zehant sô sol wîp und man zünden vor dem hindern teil (Weltchronik, v. 24.081–85) als Geste tiefster Demütigung und Entwürdigung der Frau zu lesen ist.47 Die Miniatur zeigt diesen Akt, der in seiner bildlichen Codierung die Warnung verstärkt. Obwohl Vergil im Korb als Beispiel für die List der Frauen rezipiert wurde,48 deutet sich eine Umakzentuierung an. Die Vergil-Geschichte ist als Bestandteil des typologi­ schen Schemas ‚Weiber- oder Minnesklave‘ in theologische Argumentationen einge­ bunden. Diese sind einem gebildeten Publikum in vielfältiger Form aus dem Alten Testament und der Literatur bekannt. Vergil fällt seiner Liebeswut zum Opfer. Er muss wie David die Frau um jeden Preis besitzen. Wie Aristoteles ist Vergil der Weise, dessen Gelehrsamkeit in Jansʼ Geschichte durch die Verkehrung seiner Fähigkeiten in Zauberei gebrochen wird. Darüber hinaus kann er sein Begehren nicht steuern. Über den dem Publikum bekannten Topos der

47 Vgl. Adrian Stähli: Der Hintern in der Antike. Kulturelle Praktiken und ästhetische In-szenie­ rung, in: Claudia Benthien; Christoph Wulf (Hg.): Körperteile. Eine kulturelle Anatomie. Reinbek bei Hamburg 2001, S. 254–274, dort S. 255; Hans Peter Duerr: Der Mythos vom Zivilisationsprozess. Bd. 3: Obszönität und Gewalt. Frankfurt am Main 1993, S. 148–157. Darüber hinaus deutet sich hier eine Umwertung paganer Fruchtbarkeitsrituale an. Das Feuerentzünden am Hinterteil oder der Vulva der Frau wird in der Weltchronik als grausame Strafe inszeniert, der das positive Potential genommen ist. Eli Yassif stellt dies wie folgt heraus: „Here the taking of fire from woman’s genitalia goes from being a demonstration of power – as one who bears within the source of life – to an act of humiliation and rape. We have to understand the development of the tale of Virgil in medieval European folk traditions, inter alia, in light of Christianity’s struggle against the pagan culture of the ancient world.“ Yassif: Virgil in the Basket, S. 250. 48 Eine stärkere Akzentuierung erfährt die List in der Bearbeitung des Books of Memory. Hier ist der Ehemann gar nicht an der Rache-Geschichte beteiligt, da er außer Landes ist. Die List und auch die Ausführung der Tat gehen allein von der Frau aus. Zur Story vgl. Yassif: Virgil in the Basket, S. 245–247.



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Abb. 7: Regensburg, Fürstl. Thurn und Taxissche Hofbibl., Ms. Perg. III, fol. 137ra: Vergils Rache.

Frauenlist hinaus wird Vergil zum Nekromanten, der eine treue Ehefrau ins Verder­ ben stürzt. In der Weltchronik ist der Topos dahingehend verkehrt, dass das Publikum stärker über das Schicksal der Frau erschrocken sein muss, weniger über ihre List. Sie verhält sich durchaus standesgemäß und wird wegen der von ihr nicht bewusst eingesetzten Verführungskünste zum Opfer. Obwohl die Frau nicht auf das Drängen des Mannes eingeht, wird sie, da sie zur Bloßstellung Vergils beigetragen hat, für ihr Verhalten bestraft, indem öffentlich ihre Weiblichkeit präsentiert und der patriarcha­ lischen Gesellschaft geopfert wird. Ihr bleibt, wie Lucretia oder Crescentia,49 keine andere Wahl: Die öffentliche Forderung Vergils gilt nicht nur als Schande für die Betroffene, sondern für die gesamte Familie. Sie ist in den Verdacht des Ehebruchs geraten. Gibt sie dem Willen Vergils nach, wird ihr soziales Umfeld durch sie entehrt. Verweigert sie sich aber, fallen ihr eine Anklage als Ehebrecherin und ihre Bestrafung trotzdem zu. Ein Ausweg aus dieser Konstellation ist kaum möglich. Der Autor über­ spitzt die Situation dahingehend, dass er den Römern zusätzlich das Licht nimmt und dessen Wiedererlangung an die Bestrafung der Frau bindet. Auf diese Weise ist die Ausweglosigkeit der Frau durch die obszöne und brutale Strafe übersteigert. Das standardisierte Wissen um die Person Vergil wird in der Episode vollstän­ dig verkehrt. Diese christliche Abwertung des Dichters hat in theologischen Aus­ einandersetzungen immer wieder stattgefunden. Dabei wird Vergil als Heide ver­ urteilt. Die Verehrung Vergils als Weiser hingegen, der alles Weltwissen umspannt und als Prophet der Geburt Jesu gilt, wurde mit der Verkündigung Jesu durch Paulus

49 Zu Lucretia vgl. ausführlich Kap. V.2.

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p ­ arallelisiert.50 Entsprechend wird Paulus, der von seinen Jüngern in einem Korb die Stadtmauer hinab gelassen wird (Apg 9,25), zur figura für Vergil, die prophetisch den Erlöser verheißt. Diese Typologie ist die wohl älteste, die sich mit Vergil verbinden lässt. Daneben verbreitet sich der Topos des Minnesklaven, der den weiblichen Ver­ führungskünsten in Analogie zu Samson, Salomo, David, Alexander oder Aristoteles zum Opfer fällt.51 Beides dürfte dem mittelalterlichen Publikum bekannt gewesen sein und steht als Folie hinter dem Narrativ der Weltchronik. Beide Topoi funktionieren hier aber nicht mehr, da der vormalige Antitypus Vergil umgedeutet wird. Vergil ist kein christlicher Prophet, sondern ein negativer Magier, der scheinbar einer Frauen­ list (bzw. der List des Ehemannes) zum Opfer fällt. In Vergil verbinden sich Neugier und Tabu, da der Gelehrte als Nekromant an die Grenzen des zu Wissenden gerät und diese überschreitet. Hier findet sich einer der Gründe, die den ‚verkehrten‘ Propheten durch Frauenhand zu Fall bringen. Die Frage, warum Jans von Wien die Vergilgeschichte in dieser Form erzählt, soll mit Hilfe der Darstellung der Episode auf einer Ofenkachel des AugustinereremitenKlosters in Freiburg im Breisgau beantwortet werden. Die Fragmente des Ofens, die auf die Episode um Vergil im Korb rekurrieren und die Rache des Magiers wiederge­ ben, wurden 1982 entdeckt und beschrieben.52 Sie sind vermutlich zwischen 1350 und 1450 entstanden.53 Auch hier werden die verschmähten Gelüste Vergils vorgeführt und die öffentliche, mehrfache Schändung der römischen Bürgerin fokussiert. Aus moraldidaktischer Perspektive hätte das Motiv des Vergil im Korb, der zum Minne­ sklaven stilisiert wird, mahnende Wirkung auf die Mönchsgemeinschaft ausüben sollen. Georg Friedrich Kochs Vermutung, dass der Grund für die Rezeption der Rachehandlung, die bis dahin wenig tradiert wurde, in der besonderen Drastik des Motivs zu suchen sei, ist als Erklärung nicht ausreichend.54 Die Verbildlichung der Rache lässt weitere Vermutungen zu. Handelt es sich hier um ausgeprägte misogyne Tendenzen, die als zusätzliche Abschreckung vor der Macht der Frauen dem Text eingeschrieben wurden? Wohl kaum, denn die Negativ­

50 Vgl. Erfen: Phyllis, S. 768. 51 Vgl. Minnesklaven-Kataloge in den Meisterliedern: RSM 5, Regb/4/508a; RSM 3, Frau 2/67a. 52 Vgl. Sophie Stelzle-Hüglin: Vergil und die Kaisertochter oder die Rache des Zauberers. Gedan­ ken zu einem spätmittelalterlichen Ofenkachelmotiv aus der Latrine des Augustinereremiten-Klosters in Freiburg im Breisgau, in: Sebastian Brather [u. a.] (Hg.): Archäologie als Sozialgeschichte. Stu­ dien zu Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft im frühgeschichtlichen Mitteleuropa. Festschrift für Heiko Steuer zum 60. Geburtstag. Rahden 1999, S. 299–306; Dies.: Von Kacheln und Öfen. Untersu­ chungen zum Ursprung des Kachelofens und zu seiner Entwicklung vom 11. bis zum 19. Jahrhundert anhand archäologischer Funde aus Freiburg im Breisgau. Freiburg 1997. 53 Vgl. Stelzle-Hüglin: Vergil und die Kaisertochter, S. 301. 54 Vgl. Georg Friedrich Koch: Virgil im Korbe, in: Werner Gramberg [u.  a.] (Hg.): Festschrift für Erich Meyer zum 60. Geburtstag, 29. Oktober 1957. Studien zu Werken in den Sammlungen des ­Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg. Hamburg 1959, S. 105–121.



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konnotation Vergils rückt stärker in den Vordergrund. Selbstverständlich bleibt die Warnung vor fleischlichem Begehren, dennoch scheint eine Abkehr von einer zu starken misogynen Ausrichtung stattzufinden. Die ‚Rache‘ transportiert demnach auch die Warnung vor Unrechtshandlungen an Frauen, die nach der Verführung statt­ gefunden haben, womit für die Mönche eine doppelte Begründung geliefert wird, sich nicht mit dem weiblichen Geschlecht einzulassen. Ein ähnlicher Interpretationszu­ sammenhang ließe sich auch für das Publikum der Weltchronik heranziehen. Darüber hinaus baut der Autor mit dem Topos des Weibersklaven eine Typologie auf, wobei die figura eine Entsprechung in der Gegenwart aufweisen muss. Diese findet sich in der Chronik in der Geschichte von Friedrich von Antfurt, der wie Vergil eine verheira­ tete Frau begehrt. Darüber hinaus existieren verschiedene Entsprechungen im Alten Testament. Der Typos, der als Prophet auf die Heilsgeschichte verweist, deutet in der Erzählung der Weltchronik als Warnung auf die menschlichen Bedrängnisse. Der Weise Vergil wird zu einer Negativfigur, die bedingungslos erobern will. Anders als in der biblischen Tradition ist nicht die Frau diejenige, die verführt, sondern diejenige, die sich als treue Ehefrau bedroht fühlt. Das hier zitierte Motiv der ‚unschuldig verfolgten Frau‘, wie es auch in der Crescentia-Episode der Kaiserchronik vorkommt,55 besteht aus folgenden Elementen: Eine keusche Frau gerät in eine trianguläre ­Situation zwi­ schen Ehemann und Werber (meist dem Schwager).56 Die Frau verweigert sich, wird verleumdet und vertrieben. Nach mehreren Stationen des Leidens gelangt sie an den Ausgangspunkt zurück, wird rehabilitiert und geheiligt. In der Weltchronik wird das Muster entschlackt, so dass Ehebruch-Szenario und Dreiecksverhältnis in den Mit­ telpunkt rücken und Ordnungskonstellationen durchgespielt werden. Hier tauchen folgende Elemente auf: Eine verheiratete Frau gerät zwischen Ehemann und Werber. Die Ordnung gerät durch Bedrohung in eine Krise. Die Frau wird verleumdet und ver­ stoßen, Gewalt entlädt sich. Schließlich wird die Frau mit Hilfe des Mannes, der die Position des von außen einwirkenden (Heiligen) einnimmt, rehabilitiert, so dass am Ende die gesellschaftliche Reintegration steht. Das Konfliktfeld changiert zwischen Begehren und Keuschheit, Gewalt (auch als List) und Heiligkeit und Integration durch ‚Gottesbeweis‘. Heiligkeit bleibt in der Weltchronik in allen Beispielen ausgeblendet, da dieser Text sich einzig auf innerweltliche Zusammenhänge konzentriert und, so könnte man meinen, der Autor lebenspraktische Belange beleuchtet. Anders verhält sich dies in der Kaiserchronik, wie in der Crescentia-Episode deutlich wird. Hier wird Crescentia von der Verfolgten zur Heiligen und die überweltliche Bindung auch in Hinblick auf das Reich einbezogen. Christian Kiening hat diesen Zusammenhang zwischen Begehren, Gewalt und Heiligkeit beschrieben und dabei deutlich gemacht, dass in der Heiligkeit auch die Einbindung von „mundaner und spiritueller“57 Macht

55 Vgl. dazu ausführlich: Kiening: Versuchte Frauen, S. 87–98. 56 Vgl. Kiening: Versuchte Frauen, S. 88. 57 Kiening: Unheilige Familien, S. 89.

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liegt. In der Geschichte der Crescentia findet nicht nur die Anbindung an die Reichs­ geschichte statt, sondern wird die ‚Opferung‘ auf die symbolische Ebene ausgelagert. Damit bleibt sie wiederholbar und als Rettung für die Gesellschaft verfügbar. Dass gerade diese Perspektive in der Weltchronik im Vergleich zur Kaiserchronik fehlt, lässt auch auf einen anderen Rezipientenkreis schließen.58 In beiden Teilen der Vergil-Handlung wird die Frau vom Opfer zum Täter und umgekehrt. Das trifft auch auf Vergil zu, der schließlich Täter bleibt. An seinem Beispiel lässt sich zeigen, dass, da die Legitimation der Antike und die Einbindung des antiken Wissens im 12. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreicht hatte, es möglich war, mit dem bekannten Personal anders umzugehen. Wissensdurst steht immer auch unter dem Verdacht der curiositas und der Zauberei. Entsprechend kann Vergil als Magier, der mit dem Teufel in Verbindung steht, als Postfiguration des Bösen versuchen, die Frau in seinen Bann zu ziehen. In Anlehnung an diese Begebenheit wendet sich die Römerin nur zu Recht an ihren Mann. Und obwohl sie durch die Erbsünde schuldig ist, folgt sie als Antitypus zu Eva der staete und wird bestraft. Diese Lesart stellt auch einen sinnhaften Bezug zu der Darstellung auf den Ofenkacheln her: In Erinnerung an den Sündenfall werden die Mönche zwar vor der Macht der Frauen gewarnt, zugleich aber symbolisiert die Ehefrau in der Nachfolge Evas die Kirche, die vor Erschütterungen nicht geschützt ist. Sie ist die wahre Braut Christi, die standhaft zum Wohl aller besteht und in der Vergil-Geschichte den Römern das Licht wiederbringt. Das Ehebündnis steht damit symbolisch für das Aushalten der Strafen und das Ausharren in der Welt. Hinter den verschiedenen Lesarten und den angedeuteten Implikationen, die der Vergil-Geschichte inhärent sind, zeigt sich in der Erzählung der Weltchronik und der Ausgestaltung der Freiburger Ofenkacheln eine Abkehr von frauenfeindlichen Ten­ denzen. Diese verschärfen sich in der Literatur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit.59 Wie diese Erzählung in der Folgezeit im Sinne der Verspottung von Gelehr­ ten oder der Ehedidaxe interpretiert wurde, zeigt ihre Rezeption im 15. und 16. Jahr­ hundert. In schwankhaft-balladesker Verarbeitung wird der Konflikt um Minnewer­ bung, Frauenlist und Abweisung des Liebhabers in dem Lied vom Schreiber im Korb im 15. Jahrhundert verarbeitet.60 Der Schreiber Heinrice Kůnrade (Z. 3) begehrt eine verheiratete Frau. Diese ersinnt eine List und lockt ihn um Mitternacht zu ihrem Fenster, zieht ihn im Korb hoch und lässt ihn hängen. Als der Schreiber sich vor Angst in die Hosen macht, lässt sie ihn unter lauten Pfui-Rufen fallen. Der Text endet mit der Aufforderung, dass die Gebildeten in der Schule bleiben mögen und sich nicht mit

58 Vgl. dazu ausführlich Kap. V.3.1. 59 Zu denken wäre hier an Giovanni Boccaccio De casibus virorum illustrium und De claris mulieribus, vgl. Erfen: Phyllis, S. 758. 60 Vgl. Deutsche Volkslieder. Texte und Melodien. Bd. 1, hg. von Lutz Röhrich und Rolf Wilhelm Brednich. Düsseldorf 1965, S. 272f.; Frieder Schanze: Der Schreiber im Korb, in: 2VL 8 (1992), Sp. 852f.; Gesine Mierke: Der Schreiber im Korb, in: Deutsches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter 5 (2013), Sp. 814f.



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Minnedienst beschäftigen sollten. Mag man den zeitgenössischen Berichten Glauben schenken, hat ein ähnliches Lied mit dem Titel der Schuler im Korb 1510/11 in Städten des Erzgebirges zu Auseinandersetzungen zwischen Geistlichen und Bergleuten geführt. Letztere sangen es offenbar in Auflehnung gegen die Obrigkeit.61 Hans Sachs übernimmt das Motiv vom Liebhaber, der im Korb hängt, und bindet es in die Ehedidaxe ein.62 In seinem Spruchgedicht Der Filius im korb zw schmach (1560) wird die Episode in ähnlicher Weise wiedergegeben. Die List der Römerin steht im Mittelpunkt, die Rachehandlung ist reduziert. Jedoch wird eine Moral formuliert, die das Verhalten der Frau regelt: Ein frumb weib, sich hüeten wol Vor aller pueler schmaichlerey, Fliech ir verhayssung mancherley, Went von in ab gemüet und hercz, Treib mit in weder schimpff noch schercz, Nem von in weder schenck noch gab, Sunst gecz an schaden ir nit ab. (H.S. Der Filius im korb, v. 17–23)63

61 In der Chronica Cygnea des Tobias Schmidt heißt es zum Jahr 1510: Eſ haben ſich dieſes Jahr / wegen eines Liedleins / welches man genennet / Johannes im Korbe / viel Unarten / AUffruhr und Todschläge / nicht allein hier  / ſondern auch zu Annaberg  / Freyberg  / Meiſſen und Chemnitz  / ereignet. Jenniſius Annal. fol. 14 berichtet  / daß der Rath zu Annaberg  / dieſes Tumults wegen  / Wachen in der Stadt  / ſonderlich bey der Nacht habe mFſſen anſtellen. D. Mollerus a. in Annal. Freib. fol. 156. Bezeuget / daß der Lerm kaum habe k=nnen von der Obrigkeit geſteuert werden. Vgl. Tobias Schmidt: Chronica Cyg­ nea Oder Beschreibung Der sehr alten, Löblichen, und Churfürstlichen Stadt Zwickau Von derselben Lager, Erbauung, Gebäuden, Einwohnern, Gelegenheit, von ihren Regenten, wie auch Beampten in Geist- und Weltlichen Stande, […], Zwickau 1656, S. 259 [VD17 23:235963D]. Vgl. auch: Andreas Möl­ ler: Theatrum Freibergense Chronicum: Beschreibung der alten löblichen BergHauptStadt Freyberg in Meissen / Alles mit Fleiß aus alten monumenten, Raths Archiven, Stadt- und Gerichtsbüchern / Historien ... zusammen getragen / und zum Druck verfertiget von Andr. Mollero Pegavio ...Freybergk 1653, S. 156 [VD17 3:694827B]. 62 Das Motiv des verspotteten Liebhabers, der im Korb sitzend auch einen Korb erhält, greift Eber­ hard Hilscher in seiner Erzählung Die Entdeckung der Liebe auf. In einem fiktiven Dialog berichtet Walther von der Vogelweide Heinrich von Morungen von seinen Liebesabenteuern: „So kam es zu der Sache mit dem Korb. Nach hübscher Rittersitte hoffte ich, in einem Korb zu ihrer Kemenate hinauf­ schweben zu können und dort in zarten Armen zu erwarmen. Die Zeit war günstig. Ihr Mundschenk und Gemahl befand sich für einige Tage mit dem Herzog auf der Klosterneuburg, und dem Wächter­ blick konnte mich der Korb entziehen. Doch, was meint ihr, sie lachte mir einfach ins Gesicht, als ich’s ihr antrug. Für einen ‚arm mann‘, sagte sie, sei bei ihr schlecht Feigen essen! Da hatte ich meinen Korb.“ Eberhard Hilscher: Die Entdeckung der Liebe, in: Ders.: Die Entdeckung der Liebe. Historische Miniaturen. Berlin 31977, S. 5–21, dort S. 9f. 63 Hans Sachs: Der Filius im korb zw schmach. Zitiert nach: Hans Sachs. Werke, hg. von Adelbert von Keller und Edmund Goetze. 26 Bde. Bd. 23 hg. von Edmund Goetze. Tübingen 1895 (Bibliothek

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 Ordnungsmuster

Der gelehrte Vergil als Prophet und Poet ist gänzlich verschwunden und durch Filius, der als ain perüembter nigromant (v. 4) vorgestellt wird, ersetzt.

Friedrich von Antfurt Um die Spannung zwischen Begehren und Gewalt in einem Dreiecksverhältnis geht es auch in der Geschichte um Friedrich von Antfurt, einem Vasallen Friedrichs II. Die hier zitierten Motive des bedrängenden Minnewerbers, der listigen Frau und des Ritters in Frauenkleidern finden sich auch in der Minnesage Der Ritter mit dem Hemd,64 dem Märe Die Frauentreue65 sowie in einem Fabliau Jacques de Baisieux. Es lassen sich daran Diskussionen um Funktionen von gesellschaftlichen Rollen, um das Verhältnis zwischen Mann und Frau oder um allgemeine Moralvorstellungen diskutieren. Die spezifische Komposition eröffnet mögliche Sinnpotentiale. In der Erzählung der Weltchronik „parodiert“ der Autor jedoch nicht nur „das höfische Frauendienstmodell“66, wie Andrea Moshövel konstatiert, sondern inszeniert in Anlehnung an die Episode um Vergil im Korb erneut die öffentliche Entehrung einer Frau. Obwohl Friedrich von Antfurt in der Weltchronik als höbischist (v. 28.209) Mann eingeführt wird, begehrt und bedrängt er hartnäckig eine verheiratete Gräfin: ‚swie ez mir sol ergân, von iu sô mac ich niht enlân, mir werd dann iuwer minne oder ich verlur mîn sinne.‘ daz treip er mit ir, daz ist wâr, mêr dann driu jâr. (Weltchronik, v. 28.225–30) Minnewerbung und Minnedienst stehen im Zentrum der Geschichte. Doch wie verhält man sich in einem solchen Fall? Wie kann man sich des Werbers galant entledigen? Und wie ist mit Männern umzugehen, die auch nach einer Absage hartnäckig bleiben? Diese Fragen werden hier verhandelt.

des Litterarischen Vereins in Stuttgart CCVII), S. 169f. 64 Vgl. Friedrich Heinrich von der Hagen: Gesamtabenteuer. Hundert altdeutsche Erzählungen: Ritter- und Pfaffen-Mären, Stadt- und Dorfgeschichten, Schwänke, Wundersagen und Legenden. 3 Bde. Stuttgart; Tübingen 1850, Bd. 1, S. CXXIV; Bd. 3, S. LXXXIIf; Raymond Graeme Dunphy: Der Ritter mit dem Hemd. Drei Fassungen einer mittelalterlichen Erzählung, in: ZfdA 49 (1999), S. 1–18; Andrea Moshövel: wîplîch man. Formen und Funktionen von ‚Effemination‘ in deutschsprachigen Erzähltexten des 13. Jahrhunderts. Göttingen 2009 (Aventiuren 5), S. 198–213. 65 Vgl. Die Frauentreue, in: Klaus Grubmüller (Hg.): Novellistik des Mittelalters. Märendichtung. Frankfurt am Main 1996 (Bibliothek des Mittelalters 23), S. 470–493. 66 Moshövel: wîplîch man, S. 198.



Die Ordnung der Geschlechter 

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Die Erzählung knüpft an die Fälle Lucretias und Crescentias an, deren Geschich­ ten in der vom Chronisten partiell aufgegriffenen Kaiserchronik erzählt werden.67 Erstere opferte sich, um die Ehre ihres Mannes zu schützen, ihre Unschuld zu bewei­ sen und schließlich keiner ihrer Nachfolgerinnen die Möglichkeit zu geben, einen Ehebruch zu legitimieren. Bei Jans wird das Geschehen nicht bis zur gewaltsamen Entehrung der Gräfin vorangetrieben, sondern es kulminiert in öffentlicher Bloßstel­ lung und Diffamierung.68 Die Gräfin, die auf keinen Fall dem Wunsch Friedrichs von Antfurt nachkommen will, überlegt wie Crescentia, wie sie ihren Werber endgültig abweisen könne. Dabei beklagt sie, eine List ersinnen zu müssen, um den Ritter loszuwerden: Sie selbst thematisiert ihre Lage, spricht über den ihr drohenden Ehrverlust und erkennt ihre prekäre Situation, in der die ersonnene List für die Untreue gegenüber ihrem Mann steht. Wohl wissend, dass Friedrich um ihrer Liebe willen zu jeder Tat bereit ist, lädt sie zu einem Turnier ein: dô sprach daz minniclîch wîp: ‚und sol ich mit iu mînen lîp teilen, daz müezt ir dienen alsô, daz ich sîn muoz werden vrô.‘ er sprach: ‚swaz ir mir vor saget, daz tuot mîn lîp unverzaget.‘ (Weltchronik, v. 28.285–90) Der beste Kämpfer soll als Preis ihre Liebe erhalten, muss jedoch ohne Rüstung, so die Bedingung, nur in einer frouwen kleit (v. 28.299) in den Kampf ziehen. Mutig nimmt Friedrich die Einladung und die Herausforderung zum Turnier an und wird im Kampf schwer verletzt. Die Dame bedauert seine Naivität und die Aussichtslosigkeit seines Werbens. Abschließend beschwört sie die Treue zu ihrem Gatten: ‚[…] des möht ich niht vergezzen, daz mîn lîp dheinem man wurd nimmer undertân dann dem lieben herren mîn. diu stæt muoz immer an mir sîn.‘ (Weltchronik, v. 28.388–92) Bis hierher karikiert der Autor das vergebliche Werben des Ritters um die verheiratete Frau, die ihrer Rolle gemäß nicht auf sein Flehen eingeht. Sein Begehren treibt ihn

67 Vgl. Kaiserchronik, v. 4.301–834. 68 Vgl. Witthöft: Ritual und Text, S. 76–84.

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 Ordnungsmuster

dazu, anstelle der üblichen Rüstung Frauenkleider anzuziehen und als Minnepfand zu tragen. Sein Verhalten wird ins Komische gesteigert – blind vor Liebe macht er sich zum Narren und setzt damit seine Stellung als Ritter aufs Spiel.69 Die Episode nimmt jedoch eine unerwartete Wendung, da ein zweiter Teil ange­ fügt ist, in dem Friedrich von Antfurt, der sich von seinen Verletzungen erholt, erneut vor der Dame erscheint. Die Anfangssituation wird verkehrt, denn in der strukturell angelegten Wiederholung hat der Ritter eine List ersonnen, um sich an der Dame zu rächen. Die Gräfin und Friedrich wechseln zwischen Opfer- und Täterrolle. Da die Dame ihre Ehre nicht verlieren will, muss sie verhindern, dass ihr Ehemann von ihrer vormaligen Hinterlist erfährt. Sie lässt sich auf die Forderungen Friedrichs ein und trägt das blutige Hemd in der Messe am St. Stefanstag. Vor dem Altar stehend muss sie ihren Mantel fallen lassen, so dass sie entblößt in dem befleckten Kleid vor der versammelten Gemeinde steht: dô si daz opfer leit, ein samît lanc unde weît si dâ vallen lie. daz hemdel gie ir ûf diu knie, daz was von bluot alsô rôt. ir frümkeit dô gebôt, daz si dâ stuont in grôzer scham. den mantel si wider an sich nam. zuo der herberg si dô kêrt, als si ir frümcheit lêrt. (Weltchronik, v. 28.495–504) Ihr Mann, schockiert über die Ereignisse, fordert Erklärung. Überzeugt von dem, was sie sagt, stellt er sich auf die Seite seiner Frau, die um ihrer staetecheit willen sich auf den Pakt mit dem Minnewerber eingelassen hatte. Friedrich von Antfurt ergreift schließlich aus Angst vor der Rache des Ehemannes die Flucht. Die Episode thematisiert das Verhältnis der Geschlechter in lebenspraktischen Zusammenhängen. Die bekannte Konstellation des Minnesanges ist in der Form

69 Das Motiv findet sich vor allem in der Märenliteratur, aber auch in anderen Texten: Vgl. KarlHeinz Schirmer (Hg.): Das Märe. Die mittelhochdeutsche Versnovelle des späteren Mittelalters. Darmstadt 1983 (Wege der Forschung 558); Heinrich von dem Türlin: [Der aventiure crône] Die Krone. Teil (Verse 1/12281), nach der Hs. 2779 der ÖNB, hg. von Fritz Peter Knapp und Manuela Niesner. Tübingen 2000 (ATB 112); Teil (Verse 12282/30042), nach der Hs. Cod. Pal. germ. 374 der UB Heidel­ berg, hg. von Alfred Ebenbauer und Florian Kragl. Tübingen 2005 (ATB 118); Der Göttweiger Tro­ janerkrieg, hg. von Alfred Koppitz. Berlin 1926 (Deutsche Texte des Mittelalters 29); Andrea Mos­ hövel deutet das Motiv des Mannes in Frauenkleidern in eine andere Richtung. Sie sieht darin einen Ausdruck an manheit, vgl. Moshövel: wîplîch man, S. 205.



Die Ordnung der Geschlechter 

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verändert, dass die zu umwerbende Minnedame in Bedrängnis gerät. Auf dem Prüf­ stand stehen das Werben des Ritters, die Listigkeit der Frau und die staetecheit des Ehepaares. Das Minnewerben, das zu (be)drängendem Begehren ausufert, gerät ins Zentrum der Darstellung. Das höfische Rollenspiel wird im Vergleich zum Minnesang überzeichnet. Der Minne folgt unkontrolliertes Begehren, das ohne Disziplinierung zu gewaltsamen und kämpferischen Auseinandersetzungen führt. Die Frau muss sich gegen den Werber zur Wehr setzen, um ihre Treue und Beständigkeit (Heiligkeit) nicht aufs Spiel zu setzen. In diesem adligen ‚Minnespiel‘ wird normgerechtes Verhalten im Spannungsfeld zwischen Trieb und Gewalt verhandelt. Dabei bleibt die Frage nach der Schuldigkeit der jeweiligen Partner nicht ausgeblendet. Am Ende bleibt die Erzählung ganz im christlichen Diskurs. Die Frau wird nicht verteufelt, sondern in ihren Bedrängnissen gezeigt. Unschuldig wird sie bestraft, indem sie öffentlich ihre vermeintliche Schande preisgeben muss und so ihre List offenbar wird. Die geforderte Entblößung kommt einer öffentlichen Vergewaltigung gleich. Die sichtbaren Zeichen, deren Funktion und Bedeutung dem Publikum vermittelt werden, stigmatisieren die Gräfin als Ehebreche­ rin. Das Kleid, das die beiden Teile der Erzählung zeichenhaft zusammenhält, ist als Minnepfand und Beweis für Sünde und List semantisch mehrfach besetzt. Die Mehr­ deutigkeit macht die Szene paradox, denn die Frau wird für einen Betrug an ihrem Ehemann bestraft, den sie nicht begangen hat. Durch die „Entehrungsstrafe“70 wird die Frau in der Messe öffentlich diffamiert und als Ehebrecherin gekennzeichnet; ein ähnlich gewaltsamer Akt wie in der Geschichte um Vergil im Korb, in der das Feuer für Rom am entblößten Hintern der römischen Bürgerin öffentlich entzündet wird. Freilich geht es zunächst um die Entehrung der Frau, um das Aufzeigen von Abhängigkeitsverhältnissen und um die Bestrafung ‚naturgegebener‘ Listigkeit. Daneben wird der willkürliche Umgang mit Frauen in einer streng codierten und ritualisierten Welt entlarvt. Die Welt der Zeichen gerät hier ins Wanken, denn die Zeichen stehen nicht für das Geschehene. So steht das Kleid Friedrichs nicht für die gegenseitige Liebe der Partner und die Blutflecken markieren nicht die Sünde der Frau. Die Gräfin hat dem Werber nicht nachgegeben und also ihre Ehe nicht gebrochen. Sie hat, ohne ihren Mann einzubeziehen, eine List erdacht, um sich des Werbers zu entledigen. Die Geschichte variiert erneut das Motiv der ‚unschuldig verfolgten Frau‘, die im Spannungsfeld zwischen Mann und Minnewerber steht. Dabei steht weniger der „Geschlechterkampf zwischen Friedrich und der Gräfin, zwischen Werber und Umworbener, Mann und Frau, als Konkurrenzverhältnis zwischen Männern“71 im Mittelpunkt, wie Andrea Moshövel konstatierte, sondern ordokonformes Verhalten

70 Witthöft: Ritual und Text, S. 80. 71 Moshövel: wîplîch man, S. 211.

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in einer Dreieckskonstellation, die die Ehe beeinflusst. Die „Männlichkeitskritik“72, darin ist Moshövel zuzustimmen, ist auf der inhaltlichen Ebene an der Triebhaftig­ keit Friedrichs abzulesen. Auf der Ebene des discours erscheint darüber hinaus ein weiteres Moment bedeutsam. Strukturell evident ist die Wiederholung, das zwei­ malige Auftauchen des Werbers, der sich rächt. Während die übermächtige Kraft der Minne in der Erzähltradition Frau und Werber – wenn auch im Tod – schließ­ lich doch noch zusammenführt,73 wählt Jans von Wien einen anderen Erzählschluss und bricht das Schema auf. Die Motive ‚Zweikampf ohne Rüstung als Liebesbeweis‘, ‚Aufbrechen einer Wunde‘, ‚bekenntnishafter Tod der Frau am Grab des Geliebten‘ und die ‚Demonstration der Zusammengehörigkeit durch öffentliches Auftreten im blutigen Hemd‘, wie sie in anderen Erzählungen vorkommen,74 werden zitiert, aber mit dem Erzählmuster der ‚unschuldig verfolgten Frau‘ (Verfolgung, Aus­stoßung, Heiligung) in neuer Form kombiniert. Der Kampf ohne Rüstung findet aus Begehren statt, die Wunde kann geheilt werden, das öffentliche Auftreten der Frau im bluti­ gen Hemd ist Teil einer Vereinbarung und bezeugt gerade nicht die Zusammenge­ hörigkeit seiner Träger. Der Tod der Liebenden kommt grundsätzlich nicht infrage, da hier keine Minnekonzepte diskutiert werden, sondern höfisches Verhalten. Nicht Ehebruch (wie im höfischen Roman) wird dem Publikum gezeigt, sondern Festigung der Ehe und Bestätigung der Ordnung. In der jansschen Darstellung weisen damit die zunächst verlässlichen Symbole in eine andere Richtung – eine andere als sie ein höfisches Publikum erwartet. Die Gräfin steht zwischen zwei Männern und ist um rollengerechtes Verhalten bemüht. Indem sie an ihrer Treue zu ihrem Mann keinen Zweifel aufkommen lässt und damit als Inbegriff wahrer staete erscheint, schim­ mert in ihrem Verhalten dem Werber gegenüber die List des Weiblichen durch. Höfi­ sche Tugenden wie triuwe und staete markieren das Dreiecksverhältnis zwischen Werber, Frau und Ehemann,75 indem die Dame beiden Herren gerecht zu werden versucht, ohne sich zu verfehlen. In der beschriebenen menage á trois agieren alle beteiligten Figuren ihren Rollen entsprechend. Schließlich bestätigt jede ihre Posi­ tion, sodass sich keine neuen Konstellationen der Beziehungen ergeben. Die Gräfin wird ihrer Rolle als Ehefrau gerecht und wendet den drohenden Ehrverlust ab. Durch die spezifische Konstellation der Figuren wird eine Inszenierung des ‚Als ob‘ des Ehebruchs angedeutet, der eine didaktische Intention nicht abzusprechen ist. Die Schuldhaftigkeit der Gräfin lässt sich nur aus ihrer List ableiten, die dem Erhalt

72 Moshövel: wîplîch man, S. 212. 73 In der Frauentreue wird ein solcher Ausgang der Handlung skizziert, in: Grubmüller: Novellistik des Mittelalters, S. 1172–84. 74 Klaus Grubmüller hat die erwähnten Motive für die Frauentreue beschrieben. Grubmüller: Novellistik, S. 1176–79. 75 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Andrea Moshövel in ihrer Deutung der Erzählung, vgl. Moshövel: wîplîch man, S. 211.



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ihrer Ehrhaftigkeit dient. Um diese zu erhalten, ist ihr jedes Mittel recht, selbst der Tod des Werbers: möht ich in mit höbscheit dar zuo bringen, daz im leit geschæch von den schulden sîn, und ich doch niht ane pîn, alsô daz er mit grôzer nôt von sînen schulden læg tôt, daz ich behielt mîn êre! (Weltchronik, v. 28.237–43) Für dieses Fehlverhalten, durch das sie die Ordnung verletzt, wird sie am Ende wie eine Ehebrecherin bestraft. Friedrich von Antfurt, als Okkupator der einstigen Ordnung, wird ebenfalls zurechtgewiesen und verschwindet, so dass die vorheri­ gen Verhältnisse wiederhergestellt und mit der ‚Erziehung‘ der Gräfin stabilisiert werden. Das abrupte Ende verstärkt den Eindruck, der Ritter habe sich falsch ver­ halten. Der Ehemann fungiert als Werteinstanz, vor dem das Handeln zu rechtfer­ tigen ist. Als statisches Element verkörpert er das gesellschaftliche Gedächtnis, ist Ausdruck der herrschenden und normgebenden Gewalt. So entscheidet er am Ende über Rehabilitierung oder Verstoßung der Gräfin. Ähnlich wie der Artushof im höfi­ schen Roman ist diese Instanz weitestgehend passiv, greift kaum in die Handlung ein, bestimmt aber ihren Ausgang. Die Frau wird zwar nicht, wie Crescentia, gehei­ ligt, aber am Ende in die Gesellschaft reintegriert. Das Erzählschema wird an die Bedürfnisse des Publikums und eine lebenspraktische innerweltliche Problematik angepasst. Die Geschichte korrespondiert strukturell und schematisch mit der Geschichte um Vergil im Korb. Sie ist durch Werbung und Rache zweigeteilt und wird durch das Hemd als notwendige Requisite verbunden. Das Hemd steht als Symbol für die Liebe des Werbers und markiert zugleich die Schuld der Frau. Das bekannte Muster der keu­ schen Ehefrau wird dadurch aufgebrochen, dass an Stelle der Heiligung der Frau die Integration innerhalb von Ehe und Gesellschaft steht. Die Frau erträgt nicht passiv ihr Schicksal, sondern versucht, sich aktiv des Werbers zu entledigen. Die Rache ist das, was zunächst nicht erwartet wird. Das vorhandene Muster wird transformiert, so dass das Unerhörte im Mittelpunkt steht. Die Neukonfiguration der Erzählung mündet zwar nicht, wie bei Boccaccio, in eine autonome ästhetische Form, bewegt sich aber in einem Übergangsstadium, in dem Neues erprobt wird.76

76 Vgl. Girolamo und Salvestra, in: Boccaccio: Decamerone IV,8. Aus dem Italienischen von Karl Witte. Köln 2009, S. 382–388.

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 Ordnungsmuster

Auch in dieser Erzählung werden historische Personen, wie der unter Friedrich II. urkundlich bezeugte Friedrich von Antfurt, in fiktionale Begebenheiten überführt, indem sie in literarische Schemata integriert werden. Der Feststellung Raymond Graeme Dunphys „that a new style of writing entered the chronicle tradition at this time, a type of anecdotal narrative which owes more to Wolfram and Gottfried than to Isidore and Bede“77 ist in diesem Zusammenhang zuzustimmen. „Enikel’s tale of Friedrich von Antfurt (28205ff)“ kann als ein „particularly striking example of this“78 gelesen werden. Durch die Enthistorisierung und Entpolitisierung lässt sich diese Erzählung der Weltchronik in größere Zusammenhänge einbetten, aus denen morali­ sche Aussagen zum Umgang mit Frauen oder zum Verständnis von Zeichen in adligen Kommunikationssituationen ableitbar sind. Gegen Christiane Witthöft, die am Beispiel dieser Geschichte auf die Politisierung des Minnethemas hingewiesen hat,79 scheint mir die bewusste Literarisierung von Geschichte die Haupttendenz des jans­ schen Erzählens zu sein, die zudem durch die Sprechhaltung des Erzählers ironische Züge trägt.80

1.3  Zusammenfassung Frauen, die verführen, und Männer, die zu ihren Sklaven werden: so lassen sich ver­ knappt die Geschlechterverhältnisse in der Weltchronik umreißen. In der Chronik werden Geschichten um Gewalt und Begehren erzählt, die den Topos des Frauen­ sklaven und eine Phänomenologie des Weiblichen paradigmatisch auf der Basis der biblischen Ursprungshandlungen beschreiben und verhandeln. Dabei werden männliches und weibliches Rollenverhalten ausagiert und am Beispiel verschiedener Paar- und Minnekonstellationen vorgeführt. Populäre Figuren aus Welt- und Heils­ geschichte erscheinen in einen höfischen Kontext integriert, so dass die einzelnen Exempla eine Unmittelbarkeit erlangen, die der Zeitlichkeit enthoben ist. Die Themen Minne und Ehre als Grundagentien des höfischen Romans werden hier universalhisto­ risch behandelt. Gerade ihre Kontinuität vom Beginn der Heilsgeschichte bis in die Gegenwart des Autors markiert das moraldidaktische Potential der Weltchronik und zeigt ihre Einbindung in innerweltliche Zusammenhänge, die auf einfacher Ebene vermittelt werden. Gemäß einer Phänomenologie des Weiblichen, wie sie später vor allem in der humanistischen Literatur vorkommt, wird die Sündhaftigkeit der Frau in verschiedenen Episoden beschrieben. Dabei dienen dem Autor bekannte Folien wie

77 Dunphy: Daz was ein michel wunder, S. 61. 78 Dunphy: Daz was ein michel wunder, S. 61. 79 Vgl. Witthöft: Ritual und Text, S. 77. 80 Die Frage nach den ironischen Implikationen der Sprecherrolle in der Weltchronik bietet Anknüp­ fungspunkte für weitere Untersuchungen.



Die Ordnung der Geschlechter 

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der Sündenfall als Beispiel für superbia oder die Geschichten um Frauensklaven als Warnung vor der Weibermacht, die diachron und in unterschiedlichsten Varianten für das Publikum in aktualisierter Form vorgeführt werden. Vor dem Hintergrund der Kategorien Sinneslust, Verführung durch äußeren Schein und Gier sind die Erzählun­ gen der einzelnen Paare aufeinander bezogen, korrespondieren wechselseitig mitei­ nander und bieten Raum für verschiedene Auslegungen durch den Autor (Dalila und Samson, David und Bathseba, Vergil im Korb und Alexander der Große bzw. Friedrich von Antfurt). Eva steht für hochvart und die Übermacht sinnlicher Begierde, ist aber zugleich als herrschsüchtige Begleiterin Adams in ihrer Dominanz überzeichnet. Noahs Sohn und seine Frau wiederholen den Sündenfall und machen sich wie Adam und Eva der hochvart und der luxuria schuldig. Bathseba verführt David, als er sie nackt sieht, und stürzt ihn temporär ins Unglück. Dalila schwankt, ähnlich wie die Frau Alexan­ ders des Großen, zwischen Sinnenlust und Ehepflichten. Während Evas Absicht, den Platz Gottes einzunehmen, in der Darstellung nicht hinterfragt wird, zeigt sich Dalila pflichtbewusst und hadert mit ihrem Vorgehen. Dennoch (und möglicherweise ist dies sogar die listigere Variante) verhindert sie das Übel nicht, erscheint aber in der Weltchronik in einem anderen Licht. Neben den alttestamentlichen Frauenfiguren wird in der Weltchronik das Erzähl­ muster der ‚unschuldig verfolgten Frau‘ mehrfach durchgespielt. Dabei geht es nicht um die erotische, platonische, himmlische oder geistige Liebe, sondern einzig um Minne in der Ehe bzw. um den Ehebruch als Auseinandersetzung mit überkommenen Ordo-Vorstellungen. Minnewerber, Minnesklaven und Minneherrinnen sind Ehepart­ ner und potentielle Ehebrecher: Der Teufel verführt Adams Ehefrau, David begehrt die Frau Urias, Vergil buhlt um die römische Bürgerin und Friedrich von Antfurt wirbt um die verheiratete Gräfin. In diesen Beispielen geht es um das Verhalten der Ehe­ frauen, werden mögliche Konsequenzen eines Ehebruchs beschrieben und Hinweise zu besserem Verhalten gegeben. Dabei geht es nicht um die für den höfischen Roman beschriebene Dialektik von „sexuellem Einssein“81 und personaler Distanz, sondern vielmehr im Anschluss an den höfischen Roman um eine Fokussierung der Ehebruchsliebe aus moraldidakti­ scher Perspektive. Da in den höfischen Texten die Konsequenzen der personalen DuBeziehung bereits durchgespielt worden sind, stehen in Texten wie der Weltchronik konkrete gesellschaftliche Konstellationen und alltagspraktische Probleme im Vor­ dergrund, erscheinen die höfischen Themen für ein städtisches Publikum adaptiert. Im Anschluss an Haug wäre damit der moraldidaktische Diskurs eine Antwort auf die im Tristan formulierte Dialektik, mit dem Versuch, die Du-Beziehung erneut in

81 Vgl. Walter Haug: Erotik und Körperlichkeit in der Literatur des Mittelalters, in: Detlev ­Clemens; Tilo Schabert (Hg.): Kulturen des Eros. München 2001, S. 135–178, dort S. 176.

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eine Ordnung zu bringen.82 Da aber nicht alle Geschichten der Weltchronik unter dem Paradigma ‚Ehebruch‘ subsumierbar sind, auf syntagmatischer Ebene der Ehebruch nicht immer konsequent durchdekliniert wird und die Paarkonstellationen zudem komische Elemente enthalten, wird die Ordnung der Du-Beziehung aufgebrochen. Der Autor macht anhand unterschiedlicher Exempla die Rolle der Frau, ihre Sündund Schuldhaftigkeit deutlich, rückt aber von einem streng misogynen Frauenbild ab, da es um die Bedrängnisse in der Welt geht. Vereinfacht lässt sich resümieren, dass auch Männer in ihrem Begehren schwanken. Und dennoch entwirft der Autor keine Frauentypologie als explizite Warnung vor ihnen, sondern lässt Spielräume für Interpretationen in verschiedene Richtungen. Sinnhaftigkeit entsteht damit vor allem durch die Rezeption der Geschichten vor dem Hintergrund der jeweils tradier­ ten Version. Bekannte Muster werden aufgebrochen und mit neuen Erzählelemen­ ten gefüllt. Dabei steht die kulturelle Kraft von Begehren und Gewalt im Mittelpunkt, die schließlich zu Ordnung stiftender Integration führen. Familiale Konstellationen geraten durch Teufel, Inzest oder Minnewerber in eine Krise, die gewaltsam aufge­ löst wird, so dass schließlich „eine neue Begründung von Gemeinschaft und neue Geltung von Normen erwachsen“83 kann. Die Krise äußert sich am Opfer oder Sünden­ bock. Durch die Nichtheiligsprechung der Ausgegrenzten (wie im Fall der Ehefrau in ‚Vergil im Korb‘ und der Gräfin bei ‚Friedrich von Antfurt‘) wird den Erzählungen das Potential, das Weltliche zu transzendieren, genommen. Hier ist nicht die überge­ ordnete Seinsordnung letzter Fluchtpunkt, sondern die Gesellschaft. Im Mittelpunkt stehen mikrokosmische Zusammenhänge, die der städtischen Oberschicht entspre­ chen. Damit zeigt sich, dass die Interessen des Reiches, wie in der Kaiserchronik, mit dem Ziel, das römische Kaisertum zu heiligen, in der Weltchronik nicht mehr im Vor­ dergrund stehen, sondern sich allein auf die innerweltliche Problematik beziehen. Für diese Aussage ist eine Heiligung der Heldin nicht notwendig, sondern einzig ihre gesellschaftliche Integration. So ist auch eine rein moraldidaktische Lesart denkbar, die durch komische Impli­ kationen zu Reflexion auf einer höheren Ebene führt und so auf Brüchigkeit und gesellschaftliche Spannungen hinweist. Die entstehenden literarischen Ordnungen erscheinen vor dem Hintergrund der bekannten pervertiert. Die Eingriffe des Autors sind auf diese Weise eklatant und als Diskursivierung der festgelegten Rollenvertei­ lung offenkundig.

82 Vgl. Haug: Erotik, S. 178. 83 Kiening: Gewalt und Heiligkeit, S. 28.



Die (Un-)Ordnung des Reiches 

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2  Die (Un-)Ordnung des Reiches Im folgenden Kapitel steht auf der Grundlage der Zweigewaltenlehre, die seit Gelasius I. († 496) die mittelalterliche Ordnung der Welt beeinflusste und in einen geistlichen und weltlichen Bereich teilte, die Ordnung der weltlichen Herrscher im Mittelpunkt.84 Unter Ordnung verstehe ich hier den Versuch einer klerikalen Elite, Gesellschaft vor dem Hintergrund eines Sinnganzen zu organisieren. Dabei korres­pondieren weltliche und geistliche Ordnung miteinander und deuten auf eine transzendente Ebene. Ihre Korrespondenz zeigt sich auch in der Literatur, in der Strukturen und Ordnungsmuster des Mikro- und Makrokosmos abgebildet und dis­ kursiviert werden. Auf den ersten Blick lässt sich aus der Weltchronik keine Typologie ableiten, nach der die Herrscherporträts zu ordnen wären. Es ist nicht die Dichotomie der guoten unt ubelen Kaiser (KC, v. 20–21), wie in der Kaiserchronik, von denen die Weltchronik berichtet, denn es lassen sich keine herausragend positiven Typen benennen; allen haften diverse Makel an. Insofern ist zunächst ein moraldidaktisches Konzept nur schwer abzuleiten. Es fällt geradezu auf, dass historische Personen ihrer Historizi­ tät enthoben und in fiktionale Zusammenhänge integriert werden. Folglich sollen im Folgenden am Beispiel der Porträts von Nero, Karl dem Großen und Friedrich II. die Spezifik der Darstellungen, ihr Aussagegehalt sowie mögliche Deutungspotentiale untersucht werden. Dabei stehen die narrativen Varianten im Vergleich zu ihren Vor­ lagen im Vordergrund.

2.1  Travestie: Nero Die Taten und Untaten Neros waren sowohl den antiken als auch den mittelalter­ lichen Autoren hinlänglich bekannt und boten Stoff für Legenden- und Sagenbil­ dungen.85 Dabei wurde Nero als größenwahnsinniger Despot vordergründig für den Brand Roms und die Christenverfolgung verantwortlich gemacht. Entsprechend hat ihm die Geschichtsschreibung ungewöhnliche Grausamkeiten, ausschweifende

84 Vgl. ausführlich dazu Einleitung, Riskante Ordnungen. 85 Vgl. Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Aus dem Lateinischen von Richard Benz. Hei­ delberg 91979; Mauritius von Craûn, hg. von Heimo Reinitzer. Tübingen 2000; Friedrich Ohly: Sage und Legende in der ‚Kaiserchronik‘. Untersuchungen über Quellen und Aufbau der Dichtung. Darmstadt 21968 (Forschungen zur deutschen Sprache und Dichtung 10); Moshövel: wîplîch man, S. 135-194. Einen Überblick zur Rezeption der Geschichten um Nero in der französischen Literatur des Mittelalters liefert: Glynnis M. Cropp: Nero, Emperor and Tyrant, in the Medieval French Tradition, in: Florilegium 24 (2007), S. 21–36.

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Lebensführung oder unberechenbare Exzesse zugeschrieben.86 Sueton berichtete bei­ spielsweise über negative Eigenschaften des Kaisers wie Übermut, Wollust, Völle­rei oder Habsucht und schrieb sie seinem Charakter zu.87 Der Kaiser, so heißt es, habe nicht nur Ehefrauen belästigt und Vestalinnen vergewaltigt, sondern auch Leute überfallen, verprügelt und in die Kloake werfen lassen. Zahlreiche Geschichten, die Nero auf diese Weise diskreditieren, finden sich in der antiken Literatur. Daneben existieren Erzählungen, die seine Unarten bis zur Perversion übersteigern. Danach habe er einen Jungen Sporus entmannen lassen und versucht, ihn zu einer Frau zu machen. Er habe darüber hinaus seine Mutter begehrt und diese später grausam töten lassen.88 Inzest und Muttermord bestimmen das Bild Neros auch in der mittelalterli­ chen Literatur und sind im kollektiven Gedächtnis fest verankert.89 Der Kaiser galt als eine der prominentesten Negativfolien, wenn es darum ging, Herrschertypologien zu entwerfen. Die Nero-Darstellung der Weltchronik basiert auf der Kaiserchronik. Der antike Despot wird bereits zu Beginn als schlechter Herrscher ausgewiesen: Nâch dem herren Cayus besaz ein künic Rôm alsus, der was geheizen Nerô. des wurden die Rœmer unfrô, wan er was ein übel man. […] er was ein æhter der kristenheit und was der êrst stœrær. (Weltchronik, v. 22.935–45) Diese kurze Skizze des Herrschers, die (ausnahmsweise) die Klassifizierung als übel man vorwegnimmt, lässt bereits erkennen, welche Epitheta Nero in der Wahrneh­ mung des Mittelalters anhafteten: Er galt vor allem durch die Christenverfolgung als Zerstörer des Glaubens und wurde durch die Erzählungen um seine ausschweifende Lebensführung der Gottesferne bezichtigt. Beweis dafür waren vor allem seine Inter­ essen, die ihn der Humoralpathologie folgend als melancholicus auswiesen. In der Weltchronik wird über Neros Jugend und Erziehung durch einen namen­ losen meister berichtet.90 Nachdem Nero diesen, mit dem vermutlich Seneca gemeint ist, ermorden und dessen Sohn blenden ließ, wird die Reihe der neronischen Greuel­

86 Vgl. Theodor Kissel: Kaiser zwischen Genie und Wahn. Caligula, Nero, Elagabal. Düsseldorf 2006. 87 Vgl. Tacitus: Annalen, hg. von Werner Schur. Deutsch von August Horneffer. Wiesbaden 1953; Sueton: Cäsarenleben 26. Übertragen und erläutert von Max Heinemann. Stuttgart 82001, S. 350f. 88 Vgl. Sueton: Cäsarenleben 28, S. 352f. 89 Vgl. Kaiserchronik, v. 4.083–300. 90 Vgl. Weltchronik, v. 22.967.



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taten mit der Geschichte um die Vivisektion seiner Mutter fortgesetzt. Nero lässt sie snîden (v. 23.048), um zu sehen, wo genau er als Kind gelegen habe. Die Miniatur auf fol.  131rb ist eine der frühesten mittelalterlichen Darstellungen der Szene, die den Blick Neros in die geöffnete Bauchhöhle seiner Mutter zeigt.

Abb. 8: Regensburg, Fürstl. Thurn und Taxissche Hofbibl., Ms. Perg. III, fol. 131rb: Nero seziert seine Mutter.

Die noch lebende Frau scheint das Geschehen zu beobachten. In Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts taucht das Motiv häufiger auf, wobei die Differenzierung innerhalb der Bauchhöhle zunimmt. Vivisektionen wurden erst ab der Mitte des 13.  Jahrhunderts in säkularen Kontexten durchgeführt. Das Narrativ hingegen hat eine längere Tradition und dient der Stigmatisierung der Figuren. In die theologische Argumentation eingebunden wurde übermäßiger Wissensdrang mit der Überschrei­ tung des göttlichen Ordo und Gottesferne gleichgesetzt und damit verurteilt.91 Neros Interesse am weiblichen Körper wird in der Chronik mit dem Wunsch des Kaisers, ein Kind zu gebären, verbunden. Verschiedene Ärzte erhalten in der Erzählung unter Androhung des Freiheitsentzuges den Auftrag, Nero zu schwängern. Sie entwickeln, um sich des Herrschers zu entledigen, einen Trank, der ihn eine Kröte gebären lässt. Als Nero erste Bewegungen des Kindes wahrnimmt, beschenkt er die Ärzte reich: dô sie gewuohs ûf die vart, daz si in im grôz wart,

91 Vgl. auch die Ausführungen zu Friedrich II. im Folgenden.

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do begund si sich rüeren und im sîn lebern zerfüeren. dô wart der künic Nerô des kindes von herzen vrô. (Weltchronik, v. 23.137–42) Als Ausdruck seiner Freude veranstaltet Nero ein Fest, zu dem er alle Fürsten einlädt, deren Kinder seine Geiseln sind, denn Nero hat alle Kinder zu seinen Gefangenen gemacht. In einem prächtigen Wagen fährt die Amme mit seinem Sohn vorüber. Doch als die Kutsche eine Brücke überquert, springt die Kröte zurück ins Wasser. Nero, zornig über den Verlust seines Sohnes, lässt daraufhin fünfzig fürstliche Kinder enthaupten. Dies zieht die Rache der Väter und schließlich den Tod des Kaisers nach sich. Die Episode um Kaiser Nero endet mit einer Prosazusammenfassung seiner Untaten,92 unter denen die Kreuzigung von Petrus und Paulus als besonders schreck­ lich gilt. Obwohl Nero in der Weltchronik durch und durch negativ gezeichnet wird, gibt es einige Abschnitte, die in ihrer Absurdität und Unglaublichkeit eine komische Wirkung entfalten. Zu fragen bleibt, welche Geschichten um Nero bekannt waren, wie diese in der Weltchronik verändert und in ihr Sinnganzes eingefügt wurden. Während Otto von Freising Nero in seiner Chronik zum Inbegriff schlechter Herr­ schaft erhebt, rekurriert der unbekannte Autor der mittelhochdeutschen Verserzäh­ lung Mauricius von Craûn um 1230 bereits stärker auf die absonderlichen Taten Neros: Nêre was ein grôzer man mit michelem gebeine unt sîn muoter kleine. Dô wunderte in alle zît, wâ in ir diu stat sô wît an deheinem ende wære, dar û sî in gebære; des wolde er niht erwinden, ern müese ouch daz ervinden, und hiez sie zersnîden. Daz muose sî erlîden Durch sîn bœse gelüste. (Mauricius von Craûn, v. 180–191)93

92 Philipp Strauch hat darauf hingewiesen, dass Jans diese Passage wahrscheinlich von Honorius Augustodunensis übernommen hat, vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. 456. 93 Zitiert nach: Mauricius von Craûn. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von ­Edward Schröder hg., übers. u. komm. von Dorothea Klein, Stuttgart 1999.



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Das Motiv des Sezierens einer Frau, das hier ebenfalls zitiert wird, ist in der mittel­ alterlichen Literatur gebräuchlich und wird Nero nicht erst in der Weltchronik zuge­ ordnet. Auch der Autor der Kaiserchronik berichtet davon, dass Nero seine Mutter aufschneidet, um zu sehen, wo er als Kind gelegen hat. Dieses Motiv taucht auch in der Petruslegende auf, die der Autor der Weltchronik vermutlich kannte.94 Die frühes­ ten Berichte über das Aufschneiden einer Frau lassen sich bis zu Gregor von Nazianz im 4. Jahrhundert und dem syrischen Julianusroman aus dem 6. Jahrhundert zurück­ verfolgen.95 In der Kaiserchronik wird diese Geschichte zum ersten Mal ausgebaut. An die Vivisektion der Mutter schließt sich hier der Wunsch Neros an, ein Kind zu gebä­ ren.96 Während in der Kaiserchronik der typologische Zusammenhang zwischen Kaiser­porträt und Legendenmotiv (Petrus und Paulus) im Vordergrund steht, bleibt dies in der Weltchronik ausgespart. Hier geht es vielmehr darum, das Sagenhafte um die Gestalt Nero zu erweitern. Die Übersicht verdeutlicht Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Kaiserchronik und Weltchronik. Motiv

Kaiserchronik

Weltchronik

Nennung des Namens Brand Roms Nero als Ächter der Christenheit Nero und Seneca Nero seziert seine Mutter Neros Schwangerschaft und Krötengeburt Enthauptung der Fürstenkinder Kampf mit den Fürsten Martyrium St. Peters und Pauls Tod Neros Prosaeinschub zu Neros Regierungszeit

v. 4.083–85 v. 4.087–00 – – v. 4.101–12 v. 4.113–54 – – v. 4.155–264 v. 4.265–4.300 –

v. 22.935–37 – v. 22.935–50 v. 22.951–23.038 v. 23.039–52 v. 23.053–306 v. 23.307–30 v. 23.394–432 – v. 23.394–432 Prosaeinschub

Riskanter Rollentausch: Der schwangere Mann In der Weltchronik deutet die Darstellung von Neros Kinderwunsch nicht nur ein Interesse an medizinischen Experimenten an, sondern berührt Fragen der Rollen­ verteilung und des Rollentausches zwischen den Geschlechtern, der Geschlech­

94 Vgl. Von St. Petrus dem Apostel, in: Die Legenda Aurea, S. 470f. 95 Vgl. Corpus Glossariorum Latinorum I, S. 182; Ohly: Sage und Legende, S. 85. 96 In der Erzählung der Kaiserchronik kann Nero, nachdem er verschiedene Ärzte bemüht hat, eine Kröte zur Welt bringen, die den Namen lata rana erhält. Diese Bezeichnung stellt dem Text nach etymo­logisch die Verbindung zum Lateran her, der auf diese Weise seinen Namen erhielt. Die Benen­ nung lata rana geht wahrscheinlich auf eine lateinische Glosse über lateranum aus dem 9. Jahrhun­ dert zurück. Sie stellt eine direkte Beziehung zwischen Nero und dem Lateranpalast her: Lateranum palatium fuit Neronis, quod dictum est vel al latere septenrionalis plagae qua situm est vel a lata rana quam Nero dicitur peperisse, cum tradidit se viro, in quo pallatio nunc magna est ecclesia Romae, vgl. Corpus Glossariorum Latinorum I, S. 182.

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terdifferenz, der Geschlechtsidentität bzw. der Konstruktion von Geschlecht in der vormodernen Gesellschaft. Diese Themen wurden in den vergangenen zwanzig Jahren seit den Arbeiten von Thomas Laqueur97 und Judith Butler98 in der kul­ turwissenschaftlichen Forschung umfassend diskutiert. Dabei wurden die Grundla­ gen der sex-gender-Dichotomie auch aus mediävistischer Perspektive noch einmal überdacht.99 Laqueurs zentrale These, dass die Trennung von sex und gender für die Vormoderne nicht relevant sei und bis zum 17. Jahrhundert nicht greife, ist seitdem vielfältig in die Kritik geraten.100 Brigitte Spreitzer hat in Anlehnung an Judith Butler darauf hingewiesen, dass der Begriff sex nicht nur das biologi­ sche Geschlecht bezeichne, der, da er außerhalb des „historischen Blicks“ bleibe, als das „Natürliche, Irreduzible“101 erscheine. Damit greift sie die Butlersche Lesart Foucaults, dass sex jener diskursive Komplex sei, der „die Sexualität in der Vormo­ derne regulier[e]“102, auf. Während Laqueur auf der Ebene der Historie versucht, ein Entwicklungsmodell zu beschreiben, fordert Butler, dass die Frage nach der Funk­ tion diskursiver Praktiken, die die Kategorien ‚Mann‘ und ‚Frau‘ erst hervorbrin­ gen, stärkere Berücksichtigung erfahren muss. Diese Herangehensweise ist nicht zuletzt vonseiten der Mediävistik aufgegriffen worden.103 Die zahlreichen Trans­

97 Vgl. Thomas Laqueur: Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der An­ tike bis Freud. Frankfurt am Main; New York 1992. 98 Vgl. Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt am Main 1991. 99 Seit dem sind zahlreiche Arbeiten erschienen, vgl. u. a. Nancy N. Partner: Studying Medieval Women: Sex, Gender, Feminism, in: Speculum 68  (1993), S.  305–308; Simon Gaunt: Gender and Genre in Medieval French Literature. Cambridge 1995; Ingrid Bennewitz: Der Körper der Dame. Zur Konstruktion von ‚Weiblichkeit‘ in der deutschen Literatur des Mittelalters, in: Jan-Dirk Müller (Hg.): ‚Aufführung‘ und ‚Schrift‘ in Mittelalter und Früher Neuzeit. Stuttgart; Weimar 1996 (Germanis­ tische Symposien. Berichtsbände 17), S. 222–238. 100 Das von Thomas Laqueur beschriebene ‚one-sex-model‘ lässt sich für das Mittelalter ohne Spe­ zifizierung nicht halten, vgl. Laqueur: Auf den Leib geschrieben. Zur Kritik an Laqueur vgl. Ingrid Bennewitz; Ingrid Kasten (Hg.): Genderdiskurse und Körperbilder im Mittelalter. Eine Bilanzierung nach Butler und Laqueur. Münster 2002 (Bamberger Studien zum Mittelalter 1), S.  6; Maximilian Schochow: Die Ordnung der Hermaphroditen-Geschlechter. Eine Genealogie des Geschlechtsbe­ griffs. Berlin 2009. 101 Brigitte Spreitzer: Störfälle. Zur Konstruktion, Dekonstruktion und Rekonstruktion von Geschlechterdifferenz(en) im Mittelalter, in: Ingrid Bennewitz; Helmut Tervooren (Hg.): Manlîchiu wîp, wîplîch man. Zur Konstruktion der Kategorien ‚Körper‘ und ‚Geschlecht‘ in der deutschen Literatur des Mittelalters. Internationales Kolloquium der Oswald-von-Wolkenstein-Gesellschaft und der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, Xanten 1997. Berlin 1999 (Beihefte zur ZfdPh 9), S. 249– 263, dort S. 250. 102 Butler: Unbehagen, S. 15; dazu Spreitzer: Störfälle, S. 250. 103 Vgl. Ursula Peters: Gender trouble in der mittelalterlichen Literatur?, in: Ingrid Bennewitz; Helmut Tervooren: Manlîchiu wîp, wîplîch man. Zur Konstruktion der Kategorien ‚Körper‘ und ‚Ge­ schlecht‘ in der deutschen Literatur des Mittelalters. Internationales Kolloquium der Oswald-vonWolkenstein-Gesellschaft und der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, Xanten 1997. Berlin 1999 (Beihefte zur ZfdPh 9), S. 284–304.



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gressionen der Geschlechtergrenzen in mittelalterlichen Texten, wie die Beispiele des cross dressings,104 des schwangeren Mannes oder kriegerischer Frauen zeigen, weisen weniger auf eine unfeste Geschlechtszugehörigkeit im Sinne Laqueurs hin, als vielmehr darauf, dass die Eindeutigkeit der Kategorien zur Diskussion gestellt wird. Joan Cadden hat anhand eines umfassenden Quellenstudiums medizinischer und naturphilosophischer Texte nachgewiesen, dass neben dem biblischen zwei­ geschlechtlichen Modell flexiblere Modelle kursierten, die jedoch das dichotome Denken in keinem Moment ablegten und entsprechend im theologischen Diskurs verhaftet blieben.105 Brigitte Spreitzer hat aus dieser Perspektive hervorgehoben, dass die mittelalterlichen Naturphilosophen, wenn sie über männliche Frauen oder weibliche Männer handelten, stets in der Geschlechterbinarität verankert blieben und eher versuchten, die „Abweichungen von der Norm innerhalb dieser Norm zu klassifizieren und zu begründen“106. Diese Phänomene der Transgression der Geschlechtsgrenzen, die Spreitzer als „Störfälle“ bezeichnet, deuten, so ließe sich vermuten, auf eine literarische Diskussion der Kategorien hin, allerdings nicht um diese aufzulösen, sondern um diese zu stabilisieren. Entsprechend zeigt auch die Forderung Bertholds von Regensburg ein man sol ein man sîn, ein frouwe sol ein frouwe sîn107 auf die theologische Forderung nach Einhaltung und Stabilisierung der göttlichen Naturordnung. Indem er dies fordert, verweist er implizit auf vorhan­ dene Abweichungen. Seine Äußerungen deuten auf jenen Prozess der Konstruktion von Geschlecht, den Butler beschrieben hat. Ausgehend von diesen Annahmen verdeutlichen die zahlreichen Beispiele der Überschreitungen der Geschlechter­ grenzen eine stärkere Einschreibung der Geschlechterdichotomie in die vormo­ dernen Texte als angenommen. Vor diesem Hintergrund lässt auch das Motiv des ‚schwangeren Mannes‘, das in der Weltchronik Jans’ von Wien zitiert wird, eine solche Lesart zu. Das Motiv der männlichen Schwangerschaft, das in unterschiedlichen Kontexten auftaucht, steht zunächst in Zusammenhang mit der Geburt Evas aus Adam und der Geburt der Kirche aus dem Kreuz Christi.108 Darüber hinaus erscheint der schwangere Mann in den Fabeln Äsops oder in der schwedischen Mythologie,109 da diese jene

104 Vgl. Edith Feistner: manlîchiu wîp, wîplîche man: Zum Kleidertausch in der Literatur des Mittel­ alters, in: PBB 119 (1997), S. 235–260. 105 Vgl. Joan Cadden: Meanings of sex difference in the Middle Ages. Medicine, science, and culture. Cambridge 1993 (Cambridge history of medicine). 106 Spreitzer: Störfälle, S. 253. 107 Berthold von Regensburg: Von der ê, in: Berthold von Regensburg. Vollständige Ausgabe seiner Predigten, mit Anmerkungen und Wörterbuch, hg. von Franz Pfeiffer. Bd. 1. Wien 1862, S. 325. 108 Vgl. Bernd-Ulrich Hergemöller: Masculus et Femina. Systematische Grundlinien einer mediä­vistischen Geschlechtergeschichte. Hamburg 2005 (Hergemöllers historiographische Libelli 1). 109 Vgl. Yvonne S. Bonnetain: Der nordgermanische Gott Loki aus literaturwissenschaftlicher ­Perspektive. Göppingen 2006 (GAG 733).

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Erzählung um Loki kennt, in der sich der Gott in eine Frau verwandelt und Kinder gebären will. Erst in der spätmittelalterlichen Überlieferung taucht der schwangere Mann in Gestalt eines Priesters wieder auf.110 Boccaccio erzählt im Decameron in der dritten Novelle des neunten Tages vom schwangeren Calandrino, der allerdings einer Finte seiner Freunde zum Opfer fällt. Dennoch  – Calandrino vermutet, die Schuld für seinen Zustand liege bei seiner Frau, da sie den ehelichen Beischlaf in einer dem Mann zugeschriebenen Position ausüben will.111 Daneben ist dieses Motiv in Schwänken und Fastnachtspielen beliebt. Hier fällt der schwangere Mann der Lächerlichkeit anheim. Die Erzählung von der Schwan­ gerschaft Neros in der Weltchronik korrespondiert mit den Berichten antiker Dar­ stellungen, die Nero ungewöhnliche Neigungen zuschreiben, wie seine Vorliebe innerhalb von Schauspielen in weibliche Rollen zu schlüpfen und sich mit weibli­ chen Masken zu bekleiden.112 In der Weltchronik äußert Nero seinen Kinderwunsch wie folgt: ich gæb iu silber unde golt, wan an nie dheinem man wær daz wunder ergân. ich wolt nu versuochen wîplich swær ein frou diu ein kint gebær. des antwurten gemein der meister ieslîcher ein, ez wær wîplîch und unreht, daz weder man noch kneht. (Weltchronik, v. 23.062–70) Der Autor baut in die Szene das Motiv des Rollentausches ein, denn Nero will die Aufgabe der Frau übernehmen. Nicht das Bedürfnis nach uneingeschränkter Macht steht dabei im Vordergrund, sondern die geschlechtliche Grenzüberschreitung, die Verkehrung der vorgesehenen Rollen und des göttlichen Ordo. Die bestehende Ordnung wird negiert, was einen Konflikt provoziert. Nero verhält sich wîplîch und unreht. Er kann demnach nur eine Kröte zur Welt bringen, sich in wilder Raserei an den Fürstenkindern rächen und schließlich wegen seines Fehlverhaltens sterben. Nero begibt sich in einem Akt der Entgrenzung außerhalb jeglicher Ordnung. Da er

110 Vgl. Roberto Zapperi: Der schwangere Mann. Männer, Frauen und die Macht. München 1984, S. 48f. 111 Vgl. Boccaccio: Das Dekameron. 9. Tag, 3. Geschichte. Aus dem Ital. von Karl Witte. Köln 2009, S. 716–720. 112 Vgl. Kissel: Kaiser zwischen Genie und Wahn, S. 105f.



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sich contra naturam113 verhält, verliert er seine gesellschaftliche Integrität. Dies wird auch dadurch gestützt, dass er sein Kind wie eine Mutter inszeniert. Er kleidet es ein, präsentiert es der Öffentlichkeit, engagiert eine Amme – es ist sîn kint (v. 23.202), sîn sun und ein edel kneht (v. 23.268). Das Kröten-Kind steht symbolisch für die wider­ natürliche Unzucht, die somit in dieser Geschichte doppelt codiert vorkommt.114 Die Kröte stellt als Produkt der künstlichen Befruchtung Neros pervertierte Wünsche dar, die sich gegen die Natur richten und zutiefst sündhaft sind. Die negative Konnotation von Fröschen und Kröten findet sich bereits im Buch Exodus. Hier werden sie zu den göttlichen Plagen gezählt, die Ägypten heimsuchen;115 in der Offenbarung des Johannes erscheinen sie als unreine Geister, die aus dem Maul eines Drachen kommen.116 Als Verkörperung des Bösen fungieren sie als Prüfung und Strafe Gottes. Frösche und Kröten besitzen aber nicht nur eine negative Bedeutung, sondern haben im Bereich der Naturkunde und Volksmagie einen hohen rituellen Wert. Da Frösche als mit Heil kräftigender und auch Zauber abwehrender Wirkung ausgestattet galten, sollten sie der Abwendung von bösem Zauber dienen. Die Ambivalenz der Kröte dagegen zwischen heilender Wirkung und tödlich-magischem Poten­ tial wurde vor allem im hohen und späten Mittelalter von Seiten der Kirche stark kritisiert und ihre alchemistische Potenz mit Zauberei und Dämonenanrufung gleichgesetzt und verbannt. Konrad von Megenberg beschreibt in Kapitel 305 des Buches der Natur als eine Eigenschaft des Frosches, dass er gern wonet in dem rœrach und in den püschen und weiter wenn daz diu rinder in sich trinkent, sô werdent ir leib unmæzicleich grôz.117 Konrad bezieht sich dabei auf Plinius und man könnte annehmen, dass die Vorstellung von der Krötengeburt Neros hier ihren Ursprung hat. Der Physiologus118 differenziert zwischen Wasserfrosch und Landfrosch. Während der Land­ frosch wie der echte Christenmensch der brennenden Glut und dem flammenden Feuer der Sonne standhält, sind Wasserfrösche (und damit auch die Kinder der Welt) dazu nicht fähig. Sie tauchen bereits bei kleinster Versuchung wieder ins ‚Meer der Wollust‘, denn, so die naturkund­ liche Auslegung, wenn der Wasserfrosch das Land verlässt und die Sonne ihn erfasst, taucht er rasch wieder im Wasser unter. Alle Zeichen der Schöpfung deutend zeigt der Physiologus, wie Gottes Offenbarung zu lesen ist. Die Natur ist der augustinischen Zeichentheorie folgend im Hinblick auf das Heilsgeschehen zei­ chenhaft geschaffen. Der Physiologus erklärt der Gemeinde den heilsgeschichtlichen Sinn der Natur. Damit tritt die naturwissenschaftliche Komponente hinter den theologischen Aussage­ wert zurück. Auch der Beschreibung des Frosches liegt antik-naturwissenschaftliches Wissen zugrunde, das allegorisch-theologisch ausgedeutet wird. Der Frosch behält im Physiologus seine

113 Vgl. dazu die Lasterkataloge des Paulus: 1. Röm 1,19–35. 114 Vgl. Max Wellmann: Frosch, in: Paulys Realencycklopaedie der classischen Altertumswis­ senschaft. 13. Halbbd. München 21910, Sp.  113–120; Bernd-Ulrich Hergemöller: Krötenkuß und schwarzer Kater. Ketzerei, Götzendienst und Unzucht in der inquisitorischen Phantasie des 13. Jahr­ hunderts. Warendorf 1996, S. 112f. 115 Vgl. Ex 8,1–3. 116 Vgl. Apc 16,13. 117 Zitiert nach: Konrad von Megenberg: Das Buch der Natur. Die erste Naturgeschichte in deutscher Sprache, hg. von Franz Pfeiffer. 3. Nachdruck der Ausgabe von 1861. Hildesheim [u. a.] 1994, S. 306. 118 Vgl. grundlegend: Christian Schröder: Physiologus, in: 2VL 7 (1989), Sp. 620–634.

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Ambivalenz, was durch die Unterscheidung der beiden Arten hervorgehoben wird. Der Wasser­ frosch ist Symbol von Gier und Unbeständigkeit und taucht, wird er in Versuchung geführt, wieder in das Meer der Wollust ein.

Als die Kutsche mit Kröte und Amme die Brücke eines Flusses überquert, springt das Tier, als es seine Artgenossen vernimmt, in das Wasser (das Meer der Wollust) zurück. Es heißt: do si kômen ûf di bruck gevarn allez bî den selben jârn, do begund diu krot dringen, wan si hôrt singen ander ir hûsgenôz in einer lachen grôz. dô hupft si ûf den leiterboum. des nam diu amme dô niht goum. si fuor dô nider hin ze tal in daz wazzer âne schal, in die tief, als si wolde, was si dâ wesen solde. (Weltchronik, v. 23.283–94) Auch hier taucht die Kröte, die als Zeichen von Neros widernatürlichem Wunsch in die Welt kommt, zurück in das Wasser und verschwindet. Die allegorische Auslegung des Physiologus korrespondiert in der Weltchronik mit der Deutung Neros, der außer­ halb der göttlichen Ordnung steht. Schwangerschaft und Krötengeburt verdeutlichen dies in ähnlicher Form wie die Ermordung der Apostel Petrus und Paulus, die aller­ dings nur erwähnt wird. In der Episode um Achilles taucht das Rollentauschmotiv erneut auf, denn Achill erscheint in wîplîchiu kleit (v.  14.535), gieng als ein frou tæte (v.  14.538) und wollte keinen männlichen Bart haben. Achill verkleidet nicht nur seinen Körper und verän­ dert damit die sichtbaren Zeichen, sondern an seinem Körper finden sich weibliche Signaturen (Gang, Bartwuchs). Als Lehrerin der kriechischen buochstaben (v. 14.707) gelangt er zu jener Frau, die er für sich haben will. Unerkannt kann er, als Frau ver­ kleidet, Zugang zu ihrem Schlafgemach gewinnen und das Bett mit ihr teilen. Um die Dame allerdings als Mann zu erwerben, muss er einen Geschlechtertausch vollziehen, an dem die Frau teilhat. Listig überlegt er, wie er ihr den Aufstieg zum männlichen Geschlecht, den schließlich nur eine von beiden mit Hilfe des Gottes Racvan vollzie­ hen kann, schmackhaft macht. Und während beide den heidnischen Gott anbeten, ist schon klar, dass: es erlœst uns schier von smerzen wellen wir mit lûterm herzen



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daz selb abgot rüefen an unser einem muoz es wol ergân. swem dann ditz sol wesen bî, diu tuo di andern sorgen frî. (Weltchronik, v. 14.795–800) In dieser schwankhaften Episode um Achill und seinen Geschlechterwechsel steht der Rollentausch in mehrfacher Form im Mittelpunkt. An das Erzählmuster, das an dieser Stelle die Auflösung des Tausches vorsähe, wird eine, zumindest aus der Sicht Dyadamias, tatsächliche Umwandlung angelagert. Die subjektive Täuschung schreibt die hierarchische Ordnung noch fester ein. Sichtbare Zeichen werden verän­ dert, schließlich aber zur ursprünglichen Dominanz des Männlichen aufgelöst. Denn nicht nur Dyadamia möchte lieber ein Mann sein und bekundet so den Vorrang des Mannes, sondern erst die Festschreibung von Mann und Frau bringt den Protagonis­ ten große Freude. Gemäß der theologischen Auffassung vom Primat des Mannes wird zwar innerhalb des Schwankes über mögliche Transgressionen nachgedacht, letzt­ lich aber die alte Hierarchie bestätigt. Auch an anderer Stelle des Textes wird der Geschlechtertausch schwankhaft inszeniert. Dyadamias Vater gilt als schwanger, weil seine Urinprobe mit der seiner Tochter vertauscht wird. Da es dem König sehr schlecht geht, beschuldigt er seine Frau und macht sie für seinen Zustand verantwortlich, denn sie habe die festgeleg­ ten Positionen beim Geschlechtsakt vertauscht: du woltst niur ûf mînen kranken lîp, / swie ich wær man und dû wîp (v. 14.993f.). Einmal mehr basiert die zitierte Position auf theologischen Diskursen, die die gottgewollte Ordnung durch die Dominanz des Mannes repräsentiert sehen. Entsprechend hat niemand anders als der Teufel die Frau zum Verstoß gegen den Ordo bewegt. In der Episode ist die Ordnung verletzt, da die Frau, ähnlich wie beim berittenen Aristoteles oder geschorenen Samson, die Herrschaft übernimmt und durch weibliche List eine Verkehrung der Ordnung hinter­ lässt. Die Verwechslung der Urinprobe muss hier nicht aufgelöst werden, wird auch in diesem Textbeispiel die Rechtmäßigkeit der bestehenden Ordnung manifestiert. An Neros Transgression wird auf literarischer Ebene eine Überschreitung der Geschlechtergrenzen erprobt. Vor dem Hintergrund mittelalterlicher Körperkon­ zepte, wonach die „‚richtige‘ soziale Geschlechtsidentität auch auf den dazu pas­ senden Körper verweist“119, deutet die Geschichte Neros auf einen Körper dritten Geschlechts, der aus theologischer Perspektive als wider die Natur gilt. Auch vor dem Hintergrund des zweiten Schöpfungsberichts, in dem die Erschaffung Evas aus Adam dargestellt wird, sind in der mittelalterlichen Inszenierung der männliche und

119 Ingrid Bennewitz: Zur Konstruktion von Körper und Geschlecht in der Literatur des Mittelal­ ters, in: Dies.; Ingrid Kasten (Hg.): Genderdiskurse und Körperbilder im Mittelalter. Eine Bilanzie­ rung nach Butler und Laqueur. Münster 2002 (Bamberger Studien zum Mittelalter 1), S. 1–10, dort S. 6f.

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der weibliche Körper streng voneinander getrennt, wie auch die Geschichte um Nero belegt. Ein Aufweichen dieser Grenzen musste in der Wahrnehmung des Mittelalters in jener riskanten Situation kulminieren, der sich Nero aussetzt und die in die Kata­ strophe führt. Die Geschichte in der Weltchronik zeigt, dass an der Binarität festge­ halten und eine Abweichung aufs Schärfste verurteilt wird. Die gender troubles120 in den mittelalterlichen Texten sind Räume der „De- und Rekonstruktion eines binären Geschlechtermodells“121, das Platz für eine parodierende Aneignung lässt. Nero fällt in der vormodernen Hierarchie aus seiner Rolle als Mann und verhält sich weiblich. Die Konstruktion dieser Rolle lässt sich an bestimmten Kriterien von ‚Männlichkeit‘, wie Herrschaftsfähigkeit und -verhalten, Zeugung von Nachkommenschaft etc., ablesen. Er füllt diese Rolle nicht aus, da es ihm nicht möglich ist, seine eigene Gens durch eine veritable Nachkommenschaft zu sichern – Nero gebiert eine Kröte, die die Zeichen tiefster Sündhaftigkeit trägt. Er kann seine festgelegte männliche Rolle nicht abstreifen und die weibliche annehmen. Anderes hat Brigitte Spreitzer für die Viten von Frauen, die in Männerklöster eintraten, beschrieben.122 Da der Mann für Rationalität und vor allem Gotteseben­ bildlichkeit stehe, so Spreitzer, sei es denkbar, das Weibliche abzulegen, so dass letztlich nur die Frau ‚Geschlecht‘ habe. Ein Aufstieg zum Höheren sei damit möglich, die Umkehrung wie im Falle Neros nicht. Das umgekehrte Beispiel diskutiert Jans von Wien am Beispiel der Päpstin in den Papstgeschichten. Hier ist ein Transzendieren des anderen Geschlechts insofern möglich, als eine Frau es auf den Stuhl Petri schafft, ihr aber letztlich ihre Körperlichkeit, wie am Beginn der Erzählung angekündigt, zum Verhängnis wird, da sie ein Kind gebiert.123 Vor dem Hintergrund der vor allem durch die Theologie klar festgelegten Geschlechtergrenzen muss Neros Verhalten absurd erscheinen, so dass im Sinne Bertholds von Regensburg auf diese Situation geant­ wortet werden kann. Diskursiv wird die Ordnung verletzt, um sie schließlich umso fester einzuschreiben und das Geschlecht zu konstruieren. Die Verbindung von der Vivisektion Agrippinas mit Neros Kinderwunsch in der Chronik greift darüber hinaus in tradierte genealogische Muster ein. Nero will in die Parthenogenese Einfluss nehmen und selbst Geburt und Zeugung seiner Nachkom­ men übernehmen. Damit wird Neros ‚one-sex-model‘ in der Erzählung Kennzeichen seiner Herrschaft und er zum Inbegriff des schlechten Herrschers. Die Geschichte um Nero ließe sich so im Sinne einer Herrschaftsethik lesen.

120 Vgl. Butler: Unbehagen der Geschlechter. 121 Spreitzer: Störfälle, S. 256. 122 Spreitzer hat aus dieser Perspektive die Viten heiliger Transvestitinnen am Beispiel der Vitaspatrum, der Legenda aurea, des Väterbuches, des Passionals analysiert, vgl. Spreitzer: Störfälle, S. 256-260. 123 Vgl. Kap. III.3.1.



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2.2  Nekrophilie: Karl der Große Am 21. Juli 1333 schrieb Petrarca einen Brief an den Kardinal Colonna in Avignon, in dem er die Eindrücke seiner Reise, die ihn u. a. durch das Rheinland führte, wieder­ gab. In Aachen, so heißt es, sei ihm dabei eine Legende um Karl den Großen zu Ohren gekommen: Sie [die Priester in Aachen] berichten nämlich, daß König Karl […], ein gewisses Weiblein gar unmäßig und bis zur Raserei geliebt habe. Durch ihre Reize schwach gemacht, habe er auf seinen guten Ruf nicht geachtet, auf den er viel zu halten pflegte, er habe die Regierungsge­ schäfte hintan gesetzt, jedwede andere Ding und schließlich gar sich selbst vergessen. Lange Zeit habe er in nichts anderem als in ihren Umarmungen seine Befriedigung gefunden, zum großen Unwillen und Schmerz der Seinen. Als schließlich schon gar keine Hoffnung mehr blieb, – weil die unsinnige Liebe dem Könige die Ohren gegen heilsamen Rat verstopft hatte – da raffte ein unverhoffter Tod die Frau, diese Ursache des Unheils, hinweg, und zunächst herrschte große, wenn auch heimliche Freude darüber im Palast. Dann aber wurde der Schmerz um so viel schwe­ rer, als die Krankheit schimpflicher wurde, von der man des Königs Gemüt ergriffen sah. Seine Raserei wurde auch durch den Tod nicht gemildert, sie übertrug sich vielmehr auf den widrigen entseelten Leichnam. Er ließ ihn mit Salben und Wohlgerüchen balsamieren, mit Edelsteinen beladen und mit einem Purpurschleier umhüllen. So hielt er ihn Tag und Nacht in kläglicher und leidenschaftlicher Begierde umfangen. […] Die Legenden fügen noch etwas hinzu, was, wie ich glaube, nicht hat geschehen können, und was jedenfalls nicht erzählt werden darf.124

Petrarca weiß von einer Legende, die Karl den Großen als jene glanzvolle Herrscher­ persönlichkeit erstrahlen lässt, wie sie als Schützer des orbis christianus oder Patron der deutsch-römischen Kaiserwürde in mittelalterlichen Texten beschrieben wird.125 Vor allem legendarische Verarbeitungen und Wundererzählungen sind Ausweis von Karls Sakralität.126 Umso erstaunlicher ist es, dass Karl in der Weltchronik in einem kriti­schen Licht erscheint.127 Das umfassende Porträt Karls markiert in der Chronik den Übergang von der römischen auf die deutsche Herrschaftstradition. Damit

124 Briefe des Francesco Petrarca. Eine Auswahl. Übersetzt von Hans Nachod und Paul Stern. ­Berlin 1931, S. 30–34, dort S. 31f. 125 Vgl. Gaston Paris: Histoire poétique de Charlemagne. Paris 1905; Paul Lehmann: Das literarische Bild Karls des Großen vornehmlich im lateinischen Schrifttum des Mittelalters, in: Ders. (Hg.): Erfor­ schung des Mittelalters. Ausgewählte Abhandlungen und Aufsätze. Stuttgart 1959, S. 154–202; Bernd Bastert: Karl der Große in den europäischen Literaturen des Mittelalters. Konstruktion eines Mythos. Tübingen 2004; Monika Pohl: Untersuchungen zur Darstellung mittelalterlicher Herrscher in der deut­ schen Kaiserchronik des 12. Jahrhunderts. Ein Werk im Umbruch von mündlicher und schriftlicher Tra­ dition. München 2004; Franz-Reiner Erkens (Hg.): Karl der Große und das Erbe der Kulturen. Berlin 2001 (Akten des 8. Symposiums des Mediävistenverbandes, Leipzig 15.–18. März 1999). 126 Vgl. Robert Folz: Le Souvenir et la Légende de Charlemagne dans l’Empire germanique médié­ val. Paris 1950; Geith: Carolus Magnus. 127 Erzählungen um Karl als Sünder sind bereits im 9. Jahrhundert zu finden (Visio Wettini, Visio Rotcharii Monachi, Visio Pauperculae), vgl. ausführlich Geith: Carolus Magnus, S. 36.

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steht Karl für die Translatio der Kaiserwürde von Ostrom auf Westrom und wird zum Begründer wahren christlichen Kaisertums. Der Vergleich mit der Kaiserchronik ergibt folgendes Bild: Motiv

Kaiserchronik

Weltchronik

Einleitung



Herkunft

v. 14.308 Leo und Karl

Karl erscheint ein Engel Karl und Leo Königskrönung Karls Hilfe für Leo Karl hört nachts eine Stimme Karls Rache Karls Gebet Wunder: Heilung Leos Kaiserkrönung Karl als Gesetzgeber Karl als miles Christi, Heerfahrten v. 14.851 Karl in Sachsen v. 14.877 Karl in Spanien v. 14.885 Karl in Arles

v. 14.316–20 v. 14.314 Karls Hilfe für Leo v. 14.376–81 v. 14.424 v. 14.591–96 v. 14.597–14.690 v. 14.691–708 v. 14.733–50 v. 14.751–756 v. 14.757–90 v. 14.827 Karl in Apulien

v. 25.521 Naturkatastrophe (nach Konstantin) v. 25.540–44 Regentschaft Karls und seines Bruders – v. 25.703 Karl und Leo – – – – – v. 26.228–40 v. 25.603–78 Kaiserkrönung

v. 25.545–88 Karl in Sachsen, Italien und Rom, Spanien, Bayern, Frankreich

v. 25.753 Karl in Ungarn Karl erscheint ein Engel Karl und das Mädchenheer Brautwerbung und Hochzeit Engel als Bote bei Karl Rückkehrabenteuer

v. 14.930–38 v. 14.939–15.014 – – –

v. 25.903 Karls Rückreise: 1. Tag: Raben 2. Tag: Passau 3. Tag: Aachen Ankunft in Aachen Karls Sünde

– – v. 25.797 Karls Frau soll heiraten v. 25.831–902 v. 25.826 Engel fordert Karl zur Rückkehr aus Ungarn auf

– v. 15.021 St. Egidius

v. 26.061–180 2. Inthronisation v. 26.241 Hoftag: Karls Sünde

Nekrophilie Himmelsbrief Tugendkatalog Karl und die Schlange Begräbnis

– v. 15.055–68 v. 15.073 Tugendkatalog – v. 15.088 Karls Begräbnis

v. 26.269 v. 26.312–35 – v. 26.383 Karl und die Schlange v. 26.250–58



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Die Übersicht zeigt, dass der Autor der Kaiserchronik als geistlicher Autor seinen Fokus auf die positive Stilisierung Karls als Heiligem (Tränengabe, Heiligenkon­ takt) legt und seine Inszenierung als rex iustus bevorzugt. Die Darstellung gipfelt im Tugendkatalog.128 Während im ersten Teil (bis zur Kaiserkrönung) der Aufstieg des Helden und die Gründe für sein Auserwähltsein beschrieben werden, erscheint Karl im zweiten Teil als vorbildlicher christlicher Herrscher (Karl als Richter,129 wunder­ bare Vergebung der Sünde). Die legendarisch ausgestaltete Karls-Geschichte gliedert sich in folgende Abschnitte: Herkunft des Kaisers, Unterstützung des Papstes, Kaiser­ krönung, Karl als miles christianus, Heiligenkontakt, Tugendkatalog und Begräbnis. Im Mittelpunkt steht dabei der Dualismus zwischen Papst und Kaiser mit dem Ziel, die Schirmherrschaft der weltlichen Gewalt herauszustellen. Dies steht auch in Ein­ klang mit der Gesamtanlage der Kaiserchronik, die die Fortführung des Römischen Reiches durch die Franken und deren Legitimation formuliert.130 Karl wird zum Inbe­ griff christlicher Herrscherkompetenz. In der Weltchronik hingegen ist die Karls-Geschichte episch breiter ausgestal­ tet, und die einzelnen Episoden sind handlungslogisch miteinander verbunden. Dennoch steht der Ausgang, die Rehabilitierung des Herrschers wie im Artusroman, fest. Die Stilisierung und Heroisierung der historischen Person wird durch Themen (Minne und Herrschaft), Schemata (Auszug des Herrschers und Heimkehr; Wieder­ erkennen und Werben um die zurückgelassene Frau (Odysseus))131 und Strukturen (âventiure-Reihe; Wiederholung) literarisch überformt. Es entsteht eine Figur, die ver­ schiedene ‚Abenteuer‘ durchlebt (Rückreise aus Ungarn, Rückeroberung des eigenen Thrones und Wiedergewinnung der Frau), deren Handeln aber nicht bewertet wird. Nach der historischen Situierung der Figur am Anfang der Episode, die Karl als tüchti­ gen Landes­herrscher und -eroberer ausweist, besteht die Reise nach Ungarn aus einer Kette von Episoden, die miteinander verbunden eine âventiure des Herrschers erge­ ben.132 Während die Episode, die im Stil der Annalen beginnt, durch die Einstreuung von Jahreszahlen den Anschein der Geschichtsschreibung erweckt, endet die Dar­

128 Vgl. Kaiserchronik, v. 15.073–87; Michael Szurawitzki: Contra den ‚rex iustus/ rex iniquus‘. Der Einfluss von Machiavellis ‚Il Principe‘ auf Marlowes ‚Tamburlaine‘, Shakespeares ‚Heinrich V.‘ und Gryphius’ ‚Leo Armenius‘. Würzburg 2005, S. 47. 129 Die Geschichte um Karl und die Schlange hat eine Parallelversion in der Erzählung von der hilfe­suchenden Schlange und Kaiser Theodosius in den Gesta Romanorum, vgl. Gesta Romanorum, Nr. 105, hg. von Winfried Trillitzsch. Leipzig 1979, S. 213f. 130 Vgl. dazu auch Kap. V.1. 131 Auf diese Motive wies Geith bereits hin, vgl. Geith: Carolus Magnus, S. 224. 132 Eine ähnliche Version findet sich in der Sage vom Wunderritt, in: Caesarius von Heisterbach: ­Dialogus miraculorum VIII,59. Bd. 4. Übers. und komm. von Nikolaus Nösges und Horst Schnei­ der. Turnhout 2009 (Fontes Christiani 86/4), S. 1643–1647, dort S. 1647. Hier steht allerdings der Ring als Erkennungszeichen für Mann und Frau im Mittelpunkt, der in der Karlsgeschichte der Weltchronik seine Funktion gänzlich verliert.

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stellung mit Karls Reise nach Ungarn. Im Mittelpunkt stehen Themen des höfischen Romans: die Vereinbarkeit von Liebe und Ehe sowie der Kampf um Herrschaft. Als Kaiser muss Karl seinen Herrschaftspflichten nachkommen. Da er mit seinem Ungarnfeldzug, wie der Artusritter, seine Pflichten als Landesherr und Ehemann ver­ nachlässigt und seine Frist überschreitet, machen sich in Rom und Aachen Unruhen breit. Diese führen dazu, dass Papst Leo geblendet, verstümmelt und rücklings auf einem Esel sitzend nach Aachen geschickt wird. Auch seine zurückgelassene Ehefrau wird von den Fürsten ihrer Pflichten als Landesherrin gemahnt und genötigt, einen anderen Mann zu heiraten (Dido). Erst durch das Erscheinen des Engels wird Karl über die Vorgänge und die bevorstehende Hochzeit informiert und zur Rückkehr aufgefor­ dert. Die Rückreise wirkt als Zeitspiel stark retardierend und führt auf diese Weise das Vergehen des Kaisers vor Augen. Der Engel weist ihm seinen Weg über Ravenna, Passau und Aachen. Das Pferd, auf dem Karl die Reise beginnt, muss zwischendurch gegen ein Fohlen eingetauscht werden. Die Adventusszene zeigt Karl, der wie Jesus auf einem Esel in Jerusalem, auf einem Fohlen in die Stadt einreitet. Bis er seinen ver­ waisten Thron wieder einnehmen kann, muss er einige Hindernisse überwinden.133 Die Weltchronik zeigt folgende Szene: und gie er selber in den tuom. daz macht sîn wîstuom, daz er zwâr niht vergaz, wan er ûf den stuol saz, dâ die künege werdent gewîht; er si hôch oder lîht, sô muoz er sîn ein künic genant. ûf den stuol saz er zehant. daz dûht in dô ein guot gewin. ab dem swert liez er hin sliefen die scheid, daz ist wâr. er nam daz swert alsô bar und leit daz über sîniu knie. (Weltchronik, v. 26.065–77) Da Karl jedoch die besondere Weisheit und Dignität des Herrschers besitzt, erkennt ihn die Gesellschaft, rehabilitiert ihn und heißt ihn willkommen. Anschließend kann er die Römer erneut bezwingen und setzt Leo, der durch ein Wunder geheilt wurde, wieder ein.

133 Christiane Witthöft hat das Zeremoniell ausführlich beschrieben und die Bedeutung der ein­ zelnen Zeichen herausgearbeitet, vgl. Witthöft: Ritual und Text, S. 22–35.



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Diese zweite Inthronisierung Karls orientiert sich an Motiven aus der höfischen Epik, bestätigt seine Idoneität und vermittelt zugleich Hinweise zur Herrschaftspra­ xis. Obwohl zu Beginn der Erzählung der Ring als Gnorisma eingeführt wird, hat es in der Szene des Wiedererkennens keinerlei Funktion.134 Der Ring dient dem herr­ schaftslosen Karl dazu, die Miete bei einem Wirt in Aachen zu bezahlen. Das Motiv zeigt, dass Brüche im Erzählfluss auftreten, die nicht nachhaltig homogenisiert werden. Im Anschluss an diese Passage verfehlt sich Karl zweimal gegen Gott. Er hat, wie es im Text heißt: zorniclîchen / geret gegen got de[n] rîchen (v. 26.247f.), was ihn die Größe seiner Grabstätte kostet. Zudem pflegt er über den Tod hinaus ehelichen Bei­ schlaf mit seiner Frau. Diese Geschichte, die in der Weltchronik erstmalig auftaucht, erscheint als Motiv der maßlosen Liebe Karls in verschiedenen Märchen und Erzäh­ lungen der Neuzeit.135 Als Ursache für sein Vergehen taucht in späteren legendari­ schen Verarbeitungen des Stoffes der Zauberring auf. Frank Fürbeth hat auf der Grundlage zeitgenössischer naturkundlicher Werke wie dem Liber de natura rerum des Thomas von Cantimpré136 versucht, die magischen Kräfte des Zauberringes als Grund für die maßlose Liebe Karls zu deuten.137 Aus der Weltchronik ergibt sich ein solcher Zusammenhang zwischen Ring und Sünde zunächst nicht. Die Sünde Karls wird auf ein Widersetzen gegen Gott und auf den Zauber unter der Zunge seiner Frau, der Karls unbändige Lust auslöst, zurückgeführt. Wie am Beginn der Episode angelegt, ist es die Spannung zwischen Ehe und Herr­ schaft, die die Erzählung konstituiert. Das Motiv, der ‚Weibermacht‘ zu unterliegen, ist hier durch die Nekrophilie bis ins Komische überzeichnet, gibt aber die Auseinan­ dersetzung um Herrschaftskonstituierung wieder. Der Beischlaf mit der Toten gilt in der Weltchronik als Sünde, die Karl von guter Herrschaftspraxis fernhält. In der eingangs zitierten Schilderung Petrarcas geht es vordergründig darum, dass Karl, wie Êrec, aufgrund seiner Begierde, der er Tag und Nacht erliegt, seine Herrschaftspflichten vernachlässigt. Im Gegensatz zum Autor der Weltchronik ent­ nimmt Petrarca dieser Episode die Kritik an Karl und bezweifelt seine Idoneität. In

134 Armin Schulz hat darauf hingewiesen, dass „Gnorismata, die vom Körper ablösbar sind“ nicht immer das Erkennen gewährleisten. Auch hier verfehlt der Ring seine Funktion. Armin Schulz: Schwieriges Erkennen. Personenidentifizierung in der mittelhochdeutschen Epik. Tübingen 2008 (MTU 135), S. 231. 135 Bereits in Legendenerzählungen des 9. Jahrhunderts sowie in der französischen Ägidiuslegende aus dem 10. Jahrhundert erscheint der Bericht über seinen Fehltritt, vgl. Karl Reuschel: Die Sage vom Liebeszauber Karls des Großen in dichterischen Behandlungen der Neuzeit, in: Ders.; Karl ­Gruber: Philologische und volkskundliche Arbeiten. Festschrift K. Vollmöller. Erlangen 1908, S. 371–389. 136 Thomas Cantimpratensis: Liber de Natura rerum, hg. von Helmut Boese. Teil 1: Text. Berlin; New York 1973, S. 355–374. 137 Vgl. Fürbeth: Carolus Magus.

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der Geschichte der Chronik deutet sich diese Lesart bereits an.138 Das Bild des vor­ bildlichen christlichen Kaisers wird in der Weltchronik zunächst dahingehend gebro­ chen, dass der Herrscher aus seiner vorgegebenen Rolle fällt und sich wie der Artus­ ritter vergeht. Körperliche Begierden führen Karl zum Beischlaf mit einer Toten – eine Erzählung, die das zeitgenössische Publikum provozieren musste. Das in vielen Quellen tradierte Bild des vorbildlichen Herrschers wird bis ins Groteske gesteigert: Dar nâch in kurzen zîten wolt got niht lenger bîten, im sturb diu hûsfrou sîn. daz tet er mit werken schîn, daz si im liep was sam sîn lîp: daz selb wolgetân wîp hiez er balsamen. daz ist wâr: ein zouber hêt si bî ir gar under der zungen, des tiufels ordenunge, dâ von er sie niht moht lân, er muost al naht mit ir umbe gân, als ein man mit einem wîb tuot. (Weltchronik, v. 26.269–81) Der Textauszug verhandelt das Verlangen Karls, über den Tod hinaus mit seiner Frau sexuell verkehren zu wollen, ein Motiv, das die Widernatürlichkeit unkontrollierten Begehrens und seine Perversion unterstreicht, aber gleichermaßen auf Karls Schuld­ losigkeit deutet, da der Frau ein teuflischer Zauber anhaftet. Ob die Schuld, wenn überhaupt, bei der Frau zu suchen ist, lässt sich nur schwer beantworten. Sie hat, bedenkt man die Vorgeschichte, einen anderen Mann heiraten wollen, und sie ist diejenige, die über ihren Tod hinaus ihren Mann verführt. Typologisch steht sie als Nachfolgerin Evas im Bündnis mit dem Teufel. Erst der Himmelsbrief,139 den eine Taube während der Messe dem Bischof bringt, offenbart die Sünde. Während dieser Brief in der Kaiserchronik Karl rehabilitiert und Sankt Egidius verkündet, dass Karl gotes hulde (v. 15.063) besitze, benennt der Brief in der Weltchronik die Sünde. Das Geschriebene verbürgt zweierlei: Zum einen wird das Unsagbare manifest und tritt als Beweis in die ‚historische Wirklichkeit‘, markiert

138 Vgl. Fürbeth: Carolus Magus, S. 316. 139 Himmelsbriefe thematisieren die Sonntagsheiligung. In der Weltchronik steht die Autorität des Absenders im Mittelpunkt, durch den die Sünde offen gelegt wird. Zum Himmelsbrief vgl. Bernhard Schnell: Himmelsbrief, in: 2VL 3 (1983), Sp. 28–33; Sabine Schmolinsky: Himmelsbrief, in: LexMA 5 (1991), Sp. 26f.



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also einen Weg aus der Fiktion in das Faktische. Zum anderen wird erst im Brief die Sünde öffentlich und Karl nachträglich zur Beichte seiner Sünden aufgefordert. Er klagt dem Bischof sein Leid und bedauert seine körperliche Schwäche: ‚lieber herr mîn, mîn sünd kan niht grœzer gesîn. ich kan mich niht geânen ir lîp. nie lieber wart mir kein wîp. mîn lîp mac sich ir geânen niht, swaz mir halt dar umb geschiht.‘ (Weltchronik, v. 26.337–42) Erst nachdem Karls Vergehen aufgedeckt ist, bittet er um den Beistand des Geistli­ chen und wird erlöst. Die Miniatur zeigt den Bischof, der auf Drängen Karls die tote Frau vom Zauber befreit.

Abb. 9: Regensburg, Fürstl. Thurn und Taxissche Hofbibl., Ms Perg. III, fol. 149rb: Karl der Große und seine tote Frau.

Nachdem der Zauber aus ihrem Mund entfernt ist, zerfällt sie zu Asche. In diesem Moment wird auch Karl die Abscheulichkeit seiner Frau, die er auf den Zauber zurück­ führt, bewusst und er wendet sich mit den Worten von ihr ab: si hêt mir sêl und lîp verlorn. si stinket sam ein vûler hunt. ir bôsheit ist mir worden kunt. (Weltchronik, v. 26.372–74)

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In dieser Episode stehen die Übermacht der Frau und die Verfehlung des Kaisers im Mittelpunkt. Die Exempelsammlung der Frauensklaven wird mit der Episode um Karl den Großen erweitert. Die Macht des Weiblichen und die feminine list, werden für den gerade heiliggesprochenen Karl den Großen zum Verhängnis. Unter dieser Prämisse und vor dem Hintergrund der Nekrophilie ist das tugendhafte Bild des Kaisers zer­ stört. Die pervertierte Ordnung bestimmt für einen Moment die Handlung. In die Erzählung um Karl sind Muster und Motive aus dem Artusroman integriert, die der Literarisierung dienen. Aufs Ganze gesehen folgt die Episode dem Muster: Auserwählung, Prüfung, Vergehen, Beichte und Gnade Gottes. An die âventiure-Kette, die bis zur Wiedereinsetzung Karls reicht, schließt sich ein eher legendarischer Teil, der Karls besondere Dignität als Heiliger unterstreicht. Diese wird in zweifacher Form von außen an ihn herangetragen: durch den Engel, der Karl auf seine Rede gegen Gott hinweist und den Brief, der seine Sünde in der Messe offenbart. Die beiden Teile der Erzählung zeigen in Anlehnung an das Strukturmodell des Artusromans, dass Karl zweimal bestehen muss. Nach Katharsis und Erhöhung wird er als gerechter Herrscher gezeigt. Die Handlung ist ‚von hinten‘ motiviert,140 denn der Ausgang des Geschehens – Karls Überhöhung – steht außer Frage und das Handeln der Figuren ist von außen bestimmt. Dabei liegt der Fokus darauf, einen Kaiser zu zeichnen, der sich jenseits der Ordnung bewegt und in diese zurückkehrt. Er ist eine ‚hybride Figur‘141, die sich dem vorgegebenen Schema des tugendhaften Herrschers nicht ohne weite­ res fügt. Gerade in der Weltchronik ist er kein makelloser Held. Die Figur verbindet unterschiedliche Erzähltraditionen, die sich überlagern. Da in der Weltchronik aller­ dings das Romanhafte nicht zur Diskussion steht, sondern didaktische Implikationen vermittelt werden, ist hier mit hybrid das gemeint, woraus sich die Figur zusammen­ setzt und eine Neubewertung fordert. Vor allem im Vergleich zur Kaiserchronik wird deutlich, dass sich die legendarische Gestaltung der Vorlage mit Einflüssen aus dem höfischen Roman und historiographischen Traditionen in der Weltchronik palimp­ sestuös vermischt. Auf zwei Ebenen, der historischen (Eroberung der Länder bis zur Kaiserkrönung) und der fiktionalen, wird die Geschichte Karls erzählt, so dass zwei Entwürfe von Wirklichkeit zwei Lesarten vorführen. Dies wurde für die Literatur des 13. Jahrhunderts immer wieder konstatiert.142 Allerdings steht in der Weltchronik das

140 In Bezug auf Lugowskis Ausführungen zum mythischen Erzählen meine ich hier das Ergebnis, das von vornherein feststeht und das alle Bausteine zu einer Einheit zusammenschließt. Zur ‚„Moti­ vation von hinten“‘ vgl. Clemens Lugowski: Die Form der Individualität im Roman. Frankfurt am Main 1976, S. 66–68. 141 Der Begriff ist angelehnt an Stephan Fuchs’ Definition des ‚hybriden Helden‘: „Hybridität meint in Bezug auf die Figur des Helden den Versuch der völligen Vermeidung von Negativität durch ein Alles Zugleich der Legitimationen, durch eine Zugleich-Geltung bis hin zur Gleichwertigkeit aller ver­ fügbaren Modelle und Diskurse.“ Vgl. Fuchs: Hybride Helden, S. 373. 142 Vgl. Hugo Kuhn: Aspekte des 13. Jahrhunderts in der deutschen Literatur. Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Phil.-Histor. Klasse. Jahrgang 1967, H. 5. München 1968,



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Umkippen des tradierten Bildes bis hin zur Komisierung der Figur (und zur Parodie der Erzählmuster des höfischen Romans) im Zentrum. Dieses Erzählprinzip bricht mit der Erwartung des Publikums, erfüllt sie aber schließlich durch den vorhersehbaren Ausgang und die Rehabilitierung des Helden. Der Erzähler riskiert die Ordnung, um sie schließlich wiederherzustellen.

2.3  Inzest: Der Riuzenkönig und seine Tochter Die Erzählung um den Riuzenkönig ist, wie bereits ausgeführt,143 ein wesentlicher Baustein innerhalb des Gesamtkonzepts der Weltchronik. Sie ist nicht nur ein notwen­ diges Element, um die Idee der Translatio imperii zu vermitteln, sondern lässt sich in die Reihe der familialen Konstellationen einordnen. Mit diesem Beispiel wird in der Weltchronik der Vater-Tochter-Inzest aufgegriffen, der in der Geschichte um Lots Töchter zumindest für das christliche Abendland seinen Ursprung findet144 und in unzähligen Varianten in der Erzählliteratur verhandelt wird.145 Ingrid Bennewitz hat auf die strukturelle Ähnlichkeit mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Inzestge­ schichten hingewiesen und dabei folgende, die Erzählung konstituierende Momente beschrieben: Tod der Mutter, Leben des Vaters als Witwer, politische und erbrecht­ liche Probleme, Schönheit der Tochter, ihre Ähnlichkeit mit der Mutter und die beson­ dere sexuelle Attraktivität der Tochter.146 Diese Bausteine lassen sich, wie im Folgen­ den zu zeigen sein wird, auch in der Episode um den Riuzenkönig ausmachen. Der Vater begehrt seine überaus schöne Tochter – das Verhältnis von Sexualität und Macht ist Gegenstand der gesamten Geschichte. Im Text heißt es:

S. 24; Helmut Brackert: Rudolf von Ems. Dichtung und Geschichte. Heidelberg 1968, S. 202; Fuchs: Hybride Helden, S. 391. 143 Vgl. Kap. II.1.3. 144 Vgl. 1. Mose 19,30–33,36. 145 Vgl. Elisabeth Frenzel: Motive der Weltliteratur. Stuttgart 1976, S.  401–421; Horst S. ­Daemmrich; Ingrid Daemmrich: Themen und Motive in der Literatur. Ein Handbuch. Tübingen 1987, S. 179–183; Ingrid Bennewitz: Frühe Versuche über alleinerziehende Mütter, abwesende Väter und inzestuöse Familienstrukturen. Zur Konstruktion von Familie und Geschlecht in der deutschen Literatur des Mittelalters, in: Jahrbuch für Internationale Germanistik 32 (2000), S. 8–18; Dies. [u. a.] (Hg.): Familien– und Geschlechterrollen in der deutschen Literatur. Eine Auswahlbibliographie zur Forschung, in: Jahrbuch für internationale Germanistik Bd. 32, 1 (2000), S. 64–96; Jutta Eming: Zur Theorie des Inzests, in: Ingrid Bennewitz; Ingrid Kasten (Hg.): Genderdiskurse und Körperbilder im Mittelalter. Eine Bilanzierung nach Butler und Laqueur. Münster 2002 (Bamberger Studien zum Mittelalter 1), S. 29–48. 146 Vgl. Ingrid Bennewitz: Mädchen ohne Hände. Der Vater-Tochter-Inzest in der mittelhochdeut­ schen und frühneuhochdeutschen Erzählliteratur, in: Kurt Gärtner [u. a.] (Hg.): Spannungen und Konflikte menschlichen Zusammenlebens in der deutschen Literatur des Mittelalters. Bristoler Collo­ quium 1993. Tübingen 1996, S. 159–172, dort S. 159.

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er hêt ein schœn wîp, diu was im liep sam der lîp. dâ bî hêt er ein tohter guot, der was er frô und wolgemuot. si was sô schœn, daz ist wâr, daz man nindert offenbâr vinden moht irn gelîch. des muotes wart si alsô rîch, daz si keinen man wolt nemen, wan der ir ze man möht gezemen. diu tohter dem vater liep was, daz er vor freuden kûm genas, sô er sie ane sehen solt. sîn herz, sîn lîp was ir holt. (Weltchronik, v. 26.683–96) Der König will seine Tochter nach dem Tod der Mutter zu seiner neuen Ehefrau machen, da er in politische und erbrechtliche Bedrängnis gerät. Die Fürsten des Landes sind um die Zukunft des Landes besorgt und weisen ihn auf die Notwendig­ keit eines Thronfolgers aus seinem Geschlecht hin. Er allerdings will eine Frau, die seiner Tochter ähnelt und setzt damit die Erbfolge aufs Spiel: ‚sô wil ich immer âne wîp / sîn,‘ sprach der künic guot, / ‚swie daz lant werd behuot.‘ (v. 26.728–30) Mit der Erlaubnis des Papstes, die mit Silber und Gold von den Fürsten erkauft wurde, kann er sein Vorhaben in die Tat umsetzen und endogam heiraten. Es ist die Tochter selbst, die dem Begehren Widerstand leistet und zunächst ihr Äußeres verstümmelt: des wart si trûric und unfrô. in ir kemnâten gie si dô und nam ein scharf schære. si sprach: ‚mir ist unmære mîn schœnez hâr daz ich hân und sol mîn vater sîn mîn man.‘ daz hâr si von dem houbt sneit. ir guot gewant daz was ir leit: daz zôch si ab irem lîp, daz selb wolgetân wîp. einen grâwen roc leit si an sich. si sprach: ‚wærlîch nû, ich wil mich machen als ein schem gevar.‘ si zerkratzt ir antlütz gar, daz ir daz bluot ze tal ran. (Weltchronik, v. 26.795–809)



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Da sie ihren Reiz und ihre Schuld kennt, zerstört sie die äußeren Signa ihrer verfüh­ rerischen Weiblichkeit. Symbolisch schneidet sie sich ihre langen Haare ab und zer­ kratzt ihr Antlitz. Damit widersetzt sie sich nicht nur dem Willen des Vaters, sondern handelt gegen ihr Land und gegen die päpstliche Autorität. Sie begibt sich bewusst und selbstbewusst außerhalb der Ordnung, die sie sichert. Einmal mehr wird hier eine ungewöhnliche Handlung beschrieben: der tatsäch­ liche Inzest wäre zu erwarten. Der Vater aber verstößt die Tochter, als er die schande, die sie an ihn geleit vil sêre (v. 26.828f.) entdeckt. Er versteht ihre Handlung als Abwer­ tung seiner Männlichkeit, der sie sich entzieht und als Abwertung des ‚Körpers des Königs‘, dem sie sich verwehrt. Da sie im weiteren Verlauf der Geschichte Kaiserin von Griechenland wird, weist die Episode auf ein positives Frauenbild ohne misogyne Tendenzen. Vielmehr scheint sich hier ein besonderes Bewusstsein der Frau für ihre Situation und Sünden herauszukristallisieren. Die Tochter verhindert den Inzest. Sie wendet sich im Bewusstsein der sozialen Absurdität des Vorgangs vom Vater ab. Vor dem Hintergrund des IV. Laterankonzils von 1215 und der Festlegung der Ver­ wandtschaftsbeziehungen vom siebenten auf den vierten Grad ist es umso erstaun­ licher, dass der Vater sich Dispens vom Papst holt. Das kanonische Inzestverbot, ein Ehehindernis, welches bis zum Jahre 1215 allen Heiratswilligen, die bis in den siebenten agnatischen und kognatischen Grad verwandt waren, die legitime Ehe verbot, wurde auf den vierten Verwandtschaftsgrad heraufgerückt, weil, so die Argu­ mentation, „kein Mensch mehr in der Lage [war], alle 128 Vorfahren in der siebten Generation namentlich zu kennen, mit deren Nachkommen er nach dem kirchlichen Eherecht verwandt war“147. Die soziale Erlaubnis wird in der Erzählung von höchster Stelle gegeben, so dass es offenbar die Angst vor der eigenen psychischen Degeneration ist, die die Tochter aus dem Haus treibt. Der Handlung der Tochter in diesem Erzählkomplex muss höchste Aufmerksamkeit geschenkt werden, denn sie widersetzt sich nicht nur dem Vater in seiner Position als König, sondern löst sich selbstständig aus der inzestuösen Verstri­ ckung. Dieser fällt sie nicht nur in ihrer eigenen Familie zum Opfer, sondern gerät am Hof des Königs von Griechenland in eine ähnliche Konstellation. Ausgestoßen und verfolgt, wird sie durch die Reiche geschickt, in denen ihre Ankunft für Unruhe sorgt. In Griechenland ist es die Mutter ihres Mannes, die sie als Rivalin eifersüchtig verdrän­ gen will. Und auch hier wird sie Opfer der inzestuösen Situation zwischen Mutter und Sohn. Da dem Mädchen die entsprechende genealogische Zuordnung fehlt, kann die Mutter des Königs ihre Fremdheit nicht akzeptieren. Der Kaiser hingegen erkennt an ihren Kleidern, die sie zu einer öffentlichen Person machen, ihre vornehme Abkunft. Die Mutter hat aufgrund der Fremdheit und der Unbehaustheit des Mädchens Angst um die Zukunft ihres Geschlechts und hält die Hochzeit des Sohnes dynastisch für

147 Karl Ubl: Inzestverbot und Gesetzgebung. Die Konstruktion eines Verbrechens (300–1100). ­Berlin 2008 (Millennium-Studien 20), S. 477.

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eine schlechte Wahl – hâst dû genomen ein bœsez wîp. / wie kan diu gezemen dînem lîp? (v. 26.947f.) –, so dass die praktizierte exogame Verbindung auch hier unter den Verdacht gerät, die Zukunft des Königtums zu gefährden. Die Inzestproblematik wird in der Episode um den Riuzenkönig auf mehreren Ebenen beschrieben: Vater/Tochter sowie Mutter/Sohn sind in dieser Anordnung in verschiedenen Texten der mittelalterlichen Literatur zu finden.148 Zunächst sind die Gefahr einer zu engen Verbindung der Familienmitglieder und die damit verbun­ dene Bedrohung der eigenen Familie deutlich. Vor dem historischen Hintergrund des IV. Lateranums wird die Absurdität der päpstlichen Erlaubnis noch einmal unmiss­ verständlich sichtbar. Es geht vielmehr um eine Befürwortung exogamer Beziehungen, wie sie zwischen dem König von Griechenland und der Tochter des Riuzenkönigs exemplarisch ausge­ stellt wird, da sich beide zunächst völlig fremd gegenüberstehen. Aus diesem Grund ist der Vater am Ende der Geschichte entschuldbar, da ein Inzest nicht stattgefunden hat, und die Tochter eine Bindung außerhalb der familialen Strukturen eingegangen ist. Die Warnung vor einer zu engen Vertrautheit mit Familienmitgliedern ist durch den Beschluss des Lateranums gesetzlich geregelt. Dieser wird hier zwar kurzzeitig unter skeptischer Betrachtung der Fürsten aufgehoben, die Erzählsituation lässt aber die kritische Implikation dieser Handlung deutlich werden.

2.4  Curiositas: Friedrich II. Weder als stupor mundi noch als immutator mirabilis149 ist Kaiser Friedrich II. in die Weltchronik eingegangen. Beide Metaphern jedoch umreißen das Spannungsfeld, indem sich die Polemik für oder gegen den Kaiser vor allem ab dem 13. Jahrhundert in unterschiedlichen literarischen Gattungen ausbreitet.150 Dass Leben und Taten Friedrichs bei den Zeitgenossen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben, bezeu­ gen die vielfältigen Nachrichten, Erzählungen und Legenden, die um sein Leben wuchern, sein Kaisertum vor dem Untergang bewahrten und seine Parusie beschwo­

148 Vgl. Mai und Beaflor. Eine Erzählung aus dem 13. Jahrhundert, hg. von Franz Pfeiffer. Leipzig 1848. Nachdruck Hildesheim 1978 (Dichtungen des deutschen Mittelalters 7); Konrad von Würzburg: Partonopier und Meliur, in: Konrads von Würzburg Partonopier und Meliur – Turnei von Nantheiz – Sant Nicolaus – Lieder und Sprüche. Aus dem Nachlasse von Franz Pfeiffer und Franz Roth, hg. von Karl Bartsch. Wien 1871. Neudruck Berlin 1970, S. 1–312. 149 Matthäus Paris: Chronica maiora, in: Ex Mathei Parisiensis operibus. MGH SS 28 (1888), S. 107– 189, dort S. 319. 150 Vgl. Iuxta vaticinium Isaie, in: Acta imperii inedita seculi XIII. et XIV. Urkunden und Briefe zur Geschichte des Kaiserreiches und des Königreichs Sizilien, 2 Bde, hg. von Eduard August Winkel­ mann. Innsbruck 1880–1885. Nr. 1037, S. 709–717.



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ren.151 Dabei hat insbesondere die franziskanisch und dominikanisch beeinflusste Geschichtsschreibung das Bild des Kaisers als Erzfeind der Kirche für die Nachwelt kolportiert.152 Das Porträtieren des Kaisers aus dieser Perspektive bot insbesondere geistlichen Autoren die Möglichkeit, Friedrich als Exempel für die Warnung vor Sünd­ haftigkeit, Gottesferne und Ketzerei zu inszenieren. Zudem gibt die umstrittene Herrschergestalt nach wie vor Anlass zu neuen Fragen und Perspektiven in der wissenschaftlichen Diskussion.153 Friedrich II. taucht hier mit immer neuen Epitheta auf: als Inbegriff von Modernität, Begründer aufge­ klärten Herrschertums oder Stifter religiöser Toleranz.154 Diese Begriffe werden an die Figur herangetragen und zeigen, nicht anders als die mittelalterlichen Zeugnisse, den Kaiser aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Hier wie dort findet eine ‚Arbeit am Mythos‘ statt, die eben diesen erst produziert. Das Bild des Kaisers ist ebenso viel­ seitig wie vielschichtig und widersprüchlich; die Frage nach der Wahrhaftigkeit in jeglicher Hinsicht offen. Die Chronistik des 13. Jahrhunderts entwarf ein eigenes Bild des Kaisers, das in vielerlei Hinsicht, da interessen- und publikumsabhängig, ambivalent ist. Entspre­ chend erscheint Friedrich als Kirchenfeind und Ketzer, Verfolger und Widersacher der Geistlichkeit, dessen perverse Züge sich bereits mit seiner Geburt ankündigten und der auch vor dem obersten Kirchenhaupt keinerlei Respekt bewahrte. Nicht zuletzt

151 Oswald der Schreiber erzählt in seiner deutschen Übersetzung der Epistola presbiteri Johannis vom geheimnisvollen Verschwinden des Kaisers im Wald und seiner bevorstehenden Wiederkehr: Yedoch ist uns geseit / von pawren solh mer, / das er sal ein waler / sich oft by yne hab lassen sehen, / und hab yne offenlich verjehen, / er süll noch gewaltig werden / aller Romschen erden, / er süll noch die pfaffen storen / und er wol noch nicht uf horen, / noch mit nichten lasse abe, / nur er pring das heilge grabe / und darzu das heilig lant / wieder in der cristen hant, / und wol sines schiltes last / haben an den dorren ast. (v. 1.333–47). Zitiert nach: Friedrich Zarncke: Der Priester Johannes. Erste Abhandlung. Leipzig 1879 (Abh. d. philol.-hist. Cl. d. Königl. Sächsischen Ges. d. Wiss. 7), S. 1004–1028; S ­ alimbene de Adam: Cronica, hg. von Oskar Holder-Egger, in: MGH SS 32. Hannover; Leipzig 1905–1913, S. 1–652; Sächsische Weltchronik, hg. von Ludwig Weiland, in: MGH (Deutsche Chroniken 2). Han­ nover 1877. Nachdr. 1986, S. 1–384; Georg Voigt: Die deutsche Kaisersage, in: HZ 26 (1871), S. 131–187, dort S. 157–159; Sigmund Rizler: Zur deutschen Kaisersage, in: HZ 32 (1874), S. 63–75; Moritz Bosch: Die Friedrichssage der Italiener, in: HZ 35 (1876), S. 17–31. 152 Vgl. Martin von Troppau: Chronicon pontificum et imperatorum, hg. von Ludwig Weiland, in: MGH SS 22 (1872), S. 377–475. 153 Vgl. u. a. Hannes Möhring: Der Weltkaiser der Endzeit. Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung. Stuttgart 2000 (Mittelalter-Forschungen 3); Hubert Houben: Kaiser Friedrich II. (1194–1250). Herrscher, Mensch und Mythos. Stuttgart 2009 (Urban-Taschenbücher 618); Knut Görich [u. a.] (Hg.): Herrschaftsräume, Herrschaftspraxis und Kommunikation zur Zeit Fried­ richs  II. München 2008 (Münchner Beiträge zur Geschichtswissenschaft 2); Wolfgang Stürner: Friedrich  II. in der modernen Geschichtswissenschaft, in: Franz-Albrecht Bornschlegel [u.  a.] (Hg.): De litteris, manuscriptis, inscriptionibus. Festschrift zum 65. Geburtstag von Walter Koch. Wien 2007, S. 655–671. 154 Vgl. Görich: Herrschaftsräume.

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Joachim von Fiore prägte jene Diskurse, die die Schwangerschaft der Kaiserin Kons­ tanze dämonisierten, da sie, zu alt für eine Niederkunft, nur ein dubioses Wesen zu gebären vermochte oder als von einem Dämon Beschlafene nichts von ihrer Schwan­ gerschaft wissen konnte.155 Auch hier war ausreichend Stoff für eine schillernde Legendenbildung vorhanden. Darüber hinaus finden sich in der italienischen Novel­ lensammlung Il  Novellino156, die der Weltchronik zeitlich nachgeordnet ist, sechs Geschichten um Friedrich  II. Obwohl hier ähnliche Motive auftauchen, lassen sich keine größeren Übereinstimmungen feststellen.157 Die Darstellungen und Beschreibungen Friedrichs changieren zwischen Himmel und Hölle, Antichrist und Friedenskaiser, Heilbringer und satanischem Verbündeten. Friedrich II. hat aber nicht nur auf politischer Ebene bereits zu Lebzeiten die Gemüter erregt. Insbesondere seine unterschiedlichen Interessengebiete, vor allem in wissen­ schaftlichen Dingen, haben ihren Niederschlag gefunden. Auch darin gewähren die diversen, zum Teil anekdotischen Darstellungen in der Chronistik der Zeit detaillier­ ten Einblick. Entsprechend hat die Herrschergestalt Eingang in die Weltchronik gefun­ den. Auch hier wird Friedrich auf die eine oder andere Weise stilisiert und ein ganz eigenes Bild des Herrschers entworfen. Nach dem Prosaexkurs über die Genealogie der Babenberger folgen in der Weltchronik der Fall Ottos  IV. und der Aufstieg Friedrichs  II. Während Leopold  VI. von Österreich dem Kaiser huldigend zweihundert Goldmark überreicht, wird er von Otto verlacht, der offensichtlich mehr verlangt. Leopold verlässt daraufhin, empört über das Verhalten des Kaisers, den Hoftag. Seine Reaktion ist vor dem Hintergrund des Ränkespiels der Mächte absehbar: Leopold schickt nach dem Kind aus Apulien, das als Retter in das deutsche Reich kommen soll. Die Adventusszene stilisiert Friedrich als rechtmäßigen Herrscher. Im Text heißt es, dass Anselm von Justingen als Dienst­ mann des österreichischen Fürsten geschickt wird, um Friedrich, der noch ein Kind ist, in einem Korb auf seinem Rücken in sein Herrschaftsgebiet zu tragen. Die Anspie­ lung auf die Ankunft Christi selbst bestimmt typologisch diese Szene: ein krehsen gewan der selb man unde sazt das kint dar in. ûf sînem rucken truoc erz hin zwâr in diu diutschen lant. (Weltchronik, v. 27.758–61)

155 Vgl. Joachim von Fiore: Expositio in Apocalypsim. Venedig 1527 (Wiederabdruck Frankfurt am Main 1967). 156 Vgl. Il Novellino. Ital./Dt. Das Buch der hundert alten Novellen. Übers. u, hg. von János Riesz. Stuttgart 1988. 157 Vgl. auch Knapp: Die Literatur des Spätmittelalters, S. 242.



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Auch in Rückbezug auf die Heilsgeschichte verliert die Szene, in der der zukünftige Kaiser in einem Körbchen transportiert wird, dennoch an Ernsthaftigkeit. Leopold von Österreich wird hier, und dies ließe sich als lokalhistorisches Argument lesen, zum eigentlichen Initiator, zum Verkünder des kommenden Heils und zum Mediator unter den Fürsten. Er ist in der Darstellung des Wiener Autors maßgeblich an der Einsetzung des neuen Herrschers beteiligt. Nach Ankunft des Kindes auf deutschem Gebiet zahlt Leopold dem Überbringer der kostbaren Fracht, Anselm, nicht nur ein Honorar, sondern stattet ihn zudem mit einem ansehnlichen Heer aus, das in der Entscheidungsschlacht gegen Kaiser Otto in Apulien um die rechtmäßige Thronfolge zum Einsatz kommen soll. Zur Unterstützung stehen weitere Fürsten bereit. Diese kommen, als sie von der Ankunft des neuen Herrschers hören, um seinen Sieg zu unterstützen. Auch diese Szene ist typologisch zu lesen: Wie die Heiligen Drei Könige huldigen die deutschen Fürsten dem rechtmäßigen Herrscher: der fürst von Beiern ouch dar kam, als er des kindes kunft vernam, und anderr fürsten ein michel teil. dâ von gewan daz kint daz heil, daz ez den sic dâ von gewan, wan im got der sælden gan. (Weltchronik, v. 27.773–78) Der Thronstreit ist in der Weltchronik nach Apulien verlagert und in der Erzählung um eine militärische Auseinandersetzung zwischen Otto und Friedrich umgesetzt. Hier ist es zunächst die Größe des Heeres, die über Sieg oder Niederlage entscheiden soll. Obwohl Otto IV. im Besitz des größeren Heeres ist, verliert er die Schlacht, da er sich mit dem Abt von Fulda überwirft und dieser mit weiteren geistlichen Großen zu Friedrich überläuft. Der Abt steht für die päpstliche Seite, deren Unbehagen Otto hervorruft, als er Friedrich in Sizilien angreift, das als Papstlehen gilt. In der Weltchronik erscheinen diese Fakten in einer Anekdote, in der der Grund für die Abkehr darin gesehen wird, dass das Pferd des Abtes von Fulda das des Kaisers beißt, als beide nebeneinander her reiten. Otto, zornig darüber, fordert den Skalp des Abtes. Der schockierte Geistliche wendet sich von Otto ab und Friedrich zu, der mit Hilfe des Geistlichen die Schlacht gewinnt: dâ mit der keiser Ott dan kêrt, als ich gehœrt hân, ûf ein burc diu was guot, wan gên der bürg stuont sîn muot, und enthielt sich dâ sicherlîch vor dem keiser Fridrîch; und fuor daz kint in Pülln lant,

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daz dô Fridrîch wart genant, und leit sich dâ mit sînem her. nieman kom gên im ze wer. (Weltchronik, v. 27.917–26) Das Besondere dieser Szenen liegt darin, dass ein Publikum ohne Wissen um den staufisch-welfischen Thronstreit und die Situierung der einzelnen Parteien die Anspielungen, komischen Implikationen und überzeichneten Redeszenen in der jansschen Darstellung nicht wahrnehmen kann. Der Autor nimmt demnach deut­ lich Bezug auf sein internes Publikum, das als Referenz für das Funktionieren der Erzählungen mitgedacht werden muss. Erst mit kontextueller Rückbindung kann die Erzählung ihre Wirkung entfalten. Der Grund für die Auseinandersetzung zwischen Otto und der Kurie wird in der Chronik stellvertretend auf die Ebene der Tiere verlagert und damit banalisiert. Darüber hinaus wird auf diese Weise die Willkür der Streitigkeiten sichtbar gemacht und mehr noch die Schwäche der Kurie und ihre Abhängigkeit von einem weltlichen Machthaber vermittelt. Sowohl Otto als auch später Friedrich sind zu großen Grau­ samkeiten bereit, Diplomatie und Verhandlungsgeschick gehören der Darstellung Jans’ zufolge weniger zu den Kompetenzen der Herrscher. Der Autor hat die größere politische Dimension des Thronstreites, seine Verbindung zum englisch-französi­ schen Konflikt, nicht thematisiert, sondern sich auf die Auseinandersetzung zwi­ schen Staufern und Welfen konzentriert sowie die besondere Auszeichnung Leopolds von Österreich betrieben. Letzteres ist zum einen ein Hinweis auf lokalpolitische Inte­ ressen, denn der Österreicher ist in der gesamten Sequenz nahezu der einzige, der durch besondere Taten als positive Figur hervorgehoben wird. Zum anderen weist die Singularität der Heraushebung Leopolds den genauen Beobachter auf die relativ ein­ fache Strukturierung der herrscherlichen Ränkespiele in der jansschen Darstellung. Der österreichische Herzog initiiert zwar die Einsetzung des Staufers, doch seine besondere Rolle lässt, da ihm nahezu alleiniges Lob zukommt, Zweifel an der Ernst­ haftigkeit der Darstellung aufkommen. Da das Ensemble der Chronik überzeichnet oder an vielen Stellen verkehrt erscheint, ist auch die Glaubwürdigkeit dieser Szene infrage zu stellen. Auch die Inszenierung Ottos ist überhöht. Seine drastischen Äußerungen dem ängstlichen Geistlichen gegenüber iuwer plat muoz sîn / mîn pfant sicherlîche (Weltchronik, v. 27.822f.) scheinen übertrieben. Es ergeben sich auf diese Weise jene schar­ fen Konturen, die dem Publikum die jeweiligen Verhältnisse und ihre Fragwürdig­ keit vermitteln. Ob der Autor für die eine oder andere Seite Partei ergreifen will, steht weniger im Vordergrund als die Kritisierbarkeit jeder Herrschaftsausübung, denn auch Friedrich II. wird nicht nur unter positiven Aspekten dargestellt. Obwohl Fried­ rich Otto besiegt, wird er nicht ohne weiteres von den Fürsten gewählt – im Gegen­ teil: zunächst werden weitere Konflikte ausgetragen. Die fürstliche Mehrheit kann sich solange nicht zur Inthronisierung des Staufers entschließen, bis er sie mit einem



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Aufgebot von 100 bewaffneten Rittern zu einer Entscheidung zwingt. Der Erzähler kommentiert dies: gên dem palast er dô reit, dâ diu wal solt geschehen. doch wil ich iu der wârheit jehen, daz er liut hêt mit im brâht, als er im vor hêt gedâht. er brâht wol hundert man, die hêten all halsberg an, und alsô mangen schützen guot, die all wârn wol behuot. (Weltchronik, v. 27.956–64) In einem Gewaltstreich erzwingt er von den Fürsten die Bestätigung seiner Herrschaft und lässt sich zum König wählen. Die weltlichen Großen übertragen ihm, während Friedrich sich mit militärischer Unterstützung Zugang zur Wahl verschafft, die Mög­ lichkeit, den zukünftigen Herrscher zu designieren: ‚herr her Fridrîch, wir kunnen uns niht verdenken wol. iuwer zuht uns râten sol daz uns daz best hie sî; dâ sol iur rât wesen bî. diu wal stê in iuwer hant und daz rœmisch lant. swen ir welt, der sol daz rîch haben ze reht sicherlîch.‘ (Weltchronik, v. 27.976–84) Hier und in den folgenden Szenen wandelt sich das Bild Friedrichs. Während er im Streit mit Otto als Erlöser des Reiches dargestellt wird, entsteht in den folgen­ den Erzählungen das Bild des Eroberers, der willensstark, willkürlich und grausam herrscht. Seine Monstrosität und Entartung werden in den Anekdoten exempla­ risch vorgeführt. Die Fürsten wiederum, die von einer weltlichen Macht zur nächs­ ten schwanken, erscheinen als wankelmütige Potentaten, die in entscheidenden Momenten keine Gegenwehr leisten. Mehr noch sind sie erpressbare Schwächlinge, die im Konfliktfeld der jeweiligen Machtkonstellation fürstliche Qualitäten vermissen lassen – eine Gruppe also, deren Führungskompetenzen in die Kritik geraten. Nach der Wahl Friedrichs, die nicht konsensual stattfindet, folgen die Geschich­ ten um die Auseinandersetzung Friedrichs mit dem Papst, Friedrichs Ausbildung von Meuchelmördern, medizinische Experimente, die Geschichte um Friedrich von

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Antfurt, das Hoffest Friedrichs, der Streit mit den Venezianern, die Falkenepisode und schließlich sein Tod. In allen Geschichten werden Grausamkeiten des Kaisers und pervertierte Neigungen als unfassbare Ereignisse dargestellt. Diese Negativkon­ notationen tauchen in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung bei verschiedenen Autoren auf. Einhellig wird Friedrich crudelitas vorgeworfen, die sich in seinem bru­ talen Vorgehen gegen Verschwörer, Verräter oder Kleriker zeigt.158 Zornausbrüche, Drohgebärden, ungezügelte Aggressionen, Raserei und grausame Tyrannei werden zu Kennzeichen seiner Herrschaft.159 Entsprechend drastisch wird in der Weltchronik der Bann gegen Friedrich dargestellt, der zunächst den bâbst ûz Rôm, dazu bischof und kardinâl (v.  28.006f.) vertreibt. Der Streit um die Vorherrschaft in Sizilien wird schließlich zum Ausgang für den Konflikt mit dem Papsttum, der die Reihe der Grau­ samkeiten eröffnet: swâ er des bâbstes liut begreif, die hiez er mit nœten wærlîch all tœten. die pfaffen muosten dô irn sweiz lâzen, wan er in ûz reiz die platen ûz dem houbt her. daz was sînes herzen ger. die bruoder mohten im niht enpfliehen, er hiez in ab ziehen die hût über die ôren, als sie wæren tôren. (Weltchronik, v. 28.026–36) Skrupellos geht Friedrich gegen Anhänger und Geistliche des Papstes vor, ohne seiner eigentlichen Rolle als Herrscher gerecht zu werden. Die Miniatur auf fol. 160rb greift die Szene des Enthäutens oder Schindens,160 das seit der Antike als Hinrichtungsme­ thode galt, auf und zeigt, dass Friedrich Klerikern bei lebendigem Leib die Haut abzie­ hen und sie skalpieren lässt. Der Maler ging offenbar davon aus, dass man Menschen wie Tiere dekutieren kann und folgt der textlichen Anweisung des Fellabziehens. Friedrichs Auseinandersetzung mit dem Papst und der Bann gegen ihn tauchen in der Weltchronik als Vertreibung des Papstes aus Rom auf, was den Alleinherrschafts­

158 Vgl. Salimbene: Cronica I 508; Chronicon Turonense (Nr. 114) 470. 159 Vgl. Andrea Sommerlechna: Stupor mundi? Kaiser Friedrich  II. und die mittelalterliche Ge­ schichtsschreibung. Wien 1993 (Publikationen des Historischen Instituts beim Österreichischen Kul­ turinstitut in Rom. 1. Abteilung Abhandlungen 11), S. 430. 160 Der schindære (mhd.) zog verendeten Tieren die Haut ab und entsorgte diese. Die Bezeichnung wurde auf den Henkersknecht übertragen, der Verurteilten schmale Hautstreifen herausschnitt, vgl. Ruth Schmidt-Wiegand: Schinder, in: HRG IV (1990), Sp. 1409f.



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Abb. 10: Regensburg, Fürstl. Thurn und Taxissche Hofbibl., Ms. Perg. III, fol. 160rb: Häutung von Klerikern unter Friedrich II.

anspruch des weltlichen Machthabers unterstreicht. Unterstützung für seine grausame Machtausübung findet Friedrich vor allem durch Mörder, die er unter unheilvollen Umständen züchtet und domestiziert. Sie töten in seinem Auftrag Gegner und Feinde: swelich kint hêt zwei jâr, diu hiez er wærlîchen zwâr under die erden lâzen. er lie si niht zuo den strâzen. er verbôt daz man in dhein lieht gæb noch in nimmer niht den tac liez schouwen an. swer mit in solt umbe gân, dem gebôt er mit kündikeit, daz er den kinden iht enseit wan daz er got wære. […] sô dann der keiser Fridrîch wolt stechen einen fürsten rîch, sô hiez er zwei kint zehant ledic lâzen ûz dem bant. (Weltchronik, v. 28.049–74) Die in Erdhöhlen herangezogenen Auftragsmörder, die bis zu ihrem Einsatz im Dunkeln und von der Welt getrennt aufwachsen, sind Friedrich bedingungslos

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ergeben und halten ihn für Gott. Diese Inszenierung macht Friedrich der superbia verdächtig, ebenso sein barbarisches Vorgehen im Umgang mit der Kurie. Ganz offen­ sichtlich kennt der Autor der Chronik die zeitgenössische Propaganda um den Kaiser und setzt diese ein, um die Willkür des Herrschers zu illustrieren. Darüber hinaus werden im Text die Grausamkeiten Friedrichs bis hin zu Experimenten mit Gefan­ genen gesteigert, die auf die Schnelligkeit ihrer Verdauung beim Schlafen, Laufen und Reiten getestet werden. Das Ergebnis dieses Versuchs ist, so der Text, erst mit dem Tod der Probanden abgeschlossen, da, um das Resultat eindeutig festzustellen, die Bäuche aufgeschnitten werden müssen. Die Häftlinge dienen einzig als Versuchs­ objekte. Friedrich eignet sich ihre Körper nicht erst nach Eintreten des Todes, quasi als zweite Form der Bestrafung an,161 sondern ihr Tod ist von vornherein besiegelt und Friedrich beansprucht den noch lebendigen Körper des Gefangenen für sich. Im Gegensatz zum Körper des Heiligen, der aufgrund seiner Heiligkeit nach dem Tod zerlegt und dessen Einzelteile als Reliquie verehrt werden,162 erfährt der Körper des Gefangenen gerade keinerlei Wertschätzung und das Experimentieren am Toten ist Zeichen seiner Wertlosigkeit. Im Mittelpunkt des Experiments stehen die Beantwortung der Frage nach der schnellsten Verdauung und die Darstellung der uneingeschränkten Macht Friedrichs, der hier zum Herrscher über Leben und Tod wird. Der kirchlichen Vorstellung, dass nur hingerichtete, erhängte oder enthauptete Verbrecher seziert werden dürfen, wird hier widersprochen. Für den Kaiser hat das Leben der Gefangenen keinerlei Bedeu­ tung. Einzig das Ergebnis des Versuchs zählt. Vor allem Tertullian und Augustinus haben sich in der Spätantike gegen Vivi­ sektionen ausgesprochen und die griechischen Anatomen als ‚Metzger‘ verdammt. Insbesondere Augustinus argumentierte, dass sich die Zergliederung des mensch­ lichen Körpers nicht mit seiner Forderung der humanitas vertrage. Folglich musste Friedrichs Vorgehen vor dem Hintergrund der theologischen Argumentation als men­ schenunwürdig verurteilt werden. Die These vom aufgeschlossenen, den Wissenschaften zugewandten Kaiser, die Friedrich Innovativität unterstellt, ist aus der Weltchronik nicht verschwunden, wird aber in einer spezifischen Weise funktionalisiert. Friedrichs Interessen treiben ihn dazu, Experimente an Menschen durchzuführen. Sein Wissensdrang wird ins Negative verkehrt und übermächtiger Wissensdurst unter den Verdacht der superbia gestellt.

161 Vgl. zu mittelalterlichen Strafritualen Richard van Dülmen: Theater des Schreckens. Gericht­ spraxis und Strafrituale in der frühen Neuzeit. München 1995, S. 144. 162 Die Präsentation von menschlichen Leichen ist aus dem „Theatrum mundum“ des 17. und 18. Jahrhunderts bekannt. Hier wurden vor allem Leichen hingerichteter Verbrecher seziert, vgl. dazu Andreas Gormans: Perspektiven der Zergliederung. Zum Verhältnis von Anatomie und Wissen­ schaftspraxis in der Frühen Neuzeit, in: Dominik Gross; Jasmin Grande (Hg.): Objekt Leiche. Tech­ nisierung, Ökonomisierung und Inszenierung toter Körper. Frankfurt am Main; New York 2010 (To­ desbilder. Studien zum gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod 1), S. 137–192.



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Ähnlich wie dies in der Chronik in den Geschichten um Vergil im Korb oder den Teufelspapst Silvester vorgeführt wird,163 gerät auch Friedrich in den Verdacht, mit unbekannten Mächten in Verbindung zu stehen bzw. wird sein Wissensdrang auf dem schmalen Grat zwischen redlichen Wissenschaften und artes magicae in letztere Richtung gedeutet. Entsprechend verkehrt sich seine Aufgeschlossenheit in laster­ hafte Neugier, curiositas, die als Herausforderung Gottes gilt und ihm vorgeworfen wird.164 In der Weltchronik werden diese Schilderungen nicht ausschließlich benutzt, um den Kaiser als Negativexempel zu inszenieren. Eine eindeutige (Be)wertung lässt sich nicht ablesen. Es bleibt bei einem Aneinanderreihen der Anekdoten, die der Erzähler kennt. Die Erzählung selbst wahrt einen bestimmten Abstand zum Erfahre­ nen, so dass der Eindruck entsteht, der Erzähler selbst sei Medium und Berichterstat­ ter, ohne Fürsprache in eine Richtung zu verfolgen. Dies markieren nicht zuletzt die Äußerungen am Ende der Geschichten um Friedrich II. Darin werden die negativen Eindrücke vom Kaiser nahezu vollständig relativiert: Dannoch der keiser niht enlie, manic wunder er begie. nâch maniger hand dingen, nâch witzen begund er ringen. des gewan er vünt genuoc. er wart an mangen dingen kluoc. (Weltchronik, v. 28.199–204) Insbesondere die Verse nâch maniger hand dingen,  / nâch witzen begund er ringen legen nahe, dass der Kaiser nach außergewöhnlichen Dingen strebte. Mhd. wunder ist hier vor allem in einer Verbindung mit neugierigem Treiben und ungewöhnlichen Handlungen, die Staunen hervorrufen, zu sehen.165 Wunder zeichnen zunächst den Heiligen aus. Durch ihn ragt die Transzendenz in die Immanenz hinein.166 Wunder markieren seine göttliche Dimension. Wunder bezeichnet demnach den Umgang mit

163 Vgl. Kap. III.1.2. und III.3.2. 164 Vgl. Sommerlechna: Stupor mundi, S. 433; Augustinus: Confessiones X,35, in: PL 32, Sp. 657– 868, dort Sp. 802f. 165 Vgl. DW 30, Sp. 1782–1825, dort Sp. 1784. 166 Peter Strohschneider beschreibt dies für die Reliquien: „In der Reliquie also ist der Heilige und das Heil real präsent, sie ist die Gegenwart des Heiligen und des Heils in einem ganz substan­ tiellen Sinn. Mit der Reliquie ragt Transzendenz direkt und konkret in die Immanenz herein […].“ Peter Strohschneider: Textheiligung. Geltungsstrategien legendarischen Erzählens im Mittelalter am Beispiel von Konrads von Würzburg „Alexius“, in: Geltungsgeschichten. Über die Stabilisierung und Legitimierung institutioneller Ordnungen. Im Auftrag des SFB 537 hg. von Gert Melville und Hans Vorländer. Köln [u. a.] 2002, S. 109–147, dort S. 112f.

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einer nicht zu differenzierenden übernatürlichen Macht, die nicht positiv bestimmt sein muss, Erstaunen, aber auch Befremden hervorruft. Die bis hierher geschilderten Grausamkeiten Friedrichs, seine Neugier, sein Wis­ sensdurst treten erneut in den Hintergrund. In der Erzählung wird ein Bruch sichtbar, der das Ende der Episode, die Entrückung des Kaisers, ankündigt. Sein Wissensbe­ dürfnis wird ihm, folgt man der Weltchronik, zum Verhängnis. Als Abkehr von Gott führen ihn seine Experimente zu Grausamkeiten, die in ihrer Ambivalenz zur Mystifi­ zierung der Person beitragen. Entsprechend muss auch das Ende Friedrichs offen bleiben. Da der Autor sich weder zu einer positiven Stilisierung noch zu einer Ver­ dammung Friedrichs bekennt, endet die Episode mit dem Verschwinden der Figur ins Ungewisse. Die Ambivalenz wird zum Prinzip: Dar nâch der keiser wart verholn, den kristen allen vor verstoln, wan nieman west diu mære wa er hin komen wære. ob er wær tôt an der zît, dâ von ist wærlîch noch ein strît in welhischen landen über al. die einen jehent mit grôzem schal, daz er sî erstorben und in ein grap verborgen, sô habent sümlîch disen strît, er leb noch in der werlt wît. welhez under den beiden sî, des mæres bin ich worden frî. (Weltchronik, v. 28.945–58) Der Erzähler kommentiert die Taten Friedrichs, in dem er sie relativiert. Es wird Wissen über Friedrich  II. zusammengetragen, dessen Quellen nicht eindeutig benannt werden, was die abschließende Mystifizierung der Figur zusätzlich steigert. Der unklare Quellenbezug markiert den Bereich der fabulae, der maeren. Die Über­ führung der historischen Person in fiktionale Zusammenhänge wird auf diese Weise deutlich. Es entstehen ‚hybride Figuren‘, die heterogen zusammengesetzt sind. His­ torisch konkrete Fakten (Regierungsjahre, Schlachten etc.) werden episch integriert und überführen die Protagonisten in das ‚Reich der Fiktion‘, in dem die Figuren Epi­ soden durchleben oder Taten vollbringen, deren letztendlichen Ausgang das Publi­ kum kennt. Dabei wird aus rezeptionsästhetischer Perspektive der Erwartungshori­ zont des Publikums von einem Herrscher, der exemplarisch handelt, gebrochen und mit der Erfahrung der neu und eigenständig zu bewertenden, sich permanent verfeh­ lenden Figur aufgefüllt.



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2.5  Zusammenfassung Wissensdrang führt die Figuren (Nero, Friedrich  II.) in „liminale“167 Situationen, die der Demonstration von Macht und willkürlicher Herrschaft dienen. Wissen und Macht stehen in einer Verbindung, die sich schnell ins Negative verkehrt und das weltliche Ordnungsgefüge stört. Damit wird die Experimentierfreude der Kaiser an ihre Grenzen geführt und das Publikum vor blindwütiger Wissensgier und schwarzen Künsten gewarnt. Die Experimente stehen symptomatisch für das negative Verhal­ ten Friedrichs und Neros und sind in einen ethischen Diskurs eingebunden. Anhand der ‚Experimente zwischen Leben und Tod‘ wird die Frage nach einer Herrschaft­ sethik gestellt und Wissen moralischen Vorstellungen unterworfen. Friedrich und Nero schrecken vor keiner Tat zurück, die sie an die Grenzen des Möglichen führt. Aus christlicher Perspektive wären die Herrscher unmissverständlich zu verurteilen. Mit der Liminalität ihres Verhaltens geht jene Dimension einher, die in Heiligenvi­ ten vorkommt, um die Verbindung zur Transzendenz des Heiligen zu verdeutlichen. Letztere wird verkehrt und im Sinne der Verurteilung der Figuren funktionalisiert. Fragen der Herrschaftspraxis wie Nachfolgesicherung, genealogische Abfolge und Idoneität stehen auch im Mittelpunkt der Geschichten um den Riuzenkönig und Karl den Großen. Die Miniaturen in der Regensburger Handschrift unterstreichen Drastik und Perversion der Szenen, zeigen aber zugleich verbreitete Praktiken und bedienen die ‚Augenlust‘ des Publikums, da gerade die absonderlichen Szenen illustriert wurden. Sie markieren das Interesse an den Erscheinungen der Welt, da sie die Kuriositäten der Kaiser abbilden: Nero lässt seine Mutter sezieren, Friedrich dekutiert Kleriker und experimentiert mit Gefangenen. Karl der Große lässt seine Frau vom Zauber befreien. Dogmatisch werden die Verfehlungen der Kaiser widergegeben, ihre Weltverfallen­ heit gezeigt, auf die Gefahren von Selbstentäußerung und Wissensdrang hingewiesen und dem Publikum eine Reihe moraldidaktischer Exempla vorgelegt.

167 Mit Liminalität meine ich hier nicht vordergründig die Bewältigung einer Situation, wie Bruno Quast dies in Anlehnung an Victor Turner für Iwein beschrieben hat, sondern den „Schwellen­ zustand“, in dem das Subjekt sich in einem „Dazwischen“, in einem „Schwellenzustand“ (Turner) befindet und die Regeln der Gesellschaft zunächst nicht mehr funktionieren. Zum Begriff vgl. Victor Turner: Soziale Dramen und Geschichten über sie, in: Ders.: Vom Ritual zum Theater. Der Ernst des menschlichen Spiels. Frankfurt am Main 1989, S. 95–139, dort S. 132; Bruno Quast: Das Höfische und das Wilde. Zur Repräsentation kultureller Differenz in Hartmanns ‚Iwein‘, in: Literarische Kommuni­ kation und soziale Interaktion. Studien zur Institutionalität mittelalterlicher Literatur, hg. von Beate Kellner [u. a.]. Frankfurt am Main [u. a.] 2001 (Mikrokosmos 64), S. 111–128, dort S. 27.

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3  Geistliche Ordnung – Papstgeschichten 3.1  Die Päpstin In Korrespondenz zu den weltlichen Herrschern zeigen die Papstgeschichten geistli­ che Fürsten, die sich vergehen. Auch hier werden Rollentausch (Nero, Achill), Curiositas (Friedrich II.) oder Teufelsbund (Vergil) thematisiert, somit strukturell und auf der Textoberfläche eine Verbindung zwischen den Erzählungen der weltlichen und geistlichen Sphäre hergestellt. Im Anschluss an den Papstkatalog, der Fakten auf der Ebene des sensus litteralis vermittelt, geben die Episoden Beispiele auf der Ebene des sensus moralis, die zeigen, wie man sich nicht verhalten soll. Bereits in der ersten Erzählung der Papstgeschichten wird die Problematik des Gender-Crossings erneut aufgegriffen und ein brisantes Thema an den Anfang gestellt.168 Die Geschichte um die Päpstin, die in der Weltchronik zum ersten Mal in der Volksspra­ che belegt ist, schließt an den Papstkatalog an, der die einzelnen Päpste mit ihren jewei­ ligen Regierungszeiten auflistet. Dass die Päpstin in dieser Aufzählung nicht erscheint, ist vermutlich auf zwei Gründe zurückzuführen. Zum einen hat der Autor die Übersicht direkt aus der Imago mundi des Honorius Augustodunensis übernommen. Zum anderen deutet sich auch hier die Grundkonzeption der Chronik an: In der Auflistung historisch verbürgter Fakten wird die Päpstin nicht erwähnt, da der Autor ihre Geschichte aus erzählenden Quellen kennt. Die Erzählung ist damit bewusst in jenen Teil integriert, in dem Wahrscheinliches zusammengefügt wird. Obwohl der Autor nicht explizit auf eine gattungstheoretische Differenzierung zwischen fabula und historia hinweist, drängt sich hier der Eindruck einer solchen Trennung auf. Dies ist an eine Differenzierung der Quellen nach dem Kriterium der Wahrhaftigkeit gebunden. Die Legende um eine Frau auf dem Papststuhl hat in den letzten Jahren, insbeson­ dere seit der aktuellen Rezeption in Literatur und Film169 in populär- und fachwissen­ schaftlichen Kreisen zu Diskussionen Anlass gegeben.170 Dabei stand die Frage nach der

168 Vgl. Kap. III.2.1. 169 Verwiesen sei hier auf den Roman Die Päpstin von Donna W. Cross aus dem Jahr 1996 und die sich daran anschließende gleichnamige Verfilmung unter der Regie von Sönke Wortmann. 170 Vgl. Bernhard Schimmelpfennig: Die Päpstin Johanna – Realität oder Legende?, in: Volker Dotterwich (Hg.): Mythen und Legenden in der Geschichte. München 2004 (Schriften der Philoso­ phischen Fakultäten der Universität Augsburg 64), S. 39‒46; Simona Slanicka: Die Päpstin Johanna als methodologisches Problem der Männlichkeitsforschung, in: Geschlecht und Wissen. Zürich 2004, S. 201‒214; Elisabeth Gössmann: Was hat die heutige Frau in der Kirche mit der ‚Päpstin Johanna‘ zu tun?, in: Anne Jensen; Michaela Sohn-Kronthaler (Hg.): Formen weiblicher Autorität. Erträge historisch-theologischer Frauenforschung. Wien 2005 (Theologische Frauenforschung 17), S. 53‒84; Craig M. Rustici: The afterlife of Pope Joan. Deploying the Popes legend in early modern England. Michigan 2006; Gunter Pirntke: Die Päpstin Johanna. Norderstedt 2009; Max Kerner; Klaus ­Herbers: Die Päpstin Johanna. Biographie einer Legende. Köln [u. a.] 2010.



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historischen Evidenz der Figur des Pope Joan immer wieder im Fokus. Vor diesem Hinter­ grund haben Klaus Herbers und Max Kerner in Anlehnung an die detaillierte Studie Ignaz von Döllingers (1863 und 1890)171 noch einmal betont, dass die Päpstin keine historische Figur sei, stellten aber heraus, dass die Legende um die Figur eine bestimmte „Biographie“172 habe. Dieser Konstruktion soll im Folgenden am Beispiel der Erzählung um die Päpstin in der Weltchronik nachgegangen und ihre Funktion beleuchtet werden. Die Ursprungslegende ist auf eine lokalrömische Sage zurückzuführen, die ab 1250 in verschiedenen schriftlichen Versionen vorlag. Die prominenteste unter ihnen ist jene, die Martin von Troppau in seinem Chronicon pontificum et imperatorum (1277) erzählt.173 Darin berichtet er von einer Päpstin Johanna, Johannes Anglicus, natione Moguntinus, die im 9. Jahrhundert regiert habe. Diese fiel aufgrund ihrer besonderen Gelehrsamkeit auf, wurde zum Papst gewählt und später schwanger. Sie gebar ihren Sohn während einer Prozession zum Petersdom, starb bei der Geburt und wurde am gleichen Ort begraben. Daneben wurde die Inschrift (Petre, pater, patrum, papisse proditum partum), die Mitte des 13. Jahrhunderts in der Chronik des Jean de Mailly und in dem dominikanischen Predigerhandbuch des Ètienne de Bourbon als Grab­ inschrift überliefert ist, als Beleg für die Existenz einer Päpstin gedeutet.174 Martin von Troppau hatte das Geschehen in das 9. Jahrhundert verlegt und der Päpstin den Namen Johanna gegeben, die, folgt man seiner Aufstellung, als Johannes Anglicus nach Papst Leo IV. für zwei Jahre, zwei Monate und vier Tage den Pontifikat führte.175 In der Weltchronik wird die Geschichte einer namenlosen Päpstin, von einem wîp, / diu hête wolgestalten lîp / und het sich gestellt als ein man (v. 22.295–97) erzählt. Ihr Geschlecht wird anhand äußerer Merkmale festgemacht. Die Frau, so heißt es in der Chronik, hat einen wohlgeformten Körper, stattet ihn jedoch, um ihr ‚wahres‘ Geschlecht zu verbergen mit männlichen Attributen aus. Obwohl man sie für einen Auserwählten Gottes hält, wird ihr das biologische Geschlecht zum Verhängnis. Schließlich bleibt sie Frau, will aber Mann sein:

171 Vgl. Ignaz von Döllinger: Die geheimnisvollen Papstfabeln und Mythen des Mittelalters. Leip­ zig 2007. 172 Kerner; Herbers: Die Päpstin Johanna. 173 Vgl. Martin von Troppau: Chronicon pontificum, S. 377‒475. 174 Vgl. Jean de Mailly: Chronica universalis Mettensis, hg. von Georg Waitz, in: MGH SS 24. Han­ nover 1879, S. 502‒526; Stephani de Borbone: Tractatus de diversis materiis praedicabilibus. Prolo­ gus, Prima Pars. De Dono timoris, éd. Jacques Berlioz; Jean-Luc Eichenlaub. Turnhout 2002 (Cor­ pus Christianorum, Continuatio Mediaevalis, CXXIV); Humbert de Romans: Le Don de crainte ou l’Abondance des exemples, traduit du latin et présenté par Christine Boyer, Postface de Jacques Berlioz. Lyon 2003 (Collection d’histoire et d’archéologie médiévales, 11). 175 Neben Jean de Mailly, Ètienne de Bourbon und Martin von Troppau taucht das Motiv des weibli­ chen Papstes vor Jans von Wien in der Chronica minor eines Erfurter Franziskaners (um 1261‒65) und in Jacobs von Maerlant Spiegel historiale (um 1280) auf, vgl. Überblick bei: Kerner; Herbers: Die Päpstin Johanna, S. 155f.

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wan man sie hêt für einen helt, der got rehter wære, doch was si wandelbære, daz si was wîp und wolt sîn man –, dâ von man si zi bâbst nam. (Weltchronik,v. 22.300–04) Sie kann den ihr angeborenen ‚Fehler‘ nicht wettmachen und sich nur darum bemühen, die sittlich-moralische Vollkommenheit des Mannes zu erreichen. Dies kor­ respondiert mit der Vorstellung von der Erschaffung Evas aus Adam, wie sie besonders die hebräische Bezeichnung ‫השיא‬ / ‫ שיא‬verbürgt, die Luther in der Übersetzung Mann und Männin176 übernahm. In der lateinischen Übersetzung des Hieronymus findet sich entsprechend vir  / virago. Auf diese greift auch der Erzähler der Weltchronik in der Schöpfungsgeschichte zurück: er brach ez ûz dem lîp und macht im ein wîp. die nant er Viragô – des wîbes was er vil frô –. der nam ir wart mit sinne, daz si hiez ein menninne. (Weltchronik, v. 539–544) Diese Interpretation des Transgressionsgedankens basiert auf Augustinus, der im Anschluss an die paulinische Argumentation in Gal  3,28 und 1.  Kor  11,3–7 die Unterordnung der Frau forderte.177 Diese Auffassung impliziert die Deprivation des Weiblichen, beschränkt sich aber auf moralische Qualitäten. Rollentausch, markiert durch Kleidung und Verhalten, verstößt gegen Gottes Gebot und muss als sündhaftes Handeln verurteilt werden.178 Entsprechend werden manlîchiu wîp und wîplîche man

176 Vgl. Übersetzung zu Gen 2,23 aus dem Hebräischen: Sie soll ’ischa heißen, weil sie vom ’isch ge­ nommen ist. Zitiert nach: Neue Jerusalemer Bibel. Einheitsübersetzung mit dem Kommentar der Jeru­ salemer Bibel. Neu bearb. und erw. Ausgabe, deutsch hg. von Alfons Deissler und Anton Vögtle, in Verbindung mit Johannes M. Nützel. Freiburg [u. a.] 112000, S. 17. In der Vulgata heißt es an dieser Stelle: Dixitque Adam: hoc nunc os ex ossibus meis et caro de carne mea. Haec vocabitur virago quoniam de viro sumpta est. Zitiert nach: Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem. Recensuit et brevi appa­ ratu critico instruxit Robert Weber. Ed. quintam em. retr. praep. Roger Gryson. Stuttgart 52008, S. 7. 177 Vgl. Augustinus: De Genesi ad litteram III,22, in: PL 34, Sp. 219‒486, dort Sp. 293‒294; Augus­ tinus: De trinitate XII, VII, hg. von William John Mountain; Francois Glorie, in: CCSL 50 (1968), S. 364, S. 25f. 178 Bei Meister Eckhart heißt es entsprechend: Nû was verboten in der alten ê, daz kein man vrouwenkleit an sich legete, noch vrouwen manneskleit. Meister Eckharts Predigten, Homo quidam fecit cenam



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gleichermaßen als Zeichen einer verkehrten Welt abgelehnt.179 Dennoch existiert das Ideal der männlichen Frau im positiven Sinne als mulier fortis, als tugendhafte Frau und wird spätestens im Hochmittelalter um Stärke und Tapferkeit erweitert. Entsprechend finden sich in der hagiographischen Literatur wie in den Sermones de sanctis des Peregrinus von Oppeln oder im Dialogus Miraculorum des Caesarius von Heisterbach180 tapfere Frauen, die den Kampf mit dem Teufel bestehen. Insbe­ sondere Caesarius berichtet um 1220 von Hildegund von Schönau, die unter dem Namen Joseph und als Mann verkleidet als Novize lange Zeit im Kloster Schönau lebte.181 Hildegund passte sich den männlichen Lebensgewohnheiten vollständig an und kehrte vor allem den weltlichen Versuchungen den Rücken. Erst nach ihrem Tod wurde er/sie von ihren Mitbrüdern erkannt und als Beispiel göttlicher Begnadung verstanden.182 Als mulier fortis bekommt auch die ‚Päpstin‘ eine andere Konnotation, so dass in der literarischen Verarbeitung der Figur eine Annäherung an das männliche Geschlecht stattfindet. Ihre weltliche Abkehr gipfelt in der Inthronisation auf dem Papststuhl. An der Spitze der Christenheit jedoch ist sie dem Göttlichen so nahe, dass ihre wahre Leiblichkeit erkannt werden muss. Die Miniatur in der Regensburger Handschrift befindet sich am Ende der Episode und zeigt das Skandalon der Episode − die Päpstin in ihrer Weiblichkeit mit einem roten Kleid und offenen Haaren. In beiden Fällen, bei Hildegund von Schönau und in der Erzählung um die Päpstin der Weltchronik, mündet die Abkehr vom Weiblichen im Transzendieren des anderen Geschlechts. Thematisch korrespondieren die Transgressionsgeschichten mit Neros Krötengeburt und Achills Kleidertausch.183 Während das Gebären als siche­

magnam, hg. u. übers. von Josef Quint. Stuttgart 1958 (Meister Eckhart. Die deutschen Werke  1), S. 337, 14f. 179 Christiane Haag hat verschiedene literarische Stellen dafür benannt, vgl. Christiane Haag: Das Ideal der männlichen Frau in der Literatur des Mittelalters, in: Ingrid Bennewitz; Helmut ­Tervooren (Hg): Manlîchiu wîp, wîplîch man. Zur Konstruktion der Kategorien ‚Körper‘ und ‚Ge­ schlecht‘ in der deutschen Literatur des Mittelalters. Internationales Kolloquium der Oswald-vonWolkenstein-Gesellschaft und der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, Xanten 1997. Berlin 1999 (Beihefte zur ZfdPh 9), S. 228‒248. 180 Vgl. Caesarius von Heisterbach: Dialogus miraculorum. 181 Vgl. dazu Franz Josef Worstbrock: Hildegund von Schönau, in: 2VL 4 (1983), Sp. 4‒8; Walter Berschin: Joseph, die Magd Gottes: Hildegund von Schönau, in: Ders.: Mittellateinische Studien, Teil 1. Heidelberg 2005, S. 347‒350. Auf einem Blatt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der „Schönauer Federzeichnungen“ aus einem Zyklus zur Geschichte des Klosters Schönau heißt es im Titulus: Virgo Hildegundis latitans sub veste virili  / Joseph seque vocans habitum petit Ordinis almi. Nürnberg, Germ. Nationalmuseum, Hz 199. 182 Ihr Leben ist in fünf Viten überliefert, die zwischen 1188 und 1220 entstanden, vgl. Worstbrock: Hildegund, Sp. 5f. 183 Vgl. Kap. III.2.1.

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Abb. 11: Regensburg, Fürstl. Thurn und Taxissche Hofbibl., Ms. Perg. III, fol. 127ra: Die Päpstin.

res Zeichen für Weiblichkeit steht, dient die Idoneität als Papst dem Nachweis der Männlichkeit. Unabhängig davon, ob die Frau ein männliches Dasein führt oder nicht, bleibt sie an ihre Körperlichkeit gebunden. Ihre wîpheit wird erkannt und die Frauen werden, wie in der Weltchronik exemplarisch vorgeführt, verbannt, verspottet und bestraft. Entsprechend heißt es im Text: waz si wunders dâ getreip, di wîl si bâbst dâ beleip, des kan ich niht gar gesagen, dâ von sô muoz ich stille dagen, wan einez weiz ich von ir wol, daz ich iu für wâr sagen sol: dô man der wîpheit inne wart, dô wart niht lenger gespart, man tæt sie fuder zehant, daz ist mir von ir wol bekant, wan si den spot dar umb enpfie, der ir an ir êre gie, und muost von Rôm scheiden. den liuten begund si leiden umb ir bœse missetât, die ir lîp begangen hât. (Weltchronik, v. 22.305–20)



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Die Päpstin wird bestraft, weil sie ihren Platz in der gottgewollten Ordnung nicht akzeptiert und versucht, ihren Körper mit anderen Zeichen auszustatten. Entspre­ chend nimmt der Erzähler am Anfang der Passage Bezug auf ihren wolgestalten lîp (v. 22.296) und betont am Ende, dass ihr lîp und nicht ihr intellectus die Tat beging. Der Versuch, das Weibliche zu transzendieren, konnte nur auf ethisch-moralischer Ebene stattfinden und muss in der Endkonsequenz scheitern. Die didaktische Implikation dieser Episode ist deutlich: die geplante Verkehrung der Welt und ihrer Zeichen wird entdeckt und führt zum Fall – zur Rückkehr der Ordnung. Max Kerner und Klaus Herbers sprechen von der „Biographie einer Legende“184 und machen deutlich, dass weniger die ‚Wahrheit‘ der historischen Ereignisse im Vordergrund stehe, als vielmehr die Genese ihrer Erzählung.185 Die Art der Narration und ihre Transformation, die Wie-Spannung, sind auch für die Weltchronik bedeut­ sam. Diskurse verflüssigen sich und reflektieren nicht mehr historische ‚Realitäten‘, sondern weisen auf Themen, die verhandelt werden. Auch in der hier zitierten Dar­ stellung geht es nicht um das Faktum, dass es eine Päpstin gegeben hat, denn sie wird im Katalog der Päpste gar nicht aufgeführt. Sie taucht unter den Geschichten auf, die der Autor als wahrscheinlich an die Papstliste anhängt. Diese gibt der Erzähler vor, mehr oder weniger gut zu kennen. Wenn er formuliert, dass er einez weiz von ir wol und es für wâr sagen sol (v. 22.310f.), dann stößt er den Hörer nachdrücklich auf die folgende Diskussion von Weiblichkeit. Durch den Verweis auf unspezifische Quellen, des kan ich niht gar gesagen, / dâ von sô muoz ich stille dagen (v. 22.307f.), markiert der Erzähler die Diskrepanz zwi­ schen Faktenbericht wie im Papstkatalog und Erzählungen, die sich durch die Autori­ tät und Nachhaltigkeit der ihnen zugrundeliegenden Quellen unterscheiden. Fabulae und historiae werden hinsichtlich ihrer Quellen differenziert. Die Trennung vollzieht sich zudem zwischen der Vermittlung von Fakten und Geschichten, die moralische Exempla beinhalten. Bereits in der Überleitung vom Katalog zu den Erzählungen wird deutlich, dass nun Beispiele und ihre Auslegungen folgen, denn als solche sind die Papstgeschich­ ten zu verstehen: Under den bæbsten gemein was einer unrein. ob die andern wæren reht mit ir gebæren und mit heiligem leben,

184 So der Untertitel des Buches. 185 Im Vorwort heißt es: „Es geht uns darum, die Quellen, die von der Päpstin Johanna berichten, in Form einer Lebensgeschichte nachzuzeichnen, die ihrerseits eine faszinierende Version von Wirklich­ keit darstellt.“ Kerner; Herbers: Die Päpstin Johanna, S. 9.

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ob in got die êr hêt gegeben, des kan ich reht gewizzen niht, wan got hât mit den rehten pfliht, daz weiz ich sicherlîchen wol; die rehten di sint freuden vol. (Weltchronik, v. 22.285–94) An verschiedenen Figuren wird parallel zu den Porträts der weltlichen Kaiser die Sündhaftigkeit der Geistlichkeit vorgeführt, durch die auch das Problem, dass aus der christlichen Offenbarung keine gesellschaftliche Ordnung folgt, verhandelt wird. Die Exempla um Rollentausch, um spielsüchtige, schwache oder wissbegierige Päpste tragen moraldidaktische Züge. Ihnen ist jene mahnende Geste inhärent, die sie als Beispiele für volkssprachliche Laienpredigten auszeichnet.

3.2  Der Teufelspapst: Silvester II. Nach der Päpstin Johanna folgt die Geschichte um den ‚Teufelspapst‘, die auf die Legendenbildung um Silvester II., Gerbert von Aurillac, zurückzuführen ist. Ähnlich wie in der vorherigen Erzählung vermittelt der Erzähler, dass er sein Wissen irgendwo aufgenommen habe und nun wiedergebe. Er beginnt die Geschichte, indem er seine negative Causa einführt und den Papst entsprechend stilisiert: er was des êrsten ein spilær, aller tugend was er lær, wan daz er wol gelêrt was, daz er wol schreip unde las swaz man im vor zalt; die niuwen ê und die alt kund er gar ân mâzen vil. dâ von ich niht verswîgen wil, ich well den liuten tuon bekant, wie er bâbst wurd genant. er was ein arm vlætic man, wan der würfel gewan im an, daz er was guotes alsô bar, daz ich ez niht gesagen tar. (Weltchronik, v. 22.327–40) Der namenlose Papst ist als Figur ambivalent: Er ist Spieler und damit tugendlos, gilt dennoch als belesen und gelehrt. Insbesondere seine Gelehrsamkeit muss nach diesen Vorinformationen in Zweifel gezogen werden und er gerät, ähnlich wie Vergil,



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in den Verdacht der Zauberei. Beide Episoden korrespondieren durch das Motiv des Teufelsbundes miteinander.186 Als armer Mann beschließt der nachmalige Papst: ich will dem tiufel geben / sêl, lîp und mîn leben (v. 22.345f.).187 Bereits die Anrede des Geistlichen durch den Teufel als loterpfaff und aff (v. 22.357f.) deutet an, dass der Geistliche dem zivilisierten Ordo absagt, was mit dem Teufelspakt besiegelt wird. Die Anrufung als ‚Affe‘ steht für die Einflussnahme des Teufels und nimmt auf die Dienerschaft des Pfaffen Bezug.188 Durch den Pakt wird die Ursache für die Gelehrsamkeit des Klerikers offenbar, die der Teufel ihm für seine Seele verspricht. Mit Hilfe des Teufels soll er zum mächtigsten Mann der Christenheit werden. Entsprechend lautet das Abkommen: gip mir von dîner sêl ein lêhen: wann ich dich süll an sehen ze Jerusalêm in bâbstes wât, und daz dîn muot ze singen gât ze Jerusalêm ûf dem altær, daz ich dich danne mit swær füer swâ ich hin welle, in die wîz odr in die helle. (Weltchronik, v. 22.371–78) Im Anschluss an den Pakt beginnt die Karriere des Geistlichen, der zunächst vom Teufel in die Dienste des Bischofs gegeben wird. Dieser, der von den Fähigkeiten des Mannes überzeugt ist, nimmt ihn unter der Bedingung, dass der Pfaffe dem Würfel­spiel entsagt, woldest dû daz würfelspil lân,  / ich wolt mich umb dich nemen an (v.  22.457f.), auf. Als Zeichen seiner Läuterung lässt der Bischof seinem neuen Untergebenen, der vorher, weil er seine Kleider verspielt hat, nackt und damit ver­ führbar ist, neue Kleider anlegen, die seinen veränderten Status repräsentieren. Der Akt des Einkleidens kommt in der Erzählung zweimal vor und markiert das jewei­ lige ‚Dienstverhältnis‘ des Mannes. Da sich der Mann dem Bischof gegenüber als treu erweist, erlangt er seine Gunst, tritt nach seinem Ausscheiden seine Nachfolge im Bischofsamt an und übernimmt nach dem Tod des Papstes den Stuhl Petri. Als er nach seiner Investitur eine Messe in der Kirche Jerusalêm in Rom hält, fordert der

186 Zu Vergil vgl. Kap. 1.2. 187 Der würfel könnte hier auch für die Spielsucht und für den Teufel stehen, was die vorherigen Verse nahelegen: er was ein arm vlætic man, / wan der würfel gewan im an, / daz er was guotes alsô bar, / daz ich ez niht sagen getar (v. 22.337‒40). Zudem steht in der Berliner Handschrift, Staatsbiblio­ thek, Mgf 927, an dieser Stelle für würfel tufel, vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. 435, Kommentar zu v. 22.330‒39. 188 Zur Symbolik vgl. Ralf Tanner: Sex, Sünde, Seelenheil. Die Figur des Pfaffen in der Märenlitera­ tur und ihr historischer Hintergrund (1200‒1600). Würzburg 2005, S. 397.

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Teufel seinen Tribut, denn Gegenstand des Paktes war es, dass der Geistliche niemals in Jerusalem sein dürfe. Während der Messe beichtet der Papst sein Vergehen und fordert die Knappen, um sich selbst amtsunfähig zu machen, auf, ihm Füße, Hände, Ohren und auch Nase abzuschlagen, die Augen auszustechen und die Zunge heraus­ zuschneiden, da alle Sinnesorgane das Bündnis mit dem Teufel unterstützt hätten. Seine Glied­maßen werden anschließend den Teufeln vorgeworfen. Die Episode um den Teufelspapst in der Weltchronik vermittelt eine Warnung vor Häresie und erinnert an die Grenzen des Wissbaren. Ähnlich wie Vergil, der lange als Inbegriff antiker Gelehrsamkeit galt, wird auch der namenlose Papst aufgrund seines Zu-viel-Wissens und seiner Liminalität in Verruf gebracht. Die Anrufung des Papstes als lotterpfaff und aff nimmt in nuce die Deutung der Geschichte vorweg. Die Erzählung ist zweigeteilt und wird durch die doppelte Auslegung des Wortes Jerusalem aufgelöst. Im Mittelpunkt stehen die beiden Pakte, die der spätere Papst in Briefform mit dem Teufel und dem Bischof schließt. Sie strukturieren die Erzäh­ lung. Die Schreibkunst ist Ausweis der besonderen Fähigkeiten des Mannes. Durch sie gelangt er in den Dienst des Bischofs. Handlungslogisch hat sie ihren Ursprung nicht im Pakt mit dem Teufel. Jerusalem ist als heiliges Zentrum Ziel des Papstes und des Teufels. Entsprechend steht Jerusalem hier für die Stadt im heiligen Land und eine Kirche in Rom. Die Doppelcodierung führt zum Verhängnis und der Teufel kann schließlich zum heiligsten Zeitpunkt, in der Messe, sein Spiel gewinnen. Ähnlich wie im Falle der Päpstin kann der Betrug auf dem Stuhl des höchsten geistlichen Würden­ trägers sich nicht durchsetzen. Die Erzählung wird durch die zweifache Auslegung und die Doppelung der Handlungen strukturiert, so dass sich zwei Handlungsstränge, aus der Perspektive des Teufels und des Papstes, ergeben. Der Spannungsbogen wird bis zum Ende durch die Frage, wer den Pakt gewinnt, gehalten. Da der Papst die dop­ pelte semantische Codierung von Jerusalem erkennt, kann er seine Buße, die er sich selbst als bestrafende Verstümmelung auferlegt, vorwegnehmen. Zweiteilung, Wie­ derholung, Doppelung gehören zu den Grundmustern mittelalterlichen Erzählens und zeigen hier den Versuch des Autors, sein aus unterschiedlichen Quellen stam­ mendes Material in eine Form zu bringen. Die Erzählung vom Teufelsbund ist in Zusammenhang mit dem kirchlichen Vor­ gehen gegen Apostasie zu sehen und weist auf die Angst des Christen vor der Hin­ wendung zu anderen Glaubenslehren. Im Alten Testament wird die Ablehnung des Götzendienstes verschiedentlich thematisiert und findet im Teufelsbund ihre christli­ che Entsprechung.189 Der Teufel als Widersacher Christi tritt im Neuen Testament an zentralen Stellen auf,190 was die Vorstellung vom Rechtsanspruch des Teufels auf die Seele unterstützt. Insbesondere im Früh- und Hochmittelalter entstand jener Motiv­

189 Vgl. Jes 28,15; Ps 96,5; Dtn 6,4. 190 Vgl. Jesu Versuchung in der Wüste: Mk 1,2f.; Mt 4,1‒11; Lk 4,1‒13.



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kreis, in dessen Mittelpunkt der Vertragsschluss mit dem Teufel gehört.191 Dieser, so die Vorstellung, kann nur durch besondere Bußleistungen oder die Unterstützung von Heiligen und Märtyrern aufgelöst werden.192 In theologischen und didaktischen Schriften treten immer wieder Warnungen vor Glaubensabfall auf, die ab dem 11. Jahr­ hundert zunehmen. Auf der Basis Augustinus’, der vor dem Dämonenpakt und dem Betreten der civitas diaboli warnt,193 greifen Albertus Magnus und Thomas von Aquin das Thema der Apostasie erneut auf.194 Nach augustinischer Auffassung käme durch Götzenkult und Aberglaube eine Verbindung mit den Dämonen zustande, die durch den Eintritt in den Weltstaat zu einer Herrschaft des Teuflischen führe.195 Die in der Weltchronik zitierten Beispiele sind illustrativ und ebenfalls als Bausteine für Laien­ predigten denkbar. Die bekannteste Papsterzählung, die vor diesem Hintergrund Eingang in die welt­ liche Literatur fand, ist jene um Silvester II., der der Legende nach dem Teufel seine besonderen Fähigkeiten verdankte und entsprechend zum Magier und Würfelspieler im Bündnis mit dem Teufel wurde.196 Der historische Gerbert von Aurillac, nachmali­ ger Silvester II., hat unter Otto III. besondere Förderung erfahren und gilt als einer der maßgeblichen Initiatoren der Ottonischen Renovatio imperii Romanorum.197 Darüber hinaus ist er einer der Wegbereiter der Schule von Chartres und Befürworter der Aristoteles-Rezeption.198 Insbesondere im 13. Jahrhundert entstand eine Reihe litera­ rischer Beispiele, die vor jeglichem Verstoß gegen christliche Regeln wie Ehebruch,

191 Vgl. Der Schüler Celestinus und der Teufel, in: Gesta Romanorum, hg. und übers. von Winfried Trillitzsch. Leipzig. 1979, S. 365‒369; Caesarius von Heisterbach: Dialogus Miraculorum. 192 Ein ausführliches Beispiel liefert die Kaiserchronik mit der Faustiniangeschichte und dem Glau­ bensstreit, vgl. Kaiserchronik, v.  2.156‒598; Almut Neumann: Verträge und Pakte mit dem Teufel. Antike und mittelalterliche Vorstellungen im ‚Malleus maleficarum‘. Saarbrücken 1997 (Saarbrücker Hochschulschriften 30), S. 53‒55; Herbert Haag: Teufelsglaube. Tübingen 21980, S. 457f. 193 Vgl. Augustinus: De civitate dei XV,23; Augustinus: De divinatione daemonum. Zitiert nach: Au­ gustinus: De deivinatione daemonum, hg. von Joseph Zycha, in: CSEL 41 (1990), S. 597–618. 194 Vgl. Albertus Magnus: Opera omnia. Bd. 27: Commentarii in II sententiarum. Zitiert nach: Alber­ tus Magnus: Opera omnia, Bd 27, hg. von Auguste Borgnet. Paris 1894; Thomas von Aquin: Summa theologiae, II‒II, 12,1. Zitiert nach: Thomas von Aquin: Summa theologiae, hg. von Petrus Caramel­ lo. Turin 192. 195 Vgl. Augustinus: De Genesi ad litteram II,17. 196 Vgl. von Döllinger: Papstfabeln; Karl Schultess: Die Sagen über Silvester II. Hamburg 1893 (Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge 167). Die Geschichte wird auch in der Predigtliteratur rezipiert. Sie findet sich in den Sermones super epistolas dominicas des Augustiners Gottschalk Hollen aus dem 15. Jahrhundert (I, Nr. 35), vgl. Rudolf Cruel: Geschichte der deutschen Predigt im Mittelalter. Hildesheim 1966, S. 512. 197 Vgl. Gerd Althoff: Otto III. Darmstadt 1997, S. 91‒96; Uta Lindgren: Gerbert von Aurillac und das Quadrivium: Untersuchung zur Bildung im Zeitalter der Ottonen. Wiesbaden 1976 (Sudhoffs Ar­ chiv. Beihefte 18), S. 77‒94. 198 Vgl. Pierre Riché: Gerbert d’Aurillac: Le Pape de l’An Mil. Paris 1987; Lindgren: Gerbert von Aurillac, S. 60‒68.

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Aberglaube, Wucher etc., warnen. In diesen Bereich gehören die Ketzerexempel, die sich gegen die Katharer richteten, die Erzählungen um die schwarze Kunst oder Nek­ romantie (Vergil im Korb) oder die Erzählungen von Sündern und ihren Strafen.

3.3  Papst Leo In den folgenden Abschnitten der Papstgeschichten werden nur noch skizzenhaft einige Episoden um verschiedene Päpste angedeutet, von denen namentlich Papst Leo erwähnt wird. Von den anderen Figuren finden Ereignisse, Fähigkeiten oder besondere Merkmale Erwähnung. Entsprechend wird der jeweilige Abschnitt unver­ bindlich angekündigt: ich tuon iu allen daz bekant, / daz man ze Rôm einen bâbst vant (v. 22.679f.), ein bâbst was under in allen (v. 22.691), ein bâbest ze Rôm was (v. 22.703) oder nû hân ich gehœret einen strît (v. 22.711). Der Erzähler benennt weder eine Quelle noch präsentiert er glaubhafte Fakten. Dennoch sind es für das Publikum Aufsehen erregende Informationen, die zunächst auf großes Interesse stoßen mussten. Hier sind es die sparsamen Andeutungen, die das Publikum motivieren. Nach den beiden ausführlichen Geschichten um die Päpstin und den Teufels­ papst, die letztlich schwere Sünden, Gottesferne und Verletzungen des Ordo themati­ sieren, werden weitere Vergehen aufgezählt. Der Schwere der Sünde nach absteigend folgt die Episode um Papst Leo, der von den Römern verjagt und verstümmelt wird, indem sie ihm die Zunge herausschneiden und ihn blenden. Es ist anzunehmen, dass Papst Leo III. gemeint ist, da seine Geschichte in dem Abschnitt über Karl den Großen noch einmal zitiert wird. Hier werden Leo und Karl zu Brüdern und der Papst um des Kaisers willen verstümmelt und seiner Idoneität beraubt. bâbst Leô was er genant. si nâmen sicherlîche einen esel niht ze rîche. den hiezen si gewinnen. si huoben sich mit sinnen zuo dem bâbest dâ er was. si funden in da er diu buoch las und nâmen den herren guot mit irm zornigem muot und brâchen im ûz diu ougen sîn, daz er dâ hêt dheinen schîn, und sniten im ûz die zungen. im was niht wol gelungen. ûf den esel si in zehant sazten. dâ wart im bekant laster an der tagweide.



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si tâten ez ze leide dem künig Karl zwâr. die schand tâten si im offenbâr, daz si sîn antlütz kêrten, als si ir schalkeit lêrte, dem esel gegen dem zagel sîn. sîn ruck muost bekêrt sîn gegen des esels houbt guot. des freutens sich in irem muot. dem künig si in dô sanden ze laster und ze schanden. daz was dem herren swære. (Weltchronik, v. 25.716–43) Leo wird nicht nur verstümmelt, sondern rücklings auf einem Esel sitzend zu Karl nach Aachen geschickt. Symbolisch schließt diese Szene an den Einzug Jesu in Jeru­ salem an, lebt aber von der Verunglimpfung des Papstes, der verkehrt herum auf den zagel des Esels schaut und um Hilfe bittend zum weltlichen Machthaber reitet. Chris­ tiane Witthöft hat dies treffend als „Stellvertreterkonflikt“199 bezeichnet, denn Leo wird als Bruder Karls an dessen Stelle bestraft. Im Zentrum steht bei dieser Bestrafung jedoch nicht nur die Degradation des Papstes, wie Witthöft herausstellt,200 sondern Karls gleichermaßen, der, da er sein Herrschaftsversprechen nicht erfüllt, seiner Rolle als Kaiser nicht gerecht wird. Entsprechend steht der Eselritt, der als Strafe vor allem für Ehebrecherinnen galt201 und als „Schandprozession“202 von Päpsten bekannt ist, hier für die Bestrafung Meineidiger. Darüber hinaus deutet sich eine allegorische Lesart an, die aus dem zeitgenössischen Predigtkontext zu erschließen ist und die Bedeutung des Wortes gegenüber den Werken der Geistlichen betont.203 Der Priester Konrad legt Ende des 12. Jahrhunderts in einer Predigt die Bedeutung des zagels für seine Gemeinde aus. Dabei vergleicht er die Pfarrgeistlichen mit Ochsen, die Träger

199 Witthöft: Ritual und Text, S. 37. 200 Vgl. Witthöft: Ritual und Text, S. 36‒41. 201 Vgl. Jacob Grimm: Deutsche Rechtsaltertümer. Vierte vermehrte Ausgabe, besorgt durch A ­ ndreas Heusler und Rudolf Hübner. Neuer Abdruck. Bd. 2. Leipzig 1922, S. 318f. 202 Klaus Schreiner: Gregor VIII. Nackt auf einem Esel. Entehrende Entblößung und schandbares Reiten im Spiegel einer Miniatur der ‚Sächsischen Weltchronik‘, in: Dieter Berg; Hans-Werner Goetz (Hg.): Ecclesia et regnum. Beiträge zur Geschichte von Kirche, Recht und Staat im Mittelalter. Festschrift für Franz-Josef Schmale. Bochum 1989, S. 155‒202, dort S. 162; Witthöft: Ritual und Text, S. 40f. 203 Vgl. Christoph Fasbender: Et non sit tibi cura quis dicat, sed quid dicatur. Kleine Gebrauchs­ geschichte eines Seneca-Zitats. Chemnitz 2011 (Köpfe für Chemnitz. Antrittsvorlesungen der Philoso­ phischen Fakultät der TU Chemnitz 1), S. 14.

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eines Taufbeckens sind. Ihre zaegel sind nach hinten verborgen, ihre Köpfe jedoch sind sichtbar: daz ouch die erin ohsen iriu houbt her fúr heten gekert unde ir zaegel hin under die toufbottegen, daz sult ir merchen, wan daz bezaichent daz ir iuwerm briester unde iuwern leraer sult sehen under diu ougen und súlt war nehmen waz er iu sage und sult iuch von sim worte unde von siner guoten lere gebezern und súlt aver sins aftern unde sins zagels dehein war nehmen; daz ist daz: ob siniu werch niht guot sint, da ne sult ir iuch niht von gepoesern, wan der lerær zagel sint under der potegen, daz bezaichent daz, daz daz in gotes tougen ist, wie er den lonen welle oder ze welhem ende er die bringen welle die sin wort da sprechent […].204

Die Gläubigen sollen demnach auf die Worte der Geistlichen achten, ihren Inhalt aufnehmen und auf die Lehre hören, die Werke der Kleriker dagegen nicht berück­ sichtigen. Letzteres, das Konrad im Vergleich zur lateinischen Vorlage ergänzt, ist als Kritik am Klerus zu sehen.205 Dieses Verständnis scheint auch der Bestrafung des Papstes in Jans’ Weltchronik zugrunde zu liegen, denn hier muss der Papst selbst – für alle sichtbar – auf seine Werke schauen, für die er bestraft wird. Dennoch verhalten sich die Römer nach Auslegung der Predigt falsch, da sie nicht nur auf die Worte des Papstes, sondern auch auf seine Werke achten und ihn wegen seiner Lebensweise bestrafen.206 Überträgt man dies auf Karl, an den sich die Strafe richtet, des wolden si [die Römer] im schier tuon schîn / und an dem liebsten man, / den er indert geleisten kann (v. 25.710–12), und an dessen Stelle der Papst bestraft wird, sind auch die Worte und Werke des Kaisers zu hinterfragen. Die Überzeichnung der historischen Ereignisse zeigt, in welchem Verhältnis der Erzähler die Beziehung zwischen geistlicher und weltlicher Macht sieht, so dass hier das christliche Kaisertum Karls beschworen wird. Karl wird in dieser Erzählung der Weltchronik zum auserwählten Herrscher, da er die Wiedereinsetzung Leos voran­ treibt, dem Gott als Zeichen seiner wiedererlangten Dignität das Augenlicht zurück­ gibt. Der Papst wird von den Römern, da er nicht aus dem römischen Adel stammt, auf dem Stuhl Petri nicht akzeptiert, verstümmelt und aus der heiligen Stadt vertrie­ ben.207 Gott vollbringt das Wunder seiner Genesung und Rehabilitation.208 Die ver­

204 Zitiert nach: Regina D. Schiewer: Die deutsche Predigt um 1200. Ein Handbuch. Berlin; New York 2008, S. 29. 205 Vgl. Fasbender: Et non sit tibi cura quis dicat, S. 14; Volker Mertens: Das Predigtbuch des Pries­ ters Konrad. Überlieferung, Gestalt, Gehalt und Texte. München 1971 (MTU 33), S. 139. 206 Im Text der Weltchronik werden die Gründe für die Bestrafung Leos nicht aufgeführt. Sie werden demnach beim Publikum als bekannt vorausgesetzt. 207 Vgl. Liber pontificalis 2,4. 208 Vgl. Klaus Herbers: Zu Mirakeln im Liber pontificalis des 9. Jahrhunderts, in: Martin Heinzel­ mann [u. a.] (Hg.): Mirakel im Mittelalter. Konzeptionen, Erscheinungen, Deutungen. Stuttgart 2002, S. 114‒134, dort S. 123; Johannes Fried: Papst Leo III. besucht Karl den Großen in Paderborn oder Einhards Schweigen, in: HZ 272 (2001), S. 281‒326.



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meintliche Sünde Leos, seine niedere Herkunft und der Verdacht der Unzucht, beides Vorwürfe, die aus der zeitgenössischen Literatur bekannt sind, werden im Text nicht explizit behandelt.209 Der Erzähler gibt nicht preis, ob die wenigen Anspielungen in seinem Text auf vorhandenes Wissen um Leo rekurrieren. Die Darstellung des Papstes als hilflose Figur auf dem geistlichen Thron, der ohne seinen Bruder nicht existent ist, vermittelt das Bild eines von der weltlichen Gewalt abhängigen Papstes.

3.4  Vom wîsen pfaffen Im letzten Teil der Papstgeschichten taucht ein Papst auf, der als ungerechter und fal­ scher Mann vom Teufel persönlich in die Hölle geführt wird. Was genau sein Vergehen sei, darüber könne er, so der Erzähler, keine Auskunft geben. Philipp Strauch vermutete hinter der Figur Johannes  XII.,210 der nach Liut­ brands von Cremona Liber antapodoseos vom Teufel erschlagen wurde und dem sexuelle Skandale nachgesagt wurden.211 Entsprechend warf man ihm Simonie, Jagdund Spielleidenschaft sowie Inzest vor. Die Umstände seines Todes korrespondieren mit seiner ausschweifenden Lebensart. In den divergierenden Berichten heißt es, er sei vom Schlag getroffen, beim Geschlechtsverkehr erwischt oder gar von einem eifer­ süchtigen Ehemann mit einem Hammer erschlagen worden.212 Die Schilderungen des folgenden Papstes bleiben auf ähnliche Weise vage. Es bleibt anzunehmen, dass der gleiche Papst wie im Abschnitt zuvor gemeint ist, wenn es heißt: Ein bâbest ze Rôm was, von dem man schreip unde las. ob der selb wære, daz seit niht daz mære […]. (Weltchronik, v. 22.703–06) Jener Papst, der in seinem Palast in Viterbo von einer einstürzenden Decke erschlagen wird, sei, wie Strauch feststellte, Johannes XXI.213 Dieser, Petrus Hispanus, der in Paris studierte und in Siena Medizin lehrte, war sehr bemüht um Wissensvermittlung

209 Vgl. Herbers: Zu Mirakeln, S. 127. 210 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. 441, Anm. 5. 211 Frank Shaw hat jüngst auf das „rege Geschlechtsleben“ der Päpste Bezug genommen, vgl. Frank Shaw: Marozia, die Totgeschwiegene. Zu den gesäuberten Papstgeschichten der mittelhochdeutschen Chronistik, in: Ralf Plate; Martin Schubert (Hg.): Mittelhochdeutsch. Beiträge zur Überlieferung, Sprache und Literatur. Festschrift für Kurt Gärtner zum 75. Geburtstag. Berlin 2011, S. 273‒281. 212 Vgl. Shaw: Marozia, S. 273–281. 213 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. 442, Anm. 4.; Shaw: Marozia, S. 56.

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und griff während seiner kurzen Pontifikatszeit (1276–1277) vor allem in die Universi­ täten ein.214 Er war mehr als Mediziner und Philosoph denn als Papst bekannt und überließ die Regentschaft weitestgehend Kardinal Orsini. Petrus hingegen verfasste verschiedene wissenschaftliche Schriften wie die Abhandlung De anima, Kommen­ tare zu Aristoteles und Pseudo-Dionysius, eine Studie über das Auge, ein Handbuch zur Heilkunde und den Thesaurus pauperum.215 Seine wissenschaftlichen Interessen veranlassten die Zeitgenossen, ihn wegen unheimlicher und okkulter Neigungen zu verdächtigen, das göttliche Gesetz zu verletzen.216 Sein Tod in seiner Privatbiblio­ thek bestätigte die Annahme, mit magischen Mächten im Bund gestanden zu haben und diese als Ursache für den Deckeneinsturz zu vermuten. Sollten beide kurzen Abschnitte in der Weltchronik auf einen Papst bezogen sein, dann ergäbe sich eine Lesart, die erneut den Wissenden verteufelt. In den beiden letzten Abschnitten der Papstgeschichten werden weitere Vergehen geistlicher Machthaber geschildert. In einem ersten wird, zum besonderen Ärger des Erzählers, dargestellt, dass es ungebildete Päpste gegeben habe: nû hân ich gehœret einen strît, der mir grôzen zorn gît (v. 22.711f.). Darüber hinaus geht es um einen hof­ färtigen Papst (v. 22.720), der kostbare Paläste bauen ließ. Durch den Vergleich mit Absalon217 wird dieser der Überheblichkeit bezichtigt und findet ein schnelles Ende: ich kund iu niht gesagen gar, wie kostrîch ez dâ was. diu fenster wârn mit glas geworht alsô schôn, und solt her Absolôn dar inne schôn sîn gewesen. (Weltchronik, v. 22.732–37)

3.5  Zusammenfassung In der Weltchronik ist neben dem Papstkatalog, der zum Bestandteil mittelhochdeut­ scher Chroniken gehört,218 eine Reihe an Päpsten angeführt, die sich nicht durch hervorragende Taten auszeichnen, sondern durch Fehltritte den göttlichen Ordo ver­ letzen. Dies entspricht dem Konzept der Chronik, da es nicht um eine positive Beur­

214 Vgl. Michael Hanst: Johannes XXI., in: BBKL 3 (1992), Sp. 224‒228; John N. D. Kelly: Reclams Lexikon der Päpste. Stuttgart 1988, S. 217f. 215 Vgl. Kelly: Lexikon, S. 117f. 216 Vgl. Johannes XXI.: Summa de conservatione sanitatis; Martin von Troppau: Chronicon pontifi­ cum. 217 Hier geht es vor allem um den Bezug zu 1. Kön 1,5. 218 Vgl. Sächsische Weltchronik, S. 146, 27‒30.



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teilung der geistlichen und weltlichen Herrscher geht, sondern beide Gewalten nach dem gleichen Prinzip dargestellt werden. Die Reihe der Fehltritte führt der Schwere nach eine Frau an, die auf den Stuhl Petri gelangte. Es folgen Päpste, die, weil sie ihren angestammten Platz in der Ordnung nicht akzeptieren, Bündnisse mit dem Teufel eingehen, durch Anhäufung von Wissen sich des Teufelspaktes verdächtig machen, ihrem Papstamt aufgrund mangelnder Voraussetzungen nicht gerecht werden bzw. dem Hochmut anheimfallen. Kleine Por­ träts werden aneinandergereiht und thematisieren das Überschreiten des von Gott gegebenen Ordo. Historische Fixpunkte ergeben sich zum Teil, ihre Wahrhaftigkeit spielt jedoch keine Rolle. Das Publikum soll die Anspielungen auslegen; die moral­ didaktische Dimension steht im Vordergrund. Dabei geht es nicht nur darum, die negativen Tatbestände innerhalb der Geistlichkeit aufzuzeigen, sondern darauf hinzu­ weisen, dass gerade die geistliche Ordnung anfechtbar und damit zu hinterfragen ist.

IV  Ordnung, Unordnung und Komik in der Weltchronik 1  Komische Ordnungen Die dem vormodernen Gelehrten bekannte Auffassung, Gott habe alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet,1 verbindet antikes Kosmosdenken und christliche Welt­ vorstellungen.2 Dieser Gedanke wurde vielfach ausgelegt und immer wieder zitiert. Die mittelalterliche Literatur bietet Raum, um an weltlichen Beispielen Möglichkeiten und Konsequenzen für ein etwaiges Überschreiten des göttlichen Ordo sichtbar zu machen und an ein laikales Publikum zu vermitteln.3 Während die Chronistik in erster Linie der Vermittlung von historia und damit der Bewahrung und Tradierung von Ereignissen und tatsächlichem Geschehen dienen sollte,4 sind es vornehmlich die epischen Kurzerzählungen des frühen 13. Jahrhun­ derts, die Ereignisse aufgreifen, diese karikieren, überhöhen und in ihren überzeich­ neten Beispielen einen didaktischen Effekt erzielen.5 Ihr Personal ist typisiert und festgelegt. Ähnliche Konstellationen werden wiederholt. Ordo-Brüche und -Verlet­ zungen, Unordnungen und Devianzen machen den Kern dieser Gattungen aus, wobei sich das Chaos schrittweise steigert.6 Die Auseinandersetzung mit diesen Unordnun­ gen gehört zu den ältesten Motiven in der abendländischen Literatur, da Gott selbst mit der menschlichen Freiheit die Ursünde in die Welt brachte. Nach der Vertreibung aus dem Paradies ist jede Ordnung labil, da sie vergänglich ist. Das Höchste, auch der Ordnungszustand, bleibt als Ideal anzustreben.7 In der literarischen Umsetzung verzichten einzelne Erzählungen am Ende gänz­ lich auf die Wiederherstellung der Ordnung und erstarren in ihrem Chaos bzw. eine erstarrte Ordnung wird zum Thema der Erzählung und erscheint gerade in ihrer Brü­ chigkeit. Diese Labilität fester Strukturen treibt das Komische hervor, wobei der vor­ malige Ordo-Verstoß zum Mechanismus für die Überhöhung und die Karikatur wird. Dieser Mechanismus lässt sich als Erzählmuster auch in der Weltchronik des Jans von

1 Vgl. Sap. 11,21. 2 Vgl. Rémi Brague: Die Weisheit der Welt. München 2006 (Germanische Bibliothek NF 3), S. 119–136. 3 Zahlreiche Beispiele lassen sich dazu in der mittelalterlichen Literatur finden. Entsprechend sind die Konflikte zwischen höfischer und unhöfischer Welt im Nibelungenlied (Standeslüge, Frauenstreit) zu interpretieren. Daneben lebt der Artusroman von Ordo-Verstößen, die gesühnt werden müssen und in der Märendichtung werden Ordnungskonflikte unablässig thematisiert. 4 Vgl. zu den Aufgaben hochmittelalterlicher Historiographie grundlegend: Goetz: Geschichtsschrei­ bung, S. 107f. 5 Vgl. Haug: Die Lust am Widersinn. 6 Vgl. Grubmüller: Die Ordnung, der Witz und das Chaos. 7 Vgl. von Moos: Krise und Kritik, S. 300.

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 Ordnung, Unordnung und Komik in der Weltchronik

Wien ausmachen. Hier wird die Geschichte der Welt in Stories erzählt, die wie im Märe Situationen überzeichnen. Dabei geht es weniger darum, Wunder darzustellen oder besondere Fähigkeiten von Personen zu beschreiben, als vielmehr das tradierte Ordo-Konzept durch die sich wiederholenden Überschreitungen oder Umcodierun­ gen zu hinterfragen. Die Figuren haben historische Wurzeln und werden literarisiert. Zum Teil sind typisierte Gestalten, wie sich etwa an einzelnen Frauenfiguren zeigen lässt. Sie agieren häufig namenlos (verheiratete Gräfin, römische Bürgerin, Tochter des Reussenkönigs) und fungieren in vorgegebenen Rollen als das übele wîp, die gierige, verfolgte oder keusche Frau. Aus dieser Perspektive ist die Chronik eine Aneinanderreihung von Geschichten, in denen Erzähltraditionen aufgebrochen bzw. -muster variiert werden. Dies zeigt sich bereits am Beginn des Textes in der Erzählung vom Fall der Engel. Die Art der Darstellung in der Chronik scheint zunächst einfach und wenig komplex. Aber gerade diese Simplizität ermöglicht, die skizzierte Situation, die der Tradition nach auf das Buch Henoch und apokryphe Texte zurückzuführen ist,8 in einer Weise zu überstei­ gern, die ins Groteske führt. Schließlich wird durch die Einfachheit der Darstellung ein scheinbar ‚objektives‘, da distanziertes Erzählen impliziert, das für die Produk­ tion von Komik notwendige Voraussetzung ist. In der Weltchronik wie auch in der biblischen Vorlage hintergeht Lucifer Gott und stürzt mit seinen Anhängern in die Hölle.9 Dabei werden nicht nur hochvârt und übermuot als Verstoß gegen das Gottesgebot zitiert, sondern zugleich die Torheit Lucifers als besonderes Merkmal dieser Situation ausgestellt. Das Ergebnis des rebellischen Vorhabens präsentiert der Erzähler im Monolog des Teufels, der seine neue Situation beklagt und dabei wie folgt beschrieben wird: Die red erhôrt Lucifer. dem was ez vil swær, wan er ûz zoren sprach: ‚ich lîd vil billîch ungemach.

8 Die Erzählung vom Sturz der Engel geht auf unterschiedliche Quellen zurück. Anspielungen darauf finden sich vor allem im Buch Henoch, in christlichen Interpretationen des Alten Testaments und im Neuen Testament, vgl. Lk 10,18; Apk 12,3; Gen 6,1–4; Slav. Henoch 20,10; Wolfgang Babilas: Unter­ suchungen zu den ‚Sermoni Subalpini‘. Mit einem Exkurs über die Zehn-Engelchor-Lehre. München 1968 (Münchener romanistische Arbeiten 24), S. 173–216; Christoph Auffarth; Loren T. Stucken­ bruck (Hg.): The Fall of the Angels. Brill; Leiden 2004 (Themes in Biblical Narrative 6). 9 Übereinstimmungen finden sich zumindest für die Bezeichnung Lucifers als liehtfaz (v.  150) mit der Wiener Genesis, v. 25–34. Dort heißt es: Dô hiez er werden einen engel, / der scein ûz den anderen allen. / er was anderer engele wunne, / wante ime got wol gunde / wunne in dem himele, / sînes chôres was ein michel menege. / ze wâre sagen ich iu daz: er nant in liehtvaz. / er was gote vil liep, / an ime huob sich allerêst ubermuot. Zitiert nach: Wiener Genesis, in: Frühmittelhochdeutsche Literatur. Mhd. / Nhd. Auswahl, Übersetzung und Kommentar von Gisela Vollmann-Profe. Stuttgart 1996.



Komische Ordnungen 

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âwê unsæligiu hôchfart! jâ solt ich ez wol haben bewart! dâ liez mich niht der übermuot, der lîb und sêl schaden tuot. ê was ich lieht und schœn, nû bin ich krump und hœn unde trag ouch krumbiu horn und bin êwiclîch verlorn. ich stink als ein vûler hunt, daz was mir ê vil unkunt. zwâr ich hiet ez wol bewart und hiet ich lân die hôchfart, und wær diu hôchvart an mir niht, sô hiet ich mit dem engel pfliht. allez bet ist an mir vlorn. ich muoz nû dulden gotes zorn.‘ (Weltchronik, v. 297–316) Der Monolog ist Teil einer umfassenden Redeszene zwischen Gott und Lucifer. Der Ausbau der biblischen Sequenz zu einem größeren Dialog stellt jene Unmittelbarkeit her, die das Dargestellte aus der bloßen Geschichtserzählung löst und in eine aktuelle Situation überführt. Maria Dobozy beschreibt Jans’ Vorgehen wie folgt: The dialogues inevitably reflect Jans’ view of historiography. History, as composed by Jans, is to be presented in a personalized manner, where a ruler’s words and deeds characterize his imme­ diate concerns and illustrate his power. Frequent use of dialogs, presenting individuals interac­ ting, using every day language, demonstrates, how history is made.10

Das Bewusstsein davon, wie Geschichte gemacht ist, geht aber auch, so ließe sich an Dobozy anschließen, mit dem Bewusstsein für die Grenzen zwischen historia und fabula einher. Das historische Faktum wird in eine ‚gelebte (literarische) Szene‘ integ­ riert, die den Rezipienten in die Position des Beobachters versetzt und das Geschicht­ liche vergegenwärtigt. Indem der gesamte Text durch Redeszenen aufgebrochen wird, entsteht eine scheinbar unmittelbare Nähe zum (historischen) Geschehen. Der Erzähler tritt zurück, bleibt aber als Anwesender „Garant“11 der Erzählung. Der per­ formative Akt, die Darbietung, gewinnt für das Verständnis des Textes an Bedeutung. Es ist somit nicht nur irgendeine Erzählung über den Teufel, sondern Lucifer wird als Figur konkret, deren Handeln bewertet werden kann und die sich anders verhält

10 Dobozy: Historical Narrative and Dialogue, S. 157. 11 Genette: Die Erzählung, S. 119.

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 Ordnung, Unordnung und Komik in der Weltchronik

als erwartet. Dass der Teufel in dieser Passage eine eigene Interpretation seines Ver­ haltens vornimmt, unterstreicht die moraldidaktische Intention der Episode, die den Umgang mit Obrigkeiten abbildet. Durch die Reflexion des Teufels über das Vorher und Nachher der Situation nimmt die Figur dem Erzähler den Kommentar ab. Der Erzähler bleibt passiv. Deutung und Wertung der Karikatur, die Lucifer durch seine veränderten äußeren Merkmale von sich zeichnet, obliegt dem Publikum. Dieses Bild muss dem Rezipienten als Verunglimpfung des Teufels, der nun mit krumbiu horn und unangenehmen Geruch verbreitend sein Unwesen treibt, höchst lächerlich erscheinen. Beinahe Mitleid erregend erscheint im Anschluss daran die Rede des bedauernswerten Teufels, beinahe könnte er Sympathien gewinnen und damit das Publikum vor einer Abkehr von Gott warnen. Durch seine Strafe, die der Rezipient längst antizipiert, wird das Äußere des Teufels verstümmelt und somit sein Rangver­ lust zeichenhaft sichtbar. Der faulige Geruch und die krummen Hörner kennzeichnen seine Abkehr und stehen im Kontrast zu einstiger Gravitas. Lucifer ist in der Weltchronik nicht jener majestätisch mächtige Teufel, der sich bewusst gegen den Mächtigsten wendet und den absoluten Herrschaftsanspruch erhebt. Im Gegenteil: Lucifer wird verhöhnt und verspottet. Das Bild des jammern­ den verunstalteten Teufels birgt ein Moment des Komischen, das in dieser Form vom Publikum nicht erwartet wird. Die dialogische Struktur der Szene verstärkt die beab­ sichtigte Wirkung.12 Das Vergehen Lucifers führt zu seinem Fall: Er wird beobachtet und bestraft, da er gegen die Ordnung verstoßen hat. Diese wird im Rezeptionspro­ zess durch das ‚gemeinsame‘ Lachen über den Teufel wieder hergestellt. Ähnlich beschreibt Peter Strohschneider das schwankhafte Erzählen als „eine Möglichkeit des Umgangs mit gestörter gesellschaftlicher Ordnung“, das auch zur „Verarbeitung sozialer Traumata“ beitragen könne.13 Während Strohschneider hier jedoch auf „Komik in strafender korrigierender Absicht“14 verweist, sehe ich in den komischen Situationen jansscher Konstellation ein Aufbrechen der Ordnung, um sich ihrer erneut zu vergewissern und überhaupt Urteilsfähigkeit zu erzeugen. Der kurze Ausschnitt aus der Weltchronik zeigt eine Verletzung der Ordnung und ihre gleichzeitige Wiederherstellung. Dies fungiert in der Chronik als wiederkehren­ des Prinzip, das, so suggeriert der Text, das Sein des Menschen bestimmt bzw. sein Handeln leitet. Durch die Einfachheit der Darstellung und den lockeren Ton, in dem der Erzähler das Geschehen darbietet, wird durch die fingierte Naivität die Gesamt­ heit des Ordo-Konzeptes infrage gestellt. Der Autor geht so mit der traditionellen Form chronistischer Darstellung innovativ um. Sein ‚lockerer‘ Umgang mit historia deutet

12 Vgl. Dobozy: Historical Narrative and Dialogue, S. 154f; Kap. IV.4. 13 Peter Strohschneider: Schwank und Schwankzyklus, Weltordnung und Erzählordnung im ‚Pfaffen vom Kalenberg‘ und im ‚Neithart Fuchs‘, in: Klaus Grubmüller [u. a.] (Hg.): Kleinere ­Erzählformen im Mittelalter. Paderborner Colloquium 1987. München 1988, S. 151–171, dort S. 156f. 14 Strohschneider: Schwank und Schwankzyklus, S. 156.



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auf eine Erweiterung des Begriffes ‚Chronik‘ auf geschichtserzählende volkssprachli­ che Texte, wie sie im 13. Jahrhundert aufkommen.15 In der Chronik werden Geschich­ ten und Anekdoten im Stil des fabliaus aneinandergereiht, sowie Neuigkeiten und unglaubliche Begebenheiten eingefügt. Die Episoden der Chronik sind als Vorläufer des italienischen Novellino zu sehen. Sie laufen in schwankhafte Kurzerzählungen und novellistische Erzählformen aus. Die Geschichten über Figuren des Alten Testa­ ments sowie Kaiser und Päpste könnten zwar herausgelöst aus der Chronik existieren, sind nicht in dem Maße typisiert wie etwa die Mären.16 Erst ihre Gesamtheit ergibt das Konzept der Chronik und macht ihre Sinnhaftigkeit aus. Kaiser bleiben Kaiser und Päpste eben Päpste. Sie bedienen weder bestimmte Schemata noch Typen, die als fest gefügtes Personal verfügbar sind. Welche Verbindung aber besteht, so wird im Folgenden zu fragen sein, zwi­ schen den dargestellten Ordo-Verstößen und der karikierenden Überzeichnung der Figuren als besonderem Merkmal der volkssprachlichen Chronik? Inwiefern kann von komischen und grotesken Elementen, die die Geschichten bestimmen, gespro­ chen werden? Und wie, so bleibt zu untersuchen, sind diese mit der Tradition der Geschichtsschreibung vereinbar?

2  Komik und Groteske „Komisch ist und zum Lachen bringt, was im offiziell Geltenden das Nichtige und im offiziell Nichtigen das Geltende sichtbar werden lässt.“17 Mit dieser viel zitierten Defi­ nition des Komischen hat Odo Marquard die Verbindung von Lachen und Ordnung hergestellt, wenn als ‚das Geltende‘ Ordnungssysteme und als ‚das Nichtige‘ die destabilisierenden Elemente verstanden werden. Dort, wo das Geltende überschrit­ ten wird, treten jene Potentiale auf, die Komik produzieren können. Diese erleben ihre Intensität auf der Gratwanderung zwischen Grenze und Überschreitung oder, wie Walter Haug formulierte: „Im Konflikt zwischen Ohnmacht und Überlegenheit liegt die Spannung des Komischen.“18 Im Komischen kann sich das entladen, was in der offiziellen Norm als nichtig abgeschrieben ist. Und dennoch ist es dieses Nichtige, das letztlich die Ordnung stabilisiert, da der Mensch durch die komische Situation eine

15 Zum Begriff ‚Chronik‘ vgl. Karl Schnith: Chronik B. Allgemeine Fragestellung und Überblick über die mittelalterliche Chronistik (Mittelalterlicher Westen), in: LexMA 2  (1999, 2003), Sp.  1956– 1960, dort Sp. 1956; Kap. VI. 16 Zur Gattungsdiskussion vgl. Grubmüller: Die Ordnung, der Witz und das Chaos, S. 21f. 17 Odo Marquard: Exile der Heiterkeit, in: Wolfgang Preisendanz; Rainer Warning (Hg.): Das Komische. München 1976 (Poetik und Hermeneutik 7), S. 133–151, dort S. 141. 18 Walter Haug: Das Komische und das Heilige. Zur Komik in der religiösen Literatur des Mittel­ alters, in: Ders.: Strukturen als Schlüssel zur Welt. Kleine Schriften zur Erzählliteratur des Mittel­ alters. Tübingen 1989, S. 257–274, dort S. 258.

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Distanz zu seiner eigenen Lebenswelt und Unzulänglichkeit herstellen kann. Dies ist das Erneuernde und Produktive am Nichtigen. Dem Komischen wohnt demnach eine Kraft inne, die nicht nur ein kurzzeitiges Zurücktreten von der Ordnung und ihre spontane, wenn auch zeitlich begrenzte, Auflösung bewirkt, sondern es birgt auch ein rettendes Moment, das letztlich eine Restitution des Bewährten auslöst. Dem Komischen und der Verkehrung aller Werte, wie sie Michail Bachtin für das Prinzip des Karnevals beschrieben hat,19 ist zudem etwas Erneuerndes inhärent. In Anlehnung an die Theorie René Girards, der von der kathartischen Wirkung entladender Situationen gesprochen hat,20 ist die komi­ sche Situation eine, in der sich etwas entlädt und so für einen Moment alle Grenzen aufgelöst erscheinen lässt. Demnach entsteht ein luftleerer Raum, der anschließend schnell gefüllt wird, indem eine Rückbesinnung und damit verbunden die Stabilisie­ rung des Alten stattfindet. Übertragen auf die Literatur hieße das, dass sich in der komischen Szene etwas entlädt, da die Grenzen des Möglichen überschritten werden. Komik ist zunächst ein Textphänomen, das auf einer Kontrasterfahrung basiert, die „inkongruente Kontexte“21 zusammenbringt, Tabubrüche erzählt und Überlegenheit inszeniert.22 Die Distanz zum eigenen Sein, die der Rezipient durch die Erfahrung komischer Gegebenheiten erlebt, bewirkt zwar Reflexion über die Existenz, geht aber anschlie­ ßend, da das Exaltierte für den Alltag nicht tauglich ist, zur Ordnung zurück. Aus rezeptionsästhetischer Perspektive entsteht aus dieser Spannung zwischen Erwar­ tung und Erfahrung, die der Leser nach Wolfgang Iser in der Welt des „Als-ob“23 macht, mit der Literatur eine Möglichkeit, Kontingenz zu erfahren und zu bewältigen. Das Nichterwartete in der komischen Situation ermöglicht zeitlich begrenztes AndersSein-Können.24 Daraus ergibt sich ein Modell, nach dem sich der Ablauf der Prozesse folgendermaßen wiedergeben lässt: 1. Überschreitung der Ordnung, 2. Distanzie­ rung und Entladung, 3. Krise durch das Chaos, 4. Reflexion, Kontingenzerfahrung

19 Vgl. Michail Bachtin: Literatur und Karneval: Zur Romantheorie und Lachkultur. Aus d. Russ. übers. u. mit e. Nachw. von Alexander Kaempfe. München 1969 (Reihe Hanser 31); Ders.: Rabelais und seine Welt. 20 Vgl. Wolfgang Palaver (Hg.): René Girard: Gewalt und Religion. Ursache oder Wirkung? Berlin 2010, S. 14f. 21 Klaus Schwind: Komisch, in: Karlheinz Bark [u. a.] (Hg.): Ästhetische Grundbegriffe. Histori­ sches Wörterbuch in sieben Bänden. Bd. 3. Stuttgart; Weimar 2001, S. 332–384, dort S. 333. 22 Dieser Kontrast ist Ausgangspunkt der Inkongruenztheorie. Die Entlastungstheorie basiert (nach Freud) auf dem Bruch kultureller Tabus. Die Superioritätstheorie rückt die Überlegenheit gegenüber dem Verlachten in den Mittelpunkt, vgl. Schwind: Komisch. 23 Wolfgang Iser: Das Fiktive und das Imaginäre. Perspektiven literarischer Anthropologie. Frank­ furt am Main 1991, S. 37. 24 Ich verstehe Kontingenz hier nach Grethlein: „Kontingenz ist logisch-ontologisch das, was mög­ lich, aber nicht notwendig ist.“ S. 28; „Die Kontingenz ist also das Anders-Sein-Können, die Bedingung der Möglichkeit sowohl für Handeln als auch für Zufall.“ S. 30, vgl. Grethlein: Das Geschichtsbild.



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und Rückbesinnung, 5. Wiederherstellen der Ordnung mit etwaigen Abweichungen.25 Dieses Modell beschreibt zunächst sehr allgemeine Schritte. Sie sind jedoch für das Funktionieren komischer Geschichten und ihrer Rezeption von Bedeutung.

2.1  Gelächter und Entladung Die eigentliche Entladung findet durch das einsetzende Gelächter, das hinsichtlich seiner Funktion und Gemeinschaft stiftenden Wirkung verschiedentlich untersucht wurde,26 auf Seiten des Publikums statt. Insbesondere in mittelalterlich-theologi­ schen Kontexten gilt das Lachen als ambivalent, da ihm zum einen erlösende Funk­ tion zugesprochen, zum anderen in den consuetudines das Lachen des Mönches als Abkehr von Gott verstanden wurde und strengem Verbot unterlag.27 Die bekannte Frage, ob Christus jemals gelacht hat,28 nimmt daran Anschluss, denn in einer als Buße verstandenen irdischen Existenz hat Gelächter keinen Platz und muss als Abweichen vom vorgegebenen Ordo verstanden werden.29 Unter dieser Prämisse wurde vielfach die Figur des Narren herangezogen, der in seiner Exaltiertheit die Wahrheit nicht erkennen kann: stultus in risu exaltat vocem suam.30 Auf dieser Grund­ lage fordert die Regula Benedicti Schweigsamkeit, Demut und Bescheidenheit an Stelle von ausgelassenen Späßen und lächerlichen Reden.31

25 Christoph Auffahrth hat für das Gelächter einen Prozess der zeitweiligen Solidarisierung be­ schrieben und folgende Schritte benannt: a) Trennung von der Alltags-Ordnung und Gesellschaft, b) Durchspielen der Gegenordnung, c) Krise: Wiederherstellen der bisherigen Alltagsordnung, d) Bruch und Übernahme der Gegenordnung, vgl. Auffarth: Glaubensstreit und Gelächter, S. 9. 26 Vgl. Einleitung, Riskante Ordnungen; Stefan Seeber: Poetik des Lachens. Untersuchungen zum mittelhochdeutschen Roman um 1200. Berlin; New York 2010 (MTU 140). 27 Zur Bewertung des Lachens im Mittelalter vgl. Joachim Suchomski: Delectatio und utilitas. Ein Beitrag zum Verständnis mittelalterlicher komischer Literatur. Bern 1975 (Bibliotheca Germanica 18); Gerhard Schmitz: … quod rident homines, plorandum est. Der ‚Unwert‘ des Lachens in monastisch geprägten Vorstellungen der Spätantike und des Mittelalters, in: Franz Quarthal; Wilfried Setz­ ler (Hg.): Stadtverfassung, Verfassungsstaat, Pressepolitik. Festschrift für Eberhard Naujoks zum 65. Geburtstag. Sigmaringen 1980, S. 3–15; Tobias A. Kemper: Iesus Christus risus noster. Bemerkungen zur Bewertung des Lachens im Mittelalter, in: Anja Grebe; Nikolaus Staubach (Hg.): Komik und Sakralität. Aspekte einer ästhetischen Paradoxie in Mittelalter und früher Neuzeit. Frankfurt am Main [u. a.] 2005 (Tradition – Reform – Innovation 9), S. 16–31. 28 Johannes Chrysostomus hat in seiner Homilia in Matthaeum im 4. Jahrhundert schriftlich fixiert, dass Christus niemals gelacht habe, vgl. Johannes Chrysostomos: Homilia in Matthaeum, in: PG 57,69. 29 Vgl. Epheser 5,4; Clemens Alexandrinus: Paidagogos II,45, in: PG 008 0247 0684; Curtius: Euro­ päische Literatur und lateinisches Mittelalter. Tübingen; Basel 111993, S. 419–434. 30 Vgl. Eccl. 21,20. 31 Vgl. Die Benediktsregel. Eine Anleitung zu christlichem Leben. Der vollständige Text der Regel lat. / dt. übersetzt und erklärt von Georg Holzherr, Abt von Einsiedeln. Zürich [u. a.] 1982, S. 104.

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Die Diskussion um dieses Problem hat nicht nur Umberto Eco in seinem bekann­ testen Roman aufgegriffen.32 Sie greift auf die Debatte der Kirchenväter um das Lachen Christi zurück und zog die grundsätzliche Diskreditierung des Lachens nach sich.33 Der arbor porphyriana folgend, wie sie durch Porphyrius’ Einführung in die Katego­ rienlehre des Aristoteles dem Mittelalter vertraut war,34 ist das Lachen neben dem Weinen ein menschliches proprium.35 Wenn Lachen aber wesentliches Merkmal ist, hat auch Gott daran Anteil, so dass die Frage nach einer heiligen Heiterkeit Berech­ tigung erhielt. Dennoch konnte sich eine Theologie des Lachens nicht durchsetzen. Im Gegensatz dazu gilt das Weinen als besonders positive, gar charismatische Eigen­ schaft, an die sich die „Theologie der Tränen“ anschloss.36 Johannes Chrysostomos hat die Tränen entsprechend als Zeichen der Nähe und Vereinigung mit Gott in der Taufe in der 6. Homilie seines Kommentars zum Matthäusevangelium beschrieben: Wenn du nun auch solche Tränen weinst, dann bist du dem Herrn ähnlich geworden. Denn auch er hat geweint über Lazarus und Jerusalem, und über das Schicksal des Judas ward der erschüt­ tert. Und weinen sehen kann man ihn oft, lachen niemals, nicht einmal stille lächeln; wenigs­ tens hat kein Evangelist etwas davon berichtet. […] Das alles sage ich dir aber, nicht um das Lachen zu verpönen, sondern nur, um die Ausgelassenheit zu verhindern. Denn sage mir doch: welchen Grund hast du denn, eingebildet und ausgelassen zu sein, der du doch noch für so viele Sünden verantwortlich bist […]?37

Nicht zuletzt in Predigten wurde die Tränengabe als besonderer Ausweis der Heiligkeit gedeutet, denn auf diese Weise konnte das Mitleiden als zentrales Element des christ­ lichen Glaubens inszeniert werden.38 Richard Wagner lässt im Parsifal Kundry die Bedeutung des Weinens auf den Punkt bringen: Sie weint, und ihre Tränen e­ rwecken die Natur zu einem neu geordneten Leben als symbolischer Auftakt zum Karfreitags­

Dort heißt es: Scurrilitates vero vel verba otiosa et risum moventia aeterna clusura in omnibus locis damnasus et ad talia discipulum aperire os non permittimus. 32 Vgl. Umberto Eco: Der Name der Rose. Übers. von Burkhart Kroeber. München 1982. 33 Vgl. Karl-Josef Kuschel: Lachen. Gottes und der Menschen Kunst. Tübingen 1998, S. 77. 34 Vgl. Porphyrius: Einleitung in die Kategorien. Übersetzt von Eugen Rolfes. Unveränd. Abdr. d. Ausg. von 1925. Hamburg 1958. 35 Vgl. auch Irene Erfen: Das Lachen der Cunnewâre. Bemerkungen zu Wagners ‚Parsifal‘ und Wolframs ‚Parzivâl‘, in: Angela Bader (Hg.): Sprachspiel und Lachkultur. Beiträge zur Literatur- und Sprachgeschichte. Rolf Bräuer zum 60. Geburtstag. Stuttgart 1994, S. 69–87, dort S. 75. 36 Vgl. Gregor von Nyssa: De hominis opificio, in: PL 44, I, S. 1555; Cassian: De oratione, c. XXIX, in: PL 49, I, S. 804 / 5; Heinz Gerd Weinand: Tränen. Untersuchungen über das Weinen in der deutschen Sprache und Literatur des Mittelalters. Bonn 1958 (Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literatur­ wissenschaft 5). 37 Johannes Chrysostomos: Homilia in Matthaeum; Übersetzung zitiert nach Kuschel: Lachen, S. 81. 38 Vgl. Barbara Müller: Der Weg des Weinens. Die Tradition des ‚Penthos‘ in den Apophthegmata Patrum. Göttingen 2000 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 77).



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zauber.39 Und auch in der mittelalterlichen Vorlage beschreibt Wolfram mit Belaka­ nes bona fide-Taufe die reinigende und erneuernde Funktion des Weinens.40 Während Tränen eine Verbindung mit Gott und den Heiligen herstellen, führt das Lachen von ihnen weg, zieht Gottesferne nach sich. Entsprechend ist das Lachen Ausdruck der vanitas,41 gelten die entblößten Zähne als äußeres Zeichen des Laster- und Mangel­ haften.42 Abweichend von dieser Tradition sehen die Gnostiker den wahren Chris­ tus lachend neben dem Kreuz. Entsprechend beschreibt Petrus in seiner Vision Jesu Gefangennahme: Was sehe ich, Herr: Bist du es, nach dem sie greifen, und bin ich es, nach dem Du greifst? Oder wer ist der, der neben dem Holz (stehend) heiter ist und lacht? Und einem anderen schlagen sie auf die Füße und die Hände!43

Trotz der vermeintlichen Ausgrenzung des Lachens lässt sich eine Kultur des Lachens nicht nur bei den Gnostikern feststellen, wo das erlösende Lachen der Tradition nach seinen festen Platz im risus paschalis hat, da es als Osterlachen in den Osternachts­ ritus der orthodoxen Kirche integriert ist.44 Hier tritt nach dem Gottesdienst und dem Ende der Feier des Todes Christi der Priester mit einer Kerze aus dem Dunkel hervor. Das Licht symbolisiert jene Hoffnung, die mit dem Tod Christi verbunden die Aufer­ stehung verheißt und an der die Gemeinde ihr Licht entzünden kann. Als Zeichen dieses Neubeginns bricht in der Gemeinde Gelächter aus, das die Stille und das Dunkel durchbricht, Altes überwindet und Neues einläutet. Es ist jener Moment der Erlösung, der kurzzeitig die Überwindung des Todes andeutet, sich über ihn erhebt und Ausblick auf das Heil schenkt. Hier ist das Gelächter Erneuerung – ähnlich wie es in den agrarischen Kulturen als Ausdruck von Vitalität, Fruchtbarkeit, Sexualität und Geburt verstanden wurde.45 Das Lachen gilt hier nicht nur als Sieg über Tod und Teufel, sondern stellt in der Gemeinde Gemeinschaft erst her, wobei im Bewusstsein der Erlösung eine Rückbesinnung auf die Heil stiftende Ordnung erfolgt und dem Ordo gemäß das Kirchenjahr fortgesetzt werden kann. Die temporäre Befreiung durch das Lachen und gleichzeitige Rückbesinnung finden funktional in den Witzen, ins­

39 Vgl. Richard Wagner: Parsifal. Dritter Aufzug. Stuttgart 1950, S. 56f. 40 Vgl. Wolfram von Eschenbach: Parzival 28,10–19; Louise Gnädinger: Wasser – Taufe – Tränen (Zu Parz. 817,4–30), in: Wolfram-Studien 2 (1974), S. 53–71; Erfen: Das Lachen der Cunnewâre. 41 Bei Jesus Sirach 21,20 heißt es: Der Tor lacht mit lauter Stimme, der Kluge aber lächelt kaum leise. 42 Vgl. Matthias Kammel: Das mittelalterliche Chorgestühl. Ein Bildtraktat von der Allgegenwart des Bösen. Berlin 1991, S. 15. 43 Caspar Detlef Gustav Müller: Offenbarung des Petrus (Einleitung und deutsche Übersetzung), in: Wilhelm Schneemelcher (Hg.): Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. Band 2: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes. Tübingen 51989, S. 562–578. 44 Vgl. Auffarth: Glaubensstreit und Gelächter, S. 10. 45 Vgl. Haug: Schwarzes Lachen.

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besondere den Predigten des Spätmittelalters,46 sowie in der höfischen Literatur, im Minnesang und Roman Berücksichtigung.47 Vor allem in der Literatur begegnet das erlösende Lachen in vielfältiger Gestaltung. Hier ist es zunächst das Lächeln der Minnedame im Minnesang, das dem Werber Aussicht auf Erlösung bietet. Eine ähn­ liche Funktion hat das Lachen zwischen Riwalin und Blanscheflur in der Elternvor­ geschichte zu Gottfrieds Tristan.48 Die erste Begegnung der Liebenden wird an einem locus amoenus inszeniert, der ebenso strahlt wie das zukünftige Paar: die liehten bluomen lacheten ûz dem betouweten grase. […] diu süeze boumbluot sach den man sô rehte suoze lachende an. (Tristan, v. 562–574) Ähnlich bewirken das Lachen Blanscheflurs und ihre Schönheit das Entstehen der Liebe bei Riwalin und kündigen ihm seine Erlösung durch ihre Liebe an: Ir hâr, ir stirn, ir tinne, ir wange, ir munt, ir kinne, den vröuderîchen ôstertac der lachende in ir ougen lac. (Tristan, v. 925–928) Insbesondere der vöuderîche ôstertac verweist auf den Erlösungsgedanken, auf die vitalisierende Kraft der Liebe, wie sie der Minnesang, aber auch christliche Liebes­ konzepte kennen. Auf diese dem Lachen inhärente Kraft der Erlösung greift auch Wolfram im Parzival zurück. Herzelyode, die sich nach dem Tod Gahmurets ganz der Trauer um den Geliebten hingibt und vom höfischen Leben abwendet, kann die Geburt des Sohnes als Erlösung empfinden. Der Erzähler greift auf das Bild des Gekreuzigten zurück, um die Spannung zwischen tiefster Trauer und Erlösung zu kennzeichnen: frou Herzeloyde sprach mit sinne ‚diu hoehste küneginne Jêsus ir brüste bôt,

46 Vgl. Elfriede Moser-Rath: Predigtmärlein der Barockzeit. Exempel, Sage, Schwank und Fabel in geistlichen Quellen des oberdeutschen Raumes. Berlin 1964 (Fabula, Reihe A, Texte Bd. 5), S. 16, 24–30. 47 Vgl. Christine Dartmann: Das Lachen der vrouwe. Untersuchungen zur Funktion von Lachen in mittelhochdeutscher Epik und im Minnesang. Münster 2011 (Wissenschaftliche Schriften der WWU Münster, Reihe XII,3). 48 Dartmann: Das Lachen der vrouwe, , S. 211–215.



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dersît durch uns vil scharpfen tôt ame kriuze mennischlîche enphienc und sîne triwe an uns begienc. […] sich begôz des landes frouwe mit ir herzen jâmers touwe: ir ougen regenden ûf den knaben. si kunde wîbes triwe haben. beidiu siufzen und lachen kunde ir munt vil wol gemachen. si vreute sich ir suns geburt: ir schimph ertranc in riwen furt. (Parzival 113,17–114,4) Die Trauer über den Tod des einen wird von der erlösenden österlichen Freude über die Geburt des anderen abgelöst. Und auch Cunnewâre erkennt unter dem Narren­ kostüm den Erlöser und lacht: unz daz der knappe vür si reit: do erlachte ir mineclîcher munt. der wart ir rücke ungesunt. (Parzival 151,11–20) Die wenigen Beispiele deuten die Verbindung von Lachen und Erlösung an und spre­ chen dem Lachen eine erneuernde Kraft zu. In der Literatur wurde die Spannung zwi­ schen Lachverbot und Heilswirksamkeit reflektiert, wie sich an Cunnewâre zeigt.49 Sie lacht, als sie den Heil bringenden Ritter erblickt und wird von Keie für ihren Verstoß gegen höfisches Benehmen, bzw. weil sie ihren Schwur gebrochen hat, bestraft.50 Der Verstoß Cunnewâres wie auch das christliche Lachverbot heben auf den Moment des Ausgrenzens, der jeder Lachsituation eigen ist, ab. Gelacht werden darf nicht, da es ein Abwenden von Gott und der christlichen Ordnung bedeutet. Dieses Abwenden findet als Ausgrenzen oder Entgrenzen auch im Augenblick des erlösen­ den Lachens statt: Es ist etwas überwunden – der Tod, der Teufel, die Ordnung – und es findet eine Abgrenzung zum Anderen bzw. eine Ausgrenzung des Anderen statt, der nicht in die Lachgemeinschaft integriert ist. Gerd Althoff hat das Hohn- oder Spottgelächter als eine Art des Lachens beschrieben, das den Gegner verächtlich macht oder provoziert.51 Eben diese Verspottung findet in der oben beschriebenen

49 Vgl. Erfen: Das Lachen der Cunnewâre, S. 83. 50 Vgl. Parzival, 151,1–12. 51 Vgl. Althoff: Vom Lächeln zum Verlachen.

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Verstoßung Lucifers statt.52 Er wird von der Gemeinschaft exkludiert, wobei sich die Gemeinschaft über ihn und sein Vergehen erhebt. Eine komische Situation ist demnach eine, in der die Ordnung zerstört oder verkehrt wird, eine Umkehrung aller Werte stattfindet. Lachen in christlicher Tradi­ tion birgt die Spannung zwischen Verbot und Erlösung. Das erlösende Lachen gibt, indem es sich über das Irdische erhebt als das Lachen der sapientes, Ausblick auf das Heil, das heißt: durch das Lachen kann auch das eingangs beschriebene Dilemma der Ordnung, das Changieren zwischen Ordnungsstiftung und -auslösung, über­ wunden werden. Aus rezeptionsästhetischer Perspektive setzt das Lachen über eine Figur lösende Energie frei, die in gleichem Maße ordnungsstabilisierend sein kann. Das Lachen einer Figur gibt textintern die Möglichkeit, die Auflösung der irdischen Ordnung voranzutreiben, um Ausblick auf das Heil zu geben.53 Vergehen, Fehltritt und Bruch des literarischen Helden lösen Gelächter aus, das gleichfalls eine Abkehr von der Ordnung impliziert. Der Rezipient nimmt genau dies wahr und vollzieht mimetisch die Schritte im oben beschriebenen Modell nach: Über­ schreitung der Ordnung mit dem Protagonisten, Distanzierung von der Ordnung und Entladung, Krise durch das Chaos, Reflexion und Rückbesinnung (Verspottung Luci­ fers), Wiederherstellen der Ordnung mit etwaigen Abweichungen.

2.2  Die Tradition des Komischen Der antiken Tradition nach gehört die Verbindung von Scherz und Ernst zur besonde­ ren Eleganz des dichterischen Spiels,54 wird die Beherrschung und der Umgang mit dem Lachen als besondere Fähigkeit des vir bonus betont. Die Grundlage dafür bietet Platon, der im Phaidon den Umgang mit den Affekten als Basis für eine technisch aus­ gerichtete Rhetorik legte.55 Dennoch hielten Platon und Aristoteles an einer Trennung zwischen Ernstem und Lächerlichem fest. Eine Änderung vollzog sich erst bei den Rhetorikern, Cicero und vor allem Quintilian, denn hier stand der maßvolle Umgang mit beiden Affekten als Ausweis besonderer Kunstfertigkeit im Vordergrund. Gerade eine mit Wortwitz gespickte Rede hinterlasse, so die Rhetoriker, beim Publikum tiefen Eindruck, da nicht jeder ihr folgen und die Anspielungen verstehen könne.56

52 Vgl. Kap. IV.1. 53 Dieses Lachen wäre nach mittelalterlichem Verständnis zudem zu differenzieren in ein von Seiten der Kirche erlaubtes ‚Lächeln‘ (des Wissenden, der Hoffnung), in das exaltierte Lachen des Narren (Wahnsinn) sowie in ein Verlachen (Verspottung) des anderen. 54 Vgl. Curtius: Europäische Literatur; Seeber: Poetik des Lachens. 55 Vgl. Gert Ueding: Rhetorik des Lächerlichen, in: Werner Röcke; Hans Rudolf Velten: Lach­ gemeinschaften. Kulturelle Inszenierungen und soziale Wirkungen von Gelächter im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Berlin; New York 2005 (Trends in medieval philology 4), S. 21–36, dort S. 21. 56 Vgl. Cicero: De oratore II,216, hg. u. übers. von Harald Merklin. Stuttgart 21976,.



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Quintilian zählte körperliche Beschaffenheit, Gesinnung und das, was außerhalb liegt – aptum-Verletzungen – zu den möglichen Orten, an denen das Lächerliche auf­ zufinden sei. Etwas lächerlich zu machen, gehörte zum rhetorischen Repertoire und konnte unter der Maßgabe eingesetzt werden, dass sinnvoll scherzen zu können als Tugend galt und der Seelenhygiene diente. Davon zeugen nicht zuletzt die unzähligen Verspottungen, Verhöhnungen und Beschimpfungen, die in der antiken Literatur zu finden sind.57 Obwohl in der Spätantike eine Trennung von Scherz und Ernst beibehalten wurde, flossen in der mittelalterlichen Literatur vor allem unter didaktischer Prä­ misse beide Kategorien zusammen und traten trotz der kirchlichen Lachsanktionen vermischt auf.58 Ernst Robert Curtius hat für die spätantike Passionsliteratur am Beispiel der Dichtung Prudentius’ die Verbindung von hagiographischen Stoffen und provokatorisch grotesker Ausschmückung beschrieben; sie biete „ein Beispiel grotesken Humors innerhalb einer sakralen Dichtgattung“59. Daran zeigt sich, dass über das Martyrium des Laurentius, das weit in der Vergangenheit liegt, mit einem bestimmten Abstand auch in übertriebener Form berichtet werden konnte. Auch die frühen Märtyrerberichte, die apokryphen Kindheitsgeschichten Jesu, Legenden oder Wunder­erzählungen (Caesarius von Heisterbach) können auf ihr humoristisches Potential hin gelesen werden. Obwohl Groteskes und Komisches als Schilderung von Verblüffendem, Sensationellem und Drastischem zunächst nur schwer voneinander zu trennen sind und ein großer unscharfer Grenzbereich existiert, bleibt für das Gro­ teske festzuhalten, dass es als „die Erkenntnis der Darstellungsstruktur eines Werkes als Bild einer verkehrten Welt“60 bestimmt werden kann. Ein Bild des Grotesken zeichnet Horaz am Beginn der Epistula ad Pisones: Humano capiti cervicem pictor equinam Iungere si velit et varias inducere plumas Undique conlatis membris, ut turpiter atrum Desinat in piscem mulier formosa superne, spectatum admissi risum teneatis, amici?61 Das Schöne wird zum Hässlichen (oder mit diesem verbunden), das scheinbar Unver­ einbare wird vereint und das Nichterwartete dargestellt. Gerade Letzteres ließe sich auf das Komische übertragen, läge der entscheidende Unterschied nicht beim Rezi­

57 Vgl. Suchomski: Delectatio und utilitas, S. 30. 58 Vgl. Curtius: Europäische Literatur, S. 423-428; Seeber: Poetik des Lachens, S. 43f. 59 Curtius: Europäische Literatur, S. 426. 60 Walter Blank: Zur Entstehung des Grotesken, in: Wolfgang Harms; L. Peter Johnson (Hg.): Deutsche Literatur des späten Mittelalters. Hamburger Colloquium 1973. Berlin 1975, S. 35–46, dort S. 38. 61 Horaz: Epistulae / Briefe, S. 116.

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pienten. Denn während die Reaktion auf das Groteske nicht festgelegt ist, bleibt für das Komische das anschließende Lachen fest verbürgt. Und während der Rezipient nach der Entladung durch das Lachen wieder Sicherheit gewinnen kann, liefert das Groteske nach der Erschütterung des Erwartungshorizontes keinen Orientierungsge­ winn. Die Veränderung findet beim Grotesken demnach auf einem anderen Niveau statt, so dass das Weltbild als Ganzes betroffen ist, während das Komische durch nuanciertere Versuche die Welt infrage stellt. Legt man dies als Maßstab an, werden in der Weltchronik des Jans von Wien ausschließlich komische, keine grotesken Situati­onen beschrieben. Die Schwierigkeit, ‚das Komische‘ zu beschreiben, hat eine lange Tradition. Komi­ sche Situationen finden sich bereits im Alten Testament. Im Buch Genesis erscheint Gott dem fast hundertjährigen Abraham in anderer Gestalt und prophezeit dem bislang kinderlos Gebliebenen und seiner Frau Sara die Geburt eines Sohnes: Weiter sprach Gott zu Abraham: Deine Frau Sarai sollst du nicht mehr Sarai nennen, sondern Sara (Herrin) soll sie heißen. Ich will sie segnen und dir auch von ihr einen Sohn geben. Ich segne sie, so daß Völker aus ihr hervorgehen; Könige über Völker sollen ihr entstammen. Da fiel Abraham auf sein Gesicht nieder und lachte.62

Und nicht nur Abraham amüsiert das Prophezeite, sondern auch Sara, der es ‚längst nicht mehr erging nach Frauenart‘,63 lächelte in sich hinein, als ihr die Geburt des Sohnes verheißen wurde: Da sprach der Herr: In einem Jahr komme ich wieder zu dir, dann wird deine Frau Sara einen Sohn haben. Sara hörte am Zelteingang hinter seinem Rücken zu. Abraham und Sara waren schon alt; sie waren in die Jahre gekommen. Sara erging es längst nicht mehr, wie es Frauen zu ergehen pflegt. Sara lachte daher still in sich hinein und dachte: ich bin doch schon alt und verbraucht und soll noch das Glück der Liebe erfahren? Auch ist mein Herr doch schon ein alter Mann! Da sprach der Herr zu Abraham: Warum lacht Sara und sagt: Soll ich wirklich noch Kinder bekommen, obwohl ich so alt bin? Ist beim Herrn etwas unmöglich? Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich wieder zu dir kommen; dann wird Sara einen Sohn haben. Sara leugnete: Ich habe nicht gelacht. Sie hatte nämlich Angst. Er aber sagte: Doch, du hast gelacht.64

Sowohl Sara als auch Abraham vernehmen die Worte Gottes und müssen lachen, als sie die Diskrepanz zwischen der Prophezeiung und ihrer eigenen Wirklichkeit erkennen, da sie sich das Angekündigte nicht vorstellen können.65 Obwohl vielfältige Gründe

62 Gen 17,15–17. 63 Vgl. Gen 18,11. 64 Gen 18,10–15. 65 Gottes Fähigkeit, Saras Unfruchtbarkeit aufzuheben, löst zunächst Zweifel bei Abraham aus, die sich im Lachen offenbaren. Abraham „muss erfahren, daß Gott ihm über einen leiblichen Sohn seiner schon zur Greisin gewordenen Frau Sara Nachkommenschaft zuspricht: eine Zumutung Gottes für Abrahams Glauben […]. Da die Verheißung eines Sohnes von einem Hundertjährigen und einer Neunzigjäh­



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für das Lachen der beiden zu zitieren wären, ist vor allem die Diskrepanz, die so irreal erscheint, dass allein die Vorstellung Gelächter auslöst, für ihr Lachen konsti­tutiv. Der Kontrast zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit lässt beide an der Prophezeiung zweifeln. Erst nach der Geburt erkennt Sara die Bedeutung ihres Lachens, das auf den Namen ihres Sohnes Isaak – Gott möge lächeln, Gott hat gelächelt – verweist.66 Sie wird mit ihrem Zweifel in Gestalt ihres Sohnes direkt konfrontiert. Aus dieser Urszene des Alten Testaments, deren Lachen in verschiedenen theo­ logischen Interpretationen nachhallt, wird eines deutlich: Das Komische und das darauf folgende Lachen benötigen eine Kontrasterfahrung,67 die etwas Unglaub­ liches, Außergewöhnliches, Unerwartetes produziert. Dieses Unglaubliche hat so wenig mit der Lebenswirklichkeit von Sara und Abraham zu tun, dass es bei beiden Gelächter auslöst. Aber nicht nur die Ankündigung der Geburt des Sohnes löst hier Lachen aus – das ist das Lachen von Sara und ihrem Mann –, sondern die Reaktion der beiden wiederum löst Gelächter beim Publikum aus, da ihr Zweifel an der Gnade Gottes merkwürdig erscheint und entsprechend verlacht werden kann. In den fol­ genden Überlegungen soll vor allem das zuletzt beschriebene Lachen berücksich­ tigt werden, da es eine Wirkung beim Publikum erzeugt. Der Rezipient schließlich bestimmt, ob etwas komisch ist oder nicht.68 Das Beispiel verdeutlicht, dass das gebildete mittelalterliche Publikum komische Episoden bereits aus der Bibel, der hagiographischen Literatur, aus den Exempla der Predigten oder aus der epischen Dichtung kannte. Es bereitet nach wie vor Schwie­ rigkeiten, ‚das Komische‘ narratologisch zu beschreiben.69 Es bleibt als Kontrast- und Inkongruenzerfahrung, als Widerspruch und Normabweichung ein allgemeines

rigen aller natürlichen Erfahrung widerspricht, kann Abraham nicht umhin, als seinen Zweifel daran in einem ungläubigen Lachen auszudrücken […].“ Vgl. Lothar Ruppert: Genesis. Ein kritischer und theo­ logischer Kommentar. 2. Teilband: Gen 11,27-25,18. Würzburg 2002 (Forschungen zur Bibel 98), S. 356. 66 Vgl. Kommentar zu Gen 17,17, in: Die Bibel. Die heilige Schrift des Alten und Neuen Bundes. Deut­ sche Ausgabe mit den Erläuterungen der Jerusalemer Bibel, hg. von Diego Arenhoevel [u. a.], Frei­ burg [u. a.] 1968, S. 31–35. 67 Dass die Inkongruenz konstituierend für Witz und Komik ist, ist seit langem communis opinio. Hinzu kommt die Empfangsbereitschaft des Rezipienten. Vgl. auch Johannes Klaus Kipf: Mittel­ alterliches Lachen über semantische Inkongruenz. Zur Identifizierung komischer Strukturen in mittelalter­lichen Texten am Beispiel mittelhochdeutscher Schwankmären, in: Anja Grebe; Nikolaus Staubach: Komik und Sakralität. Aspekte einer ästhetischen Paradoxie in Mittelalter und Früher Neuzeit. Frankfurt am Main 2005 (Tradition – Reform – Innovation 9), S. 104–128, dort S. 112. 68 Auch die Frage, ob Komik nicht generell ein subjektives Phänomen sei, basiert auf einer um­ fassenden Forschungsdiskussion. Vgl. dazu grundlegend Victor Raskin: Semantic Mechanism of Humor. Dordrecht 1985; Hans Fromm: Komik und Humor in der Dichtung des deutschen Mittelalters, in: DVjs 36 (1962), S. 321–339, dort S. 323. 69 Vgl. Maria E. Müller: Vom Kipp-Phänomen überrollt. Komik als narratologische Leerstelle am Beispiel zyklischen Erzählens, in: Harald Haferland; Matthias Meyer (Hg.): Historische Narrato­ logie. Mediävistische Perspektiven. Berlin; New York 2010 (Trends in medieval philology 19), S. 70–97.

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Phänomen,70 das vor allem von seinem soziokulturellen Kontext abhängt und den Erkenntnisprozess des Rezipienten für seine Entfaltung braucht. Stefan Seeber hat jüngst eine Poetik des Lachens für den höfischen Roman um 1200 skizziert und betont, dass Lachen „im gegebenen literarischen und historischen Kontext“71 ver­ standen werden müsse. Ausgehend von anthropologischen Annahmen, hat Seeber ein Lachen im und über den Text, eine poetica in actu, erarbeitet.72 Obwohl seine Analy­sen ausführlich auf die antiken Klassiker zurückgreifen, fehlt auch hier eine konkrete Begriffsbestimmung ‚des Komischen im Mittelalter‘. Dennoch, und dies scheint mir für den Umgang mit der Chronik des Jans von Wien ebenso bedeutsam wie für den höfischen Roman, betont Seeber, dass die Poetik des Lachens ein perfor­ matives Phänomen sei und die Texte Lachangebote für die Rezipienten lieferten, aber nie als „Lachgebote“73 zu verstehen seien.74 Diese Auffassung spricht dem Publikum die konkrete Erfahrung des Komischen zu und bezieht die Rezipienten in die Produk­ tion des Komischen ein. Wirft man einen Blick auf die Tradition, zeigt sich, dass nach Maßgabe der antiken Rhetorik das Scherzen regelhaftem Verhalten unterliegt und in die Vorstellung vom vir bonus integriert ist. Sinnvoll Scherzen zu können ist Ausweis des kompetenten Redners, der sprachliche und stilistische Mittel bewusst einzusetzen weiß. Nach mittelalterlicher Auffassung ist der vir bonus der gute Herrscher.75 Zu den Elementen des Komischen, die in der antiken Literatur aufgeführt werden, gehört vor allem die aptum-Verletzung als Grenzüberschreitung und Entstellung – etwas, das vorher nicht gedacht werden konnte (wie im Falle Saras) oder gedacht, aber nicht ausgesprochen werden konnte. Die Rhetorica ad Herennium listet verschiedene Momente auf, die Lachen erregen. Darunter werden die Fabel, die Fiktion, die Karikatur, die Ironie, die Ambiguität, die Dummheit, die Neuigkeit, die Geschichte und der Vergleich ebenso genannt wie die Simplizität oder eine plötzliche Wendung.76 Das Aussprechen oder Aufführen des Unmöglichen lässt sich aus allen Formen herausfiltern und ist ent­ scheidend für die Bestimmung einer komischen Situation. Dabei wird das Publikum überrascht und mit einer kurzen drastischen Überhöhung oder Unmöglichkeit kon­ frontiert. Erwartung und Erfahrung prallen in der Rezeptionssituation aufeinander. Das Lächerliche benötigt einen Ort, an dem es verhandelbar ist: eine Bühne, eine

70 Vgl. Schwind: Komisch, S.  333; Andreas Kablitz: Komik, Komisch, in: Reallexikon der deut­ schen Literaturwissenschaft 2 (2007), S. 289–294, dort S. 289. 71 Seeber: Poetik des Lachens, S. 265. 72 Vgl. Seeber: Poetik des Lachens, S. 266. 73 Seeber: Poetik des Lachens, S. 268. 74 Vgl. auch Seeber: Poetik des Lachens, S. 3. 75 Vgl. Seeber: Poetik des Lachens, S. 44; zum Ideal des vir bonus vgl. Mierke: Memoria als Kultur­ transfer, S. 175f. 76 Vgl. Rhetorica ad Herennium I,10; Seeber: Poetik des Lachens, S. 49.



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Geschichte, eine gesellige Runde, denn nur in dieser Situation kann das Drastische, Groteske gezeigt werden, ohne dass es Ernst genommen werden muss. Insbesondere die antiken Rhetoriklehren machten sich die Kraft des risum movere kontrolliert zu eigen, um Persuasivität zu erzeugen. Cicero betont, dass der Zuschauer in die Entfaltung des risum movere einbezogen ist und die Andeutungen selbst zu Ende denken soll.77 Aus der Perspektive der Produktionsästhetik heißt das, dass seit der Antike ein bewusster Umgang mit der Möglichkeit, Lachen beim Rezipienten zu erzeugen, stattfand. Diese gängige Praxis ist, wie oben schon erwähnt, auch dem Mit­ telalter bekannt und gehört mit zu jenen Vorzügen, die auch Augustinus der antiken Rhetorik zusprach.78 Da, wie Seeber zeigen konnte, die Autoren des höfischen Romans sich dieser Strategien bedienten und somit Lachen instrumentalisiert und „nicht zweckfrei hervorgerufen“ bzw. „zweckfrei präsentiert“79 wurde, ist angesichts der Vorbildhaftigkeit ihrer Werke anzunehmen, dass die volkssprachliche Verschro­ nistik davon beeinflusst worden ist. Geht man davon aus, dass Komik den Texten inhärent ist und vom Publikum entdeckt und nachvollzogen werden musste, bleibt anzunehmen, dass der Leser / Hörer für die Signale des Textes offen sein musste, da der Text nur dann funktioniert und seine Wirkung entfaltet. In unserem Fall heißt das: Die Ordo-Brüche in der jansschen Weltchronik griffen ins Leere, wenn der Rezipient ihre Bedeutung nicht erkennt. Das Lachen über den Text basiert auf der Entschlüsse­ lung der Symbolwelten und dem Verständnis komischer Situationen. Die Frage nach einem objektiv Komischen bleibt dabei obsolet, obwohl eine verbindliche Vorstellung von komischen Elementen, Situationen, Handlungen oder Figuren existiert. Entspre­ chend wurde das Komische bislang anhand der Figuren, anhand von Situationen, Konstellationen oder Konzepten beschrieben.80 Eine Analyse von Wort-, Satz- und Textstrukturen unter diesem Gesichtspunkt fehlt bislang und es bleibt zu fragen, ob eine solche für die Analyse des Komischen überhaupt möglich ist, wenn eben doch das Komische im Subjekt und nie im Objekt wohnt.81 Insbesondere die Märendich­ tung, die Schwankliteratur und die Novellenzyklen wurden hinsichtlich ihrer komi­ schen Elemente untersucht und analysiert. Gleiches fehlt für die Verschroni­ken, die in ihrer Aneinanderreihung einzelner Erzählungen aus einem ähnlichen Repertoire schöpfen.

77 Vgl. Cicero: De oratore II,72f.; III,202; Seeber: Poetik des Lachens, S. 52f. 78 Vgl. Augustinus: De doctrina christiana IV, in: CCSL 32 (1962). 79 Seeber: Poetik des Lachens, S. 60. 80 Vgl. Preisendanz; Warning: Das Komische. 81 Vgl. Jean Paul: Vorschule der Ästhetik, in: Sämtliche Werke, hg. von Norbert Miller. Abt. I, Bd. 5. Frankfurt am Main 1996, S. 7–456, dort S. 110. Maria E. Müller hat versucht, dies am Beispiel des zyklischen Erzählens anhand der Kleinepik des Strickers zu beschreiben, kam aber abschließend zu keiner eindeutigen Darstellung des Komischen als fakultativer Ebene des Narratologischen, vgl. Müller: Vom Kipp-Phänomen.

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2.3  Komische Ordnungen in der Weltchronik In die Weltchronik sind, beginnend mit dem christlichen Alpha, unzählige Grenzüber­ schreitungen oder Grenzsituationen eingeschrieben, die die Welt und ihre Ordnung verkehren. Sie sind als komisch, ironisch und als mit „fresh sense of humour“82 aus­ gestattet charakterisiert worden. Vor allem der Erzähler ironisiert seine Rolle, wenn er in Kommentaren seine Unwissenheit ausstellt, sich vom Geschehen distanziert und dem Publikum die Deutung überlässt. Im Text heißt es häufig: ich will iu noch mêr wunders sagen, / des will ich iu niht verdagen, / von einer geschiht vil wunderlîch (v. 317–319); als ich vor mir gehœrt hân (v. 19.856); ich hân ouch daz wol vernomen (v. 20.031); nû weiz ich niht, wie ez kam (v. 28.013); er was ein gewaltic man, / als ich von im vernomen hân (v. 27.657f.); ich kann niht wol wizzen, wie / er dar oder wann er kæm, / unde dâ sîn ende næm (v. 20.414–16) oder mir ist daz von im bekant (v. 21.931).

Die Reihe ließe sich fortsetzen. Der Erzähler suggeriert, dass er über viele Dinge nur vage Bescheid wisse, sich auf ungenannte Quellen berufe, keine Garantie für die Sicherheit seiner Informationen geben könne und deshalb die Verantwortung abgebe. Seine Redeweisen vermitteln einerseits den Eindruck, er knüpfe an allgemein Bekanntes, an Erzählungen, die überall erzählt werden, an. Andererseits spielt der Erzähler mit dem Auctoritas-Verweis, da er teilweise Quellen wie die korônike oder das buoch nennt, aber keine genauen Titel oder Autoren angibt. Die Vagheit jedoch gibt ihm die Möglichkeit, unglaubliche Geschichten zu erzählen und sich der Verant­ wortung zu entziehen. Sie macht die Gratwanderung zwischen fabula und historia immer wieder sichtbar. Da der Erzähler die Herkunft der Geschichten bewusst ver­ schleiert, muss er auch keine Garantie für ihre ‚Wahrhaftigkeit‘ übernehmen. Von diesen Andeutungen leben die Geschichten, da gerade ihre Ungenauigkeit Interesse auf Seiten der Rezipienten hervorruft. Da jene Aussagen am Beginn der Geschichten stehen, offenbaren sie zudem als Appell an die Aufmerksamkeit des Publikums rhe­ torische Funktion. In der Weltchronik werden bekannte Erzählmuster wie Ehebruch, Begehren oder Gewalt aufgegriffen. Diese Grundprinzipien sozialen Handelns werden im Text neu diskursiviert. Wie im Märe und den Schwankerzählungen wird die Wertediskussion am Beispiel der Ordo-Verletzungen im Kontext der patriarchalischen Gesellschafts­ ordnung geführt. Dass der Autor Anekdoten in eine Chronik einbaut, rückt die All­ gegenwart der angedeuteten Erzählmuster noch stärker in den Vordergrund. Es sind, folgt man der Darstellung in der Weltchronik, auch im historischen Ablauf wiederkeh­ rende Prinzipien, die das Handeln der Menschen seit ihrer Erschaffung bestimmen. Die Komik bleibt für den Autor das einzige Mittel, sich von der Wirklichkeit zu dis­ tanzieren, um eine allgemeine Werte- und Ordnungsdiskussion anzustoßen. Dabei

82 Dunphy: Daz was ein michel wunder, S. 305.



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sind die einzelnen Geschichten funktional eingebunden und formulieren in ihrer Gesamtheit einen Appell. Dennoch kommt neben dieser didaktischen Ausrichtung und ihrer Funktionalität der Literarizität Bedeutung zu. Hier liefert vor allem die Rhe­ torik dem Autor Vorgaben. Er ist eingebunden in und verpflichtet auf das rhetorische System, das ihn zum Dichter qualifiziert. Danach ist handwerklich klar, wie sein Text zur Chronik wird, aber auch, welche Funktion das Komische hat. Da mittelalterliches Erzählen vordergründig „Wiedererzählen“83 ist, müssen die inhaltlichen Veränderungen vom Publikum erkannt werden. Entscheidend aber ist, dass mittelalterliche volkssprachliche Texte rhetorische Exempla liefern. Die Autoren halten sich an die rhetorische Tradition und versuchen, in der Volkssprache dem Lateinischen adäquate Texte zu produzieren. Otfrid von Weißenburg hat über die Problematik dieses Schreibens gehandelt.84 Jans von Wien ist aus dieser Perspektive auf dem Gebiet der Chronistik in zweifacher Hinsicht etwas Neuem verpflichtet. Zum einen weicht er als Chronist von der vorgegebenen Tradition der Geschichtsschrei­ bung ab, indem seine Geschichte der Welt aus Prosaischem und Versen besteht und er zwischen historia und fabula wechselt. Zum anderen aber erzählt er, indem er die geschichtlichen Ereignisse entlang der Herrscherfiguren und ihrer Fehltritte, Vergehen oder Ordo-Verletzungen aufblättert, ohne eine explizite Bewertung vorzu­ nehmen. Dem Rezipienten wird eine Reihe komischer Geschichten erzählt, die einer Deutung bedürfen. Der Autor zeichnet weniger Typen, sondern gestaltet bekannte Erzählungen, Ereignisse und Berichte auf seine Weise aus, die so in den Bereich des Komischen rücken.

Textbeispiele Wie die bereits zitierte Geschichte um den Fall Lucifers zeigt, vereinfacht der Erzähler die Situation des Engelssturzes. In einem Monolog, den der biblische Bericht nicht erwarten lässt, bereut der Teufel sein Verhalten und klagt über seine Tat. Diese Situa­ tion bringt den Leser aufgrund der pointierten Darstellung des verstoßenen Lucifers dazu, den Gegenstand zu verlachen. Kurz und knapp wird das Vorher und Nachher des gefallenen Engels kontrastiv gegenübergestellt. War Lucifer vorher lieht und schœn (v. 305), ist er nun krump und hœn (v. 306). In der Gegenüberstellung kommt deut­ lich die Einfachheit des Erzählten zum Ausdruck. Diese und die klaren Gegensätze machen die Brisanz des Dargestellten aus. Der kurze Abschnitt enthält Signalwörter, die den Inhalt der Erzählung bestimmen: billîch ungemach, unsaeligiu hôchfart, übermuot, lîb und sêl, schaden, lieht und schoen, krump rund hoen, krumbiu horn, êwiclîch verlorn, vûler hunt und das Komische hervortreiben. Beginnend mit der Benennung der Sünde, werden die sich daraus ergebenden Folgen benannt. Jeder Rezipient kennt

83 Worstbrock: Wiedererzählen und Übersetzen, S. 128–144. 84 Vgl. Otfrid von Weißenburg: Ad Liutbertum, 55–120.

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das Vergehen und weiß über mögliche Folgen Bescheid. Neu ist – und darauf richtet sich die Spannung –, welche Strafe Lucifer erwartet. Die Lösung ist einfach: Aus dem schönen Hellen wird das Finstere, Hässliche. In der bekannten Erzählung aus dem Alten Testament um den Kampf zwischen David und Saul und ihrer Begegnung in der Höhle von En-Gedi85 wird in einer ähnlich knappen Erzählung eine komische Situation skizziert. Hier erscheint König Saul deut­ licher als im biblischen Bericht als Gespött der Umstehenden. Jans verlagert die Situ­ ation in einen Wald, in dem David, der sich in einer Höhle versteckt, gesucht wird. Als Saul, blind vor Hass, vor jener Höhle steht, sitzt er, da er seine Notdurft verrichten muss, von seinem Pferd ab: Saul der reit balde und suocht in in dem walde, unz daz er kom zuo dem hol. sîn lîp was nîdes vol. dô er daz hol hêt ersehen, er begund wider sich selb jehen: ‚ich wil erbeizen an der stat unde wil ouch îlen drât in ditz hol an mînen gemach.‘ zehant von im daz geschach. er sprach zuo sînem knehte: ‚pflic mir des pferdes rehte! ich muoz mîns gemachs in daz hol. an diser stat ich vinden sol dich und all mîn man.‘ daz lobten si; dô gie er dan. in daz hol slouf er zehant. Daviten wart er dô bekant. dô er sînes gemaches saz, Davit des niht vergaz, er snit im ûz dem rock sîn ein schîben, diu gap breiten schîn, alsô daz im daz hinder teil wart blôz, daz was sîn unheil. des enwart Saul niht gewar. vil schier kom er zuo sîner schar; die sâhen dô den snit zehant. ‚herr, wer hât dich hie geschant?‘

85 Vgl. 1. Sam 24.



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begunden si alle jehen. ‚dir ist vil lasters hie geschehen.‘ (Weltchronik, v. 10.369–98) Die kurze Erzählung des ersten Samuelbuches wird in der jansschen Darstellung erheblich erweitert, indem der Autor die missliche Lage Sauls in den Mittelpunkt der Episode rückt. Saul, so suggeriert die Weltchronik, ist derart von Hass gegenüber David erfüllt, dass er umgehend in die Höhle muss. Alle Gefolgsleute, so lautet sein Befehl (dem biblischen Bericht nach 3000 Mann – Jans nennt keine Zahl), müssen vor der Höhle auf ihn warten. David schneidet Saul während seiner Entleerung nicht nur einen Zipfel seines Mantels ab, sondern auch einen kreisrunden Ausschnitt ins Gewand, so dass das Hinterteil des Königs allen sichtbar wird. Das Heer, vor dem Saul mit seinem löchrigen Mantel erscheint, erkennt sofort die Schande. Während in der biblischen Darstellung die Ereignisse (Saul verrichtet seine Notdurft in der Höhle und David schneidet ein Stück seines Mantels ab) aufgezählt werden, ist die mittelalterli­ che Szene etwa durch wörtliche Rede und Erklärungen amplifiziert. Der Fokus liegt auf der Verspottung Sauls, der mit einem nackten Hintern zum Gespött des textinter­ nen und textexternen Publikums wird. Die epische Ausgestaltung der Szene, die Einfachheit der sprachlichen Dar­ stellung und die Diskrepanz zwischen den beiden Körpern des Königs treiben das Komische der Geschichte hervor.86 Der vor Wut rasende Herrscher muss seine Verfol­ gung aus Gründen unterbrechen, die ihm und seinem Vorhaben nicht angemessen sind. Sauls Primitivität wird durch sein Selbstgespräch noch eklatanter. Diese Szene bereitet die Pointe der Geschichte vor. Erzählerisch wird dies durch den vorherigen Monolog Davids gesteigert, der ebenfalls vor der Höhle zu sich selbst spricht: ich lig hie wol ân sorgen / in disem hol verborgen (v. 10.361f.). Es steht weniger im Vordergrund, dass David Saul in der Höhle nicht getötet hat, als vielmehr die Bloßstellung des Königs. Dies gibt auch die Miniatur im Regensbur­ ger Codex (Abb. 12) wieder. Hier ist die Situation dadurch überzeichnet, dass der in der Darstellung viel kleinere David dem mächtigen König ein Stück seines Mantels abschneidet. Noch detaillierter wirkt die Darstellung der Szenen in der Heidelberger Handschrift aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Hier sieht man, wie im Text, das vor der Höhle angepflockte Pferdchen, das noch einmal auf die ‚Not‘ des Königs hinweist. Und auch hier unterstreichen die Größenverhältnisse die Unbeholfenheit des Herrschers. Das Komische resultiert aus der Diffamierung des Heiligen, das in Gestalt Sauls auf basale Körperfunktionen reduziert wird.

86 Vgl. Ernst Kantorowicz: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters. Übers. von Walter Theimer. München 21994.

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Abb. 12: Regensburg, Fürstl. Thurn und Taxissche Hofbibl., Ms. Perg. III, fol. 60rb: Saul und David in der Höhle.

Abb. 13: Heidelberg, UB, Cpg 336, (um 1420), fol. 20v: Saul und David in der Höhle.



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Auch die Erzählungen um die Situation auf der Arche, die Versuchung Hiobs, die Dar­ stellung Kaiser Neros, die Beschreibung der Taten Karls des Großen, Vergils, der im Korb vom Turm der Römerin herabhängt oder die Geschichte um Friedrich von Antfurt enthalten komische Elemente oder die Figuren werden in komischen Situationen gezeigt. Der Erzähler wahrt die notwendige Distanz, nimmt keine Wertung vor und orientiert sich an den Voraussetzungen seines Publikums. Anhand der CyrusGeschichte, in der Cyrus die von ihm einmal beschlafenen Frauen, die ein Kind gebären, als ‚unbrauchbar‘ aussondert, erklärt der Erzähler noch einmal die Bedeu­ tung des Mit-jemandem-freudenrîch-Werdens (v. 18.420) und kommentiert den Erzähl­ vorgang, indem er den Rezeptionsprozess thematisiert: ich mein zuo dem bettespil. ich muoz hœrn, ich red ze vil, wan ieslîch wîp unde man der red sich wol kan verstân. (Weltchronik, v. 18.421–24) Hier attestiert sich der Erzähler zunächst selbst die ihm von der älteren Forschung zugesprochene „redseligkeit“87, um dann mit der Figur der Praeteritio das Weitere abzubrechen. Jans kommuniziert mit dem Publikum, geht auf Vorwissen ein, und macht zugleich auf die Verwendung metaphorischer Rede aufmerksam. Es ist erst der Kommentar des Erzählers, der die Situation durch den expliziten Verweis auf das Sexuelle komisch aufbricht. Dies wird an anderen Stellen auch durch obszöne Anspielungen und Allusionen vermittelt. Das Motiv der verkehrten Körperlichkeit kommt nicht nur in den Episoden um Neros Krötengeburt und Karls Nekrophilie vor. Zudem tauchen mit Achill oder Friedrich von Antfurt Männer in Frauenkleidern auf. Diese Grenzüberschreitungen, ob Experimente an Körpern wie bei Friedrich II. oder die Absonderung körperlicher Exkremente wie bei Saul, werden auch in den Miniatu­ ren aufgegriffen, die sich an diesen Situationen orientieren. Während Friedrich II. die Leistungsfähigkeit von Körpern testet und damit an biologische Grenzen gerät, geht es in der Geschichte Sauls um die Dekonstruktion des königlichen Körpers. Hier zieht vor allem in der bildlichen Darstellung das Ausgeschiedene die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich und markiert den seinen Trieben und seiner Körperlichkeit aus­ gelieferten König. Daneben wird in der Geschichte um Achill das Sexuelle komisch inszeniert.88 Denn nachdem Achill die juncfrou überzeugt hat, die Götter im „Gebet

87 Strauch: Jansen Enikels Werke, S. LXIII. 88 Die Vorlage zu dieser Geschichte fand Jans von Wien in Konrads von Würzburg ‚Trojanerkrieg‘, vgl. Konrad von Würzburg: Der trojanische Krieg, hg. von Adelbert von Keller. Stuttgart 1858. Nach­ druck Amsterdam 1965, dort v. 13.398f.

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um den Phallus“89 um eine Geschlechtsumwandlung zu bitten – er hat sich listig als Frau verkleidet, um das Mädchen zu erobern –, findet gegenseitiges Erkunden des anderen Körpers und schließlich körperliche Vereinigung statt. Entsprechend fordert Achill die Jungfrau unverhohlen auf: grîfet her, ich bin ein man (v. 14.872). In entspre­ chender Schnelligkeit steigert sich die Szene ins Schwankhaft-Komische,90 denn die Frau erkennt beim Abtasten ihres Gegenübers: ‚ez ist diu wâhrheit: daz dû mir vor hâst geseit, daz grîf ich sicherlîchen wol, mîn hant ist mir alliu vol.‘ (Weltchronik, v. 14.879–82) Der Erzähler verkehrt den trojanischen Helden in einen Mann mit weiblichen Zügen, der die Grenzen höfischen Verhaltens preisgibt, um sein Begehren zu erfüllen. Dabei wird nicht nur vor dem Hintergrund des Werbens in höfischen Minnekonstellationen die Rolle des Ritters ins Lächerliche gezogen, denn Achill kämpft weder für die Dame, noch wirbt er um sie. Er schleicht sich an sie heran, um sie im vertraulichen Gespräch zu überlisten. Dabei werden Frauen- und Männerrolle gegeneinander ausgespielt. Als Frau gibt sich Achill einfühlsam, verständnisvoll, klug und schließlich listig. Dya­ damia weiß die Merkmale eines Mannes klar zu benennen: ‚und sold ich sîn ein man, so wold ich wunders vil begân. ich wold varn in fremdiu lant

89 Lydia Miklautsch: Das Mädchen Achill. Männliches Crossdressing und weibliche Homosexua­ li­tät in der mittelalterlichen Literatur, in: Matthias Meyer; Hans-Jochen Schiewer (Hg.): Litera­ rische Leben. Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelalters. Festschrift für Volker Mertens zum 65. Geburtstag. Tübingen 2002, S. 575–596, dort S. 591. 90 Die komischen Implikationen des Obszönen, die sich hier vorsichtig andeuten, finden in der schwank­ haften Literatur vor allem des Spätmittelalters stärkeren Niederschlag, wie u.  a. die p ­ riapeiischen Mären, ‚Der Rosendorn‘, ‚Gold und Zers‘, ‚Das Nonnenturnier‘, eine Episode des ‚Lalebuchs‘ oder auch Heinrichs von Landshut ‚Der Traum am Feuer‘ zeigen. Hier steht vor allem eine Autonomisierung und Anthropomorphisierung der Geschlechtsteile im Vordergrund, um Verfahrensweisen des Sexuellen zu diskutieren. Vgl. grundlegend dazu Wolf-Dieter Stempel: Mittelalterliche Obszönität als literar­ ästhetisches Phänomen, in: Hans Robert Jauss: Die nicht mehr schönen Künste. Grenzphänomene des Ästhetischen. München 1968 (Poetik und Hermeneutik 3), S. 188–295; Peter Strohschneider: ‚Der turney von dem czers‘. Versuch über ein priapeiisches Märe, in: Jeffrey Ashcroft (Hg.): Liebe in der deutschen Literatur des Mittelalters. Tübingen 1987 (Publications of the Institute of Germanic Studies 40), S. 149–173; Edith Wenzel: Zers und fud als literarische Helden. Zum Eigenleben von Geschlechts­ teilen in mittelalterlicher Literatur, in: Claudia Benthien; Christoph Wulf (Hg.): Körperteile. Eine kulturelle Anatomie. Reinbek 2001, S. 274–293.



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und wolt dâ sîn ein wîgant und wolt dâ êr erwerben, oder ich müest dâ verderben.‘ (Weltchronik, v. 14.757–62) Der mittelalterliche Achill jedoch erfüllt diese Voraussetzung nicht und ist erst in der Frauenrolle erfolgreich. Damit werden tradierte Rollenentwürfe zunächst ver­ kehrt, schließlich aber bestehende Konzepte bestätigt, da erst nach dem Einzug der Männlichkeit das körperliche Begehren Erfüllung findet. Das Motiv des cross dressings dient dazu, Geschlechtergrenzen aufzuweichen, wie im heimlichen Gespräch der beiden Frauen inszeniert, diese schließlich aber umso fester einzuschreiben. Die Szene erlaubt keinen Zweifel daran, dass das männliche Geschlecht das vollkommene ist, lässt aber genug Raum für „erotische Abenteuer“91 und dafür, Rollengrenzen zu transgredieren. Liest man diese Szene vor dem Hintergrund des Tristan Gottfrieds, in dem Tristan als Tantris verkleidet Isolde unterrichtet und sich auf diese Weise vorsich­ tig ein mögliches Liebesverhältnis andeutet, wird die derb-komische Überzeichnung in der Weltchronik eklatant. Hier steht einzig die Triebhaftigkeit der Protagonisten im Mittelpunkt, die alles höfische Gebaren quasi ‚nach‘ der höfischen Literatur auf die Körperlichkeit zurückwirft. Ähnliches wird auch in der Geschichte um Vergil im Korb fokussiert. Hier berichtet der Erzähler von einer Statue, die arglistige Männer durch zwanghafte Kopulation mit der Plastik zu erkennen gibt: er [Vergil] macht ze Rôm ein steinîn wîp von kunst, diu hêt einen lîp, swanne ein schalc, ein bœser man wolde ze einem wîb gân, daz er gie zuo dem steine, der bœs, der unreine, daz im was bî des steines lîp, reht als ez wær von art ein wîp. (Weltchronik, v. 23.769–76) Neben der dubiosen Zeichnung Vergils, der als Zauberer zwar verunglimpft, dennoch erst in die Lage versetzt wird, derartige Skulpturen zu schaffen, steht hier erneut männliche Triebhaftigkeit zur Diskussion, die als Erkennungsmechanismus kathar­ tisch wirkt und in der Szene ins Lächerliche gezogen wird. Statuen oder Bilder, die den geliebten Menschen vergegenwärtigen sollen und den Betrachter zu nicht domestizierten Handlungen animieren, kommen in der mittel­

91 Darauf hat bereits Lydia Miklautsch hingewiesen, die aber die Anspielungen auf weibliche ­Homosexualität stärker fokussiert, vgl. Miklautsch: Das Mädchen Achill, S. 592.

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 Ordnung, Unordnung und Komik in der Weltchronik

alterlichen Literatur häufig vor. Lancelot vertreibt sich im Prosalancelot seine Zeit im Gefängnis mit dem Bild Guinevras, da lieff er zu den bilden und umbfing sie und trost sich selber und vertreib sin zytt da mit,92 Tristram erschafft sich einen Gedächtnispa­ last und in dessen Zentrum eine Statue von Isolde, die an gestalt, schönheit und größe so ähnlich der königin Isond [war], als ob sie selbst da stünde […],93 und auch Astrola­ bius begehrt in der Kaiserchronik,94 aus der Jans von Wien das Motiv möglicherweise kannte, eine Statue der Venus. Während in den zitierten Geschichten des Prosalancelot und des thomasschen Tristan die Vergegenwärtigung der Geliebten als memorialer Akt beschrieben wird,95 der Abwesenheit transzendieren kann und somit der Kernge­ danke des höfischen Minnebegriffes als liebendes Gedenken im Mittelpunkt steht, ist diese Ebene in der Weltchronik nicht vorhanden und allein in körperliche Lustentla­ dung pervertiert. Darüber hinaus beruht das körperliche Begehren von Bildern oder Statuen in der Kaiserchronik noch stärker als in der Weltchronik zunächst auf teuf­ lischer Zauberei. Insbesondere in der Astrolabius-Geschichte werden Götzendienst und Bilderverehrung thematisiert und das Christentum ins Zentrum gerückt. Dabei wird Astrolabius von einem Zauber, der der Statue anhaftet, gezwungen, das Abbild ewig zu lieben: swer daz pilde oben an sihet, / der muoz iz iemer minnen (v. 13.344f.). Eine ähnliche Konstellation, die aber stärker auf das Begehren abhebt, findet sich auch in der Weltchronik. Hier entlarvt die vergilsche Skulptur als ‚Treueprobe‘ Ehe­ brecher. Die Geschichte findet sich, ergänzt um weitere Episoden über Vergil aus der Weltchronik oder um die Bocca della verità, zunächst im Reimpaargedicht Von Virgilio dem Zauberer aus dem 15. Jahrhundert wieder.96 Um 1425 wird bereits die Geschichte des von Vergil erschaffenen Bildwerkes tradiert und im Vergleich zur Fassung bei Jans dahin erweitert, dass Meineidige und vor allem buhlerische Frauen entlarvt und bestraft werden.97 Der Mechanismus wird durch Frauenlist zerstört, indem eine Frau

92 Zitiert nach: Lancelot. II. Nach der Heidelberger Pergamenthandschrift Pal. Germ.  147, hg. von Reinhold Kluge. Berlin 1963, S. 483. 93 Zitiert nach: Thomas: Tristan. Eingel., bearb., übers. von Gesa Bonath. München 1985 (Klassische Texte des Romanischen Mittelalters 21), S. 141. 94 Vgl. Kaiserchronik, v. 13.119–24. 95 Horst Wenzel hat dies an den benannten Beispielen expliziert, vgl. Horst Wenzel: Hören und Sehen, Schrift und Bild: Kultur und Gedächtnis im Mittelalter. München 1995, S. 302–320. 96 Vgl. Frieder Schanze: Von Virgilio dem Zauberer, in: 2VL 10 (1999), Sp. 384f.; Ders.: ‚Von Virgilio dem Zauberer‘. Ein unbekannter Druck Peter Wagners und seine Quellen – Enikels ‚Weltchronik‘ und ein Lied in Klingsors Schwarzem Ton, in: Gutenberg-Jahrbuch 63 (1988), S. 88–94. 97 Berichte über die Erschaffung solcher Automaten sind auch von Albertus Magnus bekannt, der ein sprechendes Bild erfunden haben soll, vgl. Deutscher Sagenschatz. Rheinland Sagen. Bd. 1: Nie­ derrhein bis Köln, Bergisches Land, Eifel, hg. von Paul Zaunert. Jena 1924, S. 170–172. Das Motiv vom Standbild, das Ehebrecherinnen entlarvt taucht auch im Haus „Zum Weißen Adler“ in Stein am Rhein als Wandgemälde auf. Vgl. dazu Reinhard Frauenfelder: Das Bocca della Verità-Motiv am „Weißen Adler“ zu Stein am Rhein, in: Schaffhauser Beiträge zur vaterländischen Geschichte 32 (1955), S. 34– 44; Michael Curschmann: Vom Wandel im bildlichen Umgang mit literarischen Gegenständen. Ro­



Komik und Groteske 

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vor dem ‚Automaten‘ vorgibt, mit ihrem als Narren verkleideten Mann Ehebruch zu begehen. Die Geschichte um das Standbild, das Ehebrecher enttarnt, unterstützt in der Weltchronik die Überzeichnung männlicher Lust, dient aber in der Literatur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit vor allem dazu, 1) Frauen zu diskreditieren, 2) ihre Unzucht festzustellen und wird 3) mit der schwankhaften Apostrophierung der gierigen Frau verbunden. Das Herabsinken auf die materiell-leibliche Stufe wird auch in der Szene in der Höhle En-Gedi zum Auslöser des Komischen. Hier rückt das Skatologische – die Ent­ leerung Sauls, der David beiwohnt – in den Mittelpunkt. Die Vorstellung vom ‚Körper des Königs‘ wird auf das Körperliche reduziert und bis ins Lächerliche verkehrt. Ähnlich verhält es sich mit Karl dem Großen, der über den Tod hinaus mit seiner eigentlich schon verwesenden Frau kopuliert. Als der Zauber, der ihre Konservierung bewirkte, von ihr abfällt, stellt der Kaiser resigniert fest: ‚swaz ich lieb zuo ir hân, die hân ich al verkorn; si hêt mir sêl und lîp verlorn. si stinket sam ein vûler hunt. ir bôsheit ist mir worden kunt.‘ (Weltchronik, v. 26.370–74) Komisch-schwankhafte Szenen finden sich an unterschiedlichen Stellen des Textes und werden an den zitierten Stellen durch obszöne Anspielungen unterstützt, die die verkehrte Ordnung hervorheben, Raum für erotische Andeutungen lassen und damit das Geistig-Sakrale durch eine stärkere Inszenierung des Körperlichen aufbrechen und auf eine niedrige materielle Stufe ziehen. Dies ist literaturhistorisch vor allem als Umgang mit dem höfischen Erzählen in Roman oder Minnesang und als seine Transformation zu verstehen, wie sich an der variierenden Übernahme zahlreicher Motive aus diesen Texten nachweisen ließe. Es ist vielleicht zu weit gegriffen, von einem Erzählen in der volkssprachlichen Verschronistik zu sprechen, das ‚durch das Höfische hindurchgegangen‘ ist, doch lässt sich damit die wechselseitige Beeinflus­ sung zumindest im Grundsätzlichen fassen. Dies wird an anderer Stelle im Vergleich zur Kaiserchronik noch zu zeigen sein.98

denegg, Wildenstein und das Flaarsche Haus in Stein am Rhein. Freiburg 1997 (Wolfgang Stammler Gastprofessur für Germanische Philologie – Vorträge – Heft 6), S. 55–57. 98 Vgl. Kap. V.

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 Ordnung, Unordnung und Komik in der Weltchronik

3  Komik und Geschichtsschreibung Das Miteinander von historia und fabula wird durch die hybride Form der Weltchronik unterstrichen. Die Aneinanderreihung von Erzählungen weicht nicht nur die Statik und die Tradition der Geschichtserzählung auf, sondern der Wechsel zwischen Vers und Prosa gibt Anleitung zum Verständnis des Textes. ‚Harte‘ historische Fakten werden in Prosa wiedergegeben und bewusst sichtbar von den ‚weichen‘ fiktionalen Erzählungen getrennt. Hubert Herkommer hat innerhalb des Vergleichs zwischen Kaiserchronik und Sächsischer Weltchronik darauf hingewiesen, dass die versifizierten in die Sächsische Weltchronik integrierten Abschnitte der Kaiserchronik Auflockerung der Prosa bewirken, und die damit verbundene „Bereicherung der Prosachronik“99 angedeutet. Zudem wurden dabei, so Herkommer, Fakten nicht blind aus der Vorlage übertragen, sondern die teilweise verwirrende Chronologie der Kaiserchronik in der Sächsischen Weltchronik korrigiert.100 Dies zeigt deutlich, dass die Verfasser sich der Differenz zwischen historia und fabula bewusst waren und für den Fall der Geschichtserzählung auch die Inhalte geprüft wurden. Für die Weltchronik des Jans von Wien liefert dies ein weiteres Argu­ ment dafür, dass das Wechselspiel von Vers und Prosa geplant und funktionell ein­ gebettet erfolgte. Die Prosapartien strukturieren den Text und liefern ein Gerüst, in das die einzelnen Geschichten aneinandergereiht integriert werden. Durch die einge­ fügten Prosastücke bleibt die Chronik zum einen als Chronik erkennbar, da durch die aufgelisteten Zahlen und Fakten rein historisch-sachliche Informationen vermittelt werden, die dem gesamten Text − wenn auch scheinbar − historische Relevanz ver­ leihen. In den gereimten Partien, die den eigentlichen Anteil des Textes ausmachen, treten zum anderen historische Informationen nahezu vollständig in den Hintergrund und die Literarisierung in den Vordergrund.101 Insbesondere die Mischung von Vers und Prosa unterstreicht das Konzept der Chronik, Geschichte entlang ihrer Eckdaten (Weltreiche, Weltalter, Königs- und Papst­ listen) auszulegen. Da die Prosapartien den Eindruck vermitteln, als könne man ihnen gesicherte Informationen entnehmen, bleibt es nicht leicht zu entscheiden, ob das Werk hörend, so wie der Erzähler immer wieder suggeriert, oder lesend rezipiert wurde.102 Ein Blick in die Tradition des Vers-Prosa-Hybrids zeigt, dass bereits Varro nach dem Vorbild Menippos von Gadara und der Satura Menippea die Verbindung beider als Darstellungsform der Satire in die lateinische Literatur eingeführt hat.103 Die

99 Hubert Herkommer: Überlieferungsgeschichte der ‚Sächsischen Weltchronik‘. Ein Beitrag zur deutschen Geschichtsschreibung des Mittelalters. München 1972 (MTU 38), S. 162. 100 Der Vergleich zeigt, dass zum Teil große Unterschiede zwischen den volkssprachlichen Chroni­ ken bestehen und sie deshalb getrennt zu behandeln sind. Vgl. ausführlicher dazu Kap. VI. 101 So wird beispielsweise die Geburt Jesu in nur wenigen Versen abgehandelt. Vgl. Kap. II.1. 102 Vgl. Kugler: Jans Enikel, S. 223. 103 Vgl. Herkommer: Überlieferungsgeschichte, S. 162.



Komik und Geschichtsschreibung 

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Versi­fizierung galt als Ausweis höherer Kunstfertigkeit, sie konnte deshalb im Unter­ richt erlernt und eingesetzt werden. Die Transformation von Versen in Prosa und umgekehrt gehörte zum Repertoire der Rhetoriker.104 Wenn auch die frühchristli­ chen Bemühungen um die dichterische Umsetzung der biblischen Ereignisse, wie bei Juvencus, für die mittelalterliche Verschronistik nicht greifbar scheinen, so dürfte der grundsätzliche Gedanke, dass Verse ewig Bestand haben,105 präsent gewesen sein. Darauf berufen sich auch die Bibeldichtungen hin und wieder.106 Die Verskunst hat seit jeher etwas mit Stil, Sprachvermögen und Ereignissen, die im Gedächtnis bleiben sollen, zu tun,107 so dass diese allgemeinen Bedingungen auch für die volkssprach­ lichen Chroniken geltend zu machen sind. Folglich, so ist anzunehmen, wurde die Form des ‚Prosimetrums‘ übernommen, fand in Gebeten, Urkunden, hagiographi­ schen und historiographischen Texten Verwendung.108 Bernhard Pabst definiert Prosimetrum als „Schreibweise“ und literarische Darstellungstechnik, die allein auf der bewußten Entscheidung eines Autors beruht, die (unterschiedlichen) Gestal­ tungsmöglichkeiten von Prosa und Vers innerhalb einer Sinneinheit, die kleiner ist als das Werk (bzw. Buch) als ganzes, nebeneinander zu nutzen.109 Gerade das Zusammenspiel von Vers und Prosa in einer Sinneinheit stellt das beson­ dere Merkmal des Prosimetrums dar, was freilich in dieser Form in der Weltchronik nicht vorkommt. Während die Prosa-Einschübe hier dem Bericht von Tatsachen vor­ behalten sind, zeichnen sich die umfangreichen versifizierten Teile durch eine stärkere Belebtheit aus, die vor allem durch Rede- und Disputationsszenen, höfische Gespräche, Anspielungen auf die Minnelyrik oder den höfischen Roman entsteht. Die Prosastücke sind streng an die historischen Fakten gebunden, geben den historischen Rahmen vor

104 Vgl. Quintilian: Institutio oratoria X,5. 105 Vgl. Hieronymus: Epistola ad Magnum 70,5, in: BHM 70 [GW 1224]. 106 Vgl. Paul Klopsch: Prosa und Vers in der mittellateinischen Literatur, in: MJb 3 (1966), S. 9–24; Curtius: Europäische Literatur, S. 118–131. 107 Vgl. Aleida Assmann; Jan Assmann: Nachwort, in: Dies.; Christof Hardmeier (Hg.): Schrift und Gedächtnis. Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation I. München 1983, S. 265– 284, dort S. 270. 108 Einen umfangreichen Einblick in die Tradition des Prosimetrums liefert Bernhard Pabst, vgl. Bernhard Pabst: Prosimetrum. Tradition und Wandel einer Literaturform zwischen Spätantike und Mittelalter. 2 Bde. Köln [u. a.] 1994 (Ordo 4 / 1,2). 109 Pabst: Prosimetrum, S. 12. Curtius definiert im Vergleich dazu ‚Prosimetrum‘ wesentlich unspe­ zifischer: „[…] das sind Texte, in denen Prosa mit poetischen Einlagen wechselt.“ Curtius: Europäi­ sche Literatur, S. 160. Herkommer verweist auf die Tradition des Prosimetrums seit Boethius’ Consolatio und Martianus’ Capella De nuptiis Mercurii et Philologiae. Er zitiert die Definition im Formularius de modo prosandi des Baumgartenbergers. Hier werden tres species dictaminis benannt: prosaicum, metricum, et ritmicum. Inuenitur etiam prosimetricum, quod constat ex metris et prosa, ut dictamen Boetij in quibusdam. Zitiert nach: Ludwig Rockinger: Briefsteller und Formelbücher des eilften und vierzehnten Jahrhunderts. 2. Abt. München 1863 (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte IX,1), S.  726; Herkommer: Überlieferungsgeschichte, S.  163, Anm.  25. Allein der Wechsel zwischen Vers und Prosa in einem Text reicht zur Definition jedoch nicht aus.

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 Ordnung, Unordnung und Komik in der Weltchronik

und gliedern den Text in Sinneinheiten. Die Hybridform ist an die prosimetrische Form angelehnt, entspricht jedoch streng genommen keiner literarischen ‚Schreibweise‘. In der Weltchronik wird der spielerische Wechsel zwischen factum und fictum betont und der Blick für humoristische Anspielungen an sich geschärft, denn das, was nicht ernst genommen zu werden braucht, wurde auch als solches gekennzeichnet.

4  Redeszenen in der Weltchronik Die volkssprachlichen Verschroniken unterscheiden sich von der traditionellen Geschichtsschreibung durch ihren Stil. Ein wesentliches Element, die Konventionen aufzubrechen, bilden dabei die Redeszenen, die jede Erzählung strukturieren. Die Untersuchung von Redeszenen aus literaturwissenschaftlicher Perspektive ist, nachdem sie lange zu den Desideraten gehörte, in den letzten Jahren mehrfach in Angriff genommen worden.110 Obwohl Gerhard Wolf bereits 1996 betonte, dass gerade chronikale Texte eine Vielzahl schwankhafter Erzählungen bieten, die durch ihre Ausgestaltung von Redeszenen auf „performance“ hin konzipiert sind,111 blieben Dialog- und Gesprächsszenen in der mittelalterlichen Chronistik und ihre Funktion bislang weitestgehend unberücksichtigt. Performanz wird auch durch Redeszenen erreicht. Sie vermitteln Unmittelbarkeit, und entwickeln szenisches Geschehen und verleihen folglich der Gattung Geschichtsschreibung einen anderen Charakter. Im Folgenden möchte ich an diese Überlegungen anknüpfen und an ausgewähl­ ten Episoden der Weltchronik die Funktion von Redeszenen im Text untersuchen. Ich beziehe mich dabei auf die Episoden um Adam und Eva (v. 497–1.670), Noah (v. 1.671– 3.042), Abraham und Isaak (v.  3.457–4.050), Nero (v.  22.935–23.432), Vergil im Korb (v. 23.695–24.224), Karl den Großen (v. 25.540–26.555) und Friedrich II. (v. 27.929–28.958). Die häufig promiskue Verwendung der Begriffe Dialog, Gespräch, Redeszene deutet auf ein definitorisches Problem.112 Während der ‚Dialog‘ traditionell als Bezeichnung für

110 Insbesondere der Tagungskomplex von Nine Miedema, Monika Unzeitig und Franz Hunds­ nurscher zu Redeszenen in der mittelalterlichen Großepik hat dieses Thema aufgegriffen, vgl. Nine Miedema; Franz Hundsnurscher (Hg.): Formen und Funktionen von Redeszenen in der mittel­ hochdeutschen Großepik. Tübingen 2007 (Beiträge zur Dialektforschung 36); Anja Becker: Poetik der wehselrede. Dialogszenen in der mittelhochdeutschen Epik um 1200. Frankfurt am Main 2009 (Mikrokosmos 79); Nine Miedema [u.  a.] (Hg.): Sprechen mit Gott. Redeszenen in mittelalterlicher Bibeldichtung und Legende. Berlin 2012 (Historische Dialogforschung 2). 111 Vgl. Gerhard Wolf: Inszenierte Wirklichkeit und literarische Aufführung. Bedingungen und Funktion der ‚performance‘ in Spiel- und Chroniktexten des Spätmittelalters, in: Jan-Dirk Müller (Hg.): ‚Aufführung‘ und ‚Schrift‘ in Mittelalter und Früher Neuzeit. Stuttgart; Weimar 1996 (Germanis­ tische Symposien. Berichtsbände 17), S. 381–405, dort S. 382. 112 Dies ist an anderer Stelle ausführlich beschrieben worden, vgl. Becker: Poetik der wehselrede, S. 29–50.



Redeszenen in der  

 217

eine literarische Gattung fungiert, deren Kennzeichen sinnstiftend für die Redeszenen in der Chronistik sind und das ‚Gespräch‘ in der mündlichen Kommunikation verhaftet ist, verweist der Begriff ‚Redeszene‘ deutlich „auf die Einbettung von Dialogen in lite­ rarische, hier insbesondere: epische Zusammenhänge“113. Redeszenen sind demnach in der Literatur verankert und leben von den Reden der Figuren bzw. des Erzählers.114 Die Weltchronik des Jans von Wien, der als Autor des Werkes – der ditz getiht gemachet hat – vorgestellt wird, besteht aus der Rede eines Ich-Erzählers, der, wie im Prolog ausgeführt, vor Gott und seinem Publikum spricht. Der heterodiegetische Erzähler steht als ‚Vermittler zwischen den Welten‘, denn er arrangiert als auktoriale Instanz die Geschichten und holt diese gleichzeitig in die Gegenwart des Publikums. Er berichtet chronologisch über vergangene Ereignisse, präsentiert diese zum Teil durch szenische Wiedergabe. Obwohl er aus einem zeitlichen Abstand erzählt, steigt er, indem er die Gedanken einzelner Figuren kennt, unmittelbar in das Geschehen ein und wird auf diese Weise zum Boten zwischen den Welten. So kann er beispielsweise den Paradie­ sesgarten in der Schöpfungsgeschichte beschreiben, als hätte er ihn selbst gesehen: hei wie schœn der vîal was! und ouch die liehten rôsen rôt, die stuonden als in got gebôt, der klê und ouch die liljen wîz, alz ez got worht mit flîz-, […]. (Weltchronik, v. 658–662) Durch diese Beschreibung wird klar, dass er nicht nur das Geschehene darstellt, sondern in einem Zwiegespräch mit seinem Publikum steht, an das er sich im Verlauf des Textes immer wieder wendet: ich wolt iu sagen mêre (v. 55); verdruzz iuch sîn niht sêre; ich wil iu allen tuon bekant (v. 125); ich will iu noch mêr wunders sagen  / des will ich iu niht verdagen (v. 317f.). Die Formeln, die in den meisten Fällen am Beginn einer

113 Diese treffende Unterscheidung nehmen Miedema und Hundsnurscher in der Einleitung des ersten Sammelbandes vor, vgl. Miedema; Hundsnurscher: Redeszenen, S. 2, Anm. 3. 114 Im Folgenden werde ich den Begriff der ‚Figurenrede‘ für das Gesprochene der Figur verwenden. Der Terminus ist insofern problematisch, als durch die Figur immer auch der Erzähler spricht. Dies führt vor allem dort zu Schwierigkeiten, wo die Rezeptionssituation ausnahmslos eine Hörleistung ist. Ausführlich zu diesem Problem Vgl. Nine Miedema: Die Gestaltung der Redeszenen im ersten Teil des Nibelungenliedes. Ein Vergleich der Fassungen *A / *B und *C, in: Jürgen Breuer (Hg.): Li­ terarische Innovation und politische Zeitgeschichte. München 2006, S. 45–82, dort S. 46; Katharina Philipowski: Strophisches und stichisches Sprechen. Medientheoretische Überlegungen zur Figu­ renrede in höfischer Epik und Heldenepik, in: Nine Miedema; Franz Hundsnurscher (Hg.): Formen und Funktionen von Redeszenen in der mittelhochdeutschen Großepik. Tübingen 2007 (Beiträge zur Dialektforschung 36), S. 43–72, dort S. 45f.

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 Ordnung, Unordnung und Komik in der Weltchronik

Binnenerzählung stehen, lenken die Aufmerksamkeit auf die gegenwärtige Vortrags­ situation, um dann in die Erzählung einzuleiten. Die gesamte Chronik ist durch eine extradiegetische Erzählung gerahmt, in der die Eckdaten von Welt- und Heilsgeschichte präsentiert werden und die als Einschub in Prosa realisiert ist, so dass auch die Darstellungsform wechselt. In den chronikalen Rahmen sind Binnenerzählungen integriert, die den Großteil des Textes ausmachen. In diesen kommen sowohl der Erzähler als auch die Figuren zu Wort, so dass ein Wechsel zwischen berichtender auktorialer Erzählung und szenischer Darstellung stattfindet. Da die direkten Figurenreden häufig mit verba dicendi (er sprach (v. 509), der red antwurt Adam dô  /  wan er was sîn vil frô (v. 529f.), dô sprach Adam, froun Even man (v. 561), dô sprach got alzehant (v. 567), ein wort er frœlîchen sprach (v. 582))115 eingeleitet werden, wird der Rezipient mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass ein Sprecherwechsel folgt. An nur wenigen Stellen greift der Erzähler auf die indirekte Rede zurück. Tabelle: Anteil der Redeszenen116 Weltchronik

Gesamt­ verszahl

Direkte Indirekte Kaiser­­­Figurenrede Figurenrede chronik

Direkte Indirekte Figurenrede Figurenrede

Adam und Eva (v. 129–496)

1173

58,40%









Noah (v. 1.671–3.042)

1371

55,87%









Abraham und Isaak (v. 3.457–4.050)

593

38,95%









Vergil im Korb (v. 23.695–24.224)

529

44,9%









Nero (v. 22.935–23.432)

497

32,80%



217

25,81%

9,22%

Karl der Große (v. 25.539–26.676)

1015

36,45%

0,39%

783

10,86%

2,81%

Friedrich II. (v. 27.929–28.958)

1026

34,99%









115 Die Reihe der Inquit-Formeln ließe sich fortsetzen. Aus Gründen der Veranschaulichung seien hier nur wenige angefügt. Das am häufigsten verwendete verbum dicendi ist sagen, das nur in wenigen Fällen durch jehen ersetzt wird. Ich habe dies exemplarisch am Beispiel der Geschichte um Adam und Eva geprüft. Eine genauere Untersuchung wäre hier anzuschließen. 116 In der Tabelle verwende ich das Kürzel WC für die Weltchronik Jans’ von Wien und KC für die Kaiserchronik.



Redeszenen in der  

 219

Die knappe Übersicht zeigt, dass der Anteil der Figurenreden in den einzelnen Epi­ soden der Chronik relativ hoch ist und im Durchschnitt bei ca. 40 Prozent liegt. Im Vergleich etwa zur Kaiserchronik wird deutlich, dass weniger Figuren reden und die Position des berichtenden Erzählers stärker im Vordergrund steht. In der Weltchronik wird im Vergleich zur Kaiserchronik dennoch wenig in indirekter Rede vermittelt und nur teilweise in Gedanken der Figuren Einblick gegeben. Entsprechend heißt es an einigen Stellen: daz treip er mit ir, daz ist wâr / mêr dann driu jâr / d o g e d â h t s i i n i r e m m u o t (v.28.229–31), z e h a n t g e d â h t V i r g i l i u s :   /   ich muoz ir kunst versuochen sus (v.23.757f.) oder d o g e d â h t e r [Lucifer] in manger wîse,  / wie er Adam und Evam / bræht von irr gehôrsam (v. 680–682). Die sich hier andeutenden ‚inneren‘ Monologe sind knapp gehalten, können in direkter oder indirekter Rede formuliert sein und dienen einzig dazu, den nächsten Schritt der handelnden Figur vorzubereiten.117 Die Redeszenen sind dialogisch angelegt und oft durch mehrfachen Sprecher­ wechsel markiert. Dabei wird auf das Setting der einzelnen Szene hingewiesen, so dass der Rezipient durch Redeeinleitung und Regieanweisung doppelt auf die Rede­ situation vorbereitet wird. In der Episode um Adam und Eva beispielsweise folgt auf einige einführende Worte des Erzählers zunächst das Gespräch zwischen Gott und Adam, unmittelbar daran anschließend zwischen Adam und Eva, zwischen Gott, Adam und Eva etc. Dabei werden dem Rezipienten die skizzierte Situation und der Wechsel jeder Szene transparent vorgeführt: dô er [Gott] in dô gemachet hêt, als sîner gotheit wol an stêt, dô segent er in mit sîner hant, der vil süez heilant. (Weltchronik, v. 505–508) Nachdem Gott den Menschen geschaffen hat, segnet er ihn, und das erste Gespräch beginnt, das die Erschaffung Evas nach sich zieht. Danach wechselt das Bild: Dar nâch sprach sicherlîche got von himelrîche, dô er si nakent vor im sach stân […]. (Weltchronik, v. 547–549)

117 Anja Becker hat darauf hingewiesen, dass Figurenreflexionen in der frühhöfischen Epik noch ‚stumm‘ ablaufen und ab 1190 in den höfischen Romanen vor allem in direkter Form und ausgeprägter zu finden sind, vgl. Becker: Poetik der wehselrede, S. 92f.

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 Ordnung, Unordnung und Komik in der Weltchronik

Gott richtet seinen Appell an beide und erklärt ihnen ihre gegenseitige Abhängigkeit. Anschließend kann Adam mit Eva allein sprechen: Dô si dar în bequâmen, vil wunn si dâ vernâmen. dô Adam dâ die wunn ersach, ein wort er frœlîchen sprach […]. (Weltchronik, v. 579–582) Nachdem im Paradies alles geordnet ist, muss eine neue Figur eingeführt werden, so dass ein Szenenwechsel stattfindet: Dô hêt ouch Lucifer vernomen, daz Adam und Evâ was komen in das paradîse […]. (Weltchronik, v. 677–679) Die Reihe ließe sich fortsetzen: Nach einer kurzen Schilderung der Situation folgen die zu erwartenden Figurenreden, so dass der Blick des Rezipienten geführt und auf das für die Szene Wesentliche fokussiert wird. Dieses Prinzip erleichterte sowohl das Hören als auch das Vortragen. Die Inquit-Formeln bestätigen, dass der Text auf Schriftlichkeit hin konzipiert wurde, Formen der mündlichen Rede dabei adaptiert wurden. Die nahezu lückenlose Gestaltung der Redeszenen mit Einleitungsformeln zeigt, dass die Texte für die Schriftlichkeit aufbereitet wurden und der ‚Medienwech­ sel‘ bereits stattgefunden hatte.118 Demnach fingieren die Figurenreden eine Münd­ lichkeit und eine Wirklichkeitsnähe,119 die ästhetisch zwar ‚Geschehen‘ wiedergeben, aber als Signum der Fiktionsleistung gelten können.120 Aus dieser Perspektive werden die redenden Figuren zu Augenzeugen, die der Autor zu Wort kommen lässt, um das Geschehene zu vergegenwärtigen. Da diese Situation fiktiv ist, ist auch diese Zeugen­ schaft fingiert, so dass durch die Dialoge die Form der traditionellen Geschichtser­ zählung aufgebrochen wird.

118 Peter von Moos hat diese Überlegung für das Verhältnis von mündlichem Gespräch und ge­ schriebenem Dialog schon einmal angedeutet. Dabei betonte er, dass gerade die mittelalterlichen Autoren Stile, Gattungen und Darstellungsarten bewusst vermischten, um so ein ausgefeiltes Gesamt­ kunstwerk zu erhalten, vgl. Peter von Moos: Gespräch, Dialogform und Dialog nach älterer Theorie, in: Ders.; Gert Melville (Hg.): Rhetorik, Kommunikation und Medialität. Gesammelte Studien zum Mittelalter. Bd. 2. Berlin 2006 (Geschichte, Forschung und Wissenschaft 15), S. 205–227, dort S. 225. 119 Der „Autor gestaltet das Gespräch, nicht die Dialogpartner selbst.“ Vgl. Miedema: Die Gestaltung der Redeszenen, S. 48. 120 Vgl. dazu Eberhard Lämmert: Bauformen des Erzählens. Stuttgart 1955, S. 201.



Redeszenen in der  

 221

Zudem bringen Wechselreden in den Sequenzen, die szenenhaft aneinanderge­ reiht werden, auf zum Teil komische Weise ihre ‚Wahrheit‘ hervor. Die skizzenhafte Darstellung der Einzelsituationen ist nicht nur der Konzentration auf Wesentli­ ches zuträglich, sondern fördert vor allem in ihrer Reduktion komische Elemente. Nachdem Gott Adam erschaffen hat, segnet er ihn und fordert den Neugeschaffenen direkt und unvermittelt auf, ihn zu erkennen: ‚erkenn mich, ich bin got, dû solt leisten mîn gebot.‘ (Weltchronik, v. 509f.) Die heilsgeschichtliche Bedeutung der Schöpfung wird hier nicht zusätzlich geprie­ sen, so dass durch den Lapidarstil der Erzählung der gewichtige Akt banalisiert und nur die eigentlichen Fakten vermittelt werden. Ähnlich resultiert die Erschaffung der Frau aus der hier scheinbar zufälligen Überlegung Gottes bzw. aus den getriuwen wort[en] Adams, die er an den Schöpfer richtet, dass der Mann nun eine gemechît brauche. Erst Adams Bitte führt Gott dazu, einen weiteren Menschen zu machen: er [Gott] gedâht in sînem muot: zwâr ez ist niht guot, daz ein alsô biderb man süll ein ûf der erden gân. im sol wonen ein gemechît bî, daz im selb gelîch sî. (Weltchronik, v. 519–524) Die Situation, dass der Erzähler die Gedanken Gottes kennt und diese seinem Pub­ likum preis gibt, wirkt nicht nur aufgrund des anthropomorphen Gottesbildes komisch, sondern vor allem durch ihre Reduktion, denn der Erzähler beschreibt in nur wenigen Zeilen die Erschaffung des Menschen und überführt diese in eine für das Publikum unmittelbare Situation. Hier steht nicht das Heilige, sondern das dem Zuhörer Bekannte im Vordergrund, das durch Lächerlichkeit dedivinisiert wird. In der folgenden Situation erscheint Gott als Dieb, der dem eingeschlafenen Adam eine Rippe stiehlt, um daraus seine Gefährtin zu machen: dô er [Adam] was entnucket, dô hêt im got enzucket ein ripp von der sîten sîn, der vil lieb trehtin. (Weltchronik, v. 535–538)

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 Ordnung, Unordnung und Komik in der Weltchronik

Prägnant beschreibt der Erzähler die Situation, in der das nächste Gespräch zwischen Adam und Eva situiert ist. Adam erwacht, sieht seine neue Gefährtin und spricht. In knappen Schilderungen durch ein bis zwei Hauptsätze wird der Rezipient in die nächste Redesituation geführt, in der in klarer Abfolge die Redepartner wechseln. Das Setting betont die dramatische Gestaltung, auf jede neue Szene wird aufmerksam gemacht. Die Redesituationen beginnen mit einer knappen Beschreibung: Adam nam Even bî der hant und wîst si da er die boume vant. (Weltchronik, v. 601f.) Sie werden durch die Inquitformel er sprach eingeleitet und durch Anredeformeln wie Evâ, liebez wîp (v. 603), Adam, mîn vil lieber man (v. 595), herre (v. 562) eröffnet. Die Anreden der einzelnen Figuren machen unterstützend deutlich, wer wen in welcher Form anspricht und wie die Redepartner zueinander stehen. Ganz folgerich­ tig spricht Gott nach der Erschaffung und Verbindung der beiden Menschen Adam in seiner neuen Funktion mit vil lieber friunt, froun Even man (v. 550) an und Adam antwortet als Adam, froun Even man (v. 561). Noah wendet sich an seine Frau mit vil wunderreinez wîp (v. 1.787), an seine Söhne mit liebiu kint mîn (v. 1.825), und umge­ kehrt sprechen auch sie Noah mit lieber vater mîn (v. 1.913) an, wodurch die familiäre Nahbeziehung hervorgehoben wird. Nero hingegen, der häufig Befehle erteilt, ver­ wendet, wie in den meisten Fällen, entweder gar keine Formel oder gebraucht für die Anrede das jeweilige Hofamt marschalc (v. 23.345) oder amme (v. 23.210) und fügt nur in Ausnahmefällen ein marschalc, lieber man (v. 23.399) hinzu. Zudem verweisen die zitierten Formeln in einen höfischen Gesprächskontext, in den selbst der Teufel als Sathanas, lieber friunt mîn (v. 693) eingeschlossen bleibt. Diese Adaptation des Höfi­ schen zeigt sich auch an der epischen Ausgestaltung verschiedener Episoden, in die häufig Motive aus dem höfischen Roman Eingang finden oder die an diesen Kontext angepasst werden. Als Abraham den Befehl zur Opferung seines Sohnes erhält, führt er nicht, wie in der Bibel, sofort die Tat aus. Vielmehr entspinnt sich ein langer Dialog zwischen Vater und Sohn, in dem die verzweifelte Lage Abrahams, sein Ringen zwi­ schen Gehorsam und Sohnesliebe und das Bitten und Bangen des Sohnes sowie der Appell an die Güte des Vaters ausführlich thematisiert werden. Die Anordnung der Handlungsfolge weicht von der biblischen Vorlage ab, so dass Gott am Beginn der Sequenz sagt, er wolle Abraham versuchen, indem er ihm das Liebste nehme. Der Spannungsbogen wird demnach so aufgebaut, dass das Publikum sich nun fragen muss, wie das geschieht und ob Abraham sich dem Willen Gottes beugt. Im Vordergrund steht wiederum das Problem der ‚Wie-Spannung‘, eine Frage, die sich nur vor dem Hintergrund des Bekannten stellen lässt. In Gen 22,1–19 erhält Abraham den Befehl, handelt und erfährt dann, dass Gott ihn prüfen wollte. Das Pub­ likum ist am Ende der Geschichte aufgrund des positiven Ausganges erleichtert. In der Weltchronik wird, da das Publikum die Geschichte im Wesentlichen kennt, die



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Perspektive dahin gehend verschoben, dass der Fokus stärker auf dem Verhalten Abrahams und der emotionalen Belastung der Figuren liegt. Isaak, der seinem Vater in allem folgt, begleitet ihn auch hier bei den Vorberei­ tungen zu seiner Opferung. Während er aus der Perspektive des unwissenden Kindes Fragen an den Vater richtet, versucht dieser durch zweideutige Antworten auszuwei­ chen. Abraham erklärt dem Sohn, dass er ein Opfer bringen müsse, und dieser fragt: ‚vater, sol ich bi dir sîn?‘ (v. 3.828). Abraham nimmt ihn mit zur Opferstelle und Isaak fragt wieder: ‚hie schadet uns dhein wint, hie mach ich fiur, trag holz her zuo. sag mir, wâ ist daz opfer nu?‘ (Weltchronik, v. 3.842–44) Der Rezipient nimmt durch die Reden der Figuren und durch fehlende Erzählerkom­ mentare eine Unmittelbarkeit der Handlung wahr, die spannungssteigernd wirkt und durch Anleihen beim Drama selbst Dramatisches vermittelt. Deutlich wird, dass die Reden zwar durch den Erzähler wiedergegeben werden. Indes suggeriert die Figuren­ rede evidentia und stellt das Vergangene vor Augen. Der Rezipient wird zum Augen­ zeugen.121 Hier weicht der Autor weit von seiner biblischen Vorlage ab, da er eine mögliche Auslegung des Textes, die Verzweiflung Abrahams, in den Mittelpunkt rückt.122 Der Spannungsbogen reicht bis zum Akt der eigentlichen Opferung, die mit einer Ansprache Abrahams an Isaak und der Enthüllung seines eigentlichen Vorha­ bens beginnt: dô der guot Abraham ûf den berc quam, er sprach: ‚lieber sun Isaac, ich sich an dir leiden tac. dû bist mir liep vor allen kinden. dîn hend muoz ich binden und dich got ze opfer geben. got teil dir mit sînen segen.‘ (Weltchronik, v. 3.849–56)

121 Vgl. Horst Wenzel; C. Stephen Jaeger (Hg.): Visualisierungsstrategien in mittelalterlichen Bil­ dern und Texten. Berlin 2006 (Philologische Studien und Quellen 195), S. 8. 122 Auf die Tendenz zur Emotionalisierung, die sich im Text ablesen lässt, ist bereits verschiedent­ lich hingewiesen worden, vgl. Wenzel: Höfische Geschichte, S.  91f.; Dunphy: Der Ritter mit dem Hemd, S. 12. Diese ist auf den Einfluss des höfischen Romans zurückzuführen, dient der amplificatio, aber auch dem Perspektivwechsel (im Vergleich zur biblischen Vorlage).

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 Ordnung, Unordnung und Komik in der Weltchronik

Das in der biblischen Vorlage sprachlose Kind spricht genau drei Mal zu seinem Vater und versucht ihn von seinem Plan abzubringen: ‚vater mîn alsô guot, tuo an mir dîn gnâde schîn und sich den ungemach mîn, den ich von dînen handen dol. mîn lîp ist allez jâmers vol. gedenk, vater, dar an, daz mîn muoter nie gewan dhein kint dan mich eine. mîn muoter alsô reine verderbt sich umb mînen lîp. nû êr an mir alliu wîp. dû solt mich des geniezen lân, daz ich dir ie was undertân und dînen willen nie zerbrach.‘ (Weltchronik, v. 3.878–91) Isaak erinnert seinen Vater zuerst daran, dass er auch einfach Tiere statt seiner opfern könne, mahnt ihn an seine Mutter und die Zeugung zu denken und fordert ihn abschließend auf, sich seiner Treue zu besinnen. Die Szene kulminiert, indem der Erzähler von einem jämmerlichen, verzweifelten Abraham berichtet, der schließlich das Schwert gegen seinen Sohn erhebt: im was houbt und lîp gemein als einem tôten mann gevar. sîn herz was im zerbrosten gar. dô er kniet ein wîlîn, […] daz swert er bî dem heft vie. gegen dem kind er dô gie mit mangem zaher grôz: im vast ûz sînen ougen flôz. elliu sîniu lit gemein, arm, houbt und sîn gebein, daz was im alz entwichen gar. vil jæmerlîch er wart gevar. daz kund iu nieman gesagen. er hêt sich selben nâhen erslagen. sîn âdern strebten von im dan. nieman daz volschrîben kan, wie jæmerlîch sîn gebærd was.



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wunder was daz er genas! (Weltchronik, v. 3.908–38) Bevor Abraham zur Tat schreitet, gerät er noch einmal ins Wanken, so dass der Vollzug aufgehalten, die Situation bis aufs Äußerste gedehnt wird.123 Mit der Feststellung, dass Gott ihm in allem ein übergulde (v. 3.984) sei, ergreift er nach drei Stunden erneut das Schwert, um seinen Sohn zu opfern. Fortan gibt der Erzähler weitere Regieanwei­ sungen, denn jetzt werden die einzelnen Handlungen beschrieben: Abraham geht auf das Kind zu, ergreift seinen Schopf, als der Engel seine Hand, die er bereits zum Schlag erhoben hat, festhält und erst dann wieder spricht, um Abraham zu erlösen. Die Versuchung Abrahams ist in der Weltchronik dramatisch ausgeweitet, wobei die Verzweiflung des Vaters über den bevorstehenden Kindstod im Mittelpunkt steht. Durch die Redeszenen gelingt eine dramatische Zuspitzung der Situation. Die kurzen Erzählerkommentare geben genaue Handlungsanweisungen, die eine Aufführung, auch den Vortrag der Sequenz nahe legen. Die dialogischen Anteile der Weltchronik grenzen sie deutlich von anderen volkssprachlichen chronikalen Texten ab. In der Kaiser­chronik sind die wechselnden Figurenreden nicht so umfangreich ausgeprägt, und in der Sächsischen Weltchronik kommt gar kein Dialog vor. Die Weltchronik steht so dem höfischen Roman, aus dem Jans das höfische Sprechen adaptierte, deutlich näher.

Zusammenfassung Die Redeszenen dienen auch in der volkssprachlichen Chronistik, wie in der Gattung des Dialoges als Lehrgespräch angelegt, der Wissensvermittlung. Dabei steht ein Wissen um die Figuren im Vordergrund: Wissen, das die Handlung vorantreibt, Wissen, das mäeutisch in den wechselnden Reden hervorgebracht wird und den Rezipienten zu einer Erkenntnis führt, ohne dass der Erzähler eine Belehrung, Moral bzw. Wertung vorgibt. Die Redeszenen fungieren weniger als Lehrgespräche wie in der Schulliteratur. Vielmehr geht es darum, dem Publikum in einzelnen Sequenzen Tatsachen vorzuführen, deren Beurteilung den Rezipienten selbst überlassen bleibt. Dabei nutzt der Autor vor allem die Figur der amplificatio, indem er die Einzelszenen ausbaut. Die Figurenreden geben dem Text eine Vitalität und erleichtern den langen Gang durch die Geschichte, indem die traditionelle Geschichtserzählung aufgebro­ chen oder in bestimmten Sequenzen verlangsamt wird. Sie unterbrechen zwar den

123 Vgl. Peter Wiehl: Die Redeszene als episches Strukturelement in den Erec- und Iwein-Dichtun­ gen Hartmanns von Aue und Chrestiens de Troyes. München 1974 (Bochumer Arbeiten zur Sprachund Literaturwissenschaft 10), S. 51.

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Spannungsbogen, aber Bekanntes wird in anderer Weise erzählt, so dass Anspielun­ gen und Andeutungen größere Bedeutung erlangen.124 Der historische Bericht ist an ‚Augenzeugen‘ gebunden, die der Erzähler zwar zu Wort kommen, aber mit seiner (modularisierten) Stimme sprechen lässt. Das Pub­ likum erlebt auf diese Weise einen Akt fingierter Authentizität und Zeugenschaft. Dies stellt einen deutlichen Bruch zum historiographischen Bericht dar. Auch die einzelnen Figuren werden aus ihren ursprünglichen Kontexten herausgelöst und in alltäglichen Situationen, ausgestattet mit menschlichen Ängsten und Problemen, gezeigt. Entsprechend erleben wir Gott, Abraham und Isaak in einer nahezu familiä­ ren Konstella­tion, Adam und Eva konfrontiert mit Problemen der Dominanz in Paar­ beziehungen oder Noah als Vater im Kampf um die Hoheit in der Familie. Nicht nur die Götter werden euhemeristisch in die Welt geholt, sondern die Figuren in dem Pub­ likum bekannten Situationen gezeigt. Dies resultiert aber weniger aus jener Einfach­ heit, aus der heraus sich ein halbgebildeter Autor an ein wenig literarisiertes Publi­ kum wendet, sondern aus einer bewusst eingesetzten Vereinfachung und Settings, die Komik produzieren und sich nur dem erschließen, der sie auf der Basis eines Vor­ wissens deuten kann. Entsprechend würde ich der These Maria Dobozys, „that the dialogues in Jans der Enikel reflect the lower nobility’s view of struggles for prime positions“125, entgegenhalten, dass die Chronik im Ganzen mehr intendiert als die ‚Sicht des kleinen Mannes‘. Vielmehr scheint mir der Autor bewusst diese Strategie zu verfolgen, um über das Einfache eine Aussage über die Welt zu treffen. Die vermeintli­ chen Alltäglichkeiten befähigen zu allgemeinen Aussagen über Gott, Kaiser, Fürsten, Frauen und Menschen, die zusammengenommen wiederum eine Welt riskanter Ord­ nungen zeigen und die Vorstellung einer harmonischen Ordnung der Geschichte erschüttern. Diese Kombination von Performanz und Komik ist für die volkssprach­ liche Weltchronistik des ausgehenden 13. Jahrhunderts innovativ und mag den Ein­ flüssen aus der höfischen Epik geschuldet sein, bestätigt aber in jedem Fall die große Eigenständigkeit der Autoren auf dem Weg, neue Erzählformen auszuprobieren.

124 Auf die Vitalisierung durch Figurenreden hat Maria Dobozy bereits hingewiesen: „Dialogue is golden; it infuses historical narrative with life“, vgl. Dobozy: Historical narrative and dialogue, S. 151. Dennoch geht es nicht nur darum, dass der Autor Situationen und Figuren entwirft, mit denen sich „the audience could identify“ (S. 165), sondern er versucht zudem eine spezifische Perspektive auf die Welt zu entwickeln. 125 Dobozy: Historical narrative and dialogue, S. 165.

V  Geschichte(n) in der Kaiserchronik 1  Geschichtsvermittlung und Deutungshoheit Die anonym überlieferte Kaiserchronik eines (oder mehrerer) Regensburger Geist­ lichen vermittelt in mehr als 17.000 Reimpaarversen die Geschichte des römischen Reiches entlang der Porträts von 36 römischen und 19 deutschen Kaisern, beginnend mit Julius Cäsar und endend mit Konrad III. und dem Kreuzzugsaufruf Bernhards von Clairvaux 1146. Über ein einheitliches der Chronik zugrunde liegendes Konzept ist vielfach gehandelt worden.1 Dabei standen sowohl die typologische Struktur als auch die dichotomische Gestaltung mit Blick auf antike und mittelalterliche Geschichte zur Diskussion.2 Letztere geht, legt man den Fokus auf die Renovatio imperii durch die Franken, in der Einheit des christlichen Reiches mit einem römischen Kaiser an der Spitze auf. Die Zeitengrenze und das Erscheinen Jesu als eigentlicher Wendepunkt der Heilsgeschichte werden nur marginal behandelt, so dass die Herrschaftsgeschichte im Vordergrund steht. Das Augenmerk liegt auf der ungebrochenen Herrschaftsnach­ folge im weströmischen Reich und der Ausfüllung des Körpers der Macht. In der Kaiserchronik sind Herrscherporträts aneinandergereiht, deren Motivation ‚von hinten‘ angelegt ist. Die Schemagebundenheit vormodernen Erzählens zeigt sich hier durch das heilsgeschichtliche Paradigma. Heilsträger ist Karl der Große. Folglich laufen die Episoden zunächst auf sein Kaisertum als Repräsentation einer harmoni­ schen und beständigen politischen und religiösen Ordnung zu. Dabei existieren Aus­ lassungen und Umstellungen,3 die von der wahrhaftigen Chronologie, der series temporum abweichen und die, wie im Prolog formuliert, Erzählungen von den bâbesen unt von den chunigen, / baidiu guoten unt ubelen (v. 19–20) in den Mittelpunkt rücken. Es verwundert daher nicht, dass auch historisch nicht bezeugte Personen Eingang finden, da die Amalgamierung von historia und fabula wesentliches Merkmal dieser Geschichtserzählung ist. Unter Ablehnung der mündlichen Erzählungen, die als lugene am Beginn des Textes verworfen werden, soll historia vermittelt werden, die sich auch in der Volks­ sprache am Wahrheitsanspruch des Christentums orientiert. Entsprechend gilt, dass

1 Vgl. dazu Karl Stackmann: Erzählstrategie und Sinnvermittlung in der deutschen ‚Kaiserchronik‘, in: Ders.; Jens Haustein (Hg.): Kleine Schriften. Bd. 1. Göttingen 1997, S. 51‒69; Ders.: Dietrich von Bern in der ‚Kaiserchronik‘. Struktur als Anweisung zur Deutung, in: Ders.; Jens Haustein (Hg.): Kleine Schriften. Bd. 1. Göttingen 1997, S. 70‒75; Christian J. Gellinek: Die deutsche ‚Kaiserchronik‘. Erzähltechnik und Kritik. Frankfurt am Main 1971. 2 Vgl. Ohly: Sage und Legende; Dagmar Neuendorff: Studien zur Entwicklung der Herrscherdar­ stellung in der deutschen Literatur des 9.‒12. Jahrhunderts. Stockholm 1982 (Acta Universitatis Stock­ holmiensis. Stockholmer germanistische Forschungen 29); Christoph Petersen: Zeit, Vorzeit und Narrativierung von Geschichte in der ‚Kaiserchronik‘, in: ZfdPh 126 (2007), S. 321‒353. 3 Vgl. Ohly: Sage und Legende, S. 18.

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 Geschichte(n) in der Kaiserchronik

der historicus die Geschehnisse in der Zeit auslegt, fabulae der richtigen christlichen Handlungsanleitung dienen und der Rezipient so ‚aus der Geschichte lernen‘ kann.4 In der Tradition karolingischer Fürstenspiegelliteratur werden in der Kaiserchronik gute und schlechte Herrscher vorgeführt, deren Vorsitz Karl dem Großen zugespro­ chen wird (Tugendkatalog).5 Die betonte Dichotomie von ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Fürsten kann als Anspielung auf Augustinus’ civitas terrena und civitas dei gelesen werden.6 Mit Blick auf den gesamten Text überwiegen ethische Implikationen. Ent­ sprechend sind auch die Redeszenen in einem vermittelnden Zusammenhang zu sehen, die Situationen feudaler Herrschaftspraxis exemplarisch wiedergeben. Unter dieser Prämisse scheint im Folgenden ein erneuter Blick auf Sinn und Struktur des Textes zweckmäßig, wie ihn bereits Karl Stackmann 1988 forderte.7 Zunächst lässt der Autor im Prolog keinen Zweifel an seiner Autorität und der Wahrhaftigkeit seiner Geschichtsvermittlung aufkommen,8 denn er gibt vor, sich an eine Quelle zu halten, obwohl er nachweislich mehrere verwendet hat.9 Die Geschich­ ten, die häufig mit einem einfachen Verweis auf die Vorlage daz buoch kundet unz sus (v. 4.301) eingeleitet werden,10 sind durch konkrete Fakten gerahmt, die in dem immer selben Schema umgesetzt werden. Zu Beginn jeder Episode benennt der Erzähler den Kaiser, um den es sich handelt, am Ende gibt er die Todesumstände an. Mit einem Wort: Der Erzähler konstruiert nach bereits dargelegtem Prinzip die Geschichte des rîches, wobei Sagenhaftes, Legendarisches und Novellistisches zur Veranschauli­ chung überlieferter Fakten dienen.11 Stephan Müller und Ludger Lieb haben „Situationen literarischen Erzählens“12 anhand von Szenen aus der Kaiserchronik untersucht. Dabei ist deutlich geworden,

4 Wolfgang Mohr und Tibor Pézsa haben auf die Exemplarität der erzählten Geschichten in der Kaiserchronik hingewiesen, die jeweils in ihrem spezifischen Kontext (auch durch Einbindung in Erzählteile) Sinn konstituieren. Vgl. Wolfgang Mohr: Lucretia in der ‚Kaiserchronik‘, in: DVjs 26 (1952), S. 433‒446; Tibor Friedrich Pézsa: Studien zu Erzähltechnik und Figurenzeichnung in der deutschen ‚Kaiserchronik‘. Frankfurt am Main 1993, S. 22. 5 Vgl. auch Kap. III.2.2. 6 Vgl. Dieter Haack: Geschichtsauffassungen in deutschen Epen des 12. Jahrhunderts. Studien über das Verständnis und die Darstellung der Geschichte im ‚Alexanderlied‘, im ‚Rolandslied‘ und in der ‚Kaiserchronik‘. Heidelberg 1953. 7 Vgl. Stackmann: Erzählstrategie und Sinnvermittlung, S. 81. 8 Vgl. auch Almut Suerbaum: Erzählte Geschichte. Dialog und Dialogizität in der ‚Kaiserchronik‘, in: Wolfgang Haubrichs [u. a.] (Hg.): Wolfram-Studien XVI. Aspekte des 12. Jahrhunderts. Freisinger Kolloquium 1998. Berlin 2000, S. 235‒255, dort S. 238. 9 Vgl. dazu Eberhard Nellmann: Kaiserchronik, in: 2VL 4 (1983), Sp. 949‒964, dort Sp. 955‒957. 10 Ähnlich auch im Prolog: Ein buoch îst ze diute getihtet, / daz uns Rômisces rîches wol berihtet, / gehaizzen ist iz crônicâ (v. 15‒17). 11 Vgl. Ohly: Sage und Legende; Mohr: Lucretia. 12 Vgl. Ludger Lieb; Stephan Müller: Situationen literarischen Erzählens. Systematische Skiz­ zen am Beispiel von ‚Kaiserchronik‘ und Konrad Flecks ‚Flore und Blanscheflur‘, in: Wolfgang Haubrichs [u. a.] (Hg.): Wolfram-Studien XVIII. Erzähltechnik und Erzählstrategien in der deutschen



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dass der Zusammenhang von Herrschaft und Hermeneutik in verschiedenen Geschich­ ten des Textes explizit gemacht wird und Problemlösungen, dem Publikum ange­ messen, für adlige Konstellationen in spezifischen Lebenszusammenhängen exem­ plifiziert werden.13 Entsprechend führt die Erzählung um den Bayernherzog Adelger (v. 6.622–7.135), die in die Episode um Kaiser Severus integriert ist, vor, wie mit Hilfe eines spels, Botschaften vermittelt werden können und wer in der Lage ist, dieses zu deuten.14 Demnach weist die Fähigkeit, die Fabel zu verstehen, auf den richtigen Herr­ scher, wenn Herrschaftspraxis und Deutungshoheit aneinander gekoppelt sind. Aus rezeptionsästhe­tischer Perspektive wird einem adligen Publikum gezeigt, wie fabulae zu verstehen sind, wem sie dienen und schließlich, in Bezug auf den gesamten Text, wie mit den Erzählungen, den Beispielen in der Kaiserchronik, umzugehen ist. Ähnlich argumentiert Thomasin von Zerklaere im Welschen Gast (um 1215 /16), wenn er dazu auffordert, dass die fabula, da ihr lehrhaftes Potential zukomme, zum besseren Ver­ ständnis für das Publikum – um Handlungswissen zu vermitteln – eingesetzt werden könne.15 Auch hier behält der Autor sich vor, darauf hinzuweisen, dass fabulae ausge­ deutet werden müssen. Ihre Zeichenhaftigkeit in Hinblick auf Wahrheit und Lüge muss vom Gebildeten verstanden, ihr Zusammenspiel und ihre Konstruktion aus didaktischer Perspektive durchdrungen werden. Vor diesem Hintergrund ermöglicht die Lektüre der Texte eine Sensibilisierung für diese Prozesse und steigert die Deutungskompetenz. Ausgehend von den Geschichten, die am Hof erzählt werden, kann man etwas über die Geschichte und über die ‚richtige‘ Herrschaftsausübung, die „Spielregeln“16 adliger Kommunikation, die demonstrativ und verbindlich eingesetzt wurden, lernen. Derje­ nige, der sie deuten kann, ist im Besitz der Wahrheit und befähigt, diese weiterzuge­ ben. Damit liefert die Chronik ihre Leseanleitung, ihr Verständnis von historia und den Umgang mit Geschichte, für das Publikum gleich mit. Die von Müller und Lieb analy­ sierte Situation des Erzählens weist demnach rezeptionsästhetisch zugleich auf das Publikum, seinen Problemhorizont und die möglichen Verstehensebenen.

Literatur des Mittelalters. Saarbrücker Kolloquium 2002. Berlin 2004, S. 33‒57. Weiterführend dazu auch Ludger Lieb; Stephan Müller (Hg.): Situationen des Erzählens. Aspekte narrativer Praxis im Mittelalter. Berlin; New York 2002. 13 Vgl. Lieb; Müller: Situationen literarischen Erzählens, S. 41. 14 Entsprechend kann der Bote, der die Fabel am Hof Adelgers erzählen soll, diese nicht korrekt wiedergeben: Elliu diese rede waehe / was dem boten ze nihte maere, / wande er si ainvelteclîche vernam. (v.  6.922‒24) Adelger hingegen versteht und kann sie auslegen. Vgl. auch: Pézsa: Studien zu Erzähltechnik, S. 40. 15 Vgl. Thomasin von Zerklaere: Der Welsche Gast, v. 1.107‒15. Zitiert nach: Bibliothek der gesamten deutschen National‒Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit. 30. Band: Der wälsche Gast, hg. von Dr. Heinrich Rückert. Quedlinburg; Leipzig 1852, S. 31. 16 Gerd Althoff: Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde. Darmstadt 1997; Ders.: Wolfram von Eschenbach und die Spielregeln der mittelalterlichen Gesell­ schaft, in: Wolfgang Haubrichs [u. a.] (Hg.): Wolfram-Studien XVI. Aspekte des 12. Jahrhunderts. Freisinger Kolloquium 1998. Berlin 2000, S. 102‒120.

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 Geschichte(n) in der Kaiserchronik

Ähnliches lässt sich aus den integrierten Redeszenen ableiten, die den Text, wie an der Weltchronik des Jans von Wien bereits gezeigt, strukturieren.17 Auch in der Kaiserchronik geht es um Vortragssituationen im weitesten Sinne, werden doch in Gesprächs- und Disputationsszenen, die zum Ende des Textes abnehmen, verschie­ dene Sachverhalte ausgehandelt und mimetisch vermittelt. Dabei wird nicht nur vor­ geführt, wer wann mit wem wie spricht, sondern vor allem auch, welche Gegenstände öffentlich und welche privat verhandelt werden sollen. Die Frau des Tarquinius handelt in privaten ‚Schlafkammergesprächen‘18 die Schändung der Lucretia aus. Die Bewirtungsszenen hingegen, in denen wesentliche Inhalte verkündet werden, finden öffentlich statt. Adelger bespricht heimlich Pläne mit seinem Ratgeber und Crescentia bringt ihren Schwager Dieterîch dazu, ihr in ein Turmzimmer zu folgen.

2  Redeszenen 2.1  Ratgeber und Ratgeberinnen in der Kaiserchronik Ist er dîn herre unt bistu sîn man (423,1)19 resümiert Brünhild, nachdem sie zunächst den Falschen als König identifiziert hat und kann, als sie die Lehensbindung durch­ schaut hat, ihre Bedingungen an den König stellen. Ihre Formel verbindet herre und man und verweist auf jenes vasallitische Abhängigkeitsverhältnis, das den Dienst­ mann zu auxilium et consilium verpflichtete.20 Letzteres ist wesentlicher Bestandteil fürstlicher Herrschaftspraxis, findet sich bereits in archaischen Gesellschaften21 und gewann unter den Karolingern und der Ausgestaltung des christlichen Herrschafts­ programms an Evidenz.22 Demgemäß findet Alkuins Ermahnung an den Herrscher, sich mit klugen Ratgebern zu umgeben, ihre typologische Entsprechung in der For­ derung des Ecclesiastes, nichts ohne Rat zu tun,23 und auch in den Fürstenspiegeln

17 Vgl. Kap. IV.4. Im Vergleich sind in der Kaiserchronik prozentual weniger Redeszenen enthalten, was die These des sich um 1200 vollziehenden Medienwechsels bestätigen könnte. Vgl. von Moos: Gespräch, Dialogform und Dialog, S. 226f. 18 Vgl. Mohr: Lucretia, S. 443, dazu auch: Suerbaum: Erzählte Geschichte, S. 246f. 19 Nibelungenlied. Mhd. / Nhd. Nach dem Text von Karl Bartsch und Helmut de Boor, ins Nhd. übers. und komm. von Siegfried Grosse. Stuttgart 2002, S. 133. 20 Vgl. Gerd Althoff: Colloquium familiare – Colloquium secretum – Colloquium publicum. Bera­ tung im politischen Leben des früheren Mittelalters, in: FMSt 24 (1990), S. 145‒167. 21 Vgl. Althoff: Colloquium familiare, S. 149. 22 Vgl. Jürgen Hannig: Consensus fidelium. Frühfeudale Interpretationen des Verhältnisses von Königtum und Adel am Beispiel des Frankenreiches. Stuttgart 1982 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 27). 23 Vgl, in: Eccl. 32,24 heißt es: Fili, sine consilio nihil facis / et post factum non poenitebis.

Redeszenen 

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des frühen Mittelalters wird auf die Notwendigkeit guter Ratschläge verwiesen.24 Ent­ sprechend bezeugt bereits Hincmar von Reims die Erforderlichkeit weiser Ratgeber und betont, dass sie ohne verwandtschaftliche Bindung in strenger Ergebenheit dem Herrscher zur Seite stehen und in allen Dingen loyal auftreten sollen.25 Hier wird das Bild des alten weisen Ratgebers tradiert, wie es in der Literatur vielfältig vorkommt. Es soll im Folgenden erneut aufgegriffen werden, wenn es darum geht, die Figur des Ratgebers, ihre Facetten und Funktion in der Kaiserchronik und in der Weltchronik Jans’ von Wien erneut zu betrachten. Vor allem aus Untersuchungen zur Heldenepik ist bekannt, dass die Rat gebende Instanz in der Literatur meist in Person des betagten weisen Mannes auftritt,26 der von außen das Geschehen beobachtet oder wie Hagen im Nibelungenlied aufgrund seines exklusiven Wissens eine exponierte Stellung einnimmt. Die Figur hat poetologisch eine wichtige Funktion, da sie die Handlung maßgeblich motiviert und beeinflusst. Im Sinne einer „Poetik der abgewiesenen Alternative“27 markieren die Szenen um Rat und Hilfe Wendepunkte der Erzählung und treten an ihren Scharnierstellen auf. Die verworfene Alternative allerdings bleibt als ‚Subtext‘ und als Bruchstelle präsent28 und wird auf der Ebene des discours immer dann relevant, wenn es um Handlungsmotiva­ tion oder auf der Ebene der histoire um Schuldfragen geht. Die Schemagebundenheit der ‚Ratgeberszene‘ hat in mündlichen Erzähltraditionen auch dem Erzählen aus dem Gedächtnis, dem besseren Erinnern der Texte gedient. An markanten Wendepunkten, so ist zu schlussfolgern, kann über den Fortgang des weiteren Erzählens entschieden werden. Der Erzähler (aber auch der Rezipient) kann leicht dorthin zurückkehren und die Handlung in eine andere Richtung steuern. Ungeachtet dessen stellt die latente ‚andere Möglichkeit‘ die Frage nach dem ‚Was wäre wenn?‘ und liefert einen „impli­ ziten Kommentar zum Geschehen“29, der an der Stelle, an der sich der Erzähler ein­ schalten würde, erscheint. In der Kaiserchronik gibt es gattungsbedingt und aufgrund

24 Neben den Fürstenspiegeln wurde vor allem im 13. Jahrhundert tradierte Ratgeberliteratur, wie die Disticha Catonis, Senecas Proverbia, der Polycraticus Johanns von Salisbury, Aegidius Romanus’ De regimine principum, Secreta secretorum, rezipiert. 25 Vgl. Hincmar von Reims: De ordine palatii. Hg. und übers. von Thomas Gross und Rudolf Schieffer, in: MGH III. Hannover 1980. 26 Vgl. Jan‒Dirk Müller: Ratgeber und Wissende in heroischer Epik, in: FMSt 27 (1993), S. 124‒146. 27 Peter Strohschneider: Einfache Formen ‒ komplexe Regeln. Ein strukturanalytisches Experi­ ment zum ‚Nibelungenlied‘, in: Wolfgang Harms; Jan‒Dirk Müller (Hg.): Mediävistische Kompa­ ratistik. Festschrift für Franz Josef Worstbrock zum 60. Geburtstag. Stuttgart; Leipzig 1997, S. 43‒75, dort S. 49, S. 58; Armin Schulz: Fragile Harmonie. ‚Dietrichs Flucht‘ und die Poetik der ‚abgewiese­ nen Alternative‘, in: ZfdPh 121 (2002), S. 390‒407, dort S. 391f. 28 Vgl. ausführlich dazu die Ausführungen Peter Strohschneiders zum Nibelungenlied. Stroh­ schneider: Einfache Formen, S. 73f. 29 Armin Schulz: Spaltungsphantasmen. Erzählen von der ‚gestörten Martenehe‘, in: Wolfgang Haubrichs [u. a.] (Hg.): Wolfram-Studien XVIII. Erzähltechnik und Erzählstrategien in der deutschen Literatur des Mittelalters. Saarbrücker Kolloquium 2002. Berlin 2004, S. 233‒262, dort S. 240.

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der Verhaftung in oralen Traditionen nur wenige Erzählerkommentare. Dennoch sind dies jene Stellen, an denen, obwohl sich kein Erzähler einschaltet, Wertungen ables­ bar sein können, da das Schema oder der Schemabruch offensichtlich werden. Darüber hinaus dienen die Ratgeberszenen in der Kaiserchronik, da sie in bestimmten Situationen wiederkehren, der narrativen Kohärenzbildung, nicht zuletzt um „heterogenes, auch aus unterschiedlichen Quellen stammendes Material in einen Erzählfluss zu integrieren“30. Inhaltlich geben die Szenen Einblick in die Mechanis­ men herrschaftlichen Handelns und inszenieren kommunikativ bedeutungsvolle Situationen, deren Symbolik Aufschluss über Habitus, Redeformen und Rituale des Herrschaftszentrums geben. In den Ratgeberszenen der volkssprachlichen Chronistik wird in privaten und öffentlichen Gesprächen vorgeführt, wie die Herrschaft des Römischen Reiches, auf das die Darstellung zuläuft, funktioniert. Anders als die Heldenepik erweist sich die volkssprachliche Chronistik als Fundort für private Absprachen im engeren Kreis,31 in denen – folgt man Hincmar von Reims – bereits eine vertrauliche Willensbildung stattgefunden haben kann.32 Diese geheimen Unterredungen sind demnach nicht von vornherein der Ausgangspunkt intriganter Verstrickungen, sondern sie gehören zum Repertoire adliger Willensbildung.33 Insbesondere in der Episode um Herzog Adelger von Bayern in der Kaiserchronik motivieren die privaten Absprachen Adelgers mit dem alten Ratgeber im colloquium secretum die folgende Handlung und bewirken, der mittelalterlichen Tradition gemäß,34 die anschließende öffentliche Bekanntmachung des Verhandelten. Der Herzog zieht sich den Zorn des Kaisers zu, da er, wie es heißt, wider romischem riche (v. 6.628) handelte und nun nach Rom zitiert wird, um sein Ver­ halten zu rechtfertigen. In dieser Situation wendet sich Adelger an seinen Ratgeber: Der herzoge hete ainen man, den er dike ze sinem rate nam. er vordert in zu siner chemenaten (Kaiserchronik, v. 6.640–42) Im vertraulichen Gespräch wird dem Alten die Situation skizziert, der dann vor dem Hintergrund der êre des Fürsten und seiner unbedingten Loyalität die Situation aus

30 Armin Schulz: Fremde Kohärenz, S. 356. 31 Dagegen Jan‒Dirk Müller: Er betonte für die Heldenepik, dass keine nicht-öffentlichen Verab­ redungen getroffen werden würden, die den Ausgang der Verhandlungen bereits festlegten. Vgl. Mül­ ler: Ratgeber, S. 124. 32 Vgl. Hincmar: De ordine palatii, cap. 30, S. 86. 33 Vgl. Althoff: Colloquium familiare. 34 Gerd Althoff hat auf die Kombination von privaten und öffentlichen Absprachen hingewiesen, wobei die ‚geheimen‘ Gespräche zunächst nicht auf eine intrigante Situation o.  Ä. hinweisen. Vgl. Althoff: Colloquium familiare, S. 154.

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der Gesamtperspektive, im Spannungsfeld zwischen Reich, Herzog und Herzogtum, beurteilen muss. Der Ratgeber nimmt nicht nur Einfluss, sondern bestimmt den Fortgang der Handlung: revurhte dirz niht sere. / will du mir folgen, / besende du dine holden (v. 6.655–57). Dies wird im Folgenden zusätzlich dadurch gesteigert, dass der Alte aufgrund seiner ausgewiesenen Klugheit an den Hof des Kaisers verkauft wird. Er besitzt nahezu prophetische Fähigkeiten, denn er kann Adelger voraussagen: dich muozen elliu romischen hus flegen (v.  6.711). Darüber hinaus hat er die Kompetenz, Botschaften in verschlüsselter Form an seinen früheren Herrn zu senden. Damit erweist er sich am Ende als Retter des Herzogtums. Die Bindung des Personenver­ bandes und das immer wieder betonte getruwe (v. 6.717) geht dem Ratgeber auch in seinem unfreiwilligen Exil nicht verloren. Um seinem neuen Herrn gegenüber nicht ungetriuweliche (v. 6.841) zu handeln, übermittelt er Adelger einen Rat in Form eines spels (v. 6.849), dessen Doppelsinn dieser erkennt und auslegen kann. Der Adlige hat die Deutungshoheit über die Geschichte, die der Vermittler der Botschaft und auch die Anwesenden am Kaiserhof nicht verstehen. Der alte Ratgeber spricht öffentlich im colloquium publicum Rat, die Entschlüsselung obliegt den aufmerksamen Zuhörern. Die Notwendigkeit der Auslegung zeigt, dass die Deutung der Bildungselite zukommt und an die Macht ausübende Instanz gebunden ist.35 In diesem Beispiel liegen Macht und Wissen in der Hand des bayrischen Fürsten, der als Vorbild stilisiert wird. Poli­ tische Interaktionen zwischen Rom und dem deutschen Herzogtum werden in dieser Episode einander gegenübergestellt und zugunsten des gemeinschaftlichen Han­ delns der deutschen Fürsten ausgelegt, so dass auch auf dieser Ebene die Translatio auf die Deutschen legitimiert und dem adligen Publikum eine angemessene Form der Herrschaftsausübung vorgeführt wird. Der Rat des Alten stellt sich als Rettung für das Reich heraus und stilisiert den Ratgeber nachträglich zum Helden. Die ‚abgewie­ sene Alternative‘, der mögliche Untergang Adelgers und der Deutschen, bringt noch einmal die Bedeutung des Ratgebers für die Herrschaft zum Ausdruck. Etwas anders gelagert scheint der Aussagegehalt in jenen Szenen, in denen Frauen als Rat gebende Figuren auftreten. Dies wird in der Kaiserchronik am Beispiel von Crescentia, die von ihrem Mann um Rat gefragt wird, sowie in der Lucretia-Epi­ sode, in der die Kaiserin dem Kaiser raten soll und in der selbst der Senat durch der frouwen willen (v.  4.635) ze rate (v.  4.634) kommt, gezeigt. Zunächst erscheinen die Frauen in unterschiedlichen Situationen und Sprechakten als Ratgeberinnen, wobei im Vergleich zur Adelger-Situation eine Typologie von beratenden Personen sichtbar wird. Während der Alte für den professionellen, durch die Lehensbindung institutio­ nalisierten Ratgeber steht, nimmt die Kaiserin die Rolle der Intrigantin ein. Crescentia schließlich berät als Heilige.

35 Vgl. dazu auch die Beispiele von Doris Ruhe. Vgl. Doris Ruhe: Ratgeber. Hierarchie und Strate­ gien der Kommunikation, in: Karl‒Heinz Spiess: Medien der Kommunikation im Mittelalter. Stutt­ gart 2003 (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte 15), S. 63‒82.

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Die Frauen treten auf, um Rat zu sprechen und dabei ‚richtiges‘ herrscherliches Handeln auszustellen. Die Lucretia-Erzählung liefert mit der Kaiserin nicht nur aus poetologischer Perspektive ein hervorragendes Beispiel für die Einflussnahme des Ratgebers auf den Gang der Handlung, sondern bindet unter ethischer Prämisse zugleich das Modell des Tugendkataloges für die Frau ein.36 Der Lucretia-Stoff,37 der seit der augustinischen Auslegung im ersten Buch von De civitate dei immer wieder für die Diskussion um die Lust der Frauen herangezogen wurde,38 erhält in der Adaptation der Kaiserchronik eine neue Akzentuierung.39 Ver­ gleicht man die Redaktionen A und B,40 fällt auf, dass die in der antiken Tradition so heikle Vergewaltigung hier vernachlässigt wird.41 Abweichend von der Darstellung bei Livius42 steht in der Kaiserchronik A die Vergewaltigung nicht mehr im Vorder­ grund und wird einzig in der Redaktion B explizit erwähnt.43 Während in der Redak­ tion A, so ließe sich ableiten, der Gegensatz zwischen dem was heimlich und dem was öffentlich geschieht, im Vordergrund steht und es vor allem darum geht, die Sicht­ barkeit der Zeichen und ihre Funktion zu verdeutlichen, alsô si [Lucretia] des wurde uberwunden / von rehter urtaile (v. 4.714f.), kam es dem B-Redaktor offenbar darauf an, in Anlehnung an die antike Tradition auf das Skandalon der Vergewaltigung hin­ zuweisen. Der A-Redaktor legte mit Blick auf sein (adliges) Publikum den Schwer­ punkt darauf, zu zeigen, wohin der schlechte Rat (einer Frau) führen könne und hob

36 Jans von Wien verarbeitet das Motiv des Selbstmords nach Vergewaltigung in Anlehnung an die Lucretia‒Episode und das der rivalisierenden Brüder, von denen einer des anderen Frau begehrt, in Anlehnung an die Crescentia‒Episode im Fürstenbuch in der Geschichte um den Markgrafen Liupolt. Hier wird die Vergewaltigung als doppelte gesteigert, da Liupolt sich an Albrecht durch die Vergewal­ tigung seiner Frau rächt. Diese Szene gehört zu den ‚gewaltsamen Gründungsgeschichten‘, durch die Genealogien begründet werden. Hier wird Liupolt mit Österreich belehnt. Die Geschichte lässt sich auch als Überzeichnung des Fehdewesens lesen. Vgl. Fürstenbuch, v. 429‒572. 37 Die antike Vorlage liefern Livius, Cicero, Ovid. Vgl. den Überblick bei Ohly: Sage und Legende, S. 88‒91. Die antike Geschichte wurde in der Literatur des Mittelalters, vor allem aber von den Hu­ manisten umfassend rezipiert. Entsprechend wurde das Thema in zahlreichen Forschungsbeiträgen diskutiert. Vgl. zum Überblick zuletzt: Erfen: Honey turns to gall, S. 11f. 38 Vgl. Augustinus: De civitate dei I,15. 39 So bereits Mohr: Lucretia, S. 435; Knapp: Der Selbstmord in der abendländischen Epik des Hoch­ mittelalters. Heidelberg 1975 (Germanische Bibliothek: Reihe 3, Unters. u. Einzeldarst.), S. 127. 40 Vgl. Teresa Wintgens: Die Überlieferung der ‚Kaiserchronik‘ in den Fragmenten und Exzerpten der Redaktionen B und C. [im Druck]. 41 Vgl. Teresa Wintgens: Was geschah mit Lucretia? Ein Irrtum des B‒Redaktors der ‚Kaiserchro­ nik‘, in: ZfdA 142 (2013), S. 34–44. 42 Zu antiken Quellen vgl. Livius, Ab urbe condita I,57, ausgew., eingel. u. komm. von Armin Müller. Münster 2001. 43 Das Göttinger Fragment überliefert als einziger Textzeuge der Redaktion B die Lucretia-Episode. Entsprechend lautet der Text hier: Ich will iu offenlichen beiehen / waz mir leides ist geschehen / eine uil groze missetat / der kuoninch mich behuret hat. Zitiert nach: Kaiserchronik‒Fragment, Göttingen, SUB, Cod. Ms. W. Müller I,1.

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die Zeichenhaftigkeit der Handlung als entscheidendes Kriterium für die Reaktion der Gesellschaft hervor. In dieser Version wird die Situation der Lucretia noch perfider, da sie zwar als Ehebrecherin, nicht aber als Geschändete überführt wird.44 Damit sind es die öffentlichen urtaile, die sie stigmatisieren. Die Vergewaltigung an sich ist bedeu­ tungslos, vielmehr wird die zeichenhafte Tat des Kaisers ins Zentrum gerückt, der einen Treuebruch anzeigt, indem er einen Sklaven zu Lucretia stößt. Wie die Männerwette am Eingang der Episode bereits vermuten lässt, steht das Verhalten der Frau im Vordergrund. In illustrer Runde kommen die männlichen Inter­ essen zur Sprache, wobei die scônen frowen (v. 4.427) am Ende der Hierarchie nach den scônen rossen (v. 4.424), guoten hunden (v. 4.424) und dem vederspil (v. 4.425) genannt werden. In Bezug auf die bekannten Verse des Kürenbergers werden so bereits Hin­ weise für den Umgang mit Frauen gegeben und das Ergebnis ihrer zuht im Fortgang der Geschichte an Lucretia und der Frau des Kaisers überprüft. Die ‚gute Hausfrau‘ beweist sich nicht nur durch ihre Gastfreundschaft, sondern vor allem durch Treue zu ihrem Mann und der Verantwortung für ihre Familie. Die Kaiserin hingegen ist nicht nur – und auch deshalb werden sie und ihr Mann als ubele Herrscher diffamiert – eine schlechte Gastgeberin, sondern auch keine gute Ratgeberin, denn schließlich ist sie es, die die Vergewaltigung der Lucretia vorantreibt. Aufgrund der ihr widerfah­ renen Herabsetzung vor der gesamten Gesellschaft fordert sie ihren Mann auf, ihre Ehre wiederherzustellen. Der Kaiser, noch immer missgestimmt wegen der verlorenen Wette, berichtet ihr von dem Pfand, woraufhin sie ihm die Bedeutung des Ehrverlus­ tes erst auslegt. Mit allen Mitteln – bis hin zum persuasiven Weinen – versucht sie nun, den König von der Notwendigkeit der Rache zu überzeugen. Die Kaiserin gibt sich nicht als ‚professionelle‘ Ratgeberin, denn sie handelt aus­ schließlich aus egoistischem Interesse, ohne ihren Herrschaftsauftrag zu berücksich­ tigen. Erst auf ihre Erpressung hin fragt der Kaiser sie um Rat: waz râtes dû daz ich ir darumbe tuo? (v. 4.672). Seine Frage deutet bereits an, dass ihre Ehrverletzung nur an Lucretia gerächt werden kann. Aus der Antwort der Kaiserin: hêrre, will dû behalten mînen list, / ich râte dir, daz dû daz selbe wîp erwirvist. (v. 4.674) wird ihre Position als intrigante Ratgeberin noch einmal deutlich. Sie manipuliert ihn einzig aus narzissti­ schem Antrieb und schlägt die Vergewaltigung vor, ohne an die Herrschaftsausübung zu denken. Die indirekt vorhandene aber nicht befolgte Möglichkeit, ihrem Rat nicht nachzukommen, hätte die Katastrophe abgewendet. Der unausgesprochene Erzähler­

44 Mir scheint aber auch, dass die Verse nû dû mînes lîbes sô geweltic bist / der kunic frumete sînen willen (v. 4.720f.), die sich in Redaktion A und B finden, darauf hinweisen, dass die Vergewaltigung stattgefunden hat. Lucretia bleibt keine Wahl und Tarquinius kann seinen Willen durchsetzen. In der Äußerung Lucretias schwingt stärker noch die augustinische Argumentation mit, nach der die Chris­ tin im Geiste rein bleibt. Es ist anzunehmen, dass der Bearbeiter der Redaktion A auf der Basis der antiken Geschichte auch die Vergewaltigung mitdenkt und sie nicht bewusst ausblendet.

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kommentar macht die Kaiserin zur Hauptschuldigen und auf die Gefahren weiblicher Ratgeber aufmerksam. In der Crescentia-Episode fragt der König zunächst seine Getreuen um Rat, von wem er seine Frau während seiner Abwesenheit beschützen lassen solle: do fract er sine holden, / waz si im raten wollten (v. 11.424f.). Den formalen Regeln gemäß wird hier eine typische Ratssituation beschrieben, in der der Sachverhalt geschildert, die Voten der Ratgeber eingeholt werden und der König am Ende seine Entscheidung fällt. Dass er sich auch ohne consensus gegen den Rat seiner Untergebenen entschlie­ ßen kann und Spielraum bei der Entscheidungsfindung hat, vermittelt die Szene in der Kaiserchronik.45 Hier hat der König herrschaftspolitische Einwände gegen den ausgesprochenen Rat, denn er fürchtet um das Wohl der Königin und den Verlust ihrer Position, sollte sie im Falle seines Todes im Reich nicht präsent sein. Schließlich bittet er seine Frau, ihn zu beraten: min liebe, nu rat du mir dar zuo, / daz ich min ere an dir getuo (v. 11.448–50). Crescentia nimmt konjunktivisch sofort die Haltung des Ratgebers ein: solt ich der ratgebe wesen (v. 11.452). Sie argumentiert, wie ihr Mann, machtpolitisch und rät von der Reise zu ihren Eltern ab, da sie die Zeichenhaftigkeit dieser Handlung erkennt: Crescentia will durch das Verlassen des Landes nicht den Verdacht auf sich ziehen, ihren Mann betrogen zu haben. Da sie mit diesem ersten Rat den König bestätigt, will er weitere von ihr hören und danach handeln. Sie schlägt vor, dass der Bruder des Königs zur Unterstützung und als Stellvertreter während der Abwesenheit des Herrschers an ihrer Seite bleiben solle. Jener wurde von ihr als potentieller Ehemann abgewiesen, wird nun aber als Beschützer herbeigeholt. Struk­ turell ist damit das Dreiecksverhältnis, das Crescentia von vornherein des Ehebruchs verdächtig macht, erneut hergestellt. Nach dieser privaten Absprache findet die Über­ gabe Crescentias an den Bruder und damit auch die Sichtbarmachung der Entschei­ dung des Königs nach außen statt. Die Königin versucht hier, die Rolle des professionellen und loyalen Ratgebers einzunehmen, um die richtige Entscheidung für das Reich zu treffen. Dieser zunächst uneigennützige Ratschlag und der Versuch, von sich selbst zu abstrahieren, kann als Hinweis auf ihre spätere Heiligkeit gelesen werden. Crescentia erscheint im Gegen­ satz zur Kaiserin als die kluge Frau, die ihrer Rolle als Herrschaftsrepräsentantin gerecht zu werden versucht. Dennoch gibt das Muster der triangulären Situation Ehemann – Ehefrau – Schwager den versuchten Ehebruch vor. In der Ratssituation, in der Crescentia den Schwager holen will, wird damit auch Verdacht und Schuld auf sie gelenkt. Durch ihren Leidensweg und ihre Heiligung jedoch kann ihre Entschei­ dung rückblickend als selbst gewählter Unschuldsbeweis und Beginn ihres Martyri­ ums gelesen werden. Die abgewiesene Alternative verstärkt somit ihre Heiligkeit.

45 In der historischen Forschung scheint dieses Problem noch immer umstritten und nicht umfas­ send erforscht. Vgl. Althoff: Colloquium familiare, S. 149f.

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Dass Frauen als Ratgeberinnen auftreten können, ist in der Literatur verschie­ dentlich bezeugt. Dass sie in dieser Funktion durchaus ernst zu nehmen sind, dafür liefert die Kaiserchronik recht frühe Belege. Christine de Pizan greift dies zu Beginn des 15. Jahrhunderts im Livre des trois vertus erneut auf,46 beschreibt jedoch die nun negative Einstellung gegenüber weiblichen Ratgeberinnen. In der Kaiserchronik hin­ gegen wird der Diskurs um die Aufgaben der guten frouwe, wie ihn auch Almênia in der Lucretia-Episode andeutet, nicht geführt, um die Frau als Herrscherin zu diskre­ ditieren. Hier steht vielmehr die Frage nach einer ‚guten Herrschaft‘ zur Diskussion, an der die Frau consors regni an der Seite des Regenten großen Anteil hat.47 Diese unter Saliern und Ottonen machtpolitisch bedeutsame Position ging in der darauf folgenden Zeit verloren. Für diesen Wandel stehen auch die Paarbeziehungen in der Weltchronik des Jans von Wien, in denen deutlicher die Geschlechterhierarchie zum Ausdruck kommt und die Frau als Regentin keine Rolle spielt, sondern aufgrund ihrer Weiblichkeit stärker diskreditiert wird. Wenn Christine de Pizan zu Beginn des 15. Jahrhunderts erneut erste Argumente für Frauen als Ratgeberinnen ins Feld führt, ist eben dies im Vergleich zur Kaiserchronik als Ausweis für eine strengere Hierarchi­ sierung im 13. Jahrhundert zu lesen.

2.2  Die ‚Erzählung in der Erzählung‘ in der Kaiserchronik Es sind die Männer, die sich in der Kaiserchronik aneinander messen. Sie ‚duellieren‘ sich durch den Vergleich ihrer Frauen, die Attribute ihrer Männlichkeit und präsen­ tieren damit ihre Herrschaftsfähigkeit. Entsprechend heißt es über das frumec wîp (v. 4.437) am Beginn der Episode: si ist mir alsô der lîp, si ist piderbe unde guot, frô machet si dikke mînen muot. (Kaiserchronik, v. 4.438–40) Anders als Wolfgang Mohr, der keinen „ritterlich-höfischen Geist“ und auch keine Spuren des „Minnedienstes“48 in der Dichtung wahrnehmen konnte, scheint mir die

46 Vgl. Ruhe: Ratgeber, S. 79. 47 Dieser Terminus geht in die salische und ottonische Zeit zurück. Noch Kunigunde beispielswei­ se wurden offizielle Herrschaftsaufgaben wie ‚Rat und Tat‘, Fürsprache, Vermittlung, Erinnerung und Präsenz zuteil. Vgl. dazu: Stefanie Dick [u. a.] (Hg.): Kunigunde – consors regni. Vortragsreihe zum tausendjährigen Jubiläum der Krönung Kunigundes in Paderborn (1002‒2002). Paderborn 2004 (Mittel­alterStudien des Instituts zur Interdisziplinären Erforschung des Mittelalters und seines Nach­ wirkens, Paderborn 5), S. 49. 48 Mohr: Lucretia, S. 439.

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 Geschichte(n) in der Kaiserchronik

gesamte Erzählung durch das Spannungsverhältnis von Minne und Herrschaft im Kontext eines sich etablierenden (früh)höfischen Gesellschaftsideals bestimmt. Dabei spielt der Diskurs um Funktion und Verhalten der vrouwe eine wesentliche Rolle, wie aus den einzelnen Redeszenen ersichtlich ist. In der Männerwette zu Beginn wird die Vorstellung von einer tugendhaften Frau ausgehandelt und im Vergleich der beiden Frauen, Lucretia und der Kaiserin, fortgesetzt. Dabei werden Negativ- und Positivfolie dargestellt. Während Lucretia dâ mit michelen zuhten (v. 4.498) diente und alles tat, daz der wirt frô waere (v. 4.514f.), bleibt die Königin wie die Pechmarie im Bett liegen, ohne sich um Ehemann und Gast zu kümmern. Schließlich muss der König Lucretia gegenüber bekennen, daz ich ê noh sît / nie gesach aîn so frumic wîp / an allen ir gebaeren (v. 4.559–61). Es ist Mohr insofern zuzustimmen, als hier noch keine ausgeprägte Minne­ handlung, wie sie aus dem höfischen Roman der Folgezeit bekannt ist, entfaltet wird. Dennoch stehen auch höfische Verhaltensweisen, die sich auf die Beziehung zu Frauen beziehen, zur Diskussion. Im Gespräch zwischen Tôtilâ und Almênîâ, das metadiegetisch,49 als übergeordnete Redeszene und abgeschlossene Einheit, den Schlüssel für die Deutung der gesamten Episode liefert,50 scheint dies in nuce zusam­ mengefasst. Viterbo, vor dessen Mauern die Römer lagern, erweist sich als Zentrum höfischen Benehmens, denn von hier aus schauen die hovesken frowen (v. 4.567) auf die Römer herab, um deren Ritterlichkeit zu prüfen. Von hier aus entspinnt sich auch der Dialog zwischen Almênîâ und Tôtilâ, in dem Almênîâ die zentrale Frage stellt, ob Minne oder Kampf einen edel man (v. 4.581) ausmache. Und schließlich treiben die Erzählungen über die höfischen Damen Viterbos den landlosen, unbehausten Conlatinus dazu, in die Stadt einzudringen, die so zum Ausgangspunkt des Diskurses um höfisches Ver­ halten wird. Letzteres wird nach dem Gespräch zwischen Almênîâ und Tôtilâ an den Protagonisten, Conlatinus und Tarquinius, überprüft. Die Binnenerzählung ist quasi an Stelle des Erzählers kommentierend in die Gesamthandlung integriert, reflektiert und motiviert folgendes Geschehen. Aus Tôtilâs Antwort wird deutlich, dass der Ritter, so oft er kann, im Kampf seine êre unter Beweis stellen müsse, dass rehte minne unbedingt zur Steigerung seines Ansehens beitrage und zum höfischen Ritter als conditio sine qua non gehöre: die

49 Die Bezeichnung als ‚Erzählung in der Erzählung‘, wie sie in der Überschrift auftaucht, trifft streng genommen nicht zu. Hier reden zwei Figuren herausgehoben über ein Thema der Erzählung, sind aber zeitlich und räumlich in die Diegese integriert. Es wird kein zukünftiges Geschehen vor­ weggenommen oder vergangenes wiedererzählt, sondern es findet eine Reflexion statt. Zur Kritik am Begriff ‚Erzählung in der Erzählung‘ vgl. Ludger Lieb: Erzählen am Hof. Was man aus einigen Meta­ diegesen in Wolframs von Eschenbach ‚Parzival‘ lernen kann, in: Ernst Hellgardt [u. a.] (Hg.): Lite­ ratur und Macht im mittelalterlichen Thüringen. Mediävistisches Kolloquium auf Gut Willershausen, 11. bis 13. Oktober 1998. Köln [u. a.] 2002, S. 109‒125, dort S. 109‒112. 50 Vgl. Mohr: Lucretia, S. 434‒438; Stackmann: Erzählstrategie und Sinnvermittlung, S. 59.

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frowen machent in genuoge / hovesc unde kuone (v. 4.613f.). Frauen kommt demnach jene staatstragende und herrschaftsbildende Nebenrolle zu, die den Ruhm des Herr­ schers und seine höfische Gesittung steigert, frô machet si dikke mînen muot (v. 4.440), wie Conlatinus zu Beginn bekennt. Darüber hinaus deutet sich hier in wenigen Versen die unbezwingbare Macht der Minne an, wie sie in der folgenden Zeit im höfischen Roman vielfach thematisiert wird: swer rehte wirt innen frumer wîbe minne, ist er siech, er wirt gesunt, ist er alt, er wirt junc. (Kaiserchronik, v. 4.609–12) Wie die Römer vor Viterbo, das zum Hort höfischer Frauen stilisiert wird, über höfi­ sches Verhalten nachsinnen und schließlich die Damen der Stadt die Römer auf ihre Ritterlichkeit hin prüfen, so ist die Minnevorstellung, wie sie die Kaiserchronik offen­ bart, noch nicht durch die höfische Zeit ‚hindurchgegangen‘,51 sondern im Entstehen begriffen. Diskursiv wird über die Seinsformen der frowe, der minne und über höfi­ sches Verhalten im Allgemeinen verhandelt. Auch im Gespräch zwischen Almênîâ und Tôtilâ schließlich erscheint die Frau als Ratgeberin, denn auf ihren Einwurf waz habent iu die scônen frowen ze laide getân (v. 4.632) und durh der frowen willen (v. 4.635) wird Viterbo am Ende nicht komplett zerstört, sondern eine gerechtere Strafe gefunden. Die zuht der Frau wird anschließend am Beispiel von Lucretia und der Kai­ serin geprüft. In ähnlicher Weise wird höfisches Benehmen an verschiedenen Figuren exemplifiziert. Auch Conlatinus ist nicht makellos, denn er verkörpert den übermüti­ gen Helden, der ohne Land, Besitz und Identität sich Herrschaftsterritorium erobert und nicht einmal vor der Macht des rîches zurückweicht. Im fehlenden Herkommen liegen mehrere Gründe seines Scheiterns. Obwohl er ‚vom Reich‘ eine vorbildliche Frau erhält, werden beide den Anforderungen eines idealen Herrscherpaares nicht gerecht. Conlatinus’ übermuot findet entsprechend in seiner Fremdheit und seiner raschen Integration Nahrung. Dies zeigt sich an seinem selbstbewussten Auftreten gegenüber dem Kaiser. Bei Abschluss der Wette sagt Conlatinus: Duo sprach der rekke: ‚nû hôrt ich sagen dikke, daz man dem rîche pillîche solt entwîchen. waerestû aver niht alles rîches herre,

51 Walter Haug spricht in Bezug auf den Prosaroman davon, dass hier die Geschichte „durch die Frei­ heit der Fiktion hindurchgegangen ist […].“ Vgl. Walter Haug: Die Entdeckung der Fiktionalität, S. 144.

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 Geschichte(n) in der Kaiserchronik

so beredet ich iz noh vil verre […].‘ (Kaiserchronik, v. 4.455–60) Als Fremder, der zwar durch Hochzeit in die römische Gesellschaft integriert wurde, scheint er sich nicht vollständig der römischen Herrschaft zu unterwerfen und schreckt auch nicht vor dem nomen imperatoris zurück. Im Gegenteil: Er kommt  – wie Siegfried – als der fremde Eroberer, und seine Bezeichnung als ellenthafter man (v. 4.323) nimmt von Anfang an seine Bedrängnis vorweg. Mit seinem Erscheinen wird die Herrschaft Tarquinius’, der von vornherein als der ubermuotigeste man (v. 4.303) gilt, aus einer anderen Perspektive betrachtet, denn durch die Frauen werden auch sie verglichen. Auch Conlatinus’ Verhalten wird von Tôtilâ bewertet. Er verurteilt das ruomen, das auch Siegfried zum Verhängnis wird, und lässt den Trierer, ähnlich wie Tarquinius, im Licht der hochvart erscheinen. Darüber hinaus gelingt es Conlatinus nicht, Lucretia zu beschützen, so dass diese, als Movens der Handlung, nicht wegen ihres Selbstmords diskreditiert wird. In der Kaiserchronik ist der Selbstmord seiner Bedeutung enthoben und erfährt keinerlei Bewertung.52 Von der antiken Kaisertoch­ ter ist ihre Vorbildlichkeit geblieben. Sie wird in einer mustergültigen Minnebezie­ hung zu Conlatinus gezeigt: dô wart im daz wîp rehte alsô der lîp duo minnet ouh in diu frowe mit aller slahte triwen;mit zuhten unt mit guote mit aller deumuote minnete si den helt palt si hêten grôzer wunne gewalt. (Kaiserchronik, v. 4.339–46) Tarquinius erweist sich in diesem Ränkespiel, das zahlreiche Parallelen zum Nibelungenlied aufweist,53 als der schwächere, passive König, der sich von seiner Frau beraten lässt. In Rückblick auf die Eingangssituation der Wette ist die vorgegebene Hierarchie verkehrt und muss ins Verderben führen. Das höfische Verhalten der Frauen ist ein Kernthema der Erzählung, denn um vil maniv hovesc frowe (v. 4.351) geht es auch, als Conlatinus sich nach Viterbo aufmacht, um hier das Treiben der guten knehte und tugende (v. 4.354) zu sehen. Entsprechend stehen auch in der Lucretia-Episode die Figur des Ratgebers und der Einfluss der Frau auf die fürstliche Herrschaft im Mittelpunkt. Erneut gibt die ‚Erzählung in der Erzäh­

52 Die augustinische Diskussion findet keine Berücksichtigung, vgl. Augustinus: De civitate dei I,17f.; vgl. Knapp: Der Selbstmord, S. 127–135, bes. S. 132. 53 Wolfgang Mohr hat bereits auf zahlreiche Parallelen hingewiesen. Vgl. Mohr: Lucretia, S. 435f.

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lung‘54 Anleitung zum Verständnis der Episode. Dieser Mechanismus steht über dem typologischen Modell, das sich auf einige Figuren anwenden lässt, aber bereits durch die Dichotomie antiker und christlich-deutscher Kaiser vorgegeben ist. Sinn und Struktur finden sich in den Erzählungen selbst, die ihre eigenen Verstehensprinzipien preisgeben. Dies lässt sich auf die Chronik als Ganze anwenden, da Geschichte exem­ plarisch ausgelegt wird und die Geschichten selbst den Mechanismus zum Verständ­ nis bieten. Nicht Faktizität, sondern sinnstiftende Vermittlung steht im Vordergrund. Die Erzählung von Geschichte findet mit der Kaiserchronik jene neue Form, die sich in Chroniken wie der des Jans von Wien fortsetzen. Wolfgang Mohr hat die Erzählun­ gen der Kaiserchronik als Novellen bezeichnet.55 Kennzeichen dieses novellistischen volkssprachlichen Erzählens, so zeigt sich an Kaiserchronik und Weltchronik, ist die zunehmende Verbindung zwischen historia und fabula, die stärker didaktisch wie in der Kaiserchronik oder mit dem Fokus auf Unerhörtes wie bei Jans von Wien ausge­ richtet sein kann. In jedem Fall entsteht eine volkssprachliche Geschichtserzählung, die den Grundgedanken des ‚einen‘ christlichen Reiches nicht aus den Augen verliert und unter Berücksichtigung ethischer Implikationen immer mehr vermitteln will als bloße Annalistik.

2.3  Disputationsszenen Neben den hermeneutischen Verstehenshilfen, die Anweisungen zur fürstlichen Herrschaftspraxis geben, vermitteln vor allem die Redeszenen nicht nur Wissen, sondern auch Argumentationsstrategien zur Herstellung und Bewahrung des christli­ chen Reiches, wie sich vor allem an den Disputationsszenen zeigen lässt. Hier werden religiöse Inhalte, die eine verbindliche Glaubenswahrheit demonstrieren und dem Konzept des christlichen Imperiums entsprechen, verhandelt.56 Die ‚Religionsgesprä­

54 Zur Funktion der ‚Erzählung in der Erzählung‘ am Beispiel des ‚Guoten Gêrhart‘ Rudolfs von Ems vgl. Armin Schulz: Erzählungen in der Erzählung. Zur Poetologie im ‚Guoten Gêrhart‘ Rudolfs von Ems, in: Horst Brunner (Hg.): Helle dœne schœne. Versammelte Arbeiten zur älteren und neue­ ren deutschen Literatur. Festschrift für Wolfgang Walliczek. Göppingen 1999, S.  29‒59; Harald ­Haferland; Michael Mecklenburg (Hg.): Erzählungen in Erzählungen. Phänomene der Narration in Mittelalter und Früher Neuzeit. München 1996 (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur 19). 55 Vgl. Mohr: Lucretia, S. 445. 56 Vgl. Suerbaum: Erzählte Geschichte; Raymond Graeme Dunphy: On the Function of the Dispu­ tations in the ‚Kaiserchronik‘, in: The Medieval Chronicle 5 (2008), S. 77‒86; Christiane Witthöft: Zwischen Wahrheitssuche und Wunderglauben. Die christlich‒jüdische Disputation der Silvester­ legende in der ‚Kaiserchronik‘, in: Marion Gindhart; Ursula Kundert, (Hg.): Disputatio 1200‒1800. Form, Funktion und Wirkung eines Leitmediums universitärer Wissenskultur. Berlin; New York 2010, S. 291‒310.

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 Geschichte(n) in der Kaiserchronik

che‘ finden sich in den Passagen um Faustinian57 und Silvester sowie um Konstantin als dem Begründer des Christentums als Staatsreligion. Diese sind sinnstiftend für das Gesamtkonzept der Chronik.58 Programmatisch heißt es hier bereits zu Beginn der Episode diu rîche stuonden lære (v. 7.806). Mit diesem Bekenntnis zum verwais­ ten Kaiserthron wird zugleich eine neue Ära eingeleitet. Nachdem Konstantin sicht­ bar zum Christentum übergetreten ist, muss er seinen neuen Glauben verteidigen, woraus sich ein Disput um die wahre Religion entspinnt. Dieser ist auf der Grundlage akademischer Disputationsregeln gestaltet und führt eine ‚ideale‘ Auseinanderset­ zung um einen Gegenstand vor, dem, da rhetorisch kein Ergebnis festgelegt werden kann, zeichenhaftes Handeln folgen muss. Es ist hier die Verbindung aus Worten und Taten, wie sie die Evangelien festlegen, die christliches Handeln ausmacht. Der ver­ balen Darlegung folgt die notwendige rituelle Handlung, die das Gesagte zeichenhaft vorführt und somit transzendental öffnet. Dabei steht die notwendige Augenzeugen­ schaft des Publikums im Mittelpunkt, denn erst durch das Zeugnisgeben des Gehör­ ten und Gesehenen tritt das Geschehene in den Seinsbereich. Darüber hinaus wird durch diesen zweistufigen Prozess das Judentum deklassiert, da, bereits im Wortbe­ reich unterlegen, die Juden den wahren Sinn auf der nächsten Ebene erst gar nicht erkennen können: si hânt ougen und gesehent niht / si nerchennent di vinster noch daz lieht (v. 8.168f.). Ähnlich argumentiert Jans von Wien, der den Juden das Genießen des Weines und folglich auch den Erkenntnisgewinn abspricht.59 Mit diesem Religionsgespräch werden einfachste (und bekannte) Argumente bereitgestellt, um die christliche Wahrheit zu legitimieren und für das Reich argu­ mentativ festzumachen. Der Rezipient erhält somit neben Kenntnissen historischer Grundkonstellationen (Geschichte des Römischen Reiches), Ratschlägen zur Herr­ schaftspraxis (Adelger, Karl der Große) und Informationen zum Umgang mit Frauen (Lucretia, Crescentia) auch hilfreiche Hinweise zum Umgang mit Glaubensfragen sowie Informationen zu ausgewählten Heiligen (Petrus und Paulus, Laurentius, Mau­ ritius, Silvester etc.) und ihrer Funktion. Die Trias Glaube – Wissen – Macht, die die christliche Herrschaft bestimmt, lässt sich auf diese Weise als Vermittlungsziel des Textes festlegen. Redeszenen dienen darüber hinaus der Steigerung des dramatischen Potentials der Dichtung, da sie nicht nur eine präzise Konturierung der Figuren ermöglichen, sondern vor allem Identifikationsangebote und Reflexionsflächen für das Publi­ kum liefern. Der Erzähler der Chroniken hält sich zurück und greift nur an wenigen

57 Vgl. dazu Hans Fromm: Die Disputation in der Faustinianlegende der ‚Kaiserchronik‘. Zum lite­ rarischen Dialog im 12. Jahrhundert, in: Annegret Fiebig; Hans‒Jochen Schiewer (Hg.): Deutsche Literatur und Sprache von 1050‒1200. Festschrift für Ursula Hennig zum 65. Geburtstag. Berlin 1995, S. 51‒69, dort S. 52‒54; Pézsa: Studien zu Erzähltechnik, S. 143f. 58 Vgl. Ohly: Sage und Legende, S. 165f. 59 Vgl. Weltchronik, v. 27.377‒94; auch Kap. II.2.2.

Redeszenen 

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Stellen, meist an Beginn oder Ende, direkt kommentierend in das Geschehen ein. Dennoch wechselt das Erzählen zwischen Diegesis und Mimesis,60 denn außerhalb der Redeszenen schildert er die Ereignisse und ordnet die Handlung. Gerade in den berichtenden Sequenzen ist der Erzähler präsent, was sich nicht zuletzt an der großen Differenz zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit zeigt. Die Bewertung der Handlungen und dargestellten Ereignisse jedoch wird generell dem Publikum überlassen. Zudem werden Strategien der Kommunikation inszeniert, die ethische Hinweise vermitteln. Den Disputationsszenen sind nicht nur argumenta­ tive Muster zu entnehmen. Vielmehr werden rhetorische Kompetenzen reflektiert, die an ethische Vorstellungen gebunden sind. Faustinian beispielsweise wird von Beginn an als wîse und wordspaehe bezeichnet, obwohl er einige Zeit braucht, den richti­ gen Glauben zu erkennen. Damit entspricht er dem Typus des antiken Philosophen, dessen Lehre grundlegend ist, aber der eigentlichen Erkenntnis entbehrt, so dass Petrus sagen kann: ‚wir haben under uns wâre wîssagen, die luken muozen wir ouh haben; under den haiden sint rehte philosophi die luken sint ouh dâ bî […].‘ (Kaiserchronik, v. 3.443–46) Die Faustinian-Geschichte gibt verschiedene Wege des Erkennens und Nichterken­ nens vor und tradiert dabei das antike vir bonus-Ideal. Die Feststellung, dass es auch unter den Heiden rehte philosophi gebe, greift auf die augustinische Argumentation zur Verteidigung der antiken Rhetorik zurück. In Buch IV von De doctrina christiana bekundet er apologetisch den Nutzen des antiken Wissens, das nicht einfach den Vertretern der Lüge zu überlassen sei.61 Die Beschreibung Faustinians als wîse und wordspaehe deutet seine Erkenntnisfähigkeit bereits an, denn diese Epitheta kommen gemeinhin den Männern Gottes zu. Entsprechend werden beispielsweise im altsächsischen Heliand (um 840) bereits die Jünger Jesu, da sie im Besitz der christli­ chen Wahrheit sind, als beredt und weise eben als uuordspâha uueros (v. 1.150), die sô manag uuîslîk uuord (v. 23) sprechen, dargestellt.62 Die Redeszenen in der Kaiserchronik sind nicht allein dem biblischen Prinzip ‚von den Worten, auf die Taten folgen‘ verpflichtet. Die Akte verbaler Kommunikation dienen neben Handlungsmotivation und Wissensvermittlung vor allem dazu, Strate­ gien des Miteinanderredens zu opfern und Aushandlungsprozesse in verschiedenen Kontexten sichtbar zu machen. Dabei geraten List, Intrige und Täuschung ebenso ins

60 Vgl. Genette: Die Erzählung, S. 221f. 61 Vgl. Augustinus: De doctrina christiana IV, III,4. 62 Vgl. Heliand und Genesis, S. 47; 8.

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 Geschichte(n) in der Kaiserchronik

Blickfeld wie die Lüge,63 die in der Chronik neben dem Prolog verschiedentlich thema­ tisiert wird und nicht immer an die Aussage im Prolog rückzubinden ist, sondern auch als notwendige Spielart adliger kommunikativer Praxis vorgeführt wird.

3  Von der Kaiserchronik zu Jans von Wien 3.1  Publikum Mit der Weltchronik des Jans von Wien fällt der Blick auf einen Text, der sich, anders als die Kaiserchronik, an ein städtisches Publikum richtet. Ausgesprochene Ratgeber­ szenen, die, wie in der Kaiserchronik, Anleitung zur Herrschaftsausübung geben, fehlen.64 In der Weltchronik geht es entsprechend weniger darum, vorbildliche Bilder für die Herrschaftssicherung des Reiches zu entwerfen, als vielmehr um die Ausein­ andersetzung mit vorgegebenen Ordnungen bis hin zu ihrer schwankhaften Inszenie­ rung. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Herrscher nicht vorbildlich agieren und sichtbare Zeichen ins Wanken geraten, wie die Episoden um Friedrich von Antfurt oder Vergil im Korb belegen. Obwohl auch in der Kaiserchronik nicht alle Zeichen funktionieren (Lucretia), stehen hier ihre Bedeutung und Lesbarkeit im Zentrum, um Handlungsanleitungen zu geben und ‚Verbindlichkeit‘ zu schaffen. In der Weltchronik wird dies bis zur Überzeichnung getrieben, wobei letztlich die Zeichenhaftigkeit kari­ kiert und zugleich infrage gestellt wird. Die Geschichten beider Texte werden in unterschiedlicher Weise instrumentali­ siert. Den ‚Platz‘ der adligen Ratgeber kann in der Weltchronik jeder einnehmen, so dass eine streng hierarchisierte Kommunikation mit dem Fokus, Herrschaftswissen zu vermitteln, aufgelöst wird. Der ‚Sitz im Leben‘ der Kaiserchronik ist an mündliche Kommunikationsformen und deren Tradierung gebunden, die sich an der Schnitt­ stelle zur Schriftlichkeit befinden.65 Die Ratgeberszene um Herzog Adelger bezeugt die mündliche Weitergabe von Wissen. In der Weltchronik des Jans von Wien kommen im Vergleich häufiger schriftliche Kommunikationsformen vor. Dies verdeutlichen die verschiedenen Briefe, die in der Weltchronik an ähnlichen Scharnierstellen vorkom­ men wie die Ratgeber in der Kaiserchronik. Ratgeber und Briefe lenken das Gesche­ hen in eine Richtung. Der Brief jedoch zieht durch die Überbrückung zeitlicher und räumlicher Distanzen (Absender-Empfänger) Phasenverschiebungen nach sich.66

63 Almut Suerbaum hat auf das ‚Lügen‘ in verschiedenen Kontexten der Kaiserchronik hingewiesen, vgl. Suerbaum: Erzählte Geschichte, S. 250f. 64 Vgl. Kap. V.2.1. 65 Vgl. dazu etwas Stackmann: Erzählstrategie und Sinnvermittlung, S. 54. 66 Vgl. Christine Wand-Wittkowski: Briefe im Mittelalter. Der deutschsprachige Brief als weltliche und religiöse Literatur. Herne 2000, S. 23.

Von der Kaiserchronik zu Jans von Wien 



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Dieser Vorgang bietet Raum für Eingriffe und Kommunikationsstörungen, so dass der Verlauf der Handlung eine völlig andere Entwicklung nehmen kann, wie am Beispiel des Briefes der Königsmutter in der Episode um den Riuzenkönig in der Weltchronik noch zu zeigen sein wird. Die Briefe allerdings sind, da sie die mündliche Kommuni­ kationssituation ersetzen, an keine langen Aushandlungsprozesse gebunden. Sie teilen mit und bewirken ein Vorgehen, das der Absicht des Absenders entspricht. Zudem bieten sie die Möglichkeit, von vornherein ‚privat‘ und auch heimlich zu kom­ munizieren. Die Ratgeberszenen zeigen einen zweistufigen Prozess, an dessen Ende das öffentliche Bekanntgeben steht. Der Brief Davids beispielsweise, in dem Urias selbst als Bote benannt wird und der Empfänger unter Androhung von Strafen und Inaussichtstellen von Belohnung aufgefordert wird, den Überbringer unwiderruflich in den Kampf zu schicken, lässt, sofern sich der angesprochene Herzog nicht dem Herrscher widersetzen will, keine andere Möglichkeit zu, als den Boten ins Verderben zu befördern. Der Herzog handelt, wie der Verfasser des Briefes ihm vorschreibt. Urias stirbt im Kampf und David kann Bathseba zur Frau nehmen. Hier lässt der Wunsch Davids, Bathseba zu ehelichen, keine andere Möglichkeit zu. Der Brief enthält das Urteil und lenkt damit das weitere Geschehen. Auch die Sünde Karls des Großen wird durch einen Brief offenbart, den eine Taube dem Bischof während einer Messe überbringt. Der Geistliche muss handeln und den Kaiser zur Offenlegung seiner Geheimnisse auffordern. Das Schriftzeugnis fungiert als doppeltes Wahrheitsmedium. Mit ihm wird eine Mitteilung unverfälscht an den Empfänger überbracht, die hier, ausgewiesen durch die Taube und integriert in die Messsituation, von heiliger Stelle gesandt wird, demnach eine göttlich legiti­ mierte ‚wahre‘ Botschaft enthält. Durch den Brief kann Karl seine Tat gestehen, Buße tun und zu wahrer Dignität gelangen. Die schriftliche Botschaft, die die Tochter des Riuzenkönigs an ihren Mann sendet, um die Geburt ihres Sohnes kundzutun, wird hingegen verfälscht, wodurch in den Prozess der Nachrichtenübermittlung eingegriffen, das Wahrsprechen verhin­ dert und der Verlauf der Geschichte durch diese Störung beeinflusst wird. Obwohl die Wahrheit durch Schriftstück und Bote doppelt codiert ist, wird beides aufgebrochen und das Medium manipuliert. Der betrunkene Bote überbringt einen falschen Brief. Dieser enthält nicht nur die Nachricht von der Geburt eines dämonischen Kindes, sondern zugleich einen Rat, wie der Kaiser sich zu verhalten habe. der marschalc enbiut iu, herre, daz ein grôzer werre ist worden in iurm lande, des müezt ir haben schande. einen tiuvel hât mîn frou getragen, daz will ich iu für wâr sagen, ez ist gestalt als ein schem.

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 Geschichte(n) in der Kaiserchronik

ein tiuvel ez schier hin nem! ir müezt mit im haben schant, und kœmt ir immer in daz lant, sô mügt ir niht belîben. heizt sie von hinnen trîben. (Weltchronik, v. 27.043–54) Der Marschall der Königin tritt hier als Absender auf und rät dem König, medial vermittelt, durch den Brief. Das Ratsprechen ist, wie in der mündlichen Ratgeber­ szene, an eine Öffentlichkeit gebunden, denn der Brief wird dem König vor der hütten (v. 27.042) öffentlich vorgelesen. Durch diese „Inszenierung eines fiktiven Dialogs“67 wird die Ratgeberszene trotz der medialen Veränderung öffentlich vollzogen. Der König erfährt etwas über das Ereignis und wird zugleich aufgefordert, die Königin zu verjagen. Er befiehlt daraufhin seinem Marschall per Brief, die Frau mit ihrem Kind in einem Fass auszusetzen. Wie der Ratgeber in der Kaiserchronik, so denkt auch der Marschall an Ansehen und Ehre des Königs. An seiner Loyalität besteht für den König offenbar kein Zweifel. Vertrauen in den anderen ist die Basis, die den König, ohne sich selbst ein Bild von der Situation zu machen, handeln lässt. Dennoch gibt es in den benannten Beispielen keine Alternativen, die das Geschehen indirekt verstärken oder kommentieren. Diese Funktion übernimmt der Erzähler selbst, indem er etwa das Handeln der Schwiegermutter von vornherein negativ darstellt und damit die Alternative ausschließt: Der künic ein muoter hêt zwâr, diu was bitter gar, als noch diu übeln wîp sint: si müezen werden all blint! (Weltchronik, v. 26.929–32) Der Prozess der Entscheidungsfindung ist in den benannten Beispielen wesentlich verkürzt, was auch alternative Handlungsmöglichkeiten stärker ausschließt. Die Aussage des Briefes ist im Vergleich deutlich imperativisch und diktiert, was zu tun ist, weniger, was getan werden könnte. Die Praxis der mündlichen Entscheidungs­ findung, die im besten Fall einer Konsensfindung dient, ist an jene Form adliger

67 Rolf Köhn: Latein und Volkssprache, Schriftlichkeit und Mündlichkeit in der Korrespondenz des lateinischen Mittelalters, in: Joerg O. Fichte [u. a.] (Hg.): Zusammenhänge, Einflüsse, Wirkungen. Kongressakten zum ersten Symposium des Mediävistenverbandes in Tübingen 1984. Berlin; New York 1986, S. 340–356, dort S. 351. Vgl. auch Horst Wenzel: Boten und Briefe. Zum Verhältnis körperlicher und nichtkörperlicher Nachrichtenträger, in: Ders. (Hg.): Gespräche – Boten – Briefe. Körpergedächt­ nis und Schriftgedächtnis im Mittelalter. Berlin 1997 (Philologische Studien und Quellen. 143), S. 89.



Von der Kaiserchronik zu Jans von Wien 

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Herrschaftsausübung gebunden, die, wie in der Kaiserchronik, in der öffentlichen Inszenierung ihre Macht und Wirkung entfalten kann. Dies erfährt in der städtischen Gesellschaft insofern eine Veränderung, als schriftlichen Zeugnissen stärkere Beweis­ kraft und Beständigkeit zukommt, der Stadtbürger zudem weniger auf höfische Machtentfaltung als vielmehr auf die Organisation des städtischen Lebens angewie­ sen ist. Demnach geht es in der Weltchronik einhundert Jahre nach der Kaiserchronik nicht mehr darum, herrscherliches Verhalten vorzuführen und einem adligen Publi­ kum Hinweise für die Herrschaftsausübung zu geben. Die ‚alten‘ Ratgeber, so ließe sich überspitzt formulieren, sind dem neuen Medium gewichen und haben für ein städtisches Publikum ihre Funktion verloren. Die Briefe treten handlungslogisch an die Stelle der Figur des Ratgebers und stellen von außen die Weichen für das folgende Geschehen. Dabei hat im benannten Beispiel der gefälschte Brief der Königsmutter ähnlich fatale Folgen und zieht eine Odyssee der verstoßenen Königin nach sich, wie der Rat Crescentias in der Kaiserchronik, im eigenen Land in der Obhut des Schwa­ gers auf die Wiederkehr des Königs zu warten. Poetologisch, so ist aus dem Vergleich zwischen Ratgebern und Briefen zu schlussfolgern, verliert die Scharnierstelle als Möglichkeit, die Handlung umzulenken, an Bedeutung, da der Subtext als alterna­ tiver Erzählvorgang nicht mehr präsent gehalten werden muss. Zum einen werden die Erzählschemata nicht memoriert, zum anderen wird in der Weltchronik nicht an vorhandenes mündliches Sagenwissen angeknüpft. Dass die Weltchronik im Kontext eines städtischen Publikums zu sehen ist, wird an der Distanz zur adligen Lebensführung sichtbar, die der Text vermittelt. Darüber geben jene Zeichen Auskunft, die nicht mehr funktionieren. Ein Beispiel dafür bietet die Episode um Friedrich von Antfurt. Hier steht die von Friedrich bedrängte Gräfin in einem blutigen Hemd vor der versammelten Gemeinde in der Messe. Das Hemd bezeugt ihre Schuld, die sie de facto nicht hat. Auch die Römerin in der Episode um Vergil trägt keine Schuld, wird aber öffentlich für ihren ‚Ehebruch‘ bestraft. Beide Geschichten sind Variationen des Motivs der ‚unschuldig verfolgten Frau‘, das in der Kaiserchronik am Beispiel von Crescentia auserzählt wird. Hier wird Crescentia ver­ stoßen, verfolgt und schließlich geheiligt. Die Episode verhandelt Keuschheit und Begehren, Gewalt und Heiligkeit. Der ‚Sündenbock‘68 wird im ersten Schritt geop­ fert.69 Im zweiten findet seine Heiligung statt, so dass die Gesellschaft am Ende reha­ bilitiert ist und die Konfliktpotentiale abgeleitet sind. In der Weltchronik kommt das Motiv ebenfalls vor. Vergil bedrängt eine verhei­ ratete Römerin und Friedrich von Antfurt eine verheiratete Gräfin. Hier aber bleibt die Handlung auf die innerweltliche Sphäre begrenzt, wird im Mikrokosmos das Dreiecksverhältnis, Frau, Ehemann und Werber ausgehandelt, so dass am Ende die Frauen nicht geheiligt, sondern in ihre Familie und die Gesellschaft reintegriert

68 Vgl. Girard: Sündenbock. 69 Vgl. Kiening: Unheilige Familien, S. 87‒104.

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 Geschichte(n) in der Kaiserchronik

werden. Das Reich wird ausgeblendet und die Perspektive begrenzt. Die zeichenhafte adlige Welt wird infrage gestellt. Die Perspektive ist auf den familiären Mikrokosmos beschränkt. Alttestamentliches Grundwissen und allgemeinmenschliche Verhaltens­ weisen werden im Rahmen der Laiendidaxe an eine laikale städtische Öffentlichkeit vermittelt. Aus dieser Perspektive bereitet die großepische Geschichtsdichtung den Aufschwung der kleinepischen Formen vor.70

3.2  Schema, Variation, Struktur Die Kaiserchronik gehört, so viel lässt sich mit Sicherheit festhalten, zu einer der Hauptquellen der Weltchronik des Jans von Wien. Schemata und Motive werden aufgegriffen und variiert. Die Geschichte der Crescentia kehrt in der Weltchronik in den Episoden um die Römerin und Vergil, die verheiratete Gräfin und Friedrich von Antfurt sowie in der Erzählung von der Tochter des Riuzenkönigs wieder. Zu den „thema­tischen Basiskonfigurationen“71, wie sie Armin Schulz bezeichnete, die para­ digmatisch durchdekliniert werden, gehören die Minnesklaven, trianguläre Situatio­ nen und, dem Ganzen übergeordnet: Fehltritte. Anhand der variierten Schemata lässt sich nicht nur die Abhängigkeit der Texte herausstellen. Damit werden auch Fragen nach der sinnstiftenden Struktur und der Kohärenz der Texte berührt. Für die Kaiserchronik sind Strukturmuster wie Typologie72 und Analogie, Dichotomie73 und Wieder­ holung sowie bestimmte wiederkehrende Schemata, wie das der Brautwerbung, diskutiert worden, wobei „zweiteilige Bauformen“74 als dominant herausgearbeitet wurden. Entsprechend hat Markus Stock auf Mechanismen der „Doppelung“75 und die Verknüpfung der Teile durch „signalhafte Äquivalenzrelationen“76 hingewiesen. Zudem wird vor allem in jüngster Zeit die Relevanz metonymischen Erzählens ins Spiel gebracht.77 Die Gemeinsamkeit aller Untersuchungen besteht darin, nach einem dominanten Sinnmuster zu suchen. Insbesondere die Analyse der Ratgeberszenen

70 Zu den kleinepischen Formen vgl. Johannes Janota: Orientierung durch volkssprachliche Schrift­ lichkeit (1280  /  90‒1380  /  90). Tübingen 2004 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit 3,1), S. 246f. 71 Schulz: Fremde Kohärenz, S. 342. 72 Vgl. Ohly: Sage und Legende. 73 Vgl. Hans Fromm: Doppelweg, in: Werk – Typ – Situation. Studien zu poetologischen Bedingun­ gen in der älteren deutschen Literatur. Hugo Kuhn zum 60. Geburtstag, hg. von Ingeborg Glier. Stuttgart 1969, S. 64‒79, dort S. 68. 74 Markus Stock: Kombinationssinn. Narrative Strukturexperimente im ‚Straßburger Alexander‘, im ‚Herzog Ernst B‘ und im ‚König Rother‘. Tübingen 2002 (MTU 123), S. 11. 75 Stock: Kombinationssinn, S. 34‒72. 76 Stock: Kombinationssinn, S. 283. 77 Vgl. Schulz: Fremde Kohärenz, S. 354‒360.



Von der Kaiserchronik zu Jans von Wien 

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in der Kaiserchronik und ihre Transformation in der Weltchronik hat jedoch gezeigt, dass verschiedene Muster kombiniert werden, um einen Sinnzusammenhang herzu­ stellen. Dabei werden Brüche, die sich aus der oralen Erzähltradition ergeben, har­ monisiert oder als indirekte Kommentare produktiv gemacht. Gerade die Diversität der Muster verweist auf die hier zusammenlaufenden Traditionen und ihre Neukonfi­ guration.78 Die Adelger-Szene beispielsweise skizziert eine mündliche Kommunikati­ onssituation, in der dem Demonstrieren der Handlung größte Bedeutung zukommt. Sie zeigt darüber hinaus, welche Funktion die Erzählung hat und wie sie zu lesen ist. Strukturell ist die Episode zweigeteilt und lebt – typologisch – von der Überhöhung des jeweils ersten Teils. Im Vergleich zu der einhundert Jahre später entstandenen Weltchronik zeigt sich, dass die orale Erzählsituation an Bedeutung verliert. Die Weltchronik wird zunächst formal durch Weltalter und Weltreiche sowie Regierungszeiten und Todesjahre zusammengehalten, was auch sprachlich in immer gleicher Form ausgedrückt wird. Darüber hinaus ergeben sich im Text auf der Ebene des discours kohärente Bezüge und kontiguitäre Beziehungen durch Wiederholung von Motiven und Schemavaria­ tionen, aber auch durch wiederkehrende Themen. An der Textoberfläche sind diese Verhältnisse zudem durch ähnlichen Wortlaut und das Auftauchen gleicher Begriffe auszumachen. Neben den zeitlichen und politischen Gliederungsprinzipien (Reiche und Weltalter) wird ‚Sprache‘ als eine Kategorie verwendet, durch die als verbin­ dender Schlüsselbegriff Bezüge zwischen einzelnen Textbestandteilen hergestellt werden. Zu Beginn des Textes nimmt der Erzähler auf die babylonische Sprachver­ wirrung Bezug. Hier werden neben der ungerischen (v. 3.359), der riuzischen (v. 3.360), der bêheimischen (v. 3.361), der tiutsch[en] (v. 3.362), die kriechische (v. 3.363) und die heidenische (v. 3.364) Sprache benannt, die im ‚Sprachenspiegel‘ am Ende des Textes erneut auftauchen und in Rückbezug auf den Anfang der Erzählung, daz ze Babylôn in dem lant / stuont ein turn wol getân, / als ich iu vor gesagt hân (v. 27.358–60), bis hin zu dialektalen Eigenheiten des Deutschen ausdifferenziert werden. Für die Sprache der Juden findet der Autor in beiden Textteilen nahezu identische Formulierungen: Weltchronik, v. 3.380–90

Weltchronik, v. 27.381–86

der sprâch under den heiden was ein und sibenzic bekannt über al in der heiden lant. die juden habent ouch eine und ouch mê deheine: ebraisch ist si genant, wan sie got bî dem êrsten vant

dâ was ein zung under, die nenn ich iu besunder, diu was von jüdischer ê. sie hêten dhein zung mê. ir sprâch was ebraisch genant. in was nimêr sprâch bekannt.

78 Vgl. auch Stock: Kombinationssinn, S. 36.

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 Geschichte(n) in der Kaiserchronik

Die Textabschnitte korrespondieren inhaltlich und durch ähnlichen Wortlaut. Am Ende des Textes wird noch einmal die Perspektive des Anfangs, die heilsgeschicht­ liche Verortung, aufgenommen und bis in die christliche Zeit hinein fortgesetzt. Dabei wird eine Linie von den alten Völkern bis in die Zeit des Erzählers und die ihm bekannten Sprachen und Dialekte aufgemacht und der Fokus darauf gelenkt, dass in diesem Rahmen eine Weltgeschichte erzählt wird. Berührungspunkte sind zudem zwischen dem ‚Sprachenspiegel‘ und der Unterwerfung der deutschen Stämme durch Cäsar erkennbar. Mit Cäsar wird die Perspektive des Reiches eingenommen und dessen Ausdehnung beschrieben. Am Ende des Textes kann somit als ‚Erfüllung‘ eine genaue Charakterisierung der Leute, Swâben, Franken, Sahsen etc., und ihrer Eigen­ heiten stehen. Insbesondere an den benannten ethnographischen Passagen lassen sich inter­ textuelle Bezüge,79 als unmarkierte Zitation der Prätexte ohne weitergehende Tiefen­ struktur, zu Annolied und Kaiserchronik herstellen.80 Die Übersicht zeigt, in welcher Weise der Weltchronist die Kaiserchronik zitiert. Die Beschreibung in der Weltchronik ist wesentlich auf die etymologische Herleitung der Stämme und ihre genealogische Herkunft reduziert und gibt mit Blick auf die Welt eine knappe Skizze von den Erobe­ rungen Cäsars. Kaiserchronik

Weltchronik

v. 267–272 Juljus was ain guot kneht: er kêrte engegen Swâben; den tet er michel ungenâde. ze Swâben was dô gesezzen ain helt vil vermezzen, genant was er Prenne […]

v. 21.075–21.108 Dô kom der herr Julius ûf einen berc hiez Swerus und betwanc dâ von diu rîch vil gar gewalticlîch. nâch dem berg sint si Swâben gênant, als si noch hiut sint bekant, wan der berc Swerus hiez den namen er den Swâben liez. Franken unde Polân wart Juljô allez undertân, und vil mangez künicrîch

v. 287–305 sîn gezelt hiez er slahen dô ûf ain berch der heizet Swêrô: von dem berge Swêrô sint si alle gehaizen Swâbe,

79 Unter Intertextualität verstehe ich mit Genette die „effektive Präsenz eines Textes in einem an­ deren“. Gérard Genette: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe. Aus dem Franz. von Wolfram Bayer und Dieter Hornig. Dt. Erstausgabe. Frankfurt am Main 11993, S. 10. 80 Darüber hinaus tauchen in der Weltchronik Figurenzitate aus der Heldenepik auf (Dietrich von Bern und Ecke, v. 16.296f.) sowie direkte Übernahmen aus dem Werk des Strickers, aus den Liedern des Tannhäusers, aus Konrads von Würzburg Silvester etc. Vgl. die Zusammenstellung bei Strauch: Jansen Enikels Werke, S. XCV‒XCVII; zu den Zitaten aus Lied IV des Tannhäusers vgl. zuerst Johannes Siebert: Der Dichter Tannhäuser. Leben ‒ Gedichte ‒ Sage. Hildesheim; New York 1980, S. 143f.



Von der Kaiserchronik zu Jans von Wien 

Kaiserchronik

Weltchronik

ain liut ze râte vollen guot, — si sint ouh redespæhe genuoc —, di sih diche des fur nâmen, daz si guote reken wæren, wol vertic unt wol wîchaft. iedoh betwanc Juljus Cêsar alle ir chraft. Die Swâbe rieten Jûlîô, er kêrte ûf die Baire, dâ vil manich tegen inne saz. Boimunt ir herzoge was, sîn pruoder hiez Ingram. vil sciere besanten si ir man, in kom an der stunt vil manic helt junc mit halsperge unt mit prunne […]

betwanc er gewalticlîch mit vil ellenthafter hant; daz ist den Rœmærn bekant. der herr Julius machet guoten fride sus über al der Diutschen lant, wan swâ sîn gewalt wart erkant, dâ vorht man in vil sêr; des gewan er michel êr. Dar nâch fuor er zehant in daz werd Beierlant und betwanc den herrn dar inne, wan er hêt wîs sinne. er muost im swern an der stat. sînen namen sag ich iu drât: er was geheizen Boymunt, daz tuot uns daz buoch kunt; und sînen bruoder Ingram, den betwanc er âne scham, daz er im bôt sînen eit. daz was den herren niht leit. ich tuon iu daz von in bekant: si wârn ûz Ormenienlant geborn, die zwên frum man, die ich iu vor genent hân, Ingram und Poymunt. daz tuot daz buoch von in kunt.

v. 311–322 owî wie guote cnehte Baier wâren daz ist in den haidenisken buochen mære dâ liset man inne ‚Noricus ensis‘, daz kît ain swert Baierisc diu swert man dike durch den helm sluoc, dem liute was sîn ellen vil guot. Diu geslähte der Baiere her kômen von Armenje, dâ Nôê ûz der arke gie unt daz olzwî von der tûben enphie. ir zaichen noch diu arka hât ûf den bergen di dâ haizent Ararât

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In der Kaiserchronik führt Cäsar die Stämme des Reiches zusammen, was in Einklang mit dem Thema des Textes steht. In der Weltchronik werden zusätzlich Geschichten um wunderbare Völker (Plattfüßler, Einäugige) integriert, womit von der Reichsidee als zentralem Fixpunkt abgerückt und topisch die Beschreibung auf alle Phäno­ mene der sichtbaren Welt erweitert wird. Während in der Kaiserchronik das Reich als umspannende Klammer immer wieder auftaucht und damit die einzelnen Episoden aufeinander zu beziehen sind, fehlt dieser strukturelle Bezug in der Weltchronik. Die Überhöhung des Reiches im Sinne der Translatio imperii bleibt ausgeblendet, womit auch das typologische In-Beziehung-Setzen von Kaisern und ihnen beigestellten Heili­gen in der Weltchronik ausgeblendet bleiben muss. Hier existiert kein symboli­ scher Sinnbezug, da Geschichte auf der Ebene des sensus litteralis vermittelnd dar­ gestellt wird. Durch das Fehlen eben dieser umspannenden Reichsidee entsteht der

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 Geschichte(n) in der Kaiserchronik

Eindruck einer ‚losen Geschichtensammlung‘. Die Episoden sind untereinander nur durch die benannten Formalia, vorgegeben durch die Gattung, verknüpft. Kohärenz entsteht auch durch die Wiederholung von Konstellationen und Motiven. Dabei gibt es ‚blinde‘ Motive wie die herausgeschnittene Zunge der Frau des Cyrus oder der Zauberring in der Episode um Karl den Großen, die keine Funktion für die Geschichte besitzen. Diese laufen ins Leere und bilden poetisch in diesem Zusam­ menhang keine Alternative ab. Anders als in der Heldenepik, für die Armin Schulz diese Motive als „Störkeime“81 des Handlungsverlaufs beschrieb, die „nur eine Weile präsent gehalten und dann vom Fortgang der Handlung schlicht ignoriert und somit ‚vergessen‘ werden“82, zeigen die blinden Motive in der Weltchronik den Umgang mit literarischen Vorlagen, die nicht konsequente Homogenisierung der Vorlagen und ihre Integration in den Erzählfluss. Im Gegensatz dazu machen Scharnierstellen wie Rat­ geberszenen oder Briefe auf das narrative Verfahren aufmerksam. Wie in der Helden­ epik werfen sie Widersprüche auf. Da sie in der Weltchronik jedoch durch stringente Handlungsanweisungen und auch Erzählerkommentare entschärft werden, bleiben die Alternativen meist in der Erzählung stecken und sind nicht produktiv. Kohärenz und Inkohärenz der Erzählung deuten bei aller Ähnlichkeit von Motiven und Mustern in Kaiserchronik und Weltchronik die Verschiedenheit in der Komposition der Texte und die unterschiedliche Nutzung poetologischer Möglichkeiten durch den Autor an. Schemata werden in der Weltchronik, da ein höherer konstanter Sinnbezug wie das Reich fehlt, aufgebrochen und auf einen neuen Sinnzusammenhang transformiert (z. B. Crescentia). Dennoch ist es notwendig, die Schemata und Muster zu erkennen, um, da der Erzähler selbst keine Wertung vornimmt, Sinn zu erkennen. Aus dieser Perspektive sind die intertextuellen Anspielungen (direkte Zitate, unmarkierte Zitate, Übernahme gattungstypischer Motive und Schemata), wenn sie erkannt werden, pro­ duktiv und sinnkonstituierend.83 Insbesondere die Systemreferenz bzw. die Gattungs­ interferenzen brechen die Gattungskonventionen auf und schaffen Möglichkeiten für neue Wege der Sinnvermittlung und -aneignung. Die hier knapp skizzierte Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden beider Texte wirft Fragen nach ihrer Reihenzugehörigkeit und nach ­Reihenmerkmalen auf, die Gegenstand des folgenden Kapitels sein werden.

81 Schulz: Fragile Harmonie, S. 391. 82 Schulz: Fragile Harmonie, S. 391. 83 Vgl. auch Ariane Mhamood: Komik als Alternative. Parodistisches Erzählen zwischen Travestie und Kontrafaktur in den ‚Virginal‘ und ‚Rosengarten‘-Versionen sowie in ‚Biterolf und Dietleib‘. Trier 2012 (LIR 47), S. 27.

VI  Riskante Ordnungen 1  buoch, getiht oder korônike Ein Blick in den Prolog der Weltchronik konfrontiert den Rezipienten mit einer Vielzahl von Bezeichnungen, die der Erzähler für seinen Text verwendet. Von buoch (v. 41) und getiht (v. 83) ist hier die Rede, aber auch von einem buoch (v. 88) und einer korônike (v. 86), die beim Verfassen des Werkes Pate gestanden haben. Hinter dieser offenen Terminologie verbirgt sich zunächst keine eindeutige Reihenzuordnung, sondern Hin­ weise darauf, dass der Text für die Schriftlichkeit verfasst wurde. Mhd. getiht steht jedoch nicht nur für das, was dem Schreiber in die Feder diktiert wurde,1 sondern auch für das Erfundene, Wahrscheinliche, für ein fiktionales Erzählen. Damit deutet sich bereits jene dem Text inhärente Ambivalenz an, die den Rezeptionsprozess begleitet. In diesem Spannungsfeld zwischen historia und fabula bewegt sich der gesamte Text, der konzeptionell dem Aufbau mittelalterlicher Chroniken folgt.2 In vielen Episoden werden der Gattung der historia gemäß Geschichte(n) erzählt und Heilsgeschichte aus­ gelegt, dabei Erzählungen, die ins Fiktionale greifen,3 funktional eingebaut. Vor dem Hintergrund der Definition Isidors, der historia als narratio rei gestae, per quam ea, quae in praeterito facta sunt, dinoscuntur4 bestimmt, deutet sich die Abweichung der jansschen Darstellung bereits an und wird evident, da der Erzähler im Prolog formuliert, dass auch seine Vorbilder nicht aus den Reihen der Historiographen, sondern der Dichter stammen: der dar zuo ist alsô kluoc, daz dâ heizet tihten, nâch dem wolt ich mich rihten (Weltchronik, v. 96–98)

1 Vgl. Art. Gedicht, in: DW 4, Sp. 2013–2019, dort Sp. 2014. 2 Zur Diskussion um die Trennung zwischen historia und fabula vgl. grundlegend: Fritz Peter Knapp: Fabulae – parabolae – historiae. Die mittelalterliche Gattungstheorie und die Kleinepik von Jean Bodel bis Boccaccio, in: MJb 44 (2009), S. 97–117. 3 So resümiert auch Mathias Herweg: „Mit dem inzestuösen Reussenfürsten, mit dem Schwank um Noahs Sex-Tabu in der Arche, mit der jüdisch-apokryphen Erzählung vom hilfreichen Wurm Tamyr oder der Antilegende der namenlosen Päpstin (sonst bekannt als Johanna) betrat Jans daher zwar nie absolutes Neuland, dehnte aber den Rahmen des in der deutschen Chronistik von Rudolf bis Hartmann Schedel resp. Georg Alt Üblichen weit in die Domäne des Fabulösen, Narrativen, fast aus­ nahmslos Fiktiven und tendenziell Fiktionalen hin aus.“ Herweg: Erzählen, S. 19. 4 Isidor von Sevilla: Etymologiae I,41. Zum historia-Begriff vgl. grundlegend: Goetz: Geschichts­ schreibung, S. 98–106.

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 Riskante Ordnungen

Er benennt: ir tihter über tiutschiu lant oder swâ die tihter sîn bekant von dem mer hinz an den Rîn, die lâzen mich irn diener sîn, wan ich in den gedenken bin, daz ich die gefuog will von in lernen unde tihten; der gefuog wolt ich mich rihten. (Weltchronik, v. 101–108) Es sind die deutschen Dichter, die er als seine Vorbilder setzt und in deren Nachfolge er sich stellt. Damit signalisiert er, dass es ihm weniger um die Darstellung histori­ scher Fakten als vielmehr um seine literarische Kompetenz als Dichter geht. Entspre­ chend ordnet er sich in die Tradition seiner Vorgänger ein, deren Spuren er folgen will, obwohl er sich an eine ‚neue‘ Textsorte wagt. Bereits Laetitia Boehm hat durch ihre Auslegung des isidorschen historia-Begriffs deutlich gemacht, dass das Bewusst­ sein einer l i t e r a r i s c h e n Gattung, der Geschichtserzählung, bereits existierte, was auch die mittelalterlichen Autoren für ihre Sinndeutungen nutzten.5 Mit Jans’ von Wien Geschichte der Welt liegt eine Chronik vor, die bereits der Form nach unterschiedliche Gattungen zusammenbindet. Dies ist der mittelalter­ lichen Praxis nicht fremd.6 Es verweist vielmehr auf jenes komplexe Zusammenspiel von historia und fabula, das (im christlichen Sinne) der ‚Wahrheitsfindung‘ diente.7 Dabei sind es die Strategien der Literarisierung und umgekehrt der Historisierung, die

5 Laetitia Boehm hat drei Ebenen des historia-Begriffs beschrieben: die Erkenntnisweise des Ver­ gangenen als Darstellungstätigkeit, eine literarische Gattung, das reale Faktum. Vgl. Laetitia Boehm: Der wissenschaftstheoretische Ort der historia im früheren Mittelalter. Die Geschichte auf dem Wege zur Geschichtswissenschaft, in: Clemens Bauer [u.  a.] (Hg.): Speculum historiale. Geschichte im Spiegel von Geschichtsschreibung und Geschichtsdeutung. Festschrift Johannes Spörl. Freiburg; München 1965, S. 663–693, dort S. 672f.; vgl. dazu auch Goetz: Geschichtsschreibung, S. 98f. 6 Vgl. dazu auch Beate Kellner: ein maere will i’u niuwen. Spielräume der Fiktionalität in Wolframs von Eschenbach ‚Parzival‘, in: Ursula Peters; Rainer Warning (Hg.): Fiktion und Fiktionalität in den Literaturen des Mittelalters. Jan-Dirk Müller zum 65. Geburtstag. Paderborn; München 2009, S. 175–203, dort S. 175f. 7 Otto von Freising betont beispielsweise im Prolog der Gesta Frederici: Nec, sia plana historica dictione ad evagandum opportunitate nacta ad altiora velut philosophica acumina attollatur oratio, preter re eiusmodi estimabuntur, dum et id ipsum Romani imperii prerogative non sit extraneum rebus simplicioribus altiora interponere. Nam et Lucanus, Virgilius ceterique Urbis scriptores non solum res gestas, sed etiam fabulosas, sive more pastorum vel colonum summissius vel principum dominorumque orbis altius narrando, stilum tamen frequenter ad intima quedam philosophie secreta attingenda sustulerunt. Vgl. Otto von Freising: Cronica, Prologus, 12,2–11.



buoch, getiht oder korônike 

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Aussagen über zum Teil verborgene Sinnzusammenhänge ermöglichen. Als Erzäh­ lung von Geschichte, als series temporum, gehört die Weltchronik einerseits in den Bereich der historia, der Geschichtsschreibung. Durch die Ausformulierung in gebun­ dener Rede lässt sich andererseits die alte platonische Debatte um die Lügenhaftig­ keit der Dichtung nicht vollständig ausblenden. Dennoch ist die Form der gereimten Geschichtserzählung um 1300 kein Novum, ist es doch den Geschichtsschreibern von jeher gestattet, das Gesehene ästhetisch gestaltet zur Darstellung zu bringen, die Geschehnisse auszulegen, um Sinnvolles  – historia als magistra vitae  – zu vermit­ teln8 und Geschichte als ‚verarbeitetes Geschehen‘ darzulegen.9 Der in der Forschung gebräuchliche Terminus ‚Reimchronik‘ zitiert das vermeintliche Paradox, indem er implizit auf den antiken Vorwurf der lügenden Dichter verweist und den Texten kon­ sequente Wahrhaftigkeit abspricht. Nach den Vorgaben der antiken Gattungstheorie ist eine Chronik in Reimen – Geschichte in Versform – nicht zulässig, birgt doch die Verbindung der Gattungen stets die Gefahr, von der geforderten Wahrhaftigkeit his­ torischer Darstellung abzurücken. Die Weltchronik scheint aus der Perspektive des modernen Betrachters das Unvereinbare zu vereinen und zwischen die Gattungs­ grenzen zu geraten. Für die Vormoderne jedoch ist dieses scheinbare ‚Spiel‘ mit den Grenzen durchaus statthaft, muss doch nicht geglaubt werden, was nicht geglaubt werden will.10 Vor allem aber stehen das Geschehen, seine Erkenntnis und die Art der Darstellung im Mittelpunkt. Historia und fabula schließen sich damit nicht aus, dient doch letztere der Darstellung des Geschehenen. Die Erzählung der Geschichte in der Weltchronik produziert eine chronologisch geordnete Weltsicht. Um die Komplexität der Sinnebenen zu steigern, sind histori­ sche Exempla eingefügt, die in der Vergangenheit zu verorten sind. Dies zeigt sich daran, dass die meisten Protagonisten Namen historischer Personen tragen, aber von einem zum großen Teil typisierten Personal begleitet werden. Dass der Autor sich

8 Vgl. dazu einschlägig Fritz Peter Knapp: Historiographisches und fiktionales Erzählen in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, in: Ders.: Historie und Fiktion in der mittelalterlichen Gattungs­ poetik II. Zehn neue Studien und ein Vorwort. Heidelberg 2005 (Schriften der Philosophisch-Histori­ schen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 35), S. 15–39, dort S. 21. 9 Hans-Werner Goetz betont den Erkenntnisgewinn, der bereits der Darstellung von Geschichte eignet: „Das Mittelalter unterschied begrifflich also strikt zwischen den – durchaus aufeinander be­ zogenen – Aspekten der ‚Geschichte als Geschehen‘, nämlich den Ereignissen (res gestae) bzw. der Ereignisfolge (series rerum gestarum), und der ‚Geschichte als dargestelltem (verarbeitetem) Gesche­ hen‘ (historia), nämlich der Geschichtserzählung. In einem gewissen Sinn war folglich bereits dem mittelalterlichen Verständnis von Geschichte bewußt, daß erst die Darstellung ‚Geschichte macht‘ (eine Erkenntnis, die uns erst seit wenigen Jahrzehnten wieder ins Bewußtsein gerückt ist, ohne daß freilich dieser Spiegelungscharakter, die Vergangenheit mit den Augen der Gegenwart zu sehen, er­ kannt oder reflektiert worden wäre).“ Goetz: Geschichtsschreibung, S. 99. 10 Sonja Glauch hat Fiktion als das definiert, „was nicht geglaubt zu werden braucht. […] Sie re­ präsentiert ihren Inhalt erkennbar als den unwahren Sachverhalt, der er fast immer auch ist.“ Vgl. Glauch: An der Schwelle zur Literatur, S. 146f.

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 Riskante Ordnungen

seiner Methode (und der Gattungen) bewusst ist, signalisiert der Umgang mit den Quellen, die immer dann an Autoritäten gebunden werden, wenn es ums Faktische geht, andernfalls wird auf das Gehörte verwiesen. Das Changieren zwischen den Gattungen macht den Text aus, ist es doch Teil des Prozesses der „Gattungsum- und -neubildung“11, wie ihn Hugo Kuhn als Kennzeichen spätmittelalterlicher Literatur ausgewiesen hat. Neues wird, gedeckt durch das Alte, ausprobiert, so dass Geschichte zunächst der Form nach traditionell dargebracht, daneben bekannte Erzählmuster und -motive mit zusätzlichem Stoff angefüllt und variiert werden. So können die Erzählungen überraschende Wendungen nehmen, was als ein ‚riskantes Spiel‘ mit Form und Inhalt erscheint. Riskant ist dabei das Aufbrechen der Chroniktradition als chronologische Abfolge der Ereignisse und Zeiten, ihre zunehmende Literarisierung und die damit verbundene Einbindung überkommener Erzählmuster auf der Ebene des discours sowie ihre parodistische Aneignung. Riskant ist darüber hinaus  – auf der Ebene der histoire  – die sich wiederholende Überschreitung theologischer und ethischer Ordnungsvorstellungen. Das Personal der Geschichten, das aus historischen in fiktionale Zusammen­ hänge überführt wird, bewegt sich immer wieder außerhalb der ihm durch tradierte Erzählmuster vorgegebenen Bahnen. Die Überführung von geschichtlichen Ereig­ nissen und Personen in literarische Schemata führt zu Inkohärenzen. Nicht durch große Gesten verlassen die Figuren bekannte Wege, sondern durch kleinere Verfeh­ lungen (Noahs Sohn), extreme Wünsche (Nero, Achilles) oder ungewöhnliche Nei­ gungen (Friedrich  II.) werden sie zu skurrilen und schließlich komischen Figuren, deren Handlungen absurd erscheinen und nicht mehr in das Bild einer ‚seriösen‘ Geschichtserzählung passen. Erzählmuster werden variiert und Erzählungen, die Akzidenzen wiedergeben, parataktisch aneinandergereiht. Die Historizität der Prota­ gonisten tritt so weit zurück, dass beispielsweise einzig das Wissen darum, dass es einen vorbildlichen König Karl gab, ausreicht, um die Ambivalenzen in seinem Ver­ halten, die auf jeden Herrscher zutreffen können, als Regelverstöße zu identifizieren. Die Figuren fungieren in ihren im Text zugewiesenen Handlungskontexten. Es ist also mit Peter von Moos festzuhalten, dass nicht die historische Person im Mittelpunkt steht, sondern „allein ihre kontextuelle Bedeutung“12. Dabei wird das heilsgeschicht­ liche Syntagma nicht verlassen, auch das Ende der Geschichten bleibt gesetzt; einzig die Ereignisse, die auf die Figuren zukommen, scheinen von bekannten Konstella­ tionen abzuweichen und lassen sich auf den ersten Blick nicht in ein historisches Sinnganzes fügen. An diesen Bruchstellen zwischen faktischer Darstellung und (un-) wahrscheinlicher Erzählung bleibt Raum für die Interpretation des Erzählten durch

11 Kuhn: Aspekte des 13. Jahrhunderts, S. 42. 12 Peter von Moos: Geschichte als Topik. Das rhetorische Exemplum von der Antike zur Neuzeit und die historiae im ‚Policraticus‘ Johanns von Salisbury. Hildesheim [u. a.] 1988, S. 347, vgl. auch Pézsa: Studien zu Erzähltechnik, S. 23.



buoch, getiht oder korônike 

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das Publikum, Raum für die Bewertung, die der Erzähler nicht vornimmt. Die „Mime­ sis-Illusion“13, die durch die Figurenreden, die die berichtende Darstellung des aukto­ rialen Erzählers unterbrechen, hervorgebracht wird, bindet das Publikum als ‚bewer­ tende‘ Instanz zusätzlich ein und tilgt „die letzten Spuren der narrativen Instanz“14. In der Chronik werden seriell Handlungssequenzen aneinandergereiht, die mit­ einander verknüpft sind. Diese lassen aber auf keine übergeordnete Symbolstruktur schließen. Historisch bezeugte Akteure werden zum Personal von Geschichten, die strukturell in das universalhistorische Programm integriert bleiben. Der gesamte Text ist aus Fragmenten unterschiedlicher Herkunft kombiniert und scheinbar kohä­ rent zusammengesetzt. Die Erzählungen tragen vordergründig weder Züge biogra­ phischen noch genealogischen Erzählens. Da der Fokus immer auf dem Herrscher und seinen Taten liegt, handelt es sich um ein legendarisches Erzählen, das keine Genese beschreibt, sondern parataktisch Begebenheiten aneinanderreiht. In den epi­ schen Handlungssequenzen geht es um Themen wie Liebe, Herrschaft, Recht, Wissen und Religion im Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft  – Themen, die sich aus Motiven des höfischen Romans speisen und Ausweis eines produktiven Umgangs mit der literarischen Tradition sind.15 Entsprechend lassen sich viele impli­ zite Verweise auf Gottfrieds Tristan finden, scheint doch dieser Text spätestens in den Ehebruchsszenarien wieder auf. In der Geschichte um den persischen Herrscher Cyrus (v. 18.357–923) werden bei­ spielsweise verschiedene Motive aus dem höfischen Roman miteinander verbunden, um das Porträt zu zeichnen. Die Erzählinstanz sieht sich als Replikator einer literari­ schen Tradition und verweist auf die pfaffen (v. 18.362) und auf daz buoch (v. 18.400). Cyrus, mit dem auf Kyros II. von Persien angespielt wird, erscheint als hôhe[r] künig (v. 18.358), der Babylon besiegt und den Götzenglauben niederschlägt. Weitere Infor­ mationen zum Kontext oder zur Biographie des Herrschers fehlen. Im Anschluss daran geht es um besondere Gewohnheiten des Herrschers, die in zwei aneinander gekop­ pelten Episoden dargestellt werden, bevor Cyrus der Amazonenkönigin zum Opfer fällt und durch einen jungen ritter lobesam (v. 18.882) enthauptet wird. In der ersten Geschichte stehen Mordplan, Substitution und Täuschung im Vordergrund – Motive, die in Gottfrieds Tristan (v. 12.725f.) vorkommen und auch in Grimms Märchen wieder auftauchen. Im Tristan ist es Brangäne, die enthauptet und der als Spiegelstrafe

13 Genette: Die Erzählung, S. 117. 14  Genette: Die Erzählung, S. 123. 15 Mathias Herweg hat darüber hinaus auf den Zusammenhang zwischen höfischer Bibel- und Ge­ schichtsepik und den volkssprachlichen Chroniken hingewiesen: „In der (vor-)höfischen Bibel- und Geschichtsepik scheinen überdies das sprachlich-stilistische und formale Profil und die narrativen Varianten vorgeprägt, hierher rühren die ‚mediaevalisierte‘ Konzeption biblisch-antiker Figuren und Konstellationen, der zurückgenommene Ornat in der historischen Erzählung bei zugleich hohem poe­ tischen Anspruch in den autoreferenziellen Passagen oder die Neigung zur Auflockerung des Bericht­ stils durch Dialog und Figurenrede.“ Herweg: Erzählen, S. 2.

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 Riskante Ordnungen

die Zunge herausgeschnitten werden soll. Jedoch erbarmen sich die mit dem Mord beauftragten Knechte, binden Brangäne hôhe ûf einen boum (v. 12.866) und bringen Isolde als Substitut die Zunge eines Hundes. In der Cyrus-Geschichte soll die Frau des Königs getötet werden, da sie von ihm ein Kind erwartet. Aus Angst, die Frauen seien nach der Empfängnis enwiht (v. 18.503) und um den Verkehr mit anderen Männern zu vermeiden, lässt er sie töten. Auch hier bittet die Frau im Wald um ihr Leben, wird auf einen Baum gesetzt und statt ihrer die Zunge des Jagdhundes herausgeschnit­ ten. Als Zeichen der Verschwiegenheit funktioniert die Zunge in dieser Geschichte nicht mehr, ist also handlungslogisch ihrer Funktion enthoben, da die Frau nicht wegen ihres Wissens oder Redens bestraft wird. Das Motiv wurde adaptiert, jedoch nicht in den neuen Kontext eingebunden. Es bleibt blind und weist auf „potentielle Störungen“16 im Handlungsverlauf, die nicht ausgeführt werden. Sie stehen für die nicht auserzählte ‚Alternative‘, hier allerdings weniger für die „Auseinandersetzung mit einem kollektiven Sagenwissen“17 als vielmehr für die Auseinandersetzung mit der literarischen Quelle. Die Motive, die unmotiviert scheinen, sind stärker Relikte einer mündlichen Erzähltradition, in denen ihnen als ‚Textmarker‘ Erinnerungsfunk­ tion zukommt, denn sie weisen auf Scharnierstellen hin. Da diese Funktion in einem für die Schriftlichkeit konzipierten Text weitestgehend verloren ist, sind sie in der Weltchronik als Zeichen der Inkohärenz des Textes zu lesen, die durch das Überführen von historischen Ereignisfolgen in literarische Bedingungen entsteht.18 In der Cyrusgeschichte wird die Frau schließlich mit Hilfe des Verwalters, der sie töten sollte und im Wald versteckt hält, rehabilitiert. Er schiebt sie dem König, als dieser Lust nach minne verspürt, unter, und der König erkennt, dass seine Bedenken gegenüber einer Gebärenden unbegründet waren. An diese erste, zunächst abgeschlossene Episode schließt sich eine zweite an, in der es um das Bartscheren des Königs geht. Beide Handlungssequenzen sind anein­ ander gebunden, da die Frau des Königs noch in der Schuld ihres Retters steht und sie nun selbst zur Retterin wird. Die zweite Gewohnheit des Königs besteht darin, dass er seine Barbiere tötet, sobald sie ihn rasiert haben. Diese Aufgabe kommt nun dem Verwalter zu, der nach Erhalt seines Auftrags der Königin sein Leid klagt. Diese ent­ lockt in einem ‚Schlafkammergespräch‘ (Lucretia, Tristan) ihrem Mann das Geheim­ nis seiner Rasur und kann so den Verwalter retten. Im Mittelpunkt beider Teile steht der ‚willkürliche Herrscher‘, der belehrt wird und von seinen grausamen Gewohnheiten lässt. Er wird von den Frauen bezähmt und fällt ihnen am Ende zum Opfer. Obwohl er seinen Taten nach zornvar (v. 18.638) ist, wird er als Bezwinger Babylons eingeführt und als guter Richter bezeichnet. Der Erzähler nimmt keine Wertung vor. Die Wertung Cyrus’ erschließt sich durch die Dar­

16 Schulz: Fragile Harmonie, S. 392. 17 Schulz: Fragile Harmonie, S. 392. 18 Vgl. Kap. V.



buoch, getiht oder korônike 

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stellung seines Handelns in literarischen Mustern. Die Erzählung besteht aus ver­ schiedenen Motiven (Verstoßung der Frau, Bekehrung des Mannes) aus höfischem Roman und Heldenepik, die zu einem Herrschaftsporträt zusammengefügt werden. Die Handlungslogik weist jedoch Brüche auf. Es entsteht eine Geschichte, die, da sie weitestgehend von der historischen Faktizität gelöst ist, nur schwer in eine chronisti­ sche Darstellung einzugliedern ist. Die Geschichte im Ganzen erscheint als „narrative Wucherung“, wie sie Armin Schulz für den höfischen Roman des 13. und 14. Jahr­ hunderts beschrieben hat.19 Die Heterogenität des Textes deutet sich bereits im Prolog der Weltchronik an, wenn der Erzähler davon spricht, dass er zwar über die Geschichte Roms nach dem Vorbild einer korônike berichten will, sein Vorbild dafür jedoch die deutschen Dichter seien. Das ‚Spiel mit den Gattungen‘, das Schwanken zwischen den Formen, machen die Komplexität des Textes aus. Chroniken wie die des Jans von Wien, so betonte JanDirk Müller an anderer Stelle, folgen „Mustern, wie sie in literarischen Fiktionen ausgebildet wurden“20, füllen damit aber Geschichtsschreibung aus. Während die historia den Rahmen vorgibt, greifen die erzählten Geschichten in den Bereich des Wahrscheinlichen aus. Der Tradition gemäß folgt der Erzähler der Heilsgeschichte. Im Text aber steht es ihm frei, dieses auszudeuten. Von Cyrus bleibt das Bild eines willkürlichen archaischen Herrschers, der schließlich auf Befehl einer Frau durch die Hand eines jungen Ritters besiegt wird. Der Autor setzt Fiktionen funktional ein, um die Figur des Herrschers zu zeichnen. Der aufmerksame Rezipient muss mit Erzählschemata und -motiven vertraut sein, um die Chronik nicht nur als Kompendium unmöglicher Erzählungen zu lesen und die Bewertung zu verstehen, die sich aus den Nahtstellen des Textes ergibt. Anders formuliert: Das scheinbare Chaos ergibt eine Ordnung, wenn die Ordnung der verkehrten Welt entschlüsselt wird. Damit wird das eigentliche Prinzip des Geschicht­ lichen  – die Ordnung  – Thema der Chronik. Und schließlich ist jene Ordnung erst an ihren Bruchstellen wahrnehmbar.21 Beide bedingen einander und sind in ihrer beziehung konstitutiv für die Existenz der Welt und deren Erkenntnis. Wechsel­ Geschichtsschreibung, auch Literaturgeschichtsschreibung, gar jedes Erzählen stellt eine (individuelle) Ordnung her, die Sinn produziert.22 Erzählen, auch wenn es im Mittelalter an rhetorische Vorgaben gebunden war, ist nicht zuletzt ein zelen, Auf­

19 Schulz: Poetik des Hybriden, S. 125. 20 Müller: Literarische und andere Spiele, S. 87. 21 Vgl. Foucault: Archäologie des Wissens, S.  22; Grubmüller: Die Ordnung, der Witz und das Chaos, S. 1f. 22 Vgl. Udo Friedrich: Diskurs und Narration. Zur Kontextualisierung des Erzählens in Konrads von Würzburg ‚Trojanerkrieg‘, in: Jan-Dirk Müller (Hg.): Text und Kontext. Fallstudien und theoretische Begründungen einer kulturwissenschaftlich angeleiteten Mediävistik. München 2007 (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 64), S. 99–122, dort S. 101.

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zählen von Fakten und Begebenheiten, schlicht eine Abfolge.23 Indem die rhetori­ schen Muster eingehalten werden, wird eine Erzählordnung befolgt. Mittelalterliches Erzählen hält sich an Prinzipien und Muster.24 Diese werden im Einzelnen befolgt und wiederholt: Trieb, Gewalt, Paarbeziehungen, Vergehen sind typische Erzählmuster, die in den einzelnen Gattungen, im Märe, in der Chronistik, im höfischen Roman, in zahlreichen Varianten vorliegen. Diese Muster hat Jans von Wien für seine Darstellung von Geschichte adaptiert. Geschichte wird so fingiert, wobei der Autor weder den Vorgaben der Geschichts­ schreibung noch denen der Erzählung konsequent folgt. In dieser Verquickung liegt das innovative Potential des Textes.25 Lange vor Boccaccio versucht der Autor ein Erzählen, das durch die Verbindung verschiedener Erzählelemente und Mischung von Gattungen traditionelle Wege verlässt. Sowohl auf erzähl- und gattungstheoreti­ scher als auch auf inhaltlicher Ebene versucht diese Chronik am Ausgang des 13. Jahr­ hunderts etwas Neues, indem sie sich von den Vorgaben der Historiographie löst und keine „Verbindlichkeit“26 eingeht.27 Sie eröffnet dem aufmerksamen Leser die Mög­ lichkeit, der bestehenden Ordnung distanziert zu begegnen. Der Weltchronik-Autor entwarf einen Text unter der Vorgabe der Geschichtsschreibung. Diese vorgegebene Ordnung der Geschichte wird brüchig, wenn sie in eine literarische Ordnung über­ führt wird.

23 Wiener Genesis, v. 6; Art. Zahl, in: DW, Bd. 31 (1984), Sp. 36–41, dort Sp. 36. 24 Vgl. Schulz: Erzähltheorie, S. 159–291. 25 Auf die Innovativität Jans’ weist auch Raymond Graeme Dunphy am Ende seiner Studie über die Geschichten des Alten Testaments in der Weltchronik hin: „Both in the selection of material and in the often radical reworking of motifs, Enikel proves a highly innovative writer. His poor reputation among scholars of the first half of the 20th century originates with Strauch’s somewhat anachronistic charge of a lack of historical rigour. Frequently it is precisely at those points where Strauch criticizes him for sloppy workmanship that we in fact see a creative process of some complexity.“ Dunphy: Daz was ein michel wunder, S. 311. 26 Ich beziehe mich hier auf Herweg: Wege zur Verbindlichkeit. 27 Diese These ist in Teilen mit Blick auf die Rezeption der Einzelerzählungen, die in der Weltchronik Jans’ auftauchen, zu stützen. Hier zeigt sich, dass Versatzstücke aus der Weltchronik freilich vor allem in den Weltchronik-Kompilationen, die der Vermittlung historischen Grundwissens dienten, erschei­ nen. Überdies fällt auf, dass zumindest einige Episoden wie etwa die um ‚Vergil im Korb‘ oder die ‚Rache Vergils‘ im Meistersang oder in den Schwänken Hans Sachs’ rezipiert werden bzw. als eigen­ ständige Erzählungen kursieren. Zum Überblick vgl. Worstbrock: Virgil im Korb; Schanze: Von Vir­ gilio dem Zauberer; Kap. III.1.2. So wird etwa die Episode um die ‚Tochter des Reussenkönigs‘ aus der Weltchronik im 15. Jahrhundert aufgegriffen und erscheint in einer 1475 von Caspar Wabrer geschrie­ benen Prosa-Version, München, BSB, Cgm 521. Vgl. dazu Kiening: Die Königstochter von Reußen. Überdies werden die Erzählung um Karls Nekrophilie oder die Neigungen Friedrichs II. im Novellino erzählt. Eine Studie zur Rezeption der Weltchronik und des Fürstenbuches ließe sich hier anschließen.

Reihendiskussion 

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2  Reihendiskussion Die Frage nach der Reihenzugehörigkeit der gereimten volkssprachigen Chroniken resultiert aus einem Klassifizierungsbedürfnis, dem Genüge zu leisten, aufgrund seiner bloßen Konstruiertheit nicht immer einfach ist.28 Methodisch wird mit dieser Frage ein Komplex berührt, der am maere ausführlich diskutiert wurde und an dem die Schwierigkeiten, historische und systematische Aspekte der Deskription festzule­ gen, exemplifiziert wurden.29 Davon ausgehend, dass der Gattungsbegriff eine Syste­ matisierungshilfe für die Erfassung von Veränderungen literarischer Formen bietet, soll im Folgenden nach prägnanten „Merkmalsstrukturen“30 und ihrer Veränderung gefragt werden. Jedes Ordnen, so lässt sich allgemein sagen, legt Grenzen fest und marginalisiert bedeutsame Zwischenräume. Klaus Grubmüller hat sich auf der Grundlage einer umfangreichen Forschungsdiskussion mit dieser Problematik beschäftigt und vorge­ schlagen, dass über die Gattungszugehörigkeit eines Textes danach zu entscheiden sei, ob dieser an der Tradition seiner Gattung teilhat, die sich aus der Teilhabe zu einer literarischen Reihe ergibt, die der Gattungsname bezeichnet.31 Die von ­Grubmüller vorgeschlagene Annahme einer literarischen Reihe lässt Übergänge zu, so dass sich auch die Kriterien, die zu Beginn derselben bestehen, an ihrem ‚Ende‘ geändert haben können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Gattungen einzig Hilfskonstrukte sein können, die Unterstützung dabei leisten, Literatur zu organisieren, um unter der Prämisse von Kontinuität und Wandel einen vernünftigen diachronen Überblick zu

28 Auf die umfassenden Arbeiten zu Gattungen, ihrer Geschichte und ihren Grenzen sei hier nur am Rande verwiesen. Vgl. grundlegend Grubmüller: Gattungskonstitution im Mittelalter; Ders.: Das Groteske im Märe als Element seiner Geschichte. Skizzen einer historischen Gattungspoetik, in: Walter Haug; Burghart Wachinger (Hg.): Kleinere Erzählformen des 15. und 16. Jahrhunderts. Tübingen 1993, S. 37–54; Knapp: Fabulae – parabolae – historiae; Dorothea Klein: Durchbruch einer neuen Gattung: Volkssprachige Weltchroniken bis 1300, in: Christa Bertelsmeier-Kierst; Chris­ topher J. Young (Hg.): Eine Epoche im Umbruch. Volkssprachliche Literalität 1200–1300, Cam­ bridger Symposium 2001. Tübingen 2003, S. 73–90. 29 Vgl. Klaus Grubmüller: Prinzipien einer Geschichte des Märe (der europäischen Novellistik), in: Michael Dallapiazza; Giovanni Darconza (Hg.): La novella europea: origine, sviluppo, teoria; atte del convegno internazionale Urbina, 30–31 maggio 2007. Roma 2009, S. 9–24; Hanns Fischer: Studien zur deutschen Märendichtung. Tübingen 21983; Jan-Dirk Müller: Noch einmal: Maere und Novelle. Zu den Versionen des Maere von den ‚Drei listigen Frauen‘, in: Alfred Ebenbauer (Hg.): Philologische Untersuchungen gewidmet Elfriede Stutz zum 65. Geburtstag. Wien 1984, S. 289–311; Joachim Heinzle: Kleine Anleitung zum Gebrauch des Märenbegriffs, in: Klaus Grubmüller [u. a.] (Hg.): Kleinere Erzählformen im Mittelalter. Paderborner Colloquium 1987. Paderborn [u.  a.] 1988, S. 45–48; Ders.: Altes und Neues zum Märenbegriff, in: ZfdA 117 (1988), S. 277–296. 30 Joachim Heinzle: Mittelhochdeutsche Dietrichepik. Untersuchungen zur Tradierungsweise, Überlieferungskritik und Gattungsgeschichte später Heldendichtung. München 1978 (MTU 62), S. 94. 31 Vgl. Grubmüller: Gattungskonstitution im Mittelalter, S.  200f.; Ders.: Die Ordnung, der Witz und das Chaos.

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erlangen. Die mittelalterliche volkssprachliche Literatur kennt keine Gattungspoe­ tik, bewegt sich dennoch in der Spannung zwischen ihrer historischen Bedingtheit, ihrem gesellschaftlichen Kontext und der darin eingebundenen Reflexion in der Poetik. Sowohl die lateinische als auch die volkssprachliche Chronistik haben durch ihr spezifisches Gemachtsein eine Nähe zur Dichtung. Die Autoren nutzen unter­ schiedliche Möglichkeiten, um das Wirken Gottes in der Welt in der Erzählung von Heils- und Weltgeschichte selbst auszulegen, auch mit dem Anspruch, zu unterhalten und Wissen zu vermitteln. Damit ist zugleich eine ästhetische Dimension verbunden, die der historiographischen Form eine Affinität zur Fiktionalität zuspricht, die in den Beispielen unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Chroniken sind unter dieser Prä­ misse nicht per se wahrheitsvermittelnde Texte, sondern deutlich in den Bereich der geschichtserzählenden Texte, die dem ‚Fiktionsvertrag‘ unterliegen,32 zu verorten. Auch wenn der mittelalterliche Geschichtsschreiber historia vermittelt, ist seine Wahrheit an der christlichen orientiert, da die Offenbarung im Christentum Geschichte geworden ist. Die Augenzeugenschaft des antiken Historikers, sein `ιςτορέω33 – ich sehe und erzähle – bezieht sich in der volkssprachlichen Chronistik vordergründig nicht mehr auf die reale Zeugenschaft, sondern auf das Zeugnisgeben, das vermittelt sein kann. Wahrheit wird hier nicht mehr nur über das Gesehenhaben, sondern auch über das Gelesene oder Gehörte produziert, was den Quellenverweis deutlich auf­ wertet. Der Chronist sieht sich im Dienst der Geschichte: Er soll die göttlich gewirkte Geschichte und die Abfolge der Zeiten wiedergeben, dabei das historische Geschehen erfassen,34 darüber hinaus Einblicke in das rechte Leben, die Gesetze der Sitten und Tugenden geben.35 Die Dinge, an denen er sich dabei orientiert, sind jene Kategorien, die für das Lesen im ‚Buch der Natur‘ notwendig sind: persona, negotium, tempus und locus.36 Das Wie seiner Darstellung steht ihm frei. Die Historie dient dem Zeugnis der Zeiten, der Erinnerung an das Leben, der Vermittlung des Alten und Gewesenen, wobei der Blick auf Erfahrung und Erkenntnisse früher Handelnder zur Belehrung in der Gegenwart beitragen sollte. Geschichte dient der Bekämpfung von Unwissenheit, der Darstellung lobenswerter Taten, vor allem aber der Reflexion der kosmischen

32 Vgl. Umberto Eco: Im Wald der Fiktionen. Sechs Streifzüge durch die Literatur. München; Wien 1994, S. 103. 33 Herodot: Historien, II,99. Zitiert nach: Herodot: Historien. Griech. / Dt. 2 Bde., hg. von Josef Feix. Zürich 21997. 34 Vgl. Karl Heinrich Krüger: Die Universalchroniken. Turnhout 1976 (Typologie des sources du moyen âge occidental 16); Gerhard Wirth: Chronik. A. Spätantike, in: LexMA 2 (1983), Sp. 1955f., dort Sp. 1955; Gert Melville: Wozu Geschichte schreiben? Stellung und Funktion der Historie im Mittel­ alter, in: Reinhart Koselleck (Hg.): Formen der Geschichtsschreibung. München 1982 (Beiträge zur Historik 4), S. 86–146, dort S. 89. 35 Vgl. Melville: Wozu Geschichte schreiben?, S. 96. 36 Vgl. Hugo von St. Viktor: Didascalicon VI,3.

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Ordnung.37 Dies nicht zuletzt, da die Veränderbarkeit der irdischen Dinge in einer Abfolge zur Darstellung gebracht wird, gerade um in der Wahrnehmung der volubilitas sich von dieser zu lösen und die einheitliche Ordnung des Gesamtkosmos zu transzendieren. Auch dies ist eine Antwort auf die eingangs zitierte Feststellung, dass aus der christlichen Offenbarung keine gesellschaftliche Ordnung folgt. Demnach wird hier eine Ordnung der Zeiten vor- und in ihren Defiziten wahrgenommen, die die imaginatio des Eigentlichen erst ermöglicht. Diese Frage nach der Veränderbarkeit des irdischen Daseins lässt die Betrachtung ontologischer Grundbedingungen und die Annahme der Welt als Lebensraum erst zu. Dieser muss nach dem Sündenfall als defizitär verstanden werden, so dass alles Nachfolgende zu einer Geschichte des Scheiterns verurteilt ist. Von hier aus ergibt sich der Zusammenhang von intellectus, ratio und vis animae, deren Zusammenspiel von Innen nach Außen Erkenntnis des Mikro- und Makrokosmos ermöglicht. Die Aneinanderreihung von Fehltritten ist der Gegenstand der Weltchronik, so dass ein grundsätzliches Abarbeiten der irdischen Geschichte in zahllosen Beispie­ len dieses Prinzip immer wieder vor Augen führt. Gleichzeitig ergibt die Geschichte der Unordnung eine Geschichte der Ordnung, die sich vor dem Hintergrund des Irdi­ schen erhebt. Dass Geschichte ausgelegt werden müsse, wurde in der mittelalterlichen Historio­ graphie vielfach betont.38 Die Exegese diente der inneren Erbauung und mit Blick auf die Ordnung der Seele der Erkenntnis der Ordnung der Welt, um Einblick in den gött­ lichen Heilsplan zu erlangen. Der wahrheitsbekundende Charakter der Geschichts­ schreibung als Voraussetzung für eine sinnvolle Auslegung muss dennoch in einem Werk infrage gestellt werden, das grundsätzlich diese vorgegebene Struktur in die Fiktion aufbricht. Vor diesem Hintergrund steht schließlich die irdische Ordnung generell zur Diskussion, insofern sie zunächst den Bezug zur höheren Wahrheit ent­ behrt. Dieser ist nur durch seine Verankerung im mittelalterlichen Ordo-Denken her­ zustellen, so dass der Prozess der Auslegung auf den Rezipienten übertragen ist. Nach der Einteilung von Anna Dorothea von den Brincken werden die Chro­ niken mit einem größeren erzählerischen Anteil in einer eigenen Gruppe zusam­ mengefasst. Sie differenziert drei verschiedene Typen: die series temporum, die chronologisch ausgerichtet sind, die erzählenden mare historiarum und schließlich die enzyklopädischen Imagines mundi.39 Ob einige dieser Texte erzählender sind

37 Bei Otto von Freising heißt es: Sed antequam tuorum gestorum seriem attingam, de avo, patre patruoque tuo quedam summatim prelibare cogitavi, ut, sic quasi quodam filo narrationis descendens, per clara clariora, que de tua persona dicenda fuerint, appareant. Vgl. Otto von Freising: Chronica, Prolo­ gus 11 / 12,28-31. 38 Vgl. Goetz: Geschichtsschreibung, S. 101f. 39 Vgl. von den Brincken: Lateinische Weltchronistik, S. 47, 58, 69f.; Dies: Mappa mundi und Chro­ nographia. Studien zur ‚Imago mundi‘ des abendländischen Mittelalters, in: DA 24 (1968), S. 118–186, dort S. 125f.

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als andere, scheint kein sinnvolles Kriterium. Alle beinhalten ihre spezifische Kon­ struktion der Welt. Sie entwerfen mit unterschiedlicher Ausrichtung eine literari­ sche Ordnung und haben einen fiktionalen bzw. ästhetischen ‚Anteil‘, folgen aber in jedem Fall einem bestimmten Darstellungsstil. Entsprechend sind nach Vorgabe der antiken Rhetorik Dichter und Geschichtsschreiber nicht voneinander zu trennen, da sich beide der narratio bedienen und sich einzig durch ihren Stoff unterscheiden. Ein ähnlicher Ansatz liegt den Diskussionen in der Geschichtswissenschaft seit Hayden White zugrunde.40 Fritz Peter Knapp hat die Frage nach den Fakten in der Fiktion bzw. dem Fik­ tionalen in der Geschichtsschreibung, die noch immer sowohl literatur- als auch geschichtswissenschaftliche Arbeiten beschäftigt, mit dem Verweis auf die antike Tradition der Geschichtsschreibung beantwortet.41 Er betont, dass die Geschichts­ schreiber (wie Sallust, Otto von Freising, Lucan etc.) einen „deutlichen ästhetischen Anspruch weit über die Faktenvermittlung hinaus“42 erheben. Die Autoren bearbei­ ten historischen Stoff mit einer literarischen Methode. Genau dies ist für die Chro­ nisten zutreffend, die sich an historischen Fakten und Personen abarbeiten und sich ästhetischer Mittel bedienen. Entsprechend geht es auch dem Publikum nicht darum, ‚wahre‘ historische Informationen im Sinne eines ‚So ist es gewesen‘ abzuleiten, sondern vielmehr die Figuren nach ihren Handlungen zu betrachten und nach der Sinnhaftigkeit der Gesamtkonzeption der Chronik zu fragen. Demnach kann es keine Rolle spielen, ob die Geschichten von Diokletian, Karl dem Großen oder Friedrich II. wahr oder falsch sind, sondern vielmehr, wie sie warum erzählt werden und was sie hinsichtlich der Gesamtkomposition vermitteln wollen. Die volkssprachliche Chronistik des Spätmittelalters bedient sich der Gattungs­ signale der historia und für ihre Deutung von Welt gleichermaßen fiktionaler Geschich­ ten, die spätestens seit Cicero Lehren für vorbildhaftes Verhalten vermitteln sollten.43 Der Chronist sieht sich im Dienst der Wahrheit, einer vorgegebenen Wahrheit, wobei die Geschichte eine ihrer Erscheinungsformen ist. Über diese kann gesprochen, sie kann erzählt und ausgelegt werden. In welche Richtung dies geschieht, sagt etwas über die Möglichkeit aus, Welt zu sehen. Insofern ist Fiktionalität als Hilfsmittel, um über Wahrheit zu reden, gesetzt. Wahrheit und Faktizität treten in den Hintergrund, wenn die Auslegung das Entscheidende ist. Und schließlich bleibt Gott der Garant für

40 Vgl. Einleitung. 41 Vgl. Knapp: Historie und Fiktion. 42 Knapp: Historie und Fiktion, S. 17. 43 Grundlage bildet hier die Diskussion von Walter Haug und Fritz Peter Knapp um Wahrheit und Fiktion. Vgl. Fritz Peter Knapp: Erzählen, als ob es Geschichte sei. Antifiktionalität und Geschichts­ theologie im ‚Prosa-Lancelot‘, in: Ders.: Historie und Fiktion in der mittelalterlichen Gattungspoetik. Heidelberg 2005 (Schriften der Philosophisch-Historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 35), S. 169–190; Walter Haug: Die Entdeckung der Fiktionalität, S. 142f.

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die endgültige Wahrheit, auf den sich die Chronisten zurückziehen können. Dies wird besonders in ihrem Umgang mit den Quellen deutlich.44 Die Bezeichnung ‚Reimchronik‘, wie sie bislang von der Forschung für volks­ sprachige Chroniken des 12. bis 14. Jahrhunderts vorgeschlagen wurde, grenzt ein bestimmtes Textcorpus ab. Sie sagt aber nichts über die Art des Erzählens oder über die Konzeption der Texte aus. Vielmehr provoziert die Betonung des Reimes in der Reihenbezeichnung den Verdacht des Historikers, die vielfach beschworene Wahr­ haftigkeit der Texte sei zugunsten der Versform eingeschränkt. Die so genannten ‚Reimchroniken‘ zeichnen sich, wie schon mehrfach erwähnt, durch ihre spezifische Art der Darstellung aus, in der Episches, Legendarisches und Historisches miteinan­ der verbunden wurde. Die literaturgeschichtliche Geringschätzung hat dazu geführt, dass sie lange Zeit an den Rand des Corpus der Chroniken gedrängt wurden. Der allgemein anerkannten Bestimmung Isidors zufolge fügen Chroniken vorhan­ dene Nachrichten über die Abfolge der Zeiten zusammen und geben diese geordnet wieder.45 Siccard von Cremona ging noch einen Schritt weiter, indem er die exem­ plarische Auswahl jeder Darstellung berücksichtigte.46 Chroniken, so die Beschrei­ bung, wurden in den meisten Fällen von nur einem Autor verfasst, sind für einen weiten Leserkreis bestimmt und streben mit einem heilsgeschichtlichen Fokus nach universaler Breite.47 Res gestae gehören ebenso dazu wie Chroniken, die die Gescheh­ nisse diachron und mit teilweise lehrhaftem Charakter wiedergeben. Als wesentliches Kennzeichen gilt, dass die Zeitspanne vom Beginn der Schöpfung bis in die Gegen­ wart des Autors behandelt wird, mit dem Ziel, heils-, welt- und je nach Interessen­ schwerpunkt des Autors auch lokalgeschichtliche Ereignisse abzubilden. In die Reihe ‚Chronik‘ gehören demnach Texte, deren jeweiliger Schwerpunkt (Ausrichtung auf einen Ort, eine Zeit, eine Person) unterschiedlich sein kann. Diese allgemeinen gat­ tungskonstituierenden Merkmale sind auf alle Chroniken anwendbar. Unterschiede ergeben sich inhaltlich durch die Schwerpunktsetzung auf einzelne Themen oder sti­ listisch durch die jeweilige Gestaltung, wodurch sich nicht zuletzt die volkssprachli­ chen Reimchroniken abgrenzen lassen. Der Begriff ‚Reimchronik‘ ist für die volkssprachlichen Texte aus Sicht ‚des Einge­ weihten‘ zutreffend, wenn die antike Bedeutung des Reimes, seine Zeugniskraft für die Dichtung, mitgedacht wird. Dann steht der Terminus für gedichtete – erdichtete –

44 Vgl. Kap. I.4.3. 45 Vgl. Isidor von Sevilla: Etymologiae V,28: chronica Graece dicitur quae Latine temporum series apellatur, qualem aput Graecos Eusebius Caesariensis episcopus edidit, et Hieronymus presbyter in Latinam linguam convertit. 46 Vgl. Siccard von Cremona: Cronica, hg. von Oswald Holder-Egger, in: MGH SS 31. Hannover 1903, S. 79, dort heißt es: […] cronicam id est temporalem narracionem ab exordio mundi temporibus et personis et gestis earum, non omnibus, sed que nobis et nunc ad exempli et cautele memoriam scripturarumque noticiam expedire videntur. 47 Vgl. Wirth: Chronik, Sp. 1955.

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Chroniken, wobei der in diesen Texten synthetisierte Widerspruch zwischen Dich­ tung und Geschichte zusammengedacht wird. Negativ konnotiert steht der Begriff für eine gereimte Geschichtserzählung, die nach dem Muster der Chroniken funktioniert und, da sie die „Lügen der Dichter“48 produziert, nicht ganz ernst zu nehmen ist, wie in den Bewertungen des 19. Jahrhunderts kolportiert wird. Die grundsätzliche Zuordnung der Reimchroniken zu den chronikalischen Texten und ihre Abgrenzung durch das Merkmal des Reims vermitteln den Eindruck einer Unterordnung im Sinne einer Gruppe von Chroniken, die am Ende der literarischen Reihe stehe und qualita­ tiv ihren Vorgängern unterlegen sei. Ein Blick auf die umfassende Überlieferung, die breite Kompilierung und die große Beliebtheit dieser Texte spricht den Verschroniken jedoch weitaus größere Bedeutung zu. Ursula Liebertz-Grün hat den Versuch unternommen, eine allgemein gültige Definition von Reimchroniken vorzuschlagen. Sie definiert diese Texte „als verschie­ denartige Geschichtsdarstellungen unterschiedlicher Länge (ca. 2000 bis 100000 vv.) in vierhebigen Reimpaarversen“49. Hier wird zwar das eigentliche Dilemma ent­ schärft, dennoch sind die Grenzen sehr weit gesetzt, so dass nicht nur Chroniken, sondern jegliche Art Erzählung, die sich in Versen mit Geschichte und ihrer Dar­ stellung beschäftigt, einbezogen wird. Geschichtsdichtung wäre somit zwar eine weitaus unspezifischere Bezeichnung, bezöge sich allerdings nicht nur auf Chroni­ ken, sondern zugleich auf heterogene Texte wie das Annolied, das am Beginn der volkssprachlichen Geschichtsvermittlung in Versen zu sehen ist. Bereits Helmut de Boor hat die volkssprachlichen Verschroniken der Geschichtsdichtung zugeschla­ gen.50 Dieser Terminus bezieht sich auf eine weitaus größere literarische Reihe, da dazugehörige Texte schon vor der Kaiserchronik und mit dem Annolied spätestens um 1080 zu finden sind, schließt jedoch, wie der ältere Begriff, die Annahme eines unver­ einbar bestehenden Dualismus weiterhin ein und Texte in ungebundener Rede, wie beispielsweise die Sächsische Weltchronik, aus.51 Auf das Annolied trifft der Oberbe­ griff hervorragend zu, da es als besonders heterogener Text sowohl Loblied auf den Erzbischof Anno II. und seine Stadt Köln ist als auch Legendarisches und Historisches in sich vereint.52 Darüber hinaus wurde die Reihe auf panegyrische Texte, die eine

48 Platon: Politeia, X,595a-602c; Manfred Fuhrmann: Einführung in die antike Dichtungstheorie. Darmstadt 1973, S. 72–77. 49 Liebertz-Grün: Reimchronik, Sp. 650. 50 Vgl. de Boor: Die deutsche Literatur im späten Mittelalter, S. 164–186. 51 Christoph Fasbender hat jüngst versucht, das Genre näher zu umreißen und auf diese Prob­ lematik hingewiesen. Bereits am Ende der Definition heißt es: „Der hiermit gegebene Begriff von G.[eschichtsdichtung] ist ahistorisch und pragmatisch. Ahistorisch, weil er einen im Kern neuzeitli­ chen Dualismus von Geschichte und Dichtung voraussetzt.“ Vgl. Christoph Fasbender: Geschichts­ dichtung, in: Deutsches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter 3 (2012), S. XXIX–XLIII. 52 Vgl. Eberhard Nellmann: Annolied, in: 2VL 1 (1978), Sp. 366–371. Die Gattungszugehörigkeit des Annoliedes ist nach wie vor umstritten. Einhelligkeit besteht darüber, dass es in den Bereich der Ge­

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Person oder ein Ereignis besingen, schließlich auf historische Lied- und Ereignisdich­ tung erweitert. Das Annolied liefert in nuce jene Bausteine, die in den volkssprachli­ chen Weltchroniken des 13. und 14. Jahrhunderts zu finden sind. Lässt man die pro­ pagandistischen Tendenzen, die Anno II. ins Zentrum des christlichen Orbis setzen, zunächst außer Acht, zeigt sich, dass hier Weltgeschichtliches, Lokalgeschichtliches, Legendarisches, auch Stadtlob und Herrschergeschichte im Mittelpunkt stehen. Der Autor vermittelt auf der Grundlage der Translatio ad Francos die Fortsetzung des Römischen Reiches bis in die Zeit des Kölner Erzbischofs, dessen Herrschaftssitz schließlich zum Himmlischen Jerusalem stilisiert wird. Entscheidend sind hier nicht nur die Parallelen, die der Text mit der Kaiserchronik aufweist (Danieltraum, Welt­ reiche, Cäsar-Episode, Beschreibung der germanischen Gentes, Städtegründung der Deutschen),53 sondern auch hier steht, wie in den Herrscherporträts der Weltchronik des Jans von Wien, ein Herrscher im Mittelpunkt, der sich vergeht und rehabilitiert wird.54 Auch die genealogischen Linien in Kaiserchronik und Weltchronik führen zunächst bis zu Karl dem Großen. Bezieht man das Fürstenbuch Jans’ von Wien mit ein, läuft die Geschichte der Welt auf Wien und das Geschlecht der Babenberger zu. Im Anschluss an das Annolied, in dem das Lob einer Stadt und ihre Festschreibung im christlichen Orbis zum ersten Mal im Mittelpunkt stehen,55 wird dies in den volks­ sprachlichen Chroniken aufgenommen und fortgesetzt. Hier werden nicht nur die Weltreiche durch Städte symbolisiert, sondern zudem spielen die Stadtgründungen Cäsars, Augustus und die Regentschaft Karls in Aachen aus reichspolitischer Perspek­ tive eine wesentliche Rolle, um geographisch die Zentren der Machtausbreitung und -übernahme nachzuzeichnen. Entsprechend gründet Caesar in der Weltchronik

schichtsdichtung zu verorten ist. Als ästhetisch autonomes Kunstwerk steht es für sich. Dazu vgl. zuletzt Hartmut Bleumer: Das ‚Annolied‘ als ästhetisches Objekt, in: Manuel Braun; Christopher Young (Hg.): Das fremde Schöne. Dimensionen des Ästhetischen in der Literatur des Mittelalters. Berlin; New York 2007, S. 255–279. Das Annolied kann aber auch als rhetorisches (Schul-)Experiment eines Autors gesehen werden, der versuchte, einen Panegyrikus auf einen Heiligen zu schreiben und sich dabei aller Darstellungsmöglichkeiten bediente: Je schlechter die causa, desto aufwendiger der ornatus. Gattungsmischungen sind unter dieser Prämisse erlaubt, denn Anno II. wird als ceichin Got­ tes in all seinen Seinsbereichen gezeigt. Der Verfasser nimmt am Beispiel Annos eine Auslegung nach den sechs Sinnträgergattungen vor, die die Frage nach der Gattungszugehörigkeit des Textes obsolet werden lässt. 53 Die Gemeinsamkeiten der beiden Texte können auch auf eine gemeinsame Quelle, die „ältere deutsche Reimchronik“ zurückzuführen sein. Stephan Müller hat 1999 alle Argumente dafür und dagegen beschrieben. Vgl. dazu ausführlich: Stephan Müller: Vom ‚Annolied‘ zur ‚Kaiserchronik‘. Zu Text- und Forschungsgeschichte einer verlorenen deutschen Reimchronik. Heidelberg 1999 (Bei­ träge zur älteren Literaturgeschichte). 54 In c. 42 wird Annos Vergehen thematisiert: ô wî gerne her du gesêze,  / den lîbin stûl wî gerner bigriffe  / dad ni woltin gelôbin dî vurstin  / durch einin vlekke vure sînin brustin. Vgl. Das Annolied. Mhd. / Nhd. hg., übers. u. komm. von Eberhard Nellmann. Stuttgart 62005. 55 Vgl. auch Kugler: Die Vorstellung der Stadt, S. 88.

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Mainz, Boppart, Ingelheim, Oppenheim (v. 21.159–64) und bezwingt Trier (v. 21.174), Agrippa wird unter Augustus zum Stifter Kölns (v. 21.900–8) und Augustus gründet Augsburg (v. 21.919–30).56 Die Chroniken bauen demnach auf der Ebene der historia auf, was das Annolied vorgibt  – den Ausbau des Reiches entlang einzelner Städte, zum Teil auch Länder durch den jeweiligen Herrscher. Während in der Kaiserchronik die Renovatio Imperii durch die Franken im Mittelpunkt steht und programmatisch die Geschichte der römischen Kaiser bis zu Karl dem Großen erzählt wird,57 greift Jans von Wien diesen Gedanken auf, stellt die Herrschaft Karls des Großen in den Mittel­ punkt und erweitert schließlich seine Perspektive vom Beginn der Weltreiche bis in die eigene Gegenwart. Im Unterschied zu Annolied und Kaiserchronik bedient sich der Autor der Weltchronik des Prosimetrums. Prosapartien strukturieren den Text und liefern ein Gerüst, an dem entlang die Geschichten aufgereiht werden. Trotz der Unterbrechungen bleibt die Chronik als solche erkennbar und der Rezipient bekommt durch die aufgeliste­ ten Zahlen und Fakten historische Informationen, die der Darstellung Nachhaltigkeit verleihen. In den gereimten Partien, die einen großen Teil des Textes ausmachen, treten historische Informationen nahezu vollständig in den Hintergrund. So wird bei­ spielsweise die Geburt Jesu in nur wenigen Versen abgehandelt.58 Insbesondere die Mischung von Vers und Prosa unterstreicht noch einmal das Konzept der Chronik, Geschichte entlang ihrer Eckdaten (Weltreiche, Weltalter, Königs- und Papstlisten) auszulegen. Die Anlage der Chronik und ihre Strukturierung durch historisch-sachli­ che Informationen und das Erzählen von Geschichten zeigen deutlich, dass der Autor sein Werk konkret geplant sowie Vers und Prosa bewusst eingesetzt hat. Da die Prosa­ partien den Eindruck erwecken, als könne man gesicherte Informationen nachlesen, bleibt es nicht leicht zu entscheiden, ob das Werk hörend, so wie der Erzähler immer wieder suggeriert, oder lesend rezipiert wurde.59 Ursula Liebertz-Grün hat in ihrer Beschreibung der volkssprachige Chroniken darauf hingewiesen, dass „die Perspektive der Weltchronik-Kompilatoren und die Erwartungshaltung ihres Publikums weniger durch enge gruppenspezifische Inter­ essen als vielmehr durch eine ungezügelte Neugier bestimmt wurden“60. Ihre Erklä­

56 In der Kaiserchronik gründet Cäsar zudem Deutz und Andernach (v. 379–388) und Metz wird durch Metius gegründet. Augsburg hingegen wird nicht erwähnt (v. 651f.). 57 Uta Goerlitz hat jüngst auf die notwendige Differenzierung zwischen Translatio imperii und ­Renovatio imperii in Bezug auf die Kaiserchronik hingewiesen und dabei herausgestellt, dass es sich hier um die Erneuerung des (west-)römischen Reiches handelt. Vgl. Uta Goerlitz: Literarische Kons­ truktion (vor-)nationaler Identität seit dem ‚Annolied‘. Analysen und Interpretationen zur deutschen Literatur des Mittelalters (11.–16. Jahrhundert). Berlin; New York 2007 (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 45), S. 87. 58 Vgl. Kap. II.1.1. 59 Vgl. Kugler: Jans Enikel, S. 223. 60 Liebertz-Grün: Reimchronik, Sp. 386.

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rung bleibt insofern unscharf, als über das intendierte Publikum und mehr noch seine Erwartungen schwerlich verbindliche Aussagen getroffen werden können. Fest steht – und dies belegt die umfangreiche Überlieferung sowohl der Weltchronik Jans’ von Wien als auch der volkssprachigen Chronistik im Ganzen –, dass dieser Textsorte große Beachtung geschenkt wurde, sei es aus Interesse an der eigenen Geschichte, aus dem Bedürfnis nach und der Möglichkeit zur Unterhaltung oder zur Wissensge­ nerierung. Der historische Kontext bestätigt ein erstarkendes Stadtbürgertum, eine größere Anzahl gebildeter Laien und durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ein damit verbundenes Legitimationsbedürfnis. Entsprechend gilt die „semipoetische Form“61 der Verschroniken als vorteilhaft für die Rezeption und das Erinnern der Inhalte. Darüber hinaus dient das genealogische Prinzip als Struktur­ hilfe. Papst- und Königslisten sowie Völker- und Sprachenspiegel werden in die Texte integriert. Die gereimten Chroniken, die Möglichkeiten der Identitätsfindung und Sinnstiftung bieten, treten außer in der lateinischen in allen mittelalterlichen Litera­ turen auf. Dies zeigt ein breites Geschichtsinteresse sowohl in den Städten als auch in den Adelsfamilien. Ob der intendierte Adressatenkreis lateinunkundig war oder ob nicht viel eher ein gebildetes Publikum auf der Basis eines bestimmten Wissens­ hintergrundes mit den Dissonanzen in den Texten umgehen konnte, bleibt durch die Auslegungsmöglichkeiten des Textes anzunehmen.62 Liebertz-Grün geht in ihrer Einschätzung noch einen Schritt weiter und for­ muliert: Die unordentliche Systematik der Weltchronik, ihr Potpourri disparater und konträrer Inhalte, Darstellungsmuster, Perspektiven und Weltsichten befriedigte offensichtlich die Lust an der Inkonsistenz und die Neugier auf die Mannigfaltigkeit historischen Lebens gemäß der Devise des Common Sense ‚Weisheit kommt aus einem Ameisenhügel‘.63

Ungeachtet dessen, dass hier deutlich die Auffassung der älteren Forschung zum Ausdruck kommt, die volkssprachlichen Chroniken des 13. Jahrhunderts, insbeson­ dere die Weltchronik, seien relativ spontan entstandene Texte ohne komplexe Bedeu­ tung, scheint vor allem die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Ganzen, beispielsweise der Verhaftung der Texte in ihren historischen und gesellschaftlichen Kontexten, ihre Konstruktion und schließlich auch die generell umstrittene Autorintention völlig aus dem Blick geraten. Schließlich ergeben sich aus dem Verhältnis der sich unmittel­ bar umgebenden Texte und aus ihrer spezifischen Darstellungsart Möglichkeiten, sich den Texten zu nähern, ohne sie aufgrund ihrer offensichtlichen Disparatheit zu deklassieren. Gerade das, was Liebertz-Grün als „Lust an der Inkonsistenz“,

61 Dirk Hoeges: Reimchronik I. Allgemein. Romanische Literaturen, in: LLM 1 (2002), S. 385. 62 Auch Mathias Herweg hat jüngst auf die Möglichkeit verschiedener „Interessen(gruppen)“ für die Texte hingewiesen. Vgl. Herweg: Erzählen. 63 Liebertz-Grün: Reimchronik, Sp. 386.

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„Neugier auf Mannigfaltigkeit“ und „ungezügelte Neugier“ beschreibt, sind positiv gewendet jene Merkmale, die stilbildend für diese Texte sind. Sie gelten für jene Art der Darstellung, die untypisch für die volkssprachlichen Chroniken des 13. Jahrhun­ derts sind und mit oder durch die Weltchronik salonfähig gemacht wurden. Es ist das novellistische Erzählen,64 wie es in seiner endgültigen Entfaltung erst bei Boccaccio zu finden ist und sich hier in einer anderen Gattung andeutet.

3  Volkssprachige Chronistik um 1300 Es wurde vielfach betont, diskutiert und problematisiert, dass die Literatur des Spät­ mittelalters im Vergleich zur ‚Höhenkammliteratur‘ um 1200 deutlich abfalle.65 Dies zeige sich darin, dass vor allem ältere literaturgeschichtliche Darstellungen auf die höfische Literatur hin ausgerichtet sind, so dass um dieses Phänomen herum alles andere angeordnet wurde.66 Bezeichnend für die lange anachronistische Sicht in der Literaturgeschichte sprach Helmut de Boor 1962 für das Spätmittelalter vom „Zerfall der Ordnungen“, dem eine „Zersplitterung des Verhaltens – und literarisch gesehen – eine unruhige Vielheit der dichterischen Erscheinungen und Ausdrucks­ formen, die auch dem bedeutenden Dichter die Geschlossenheit der klassischen Leistung versagt“67, entspreche. Der Auffassung schloss sich eine umfassende Aus­ einandersetzung nicht nur mit problematischen Epochenbezeichnungen und den Schwierigkeiten der Periodisierung allgemein an, sondern auch eine umfassende Erarbeitung der spätmittelalterlichen Literatur, die bis in die jüngste Zeit anhält.68

64 So auch Herweg: „Jans favorisiert eine Narrativierung der Geschichte, die ‚novellistisch‘ genannt werden kann.“ Vgl. Herweg: Erzählen, S. 17. 65 Richtungsweisend waren hier die Thesen Rankes, der einen allgemeinen Verfall im Spätmittel­ alter skizzierte. Vgl. Friedrich Ranke: Vom Kulturverfall und Wiederaufbau in der deutschen Dich­ tung des späten Mittelalters, in: Ders.: Gott, Welt und Humanität in der deutschen Dichtung des Mit­ telalters. Basel 1952, S. 77–108, dort S. 85. 66 In Bumkes Literaturgeschichte zeigt das Inhaltsverzeichnis deutlich, dass der Band auf die Höfi­ sche Zeit hin konzipiert wurde, denn die Kapitel davor beschreiben die ‚geschichtlichen Grundlagen der höfischen Literatur‘, die ‚Anfänge der höfischen Literatur‘. Für die Zeit danach werden Text­sorten aufgelistet, die parallel existierten. Vgl. Joachim Bumke: Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter. München 1990. Vgl. kritisch dazu Dorothea Klein: Wann endet das Spätmittel­ alter?, in: Horst Brunner; Werner Williams-Krapp (Hg.): Forschungen zur deutschen Literatur des Spätmittelalters. Festschrift für Johannes Janota. Tübingen 2003, S. 299–316. 67 Helmut de Boor: Die deutsche Literatur des späten Mittelalters. Zerfall und Neubeginn. I. Teil. 1250–1350. München 1962, S. 1. Mathias Herweg hat einen ähnlichen Befund der Literaturgeschichts­ schreibung für den höfischen Roman um 1300 und seinen anhaltenden Epigonenstatus beschrieben. Vgl. Herweg: Wege zur Verbindlichkeit, S. 15f. 68 Vgl. Ingeborg Glier: Die deutsche Literatur im späten Mittelalter. 1250–1370. 2. Teil: Reimpaarge­ dichte, Drama, Prosa. München 1987; Max Wehrli: Geschichte der deutschen Literatur vom frühen Mittelalter bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Stuttgart 1980 (Universal-Bibliothek 10294); Thomas



Volkssprachige Chronistik um 1300 

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Der diagnostizierte Verfall im Spätmittelalter schlägt sich auch in Einschätzungen der Weltchronik nieder, die danach vom ‚verloren gegangenen Erzählen‘ lebt, deren Autor dies nur noch relikthaft aufgreifen kann. Entsprechend sehen die Traditionalisten das notwendige Ende der Weltchronik bei Friedrich II. und seiner erwarteten Wiederkehr. Spuren dieser Diskussionen um die ‚Epochenschwelle‘ lassen sich in den ver­ schiedenen Versuchen, Texte zu systematisieren und Textsorten zu bezeichnen, finden. Für die volkssprachlichen Chroniken firmieren hier unterschiedliche Begriffe wie Reim-, Verschronistik oder Geschichtsdichtung. Dies spiegelt die Tatsache, dass starre Gattungsgrenzen dem Phänomen der Vielfalt nicht gerecht wurden, vor allem jedoch Unklarheit über die Textcorpora bestand. Da zunächst keine umfas­ sende Erschließung der Texte stattfand, blieb es lange Zeit schwierig, das Corpus zu überschauen und genaue Definitionen der Textsorten vorzunehmen. Daneben steht gerade die Disparatheit für das Phänomen. Bereits Gerhard Wolf hat auf die Koinzidenz zwischen Vielfältigkeit der Deskription und qualitativer Abstufung der Chronistik hingewiesen und heraus­ gestellt, dass erst eine disziplinäre Öffnung einen neuen Zugang zu diesen Texten möglich gemacht hat, der eine deutliche Vitalisierung im Umgang mit historiogra­ phischen Texten nach sich zog.69 Bei aller kulturwissenschaftlichen Offenheit bleibt der Eindruck, dass es einen Hiatus zwischen der Literatur um 1200 und dem ‚Danach‘ gebe.70 Selbstverständlich bringt die der Periodisierung geschuldete Differenzierung in Früh-, Hoch- und Spätmittelalter auf der obersten Ebene eine solche Herangehens­ weise mit sich. Doch bei genauerer Betrachtung entlang der zeitlichen Konstruktion zeigt sich eine große Diversität und Fluidität in den einzelnen Abschnitten und über sie hinaus. Schließlich hat die spätmittelalterliche Historiographie ihren Ausgang nicht im 14. oder 15. Jahrhundert. Vielmehr finden didaktische Texte wesentlich früher ihre Einflüsse. Obwohl der Erzähler der Weltchronik sich an die deutschen Dichter und ihre Tra­ dition wendet, um sich nach ihrem Vorbild zu richten, kann seine Aussage nicht als Indikator einer klaffenden Lücke zwischen sich und den anderen gedeutet werden, sondern weist auf eine Verbindung zwischen den Texten, die eine Rezeption und Beeinflussung nahelegt. Als Rezipient der deutschen Dichter und ihrer Werke hat Jans von Wien Motive und Erzählmuster aus der höfischen Literatur innovativ über­ nommen bzw. neu geordnet. Entsprechend finden sich Motivübernahmen aus dem

Cramer: Geschichte der deutschen Literatur im späten Mittelalter. München 1990; Kuhn: Aspekte des 13. Jahrhunderts, S. 1–18. 69 Vgl. Wolf: Von der Chronik zum Weltbuch, S. 1–23. 70 Vgl. Thomas Cramer: Geistesgeschichte und Spätmittelalter, in: Christoph König; Eberhard Lämmert (Hg.): Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 1910–1925. Frankfurt am Main 1993, S. 58–72, dort S. 69f.

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Êrec Hartmanns,71 dem Tristan Gottfrieds,72 dem Minnesang, Texten des Strickers73 sowie Anspielungen auf den Nibelungenstoff.74 Dies steht für eine Öffnung des Textes hinsichtlich literarischer Gattungen, historischer Begleiterscheinungen, sprachli­ cher Neuerungen – kurz: seiner Kontexte, wie dies auch für jeden anderen Text der Fall ist. Diese Öffnung hat Dorothea Klein als „Offenheit nach allen Seiten hin“75 zum Kennzeichen spätmittelalterlicher Literatur erhoben. Da jeder Text seine eigene ‚Wahrheit‘ birgt, jeder Leser ‚seine Wahrheit‘ konstruiert, bleibt die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Ganzen zentral, um eine adäquate Lesart des Textes zu finden, die sich im Koordinatensystem zwischen historischer Faktizität und literarischer Fiktion aufspannt. Hier ist gerade die Verbindung von beiden Kategorien sinnstiftend und Kriterium zur Charakterisierung dieser Gattung.76 Die Weltchronik Jans’ von Wien steht am Beginn einer volkssprachigen Chronis­ tik, die sich in der Folge rasch ausbreitet und in unterschiedlichste Facetten ausprägt. Gerade die Position des Textes zwischen hochmittelalterlicher und volkssprachlicher Chronistik weist dem Autor eine Sonderposition zu, wie sie bislang in der Forschung kaum berücksichtigt wurde. Einzig Hartmut Kugler hat auf die Mittlerstellung der Chronik zwischen einer älteren Weltchronistik, die „gelehrt-aristokratisch“ daher­ komme, und einer „populären“, die sich an ein breiteres Publikum richtet, hingewie­ sen und dem Text damit „exemplarischen Wert“77 zugesprochen. Es sind die vielen kleinen Erzählungen, Exempla, die der Chronist in seinen Text einbaut, die nicht nur für diese Zeit und in dieser Anordnung signifikant sind, sondern die in ihrer novellistischen Form zum charakteristischen Merkmal der volks­ sprachlichen Chronistik um und nach 1300 werden. Jans von Wien ist damit einer der ersten volkssprachlichen Autoren, die konsequent unhistorische Episoden in eine historische Darstellung implementieren und entlang dieser wie Perlen aufge­ reihten Geschichten linear Weltgeschichte als Geschichtserzählung schreiben. Jans übernimmt formal Bestandteile der Chroniken und bewahrt diese als Rahmen, in den er abgeschlossene Erzählungen einbaut. Letztere haben die Vita einer historischen Person zum Gegenstand, greifen aber auch ins Wahrscheinliche. In den Erzählun­ gen werden die Figuren nicht bewertet, sondern Taten und Merkmale dargestellt, die

71 Das verligen wird insbesondere für Karl den Großen zitiert. 72 Vgl. Mehlstreuszene in der Noah-Episode (Weltchronik, v. 1.869–910), ‚Schlafkammergespräche‘ in der Cyrusepisode (Weltchronik, v. 18.575-600). Letztere können ihr Vorbild aber auch in der LukretiaEpisode finden. Allerdings scheint auch die geplante Ermordung der Frau des Cyrus ihre Vorlage in dem versuchten Mord an Brangäne zu haben. 73 Vgl. insbesondere Weltchronik, v.  17.687f. Weitere Belege bei Strauch: Jansen Enikels Werke, S. XCV. 74 Vgl. Weltchronik, v. 23.372. 75 Klein: Wann endet das Spätmittelalter?, S. 316. 76 Vgl. dazu Wolf: Von der Chronik zum Weltbuch, S. 11. 77 Kugler: Jans Enikel, S. 217.



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die Protagonisten überzeichnen und stilisieren. Da die Figuren in unerwartete Bege­ benheiten geraten bzw. ebensolche Handlungen vollziehen, werden häufig bekannte Muster aufgebrochen: Achilles verkleidet sich als Frau, Augustus ist Sohn seiner Schwester und Friedrich II. züchtet Mörder. In allen Geschichten zeigt sich dabei eine zum Teil als ‚Erzählfreude‘ beschrie­ bene eigene Erzählart, die auf ein großes Interesse des Autors an den verschiedens­ ten Gegenständen weist, auf ein gesammeltes, nahezu enzyklopädisches Wissen und auf seine Fähigkeit, dies konzeptionell in einer Chronik zusammenzufügen. In vielen seiner ‚wahrscheinlichen‘ Geschichten hat sich gezeigt, dass die Weltchronik für ver­ schiedene Episoden die älteste, umfangreichste oder geschlossenste Darstellung in der Volkssprache bietet. Entsprechendes ist für die Geschichte um Karl den Großen, Vergil im Korb oder auch Nero festzuhalten.78 Berücksichtigt man für den Reihenbefund die Veränderungen in den Texten, kris­ tallisiert sich als verbindendes Merkmal der volkssprachlichen Verschroniken vom Annolied bis zur Weltchronik Jans’ von Wien Heterogenität heraus. Mathias Herweg hat den höfischen Roman um 1300 untersucht und das Paradigma von der „Hybri­ disierung“ gegenüber dem der „Verwilderung“79 stark gemacht und vor allem von „hybriden Sinnkonzepten“80 gesprochen. In Bezug auf die Form und die Zusammen­ setzung des Textes aus Historischem, Legendarischem und Fabulösem ließe sich das Konzept der hybriden Formen bzw. des heterogenen Textes auf die volkssprachliche Chronistik übertragen. Als ‚hybrid‘ lässt sich, meiner Ansicht nach, jedoch nur die Tat­ sache sehen, dass der Text auf unterschiedliche Quellen, Erzählmuster und -motive zurückgreift, die nicht immer kohärent und kompositorisch sinnvoll aneinandergefügt sind, jedoch Brüche aufweisen, die Sinn produzieren. Im Vergleich mit dem höfischen Roman um 1300 lässt sich eine Parallelentwicklung beobachten. Während jener von Defiktionalisierungen bewegt wird, nach historischen Fixpunkten sucht und ver­ bindlich auf sie Bezug nimmt, zeichnet sich in der Chronistik eine entgegengesetzte Bewegung ab. Auf den Punkt gebracht heißt das: Der höfische Roman um 1300 defik­ tionalisiert, während die Chronistik fiktionalisiert. Hinter beiden erscheint Hybridität als Formkonzept, wobei diese erst sichtbar wird, wenn man nach ihren Bausteinen sucht. Ausgehend von einem ‚Baukastenprinzip‘ wird aus vorhandenen Komponenten

78 Vgl. Kap. III.1.2., III.2.1, III.2.2.; Geith: Enikel; Ders.: Carolus Magnus, S. 235–241. 79 Mathias Herweg definiert: „Es geht also bei den Begriffen ‚Verwilderung‘ / Hybridisierung nicht allein um den vielen dieser späten Romane eignenden monumentalen Umfang, ihr stoffliches Aus­ ufern, ihre thematische Entgrenzung […]. Mehr als auf derartige ‚Oberflächenbefunde‘ zielt der Begriff (damit dem noch zu erörternden der Enzyklopädisierung eng verbunden) auf die Tendenz aller hier einschlägigen Texte zur literarisch-narratologischen Synthese von Quellen und Vorbildern, zu Multi­ perspektivität, Gattungsinterferenz und struktureller Verschachtelung […], zu Montage- und Collage­ technik, weiterhin zur Konstitution innerer Spannungen zwischen Erzählwelten und Lehrkommen­ tar.“ Vgl. Herweg: Herkommen und Herrschaft, S. 249. 80 Herweg: Wege zur Verbindlichkeit, S. 55; Ders.: Herkommen und Herrschaft.

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ein anderes Sinnganzes zusammengefügt und ein Erzählkonzept sichtbar, das auf den ersten Blick historia durch fabulae und exempla anschaulich machen soll. Dass hier Aushandlungsprozesse über die volkssprachliche Form der Chronistik zugrunde liegen, die auch auf die höfische Epik um 1200 ‚zurückblickt‘, liegt in der Genese der Dinge begründet. Dies mag damit zu tun haben, dass Erzählen sich ‚neu‘, in jedem Fall anders verortet bzw. die Erfahrung der Fiktionalität den Umgang mit Geschichte verändert.81 Aus der Perspektive der Sinnvermittlung jedoch scheinen mir die Texte weniger hybrid, da deutlich ein Sinnganzes, eine bestimmte Geschichte der Welt mit einem Deutungspotential vermittelt, eben Geschichte in der Volkssprache erzählt wird. Ähnliches ist lange für das Annolied diskutiert worden. Auch dieser Text galt als heterogen, bis Doris Knab herausstellte,82 dass formale Traditionen in der Historio­ graphie des Rhein-Maas-Gebietes zu finden sind. Entsprechend änderte sich auch die Interpretation des Textes, der sich schließlich vor dem Hintergrund philosophischtheologischer Traditionen als ein Sinnganzes erschließen ließ. Dies kulminierte ein­ zigartig in der Stilisierung des Bischofs Anno II. zum neuen Adam und seiner Stadt Köln zum Himmlischen Jerusalem. Die im Prolog beschworene Zeichenhaftigkeit Annos wurde konsequent allegorisch von der Geschichtsauffassung (ante legem, sub lege, sub gratia) über die strukturelle Aufteilung des Werkes (Heils-, Welt- und Legendengeschichte) mit dem stetigen Bezugspunkt Anno vor dem Hintergrund ‚griechischer‘ Theologie ausgelegt.83 Dennoch wurden am Beginn volkssprachlicher Geschichtsdichtung Bausteine aus verschiedenen Gattungen genutzt, um einen her­ metischen Text zu gestalten,84 dessen Protagonist zu Lebzeiten äußerst umstritten war. Aus ähnlich disparaten Bausteinen setzt sich die Weltchronik zusammen, wobei die Heterogenität sich aufhebt, da alles auf die eine Aussage hin ausgelegt werden kann. Während der Annolied-Autor jedoch kenntnisreich und kunstfertig mit den Mitteln der Textexegese umging und diese bewusst einsetzte, bleibt die Aussage der

81 In Bezug auf die volkssprachlichen Chroniken um 1300 kann man nicht so weit gehen, wie für den höfischen Roman. Hier geht es nicht um den Durchgang durch die Fiktion, um im ‚Danach‘ eine Aus­ einandersetzung mit der Struktur zu beschreiben, sondern hier findet eine Adaptation von Themen und Mustern statt, wird Faktisches in die „Fiktion hineingezogen“ (Walter Haug: Die Entdeckung der Fiktionalität, S. 133). Erst nach dem Durchgang wird in der volkssprachlichen Literatur ein fiktio­ naler Umgang mit historiographischen Gattungen möglich. 82 Vgl. Doris Knab: Das ‚Annolied‘. Probleme seiner literarischen Einordnung. Tübingen 1962 (Her­ maea. Germanistische Forschungen NF 11). 83 Vgl. auch Mathias Herweg: Civitas permixta und dritte werilt: Die ‚Programmstrophen‘ des ‚An­ nolieds‘, in: ZfdPh 123 (2004), S. 1–18, dort S. 16f. 84 Zum theologischen Programm des Textes vgl. Alois Haas: Der Mensch als dritte werilt im ‚Anno­ lied‘, in: ZfdA 95 (1966), S. 271–281, dort S. 275; Irene Erfen: Spirituelle Peregrinatio und kostbare Graecitas. Zur Vermittlung theologischer und religiöser Traditionen im ‚Annolied‘, in: Dies.; KarlHeinz Spiess (Hg.): Fremdheit und Reisen im Mittelalter. Stuttgart 1997, S. 243–265; Herweg: Civitas permixta, S. 12–16.



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Weltchronik hauptsächlich auf der Ebene des sensus litteralis und moralis und betrifft die Ordnung der Geschichte in Korrespondenz zum mittelalterlichen Ordo-Verständ­ nis. Und während der Annolied-Autor alle ihm verfügbaren rhetorischen Mittel ein­ setzt, um eine negative Causa umzustilisieren, bleiben die Figuren in der Weltchronik defizitär. Dennoch liegt der Unterschied nicht in der Defizienz, sondern in der Dar­ stellung. Das Annolied ist ein panegyrischer Text und gehört damit der obersten Stil­ ebene an, in der Weltchronik hingegen steht die enzyklopädische Wissensvermittlung an ein Laienpublikum, das docere, im Mittelpunkt. Aus dem bisher Gesagten lässt sich für die Bezeichnung der Reihe der volks­ sprachlichen chronistischen Texte, die ab der Mitte des 12. Jahrhunderts entstehen, Folgendes festhalten: Volkssprachlichkeit deutet die Besonderheit der Texte an, reicht als alleiniges Reihenmerkmal jedoch nicht aus. Von den gebräuchlichen Begrif­ fen Reimchronik, Geschichtsdichtung, Verschronik trifft letzterer, den Ralf Plate ins Gespräch brachte,85 am ehesten auf die volkssprachlichen Chroniken in gebundener Rede zu. Hier bleibt die Geringschätzung und Banalisierung, die dem Reim anhaftet, ausgeblendet, wird aber eine Abgrenzung zu den volkssprachlichen Prosachroniken vorgenommen, die zur gleichen Zeit entstehen. Vor diesem Hintergrund zeigt ein Blick in den Prolog der Sächsischen Weltchronik (1260 / 1275), dass dort im Vergleich zum jansschen Text der Wahrhaftigkeitsanspruch eine viel größere Bedeutung hat und der Autor sich allein der historia verpflichtet sieht. Entsprechend fordert er sein Publikum auf, sich von der Lüge abzuwenden: horet gerne guote lere unde lesit in den buoken, dar men de warheit suochen mach unde bevinden. […] logene sal uns wesen leit, daz ist des von Repegouwe rat. (Sächsische Weltchronik, v. 58–89) Auch wenn, wie lange angenommen, die Reimvorrede nicht Eike von Repgow zuzu­ schreiben ist,86 sondern von einem geistlichen Verfasser stammt, gibt sie topisch Interpretations- und Lektürehinweise vor, die die Beschäftigung mit moralischen Exempla sowie das Lesen belehrender Texte empfehlen und an die christliche Imi­ tatio erinnern. Zudem verbürgen die differenzierten Quellenverweise die Wahrhaftig­ keit des Dargestellten. Wie der Kaiserchronik-Autor verwahrt sich der Autor gegen die Lügen, die auch in schriftlicher Form bezeugt sind, und will eine an der göttlichen Wahrheit orientierte Geschichte der Welt verfassen. Hier deuten sich die Argumente

85 Vgl. Plate: Wie fängt die Bibel an?, S. 229. 86 Vgl. Herweg: Erzählen, S. 24, Anm. 76.

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für eine Darstellung in Prosa wie Beseitigung von Verständnisschwierigkeiten, keine Verkürzung des Sinns, genaue Wiedergabe der Vorlagen, wie sie ab dem 14. Jahrhun­ dert, spätestens im 15. Jahrhundert, vorkommen und schließlich zu einem Merkmal der Historienbibeln werden, bereits an.87 Den versifizierten und nicht versifizierten Texten ist jedoch übergreifend jene Art zur Darstellung von historia eigen, die histo­ rische Exempla und fabulae zur Veranschaulichung und Sinnvermittlung einbezieht, vor allem aber guote lere, ob gereimt oder ungebunden, vermitteln will. Diese Texte als ‚volkssprachliche Geschichtserzählungen‘ zu bezeichnen, wie ich es vorschlagen möchte, legt den Fokus auf die Konstruiertheit der Darstellungen und berücksich­ tigt die Verhaftung in historiographischen Traditionen ebenso wie die Strategien des Erzählens, die ästhetischen Mittel, ohne dabei denunziatorisch den Vorwurf des Lügens der Dichter zu zitieren. Das chronologische zelen als Aufzählen der Fakten im Erzählen von Geschichte gibt der Erzählung eine Eigenlogik und bringt die Ereignisse in einen Verstehenszusammenhang.88 Vor allem aber wird mit der ‚Geschichtserzäh­ lung‘ eine Brücke zum mittelalterlichen historia-Begriff geschlagen, der in seiner Offenheit Geschichte und Literatur um der Erkenntnis willen verbindet und die Kon­ struiertheit des Erzählens berücksichtigt.

87 Zur Gegenüberstellung von Vers und Prosa vgl. grundlegend: Werner Besch: Vers oder Prosa? Zur Kritik am Reimvers im Spätmittelalter, in: Herbert Backes (Hg.): Festschrift für Hans Eggers zum 65. Geburtstag. Tübingen 1972, S. 745–766. 88 So auch Haug: „Denn Fakten im Rahmen von Ereigniszusammenhängen präsentieren heißt, sie einer Logik unterwerfen, die diese Zusammenhänge verständlich macht. Man meint zwar, diese Logik aus den Fakten herauszulesen, aber, genau besehen, verdankt sie sich entscheidend der Weise des berichtenden Zugriffs.“ Vgl. Haug: Die Entdeckung der Fiktionalität, S. 134.

Schluss Die vorliegende Studie versteht sich als Versuch, eine Lesart für einen Text vorzu­ schlagen, der bisher als Sammlung loser Anekdoten galt. Das Paradigma der ‚Riskan­ ten Ordnung‘ bot dazu in seiner Weite und Offenheit eine Möglichkeit, den in Teilen disparaten Stoff unter einem Gesamtkonzept zu betrachten. Dass das Halten eines Ordnungszustandes einen Balanceakt darstellt, der zwi­ schen zwei Polen changiert, ist als Analysekategorie zu allgemein, um der Komplexi­ tät der Weltchronik gerecht zu werden. Dennoch lässt sich der Text mit Hilfe dieses Paradigmas auf den Ebenen von discours und histoire beschreiben. Ähnlich komplex ist das Zusammenspiel von historia und fabula in dieser Geschichtserzählung, die aus einem Geflecht von historischen Rahmendaten und fiktionalisierenden Erzählungen besteht. In den Erzählungen, die paradigmatisch Ordo-Verletzungen durchspielen, werden durch die Fiktionalisierung historisch verankerter Situationen und (zum Teil schwankhafter) Typisierung historischer Personen allgemeingültige Aussagen über die Welt möglich und Bilder des guten oder schlechten Herrschers entworfen. Aus narratologischer Perspektive ist mit der Transformation historischer Personen und Situationen ins Fiktionale die Frage nach dem Wie des Erzählens verbunden. Die aus unterschiedlichen Quellen stammenden Motive und Schemata sind nicht immer sinnvoll in Erzählfluss und Handlungslogik integriert und Brüche nicht vollstän­ dig homogenisiert. Letztere lassen nur selten auf eine Tiefenstruktur schließen. Sie zeigen vielmehr, dass eine Geschichtserzählung erprobt wird, die sich im Vergleich zur älteren Kaiserchronik einem anderen, eben städtischen Rezipientenkreis zuwendet. Da der historiographischen Gattung gemäß der Erzähler an nur wenigen Stellen explizit kommentierend in das Geschehen eingreift, bleibt eine (Be)Wertung des Dargestell­ ten weitgehend dem Publikum überlassen. Diesem obliegt es auch, die den Episoden inhärenten komischen Anspielungen zu erfassen. Die Vielfältigkeit der verwendeten Textbausteine und Erzählmuster zeigt eine heterogene Konstruktion, die dennoch eine Welt erzählt. Das Erzählen in der Weltchronik vereint so, was sich im Anschluss daran in Historienbibel und Novellistik ausdifferenziert: Wissensvermittlung durch Exemp­ larität, Unterhaltung und Reflexion durch Komik, Auseinandersetzung mit Geschichte durch (fiktionale) Abstraktion. Einen Zugang zu dieser Abstraktion liefern die Riskan­ ten Ordnungen, die literarische und historische Ordnung miteinander verbinden. Das mit dem Thema Ordnung verbundene Bedürfnis, einen anhaltenden Zustand herbeiführen und planvoll erhalten zu wollen, führt zu einem Kernproblem mittelal­ terlichen Denkens. Dass aus der christlichen Offenbarung zunächst keine gesellschaft­ liche Ordnung folgt, wurde durch die Ausrichtung auf das Heil in der Transzendenz zum Hauptproblem der mittelalterlichen Gelehrten. Mit dem steigenden Bedürfnis nach der Repräsentation des Glaubens in der Welt wächst auch das Bedürfnis nach einer weltumspannenden Ordnung, die eine Ahnung des Transzendenten in Aussicht stellt. Der Umgang mit diesem Problem gehört zu den wichtigsten Themen mittelal­ terlicher Literatur und findet in der Klage um die Ordnung, ihren Erhalt oder Verfall

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entsprechenden Niederschlag. Walther von der Vogelweide fragt wes man zer werlte solte leben (L 8,7) und beklagt in Hinblick auf ein umfassendes Ordo-Konzept und die Regierung des rex iustus et pacificus eine Verletzung von fride unde reht (L 8,25). Jans von Wien führt in der Weltchronik durch die Aneinanderreihung von Fehltritten die Unzulänglichkeit der geistlichen und weltlichen Herrscher vor. Die Potentaten ent­ sprechen keinem Ideal. Die zu erwartenden Handlungen sind verkehrt. Unmögliches und Unvorstellbares wird von den Figuren berichtet. Die ordnungsstiftende zivilisato­ rische Macht des Königs ist bei keiner Figur in der Weltchronik in idealer Form aufzu­ finden, so dass die allumfassend zu errichtende Ordnung unterlaufen, karikiert und damit hinterfragt wird. Die zunächst zusammenhangslos scheinende Aneinanderreihung von Geschich­ ten brachte der Weltchronik das Signum des Novellistischen ein und führte Philipp Strauch Ende des 19. Jahrhunderts zu folgendem, lange Zeit dominierendem Urteil: Weltchronik wie Fürstenbuch bilden im wesentlichen nur eine lange kette überwiegend in sich abgeschlossener novellen, die lose aneinander gereiht sind auf grund eines biblisch-profanen chronikenexcerptes und, soweit wir bei Enikel überhaupt von talent reden dürfen, bekundet er dies eben am meisten als novellist, der freilich ausserordentlich ungleichmässig arbeitet.1

Sieht man von dem wertenden Unterton ab, benennt Strauch das, was den Text von den anderen Chroniken unterscheidet, die im gleichen Zeitraum entstanden sind und in einem Atemzug mit der Weltchronik genannt werden.2 Gemeinsam ist der Weltchronik Rudolfs von Ems, der Christherre-Chronik und der Sächsischen Weltchronik die Disparatheit von Stoffen und Motiven. Die Texte geben kein homogenes Reihen­ bild ab, sind in sich heterogen und variieren ihre Bausteine, obwohl sie miteinander kombiniert werden, im Vergleich stark. Am Beginn also der ‚weltchronistischen Zeit‘ stehen Texte, die formal einem Texttyp angehören. Inhaltlich werden bekannte Stoffe und Themen neu aufbereitet, neue literarische Vorgehensweisen mit veränderten Wirkabsichten erprobt. Verbindend ist die Erzählung von Geschichte als jeweils sub­ jektiv formulierte Erkenntnis im Umgang mit der christlichen Wahrheit. Das Erzäh­ len von Geschichte impliziert dabei, dass historia und fabula verwendet werden und legitimiert diese durch das spezifische Gemachtsein. Aus dieser Perspektive nimmt die Weltchronik eine besondere Stellung ein, da hier historia und fabula miteinan­ der kombiniert werden und in der Reflexion darüber bewiesen wird, dass sowohl ein Gattungsbewusstsein vorhanden als auch eine Synthese verschiedener Erzählformen möglich war. Gerade am Beispiel der Weltchronik zeigt sich, dass auch im 13. Jahrhun­ dert Geschichte durch Geschichten erzählt wird und erst die Erzählung „‚Geschichte‘

1 Strauch: Jansen Enikels Werk, S. LXXVII. 2 Vgl. Klein: Durchbruch einer neuen Gattung, S. 77.

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macht“3, somit die Abfolge von Ereignissen in einen mündlichen oder schriftlichen Diskurs gebracht wird.4 Dabei hat die Chronik zum einen vermittelnden Charakter, da enzyklopädisches Weltwissen in Form der ‚Babenberger Genealogie‘, des ‚Sprachen­ spiegels‘, des ‚Papstkatalogs‘, historisches und theologisches Grundwissen ange­ häuft und einem laikalen Publikum verfügbar gemacht wird. Die großen Historien­ bibeln, die am Ende des 14. Jahrhunderts entstehen, geben Jahre später Zeugnis für diese Entwicklung und bestätigen das Bedürfnis nach umfassender Wissensbewah­ rung. Darüber hinaus aber ist der Chronik jener novellistische Zug inhärent, der lange als Signum mangelnder Qualität galt. In Korrespondenz zum höfischen Roman und seiner späteren Form zeigt sich jedoch, dass beide Gattungen – Chronik und Roman – sich auf einander zu bewegen und die Chronik von Geschichten lebt, die in den Bereich des Fiktionalen ausgreifen und Verbindlichkeiten gerade gelockert werden. Hier werden die Herrscherbiographien mit schwankhaften Stoffen ausgeschmückt und die Möglichkeiten chronikalischen Erzählens erweitert, die sich in der Folgezeit bis hin zu Boccaccios novella ausdifferenzieren. Vor dem Hintergrund dieser beiden Erzählwege scheint die Gattung ‚Verschronistik‘ tatsächlich an ihre Grenzen gekom­ men, so dass sich im Anschluss daran stärker (heils)geschichtsvermittelnde Text in Summenstil oder schwankhafte Kurzerzählungen etablieren. Daneben zeichnet sich am Beispiel dieser wissensvermittelnden Texte jener Lite­ rarisierungsprozess ab, der dem Bedürfnis nach Unterhaltung und Kurzweil, wie es sich vor allem in spätmittelalterlichen volkssprachlichen Texten dieser Art abzeich­ net, geschuldet ist.5 Der Kurzweil-Topos, der hier auftaucht, weist aber weniger auf das Bedürfnis nach Unterhaltung, und es wäre auch zu kurz gegriffen, Jans’ vermeint­ liche ‚Fabulierfreude‘ aus dieser Perspektive zu betrachten. Sein Text ist viel zu lang und amplifiziert, als dass er „Zeit schenken wolle“6. Vielmehr wird mit dem Auftau­ chen dieses Topos sichtbar, dass volkssprachliche Dichtung einen anderen Stellen­ wert erlangt hat als einhundert Jahre zuvor. Die aufwendigen Exordialtopoi, um den Stoff, die Dichtung und die Volkssprache zu legitimieren, sind nicht mehr notwendig, da volkssprachliche Schriftlichkeit bereits fester Bestandteil der Literatur ist. Man kann demnach, und dies zeigt sich schon am Beispiel der Weltchroniken, ‚freier‘ mit der Tradition umgehen. Dazu gehört auch das Spiel mit rhetorischen Vorgaben. Komisches und Obszönes kündigt sich im Text an und lässt auf die Nähe zu Texten wie den Mären des Strickers schließen. Untypisch sind die Verarbeitung solcher Motive und die Verbindung von Komik und Geschichte in einem wissensvermitteln­

3 Goetz: Geschichtsschreibung, S. 99; vgl. auch Herweg: Erzählen, S. 28; Kap. VI. 4 Vgl. Genette: Die Erzählung, S. 15–20. 5 Der Topos findet sich beispielsweise im Prolog zum Waltharius (10. Jh.), in der Rahmenerzählung zu Chaucers Canterbury Tales, in Boccaccios Decamerone, bei Jacob Unrest in seiner ‚Österreichischen Chronik‘ (1499), bei dem Franziskaner Detmar (1395), bei Hermann Korner (1425); vgl. dazu: Rolf Sprandel: Kurzweil durch Geschichte, S. 347. 6 Sprandel: Kurzweil durch Geschichte, S. 360.

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den Text. In der Weltchronik ist das Personal zum Teil anonym und typisiert, in den meisten Fällen jedoch an eine historische Person rückgebunden. Dies unterstreicht die Exemplarität und Vorbildfunktion, die hier verkehrt wird. Historische Ereignisse werden mit Hilfe von Mustern und Motiven erzählerisch transformiert und neu dar­ gestellt. Die historia gibt den Rahmen vor, den der Autor erzählerisch auffüllt. Diese Besonderheit, das Umcodieren historischer Ereignisse, zeigen auch die Miniaturen, die exemplarisch und illustrierend in einzelnen Kapiteln auftauchen. Auch für die bildliche Darstellung, die den Text nicht ergänzt oder erklärt, sondern einzelne Bege­ benheiten zur Wiederholung oder Veranschaulichung beinhaltet, wurden die ambi­ valenten und unerhörten Situationen ausgewählt. Diese unterstreichen das Konzept der ‚Riskanten Ordnung‘, da sie den novellistischen Kern abbilden: den Teufel auf der Arche, Alexander in der Glaskugel, Vergil im Korb, die Tochter des Riuzenkönigs, die Päpstin etc. Es handelt sich um erzählende Bilder, die weder Genealogien darstellen noch eine politische Ikonographie wiedergeben. Sie haben einen direkten Textbezug, geben die Pointen der Geschichten wieder und stehen im Dienste der Erzählung. Unter diesem Aspekt sind die Miniaturen symptomatisch für das Erzählen von Geschichte.7 Darüber hinaus verweisen Redeszenen, erzählerische Erweiterungen, legendari­ sche Muster oder der emotionale Überschuss der Figuren auf die Nähe zum höfischen Roman. Inhaltlich werden Fragen nach Sexualität und Ehe, Disziplinierung und Lust, Keuschheit und Begehren, Legitimität und Heiligkeit, Herrschaft und Gewalt gestellt, womit allgemeine Erzählmuster bedient werden. Christliche Ordo-Vorstellungen werden exemplarisch anhand von familialen Konstellationen und Paarbeziehungen durchgespielt – Ordnung wird aufgelöst und stabilisiert. Diese Muster jedoch, so zeigte sich insbesondere an der Untersuchung der Geschlechterverhältnisse im Text, sind reduziert und mit Blick auf das Innerwelt­ liche dargestellt. Die Auflösung im Heil ist ausgeblendet. In dem von René Girard beschriebenen kulturellen Dreieck aus Begehren, Gewalt und Heiligkeit wird in den Geschichten der Weltchronik die Heiligkeit durch die gesellschaftliche Integration der Protagonisten ersetzt. Damit zeigt sich, dass der Text nicht auf eine transzendente Heilsgewissheit und Ordnung ausgerichtet ist, sondern diese allein in der Welt ver­ handelt wird. Entsprechend geht es nicht, wie in der Kaiserchronik, um die Heiligung des Römischen Reiches (c.  VI), bleibt auch die Christusgeschichte weitestgehend ausgeblendet. Auch die Protagonisten werden entsprechend nicht zu Heiligen und

7 Hier ließen sich weitere Untersuchungen anschließen, die den Text-Bild-Zusammenhang und die spezifische Darstellung von Geschichte, auch das Geschichtsbild untersuchten. Richtungsweisend sind die Arbeiten von Claudia Annette Meier zu Chronikillustrationen im hohen Mittelalter, vgl. Claudia Annette Meier: Chronikillustrationen im hohen Mittelalter. Zur Entstehung des Ereignisbil­ des im Text-Bild-Bezug, in: Hans-Werner Goetz (Hg.): Hochmittelalterliches Geschichtsbewußtsein im Spiegel nichthistoriographischer Quellen. Berlin 1998, S.  357–375; Dies.: Chronicon Pictum. Von den Anfängen der Chronikenillustration zu den narrativen Bilderzyklen in den Weltchroniken des hohen Mittelalters. Mainz 2005.

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Helden, sondern verfehlen sich und bleiben Figuren des Irdischen. Der Text lebt – und dies lässt auf den Kontext des Autors und auf ein städtisches Publikum schließen – durch seine Verhaftung in den irdischen Mikrokosmen Stadt und Hof. Die katharti­ sche Funktion, die der Protagonist auf seinem Weg zur Heiligung vollziehen würde (z. B. Crescentia), die Entladung von Konfliktpotentialen in der Opferung, wird allein durch familiale Konstellationen in der Welt (Vergil im Korb, Friedrich von Antfurt) verhandelt. Dies mag mit der Fokussierung auf zeitgenössische Lebensumstände und der größeren Bedeutung des Zusammenlebens in Paarkonstellationen wie der Ehe zusammenhängen, lässt aber auch auf eine sich ändernde Wirkung des Textes schlie­ ßen. Der Autor übernimmt keine Wertung, der Text gibt nichts vor. Damit bleibt aus wirkungsästhetischer Perspektive der Akt der Rezeption entscheidend, in dem der Leser selbst die Katharsis vollzieht und die Ordnung für sich stabilisiert (c. V). Der ent­ ladende Akt ist an Gelächter und Komik, damit ans Publikum gebunden. Es fällt dem Rezipienten zu, Anspielungen zu verstehen und auszulegen. Das Erzählen setzt histo­ risches Grundverständnis und religiöses Basiswissen, nicht nur des Autors, voraus, um die skandalösen Informationen aus königlichen Kreisen nicht als banalste Infor­ mationen stehen zu lassen, sondern ihnen einen tieferen Sinn zu geben. Die Variation der Erzählmuster, ihre Neukonfiguration und Erweiterung liefern im Vergleich zu den Traditionen Sinnangebote, die nur auf der Basis vorhandenen Wissens (beispiels­ weise Kaiserchronik) und durch Vergleiche (Komik) erschlossen werden können. Dass Komik als Textphänomen dennoch ans Publikum gebunden ist, gilt auch für die Weltchronik, denn der Erzähler lässt die Szenen unkommentiert. Alle Ordnungs­ überschreitungen führen in ihrer Wirkung am Ende zur Stabilisierung der Ordnung, auch wenn diese kurzzeitig infrage gestellt wird. Den sensus moralis, das Geheimnis aus Kombination von fabula und historia, muss der Rezipient selbst erkennen. Der Erzähler gibt diese Sinnebene nicht vor. Damit steht nicht die Aufforderung zur imitatio durch die Vorbildhaftigkeit der Figuren im Mittelpunkt, sondern das Angebot, eigenständig zu (be)werten. Vor allem im Vergleich mit der einhundert Jahre früher entstandenen Kaiserchronik zeigt sich, dass, während der ältere Text einem adligen Publikum Anleitung zu Herrschaft und entsprechendem Handeln gibt, dies für das Publikum der Weltchronik nicht mehr funktioniert bzw. adliges Verhalten als ‚genuin vorbildlich‘ distanziert zu betrachten ist. Obwohl Personal und Ausstattung der höfischen Welt verpflichtet bleiben, funktionieren die Zeichen nicht mehr, entsprechen die Handlungen einem Publikum, das durch einen anderen Erfahrungsraum geprägt ist. Dennoch sind die ‚Riskanten Ordnungen‘ Jans’ von Wien nicht Ausdruck der ‚Ablösung‘ von aristo­ kratisch-höfischen durch bürgerliche Verhältnisse, sondern bezeichnend für die Konstituierung einer städtischen Öffentlichkeit, an die sich der Autor wendet. Sein städtisches Bewusstsein scheint in seinen Selbstbekundungen auf, die Verhaftung in adligen Zusammenhängen zeigt sich in der Wahl seiner Themen. Fürsten- und Herrscherbiographien interessieren ihn auch für seine Stadt. Hier kommen gerade die jungen Adligen aus dem Haus der Babenberger oder Angehörige der bürgerlichen

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Oberschicht Wiens, die Interesse an ihrem Herrscherhaus haben, als Adressaten seines Weltwissens infrage. ‚Riskante Ordnungen‘ im eigenen Geschlecht oder frü­ herer Generationen dürften auch ihre Neugier geweckt haben. Genealogische Fragen gilt es in diesen Kreisen ebenso zu verhandeln. Riskant sind die Ordnungen in der Weltchronik, denn sie schwanken zwischen Stabilität und Auflösung, Festschreibung des Alten und Zulassen des Neuen und nicht zuletzt zwischen den Formen fabula und historia, Literarizität und Historizität, die schließlich in ihrer Kombination ein sinnvolles Ganzes ergeben.

Anhang Das Verzeichnis umfasst die Überlieferung der Weltchronik Jans’ von Wien. Es ist nach Einzelwerk und Kompilationen unterteilt. Für die Erstellung wurde auf die Verzeichnisse von Philipp Strauch1, Jörn-Uwe Günther2 und Graeme Dunphy3 sowie auf das Marburger Repertorium4 zurückgegriffen. Die Angaben zu den Textzeugnissen beinhalten im Wesentlichen Informationen zur Datierung, zu Umfang sowie zu Sprache und Gestaltung.

Jans von Wien Weltchronik Einzelwerk München, Staatsbibliothek, Cgm 11, noch 163 Blätter, Pergament, um 1340, bair.-österr. Ein umfangreicher Bildzyklus von über 215 Miniaturen hätte die Chronik illustrieren sollen, davon wurden aber nur 90 Bilder in Deckfarben und Gold ausgeführt, ab Blatt 96v mit roten Überschriften. In Cgm 199, Cgm 4, Cgm 5 und dem Regensburger Codex, Cod. Perg. III, zeigen die Darstellungen ikonographische und kompositorische Verbindungen. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 1), S. IV–VI; Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 26), S. 219–223; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 1*), S. 29; Roland: Illustrierte Weltchroniken, S. 99–109; Beatrice Hernad: Die gotischen Handschriften deutscher Herkunft in der Bayerischen Staatsbibliothek. Teil 1: Vom späten 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts. Mit Beiträgen von Andreas Weiner, Text- und Tafelband. Wiesbaden 2000 (Katalog der illuminierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek in München 5, 1), Textbd., S. 141–143 (Nr. 203), Tafelbd., S. 207–213 (Abb. 441–449). München, Staatsbibliothek, Cgm 199, 4 Blätter und eine innere Blatthälfte, Pergament, frühes 14. Jahrhundert, bair.-österr., früheste Belege für die Illustration des Textes. Sowohl kompositorisch als auch ikonographisch finden die Bilder ihre späteren Entsprechungen in der Weltchronik von Cgm 11, auch die Platzierung der Illustrationen stimmt in beiden Texten überein. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 3 und 4), S. XVIIf.; Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 27), S. 223–226; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 3 / 4*), S. 30; Roland: Illustrierte Weltchroniken, S. 110–114; Hernad: Die gotischen Handschriften, Textbd., S. 134f., Tafelbd., S. 200–202. a) München, Staatsarchiv, Fragm.-Slg. AII 13, 1 Querstreifen eines Doppelblattes, Pergament, 3. Viertel 14. Jahrhundert, bair., Raum für Illustrationen ausgespart. Vgl. Günther: Weltchronikhandschriften, S. 67; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 39a*), S. 32; Burghart Wachinger: Mittelhochdeutsche Bruchstücke aus Landshut, in: ZfdA 101 (1972), S. 326–340, dort S. 329–331). b) München, Staatsbibliothek, Cgm 5249 / 23c, 1 Doppelblatt und 1 Spalte, Pergament, 3. Viertel 14. Jahrhundert, bair., Bruchstück enthält Raum für sechs Miniaturen. Vgl. Günther: Weltchronikhandschriften, S. 67; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 39b*); Wachinger: Mittelhochdeutsche Bruchstücke, S. 330.

1 Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, S. III–LX. 2 Vgl. Günther: Weltchronikhandschriften. 3 Vgl. Dunphy: Daz was ein michel wunder, S. 29–39. 4 http://www.handschriftencensus.de/werke/5585 [Stand: 20.08.13].

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 Anhang

Regensburg, Fürstliche Thurn und Taxissche Hofbibliothek, Ms. Perg. III, 165 Blätter, Pergament, um 1360, bair., Handschrift enthält den ältesten überlieferten Bilderzyklus. 265 Bilder, die je einen Raum von 10–12 Zeilen einnehmen, eine gemeinsame Vorlage mit Cgm 11, prachtvolle Initialen. Schreiber­ identität mit der Haupthand von München, Staatsbibliothek, Cgm 5. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 2), S. VI–XVII; Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 40), S. 315–323; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 2*), S. 30; Roland: Illustrierte Weltchroniken, S. 168–181. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2921, noch 295 Blätter, Papier, beendet 1397 / 1398, bair.-österr., Text ist zweispaltig, mit 242 kolorierten Federzeichnungen, zwei Schreiber, darunter Hans Vogel (fol. 172va–292rb, vgl. fol. 218vb), Inhalt: Jans von Wien Weltchronik (fol. 5ra–292rb), vier Blätter der Weltchronik Heinrichs von München (fol. 1ra–4vb) sind vorangestellt. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 12), S. XXIII; Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 49), S. 367–374; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 12), S. 33; Hermann Menhardt: Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek. Bd. 1. Berlin 1960 (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur 13), S. 619f. Innsbruck, Universitäts- und Landesbibliothek, Fragm. 68, ein Blatt, eine Innenspalte, zwei Reste von zwei weiteren Blättern, Pergament, 1. Hälfte 14. Jahrhundert, bair.-österr., ohne Bilder. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 5), S. XVIII; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 5), S. 30; Joseph Diemer: Kleine Beiträge zur älteren deutschen Sprache und Literatur. VIII. Bruchstück des Trojanischen Kriegs aus Jansen Enenkel’s Weltchronik, in: Sitzungsberichte der phil.-hist. Classe der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Bd. 11 (Jg. 1853). Wien 1854, S. 163–173. a) Darmstadt, Landes- und Hochschulbibliothek, Handschrift Nr. 3158, ein Doppelblatt, Pergament, 2. Hälfte 14. Jahrhundert, westmitteldeutsch. Rote und blaue Initialen sind vorhanden sowie Platz für bildliche Darstellungen (15 Zeilen), die nie eingefügt wurden. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 6), S. XIVf.; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 6*), S. 31; Kurt Hans Staub; Thomas Sänger: Die Handschriften der hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt. VI: Deutsche und Niederländische Handschriften. Wiesbaden 1991, S. 140f. b) Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Cod. Fol. 439a (3), ein Blatt, Pergament, 2. Hälfte 14. Jahrhundert, westmitteldeutsch. Freier Raum für eine bildliche Darstellung ist angelegt. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 7), S. XX; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 7a*), S. 31; Staub; Sänger: Die Handschriften der hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt, S. 140f. c) Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Cod. Fol. 439b, eine Außenspalte, Pergament, 2. Hälfte 14. Jahrhundert, mitteldeutsch. Freier Raum für bildliche Darstellungen ist angelegt. Vgl. Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 7b*), S. 31; Staub; Sänger: Die Handschriften der hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt, S. 140f. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. 417 Helmst., 199 Blätter, Papier, 1. Hälfte 15. Jahrhundert, nd. (Ehrismann), ostfäl. (Beckers), md. mit nd. Einflüssen, thür. (Weigand). Handschrift enthält keine Bilder, aber rote Initialen, sowie Besitzeinträge für das Benediktinerkloster St. Blasien in Northeim auf dem Vorsatzblatt (fol. 78v, 124v und 199v). Der Codex beinhaltet Auszüge aus dem Renner Hugos von Trimberg (fol. 1rb–78va), aus Von der Jugend und dem Alter Hugos von Trimberg (fol. 1ra–1rb), aus Freidank (fol. 81ra–104vb), aus Stephan von Dorpat Cato (fol. 106ra–123va), Tischzuchten Der kindere hovescheit (fol. 123va–124vab) und Jans von Wien Weltchronik (fol. 125ra–



Kompilierte Handschriften 

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199va). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 8), S. XX; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 8), S. 31; Otto von Heinemann: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel. Erste Abtheilung: Die Helmstedter Handschriften I. Wolfenbüttel 1884 (Nachdruck unter dem Titel: Die Helmstedter Handschriften. Bd. 1: Codex Guelferbytanus 1 Helmstadiensis bis 500 Helmstadiensis (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel 1). Frankfurt am Main 1963, S. 326 (Nr. 452); Hermann Herbst: Handschriften aus dem Benediktinerkloster Northeim, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 50 (1932), S. 355–377, S. 611–629, dort S. 618f. Leipzig, Universitätsbibliothek, Rep. II. 116a, noch 448 Blätter, Papier, 2. Hälfte 15. Jahrhundert, bair.-österr., ohne Bilder. Handschrift enthält Auszüge weiterer Texte: die Erzählung von den Jahreskönigen (fol. 383ra–385va), Über den Tod Ezzelinos da Romano und die letzten Tage seines Bruders Alberico (fol. 415vb–440vb), Continuatio Praedicatorum Vindobonensum (fol. 439vb–448vb), Jans von Wien Weltchronik (fol. 2ra–415va). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 9), S. XXI; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 9*), S. 31f.; Franzjosef Pensel: Verzeichnis der deutschen mittelalterlichen Handschriften in der Universitätsbibliothek Leipzig. Zum Druck gebracht von Irene Stahl. Berlin 1998 (Deutsche Texte des Mittelalters 70 / 3), S. 343f. Berlin, Staatsbibliothek, Mgf. 927, 236 Blätter, Papier, um 1450, thüringisch, ohne Bilder. In den Text der Weltchronik (fol. 1r–234v) sind die Verserzählung Secundus (fol. 177r–180v) und Margareta von Antiochien (fol. 235r) eingeschoben. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 10), S. XXIf.; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 10), S. 32; Hermann Degering: Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek I. Die Handschriften in Folioformat. Leipzig 1925 (Mitteilungen aus der Preußischen Staatsbibliothek VII). Nachdruck Graz 1970, S. 131.

Kompilierte Handschriften a)  Jans von Wien Weltchronik mit Auszügen aus Heinrich von München Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cpg 336, 310 Blätter, Papier, um 1420, bair. mit österr. Formen. 176 Bilder gehen auf eine gemeinsame Vorlage mit Handschriften der Weltchronik zurück. Am Rand befinden sich Anweisungen für den Maler. In den Text sind Verse aus der Weltchronik Heinrich von München, der Kaiser- und der Sächsischen Weltchronik eingeschoben. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 11), S. XXIIf.; Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 20), S. 170–176; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 11), S. 33; Matthias Miller; Karin Zimmermann: Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ. 304–495). Wiesbaden 2007 (Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg VIII), S. 120f.

b)  Jans Weltchronik mit Auszügen aus der Christherre-Chronik München, Staatsbibliothek, Cgm 4, 40 Blätter, um 1370 / 80, bair.-österr., illustriert. Inhalt: Anfang einer Kompilation auf Basis der Christherre-Chronik v. 1–7.480 mit Kürzungen und 6 Interpolationen, 3 aus Jans von Wien Weltchronik und 3 aus Heinrich von München Weltchronik. Vgl. Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 41), S. 35; Plate: ,Christherre‘, S. 37.

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 Anhang

München, Staatsbibliothek, Cgm 5, 223 Blätter, Pergament, um 1370–1375, bair.-österr., mehrere Hände. Handschrift enthält 331 gerahmte Deckfarbenminiaturen und vergoldete Initialen. Vom Hauptschreiber stammt nach Schneider außerdem Regensburg, Ms. Perg. III. Einige Bilder sind abweichend, aber größtenteils Übereinstimmung mit Cgm 11 (gleiche Vorlage). Besonders enge Verbindungen bestehen zu Regensburg, Cod. Perg. III, und der erweiterten Christherre-Chronik in Linz, Studienbibliothek, Cod. 472. Inhalt: Weltchronikkompilation aus Christherre-Chronik, Jans von Wien Weltchronik (fol. 1ra–217rb), Udo von Magdeburg (fol. 218ra–223ra). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 13), S. XXIII–XXV; Günther: Weltchronikhandschriften (= Nr. 25), S. 209–219; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 13*), S. 33; Roland: Illustrierte Weltchroniken, S. 82–100; Plate: ‚Christherre‘, S. 37; Ulrich Montag; Karin Schneider: Deutsche Literatur des Mittelalters. Handschriften aus dem Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek München mit Heinrich Wittenwilers Ring als kostbarer Neuerwerbung. München 2003 (Bayerische Staatsbibliothek München. Schatzkammer 2003; Patrimonia 249), S. 58f. (Nr. 17). München, Staatsbibliothek, Cgm 250, 287 Blätter, Papier, 1. Hälfte 15. Jahrhundert, bair.-österr., Handschrift enthält 438 kolorierte Federzeichnungen. Text der Weltchronik auf fol. 1ra–186vb, 230ra– 286vb; fol. 187r–229v = Buch der Könige alter ê (Schwabenspiegelfassung, Fragment). Die Ausstattung der Handschrift wurde um 1420 von einem zweiten Meister fortgeführt. Vgl. Strauch: Jansen Enikles Werke, (= Nr. 14), S. XXVf.; Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 28), S. 226–236; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 14*), S. 33; Karin Schneider: Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Cgm 201–350. Wiesbaden 1970 (Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis V,2), S. 137f. a) Berlin, Staatsbibliothek, Hs. 389, noch 364 Blätter, Papier, 2. Hälfte 14. Jahrhundert, bair.österr., Handschrift enthält 219 kolorierte Federzeichnungen. Inhalt: Weltchronikkompilation (aus Christherre-Chronik und Jans von Wien Weltchronik). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 16), S. XXVIf.; Günther: Weltchronikhandschriften (= Nr. 39), S. 307–315); Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 16), S. 34; Plate: ‚Christherre‘, S. 28f.; Aderlaß und Seelentrost. Die Überlieferung deutscher Texte im Spiegel Berliner Handschriften und Inkunabeln, hg. von Peter Jörg Becker und Eef Overgaauw. Mainz 2003 (Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Ausstellungskataloge NF 48), S. 413–416, (Nr. 195). b) Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 7217, 5 Blätter, Papier, um 1380, bair.-österr., Hs. enthält 5 kolorierte Federzeichnungen. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 17), S. XXVII; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 17*), S. 34; Lotte Kurras: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften. Zweiter Teil: Die naturkundlichen und historischen Handschriften, Rechtshandschriften, Varia. Wiesbaden 1980 (Kataloge des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg 1,2), S. 40. Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. fol. 480, 546 Blätter, Papier, um 1445–1450 (Wasserzeichen), bair.-österr., illustriert, Christherre-Jans-Mischtext, enthält v. 129–13.452 der Weltchronik. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 15); Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 5), S. 95–100; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 15), S. 34; Plate: ‚Christherre‘, S. 27. a) München, Universitätsbibliothek, Fragm. 131 [1944 verbrannt], obere Blatthälfte, Pergament, 14. Jahrhundert (Lehmann / Glauning / Kurras); 4. Viertel 14. Jahrhundert (Günther), bair., Handschrift enthält Illustrationen, Inhalt: Christherre-Chronik, vermischt mit Jans von Wien Weltchronik: B: fol. 1 Jans von Wien Weltchronik v. 5.819–6.074, fol. 2 Jans von Wien Weltchronik v. 7.216–92, Christherre-Chronik v. 12.117–386, C: Christherre-Chronik v. 17.822–18.090, mit einem Jans-Ein-



Kompilierte Handschriften 

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schub v. 8707–10 hinter v. 17.836, A: Christherre-Chronik v. 20.912–21.257, Jans v. 8.583–616. Die Reihenfolge der Fragmente im unzerstörten Codex war C, A, B. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 28), S. XXXIV; Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 34), S. 273–277; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 28c), S. 35; Gisela Kornrumpf; Paul-Gerhard Völker: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek München. Wiesbaden 1968 (Die Handschriften der Universitätsbibliothek München 1), S. 346; Plate: ‚Christherre‘, S. 36. b) Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 42578, Rest eines Doppelblattes, Pergament, 14. Jahrhundert (Lehmann / Glauning / Kurras); 4. Viertel 14. Jahrhundert (Günther), bair. Vgl. Lotte Kurras: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften. Erster Teil: Die literarischen und religiösen Handschriften. Anhang: Die Hardenbergschen Fragmente. Wiesbaden 1974 (Kataloge des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg 1,1), S. 164; Julius Zacher: Bruchstücke aus der Sammlung des Freiherrn von Hardenberg I, in: ZfdPh 9 (1878), S. 395–443, hier S. 425–432 (mit Abdruck von [b]); Strauch: Jansen Enikels Werke, (=Nr. 28), S. XXXIV; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 28a*), S. 34. c) Privatbesitz Karl Roth, München (1) [verschollen], obere Blatthälfte, Pergament, 14. Jahrhundert (Lehmann / Glauning / Kurras); 4. Viertel 14. Jahrhundert (Günther), bair. Vgl. Karl Roth (Hg.): Dichtungen des deutschen Mittelalters. Stadtamhof 1845, S. XIf., 76–81, 87–90 (mit Abdruck von [c]). Gießen, Universitätsbibliothek, Hs. 99, 2 Blätter, Pergament, 2. Hälfte 14. Jahrhundert, bair.-österr., Bildräume. Inhalt: Weltchronikkompilation (aus Christherre-Chronik und Jans von Wien Weltchronik). Vgl. Günther: Weltchronikhandschriften, S. 67; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 40), S. 35; Plate: ‚Christherre‘, S. 31. München, Staatsbibliothek, Cgm 279, 301 Blätter, Papier, 1. Hälfte 15. Jahrhundert, Bildräume für 3 Miniaturen. Inhalt: Weltchronikkompilation (aus Christherre-Chronik und Jans von Wien Weltchronik (Fall der Engel, Abraham)). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 29), S. XXXIV; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 29), S. 35; Karin Schneider: Die deutschen Handschriften, S. 229f. Wien, Universitätsbibliothek, Cod. 3060, 277 Blätter, Papier, 1426. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 20), S. XXX; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 20), S. 36; Menhardt: Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften, S. 849f.

c)  Jans von Wien Weltchronik mit Auszügen aus Christherre-Chronik und Rudolf von Ems Weltchronik Kassel, Universitätsbibliothek, LMB, 2° Ms. theol. 4, noch 295 Blätter, Pergament, 1385 (fol. 295rb), bair.-österr., Handschrift enthält 153 rot gerahmte Deckfarbenminiaturen, Schreibernennung auf fol. 295rb: per manus Federicij (Wiedemann). Inhalt: Weltchronik-Kompilation (aus ChristherreChronik, Adams Klage, Krankheit und Heilung Adams, Jans von Wien Weltchronik, Rudolf von Ems Weltchronik, Evangelien-Perikopen der Passion und Bruder Philipp Marienleben) (fol. 1ra–295rb); Zauberspruch (Nachtrag des 16. Jh.s) (unvollständig) (fol. 295v). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 33), S. XXXIX; Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 21), S. 176–183; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 33), S. 36; Konrad Wiedemann: Manuscripta Theologica. Die Handschriften in Folio. Wiesbaden 1994 (Die Handschriften der Gesamthochschul-Bibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel 1, 1), S. 6–9.

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 Anhang

a) Pommersfelden, Gräfl. Schönbornsche Schlossbibliothek, Cod. 303 (2897), noch 304 Blätter, Pergament, Ende 14. Jahrhundert, bair.-österr., Handschrift enthält 287 meist ungerahmte Federzeichnungen, davon zwei ganzseitige. Inhalt: Weltchronikkompilation (aus Rudolf von Ems Weltchronik, Christherre-Chronik, Jans von Wien Weltchronik, Bruder Philipp Marienleben). Vgl. Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 38), S. 296–307; Roland: Illustrierte Weltchroniken, S. 150–166; Plate: ‚Christherre‘, S. 40. b) Köln, Erzbischöfliches Diözesanmuseum, Nr. 1996 / 538, 1 Blatt, Pergament, Ende 14. Jahrhundert, bair.-österr. Vgl. Anton von Euw; Joachim M. Plotzek: Die Handschriften der Sammlung Ludwig. Bd. 3, hg. vom Schnütgen-Museum der Stadt Köln. Köln 1982, S. 230–233. c) Los Angeles, The J. Paul Getty-Museum, Ms. Ludwig XIII 2, (früher Malibu, The J. Paul GettyMuseum, Ms. Ludwig XIII 2, davor Privatbesitz Carl Richartz, Amsterdam, Nr. 16), ein Blatt, Pergament, Ende 14. Jahrhundert, bair.-österr. Vgl. Danielle Jaurant: Rudolfs Weltchronik als offene Form. Überlieferungsstruktur und Wirkungsgeschichte Tübingen; Basel 1995 (Bibliotheca Germanica 34), S. 198–208. a) Bamberg, Staatsbibliothek, Msc. I Qa 4 [verschollen], 1 Blatt, Pergament, 2. Viertel 15. Jahrhundert, bair.-österr., Fragmente enthalten Kompilationen aus Rudolf von Ems Weltchronik, Christherre-Chronik, Bruder Philipp Marienleben und Jans von Wien Weltchronik. Handschrift enthält 17 Deckfarbenminiaturen. Vgl. Karl-Georg Pfändtner: Vergessene Miniaturen – Die „Cutting“Sammlung der Staatsbibliothek Bamberg, in: Codices Manuscripti 69 / 70 (2009), S. 17–32, dort S. 17, Anm. 4. b) München, Staatsbibliothek, Cgm 5249 / 22a, 1 Doppelblatt + 1 weiteres, Pergament, 2. Viertel 15. Jahrhundert, bair.-österr. Vgl. Karin Schneider: Die Fragmente mittelalterlicher deutscher Versdichtung der Bayerischen Staatsbibliothek München (Cgm 5249 / 1–79). Stuttgart 1996 (ZfdA. Beiheft 1), S. 45f.; Dies.: Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, S. 51f. c) München, Staatsbibliothek, Cgm 5249 / 51b, 1 Blatt. Vgl. Schneider: Die Fragmente mittelalterlicher deutscher Versdichtung, S. 45f.; Dies.: Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staats­ bibliothek München, S. 51f. d) München, Nationalmuseum, ohne Signatur (2), 1 Doppelblatt. e) Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 18399, 2 Blätter, 14. Jahrhundert, mit Bildern. Vgl. Kurras: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften. Erster Teil, S. 70. f) Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 22282, 1 Blatt. Vgl. Kurras: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften. Erster Teil, S. 81. g) Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 42568, obere Hälfte eines Blattes. Vgl. Kurras: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften. Erster Teil, S. 161. h) Regensburg, Archiv des Katharinenspitals, Frag. Kasten II, Fach 49, Fasc. 12, 1 Doppelblatt + 4 Blätter. i) Regensburg, Bischöfliche Zentralbibliothek Fragm. I.5.5.



Kompilierte Handschriften 

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j) Regensburg, Stadtarchiv, A 1988 / 13,30, 4 Blätter. k) Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 15328, ein am inneren Rand mit Textverlust beschnittenes Blatt. Vgl. Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 42), S. 36; Menhardt: Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften, Bd. 3, S. 1398. l) Privatbesitz Familie Eigner, Engelthal bei Nürnberg, 1 Blatt. Vgl. Raymond Graeme Dunphy: Ein neues Weltchronik-Fragment in Engelthal, in: ZfdA 140 (2011), S. 353–358. a) München, Staatsbibliothek, Cgm 5249 / 22d, 2 Blätter, Pergament, 1. Viertel 15. Jahrhundert, bair.österr. Inhalt: Weltchronikkompilation (aus Rudolf von Ems Weltchronik und Jans von Wien Weltchronik). Vgl. Günther: Weltchronikhandschriften, S. 67; Schneider: Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, S. 54. b) München, Staatsbibliothek, Cgm 5249 / 23a, 1 Doppelblatt, Pergament, 1. Viertel 15. Jahrhundert, bair.-österr., Raum für Illustrationen ist ausgespart. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Weltchronik, (=Nr. 5a), S. XVIII; Günther: Weltchronikhandschriften, S. 67; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 5a*), S. 30; Schneider: Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, S. 54. Los Angeles, The J. Paul Getty-Museum, Ms. 33, noch 309 Blätter, Pergament, 2. Hälfte 14. Jahrhundert (Schneider); Ende des 14. Jahrhunderts (Plate); um 1410 (Günther), bair.-österr., Handschrift enthält 364 Deckfarbenminiaturen, Nennung des Schreibers oder Miniaturisten: fol. 3r her pernhart. Inhalt: Weltchronikkompilation (aus Rudolf von Ems Weltchronik, Cristherre-Chronik, Jans von Wien Weltchronik, Bruder Philipp Marienleben). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 37), S. XXXIX; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 37), S. 36; Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 23), S. 194–204; Karin Schneider: Deutsche mittelalterliche Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg. Die Signaturengruppen Cod. I.3 und Cod. III.1. Wiesbaden 1988 (Die Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg II,1), S. 33. New York, Public Library, Spencer Collection, Ms 38, noch 354 Blätter, Papier, 1402, bair.-österr., Handschrift enthält 287 kolorierte Federzeichnungen. Inhalt: Weltchronikkompilation aus Rudolf von Ems: Weltchronik, Christherre-Chronik und Jans von Wien Weltchronik. Vgl. Günther: Weltchronikhandschriften (= Nr. 36), S. 285–293); Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 43), S. 36; Dictionary Catalog and Shelf List of The Spencer Collection of Illustrated Books and Manuscripts and Fine Bindungs. Bd. 1: A-K, Bd. 2: L-Z, Appendices. Boston / Mass. 1971 (The New York Public Library. Astor, Lenox & Tilden Foundations. The Research Libraries), hier Bd. 2, Appendix II, S. 904. Linz, Bundesstaatliche Studienbibliothek, cod. 472, 331 Blätter, Pergament, 4. Viertel 14. Jahrhundert, bair.-österr., 390 gerahmte Illustrationen. Inhalt: Erweiterte Christherre-Chronik. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 19), S. XXVIII–XXX; Günther: Weltchronikhandschriften (= Nr. 22), S. 183–193, Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 19*), S. 36. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nova 2642, 318 Blätter, Pergament, Ende 14. Jahrhundert, bair.-österr., 399 kolorierte Federzeichnungen. Inhalt: Erweiterte ChristherreChronik (fol. 1ra–317va). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Weltchronik, (=Nr. 18), S. XXVIIf.; Günther: Weltchronik­handschriften, (= Nr. 51), S. 378–387; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 18), S. 35.

290 

 Anhang

d)  Rudolf von Ems Weltchronik mit Auszügen aus Jans von Wien Weltchronik Basel, Universitätsbibliothek, Cod. E VI 26, 231 Blätter, Papier, 1420 / 30 mit Nachträgen / Ergänzungen bis 1474, alem. Inhalt: 1ra–14ra = Rudolf von Ems Weltchronik (Auszüge, fol. 1ra–14ra), mit Auszügen aus Jans von Wien Weltchronik (fol. 8vb Z. 7–10va Z. 10), Trojanerkrieg (fol. 14ra–17va), Sächsische Weltchronik, Rez. A (fol. 17v–179r), Basler Alexander (fol. 22vb–67va), Erhard Appenwiler: Chronik (fol. 180v–231r). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 36), S. XXXIX; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 36), S. 38; Jürgen Wolf: Die Sächsische Weltchronik im Spiegel ihrer Handschriften. Überlieferung, Textentwicklung, Rezeption. München 1997 (Münstersche MittelalterSchriften 75), S. 25–29 (Hs. 021). Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cpg. 146, 104 Blätter, Papier, 1367, schwäbisch mit bair. Formen, Verse sind abgesetzt, mit Schreibernennung: per manus Johanni Kerneronis de Husen vnder nusche Constanttiensis (fol. 99rb). Inhalt: Christherre-Chronik (fol. 1ra–3vb), Rudolf von Ems Weltchronik (p) (fol. 4ra–94rc), Jans von Wien Weltchronik (fol. 94rc–99rb). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 31), S. XXXIX; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 31), S. 37; Karin Zimmermann unter Mitwirkung von Sonja Glauch [u. a.]: Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ. 1–181). Wiesbaden 2003 (Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg 6), S. 321–323. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cpg. 321, 329 Blätter, Papier, 1. Hälfte 15. Jahrhundert, südwestdt. Inhalt: Christherre-Chronik bis v. 24.262, fortgesetzt mit Rudolf von Ems Weltchronik (v. 17.250–36.176), Nachträge und Fortsetzung mit Rudolf v. 36.177–338 und Auszügen aus Jans von Wien Weltchronik. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 34), S. XXXIX; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 34), S. 37; Plate: ‚Christherre‘, S. 32; Miller; Zimmermann: Die Codices Palatini germanici, S. 76–80. Stuttgart, Landesbibliothek, Cod. HB XIII 6, noch 340 Blätter, Pergament, Mitte des 14. Jahrhunderts, bair.-österr., Handschrift enthält 249 Deckfarbenminiaturen, darunter 2 ganzseitige. Inhalt: Weltchronikkompilation (aus Christherre-Chronik, Adams-Klage, Rudolf von Ems Weltchronik, Jans von Wien Weltchronik, Bruder Philipp Marienleben). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 32), S. XXXIX; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 32), S. 37; Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 45), S. 346–355; Roland: Illustrierte Weltchroniken, S. 198–216. a) Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. I.3.2°II, noch 214 Blätter, Pergament, 2. Hälfte 14. Jahrhundert, mittelbairisch, Handschrift enthält 296 gerahmte Deckfarbenminiaturen. Inhalt: Weltchronikkompilation (aus Rudolf von Ems Weltchronik, Jans von Wien Weltchronik, Bruder Philipp Marienleben). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (=Nr. 38), S. XXXIXf.; Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 1), S. 68–76); Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 38), S. 37; Schneider: Deutsche mittelalterliche Handschriften der Universitätsbibliothek Augsburg, S. 33–35. b) München, Staatl. Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 21241, Teil des fehlenden Blattes nach Blatt 213, Pergament, 2. Hälfte 14. Jahrhundert, mittelbairisch. a) Colmar, Stadtbibliothek, Depositum Musée Bartholdi [ohne Sign], noch 190 Blätter, Papier, um 1400 (Ende 14. Jh. (Plate); um 1400 (Günther), alem., lavierte Federzeichnungen (noch 105). Inhalt: Weltchronikkompilation (aus Rudolf von Ems Weltchronik, Adam und Eva (Adams Klage), ChristherreChronik, Jans von Wien Weltchronik). Vgl. Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 9), S. 125–131); Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 44), S. 37.



Kompilierte Handschriften 

 291

b) Berlin, Staatsbibliothek, Hs. 396, noch 4 Blätter, Papier, um 1400 (Ende 14. Jh. (Plate); um 1400 (Günther), alem. Vgl. Aderlaß und Seelentrost, S. 415–417 (Nr. 196). c) Bregenz, Landesbibliothek, Hs. Fr. 1a–b, 2 Blätter, Papier, um 1400 (Ende 14. Jh. (Plate); um 1400 (Günther), alem.

e)  Heinrich von München mit Auszügen aus der Weltchronik Jans’ von Wien Berlin, Staatsbibliothek, mgf 1107, noch 529 und 3 Blätter, Papier, 1387, bair., Raum für Illustrationen ausgespart. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 30), S. XXXIV–XXXVIII; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 30), S. 39; Degering: Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften, S. 154. Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. fol. 1416, 328 Blätter, Pergament, um 1400, bair.-österr., 220 ungerahmte kolorierte Federzeichnungen mit Beischriften. Inhalt: Handschrift gehört zur Gruppe α der Heinrich-von-München-Hss., auf fol. 104ra–154ra Trojanerkrieg, kompiliert aus Konrad von Würzburg, Jans von Wien u. a. Vgl. Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 7), S. 104–111; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 27), S. 38. Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Hs. Don. A III,3, 1 Blatt, 2. Hälfte 14. Jahrhundert, bair.-österr. Inhalt: Christherre-Chronik v. 1.229–480 mit Zusätzen hinter v. 1,324 (2 Verse) und hinter v. 1,474 Jans von Wien Weltchronik v. 393–398. Vgl. Plate: ‚Christherre‘, S. 33f. Stockholm, Kungliga Biblioteket Vu 74a, 15. Jahrhundert, illustriert. Inhalt: Weltchronik Heinrich von München, Luzifergeschichte nach Jans von Wien Weltchronik. Vgl. Gisela Kornrumpf: Die ‚Weltchronik‛ Heinrichs von München. Zur Überlieferung und Wirkung, in: Festschrift für Ingo Reiffenstein zum 60. Geburtstag, hg. von Peter K. Stein [u.a.]. Göppingen 1988, S. 493–509, dort S. 501; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 47), S. 38. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 12470, 378 Blätter, Papier, 1462 (fol. 375vb), bair.österr. Inhalt: Heinrich von München Weltchronik mit Interpolationen aus Christherre-Chronik, Jans von Wien Weltchronik und Ulrichs von dem Türlein Willehalm. Vgl. Menhardt: Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften. Bd. 3, S. 1237f.; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 49), S. 39. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2768, 400 Blätter, Pergament, Viertel 14. Jh. (um 1390?), bair., 226 Deckfarbenminiaturen. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke (= Nr. 21), S. XXX; Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 47), S. 359–365; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 21), S. 39; Menhardt: Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften. Bd. 1, S. 271f. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2782, 354 Blätter, Pergament, 1439, bair.-österr., Raum für Illustrationen ist ausgespart, Schreibernennung: Hye hat daz pFch ein end. Got vns sein gnad send. Per manus Hainrici Gniebar / ner de Velpach (fol. 354c). Inhalt: Landbuch von Österreich und Steier (fol. 1r–3r), Jans von Wien Fürstenbuch (fol. 3va–28vb), Babenbergische Genealogie (fol. 28vb–30ra), Habsburgische Genealogie (fol. 30ra–32rb), Heinrich von München Weltchronik (fol. 35ra–354va). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 22), S. XXIf., XLIII; Dunphy: Daz was ein

292 

 Anhang

michel wunder, (= Nr. 22), S. 38; Menhardt: Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften. Bd. 1, S. 295–297. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. 1.5.2 Aug. 2°, 274 Blätter, Pergament, 3. Drittel 14. Jahrhundert, bair.-österr., 167 Miniaturen und Aussparungen für weitere ca. 44 Miniaturen. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke (= Nr. 23), S. XXXIIf.; Günther: Weltchronikhandschriften, (= Nr. 54), S. 395–403; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 23), S. 39; von Heinemann: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel. Zweite Abtheilung, S. 26 (Nr. 1589). Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. 1.16 Aug. 2°, 266 Blätter, Papier, 1399 (fol. 266vb), bair., 2 Farbabbildungen. Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke (= Nr. 25), S. XXXIII; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 25), S. 37; von Heinemann: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel. Zweite Abtheilung, S. 51–53 (Nr. 1627).

f)  Jans von Wien Weltchronik mit anderen Stücken Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2880, 174 Blätter, Papier, 2. Hälfte 15. Jahrhundert, Grenzgebiet Rheinfranken, mit Bildern. Inhalt: Heinrich der Teichner: Gedichte (fol. 1r–118v), darin: Vaterunser-Auslegung (fol. 11r–12r), Visio Philiberti (dt. Versübersetzung, fol. 119r–127v), Ain gemaine lere (fol. 129v–130v), Meister Reuauß (fol. 130v–141r), Heinrich der Teichner: Gedichte (fol. 141r–150v), Cato (fol. 151r–159v), Jans von Wien Weltchronik (fol. 159v–166v), Schondoch Die Königin von Frankreich (fol. 167r–174r). Vgl. Strauch: Jansen Enikels Werke, (= Nr. 35), S. XXXIX; Dunphy: Daz was ein michel wunder, (= Nr. 35), S. 32; Menhardt: Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften. Bd. 1, S. 498–514.

Abkürzungen 

 293

Abkürzungen ATB BBKL BHM

Altdeutsche Textbibliothek, Tübingen Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Bernhard Lambert: Bibliotheca Hieronymiana Manuscripta. 4 Bde. Steenbrugge 1969–1972 (Instrumenta Patristica 4). CCSL Corpus Christianorum. Series Latina CSEL Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum DA Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters DVjs Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte DW Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. (in 32 Teilbänden). Leipzig 1854–1971 (ND Gütersloh 1991). FMSt Frühmittelalterstudien GAG Göppinger Arbeiten zur Germanistik GRM Germanisch-Romanische Monatsschrift GWU Geschichte in Wissenschaft und Unterricht HJb Historisches Jahrbuch HZ Historische Zeitschrift KTA Kröners Taschenbuchausgabe LexMA Lexikon des Mittelalters, hg. von Robert-Henri Bautier [u. a.]. 9 Bde. München; Zürich 1980–1999. LiLi Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik LLM Lexikon Literatur des Mittelalters MGH SS Monumenta Germaniae Historica, Scriptores. 32 Bde. 1826–1934. MJb Mittellateinisches Jahrbuch MTU Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters NdJb Niederdeutsches Jahrbuch PBB Beiträge zur deutschen Sprache und Literatur PG Migne: Patrologiae cursus completus. Series Graeca. 161 Bde. Paris 1857–1866. PL Migne: Patrologiae cursus completus. Series Latina. 221 Bde. Paris 1844–1896. Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts, hg. RSM von Horst Brunner und Burghart Wachinger. 16 Bde. Tübingen 1986–2007. TRE Theologische Realenzyklopädie v. Vers 2 VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begründet von Wolfgang Stammler, fortgeführt von Karl Langosch. 2., völlig neu bearb. Auflage, hg. von Kurt Ruh [u. a.], fortgef. von Burghart Wachinger. Berlin; New York seit 1978. WdF Wege der Forschung ZfdA Zeitschrift für deutsches Altertum ZfdPh Zeitschrift für deutsche Philologie

294 

 Anhang

Literaturverzeichnis Quellen Albert von Stade: Chronica. Die Chronik des Albert von Stade. Übers. von Franz Wachter. Leipzig 1896, in: Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit. Bd. 72 / 4. Gesamtausgabe 1940. Albertus Magnus: Opera omnia. Bd. 27: Commentarii in II sententiarum, hg. von Das Annolied. Mhd. / Nhd., hg., übers. und komm. von Eberhard Nellmann. Stuttgart 62005. Auguste Borgnet. Paris 1894. Augustinus: Confessiones X,35, in: PL 32, Sp. 657–868. Augustinus: De civitate dei, in: PL 41, 13–804. Augustinus: De divinatione daemonum, hg. von Joseph Zycha, in: CSEL 41 (1900), S. 597–618. Augustinus: De doctrina christiana, hg. von Joseph Martin , in: CCSL 32 (1962), S. 1–167. Augustinus: De Genesi ad litteram, in: PL 34, Sp. 245–486. Augustinus: De trinitate, hg. von William John Mountain und Francois Glorie, in: CCSL 50 (1968). Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzung und Nachwort von Franz Dirlmeier, Anmerkungen von Ernst A. Schmidt. Bibl. erg. Ausg. Stuttgart 2003. Aristoteles: Poetik. Griech. / Dt. Übers. und hg. von Manfred Fuhrmann. Stuttgart 1982. Die Benediktsregel. Eine Anleitung zu christlichem Leben. Der vollständige Text der Regel lat. / dt. übersetzt und erklärt von Georg Holzherr, Abt von Einsiedeln. Zürich [u. a.] 1982. Berthold von Regensburg: Von der ê, in: Berthold von Regensburg. Vollständige Ausgabe seiner Predigten, mit Anmerkungen und Wörterbuch, hg. von Franz Pfeiffer. Bd. 1. Wien 1862. Die Bibel. Die heilige Schrift des Alten und Neuen Bundes. Deutsche Ausgabe mit den Erläuterungen der Jerusalemer Bibel, hg. von Diego Arenhoevel [u. a.]. Freiburg [u. a.] 1968. Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem. Recensuit et brevi apparatu critico instruxit Robert Weber. Ed. quintam em. retr. praep. Roger Gryson. Stuttgart 52008. Boccaccio: Das Dekameron. Aus dem Ital. von Karl Witte. Köln 2009. Boccaccio: De claris mulieribus. Lat. / Dt. Ausgew., übers. und komm. von Irene Erfen und Peter Schmitt. Stuttgart 1995. Braunschweigische Reimchronik, hg. von Ludwig Weiland, in: MGH (Deutsche Chroniken 2). Hannover 1877. Nachdruck München 1980, S. 430–574. Briefe des Francesco Petrarca. Eine Auswahl. Übers. von Hans Nachod und Paul Stern. Berlin 1931. Caesarius von Heisterbach: Dialogus Miraculorum; Dialog über die Wunder. 5 Bde., übers. und komm. von Nikolaus Nösges und Horst Schneider. Turnhout 2009 (Fontes Christiani 86 / 1–5). Cassian: De oratione, in: PL 49, I. Cicero: De oratore, hg. u. übers. von Harald Merklin. Stuttgart 21976. Commentariorum in Danielem, hg. von Franciscus Gloriae, in: CCSL 75A (1964). Donna Woolfolk Cross: Die Päpstin. Berlin 41996. Deutsche Volkslieder. Texte und Melodien. Bd. 1, hg. von Lutz Röhrich und Rolf Wilhelm Brednich. Düsseldorf 1965. Deutscher Sagenschatz. Rheinland Sagen. Bd. 1: Niederrhein bis Köln, Bergisches Land, Eifel, hg. von Paul Zaunert. Jena 1924. Umberto Eco: Der Name der Rose. Übers. von Burkhart Kroeber. München 1982. Die Frauentreue, in: Klaus Grubmüller (Hg.): Novellistik des Mittelalters. Märendichtung. Frankfurt am Main 1996 (Bibliothek des Mittelalters 23), S. 470–493. Friedrich von Schwaben, hg. und kommentiert von Sandra Linden. Konstanz 2005. Gelasius I.: Epistula 12, in: Andreas Thiel (Hg.): Epistolae Romanorum pontificum 1. Braunsberg 1867. Nachdruck Hildesheim; New York 1974, S. 349–358.

Literaturverzeichnis 

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296 

 Anhang

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324 

 Anhang

Register Aufgenommen sind Werktitel, Verfasser- und Protagonistennamen. Abraham 64, 66f., 72, 200f. , 216, 218, 222‒226, 287, Absalom, Absalon 58, 65, 73, 184 Achill 10, 144f., 170, 173, 209‒211, 256, 273 Markgraf Adalbert 9 Adam 42, 46, 56, 64, 66, 72, 96‒98, 101, 110, 133, 141, 145, 159, 172, 216, 218‒222, 226, 274, 287, 290, 297 Adelger 229f., 232f., 242, 244, 249 Äsop 141 Agrippa 268 Albertus Magnus 179, 212 Alexander der Große 46, 65, 73, 75f., 111, 112, 113, 114, 122, 133, 248, 280 Almênia 237‒239 Anno II. von Köln, Erzbischof 266f., 274 Annolied 74, 77, 250, 266‒268, 273‒275 Anselm von Canterbury 51 Anselm von Justingen 160f. Anthenor 74 Antiochus 65, 73 Appollonius von Tyrland 19 Aristoteles 7, 15, 106, 119, 120, 122, 145, 179, 184, 194, 198 Astrolabius 212 Augustinus 45, 52, 55, 66, 96, 98, 104, 107, 109, 115, 166, 167, 172, 179, 203, 228, 234, 240, 243 – De civitate dei 3f., 55, 66, 104, 107, 179, 234, 240 – De doctrina christiana 203, 243, – De genesi ad litteram 96, 109, 172 Augustus 65, 68, 73, 77f., 87, 267f., 273 Babenberger 9, 25, 29, 26, 42, 50, 63, 76, 80, 86, 91‒93, 160, 267, 279, 281 Bathseba 65, 73, 104‒108, 133, 245 Beda Venerabilis 52, 132 Berthold von Regensburg 141, 146 Bibel 41‒44, 53, 111, 172, 201, 215f., 22, 257, 275‒277, 279 Blanscheflur 196, 228 Boccaccio 14, 124, 253, 260, 270, 279 – Decameron 131, 142

Brangäne 257f., 272 Braunschweigische Reimchronik 10, 12 Bruder Philipp – Marienleben 41f., 287‒290 Brünhild 230 Caesar 65, 73, 267 Caesarius von Heisterbach 199 – Dialogus miraculorum 149, 173, 179 Calandrino 142 Cham 55 Christine de Pizan 237 – Livre des trois vertus 237 Christherre-Chronik 12f., 40‒42, 278, 285‒291 Christian, Abt 51 Cicero 35, 198, 203, 234, 264 Clinschor, Klingsor 114f., 212 Colonna, Kardinal 147 Conlatinus 238‒240 Crescentia 95, 121, 123, 124, 127, 131, 230, 233f., 236, 242, 247f., 252, 281 Cunnewâre 194f., 197 Cyrus 209, 252, 257‒259, 272, – Kyros II. von Persien 257 Dalila 10, 42, 107‒111, 113, 133 Daniel 46f., 65, 72f., 75, 101‒104, 267 David 49, 58, 64‒68, 73, 104‒108, 120, 122, 133, 206‒208, 213, 245 Decius 71 Dietrich von Bern 227, 231, 250, 261 Dietrich, Bürger 36 Diokletian 264 Domitian 65, 73 Dyadamia 145, 210 Eike von Repgow 275 Eneas 74, 79f. Êrec 6, 151 Eraclius 65, 72f. Esau 45 Étienne de Bourbon 171 Eva 46, 56, 64, 72, 96‒98, 100f., 104, 109, 110f., 124, 133, 141, 145, 152, 172, 216, 218‒220, 222, 226, 290

Register 

Faustinian 179, 242f. Finian, Abt 50 Focas 65, 73 Franco 74, 79f. Die Frauentreue 126, 130 Friedrich II. 9, 60, 65, 80, 86, 132, 135, 137, 158‒160, 162, 164f., 167‒170, 209, 216, 218, 256, 264, 271, 273, Friedrich II., Herzog 31 Friedrich von Antfurt 60, 92, 123, 126, 128, 131‒134, 209, 244, 247f., 281 Gahmuret 196 Gaius 65, 73 Gelasius I. 2f., 135 Gesta Romanorum 44, 149, 179 Goliath 65, 73 Gottfried von Admont 10, 110f. Gottfried von Straßburg 100, 108, 196, 211, 257, 272 – Tristan 95, 100f., 108, 133, 196, 211f., 257f., 272 Gregor X., Papst 65, 73, 88 Gutolf von Heiligenkreuz 35f. – Translatio s. Delicianae 35f. Hans Sachs 105, 125, 260 – Der Filius im korb zw schmach 125 Hans Scheider 37f. Hartmann von Aue 33, 272 – Êrec 33, 61, 225, 272 Heinrice Kůnrade 124 Heinrich I. 3 Heinrich II. Jasomirgott 44, 50 Heinrich von München 40, 42, 285, 291 – Weltchronik 285, 291 Helena 74 Herodes 106 Herzeloyde 196 Hesekiah 65, 73 Hieronymus 72, 172, 215, 265 Hildegund von Schönau 173 Himmelsbrief 148, 152 Hincmar von Reims 231f. Hiob 65, 73, 209, Honorius Augustodunensis 36, 43f., 50‒52, 66f., 70, 87f., 138, 170 – Imago mundi 36, 43f., 50, 52, 66f., 70, 87, 170, 263

 325

Horaz 54, 199 – Epistula ad Pisones 199 Hugo von St. Victor 22, 66 – In ecclesiasticam homilia 66 Innocenz II., Papst 87 Innocenz III., Papst 51 Isaak 64, 72f., 201, 216, 218, 223f., 226 Isidor von Sevilla 14f., 52, 55, 132, 253f., 265 Isolde 107, 211f., 258 Jakob 45, 57, 64, 73 Jacques de Baisieux 126 Jans von Wien, Enikel, Jansen Enikel, Johans 9‒12, 18, 21‒46, 48‒50, 52f., 55, 60, 63f., 67, 72, 75, 79, 80, 85, 86‒92, 95f., 105, 110, 117, 120, 122, 127, 130, 132, 138, 141, 146, 162, 171, 177, 182f., 187, 189f., 200, 202, 203f., 205‒207, 209, 212, 214, 217f., 225f., 230f., 234, 237, 241f., 244, 248, 250, 253, 254, 259f., 267‒273, 275, 278f., 281, 283‒292 – Fürstenbuch 9, 11f., 29‒39, 42, 44f., 63, 234, 260, 267, 278, 291 – Weltchronik 9‒13, 21, 23, 26‒33, 36‒43, 46‒50, 52‒54, 56‒61, 63‒65, 67‒71, 73‒81, 83‒88, 90‒92, 95‒113, 116‒124, 126‒128, 131‒136, 138f., 141f., 144‒156, 158‒168, 170‒179, 181‒184, 187‒192, 200, 203f. 207‒225, 230f., 237, 241f., 244‒255, 258‒260, 263, 267‒275, 277‒292 Jean de Mailly 171 Jesus Christus 6, 65, 68, 77, 110f., 150, 193, 195f., 280, Joachim 102f. Joachim von Fiore 130, 160 Johanna, Päpstin 88, 170f., 175f., 253 – Pope Joan 170f. – Johannes Anglicus 171 Johannes Chrysostomos 193f. Johannes, Evangelist 58, 143 Johannes XXI., Papst 38, 183f. – Petrus Hispanus 183 – De anima 184 – Thesaurus pauperum 184 Johannes Scotus Eriugena 51 Jonathan 65, 73 Joseph 65, 73, 173 Judas 111, 194

326 

 Anhang

Kaiserchronik 9, 12, 23f., 27f., 41, 43f., 50, 53, 60, 70‒72, 74, 76f., 104, 108, 113‒115, 119, 123f., 127, 134‒136, 139, 147‒149, 152, 154, 179, 212‒214, 218f., 225, 227‒234, 236f., 239‒252, 266‒268, 275, 277, 280f. Karl der Große 3, 11, 21, 33, 41, 60, 65, 70f., 73, 79f., 84, 91f., 135, 147‒154, 169, 180‒182, 209, 213, 216, 218, 227f., 242, 245, 252, 256, 260, 264, 267f., 272f. Konrad von Megenberg 143 – Buch der Natur 143 Konrad, Priester 181 Konstantin 65, 73, 78f., 148, 242 Konstanze 160 Kundry 194 Lancelot 212 Laurentius 199, 242 Leo III., Papst 80, 88, 148, 150, 180‒183 Leopold V. 92 Leopold VI. 36f., 92, 160‒162 Liutbrand von Cremona 183 – Liber antapodoseos 183 Livius 234 Lucan 15, 254, 264 Lucifer 46, 97, 99, 188‒190, 198, 205f., 219f. Lucius III., Papst 51 Lucretia 102, 104, 107, 121, 127, 228, 230, 233‒235, 237‒242, 244, 258 Von Luzifers und Adams Fall 42 Loki 141f. Lot 64, 72, 155 Mädchen ohne Hände 81, 83, 155 Martin von Troppau 159, 171, 184 – Chronicon pontificum et imperatorum 159, 171, 184 Mauricius von Craûn 135, 138 Mauritius 242 Melker Annalen 44, Menippos von Gadara 214 – Satura Menippea 214 Moses 45, 49, 65, 73 Nebukadnezar, Nabuchodonosor 46, 65, 75, 86 Neidhart 30 Nero 65, 70, 73, 115, 118, 135‒139, 142‒146, 169f., 173, 209, 216, 218, 222, 256, 273 Nibelungenlied 47, 108, 187, 217, 230f., 240

Noah 45, 64, 72, 99‒101, 104, 133, 216, 218, 222, 226, 253, 256, 272 Il Novellino 160 Notker der Stammler 33 Odysseus 149 Orosius 52 Otfrid von Weißenburg 48, 90, 205 – Evangelienbuch 48 Otto I. 3 Otto III. 179 Otto IV. 65, 73, 80, 86, 161 Otto von Freising 138, 254, 263f. Paulus 121f., 138f., 143f., 242 Peregrinus von Oppeln 173 Petrarca 147, 151 Petrus, Apostel 65, 73, 87, 138f., 144, 195, 242f., Petrus Comestor 46, 50, 52f., 99 – Historia scholastica 46, 50, 52f., 99 Physiologus 143f. Pilatus 65, 73 Platon 2, 198, 255, 266 – Phaidon 198 Plinius 143 Porphyrius 194 Prosakaiserchronik 41 Prudentius 199 Prosalancelot 61, 212, 264 Pseudo-Dionysius Areopagita 184 Quintilian 15, 35, 198f., 215 – Institutio oratoria 15, 35, 215 Racvan 144 Regula Benedicti 193 Rehoboam 65, 73 Reinfried von Braunschweig 19 Remus 32, 65, 73 Reussenkönig, Riuzenkönig 60, 79, 80‒86, 155, 158, 169, 245, 248, 253, 280 Rhetorica ad Herennium 14 Richard Löwenherz 92 Der Ritter mit dem Hemd 126, 223 Riwalin 196 Romulus 32, 65, 73 Roxane 113, Rudolf von Ems 155, 287‒290 – Weltchronik 287‒290

Register 

Sächsische Weltchronik 159, 184, 214, 266, 275, 290 Saladin 65, 73, 79, 85 Salome 106 Salomo 10, 44, 46, 58, 65, 73, 122 Sallust 264 Samson 42, 59, 65, 73, 106‒111, 122, 133, 145 Samuel 207 Sankt Egidius 148, 152 Sara 200‒202 Sathanas 46, 97, 222 Saul 49, 65, 73, 206‒209, 213 Der Schreiber im Korb 124 Schuler im Korb 125 Seleukos 65, 73 Semiramis 64, 72 Seneca 69f., 136, 139, 181, 231 Severus 229 Siegfried 240 Silvester 78, 241f., Silvester II., Papst (Teufelspapst) 88, 167, 176, 179 – Gerbert von Aurillac 88, 176, 179 Solinus 52 Sporus 136 Stricker 95, 98, 203, 250, 272, 279 Susanna 65, 73, 101‒104 Takprecht 65, 73 Tantris 211 Tarquinius 230, 235, 238, 240

 327

Tertullian 166 Tiberius 65, 73 Thomas von Aquin 179 Thomas von Cantimpré 151 – Liber de natura rerum 151 Thomasin von Zerklaere 229 – Der Welsche Gast 229 Tochter des Reussenkönigs (Riuzenkönig) 79f., 82f., 85f., 92, 158, 188, 245, 248, 260, 280, Tôtilâ 238‒240 Tristram 212 Ulrich von Etzenbach 111 – Alexander 111 Urias 106, 133, 245 Varro 214 Vergil 60, 65, 73, 92, 114‒124, 126, 129, 131, 133f., 167, 170, 176‒178, 180, 209, 211f., 216, 218, 244, 247f., 260, 273, 280f. – Aeneis 115 Virgilius, Filius 126 Vespasian 49 Vienna civitas gloriosa 35 Wagner, Richard 194f. – Parsifal 194 Walther von der Vogelweide 30, 125, 278 Wolfram von Eschenbach 61, 114, 195, 229 – Parzival 61, 114, 195 Der Wiener Meerfart 35