Religionsunterricht Fur Alle?: Zum Beitrag Des Religionsverfassungsrechts Fur Die Pluralistische Gesellschaft 3161566548, 9783161566547

Ein "Religionsunterricht fur alle" fordert das geltende Religionsverfassungsrecht heraus. Dessen Grundannahmen

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Religionsunterricht Fur Alle?: Zum Beitrag Des Religionsverfassungsrechts Fur Die Pluralistische Gesellschaft
 3161566548, 9783161566547

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Einführung: Zur Lage des Religionsverfassungsrechts
I. Pluralismus als Herausforderung
II. Grundlinien des Religionsverfassungsrechts in der Gegenwart
1. Religionsfreiheit
2. Weltanschauliche Neutralität
3. Das weitere Religionsverfassungsrecht
4. Herausforderungen
III. Ein Feld der Bewährung: Religion in der öffentlichen Schule
B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg
I. Ausgangslage
1. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen des Religionsunterrichts – Reaktionen der Schulpraxis
2. Hamburger „Religionsunterricht für alle 2.0“ als Gegenstand kirchlicher und staatspolitischer Entscheidung
3. Aufgabe des Gutachtens und Gang der Untersuchung
II. Erster Durchgang: Kriterien für den Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 GG nach überkommenem Maßstab
1. Konstruktion der verfassungsrechtlichen Regelung
a) Religionsunterricht im Grundgesetz und im Landesrecht
b) Einzelaspekte
c) Insbesondere: Unterricht nach den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften
2. Organisatorische Umsetzung: Konfessionell getrennter Religionsunterricht als Standardmodell
a) Grundansatz
b) Abgrenzungen und Zweifelsfragen
3. Erstes Zwischenergebnis
a) Parameter des Religionsunterrichts nach Art. 7 Abs. 3 GG als Kombinationslösung
b) RUfa 1.0 und 2.0
III. Zweiter Durchgang: RUfa 2.0 als bewusste Weiterentwicklung des Religionsverfassungsrechts
1. Ausgangsüberlegungen
a) Rechtsgestaltung und Verfassungsrechtsprechung
b) Äußere Ansatzpunkte für eine verfassungskonforme Weiterentwicklung des Religionsunterrichts
2. Verfassungsrechtliche Grundlagen eines religionsübergreifend-trägerpluralen Religionsunterrichts für alle im Rahmen des Art. 7 Abs. 3 GG
a) Gemeinsamer Religionsunterricht als legitime Deutung des Verfassungsauftrags
aa) Religionsfreundlichkeit der Schule und Religionsunterricht
bb) Bekenntnisinhalt als Glaubenswahrheit – Sicherung der Andersartigkeit des Religionsunterrichts
b) Grundanforderungen
aa) Äquivalenz zwischen Bekenntnisinhalten und Inhalt des Religionsunterrichts
bb) Verantwortungsklarheit
cc) Prozedurale Verwirklichung als ständige, komplexe Aufgabe
3. Zweites Zwischenergebnis und Ausblick: Möglichkeit eines religionsübergreifendträgerpluralen Religionsunterrichts – Gegenstand kirchlicher Entscheidung und dauernde Anstrengung
Verwendete Literatur sowie neuere religionsverfassungsrechtliche Veröffentlichungen zum Religionsunterricht
Anhang: Regelungen und Vereinbarungen zum Hamburger „Religionsunterricht für alle“
1. Gemeinsame Erklärung der Schulbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und der Evangelisch-lutherischen Landeskirchen auf Hamburger Staatsgebiet zur Ordnung des Religionsunterrichts vom 10. Dezember 1964
2. Vertrag zwischen der Freien Hansestadt Hamburg und der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 29. November 2005
3. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg vom 20. Juni 2007 (Auszug)
4. Beschluss der Gemischten Kommission von Nordelbischer Evangelisch-Lutherischer Kirche und der Behörde für Schule und Berufsbildung vom 22. Mai 2012
5. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, dem DITIB-Landesverband Hamburg, SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg und dem Verband der Islamischen Kulturzentren vom 13. November 2012 (Auszug)
6. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V. vom 13. November 2012 (Auszug)
7. Vereinbarung zwischen der Behörde für Schule und Berufsbildung und der Jüdischen Gemeinde Hamburg vom 11. Februar 2014
8. Geschäftsordnung für die Gemischte Kommission Alevitische Gemeinde Deutschland e. V. / Behörde für Schule und Berufsbildung vom 29. Februar 2014
9. Geschäftsordnung für die Gemischte Kommission Islamische Religionsgemeinschaften / Behörde für Schule und Berufsbildung vom 8. September 2014
10. Didaktische Grundsätze des Religionsunterrichts für alle, Beschluss der Leitungsebene der gemeinsamen Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des Religionsunterrichts vom 20. Mai 2015
Register

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Hinnerk Wißmann Religionsunterricht für alle?

Hinnerk Wißmann

Religionsunterricht für alle? Zum Beitrag des Religionsverfassungsrechts für die pluralistische Gesellschaft

Mohr Siebeck

Hinnerk Wißmann, geboren 1971, Geschäftsführender Direktor des Kommunalwissenschaftlichen Instituts an der WWU Münster, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Verwaltungswissenschaften, Kultur- und Religionsverfassungsrecht, Mitglied des Exzellenzclusters „Religion und Politik“.

ISBN 978-3-16-156654-7 / eISBN 978-3-16-156655-4 DOI 10.1628/978-3-16-156655-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Ein Religionsunterricht für alle – diese Formel hört sich nach Provokation an. Und das gilt in durchaus unterschiedliche Richtungen: Denn während für die einen jede Stärkung des religiösen Feldes aus der Zeit gefallen scheint, ist es für andere eine bedrohliche Entwicklung, wenn religiöse Verschiedenheit vergemeinschaftet und dadurch eingeebnet wird. Von diesen Grundhaltungen aus mutet ein gemeinsamer, interreligiöser Religions­ unterricht jeweils als absurdes Programm an. Doch ist dieser „Religionsunterricht für alle“ zunächst einmal nicht ein Schlachtruf, sondern als sogenannter „RUfa“ eine eingeübte Praxis des Hamburger Verfassungsstaats seit den 1960er Jahren. Die Bestimmung des Grundgesetzes, die vom Religionsunterricht in allen öffentlichen Schulen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften spricht (Art.  7 Abs.  3 GG), wird hier seit jeher in einem Kombinationsmodell verwirklicht, in dem der Staat, die evangelische Landeskirche und ein Kreis weiterer Reli­gionsgemeinschaften zusammenwirken, mit dem ausdrücklichen Ziel, das Fach Religion auch in einer religiös pluralistischen Gesellschaft gemeinsam im Klassenverband zu unterrichten – und dabei gleichwohl nicht allgemeine Religionskunde, sondern eben konfessionell verantworteten Religionsunterricht zu betreiben.

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Vorwort

Ein solches Unterfangen muss in seiner Grundspannung ambivalente Reaktionen hervorrufen – und hat dies auch schon in der Vergangenheit getan: Die katholische Kirche hat sich dem Modell entzogen und lange auf privat betriebene Schulen gesetzt; die Stellungnahmen aus der Staatsrechtslehre spiegeln weitgehend Ablehnung oder bestenfalls schmerzvolle Duldung. Auf der anderen Seite ist zu verzeichnen, dass der „RUfa“ praktisch funktioniert und von Eltern wie Schülern quer durch alle Bekenntnisse und Überzeugungen angenommen wird, jedenfalls kaum mit Abmeldungen zu kämpfen hat. Im Folgenden wird als Diskussionsbeitrag das Orientierungsgutachten veröffentlicht, das ich 2017 im Auftrag der Evangelischen Nordkirche zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Weiterentwicklung des Hamburger Modells erstattet habe. Bei dieser Weiterentwicklung geht es darum, ob die bisher bestehende „evangelische Verantwortung“ für den Gesamtunterricht durch eine förmliche und grundsätzlich gleichberechtigte Einbindung aller beteiligter Religionsgemeinschaften ersetzt wird; den unmittelbaren Anlass dazu bildeten nicht zuletzt entsprechende vertragliche Vereinbarungen der Freien und Hansestadt Hamburg mit islamischen Verbänden im Jahr 2012. Das Gespräch zwischen Staat und Kirche, innerhalb der Kirche und zwischen den beteiligten Religionsgemeinschaften und der Stadtgesellschaft ist nicht abgeschlossen. Der Text soll in der hier vorgelegten Form zunächst für diese konkreten Debatten dienlich sein. Es gehört allerdings nicht allzuviel Phantasie dazu, den Modellcharakter der Hamburger Diskussion zu realisieren. Denn auch in den anderen Bundesländern sind die religi-

Vorwort

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onssoziologischen Voraussetzungen für die überkommene Organisation des Religionsunterrichts, bei dem die Schülerschaft zunächst in mehrere, jeweils hinreichend große und stabile Kohorten unterschiedlicher Konfession und Religion unterteilt wird, auf mittlere Sicht vielfach in Auflösung begriffen. Insoweit gilt eine allgemeine religionsverfassungsrechtliche Vermutung: Will man sich in der Verteidigung des „Religion Matters“ nicht zu Tode siegen, muss das innere Proprium einschlägiger Gewährleistungen neu konturiert (nicht: aufgegeben) werden – weiter und wieder auch religionspolitisch erklärbar und anschlussfähig formuliert. Deswegen kann die Auseinandersetzung um den Religionsunterricht für alle auch nicht isoliert verhandelt werden. Denn wie unter einem Brennglas verdichten sich hier die Fragen, die für das Religionsverfassungsrecht unserer Tage zu stellen sind. Mit einer zusätzlichen Einführung, die diesen Kontext deutlich machen will, beginnt der Band. Schließlich werden relevante Grunddokumente in einem Abschlussteil zusammengeführt. Die Leitung der Nordkirche und insbesondere Herr Hans-Ulrich Keßler vom Pädagogisch-Theologischen Institut der Nordkirche ermöglichen die Veröffentlichung des Textes, wofür ich herzlich danken möchte. Auf Seiten der Freien und Hansestadt Hamburg stand Jochen Bauer aus der Behörde für Schule und Berufsbildung in hilfreicher Weise als Gesprächspartner zur Verfügung. Der Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der WWU Münster schafft seit etlichen Jahren günstige Bedingungen, das Gespräch und das Nachdenken über Fragen der Religion zu vertiefen und zu erneuern; mein Team am Kommunalwissenschaftlichen Institut (KWI) unterstütz-

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Vorwort

te die Herstellung der vorliegenden Druckfassung. Frau Daniela Taudt schließlich danke ich dafür, dass ein geeignetes Format für diesen Beitrag gefunden werden konnte und sich der Verlag Mohr Siebeck so erneut als Forum des Religionsverfassungsrechts bewährt. Hinnerk Wißmann

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI A.  Einführung: Zur Lage des Religionsverfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Pluralismus als Herausforderung . . . . . . . 1 II. Grundlinien des Religionsverfassungsrechts in der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Weltanschauliche Neutralität . . . . . . . 10 3. Das weitere Religionsverfassungsrecht . . 13 4. Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . 15 III. Ein Feld der Bewährung: Religion in der öffentlichen Schule . . . . . . . . . . . 21 B.  Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen des Religionsunterrichts – Reaktionen der Schulpraxis . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Hamburger „Religionsunterricht für alle 2.0“ als Gegenstand kirchlicher und staatspolitischer Entscheidung . . . . 32 3. Aufgabe des Gutachtens und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 36

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Inhaltsverzeichnis

II. Erster Durchgang: Kriterien für den Religionsunterricht nach Art.  7 Abs.  3 GG nach überkommenem Maßstab . . . . . . . . 38 1. Konstruktion der verfassungsrechtlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Religionsunterricht im Grundgesetz und im Landesrecht . . . . . . . . . . . 38 b) Einzelaspekte . . . . . . . . . . . . . . . 43 c) Insbesondere: Unterricht nach den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Organisatorische Umsetzung: Konfessionell getrennter Religionsunterricht als Standardmodell . . . . . . . 48 a) Grundansatz . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Abgrenzungen und Zweifelsfragen . . . 51 3. Erstes Zwischenergebnis . . . . . . . . . . 54 a) Parameter des Religionsunterrichts nach Art.  7 Abs.  3 GG als Kombinationslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) RUfa 1.0 und 2.0 . . . . . . . . . . . . . 59 III. Zweiter Durchgang: RUfa 2.0 als bewusste Weiterentwicklung des Religionsverfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Ausgangsüberlegungen . . . . . . . . . . . 61 a) Rechtsgestaltung und Verfassungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Äußere Ansatzpunkte für eine verfassungskonforme Weiterentwicklung des Religionsunterrichts . . . . . . . . . 65 2. Verfassungsrechtliche Grundlagen eines religionsübergreifend-trägerpluralen

Inhaltsverzeichnis

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Religionsunterrichts für alle im Rahmen des Art.  7 Abs.  3 GG . . . . . . . . . . . . 68 a) Gemeinsamer Religionsunterricht als legitime Deutung des Verfassungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 aa) Religionsfreundlichkeit der Schule und Religionsunterricht . . . . . . . 68 bb) Bekenntnisinhalt als Glaubenswahrheit – Sicherung der Andersartigkeit des Religionsunterrichts . 72 b) Grundanforderungen . . . . . . . . . . 75 aa) Äquivalenz zwischen Bekenntnisinhalten und Inhalt des Religionsunterrichts . . . . . . . . . . . . . . 75 bb) Verantwortungsklarheit . . . . . . . 78 cc) Prozedurale Verwirklichung als ständige, komplexe Aufgabe . . . . 79 3. Zweites Zwischenergebnis und Ausblick: Möglichkeit eines religionsübergreifendträgerpluralen Religionsunterrichts – Gegenstand kirchlicher Entscheidung und dauernde Anstrengung . . . . . . . . 82 Verwendete Literatur sowie neuere religionsverfassungsrechtliche Veröffentlichungen zum Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Anhang: Regelungen und Vereinbarungen zum Hamburger „Religionsunterricht für alle“ . 101

  1. Gemeinsame Erklärung der Schulbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und der Evangelisch-lutherischen Landeskirchen auf Hamburger Staatsgebiet zur Ordnung des Religionsunterrichts vom 10. Dezember 1964 . . . 101

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Inhaltsverzeichnis

  2. Vertrag zwischen der Freien Hansestadt Hamburg und der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 29. November 2005 . . . . . . . . . . 104   3. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg vom 20. Juni 2007 (Auszug) . . . . . . . . . . . . 109   4. Beschluss der Gemischten Kommission von Nordelbischer Evangelisch-Lutherischer Kirche und der Behörde für Schule und Berufsbildung vom 22. Mai 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . 111   5. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, dem DITIB-Landesverband Hamburg, SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg und dem Verband der Islamischen Kulturzentren vom 13. November 2012 (Auszug) . 113   6. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V. vom 13. November 2012 (Auszug) . . . . 120   7. Vereinbarung zwischen der Behörde für Schule und Berufsbildung und der Jüdischen Gemeinde Hamburg vom 11. Februar 2014 . . . . . . . . . . 126   8. Geschäftsordnung für die Gemischte Kommission Alevitische Gemeinde Deutschland e. V. / Behörde für Schule und Berufsbildung vom 29. Februar 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128   9. Geschäftsordnung für die Gemischte Kommission Islamische Religionsgemeinschaften / Behörde für Schule und Berufsbildung vom 8. September 2014 129 10. Didaktische Grundsätze des Religionsunterrichts für alle, Beschluss der Leitungsebene der gemeinsamen Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des Religionsunterrichts vom 20. Mai 2015 . . . . 131

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Amtl. Anz. Amtlicher Anzeiger Anm. Anmerkung Art. Artikel Aufl. Auflage AZR Ausländerzentralregister BAG Bundesarbeitsgericht BayEUG Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen Bd. Band BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BvR Registerzeichen des Bundesverfassungsgerichts in Verfassungsbeschwerdeverfahren BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Amtliche Sammlung) bzw. beziehungsweise DDR Deutsche Demokratische Republik DJT Deutscher Juristentag DRiZ Deutsche Richterzeitung Dt. VerwG Deutsche Verwaltungsgeschichte EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EKD Evangelische Kirche in Deutschland EuGH Europäischer Gerichtshof f. folgende (Einzahl), für ff. folgende (Mehrzahl)

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Abkürzungsverzeichnis

FS Festschrift GG Grundgesetz GIR Gesprächskreis Interreligiöser Religionsunterricht HevKR Handbuch des evangelischen Kirchenrechts HmbGVBl. Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Hrsg. Herausgeber HStKR Handbuch des Staatskirchenrechts HStR Handbuch des Staatsrechts i. E. im Erscheinen insb. insbesondere JöR Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart JZ Juristen-Zeitung KABl. Kirchliches Amtsblatt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland KGVOBl. Kirchliches Gesetz- und Verordnungsblatt der Evangelisch-Lutherischen Kirche SchleswigHolsteins KuR Kirche und Recht LG Landgericht LS. Leitsatz m. w. N. mit weiteren Nachweisen n. F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr. Nummer NRW Nordrhein-Westfalen NVwBl. Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVWBl. Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter OVG Oberverwaltungsgericht RdJB Recht der Jugend und des Bildungswesens Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung S. Seite SchulGNds. Schulgesetz Niedersachsen stdg. ständige u. a. unter anderem, und andere

Abkürzungsverzeichnis

Urt. v. Urteil vom v. a. vor allem VG Verwaltungsgericht VGH Verfassungsgerichtshof vgl. vergleiche WRV Weimarer Reichsverfassung z. B. zum Beispiel ZevKR Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht

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A. Einführung: Zur Lage des Religionsverfassungsrechts I. Pluralismus als Herausforderung Der Faktor Religion ist endgültig zurück. Allgemeine Medien, Verwaltungen, Gerichte, sogar Gesetzgeber hantieren mit religiösen Fragen und spiegeln damit gesellschaftliche Anfragen, Vorverständnisse und Nöte. Wo interdisziplinäre Wissenschaftsverbünde die Wirkkräfte des Religiösen ergründen, stellen sie unterschiedliche Großtrends fest: Insbesondere ist – erstens – das Modell der doppelten Volkskirche in Deutschland in den letzten fünf Dekaden unter starken Druck geraten. Die früher selbstverständliche Identität von Bevölkerung und Christentum hat gegen die Kräfte der Individualisierung nicht standgehalten und erodiert unter den Bedingungen der konfessionellen Parität auch nochmals schneller und stärker als in vielen europäischen Nachbarländern. Zugleich ist – zweitens – diese Individualisierung eine Hauptantriebskraft für die bescheidene, aber wahrnehmbare Erneuerung christlicher Glaubensvielfalt, innerhalb wie vor allem außerhalb gewohnter amtskirchlicher Institutionen. Quer zu dieser innerchristlichen Entwicklung liegt – drittens – die (Re-)Etablierung anderer Religionen als relevantem Faktor. Neben der bewundernswerten Rückkehr des jüdischen Lebens ist hier vor allem relevant: Der Islam lässt sich in Gegenwart und Zukunft nicht mehr als

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A. Einführung: Zur Lage des Religionsverfassungsrechts

Außenseiterbewegung handhaben, seit Deutschland ab den 1960er Jahren ein Einwanderungsland insbesondere für Muslime geworden ist.1 Das Religionsverfassungsrecht befasst sich mit dieser Heterogenität aus einer eigentümlichen Position heraus. Die maßgeblichen Verfassungsbestimmungen stammen ganz überwiegend aus dem Jahr 1919. Sie geben bis heute die Kompromisse der Weimarer Nationalversammlung wieder, die in einem erneuten Kompromiss des Parlamentarischen Rates 1949 sogar der Form nach als überkommenes Recht in Art.  140 GG aufgenommen wurden („Weimarer Kirchenartikel“); allein die Religionsfreiheit wurde in Art.  4 GG in den neu geschaffenen ersten Teil der Verfassung umgestellt, hinzu kommen ebenfalls traditionelle Bestimmungen zum Schulrecht in Art.  7 GG. Der parlamentarische Gesetzgeber hat dann nicht nur diese Grundnormen bis heute textlich unverändert gelassen, sondern sich in den folgenden Jahrzehnten in Bund und Land der Regelung des Religionsrechts weitgehend verweigert: Anders als dies für sonst praktisch alle Felder sozialer Gestaltung zu beobachten ist, scheut die Politik hier programmatische Maßnahmen.2 Die Grundlinien für die heutige Praxis des religionsfreundlichen, weltanschaulich neutra1   Breite Darstellung und Klassifizierung der religionssoziologischen Entwicklungen bei Pollack/Rosta, Religion in der Moderne, 2015, dort zu Deutschland S.  98 ff.; zur sozialen Praxis der Kirchenmitgliedschaft am Beispiel der evangelischen Kirche (5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung) Rat der EKD, Engagement und Indifferenz, 2014, abrufbar unter www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/ekd_v_ kmu2014.pdf. Vgl. auch bereits Waldhoff, Gutachten D zum 68. DJT 2010, D 13 ff. 2   Übersicht über die einschlägigen Fragestellungen bei Gerster/ van Melis/Willems (Hrsg.), Religionspolitik heute, 2018.

I. Pluralismus als Herausforderung

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len Staats des Grundgesetzes sind daher ganz wesentlich durch Leitlinien der Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, befestigt worden. Dabei hat sich in vielfältigem Wechselspiel mit der Verwaltungspraxis der Bundesländer, die zunächst durchaus unterschiedliche Traditionen wie auch unterschiedliche religions­ soziologische Gegebenheiten als Ausgangspunkt hatten, insgesamt eine starke Unitarisierung des praktischen Religionsrechts ergeben, die oft durch das Stichwort der „Vergrundrechtlichung“ gekennzeichnet wird.3 Andererseits behauptet das Religionsverfassungsrechts gegenüber den sonst äußerst wirksamen Angleichungsprozessen durch das Recht der EU bisher in bemerkenswerter Weise seine nationalstaatliche Identität und Unterscheidbarkeit; (eine) Grundlage dafür ist Art.  17 AEUV. Auch der Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention beachtet die unterschiedlichen europäischen Traditionspfade im Bereich der Religion zwischen Laizität und Staatskirchentum in ganz besonderem Umfang.4 Die gegenwärtigen Debatten werden durch zwei unterschiedliche Grundperspektiven geprägt.5 Die erste kann als optimistisches Modell bezeichnet werden: Es geht da Zuletzt Heinig, Prekäre Ordnungen, 2018, S.  66, m. w. N.  Zur internationalrechtlichen Lage des Religionsverfassungsrechts im Überblick Unruh, Religionsverfassungsrecht, 4.   Aufl. 2018, Rn.  573 ff.; unter dem Aspekt der religiösen Pluralität umfassend Walter, Religionsverfassungsrecht, 2006, insb. S.  204 ff., 302 ff.; insb. in Hinblick auf die europäische Lage Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts, 2005, v. a. S.  75 ff. 5  Vgl. aktuell für pointierte Gesamtbetrachtungen unter Einschluss der Entwicklungsgeschichte und der rechtlichen Rahmenbedingungen Heinig, Prekäre Ordnungen, 2018, S.  58 ff.; Dreier, Staat ohne Gott, 2018, S.  63 ff.; Unruh, Reformation – Staat – Religion, 2017, S.  195 ff. 3 4

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A. Einführung: Zur Lage des Religionsverfassungsrechts

von aus, dass auch (oder gerade) unter den Bedingungen des Pluralismus das Religionsverfassungsrecht ganz bei sich selbst bleibt. Die Vermutung für die Freiheit, das Vertrauen in die Freiheit und auch das Vertrauen in die Religion als positiver Faktor für das Gemeinwesen müssen sich nach dieser Lesart auch dann bewähren dürfen, wenn ihre historische Basis weitgehend homogener Grundüberzeugungen entfallen ist. Die zutreffende Einsicht, dass weite Teile des Religionsverfassungsrechts in Deutschland zunächst zugunsten der christlichen Volkskirchen entfaltet wurden (und der gleiche Schutz für den damaligen Außenseiter eher gedanklich als praktisch mitgezogen wurde), 6 spricht in dieser Lesart intuitiv gerade für die Fortführung des freiheitlichen Konzeptes. Denn der Grundrechtsgebrauch soll ja gerade nicht zur Akkumulation von ohnehin vorhandener (Kirchen-)Macht beitragen, sondern sich auch dort einlösen lassen, wo dies gesellschaftlich nicht ohnehin weitgehend konsentiert ist oder war. Dieser optimistischen Perspektive wird naheliegenderweise vorgeworfen, sie agiere naiv, eben weil sie die historischen und soziologischen Grundlagen der Freiheitsdogmatik (bzw. deren Wegfall) nicht hinreichend berücksichtige. Ein konstruktiv-pessimistisches Modell nimmt daher den Pluralismus zwar (überwiegend) als legitimen Freiheitserfolg, zieht daraus aber den Schluss, dass nunmehr eine neue Lage eingetreten sei, in der die frühere Umfänglichkeit des Freiheitsschutzes und der Kooperation zwischen Religion und Staat nicht mehr durchzuhalten sei;7 hieraus resultieren vielfältige Einzelforderungen von   Siehe dazu unten A. II. 1, S.  6 ff.   Mit unterschiedlichen Vorverständnissen etwa Willems, Religionspolitik, in: Gerster/van Melis/Willems (Hrsg.), Religionspolitik 6 7

I. Pluralismus als Herausforderung

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der Begrenzung des individuellen Grundrechtsschutzes bis hin zu einer kritischen Dekonstruktion der Kooperationsbeziehungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften. 8 Gelegentlich wird dann auch der Vorschlag gemacht, die Rechte der Religionsgemeinschaften nach ihrer Nähe zum Gemeinwesen zu hierarchisieren.9 Dabei ist etlichen Beiträgen anzumerken, dass sie entweder den Islam am Maßstab der christlichen Kirche vermessen und dann als Problem ansehen – oder von der anderen Seite aus kommend allgemeine Vorbehalte gegen „Religionprivilegien“ nun in neuem Gewande einführen. Nicht ernsthaft zu bestreiten ist – so oder so –, dass der religiöse Pluralismus unserer Tage, das Absinken der Volkskirchen wie der Aufstieg neuer Religionsmächte, für das Religionsverfassungsrecht eine herausforderungsvolle Lage geschaffen hat. Nicht nur die Gesellschaft und die allgemeine Politik, sondern auch das Rechtssystem müssen sich mit neuen Unterscheidungen beschäftigen, um die Zukunft zu gewinnen. heute, 2018, S.   38 ff., der eine „religiös-christlich-großkirchliche Schlagseite“ (S.  45) konstatiert; Ladeur/Augsberg, Toleranz – Religion – Politik, 2007, S.  72 ff., die davon ausgehen, es bestünde gerade eine zu große und unkritische Öffnung des Religionsverfassungsrechts für den Islam. 8   Überblick über die entsprechenden Ansätze bei Unruh, Religionsverfassungsrecht, 4.  Aufl. 2018, Rn.  97 ff. 9   Vom Gedanken der Zweckbindung des institutionellen Staatskirchenrechts aus Uhle, Die Integration des Islam in das Staatskirchenrecht der Gegenwart, in: Heinig/Walter (Hrsg.), Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, 2007, S.  299 (316 ff.); im Ergebnis ähnlich Ladeur/Augsberg, Toleranz – Religion – Politik, 2007, S.  129 ff. Allgemeiner zu der unterschiedlichen Nähe religiöser Lehren zum Verfassungsstaat Kirchhof, Essener Gespräche 39 (2005), S.  105 (114 ff.).

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A. Einführung: Zur Lage des Religionsverfassungsrechts

II. Grundlinien des Religionsverfassungsrechts in der Gegenwart Um konkrete Fragen wie die innere und äußere Gestalt des Religionsunterrichts angemessen zu erfassen, ist eine Verortung im Gesamtsystem des Religionsverfassungsrechts unabdingbar, wie es für den deutschen Verfassungsstaat in Geltung ist. Hierfür lassen sich im Folgenden in einem kurzen Abriss zunächst wichtige Grundlinien nachziehen. Das Grundgesetz nimmt eine doppelte Bestimmung des Faktors Religion vor: Zum einen wird die Religionsfreiheit als individuelles und kollektives Recht in einem umfassenden Sinne gewährleistet. Zum anderen ist dem Gemeinwesen eine grundsätzlich neutrale Position zur Religion seiner Bürger zugewiesen; der Staat ist weltanschaulich neutral.10 Auf dieser Grundlage entfaltet sich das Religionsverfassungsrecht in seinen Einzelbereichen, von hier aus lassen sich auch die gegenwärtigen Herausforderungen einordnen. 1. Der Schutz der Religionsfreiheit Der Schutz der Religionsfreiheit nach Art.  4 Abs.  1 und 2 GG (sowie den entsprechenden Bestimmungen des Landesverfassungsrechts und der Europäischen Menschenrechtskonvention) ist auf die Einheit von Glauben, Beken10   Zum engen Zusammenhang dieser beiden Grundkoordinaten BVerfGE 19, 206 (216) – Kirchenbausteuer (1965); BVerfGE 24, 236 (246) – Aktion Rumpelkammer (1968); Unruh, Religionsverfassungsrecht, 3.  Aufl. 2015, Rn.  90; Wißmann, Föderales Religionsverfassungsrecht, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus, 2012, §  60, Rn.  5 ff.

II. Grundlinien des gegenwärtigen Religionsrechts

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nen und Lebensführung ausgelegt.11 Das Grundrecht auf Religionsfreiheit gewährleistet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, sein Leben umfassend nach religiösen Überzeugungen auszurichten,12 als „einheitliches Grundrecht“ werden dazu Glaube, Bekenntnis und Religionsausübung verklammert.13 Dieses Verständnis erzeugt ein Parallelrecht zur allgemeinen Handlungsfreiheit, das aufgrund seiner besonderen Dignität geeignet ist, die sonstigen allgemeinen Grenzen der persönlichen Freiheit hinauszuschieben. Denn auch dort, wo Rechte anderer berührt werden, muss die Reli­ gionsfreiheit nicht schon zurückweichen. Als vorbehaltlos geschütztes Grundrecht genießt sie einen besonderen Schutzstatus, jede Einschränkung bedarf verfassungsrechtlicher, materieller Gegengründe.14

11  Zur historischen Entwicklung nach 1945 Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, 3.  Aufl. 2017, §§  31, 33; Walter, Religionsverfassungsrecht, 2006, S.  187 ff.; eine entscheidende Weichenstellung lag dabei in der These, dass die Bestimmungen des Art.  140 GG nicht notwendig denselben Inhalt hätten wie unter der Weimarer Reichsverfassung, vgl. Smend, ZevKR 1 (1951), S.  4 (4); zur Gewährleistung der Religionsfreiheit im internationalen Mehrebenensystem etwa Classen, Religionsrecht, 2.  Aufl. 2015, Rn.  140 ff.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, 2015, Rn.  586 ff.; zur föderalen Gestaltung Wiß­ mann, Föderales Religionsverfassungsrecht, 2012, Rn.  18 ff. 12   BVerfGE 24, 236 (246) – Aktion Rumpelkammer (1968); BVerfGE 32, 98 (106) – Gesundbeter (1971) – ständige Rechtsprechung. Zunächst deutlich enger BVerfGE 12, 1 (4 f.) – Glaubensabwerbung (1960). 13   BVerfGE 137, 273 (309) – Loyalitätspflicht II (2014) – ständige Rechtsprechung. 14   BVerfGE 32, 98 (107 f.) – Gesundbeter (1971); BVerfGE 93, 1 (21) – Kruzifix (1995); zur Aufgabe des Gesetzgebers BVerfGE 138, 296 (333) – Kopftuch II (2015).

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A. Einführung: Zur Lage des Religionsverfassungsrechts

Diese umfassende Gewährleistung ist auf der einen Seite eine konsequente Entfaltung des inneren Gehalts der Religionsfreiheit, die als eine Urmutter der Freiheitsrechte die gesamte Neuzeit und Moderne beschäftigt hat. Allerdings ist festzuhalten, dass der programmatische Anspruch der Religionsfreiheit niemals zuvor in solch umfassender Weise auch praktisch gewährleistet worden ist. Maßgeblich war dafür zunächst die historische Situation nach 1945, in der die innere Verbindung von freiheitli­ chem (westlichen) Verfassungsstaat und Christentum zunächst als wiederzuentdeckende Normalität unterstellt und gegen die antireligiöse Totalität des Staates in Stellung gebracht wurde.15 In konkreten Streitfällen war dann allerdings nicht in erster Linie ein konzeptionelles Großprogramm wirksam, sondern die juridifizierte Entfaltung des Grundrechtsdenkens, für die insbesondere das Bundesverfassungsgericht einstand.16 Neben den rein individuellen Freiheitsbetätigungen wurde insbesondere die kollektive Dimension, also das 15   Aktuelle Einordnung bei Großbölting, Abendland, Rechristianisierung und hinkende Trennung, in: Gerster/van Melis/Willems (Hrsg.), Religionspolitik, 2018, S.  73 ff.; Heinig, Prekäre Ordnungen, 2018, S.  50 ff. 16  Dem entspricht, dass für die markanten Inhalte des Grundrechts auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verwiesen werden kann. Die Staatsrechtslehre hat diese Entwicklung z. T. vorbereitet, v. a. aber überwiegend zustimmend begleitet, dazu für die Phase bis 1990 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Recht, Bd.  4, 2012, S.  337 ff., insb. S.  341 ff. Ein zweiter wichtiger Pfad sind die religionsverfassungsrechtlichen Verträge; aus frühmodernen Anfängen haben sie sich zu einer elementaren Gestaltungsgröße der reli­ gionsrechtlichen Angelegenheiten entwickelt, vgl. im Überblick Unruh, Religionsverfassungsrecht, 4.  Aufl. 2018, Rn.  328 ff., insb. Rn.  335 ff.

II. Grundlinien des gegenwärtigen Religionsrechts

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Recht der Religionsgemeinschaften (statt der Religionsangehörigen) grundrechtlich rekonstruiert;17 hinzu kommt eine extensive Auslegung des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften, Art.  140 GG i. V. m. Art.  137 Abs.  3 WRV.18 Diese Eigenrechte der Religionsgemeinschaften entfalten ihre volle Wirksamkeit bis in die Gegenwart insbesondere durch die institutionelle Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirchen. Hier wurde vor allem durch den Ausbau des Sozialstaats seit den 1960er Jahren eine neue Kooperationswirklichkeit geschaffen: Krankenversorgung, öffentliche Kindererziehung, Jugendhilfe, Pflegeleistungen sind zunehmend gesetzlich garantiert, werden aber nicht durch den Staat, sondern weithin durch die „freien Träger“ ausgeführt.19 Die öffentliche Rolle der Volkskirchen wurde dabei in eine neue Stellung gebracht, die weder durch ein Über-Unter-Ordnungsverhältnis noch durch schlichtes Nebeneinander von Staat und Religion hinreichend charakterisiert ist. Religionsfreiheit wurde so in Deutschland in vielfacher Weise auch die Freiheit gesellschaftlich anerkannter, mächtiger Sozialverbände.20 17   Seit BVerfGE 19, 129 (LS.  2, 132) – Umsatzsteuer (1965), zuletzt zur Abgrenzung von anderen Aktivitäten BVerfGE 143, 161 (205) – Stiller Feiertag (2016). Speziell zur Frage privatrechtlicher Organisationsformen BVerfGE 83, 341 (353 ff.) – Bahai (1991). 18   BVerfGE 46, 73 (85 ff.) – Goch (1977); BVerfGE 70, 138 (162 ff.) – Loyalitätspflicht I (1985); BVerfGE 137, 273 (309) – Loyalitätspflicht II (2014). 19  Konzentrierter Blick auf die Entwicklungsgeschichte bei ­Sachße, Diakonie und Wohlfahrtsstaat, in: Moos (Hrsg.), Diakonische Kultur, 2018, S.  40 ff. 20  Es ist bezeichnend, dass die Streitfragen zur Reichweite des oben genannten Selbstbestimmungsrechts regelmäßig gerade im Bereich selbständiger Träger der Diakonie und Caritas ausgetragen

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Allerdings muss hinzugefügt werden, dass von allem Anfang an und ohne jeden Zweifel auch die Freiheit des religiösen Außenseiters gleichberechtigt geschützt wurde. In einer langen Reihe von Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht auch die Rechte des religiösen Querulanten, des Andersgläubigen, des Abständigen geschützt.21 Richtig ist freilich auch, dass diese prinzipiell gehaltene Gleichrangigkeit zu einer Zeit entwickelt wurde, in der es nicht um das tatsächliche Aufeinanderprallen starker Wirkmächte ging. Nur deshalb konnte das Kunststück gelingen, die Freiheit der vielen und die Freiheit der wenigen gleichzeitig zu etablieren. Diese Gleichzeitigkeit prägte das Religionsverfassungsrecht der Bundesrepublik und ließ es zu einem internationalen Modell werden; ob sich es sich bei einer flächigen Inanspruchnahme durchhalten lässt, gehört zu den Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft.22 2. Weltanschauliche Neutralität Das Gegenstück und gleichzeitig Fundament dieser freiheitsrechtlichen Konzeption war von Anfang an die welt­ anschauliche Neutralität des Gemeinwesens.23 Von der rewurden. Zur institutionellen Verbindung zwischen Religionsgemeinschaft und sonstigen Akteuren, die sich auf die Religionsfreiheit berufen BVerfGE 24, 236 (LS.  1, 246 f.) – Aktion Rumpelkammer (1968); BVerfGE 46, 73 (85 ff.) – Goch (1977); BVerfGE 70, 138 (163 ff.) – Loyalitätspflicht I (1985); BVerfGE 137, 273 (275 ff.) – Loyalitätspflicht II (2014). 21  Ausdrücklich bereits BVerfGE 33, 23 (29) – Eid (1972); vgl. etwa auch BVerfGE 108, 282 (298 f.) – Kopftuch I (2003). 22   Siehe A. II. 4, S.  15 ff. 23   Vgl. nur BVerfGE 18, 385 (386) – Teilung einer Kirchengemeinde (1965); BVerfGE 19, 206 (216) – Kirchenbausteuer (1965); BVerf-

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lativ schmalen und vieldeutigen Textvorgabe „Es besteht keine Staatskirche“ in Art.  140 GG i. V. m. Art.  137 Abs.  1 WRV schloss die herrschende Verfassungspraxis nach einer kurzen Phase staatlich-kirchlich gleichberechtigter Koordination 24 (zu Recht) auf die Äquidistanz der Bundesrepublik zu den Religionen. Das Bundesverfassungsgericht hat dies früh auf die treffende Formel gebracht, der Staat sei gerade in den Dingen der Religion die „Heimstatt aller Bürger“.25 Eine wichtige Grundlage des Modells war freilich die im Maßstab des Bundesrechts von Anfang an bestehende Parität von evangelischer und katholischer Christenheit, die schon von Anfang an eine Identität des (Gesamt-)Staates mit einer Kirche im Land der Reformation und der Gegenreformation ausschloss. Hierfür hatte die Weimarer Reichsverfassung bereits die entscheidende Wegmarke gesetzt: Waren die älteren Territorien bis 1918 in vielfacher Weise durch das landesherrliche Kirchenregiment geformt und in der Regel durch eine Konfession dominiert, hatte hier schon mit der Verschiebung des primären Bewirkungsanspruchs auf die Reichsebene durch die Weimarer Reichsverfassung eine neue Phase begonnen, nämlich die der prinzipiellen Gleichrangigkeit der großen christlichen Kirchen. Dem entsprach bereits 1918/19 konzeptionell auch die Gleichwertigkeit anderer religiöser GE 138, 296 (388 f.) – Kopftuch II (2015). Zur Kennzeichnung von Säkularität und Neutralität als Strukturprinzip Mückl, Grundlagen des Staatskirchenrechts, HStR VII, 2009, §  161, Rn.  61 ff. Umfassende Rekonstruktion bei Huster, Neutralität, 2.  Aufl. 2017. 24  Dazu knapp Walter, Religionsverfassungsrecht, 2006, insb. S.  189 ff. 25  BVerfGE 19, 206 (216) – Kirchenbausteuer (1965) – ständige Rechtsprechung.

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oder nicht-religiöser Überzeugungen, 26 ohne dass die Verfassungspraxis schon so weit vorgedrungen wäre. Die später voranschreitende Entkirchlichung und die gleichzeitige Zunahme insbesondere des Islam hat diese ältere normative Grundannahme zunächst mit empirischem Leben gefüllt. Das hat durchaus staatstheoretische Konsequenzen: Was früher eine gedankliche Differenzierung zwischen Staat und (cum grano salis) identischer Bevölkerung war, muss nun auch praktisch durchgeführt werden. Damit sind Unterschiede in der Behandlung der Religionsgemeinschaften selbstverständlich nicht ausgeschlossen. Denn die Neutralität des Staates ist nicht von kritischer Distanz gekennzeichnet, sondern durch „wechselseitige Zugewandtheit und Kooperation“.27 Daraus folgt eben auch, dass der Staat in Feldern der Zusammenarbeit diese Kooperation von Voraussetzungen abhängig machen darf, die sowohl formeller als auch inhaltlicher Art sein können. Dies kann aber nur funktional-aufgabenbe­ zogen erfolgen und gerade nicht zu einer offenen oder verdeckten Diskriminierung oder ungerechtfertigtem Anpassungsdruck führen.28

26   Vgl. etwa Art.  137 Abs.  5 S.  2 in Bezug auf den Körperschaftsstatus sowie Abs.  7 WRV: „Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten.“ „Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.“ 27   Zuletzt prägnant BVerfGE 139, 321 (351) – Zeugen Jehovas II (2015). 28   Vgl. BVerwGE 123, 49 (54 ff.) – Islamischer Religionsunterricht (2005).

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3. Das weitere Religionsverfassungsrecht Das weitere Religionsverfassungsrecht des Grundgesetzes ist in der Verfassungspraxis auf diese beiden Grundentscheidungen hin rekonstruiert und entfaltet worden. Art.  7 GG und Art.  140 GG enthalten aber zunächst schon je für sich starke verfassungsrechtliche Traditionsbe­ stände. Die Bestimmungen zu Religionsunterricht (Art.  7 Abs.  2 f. GG) und dem Recht religiös geprägter Privat­ schulen (Art.  7 Abs.  4 f. GG) lassen sich nur vor dem Hintergrund verstehen, dass schon die Entscheidung für das staatliche Schulmandat des Art.  7 Abs.  1 GG („Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates“) eine langgestreckte gemeinsame Entwicklungsgeschichte von Staat und Kirche im Bildungswesen abbildet.29 Insbesondere der konfessionelle Religionsunterricht steht dafür, dass Religion ihren Platz in der öffentlichen Schule hat, ihre innere Kraft aber nicht vom Staat her gewinnen kann, sondern von der religiösen Identität der Schüler und Eltern. Die Privatschulgarantie traf 1949 in weiten Teilen der Bundesrepublik noch auf staatliche Bekenntnisschulen als Regeltypus. Hier sollte insbesondere die konfessionell „andere“ Bekenntnisschule als Ausweichlösung gesichert werden; in der Gegenwart stellen die kirchlichen und privatreligiösen Schulen in aller Regel nur ein zusätzliches Angebot neben den staatlichen Gemeinschaftsschulen dar, die für alle Schülerinnen und Schüler geöffnet sind.30   Dazu näher A. III., B., S.  21 ff., 29 ff.  Näher Wißmann, Bekenntnisschulen, HStKR, §  40, Rn.  1 ff., i. E. 2019. 29

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Die Art.  136–139 sowie 141 WRV, die durch Art.  140 GG in das Grundgesetz aufgenommen wurden, enthalten als „Weimarer Kirchenartikel“ den Großteil der Bestimmungen, die 1919 als Kompromiss die „hinkende Trennung“ von Staat und Kirche organisieren sollten: Die staatsbürgerlichen Rechte werden vom religiösen Bekenntnis getrennt (Art.  136),31 die religiöse Vereinigungsfreiheit wird mit einem weitreichenden Selbstbestimmungsrecht und dem Formangebot der Körperschaft des öffentliches Rechts verbunden (Art.  137),32 die durch die Säkularisation begründeten sog. „Staatsleistungen“ werden mit einem (bis heute nicht ernsthaft betriebenen) Ablösungsauftrag perpetuiert (Art.   138), der Schutz des Sonntags und der gesetzliche bestimmten Feiertage dient der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung (Art.  139),33 Gottesdienst und Seelsorge unter Anleitung der Religionsgesellschaften sind auch für Krankenhäuser, Strafanstalten und sonstige öffentliche Anstalten ausdrücklich gesichert (Art.  141).34 31   Für den Maßstab des Art.  33 Abs.  2 GG BVerfGE 108, 282 (298) – Kopftuch I (2003). Ausnahmen gelten insoweit für die konfessionell gebundenen Staatsämter an Schulen und Hochschulen, insbesondere theologische Professuren, vgl. dazu BVerfGE 122, 89 (108 ff.) – Lüdemann (2008); zum Hintergrund Heckel, Theologische Fakultäten, 1986, insb. S.  47 ff. 32   Zur letzterem insbesondere BVerfGE 19, 129 (133 f.) – Umsatzsteuer (1965); BVerfGE 102, 370 (384 ff.) – Zeugen Jehovas I (2000). Zum (international erklärungsbedürftigen) Konzept des Besteuerungsrechts nach Art.  137 Abs.  6 WRV BVerfGE 19, 206 (218 ff.) – Kirchenbausteuer (1965). 33   BVerfGE 125, 39 (77 ff.) – Sonntagsschutz (2009); zu den Konkretisierungsschwierigkeiten im Landesrecht zuletzt Sarnighausen, NWVBl. 2018, S.  221 (222 ff.). 34   Art.  135 WRV regelte die Religionsfreiheit einschließlich eines

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Sowohl die relativ starke Rolle der Religion in der staatlichen Schule wie auch die Einbeziehung der Kirchen in den Ausbau des Sozialstaats wie auch die grundsätzliche Verteidigung der Religion als potentieller Irritationsfaktor einer homogenen Öffentlichkeit (durch das Selbstbestimmungsrecht einschließlich des Körperschaftsstatus) beziehen sich jeweils auf den Doppelanspruch, Religionsfreiheit als Schutz des Verschiedenen mit der Friedens­ funktion des religiös neutralen Staates zu verbinden. Die wechselseitige, überwölbende Grundformel lautet: Das Religionsverfassungsrecht des Grundgesetzes ist religionsfreundlich, gerade weil es sich nicht für eine Religion entscheidet. 4. Herausforderungen Die gegenwärtige Lage ist durch eine Reihe neuer Fragen zur inneren Statur und zu den Grenzverläufen des Religionsverfassungsrechts bestimmt. Da die Grundrechtsdogmatik die Religionsfreiheit wie gesehen nicht als bloße Glaubensfreiheit versteht, finden Abgrenzungen gegenüber anderen Auffassungen regelmäßig und verfassungsrechtlich gewollt nicht durch eine Verlegung des Faktors Religion in die Innerlichkeit und Häuslichkeit statt.35 Damit sind aber Konflikte unausweichlich, die letztlich im Modus des staatlichen Rechts ausgetragen werden müssen. Im Unterschied zu den ersten Dekaden der Bundesrepublik hat sich den letzten Jahren dabei in Deutschland ein neuer Ton ergeben: Nicht mehr die Vermutung für Gesetzesvorbehalts, Art.  140 WRV die Freiheit der Religionsausübung innerhalb der Wehrmacht. 35   Aktuelle Kritik dieser Veräußerlichung bei Sinder, ZevKR 63 (2018), S.  170 ff.

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Vielfalt und gerechtfertigte Verschiedenheit, sondern eine – vor allem gegen den Islam gerichtete – Skepsis gegenüber der Religion als Grund von Abweichungen prägen viele Debatten und teilweise inzwischen auch Gesetzgebung und Rechtsprechung. Diese seit längerem spürbare Tendenz,36 die maßgeblich durch den islamistischen Terror seit dem 11. September 2001 an Raum gewinnen konnte, ist durch die Migrationskrise seit 2015 nochmals exponentiell verstärkt worden, weil sich der Faktor Religion nun vielfach mit sichtbarer Fremdheit in vielen Lebensfragen verbindet. Unter dem Eindruck, Religion wirke nicht als Friedens-, sondern als Unruhefaktor, ist so die Begren­ zung religiöser Freiheit zum Thema geworden. Näher unterschieden werden können zunächst die Auseinandersetzungen, die sich auf Betätigungen der positi­ ven Religionsfreiheit beziehen. Dabei geht es häufig um Dreieckskonstellationen, wenn der Ruf des Muezzins, das Geläut von Glocken oder auch die Verteilung von Islamschriften oder Bibeln Dritte stören; die Rechtsordnung steuert hier mit Hilfe der Schutznormtheorie und immissionsschutzrechtlicher Vorgaben einen Kurs, der unzumutbare Beeinträchtigungen unterscheidet von allgemeiner, rechtlich unerheblicher Ablehnung religiöser Bräuche.37 Auch wo Religionsausübung z. B. in Konflikt mit dem Tierschutz gerät, ist ein Ausgleich zu suchen.38 Heik36   Sie setzt in gewisser Weise paradoxerweise ein mit der Kritik an der Kruzifix-Entscheidung BVerfGE 93, 1 von 1995; dazu bibliographisch Nolte, JöR. n. F. 48 (2000), S.  87 ff. 37   Aus der Rechtsprechung BVerwGE 68, 62 (1983) – liturgisches Glockengeläut; BVerwG NJW 1994, S.  956 - Zeitschlagen; zur Aufhebung einer Genehmigung für den Ruf des Muezzins aktuell VG Gelsenkirchen, Urteil vom 1.2.2018 – 8 K 2964/15, Rn.  40 ff. 38   BVerfGE 104, 337 (LS.  1, 346) – Schächten (2002). Zur Kritik an

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ler ist die körperliche Beeinträchtigung von Menschen; in den letzten Jahren ist die Beschneidung von Jungen nach jüdischem und muslimischem Ritus zum Gegenstand der Kritik geworden.39 Die Debatte hat eines der seltenen Beispiele gebracht, in denen der Gesetzgeber im Bereich der Religion für Klarstellungen gesorgt hat.40 Als Kontrastfolie sind auch Veränderungen bei der sog. negativen Religionsfreiheit zu beobachten, mit der gesichert werden soll, dass die Bürger in religiösen Fragen nicht durch den Staat überwältigt werden. In einer ungewohnten Art und Weise sind zuletzt von staatlicher Seite der Einordnung kirchlichen Handelns gegenüber Dritten als öffentlich-rechtlich Wißmann, VerwArchiv 96 (2005), S.  369 ff. 39   Ausgelöst durch LG Köln, 151 Ns 169/11, Urteil vom 7.5.2012. Die Entfaltung der körperlichen Unversehrtheit als Gegenrecht gegen staatliche und elterliche Erziehungsansprüche findet hier einerseits einen logischen Fortgang. Auf der anderen Seite ist frappierend, wie diese menschenrechtliche Grundanschauung bereit ist, alle kulturellen und historischen Besonderheiten zu übergehen. Dass in Deutschland die jüdische Beschneidung strafrechtlich verfolgt werden solle, kann nur bei sehr großer Selbstgewissheit eingefordert werden. 40  §  1631d BGB (Beschneidung des männlichen Kindes), eingefügt durch das Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes vom 20.12.2012 (BGBl. I S.  2749), in Kraft getreten am 28.12.2012: (1) Die Personensorge um­ fasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Be­ schneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kin­ des einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschnei­ dung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl ge­ fährdet wird. (2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehe­ ne Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durch­ führung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.

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A. Einführung: Zur Lage des Religionsverfassungsrechts

symbolische Maßnahmen angezogen worden, die die komplexe Frage der Identifikation zwischen Gemeinwesen und seinen Bürgern mit Unterscheidungen von „die und wir“ lösen wollen. Staatlich angeordnete Kruzifixe und Kreuze, die nach wie vor z. T. in Gerichtssälen, Schulräumen und neuerdings in allen bayerischen Behörden anzutreffen sind, unterlaufen die Grundentscheidung für den Verfassungsstaat als „Heimstatt aller Bürger“ – zumindest, wenn das christliche Religionszeichen ernstgenommen werden soll.41 Eine Überschneidung findet der Abwehranspruch gegen den Staat mit dem Begrenzungsanspruch gegenüber Dritten dort, wo staatliche Bedienstete sich religiöser Symbole während ihrer Dienstausübung bedienen. Für den besonderen Fall des Kopftuchs der Lehrerin hat das Bundesverfassungsgericht in einer mühevollen Judikatur gegen den momentanen Großtrend eine liberale Linie gefunden, bei der die Grundrechtsposition der Lehrerin (im Unterschied zu der abstrakten Rechtsposition „des Staates“) berücksichtigt wurde.42 Nach verbreitetem, aber diskutablem Verständnis sollen Funktionsträger in Uniform bzw. Robe solche Möglichkeiten von vornherein nicht haben.43 41   In Hinblick auf die bayerischen Behördenkreuze zu individuellen Abwehransprüchen differenzierend Friedrich, NVwZ 2018, 1007 (1011 ff.). 42   BVerfGE 108, 282 (294 ff.) – Kopftuch I (2003); BVerfGE 138, 296 (326 ff.) – Kopftuch II (2015). Zum Verhältnis der beiden Entscheidungen verfassungsprozessuale Kritik bei Heinig, RdJB 2015, S.  217 ff.; Gegenkritik bei Hong, Der Staat 54 (2015), S.  409 ff. 43  BVerfG NJW 2017, 2333 (Beschluss vom 27.6.2017, 2 BvR 1333/17) – Rechtsreferendarin; VGH München (Urteil vom 7.3.2018, 3 BV 16.2040), der freilich nur das Fortsetzungsstellungsinteresse verneint; dazu Friedrich, KuR 2018, S.  88 ff. Allgemeiner aus der De-

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Schließlich ist auch Bewegung dort entstanden, wo es um die Beteiligung der Religionsgemeinschaften an der Verwirklichung des Sozialstaats geht. Ein Fundament für die breite staatliche Vergemeinschaftung früher privat verantworteter Felder war zweifellos die ältere Liebestätigkeit der Kirchen.44 Später sind in dem Wechselspiel mit dem rasanten Aufwuchs staatlicher Aufgaben (einschließlich individueller Ansprüche gegen die öffentliche Hand auf frühkindliche Kindererziehung, Jugendhilfe und Altenpflege) insbesondere Diakonie und Caritas exponentiell gewachsen und zu den größten Arbeitgebern des Landes geworden.45 Hierbei haben sich mehrere Querstände ergeben: Angesichts der privatrechtlich-ökonomischen Organisation und der weitgehenden öffentlichen Finanzierung sind zum einen religiös begründete Privilegierungen etwa in Hinblick auf Arbeitgeberpflichten46 wie auf batte Wißmann, DRiZ 2016, 224 ff.; Bausback, DRiZ 2016, 248 ff.; Payandeh, DÖV 2018, S.  482 ff. 44  Zur zulässigen Vorrangstellung gemeinnütziger Träger als Entscheidung des Gesetzgebers BVerfGE 22, 180 (LS.  1, 199 ff.) – Jugendhilfe (1967). Vgl. zur Analyse der religiös-kulturellen „Tiefen­ grammatik“ des Sozialstaats zusammenfassend Gabriel/Reuter, Tiefengrammatik, in: dies. (Hrsg.), Religion und Wohlfahrtsstaatlichkeit in Deutschland, 2017, S.  467 ff. 45  Überblick im historischen Längsschnitt bei Gabriel/Reuter, Religion und Wohlfahrtsstaatlichkeit, in: dies./Kurschat/Leibold (Hrsg.), Religion und Wohlfahrtsstaatlichkeit in Europa, 2013, S.  93 (95 ff.). Allgemein zur Beziehung zwischen Amtskirche und Caritas bzw. Diakonie de Wall/Muckel, Kirchenrecht, 5.  Aufl. 2017, §  6 Rn.  6 , §  43. Dass die frühere Grundlage, nämlich die weitgehende Identität von Bevölkerung und Kirchengliedern, in Wegfall gekommen ist, irritiert die Beteiligten nicht nachhaltig – im Gegenteil wurden die kirchlichen Verbände nach 1990 in den neuen Bundesländern trotz weitgehend kirchenferner Bevölkerung ein wichtiger Partner für den Staat, um das soziale Angebot zu realisieren. 46   BVerfGE 46, 73 (83 ff.) – Goch (1977). BVerfGE 70, 138 (157 ff.)

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A. Einführung: Zur Lage des Religionsverfassungsrechts

Klientenbeziehungen47 – vielerlei Anfragen ausgesetzt.48 Insbesondere hier zeigt sich auch die Spannung, die der Schutz der Religionsgemeinschaften vor dem Maßstab des internationalen Rechts und vor allem des Europarechts ausgesetzt ist.49 Zum anderen ist der Rückstand anderer Religionsgemeinschaften in Bezug auf entsprechende

– Loyalitätspflicht I (1985); BVerfGE 137, 273 (285 ff.) – Loyalitätspflicht II (2014). Kritik zuletzt etwa bei Kreß, Kirchliches Arbeitsrecht, S.  231 ff., sowie Moos, Religion und Arbeitswelt, S.  253 ff., beide in: Gerster/van Melis/Willems (Hrsg.), Religionspolitik heute, 2018. 47   Am Beispiel der Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen in kirchlichen (Plan-)Krankenhäusern Kreß, Kirchliches Arbeitsrecht, in: Gerster/van Melis/Willems (Hrsg.), Religionspolitik heute, 2018, S.  231 (246 f.); weiter zunehmend dürfte angesichts individuell-rechtlicher Zugangsansprüche die Einbeziehung kirchlicher Einrichtungen in staatlich gewährleistete Aufgaben zur Streitigkeiten führen, so etwa bei Kindertagesstätten. 48  Zuletzt in Bezug auf das kirchliche Individual-Arbeitsrecht nochmals großzügig BVerfGE 137, 273 – Loyalitätspflicht II (2014); im Ergebnis auch für das kollektive Arbeitsrecht BVerfGE 140, 42 – Dritter Weg (2015). Zum Problem der Grundrechtsbindung qua öffentlicher Aufgabenbestimmung in Kombination mit öffentlicher Finanzierung Wißmann, JöR 65 (2017), 41 (50 ff.). 49   Der EuGH hat im Jahr 2018 durch zwei Leitentscheidungen neue Debatten angestoßen, vgl. auf Vorlagen des BAG EuGH, Urteil vom 11.9.2018, C-68/17 (zum Fall BVerfGE 137, 273) sowie EuGH, Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 17.4.2018, C-414/16, der die Voraussetzung einer Kirchenmitgliedschaft für eine Beschäftigung in der Diakonie aufgabenbezogen einschränkt. Der EGMR räumt dagegen traditionell den nationalen Rechtsordnungen einen vergleichsweise großen Spielraum ein, so dass auch dezidiert unterschiedliche Resultate akzeptiert werden, vgl. einerseits EGMR, Urt. v. 18.3.2011, Az. 30814/06 – Lautsi (Kruzifix Italien); andererseits EGMR, Urt. v. 11.7.2017, Az. 37798/13 u. a. – Burkaverbot Belgien.

III. Schule als Feld der Bewährung

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Einrichtungen zunehmend erklärungs- und rechtfertigungsbedürftig.50

III. Ein Feld der Bewährung: Religion in der öffentlichen Schule Auch und ganz besonders in der Schule lassen sich die vielfältigen Herausforderungen ablesen, die mit dem Thema Religion in einer pluralistischen Gesellschaft verbunden sind. Vom klassischen Gegenstand des Gebets in der Schule über religiös begründete Befreiungsansprüche bis hin zur religiösen Identität der Lehrkräfte zieht sich bis in die unmittelbare Gegenwart ein langgestrecktes Band von Fragen, die regelmäßig auch im Rechtswege zu klären sind.51 Insoweit lassen sich verschiedene Entwicklungslinien ausmachen, die die gegenwärtige Rechtslage prägen. Zunächst ist die öffentliche Schule schon in der frühen Mo­ derne ein wichtiges Feld für die Verhältnisbestimmung zwischen Staat und Kirche gewesen.52 Im Zuge der Ausdifferenzierung der Kirche aus dem staatlichen Herrschaftsverband, die vor allem im 19. Jahrhundert vorange50  Vgl. für eine Bestandaufnahme Ceylan/Kiefer, Muslimische Wohlfahrtspflege, 2016, S.  1 ff. 51  Eine aktuelle Übersicht findet sich bei Weilert/Hildmann (Hrsg.), Religion in der Schule, 2018, u. a. mit Beiträgen zum Dreiecksverhältnis schulischer Erziehung, religiöser Erziehungsrechte der Eltern und dem Selbstentfaltungsrecht des Kindes, der Ausgestaltung der Neutralitätspflicht in einem personalen Geschehen wie der Schule und dem Religionsunterricht als allgemeinem Bildungsbeitrag. 52  Überblick zum folgenden bei Wißmann, Art.   7 GG, 2015, Rn. II-2 ff.

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A. Einführung: Zur Lage des Religionsverfassungsrechts

trieben wurde, konnte die Schule als Beispiel für die hier eingegangenen Kompromisse gelten. Denn die im preußischen Landrecht 1794 (und ähnlichen Gesetzestexten) errungene äußerliche Vorherrschaft des Staates („Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates“) blieb materiell noch lange kirchlich bestimmt. Nicht nur war der Religionsunterricht nach überkommener Vorstellung das zentrale Unterrichtsfach.53 Vor allem war die Ausbildung und Auswahl der Lehrer generell noch regelmäßig Sache kirchlicher Funktionsaufsicht, die insoweit gerade als gesamtstaatliche Institution gegen lokale Schulverhältnisse eingesetzt wurde. Für das ganz dominierende Volksschulwesen, das erst im 19. Jahrhundert wirklich flächendeckend aufgebaut wurde, blieb der Pfarrer der maßgebliche, weil ortsnahe Intendant staatlicher Erziehungsansprüche. Der Weimarer Schulkompromiss ist deswegen nicht durch die weitergeführte Formel von der staatlichen Schulaufsicht, sondern durch seinen neuen Nachsatz bemerkenswert, dass diese Schulaufsicht durch hauptamtliche, fachlich vorgebildete Beamte auszuüben sei.54 Erst hiermit sollte auch materiell die Staatlichkeit des Schul­ wesens durchgesetzt werden – ein Prozess, der sich freilich noch über die gesamte Weimarer Republik hinzog55 und dann im Nationalsozialismus totalitär diskreditiert wurde.56   Wißmann, Art.  7 GG, 2015, Rn. II-7 m. w. N.   Zum entsprechenden Art.  144 S.  2 WRV Anschütz, Kommentar WRV, 1933, S.  672 f. 55  Dezidiert Anschütz, Kommentar WRV, 1933, S.  672; vgl. näher Wißmann, Art.  7 GG, 2015, Rn. II-13 ff. 56   Eggers, Bildungswesen (1933–1945), Dt. VerwG IV, 1985, S.  966 (967 ff.); knapp Wißmann, Art.  7 GG, 2015, Rn. II-20 f. 53

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III. Schule als Feld der Bewährung

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In der Bundesrepublik ist die Staatlichkeit des Schulwesens in mehreren Etappen endgültig durchgesetzt worden. Die Professionalisierung des Lehrerberufes, die Organisationsreformen hin zur Gemeinschaftsschule als Regeltypus und schließlich das Vordringen der höheren Schulen mit ihrer eher kirchenfernen Tradition haben dazu geführt, dass die öffentliche Schule heute in Deutschland weitgehend unhinterfragt als typische und geradezu notwendige Einrichtung des Verfassungsstaates gilt.57 Allerdings geht diese Gleichung materiellrechtlich eben nicht in einem laizistischen Sinn auf. Das ergibt sich zunächst schon daraus, dass das Bundesrecht für die Schule wie bereits angedeutet nur eine ganz unregelmäßige Vorsorge trifft. Die Ausgestaltung des Schulwesens als solches ist Ländersache – und damit konnte und kann auch der Faktor Religion eine durchaus unterschiedliche Rolle spielen. Insoweit hat sich in mehreren Schüben allerdings ein gemeindeutscher Standard durchgesetzt: Die öffentliche Schule ist konfessionsübergreifende Gemeinschafts­ schule, und sie ist zugleich nicht „bekenntnisfreie“ Schule.58 Der Faktor der Religion ist also in Deutschland durch 57   Insbesondere ist auch im internationalen Vergleich bemerkenswert, dass das landesrechtlich wie völkerrechtlich gewährleistete Recht auf Bildung in Deutschland gemeinhin mit einer besonders strengen Form der Schulpflicht (statt einer bloßen Unterrichtspflicht) verbunden wird. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigt die entsprechenden Regeln des Landesrechts, hält aber auch die inneren Voraussetzungen im Bewusstsein, vgl. etwa BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Mai 2006, 2 BvR 1693/04, Rn.  9 f.; zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Oktober 2014, 2 BvR 920/14, Rn.   21 m. w. N. Näher die Beiträge in Reimer (Hrsg.), Home­ schooling, 2012. 58   Insoweit abweichend ist die Lage nur noch in Nordrhein-West-

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A. Einführung: Zur Lage des Religionsverfassungsrechts

das Ende der öffentlichen Konfessionsschulen gerade nicht weggeblendet worden: Ganz im Gegenteil wurde in den großen Schulorganisationsentscheidungen der 1970er Jahre festgehalten, dass die öffentliche Schule auch als Gemeinschaftsschule eine grundrechts- und damit auch religionsfreundliche Schule zu sein hat.59 Im Hintergrund steht dabei die schon zuvor gewonnene Einsicht, dass das Schulwesen mehr ist als nur eine äußerliche Staatsveranstaltung. Die höchst individuellen Vorgänge, die bei Bildung und Erziehung ablaufen, dienen in einem dialektischen Prozess von Verfassungswegen gerade auch der Grundrechtsentfaltung und Selbstbestim­ mung der Schülerinnen und Schüler. 60 Zusammen mit dem auch in der Schule bestehenden Erziehungsrecht der Eltern61 ist damit das staatliche Schulmandat, das aus eigenem Recht die Gemeinschaftsbezogenheit des Individuums fördern und bilden kann, mehrpolig determiniert. Es stehen sich nicht wie sonst in grundrechtlichen Fiktionalisierungen der „fertige“ Bürger und der Staat als juristische Person gegenüber, vielmehr sind die Prozeduren der Einwirkung darauf ausgerichtet, das Gegenüber gerade falen (sowie einer schmalen Exklave in Niedersachsen), wo staatliche Bekenntnisgrundschulen nach wie vor weitverbreitet sind und der Zugang zu diesen Schulen konfessionsabhängig gesteuert wird. Zu den damit verbundenen Problemen kritisch Wißmann, ZevKR 63 (2018), S.  209 (219 ff.); großzügiger Beckermann, NWVBl. 2014, 370. 59   Dazu näher und m. w. N. Wißmann, Art.  7 GG, 2015, Rn. III118 ff. 60   BVerfGE 45,400 (417) – Oberstufenreform (1977); BVerfGE 58, 257 (272) – Schulentlassung (1981); BVerfGE 96, 288 (303 f.) – Inte­ grative Beschulung (1997). 61   BVerfGE 34, 165 (183) – Förderstufe (1972). Zur Rechtsstellung der Eltern näher Wißmann, Art.  7 GG, 2015, Rn. III-69 ff.

III. Schule als Feld der Bewährung

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erst zu formen und dabei seine eigene Statur zu achten. Bei einer solchen anspruchsvollen Grundlegung des staatlichen Schulwesens (die ein notwendiges Element für die rigorose Schulpflicht in Deutschland darstellt) kann der Faktor Religion nicht ausgespart bleiben. Dies gilt jenseits der historischen Traditionszusammenhänge zwischen Staat und Kirche eben auch ganz grundständig und ganz gegenwärtig vom je Einzelnen her. Die pluralistische Situation, vor allem aber das Vordringen des Islams, betont diese grundrechtliche Ausgangslage nochmals, hat aber auch zu zahlreichen neuen Grenz­ fragen geführt. Wie soll man umgehen mit den Wünschen und Forderungen, in der Schule Raum zu schaffen für „abweichendes Verhalten“ in Sachen Bekleidungs- und Essensvorschriften, Gebetsrituale, Beteiligung am Unterricht und Schulveranstaltungen? Gibt es ein elterliches Vetorecht gegenüber Unterrichtsinhalten, die ihren religiösen Überzeugungen entgegenstehen? Natürlich nicht. 62 Aber auch umgekehrt gefragt: Müssen Eltern in jedem Fall hinnehmen, was ein „Schulprogramm“ oder eine Lehrkraft an antireligiösen Affekten präsentieren? Wohl ebenso: Natürlich nicht. Das relativ stabile Modell, das in den 1970er Jahren gefunden worden war, lautete insoweit: Grundentscheidungen trifft auch hier der parlamentarische Gesetzgeber;63 mit einem allgemeinen Mäßigungsgebot und Elementen der Freiwilligkeit in religiösen Fragen im engeren Sinn können sowohl Strenggläubige wie Nichtgläubige in der Pflichtschule gehalten werden;64 ge62   BVerwG NVwZ 2014, 237 (Urteil vom 11.9.2013, 6 C 12.12) – Krabat. 63   BVerfGE 47, 46 (56) – Sexualkundeunterricht (1977). 64   BVerfGE 41, 29 – Simultanschule (1975); BVerfGE 41, 65 (LS.  1) – Gemeinsame Schule (1975); BVerfGE 41, 88 (LS.  1) – Gemein-

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A. Einführung: Zur Lage des Religionsverfassungsrechts

wisse individuelle Anstrengungen für das „Recht auf Abweichung“ dürfen dabei verlangt werden. 65 Dieses Grundmodell war funktionstüchtig, solange es Mehrheitswünsche mit Außenseiterrechten ausmitteln konnte. Die Schulverwaltungspraxis hat sich zunächst weithin an entsprechend liberalen Grundvorstellungen orientiert und mit Ausnahmeregelungen versucht, v. a. muslimische Wünsche mit dem Schulalltag zu vereinbaren. 66 Dies ist sowohl durch das Problem der Masse wie durch das Fortschreiten entsprechender Segregationstendenzen in den letzten Jahren aber zu einem Problem geworden. Deshalb ist die Verwaltungs- und Gerichtspraxis zunehmend dazu übergegangen, mit Bedenken und Einschränkungen auf abweichende Vorstellungen von Eltern und Schülern zu reagieren. Nicht nur wurden (richtigerweise) Befreiungswünsche zunehmend abgelehnt; diese neue Integrationslogik verschärfte die Anforderungen zur Anpassung, während früher verlangte staatliche Organisationsbemühungen für einen grundrechtschonenden Ausgleich zunehmend zurückgestellt werden. 67 schaftsschulen; BVerfGE 52, 223 (240) – Schulgebet (1979); BVerfGE 47, 46 (69 f.) – Sexualkundeunterricht (1977); später dann auch BVerfGE 93, 1 (24 f.) – Kruzifix (1995). 65   In diesem Sinn etwa BVerfGE 52, 223 (241) – Schulgebet (1979); in diesem Sinn (zweifelhaft) die Widerspruchslösung in Bezug auf Kreuze im Klassenraum Art.  7 Abs.  4 des BayEUG. 66  Repräsentativ BVerwGE 94, 82 – Koedukativer Sportunterricht (1993). 67   BVerwGE 141, 223 – Gebet in der Schule (2011). Dabei bleibt erstaunlich, dass in katholisch geprägten Gegenden der geschlechtsgetrennte Sportunterricht ab einem bestimmten Lebensalter nach wie vor selbstverständlich ist, in religiös pluralen Milieus dagegen inzwischen der gemeinsame Schwimm- und Sportunterricht geradezu als Test für die Anpassungswilligkeit muslimischer Zuwande-

III. Schule als Feld der Bewährung

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Hier wie an anderen Stellen zeigt sich ein Grundproblem unserer Lage: Es ist die kaum verborgene Ungleichbe­ handlung, das „die und wir“, das im gegenwärtigen Religionsverfassungsrecht das Grundrauschen bestimmt. Dass dies rechtlich nicht haltbar ist, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Kopftuchentscheidung hinsichtlich der Privilegien christlich-abendländischer Kleidung zutreffend deutlich gemacht. 68 Doch auch jenseits offener Diskriminierung ist das praktische Grundproblem allgegenwärtig, allgemeine Pflichten in der Schule so zu konfigurieren, dass sie einerseits zumutbare Anforderungen enthalten, andererseits Besonderheiten nicht schlicht verleugnen (und damit Ausweichbewegungen provozieren), sondern Wege von Gemeinsamkeit weisen – um dann aber auch durchgesetzt zu werden. 69 Der Religionsunterricht ist in all diesem geradezu ein Menetekel der heutigen religionsrechtlichen Lage. Schon die Frage, wer in welcher Form die „Grundsätze der Religionsgemeinschaften“ nach Art.  7 Abs.  3 GG verbindlich formulieren kann und damit dem Staat als Partner gegenüber tritt, ist jenseits einer Bischofskirche kompliziert; die rer gesehen wird, billigend BVerwGE 147, 362 – Burkini (2013); zur Kritik an der Ermäßigung grundrechtsschonender Organisationslasten des Staates Wißmann, JöR n. F. 60 (2012), S.  225 (239 ff.). 68   BVerfGE 138, 296 (346 ff.) – Kopftuch II (2015). 69   An einem zuletzt aktuell gewordenen Beispiel gesprochen: Die Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht hat von Verfassungswegen zu konzedieren, dass Mädchen ein Kopftuch tragen dürfen – aber ebenso kann wegen der Funktionsvoraussetzungen des gemeinsamen Unterrichts „von Angesicht zu Angesicht“ verlangt werden, dass Niqab oder Burka abgelegt werden – wenn denn im tatsächlichen Umgang die religiöse Identität der Schülerinnen im Unterricht angemessen respektiert wird. Näher Wißmann, ZevKR 63 (2018), S.  345 ff.

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A. Einführung: Zur Lage des Religionsverfassungsrechts

Pluralisierung der Religionsunterrichte – eine naheliegende Folge der Pluralisierung der Religionen und das Gegenmodell zum „Religionsunterricht für alle“ – kämpft hier mit zahlreichen Unschärfen.70 Inhaltlich weist der Religionsunterricht in Deutschland eine Emanzipationsgeschichte von der religiösen Unterweisung hin zu einem modernen, wissenschaftsorientierten Vollunterrichtsfach auf – und gleichzeitig liegt sein besonderes Proprium doch gerade in der Abständigkeit vom normalen, demokratisch verantworteten Unterrichtsgang, zu dem er dann wiederum auch seinen besonderen Teil beitragen will. Wie dieses Gleichzeitige im Ungleichzeitigen zu organisieren ist, davon handelt der nachfolgende Haupttext.

70   Vgl. hierzu die Beiträge in Kämper/Pfeffer (Hrsg.), Religionsunterricht in der religiös pluralen Gesellschaft, Essener Gespräche 49 (2016), insbesondere Korioth, S.  7 ff.; Oebbecke, S.  153 ff. Zuletzt nochmals mit weitgehenden Anforderungen an islamische Verbände OVG Münster, Urteil vom 8.11.2017, 19 A 997/02, aufgehoben durch BVerwG, Beschluss vom 20.12.2018, 6 B 94/18; zuvor tendenziell offener BVerwGE 123, 49 (54 ff.) – Islamischer Religionsunterricht (2005).

B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg1 I. Ausgangslage 1. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen des Religionsunterrichts – Reaktionen der Schulpraxis Der Religionsunterricht nach Art.  7 Abs.  2 f. GG stellt ein auffälliges Strukturelement im deutschen Schulverfas­ sungsrecht dar: Er ist als einziges Schulfach durch die Bundesverfassung abgesichert, zugleich hängt aber die staatliche Schule in keinem anderen Fach so unmittelbar von der Mitwirkung und Zustimmung aus der Mitte der Gesellschaft ab. Denn dieser Unterricht muss in Übereinstimmung mit den „Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ erteilt werden, und für Schüler wie Lehrer besteht die Möglichkeit der Abmeldung von diesem Unterricht. Beides folgt unmittelbar aus einem spezifischen religiösen Wahrheitsanspruch, über den der religiös neu­ trale Staat nach Maßgabe des Grundgesetzes nicht verfügen kann, den er aber im Rahmen seines freiheitlich ausge1   Unter B. wird das der Nordkirche im Sommer 2017 erstattete Gutachten ohne inhaltliche Veränderungen oder Erweiterungen abgedruckt. Die Nachweise zu den vorangegangenen, weithin bekannten Debatten wurden hier kurzgehalten, weil der Text vor allem die Ausarbeitung einer eigenständigen Argumentationslinie darstellt. Nachweis der Kritik am Hamburger Modell im Einzelnen bei Bau­ er, ZevKR 59 (2014), S.  227 (236 ff.) m. w. N.

30 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg richteten Schulwesens auch nicht ignorieren oder unterdrücken darf.2 Die gegenwärtige Lage des Religionsunterrichts ist dabei durch grundlegend neuartige gesellschaftliche Rah­ menbedingungen gekennzeichnet, die in einem Kontrast zu der stabilen, bald einhundert Jahre alten verfassungsrechtlichen Grundregelung stehen: In den meisten Teilen der Bundesrepublik und insbesondere in den Metropolen gibt es keine geschlossen christliche Bevölkerung mehr; neben vielgestaltiger religiöser Pluralität hat auch die formale Religionslosigkeit deutlich zugenommen.3 Im historischen Ausgangspunkt besuchte 1919 und auch noch 1949 der weit überwiegende Teil der Bevölkerung Bekenntnisschulen, daher wurde auch der Religionsunterricht in der Regel für konfessionell „einfarbige“ Schulen vorgesehen und im Klassenverband erteilt.4 Nach der starken konfessionellen Durchmischung, die spätestens nach dem 2. Weltkrieg eingetreten war, reagierte das Schulorganisationsrecht: Seit den späten 1960er Jahren werden die öffentlichen Grund- und Volksschulen durch die (fast) allgemeine Umstellung auf die Gemeinschaftsschule nicht mehr nach Religions- oder Konfessionsangehörigkeit organisiert. Daher bilden sie inzwischen typischerweise die all2  Knapp Robbers, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.  7, Rn.  115 m. w. N. 3   Dazu mit Einzelangaben Waldhoff, Gutachten D zum 68. DJT, D 13 ff., insb. D. 16 ff. 4  Zur Bekenntnisvolksschule als Grundform des deutschen Schulwesen bis in die 1950er bzw. 1960er Jahre vgl. BVerfGE 6, 309 (314 ff.) – Reichskonkordat (1957); BVerfGE 41, 65 (66 f.) – Gemeinsame Schule (1975). Die auf die Einführung der Gemeinschaftsschule zielende Bestimmung in der WRV (Art.  146 Abs.  1) wurde bekanntlich wegen Art.  174 WRV nicht umgesetzt.

I. Ausgangslage

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gemeine gesellschaftliche Entwicklung auch in der Zusammensetzung ihrer Schülerschaft ab.5 Gleiches gilt im Ergebnis auch für die quantitativ erheblich gewachsenen weiterführenden Schulen. 6 Diese Entwicklungen führen dazu, dass in den öffentlichen Schulen inzwischen regel­ mäßig eine erheblich pluralisierte religiöse Zusammenset­ zung der Schülerschaft besteht. Auf diesen Umstand hat die schulrechtliche Praxis in Bezug auf den Religionsunterricht in den letzten Jahrzehnten mit unterschiedlichen Strategien reagiert. Idealtypisch unterschieden werden können (1) die schlichte Öffnung des jeweiligen Mehrheitsunterrichts im Klassenverband für Schüler anderer oder keiner Konfession (vor allem im Grundschulbereich) sowie (2) das Nebeneinander unterschiedlicher Religionsunterrichte, zunächst in der Regel eines katholischen und eines evangelischen Unterrichts, zuletzt in mehreren Bundesländern erweitert vor allem durch die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts. Zu beobachten ist (3) auch die Einrichtung eines kooperativen gemeinchristlichen Religionsunterrichts. Diese Strategien werden oftmals (jedenfalls in weiterführenden Schulen) ergänzt durch Philosophiebzw. Ethikunterricht (o. ä.) als Ersatzfach.7 Einen Sonder5   Partiell anders liegt es – mit entsprechenden Problemen – nur noch in Nordrhein-Westfalen und einem kleinen Teil von Niedersachsen, vgl. dazu Wißmann, Art.  7 (2015), Rn. III-122. 6   Diese waren ganz überwiegend seit jeher nicht bekenntnisförmig organisiert, wurden freilich nur von einem ganz kleinen (oftmals wiederum konfessionell geschlossenen) Teil der Bevölkerung besucht. 7   Vgl. für eine Übersicht über den Gesamtkomplex etwa Maurer, FS Zacher, S.  577 (587 ff.); Heinig, in: Schröder (Hrsg.), Religionsunterricht – wohin?, S.  141 (145 ff.); Unruh, Religionsverfassungsrecht, 3.  Aufl. 2015, Rn.  413 ff.; Wißmann, Art.  7 (2015), Rn. III-138 ff.

32 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg fall bilden schließlich die Bundesländer, die unter Berufung auf Art.  141 GG besondere Formen religionsbezogenen Unterrichts eingerichtet haben. 8 Einen anderen Weg haben staatliche Behörden, die evangelische Kirche und andere Religionsgemeinschaften im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg gewählt, indem sie in mehreren Stufen den „Religionsunterricht für alle in evangelischer Verantwortung“ (RUfa) eingeführt haben. Damit sollte im Rahmen des Art.  7 Abs.  3 GG – also in der Form des konfessionellen Religionsunterrichts – erreicht werden, dass durch eine vorgeschaltete Abstimmung der Unterrichtsinhalte zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften sowie in Zusammenarbeit mit der Landesschulbehörde bei schlussendlicher formaler Zuordnung des Gesamtunterrichts als evangelisch sowohl das Klassenprinzip als auch die Ausrichtung auf das religiöse Bekenntnis möglichst vieler Schüler miteinander verbunden wurden.9 2. Hamburger „Religionsunterrichts für alle 2.0“ als Gegenstand kirchlicher und staatspolitischer Entscheidung Seit mehreren Jahren besteht in Hamburg der politische Wille, diesen „RUfa“ weiterzuentwickeln und zu einer verbreiterten formalen Trägerschaft der beteiligten Religionsgemeinschaften zu gelangen („RUfa 2.0“). Die Kern8  Vgl. knapp Unruh, Religionsverfassungsrecht, 3.   Aufl. 2015, Rn.  4 41 ff. 9   Im Einzelnen Bauer, ZevKR 59 (2014), S.  227 (227 ff.), dort auch zur Gemeinsamen Kommission von Landesschulbehörde und evangelischer Kirche (seit 1964) und dem Gesprächskreis Interreligiöser Religionsunterricht (GIR); Link, ZevKR 46 (2001), S.  257 ff.

I. Ausgangslage

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frage lautet, ob (und gegebenenfalls wieweit und in welcher Weise) es möglich ist, im Rahmen des Art.  7 Abs.  3 GG eine religionsübergreifende Einigung auf „Grundsät­ ze“ zu formulieren, die als Grundlage eines Curriculums herangezogen werden können – und wie dann ein entsprechender Unterricht auch praktisch organisiert werden könnte. Während der bisherige RUfa „in evangelischer Verantwortung“ das denkbare äußerste Ende eines konventionellen Verständnisses von konfessionellem Religionsunterricht markiert (indem er bei materieller interreligiöser Öffnung von Unterrichtsinhalten formal eine Gesamtzuordnung zum Verantwortungsbereich einer Religionsgemeinschaft, nämlich der evangelischen Kirche, erlaubt), ist der RUfa 2.0 von vornherein als neues Modell zu verstehen: Unterschiedliche Glaubensinhalte sollen auch formal durch die jeweiligen Religionsgemeinschaften formuliert und dann auch in eine gemeinsame Verantwortung für einen gemeinsamen Unterricht eingespeist werden. Damit würde die bisher geübte, letztlich informelle Abstimmung zu einem grundständigen Konstruktionsmerkmal des konfessionellen Religionsunterrichts. Die im Jahr 2013 ratifizierten neueren Religionsverträge der Freien und Hansestadt Hamburg mit den islamischen Gemeinschaften DITIB, Schura und VIKZ sowie mit der alevitischen Gemeinde gehen einem solchen Modell aus.10 Die jüdische Gemeinde hat sich dem im Jahr 2014 durch eine Vereinbarung zu ihrem Religionsvertrag aus dem Jahr 2014 angeschlossen.11 Vertreter von Nordkirche und 10   Art.  6 Abs.  1 der Verträge, Amtl. Anz. Nr.  51, 997 (998) bzw. 1001 samt Protokollerklärung, s. u. Anhang Nr.  5 f., S.  113 ff. 11  Dazu Bauer, ZevKR 59 (2014), S.  227 (229 mit Fn.  10).

34 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg Landesschulbehörde haben in der Gemischten Kommission bereits im Jahr 2012 einen entsprechenden Beschluss gefasst.12 Die einschlägige Formulierung lautet: „Die Vertragsparteien sind sich einig in der Anerkennung der Bedeutung, des Wertes und der Chancen des an den staatlichen Schulen der Freien und Hansestadt Hamburg erteilten Religi­ onsunterrichts in gemischtkonfessionellen Klassenverbänden und Lerngruppen. Sie streben deshalb im Rahmen von Art.  7 Abs.  3 des Grundgesetzes eine Weiterentwicklung an, deren Ziel es ist, eine Verantwortungsstruktur für die Inhalte des Religions­ unterrichts im Rahmen von Art.  7 Abs.  3 des Grundgesetzes zu schaffen, die sowohl alle Religionsgemeinschaften im verfas­ sungsrechtlichen Sinn gleichberechtigt am Religionsunterricht beteiligt, als auch einen gemeinsamen Unterricht von Schülerin­ nen und Schülern unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit ermöglich, um so die bestehende dialogische Form des Religions­ unterrichts zu erhalten.“

Festzuhalten ist, dass die Vertragspartner parallel auch den Anspruch der Religionsgemeinschaften auf einen eigenständig-getrennten Religionsunterricht bekräftigt haben.13 Da spätestens mit dem Modell eines dezidiert religionsübergreifend-trägerpluralen Religionsunterrichts ersichtlich der Bereich der überkommenen religionsverfassungsrechtlichen Formen des Religionsunterrichts verlassen wird, sind innerhalb wie außerhalb der evangelischen Nordkirche Bedenken dagegen erhoben worden.14 Neben   Bauer, ZevKR 59 (2014), S.  227 (228 f. mit Fn.  9).   Art.  6 Abs.  2 der Verträge, Amtl. Anz. Nr.  51, 997 (998). 14   Schon zum „Religionsunterricht für alle in evangelischer Verantwortung“ ausgesprochen kritisch z. B. Kästner, FS Link, S.  301 (301 ff.); eindeutig auch Heinig, in: Schröder (Hrsg.), Religions12 13

I. Ausgangslage

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der religionspolitischen Frage, ob und wieweit eine interreligiöse Zusammenarbeit an dieser Stelle für die evangelische Kirche und ihre Glieder selbst sinnvoll erscheint, kann die Kirche sich auch die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit eines solchen Vorgehens stellen. Für den damit aufgerufenen Maßstab des Grundgesetzes kommt es entscheidend darauf an, was das Religionsverfassungsrecht als Anforderung an die „Grundsätze der Religionsgemeinschaften“ vorgibt – letztlich: ob es sich um solche Glaubenswahrheiten handeln muss, die gerade in der Differenz der Religionen hervortreten müssen, die ganz entgegengesetzt auch als interreligiöser Minimalkonsens verstanden werden dürfen, oder im Nebeneinander ihrer dezidierten Verschiedenheit in einem gemeinsamen Unterricht in einem komplexen Modell möglich sein können. Als Kontrollfrage soll ersichtlich gelten, wann der Geltungsbereich des Art.  7 Abs.  3 GG verlassen wird; alternative Formen eines auf den Gegenstand Religion bezogenen Schulunterrichts entsprechen offensichtlich nicht dem Willen der Beteiligten.

unterricht – wohin?, S.  141 (147 ff.). Umfassende und grundlegend ausgearbeitete Kritik insbesondere bei Heckel, FS Starck, S.  1093 (1112 ff.). Differenzierend Unruh, Religionsverfassungsrecht, 3. Auf. 2015, Rn.  440; auch Mückl, Freiheit kirchlichen Wirkens, HStR, 2009, §  161, Rn.  34. Günstiger dagegen zuletzt die Einschätzung bei Robbers, FS Hufen, S.  393 (397 ff.); sehr weitgehend für Entwicklungsmöglichkeiten früher bereits Pieroth, ZevKR 38 (1993), S.  189 (193 ff.), für die Zulassung eines entsprechenden Schulversuchs Richter, Multireligiöser Religionsunterricht?, S.  315 (322).

36 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg 3. Aufgabe des Gutachtens und Gang der Untersuchung Im Folgenden wird (nur) ein begrenztes Orientierungsgutachten erstattet. Es hat nicht die Aufgabe, ein abschließendes Urteil über die geltende oder eine zukünftige Rechtslage in Bezug auf den Religionsunterricht in Hamburg zu formulieren. Vielmehr geht es darum, angesichts der besonderen Hamburger Fragestellungen und der allgemeinen Entwicklung die Funktion des Religionsunterrichts nach Art.  7 Abs.  3 GG zu reformulieren und daraus Kriterien abzuleiten, die aus Sicht des Religionsverfassungsrechts als Grenzmarken bei der Etablierung und Durchführung eines religionsübergreifenden und (in Bezug auf die Grundsätze der Religionsgemeinschaften) trägerpluralen Religionsunterrichts zu beachten sind. Die Perspektive bezieht sich nach der vorgegebenen Aufgabenstellung sowohl auf materiellrechtliche wie institutio­ nelle Aspekte: Zum einen geht es um den Maßstab, nach dem Unterrichtsinhalte daraufhin überprüft werden, ob sie mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften in Übereinstimmung stehen. Zum anderen ist zu ermitteln, ob dabei Alternativen zur getrennten Organisation von Religionsunterrichten verschiedener Religionsgemeinschaften möglich sind, und wie ggfs. die Gewährleistung der Konfessionsgebundenheit auf den verschiedenen Stufen der Schulwirklichkeit bewertet wird, wobei insbesondere die Frage nach der Sicherstellung der Vermittlung von Wahrheitsansprüchen der je eigenen Religion der Schüler hervorgehoben wird. Die Untersuchung geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon aus, dass es sich bei der verfassungsrechtlichen Institution des Religionsunterrichts nicht um eine statisch-abge-

I. Ausgangslage

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schlossene Einrichtung handelt, bei der jegliche Abweichung von einer überkommenen Form bereits das Schutzversprechen der Verfassung verliert – es sich wegen der besonderen Einbindung in den staatlichen Schulbetrieb zugleich aber auch nicht um einen frei gestaltbaren Bereich religiöser Selbstverwaltung handelt. Auf dieser Grundlage wird in einem ersten Durchgang dargelegt, wie die verfassungsrechtliche Regelung zum Religionsunterricht konstruiert ist. Dieser Bauplan führt in der bisherigen verfassungsrechtlichen Praxis zu einer organisatorischen Umsetzung, von der ein „RUfa 2.0“ prinzipiellen Abstand hält. Das erklärt die bisher überwiegende und folgerichtige Ablehnung gegenüber einem solchen Modell. Notwendig ist daher in einem zweiten Durchgang eine Rekonstruktion, die den religionsübergreifend-trägerpluralen Religionsunterricht als bewussten, rechtsgestaltenden Neuansatz ausweist, der sich zugleich im Rahmen des geltenden Verfassungsrechts halten will. Dabei soll ausdrücklich der bisher ganz weithin konsentierte Kern des Religionsunterrichts in seiner Besonderheit bewahrt werden, weil – wie zu zeigen sein wird – davon dessen Legitimation abhängt. Zugleich wird als davon ausdrücklich zu trennende Frage geprüft, ob die Umsetzung der entsprechenden Vorgaben nicht mit deutlich größerer Flexibilität erfolgen kann. Dem gleichwohl bestehenden Zusammenhang beider Teilelemente entspricht für die Frage, welche religionsverfassungsrechtlichen Kriterien für einen religionsübergreifend-trägerpluralen Religionsunterricht zu beachten sind, dass der bisherige Umsetzungsmodus auch für einen Neuansatz nicht einfach unbeachtet bleibt, sondern als Maßstab einbezogen wird und zu erhöhten Be-

38 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg gründungslasten wie zu vergleichsweise aufwendigen prozeduralen Sicherungen eines religionsübergreifendträger­pluralen Religionsunterrichts führt.

II. Erster Durchgang: Kriterien für den konfessionellen Religionsunterricht nach überkommenem Maßstab 1. Konstruktion der verfassungsrechtlichen Regelung a) Der Religionsunterricht im Grundgesetz und im Landesrecht Das Bundesverfassungsrecht enthält bekanntlich nur sehr knappe Bestimmungen zum Schulwesen, das als Domäne der Bundesländer betrachtet wird.15 Das Grundgesetz konzentriert sich auf den Schutz bestimmter Grundentscheidungen, die außerhalb der Bestimmungsmacht des (Landes-) Gesetzgebers gesichert werden sollen, dabei steht – neben dem Privatschulwesen – der Religionsunterricht in hervorgehobener Weise im Mittelpunkt. Art.  7 Abs.  2 f. GG bestimmen: 15   BVerfGE 6, 309 (355 ff.) – Reichskonkordat (1957); BVerfGE 41, 29 (46) – Simultanschule (1975) – std. Rechtsprechung; zuletzt zum kommunalen Anteil BVerfGE 138, 1 (30) – Grund- und Hauptschule (2014). Zum Zusammenwirken bundesrechtlicher und landesrechtlicher Bestimmungen im Einzelnen und den historischen Hintergrund Wißmann, Art.  7 (2015), Rn. II/22 ff., III/2 m. w. N. Hervorzuheben ist allerdings, dass die Grundrechte des Grundgesetzes (insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts) erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung des Schulwesens haben, vgl. BVerfGE 96, 288 (303 f.) – Integrative Beschulung (1997).

II. Erster Durchgang

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(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teil­ nahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religions­ unterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Reli­ gionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Wil­ len verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

Regelungsvorbild war insoweit die Weimarer Reichsverfassung von 1919 (WRV), die als Teil einer insgesamt im Vergleich zum Grundgesetz ausführlicheren schulrechtlichen Regelung in Art.  149 Abs.  1 f. vorsah: (1) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach der Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien (weltlichen) Schulen. Seine Erteilung wird im Rahmen der Schulgesetzgebung geregelt. Der Religionsunterricht wird in Übereinstimmung mit den Grund­ sätzen der betreffenden Religionsgesellschaft unbeschadet des Aufsichtsrechts des Staates erteilt. (2) Die Erteilung religiösen Unterrichts und die Vornahme kirchlicher Verrichtungen bleibt der Willenserklärung der Leh­ rer, die Teilnahme an religiösen Unterrichtsfächern und an kirchlichen Feiern und Handlungen der Willenserklärung desje­ nigen überlassen, der über die religiöse Erziehung des Kindes zu bestimmen hat.

Es lässt sich ohne weiteres erkennen, dass die materielle Grundlage des Religionsunterrichts 1919 und 1949 weitgehend in gleicher Weise geregelt worden ist (während das Kinder- und Elternrecht bezüglich der Teilnahme durch Voranstellung nochmals betont worden ist). Das betrifft insbesondere seine Stellung als ordentliches Lehrfach an den Regelschulen und die Bindung an die „Grundsätze“

40 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg von Religionsgemeinschaften, die unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts gilt.16 Das Landesrecht hat den Religionsunterricht aufgrund seiner besonderen verfassungsrechtlichen Stellung in der Regel nochmals besonders geregelt. Dabei sind sowohl verfassungsrechtliche, vertragsrechtliche wie einzelgesetzliche Bestimmungen anzutreffen, die den verbleibenden Gestaltungsspielraum ausfüllen. Im Vergleich lassen sich durchaus unterschiedliche Akzentuierungen erkennen, wie das Landesrecht die Vorgaben des Art.  7 Abs.  3 GG wiedergibt und ausdeutet. Eine typische Regelungsform stellt etwa das niedersächsische Schulgesetz in §  124 Abs.  1 bereit: §  124 SchulG Nds. (1) Der Religionsunterricht ist an den öffentlichen Schulen or­ dentliches Lehrfach. Für mindestens zwölf Schülerinnen oder Schüler desselben Bekenntnisses ist an einer Schule Religionsun­ terricht einzurichten. (2) (…)

Grundständig wird hier von der möglichen Verschiedenheit der Bekenntnisse und der Folge des getrennten Unterrichts ausgegangen. Etwas prononcierter ist noch das bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen ausgestaltet:

16  Religionsgemeinschaften (GG) und Religionsgesellschaften (WRV) werden nach allgemeiner Auffassung synonym verstanden; dafür spricht insbesondere die Implementation der Art.  137 ff. WRV durch Art.  140 GG. Zur Entstehungsgeschichte des Art.  7 GG im Überblick JöR n. F. 1 (1951), S.  101 ff.

II. Erster Durchgang

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§  4 6 BayEUG (1) Der Religamtionsunterricht ist an den Grundschulen, Mittel­ schulen, Realschulen, Gymnasien, Förderschulen, Berufsschu­ len, Wirtschaftsschulen, Fachoberschulen, Berufsoberschulen, an sonstigen Schulen nach Maßgabe der Schulordnung, ordentliches Lehrfach (Pflichtfach). Er wird nach Bekenntnissen getrennt in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Kir­ che oder Religionsgemeinschaft erteilt. (2) (…)

Ähnlich ist auch die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen gestaltet: §  31SchulG NRW (1) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen Schulen mit Ausnahme der Weltanschauungsschulen (bekennt­ nisfreien Schulen). Er wird nach Bekenntnissen getrennt in Übereinstimmung mit den Lehren und Grundsätzen der betref­ fenden Kirche oder Religionsgemeinschaft erteilt. Religionsun­ terricht wird erteilt, wenn er allgemein eingeführt ist und an der einzelnen Schule mindestens zwölf Schülerinnen und Schüler dem entsprechenden Bekenntnis angehören. (2) …17 17  Hier wurde im ergänzend als Übergangsvorschrift zur Einführung von islamischem Religionsunterricht geregelt: §  132a (1) Besteht auf Grund der Zahl der in Betracht kommenden Schü­ lerinnen und Schüler Bedarf, islamischen Religionsunterricht im Sinne von §  31 einzuführen, aber noch keine entsprechende Religi­ onsgemeinschaft im Sinne von Artikel 14 und 19 Landesverfassung und Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetz, kann das Ministerium über­ gangsweise bei der Einführung und Durchführung mit einer Orga­ nisation oder mehreren Organisationen zusammenarbeiten, die Aufgaben wahrnehmen, die für die religiöse Identität ihrer Mitglie­ der oder Unterorganisationen wesentlich sind oder die von diesen für die Durchführung des Religionsunterrichts bestimmt worden

42 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg §  7 des Hamburger Schulgesetzes hält sich im Vergleich zu diesem Modellen wörtlich eng an die Vorgabe des Grundgesetzes. Praktisch wird damit zugleich die derzeitige, eben nicht auf Trennung nach Bekenntnissen ausgerichtete Handhabung abgebildet, ohne das freilich ausdrücklich festzuschreiben:

sind. Die Organisationen müssen eigenständig, bei der Zusammen­ arbeit staatsunabhängig sein und die Gewähr dafür bieten, 1. dem Land bei der Veranstaltung des Religionsunterrichts auf absehbare Zeit als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen, 2. die in Artikel 79 Absatz 3 Grundgesetz umschriebenen Verfas­ sungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grund­ rechte der Schülerinnen und Schüler sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes zu achten. Vertreten mehrere Organisationen das gleiche Bekennt­ nis oder verwandte Bekenntnisse, soll das Ministerium eine Zusam­ menarbeit mit ihnen gemeinsam anstreben. (4) Das Ministerium bildet einen Beirat, der die Anliegen und die Interessen der islamischen Organisationen bei der Einführung und der Durchführung des islamischen Religionsunterrichts nach Absatz 1 als ordentliches Unterrichtsfach vertritt. Der Beirat stellt fest, ob der Religionsunterricht den Grundsätzen im Sinne des Artikels 7 Absatz 3 Satz  2 Grundgesetz entspricht. Er ist an der Erstellung der Unterrichtsvorgaben, der Auswahl der Lehrpläne und Lehrbücher und der Bevollmächtigung von Lehrerinnen und Lehrern zu beteili­ gen. Eine ablehnende Entscheidung ist nur aus religiösen Gründen zulässig, die dem Ministerium schriftlich darzulegen sind. Dieses sogenannte Beiratsmodell stellt im Bereich der Neuentwicklungen die gegenwärtig ambitionierteste Alternative zum Hamburger Weg dar, da sie die Unterscheidung der Religionen in unterschiedliche Unterrichte mit der Qualitätssicherung des im christlichen Religionsunterricht erreichten Standards verbinden will. Auch hierzu ist vielfältige religionsverfassungsrechtliche Kritik anzutreffen, die vor allem auf die staatliche Organisation der Repräsentativität des Islam abzielt. Dazu näher Waldhoff, Gutachten 68. DJT, 2010, D 94 ff.

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§  7 HmbSchulG: (1) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach. Er wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemein­ schaften im Geiste der Achtung und Toleranz gegenüber anderen Bekenntnissen und Weltanschauungen erteilt. (2) …

Erkennbar ist, dass die Vorgaben des Grundgesetzes im Landesrecht sowohl in Hinblick auf die Öffnung für nicht-amtskirchliche Religionsgemeinschaften wie auf eine ausdrückliche Förderung bekenntnisverschiedenen Religionsunterrichts durchaus unterschiedliche Standards vorsehen. Maßgeblich für die grundsätzliche Rechtmäßigkeit bzw. die Handhabung dieser einfachgesetzlichen Regelungen ist der Gehalt der verfassungsrechtlichen Vorgaben. b) Verfassungsrechtliche Einzelaspekte Im Einzelnen ist der Religionsunterricht nach Maßgabe des Art.  7 Abs.  3 GG durch folgende Aspekte gekennzeichnet, die vor allem durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1987 in seiner Leitentscheidung im 74.  Band entfaltet und zusammengefasst wurden:18 – Der Religionsunterricht ist gemeinsame Angelegenheit von Staat und Religionsgemeinschaften, weil er nur durch Kooperation und Rücksichtnahme beider Seiten eingerichtet und durchgeführt werden kann. Dabei können 18  Klassische Darstellungen etwa bei Anschütz, Kommentar WRV, 1933, Art.  149, S.  688 ff.; Link, Religionsunterricht, in: HStKR, §  54, S.  439 ff. Für die Grundlagen Hollerbach, Freiheit kirchlichen Wirkens, HStR, §  140, 2.  Aufl. 2001, Rn.  42 f.; Heckel, Rechtsstatus des Religionsunterrichts, S.  1 ff. Aktuelle Übersicht bei Wiß­ mann, Art.  7 (2015), Rn. III-131 ff.

44 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg und müssen die jeweiligen Zuständigkeiten allerdings klar unterschieden werden.19 – Als ordentliches Lehrfach hat der Religionsunterricht die gleiche Stellung wie die anderen Unterrichtsfächer. Seine Noten sind grds. versetzungsrelevant, in ihm können alle Prüfungen abgelegt werden. Er darf auch schulorganisatorisch grds. nicht schlechtergestellt werden als andere Fächer. Als ordentliches Unterrichtsfach muss er in Gehalt und Durchführung den Standards des Schulunterrichts entsprechen; er ist also (wie jedes Fach) notwendig auf Wissensvermittlung, Kritikfähigkeit und die Entfaltung einer eigenen, personalen Position ausgelegt.20 – Der Staat ist „Unternehmer“ des Religionsunterrichts. Ihn trifft daher die Kostenlast sowie die Verpflichtung, die Ausbildung der Lehrkräfte und ihre Anstellung zu besorgen; er kann dabei allerdings auch auf Lehrkräfte im Dienst der Religionsgemeinschaften (oder auch für die Aufgabe bestellte Pfarrer) zurückgreifen.21 – Die Einrichtung des Religionsunterrichts schuldet der Staat aber erst und nur, wenn voraussichtlich auf Dauer eine ausreichende Zahl von Schülerinnen und Schülern in einer Schule vorhanden ist. Dabei kommt im Rahmen des Kooperationsgebots allerdings etwa auch klassen- und jahrgangsübergreifender Unterricht in Betracht.22 – Der Religionsunterricht wird (vom Staat) in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der beteiligten Religions­ 19   BVerfGE 74, 244 (251) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987). 20   BVerfGE 74, 244 (253) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987). 21   Vgl. z. B. Art.  46 Abs.  3 BayEUG. 22   Siehe bereits oben z. B. §  124 Abs.  1 S.  2 SchulGNds.

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gemeinschaften erteilt. Als Religionsgemeinschaft gilt – auch für den Bereich des Religionsunterrichts – ein Verband, der die Angehörigen ein und desselben Glaubensbekenntnisses oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben zusammenfasst.23 Das gilt nicht erst, wenn alle Bekenntnisangehörigen Teil des Verbands sind; eine bestimmte Organisationsform, etwa die der Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist nicht erforderlich. Die Vorschrift ist religionsneutral. Damit ist die Zahl der möglichen Kooperationspartner des Staates nicht endlich vorherbestimmt, sondern richtet sich nach den tatsächlichen religionssoziologischen Gegebenheiten. – Der Religionsunterricht richtet sich an die Angehörigen derjenigen Religionsgemeinschaft, deren Grundsätze die Grundlage des Unterrichts bilden. Andere Teilnehmer können zugelassen werden, wenn und soweit sich die entsprechende Religionsgemeinschaft damit einverstanden erklärt.24 – Teilweise umstritten ist die Frage, ob es neben der Gewährleistung des Religionsunterrichts als institutioneller Garantie auch einen individuellen Anspruch auf Religi­ onsunterricht gibt. Unproblematisch ist dies soweit gegeben, wie der säumige Staat nicht nur durch die Religionsgemeinschaften, sondern auch durch ihre jeweiligen Angehörigen zur Durchführung verpflichtet werden soll.   BVerwGE 123, 49 – Islamischer Religionsunterricht (2005).   Dieser früher unter dem Stichwort der konfessionellen Homogenität angesprochene Punkt ist heute nicht mehr umstritten, vgl. Mückl, Freiheit kirchlichen Wirkens, HStR, §  161, 3. Auf. 2009, Rn.  31. 23 24

46 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg Soweit sich der Anspruch gegen die Religionsgemeinschaften und ihren notwendigen Beitrag zur Durchführung richten sollte, wird man ihn verneinen müssen.25 c) Insbesondere: Unterricht nach den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften Den besonderen materiellen Kern des Religionsunterrichts macht aus, dass er „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ erteilt wird, Art.  7 Abs.  3 S.  2 GG. Damit ist das sonst übliche staatlich-demokratische Bestimmungsrecht über das Geschehen in der Schule an zentraler Stelle suspendiert: Religiöse Überzeugung ist hier nicht erst eine mögliche Kontrollund Begrenzungsgröße für das staatliche Schulmandat, sondern tritt als Primärgröße an dessen Stelle; der Staat wird in materieller Hinsicht erst sekundär tätig, indem er durch sein in Art.  7 Abs.  3 GG nochmal eigens genanntes „Aufsichtsrecht“ die Einpassung des Religionsunterrichts in das Gesamtgeschehen der Schule verantwortet. Im Einzelnen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgende Aspekte zu unterscheiden: – Den jeweils beteiligten Religionsgemeinschaften kommt ein Bestimmungsrecht über die Unterrichtsinhalte wie über die Zulassung der Lehrkräfte zu. Hier wird die Eigenart des Religionsunterrichts materiell verortet: Das Übereinstimmungsgebot bezieht sich nach der Formel des Bundesverfassungsgerichts im ausdrücklichen Anschluss 25  Zu den Grundrechtskonstellationen umfassend Hildebrandt, Grundrecht auf Religionsunterricht, 2000, S.  103 ff., 164 ff.; Classen, Religionsrecht, 2.  Aufl. 2015, Rn.  469 ff.; Wißmann, Art.  7 (2015), Rn. III/135, 137 m. w. N.

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an G. Anschütz auf die konfessionelle Positivität und Gebundenheit des Unterrichts.26 Als Gegenstand wird unter Zitierung der herrschenden Lehre „der Bekenntnisinhalt, nämlich die Glaubenssätze der jeweiligen Religionsge­ meinschaft“ festgelegt, Aufgabe des Unterrichts sei es, „(d)iese als bestehende Wahrheiten zu vermitteln“.27 – Diese positive Bestimmung wird mit folgender Abgrenzung verbunden: Der Religionsunterricht im Sinn des Art.  7 Abs.  3 GG ist „keine überkonfessionelle verglei­ chende Betrachtung religiöser Lehren, nicht bloße Moral­ lehre, Sittenunterricht, historisierende und relativierende Religionskunde, Religions- oder Bibelgeschichte“.28 – Die Verantwortung für die Umsetzung dieses Auftrags liegt primär bei den „Kirchen“, 29 denen dabei Entwicklungs- und Gestaltungsspielräume zukommen. Die Grenze ist nach der Rechtsprechung durch den Verfassungsbegriff des Religionsunterrichts gezogen. Er sei nicht in jeder Hinsicht festgelegt, sondern wie die gesamte Verfassung offen für die Lösung von zeitbezogenen und damit wandelbaren Problemen. Eine Veränderung der be26   BVerfGE 74, 244 (252) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987). Zur gleichen Formulierung in Bezug auf die Weimarer Verfassungslage Anschütz, Kommentar WRV, 1933, Art.  149, Anm.  4. 27   BVerfGE 74, 244 (252) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987). Ebenso dann noch einmal S.  253: „Seine Ausrichtung an den Glaubenssätzen der jeweiligen Konfession ist der unveränderliche Rahmen, den die Verfassung vorgibt“. 28   BVerfGE 74, 244 (252) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987). Ähnlich S.  253: „Gestaltung des Unterrichts als allgemeine Konfessionskunde (wäre) vom Begriff des Religionsunterrichts nicht mehr gedeckt.“ 29   So BVerfGE 74, 244 (252) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987).

48 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg sonderen Prägung des Unterrichts sei aber verboten. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus, dass deshalb eine „allgemeine Konfessionskunde“ nicht mehr von Art.  7 Abs.  3 GG gedeckt sei, andererseits sei es nicht geboten, dass der Unterricht „ausschließlich der Verkündigung und Glaubensunterweisung“ diene.30 Es ginge „auch“ um Wissensvermittlung, vergleichende Hinweise und die Gelegenheit, grundsätzliche Lebensfragen zu erörtern.31 Zusammengefasst: „Seine Ausrichtung an den Glaubenssätzen der jeweiligen Konfession ist der unverän­ derliche Rahmen, den die Verfassung vorgibt.“ 32 2. Organisatorische Umsetzung: Konfessionell getrennter Religionsunterricht als Standardmodell a) Grundansatz Eine erste Grundfrage, die sich aus den bisher genannten Aspekten ergibt, ist die Frage der äußeren Organisation, genauer: die Zuordnung und Beschränkung eines Religionsunterrichts auf jeweils eine Religionsgemeinschaft. Nach herrschender Auffassung ist – ausgehend von der Formel der „konfessionellen Positivität und Gebundenheit“ – grundsätzlich jeweils eine Kirche oder Religionsgemeinschaft der Kooperationspartner des Staates für einen bestimmten konfessionellen Religionsunterricht.33 30   BVerfGE 74, 244 (253) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987). 31   BVerfGE 74, 244 (253) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987). 32   BVerfGE 74, 244 (253) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987). 33   Zu entnehmen aus BVerfGE 74, 244 (252) – Teilnahme an kon-

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Für diese Auffassung spricht, dass mit ihr formale und materielle Aspekte der Regelung des Art.  7 Abs.  3 GG verbunden und (theoretisch) vollständig erfüllt werden: Eine Religionsgemeinschaft steht für ihren Bekenntnisinhalt ein, die äußere Zuordnung der Bekenntnisangehörigen und die inhaltliche Festlegung der einschlägigen Glaubenssätze können von den maßgeblichen Autoritäten zweifelsfrei festgelegt und gegenüber dem Staat kommuniziert werden. Insbesondere durch die Zulassung der Lehrkräfte wird die Rückbindung an die konfessionelle Positivität nicht nur abstrakt, sondern auch konkret-personal gesichert. Dieses Modell lässt sich dabei durchaus liberal auffassen und durchführen: Sowohl die großzügige Zulassung von Schülerinnen und Schülern ohne Bekenntnisbindung als auch die Einbeziehung fremder Glaubenslehren zur Erweiterung des Wissens von der Welt wie die religionspädagogische Orientierung des Unterrichtsgangs von den Schülern her (statt von „Verkündigung und Glaubensunterweisung“) kann darin stattfinden. Näher ausgearbeitete Anforderungen an die Prozedu­ ren der Umsetzung, auf die die zweite Gutachtenfrage zielt, fehlen in der Rechtsprechung und der verfassungsrechtlichen Literatur. Dem entspricht, dass sich in der Praxis auch unterschiedliche Modelle auffinden lassen: Denkbar ist sowohl, dass Unterrichtsinhalte zunächst amtskirchlich festgelegt werden, darauf eine religionsdidaktische Bearbeitung innerhalb der kirchlichen Sphäre erfolgt und schließlich eine Abstimmung mit staatlichen Anforderungen an Fachlichkeit und Wissenschaftlichkeit fessionsfremdem Religionsunterricht (1987), wo von der „jeweiligen Religionsgemeinschaft“ gesprochen wird.

50 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg des Unterrichts stattfindet, als auch – am anderen Ende der Skala – eine gemeinsame, primär didaktische Erarbeitung durch Vertreter der Religionslehre und der staatlichen Schulämter, die im Nachgang (auch durch Schweigen) amtskirchlich akzeptiert wird. Anzutreffen ist in der Praxis schließlich wohl auch die Erarbeitung durch staatliche Stellen, die nur noch nachlaufend den Religionsgemeinschaften zur einvernehmlichen Kenntnis gegeben wird.34 Auch die Frage der Anmeldung und Abmeldung wird unterschiedlich gehandhabt, ebenso die Frage der Zulassung und weiterbestehenden religionsgemeinschaft­ lichen Rückbindung von Lehrkräften.35 Dass eine solche Vielfalt entstehen konnte und sich jedenfalls für die christlichen Unterrichtsformen weitgehend unbestritten im Anwendungsbereich des Art.   7 Abs.  3 GG hält, ist aus zwei Gründen erklärlich: Zum einen hat auch das Bundesverfassungsgericht wie gezeigt die Wandelbarkeit des Religionsunterrichts ausdrücklich anerkannt, was durch die föderale Vielfalt und die Vielfalt der Kooperationspartner und die durchaus unterschiedliche religionssoziologische Entwicklung naheliegenderweise zu unterschiedlichen Ausgestaltungen in der Zeit geführt hat. Zum anderen wird in den geschilderten konventionellen Modellen die vom Bundesverfassungsgericht gezogene inhaltliche Grenze („keine allgemeine Konfessionskunde“) letztlich organisatorisch rekonstruiert: Indem eine Religionsgemeinschaft Ansprechpartner ist, kann die Rückbindung des Unterrichts an ihre Glaubenssätze un­ 34   Vgl. zur Entwicklung seit der Weimarer Zeit Hildebrandt, Das Grundrecht auf Religionsunterricht, 2000, S.  66 ff. 35   Knappe Übersicht bei Richter, Schulische Bildung, in: HevKR, §  20, Rn.  8 ff., 18 ff.; Classen, Religionsrecht, 2.  Aufl. 2015, Rn.  488 ff., 495; Wißmann, Art.  7 (2015), Rn. III-154.

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terstellt werden; erst der offensichtliche Verzicht auf die Ausrichtung an die Glaubenssätze der jeweiligen Konfession würde dann den Rahmen verlassen, den Art.  7 Abs.  3 GG zieht. Ob diese inhaltliche Untergrenze verletzt wurde, ist der Gegenstand der Diskussion in Bezug auf den bisherigen RUfa (1.0), der sich „nur noch“ in Hinblick auf die organisatorische Dimension als konventionelles Modell darstellt, das dem Staat die Zuordnung des Unterrichts zu einer Religionsgemeinschaft erlaubt.36 b) Abgrenzungen und Zweifelsfragen aa) Unzulässigkeit einer prinzipiellen Äquidistanz zu allen Religionen und Unzulässigkeit eigenständiger „Grundsätze des Religionsunterrichts“ Relativ klar lässt sich nach dem Gesagten negativ formulieren, welche Form von Inhalt und Organisation mit den Vorgaben des Art.  7 Abs.  3 GG nicht vereinbar ist: Eine prinzipielle Äquidistanz zu allen Religionen (und Weltanschauungen) lässt sich mit dem Anspruch der Ausrichtung auf konfessionelle Glaubenssätze nicht vereinbaren. Ein solches inhaltliches Fundament kann schon theoretisch nicht mit allen in Betracht kommenden Religionsgemeinschaften abgestimmt werden, da die vollständige religiöse Zusammensetzung von Schulpopulationen nicht vorhersehbar ist. Daher kann ein solcher Unterricht typischerweise nur durch eine vollständige staatliche Letztverantwortung organisiert werden, es handelt sich dann außerhalb des Art.   7 Abs.   3 GG um Religionskunde, Ethik- oder Philosophieunterricht. Auch das Fach „LER“ 36   Siehe oben in Reaktion auf die Begründung bei Link, ZevKR 46 (2001), S.  257 ff., die Angaben bei Fn.  84.

52 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg ist dieser Gruppe zuzuschlagen. Dass die Religionsgemeinschaften hier bestenfalls partikulare Zulieferer für einen staatlichen Unterricht sind, erschließt sich auch daraus, dass sie typischerweise kein Bestimmungsrecht für den Einsatz der entsprechenden Fachlehrer haben. bb) Praxis: (Notwendige) Unschärfen Festgehalten werden muss, dass die idealtypische Organisation des Religionsunterrichts in der deutschen Rechtspraxis nur für einen bestimmten kleinen Ausschnitt an­ getroffen werden kann, konkret vor allem für die Angehörigen der römisch-katholischen Kirche, die durch die Bistümer vertreten werden und einer einheitlichen kirchlichen Leitungsgewalt unterliegen. Seit jeher hat die Praxis außerhalb dieses Bereichs bestimmte Unschärfen in Kauf genommen, so dass die „konfessionelle Positivität“ regelmäßig nur vergröbernd bejaht werden kann. Dafür können als relevante Beispiele gelten: – Der evangelische Religionsunterricht wird traditionell gemeinevangelisch verstanden, auch dort, wo er ersichtlich von mehreren Religionsgemeinschaften (Landeskirchen) verantwortet wird. Dies gilt nicht nur für eine organisatorische Aufteilung, etwa in Flächenbundesländern: Bis heute sind (inzwischen weithin außerhalb des allgemeinen Bewusstseins bis in Kirchenleitungen hinein) z. T. deutliche Bekenntnisunterschiede zwischen lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen bzw. bei Verwaltungsunionen auch zwischen einzelnen Gemeinden festzustellen; dies gilt explizit etwa für die Abendmahlsfrage.37 Vor der Leuenberger Konkordie 1973 war dadurch   Vgl. zur Bedeutung des Bekenntnisses für die Organisation der

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sogar die Abendmahlsgemeinschaft nicht gegeben.38 Das hat freilich die beteiligten evangelischen Kirchen ebenso wie die entsprechenden staatlichen Stellen nicht gehindert, für alle evangelischen Kinder gemeinsamen Religionsunterricht durchzuführen.39 – Überwiegend wird ein kooperativer gemeinchristlicher Religionsunterricht für möglich gehalten. Auch hier gilt, dass von einer „konfessionellen Positivität“ schwerlich gesprochen werden kann. Es besteht nach katholischem Verständnis keine Abendmahlsgemeinschaft, tiefgreifende Unterscheide liegen auch hinsichtlich des Amtsverständnisses vor. Dennoch wird ein solcher Unterricht vielfach für zulässig gehalten und auch praktisch ins Werk gesetzt.40 – Auch die Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichts folgt nicht dem Konzept einer Unterscheidung von „Konfessionen“. Schiiten und Sunniten, die als getrennte Gruppen im Islam klar erkennbar sind, sollen gerade ge-

evangelischen Kirchen Muckel/de Wall, Kirchenrecht, 5.  Aufl. 2017, §  24, insb. Rn.  20 ff. 38   Link, Kirchliche Rechtsgeschichte, 3.  Aufl. 2017, §  30, Rn.  3. 39   Diese Großzügigkeit wird staatlicherseits auch religionsübergreifend angesetzt: Mennonitische Kinder werden in NRW in einem eigenen Religionsunterricht nach dem Lehrplan unterrichtet, der für die evangelischen Kinder erarbeitet wurde – und zwar zunächst ohne Rücksprache mit den evangelischen Landeskirchen. Umgekehrt werden von den evangelischen Landeskirchen auch Mitglieder von Freikirchen als Lehrkräfte im Religionsunterricht eingesetzt, vgl. dazu Richter, Schulische Bildung, in: HevKR, §  20, Rn.  10. 40   Zur einschlägigen Lage in Baden-Württemberg näher Mückl, FS Steiner, S.  543 (554 ff.).

54 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg meinsam unterrichtet werden; allein für die Aleviten wird ein gesonderter Unterricht für denkbar gehalten.41 Bei einer realitätsbezogenen Betrachtung lässt sich also feststellen, dass die Praxis von einem Mixtum formeller und inhaltlicher Vorgaben geprägt ist, die hinsichtlich beider genannter Parameter mit graduellen Abgrenzungen arbeitet. 3. Zusammenfassung und erstes Zwischenergebnis Wendet man die bisher gewonnenen Einsichten auf die Gutachtenfrage an, welche Kriterien für einen religionsverfassungsrechtlich zulässigen Religionsunterricht im Sinn des Art.  7 Abs.  3 GG anzuwenden sind, lassen sich folgende Feststellungen treffen: a) Parameter des Religionsunterrichts nach Art.  7 Abs.  3 GG als Kombinationslösung Entscheidend für das Modell des Religionsunterrichts nach Art.  7 Abs.  3 GG ist nach der bisherigen Anschauung eine Kombinationslösung aus zwei Parametern: Inhaltlich wird eine Ausrichtung auf Grundsätze der beteiligten Religionsgemeinschaft verlangt, die sich als (auf diese Religionsgemeinschaft bezogene) Glaubenswahrheiten verstehen lassen. Organisatorisch wird (mangels staatlicher Einsicht in die Glaubenswahrheit) die Zuordung des Unterrichts zu derjenigen Religionsgemeinschaft verlangt, die gerade diese „Grundsätze“ zu den ihren erklärt. 41  Umfassend zuletzt Oebbecke, Essener Gespräche 49 (2016), S.  153 (insb. S.  162 ff.).

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Im Einzelnen kann näher unterschieden werden: Der Religionsunterricht nach Art.   7 Abs.   3 GG ist durch seine Ausrichtung auf Glaubenssätze gekennzeichnet, die als bestehende Wahrheit zu vermitteln sind. Diese Kernformel hat das Bundesverfassungsgericht als maßgebliche Autorität dem Verfassungsbegriff Religionsunterricht beigegeben; hierzu gibt es praktisch keine ernstzunehmende Kritik. Damit ist ausgeschlossen, dass als „Grundsätze“ der Religionsgemeinschaften etwa die Bejahung des friedlichen religiösen Miteinanders oder der interreligiösen Begegnung ausreichen. Für diese Vorgabe lässt sich verfassungsdogmatisch vor allem anführen, dass es sich bei den Inhalten des Religionsunterrichts um eine Enklave im demokratischen ver­ antworteten Schulmandat des Staates handelt. Eine solche Ausnahme ist eben nicht gerechtfertigt wegen allgemeiner Mitbestimmungsansprüche gesellschaftlicher Großmächte, wie sie die Religionsgemeinschaften neben anderen darstellen, und erst recht nicht wegen einer (religions-) pädagogischen Eigenposition, die sonst selbstredend auch für jedes andere Fach angeführt werden könnte. Erst und nur der die ganze Person ergreifende Wahrheitsanspruch der Religion, der durch die Religionsgemeinschaften ver­ antwortet wird, rechtfertigt im religiös neutralen Staat, dass dieser Platz in der Schule von der Religion selbst aus­ gefüllt wird. Die wegen eines solchen umfassenden Anspruchs notwendige Kontrolle und Einhegung wird durch das staatliche Aufsichtsrecht sichergestellt, also als passive Gegengröße. Will man von der grundständigen Ausrichtung auf Glaubenswahrheit absehen (wie es religionskundlichen Modellen zueigen ist), verlässt man schon aus diesem Grund den Bereich des Art.  7 Abs.  3 GG.

56 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg Im Vergleich zu dieser klaren materiellen Grundverortung stellen sich die organisatorischen Fragen bei näherer Analyse entgegen verbreiteter Vorannahmen nicht als monolithischer Block dar. Die einfache Ausgangsformel (eine Religionsgemeinschaft als Partner für einen Religionsunterricht) wird in einem strikten Sinn auch im konventionellen Modell ganz regelmäßig nicht erfüllt, sondern ist erst als Ergebnis wertender Betrachtung zu bejahen. So kommen für den Staat durchaus mehrere Religionsgemeinschaften mit belegbaren konfessionellen Unterschieden als Partner für einen Religionsunterricht in Frage, wie sich insbesondere an den evangelischen Landeskirchen unterschiedlichen Bekenntnisses in den Flächenstaaten zeigen lässt.42 Auch auf der Ausführungsebene steht den Kooperationspartnern eine Vielzahl von Modellen zur Verfügung, wenn es um die konkrete Auswahl von Unterrichtsstoffen geht, die Perspektive in der Vermittlung von Glaubenssätzen und die Offenheit für Inhalte, die außerhalb der Glaubenssätze liegen. Ein entscheidender Differenzierungspunkt dürfte in der Schulpraxis etwa in der Beauftragung der Lehrpersonen liegen: In Bundesländern, in denen Geistliche mit der Durchführung des Religionsunterrichts beauftragt sind (z. B. in Bayern) liegt die stärkere Grundorientierung an amtskirchlichen Lehrvorstellungen deutlich näher als in den Bundesländern, wo der Religionsunterricht vom Klassenlehrer erteilt wird, der naheliegenderweise zunächst auch in diesem Unterrichtsfach 42   Neben Niedersachsen ist hier etwa auf Nordrhein-Westfalen hinzuweisen; zur dortigen „Zwischenkirchlichen Schul- und Bildungskonferenz“ Richter, Schulische Bildung, in: HevKR, §  20, Rn.  33.

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von der ständigen Gesamtklassenzusammensetzung ausgeht und das Fach ggfs. vor allem zur Aufarbeitung der „grundsätzlichen Lebensfragen“43 nutzt. Festzustellen ist aber auch, dass diese tatsächlichen Veränderungen und Spielarten sich in einem bestimmten Rahmen bewegen, der durch zwei Komponenten gekennzeichnet ist: Zum einen sind für den Staat seine Kooperationspartner klar erkennbar, denen er die Verantwortung für die Übereinstimmung der Unterrichtsinhalte mit ihren Grundsätzen zuordnen kann. Das bedeutet, dass konkrete Religionsgemeinschaften die Verantwortung dafür übernehmen, dass der Unterricht bei einer Gesamtanschauung mit ihren Grundsätzen, also ihren Glaubenssätzen, übereinstimmt. Dabei ist zum anderen – letztlich als eine Art Plausibilitätskriterium – vorausgesetzt, dass auch bei mehreren Beteiligten (wie etwa unterschiedlichen evangelischen Kirchen oder erst recht im Fall eines kooperativen christlichen Unterrichts) trotzdem eine signifikante Übereinstimmung in den Glaubenssätzen besteht; dies zu beurteilen ist zunächst Sache der Religionsgemeinschaften, dabei kann und muss gegebenenfalls auch eine gewisse Reduktion auf Gemeinsamkeiten (statt einer zwingenden Betonung von Unterschieden) hingenommen werden. Eine offenliegende Unterscheidung der Religionen nach ihrem eigenen Verständnis bindet umgekehrt allerdings auch die Beteiligten für den Religionsunterricht.44 43   BVerfGE 74, 244 (253) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987). 44   Es bleibt bei einer Unterscheidbarkeit, bei der die Gemeinsamkeit der Beteiligten jedenfalls so groß ist, dass sie sich in der Abgrenzung zu anderen Glaubenssätzen und Religionsgemeinschaften

58 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg Wegen der Zuordnung und Verantwortungsübernahme für den Unterricht gerade aus der Glaubensorientierung ist notwendig, dass die Glaubenssätze, die für den Unterricht zugrundegelegt werden, nicht unterschieden werden können von denen, die das praktische und theologische Leben der Religionsgemeinschaften prägen. Daher wären eigenständige religionspädagogische Glaubenssätze unzu­ lässig, die sich von denen der dahinterstehenden Religionsgemeinschaften unterscheiden. Ausgeschlossen ist damit eine Formel, dass alle gläubigen Menschen an irgendeine Art von Gott glauben und dies als Unterscheidung von der anderen Hälfte der Bevölkerung hinreicht. Linear abgeleitet folgt daraus als Kriterienkatalog: Notwendig ist die mindestens graduelle Erfüllung beider genannten Parameter von Glaubenswahrheit und Verantwortungsklarheit. Bei überwiegend gleichem Bekenntnisstand ist eine Kooperation zwischen Religionsgemeinschaften, die sich zu dieser Bekenntnisübereinstimmung auch formell bekennen, ohne weiteres möglich. Umgefeststellen lässt: Die evangelischen Konfessionen stehen in Kirchengemeinschaft zueinander, so dass die Lehrstreitigkeiten über das Abendmahl zurücktreten können; in einem ökumenischen Unterricht ließe sich gleiches in Bezug auf die Anerkennung des dreieinigen Gottes feststellen, vor der die Unterschiede im Amtsverständnis zurücktreten; ähnlich ließe sich auch für den gemeinsamen islamischen Unterricht bejahen. Entscheidend ist dabei, dass die für den Religionsunterricht positiv bejahten Glaubenssätze in der Summe das Grundwesensmerkmal des eigenen Glaubens erfassen. Ob das etwa für die christliche Ökumene gilt, liegt noch im Gestaltungsspielraum der beteiligten Kirchen, den der Staat hinzunehmen hat. Davon zu trennen ist die Frage der Öffnung des Unterrichts für andere Schülerinnen und Schüler, die aus Sicht des Staates grundsätzlich nicht an Bedingungen oder Begrenzungen geknüpft werden muss; er hat aber (selbstverständlich) entsprechende Vorgaben der unterrichtsverantwortlichen Religionsgemeinschaften zu beachten.

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kehrt ist bei einer erkennbaren Verschiedenheit in Bezug auf zentrale Glaubensaussagen eine Kooperation von Religionsgemeinschaften schon aus diesem Grund ausgeschlossen. b) RUfa 1.0 und 2.0 Wenn man vor diesem Hintergrund auf den Hamburger RUfa schaut, lässt sich folgendes ableiten: Im früheren Hamburger Weg (RUfa 1.0) musste die formale Verantwortungsübernahme durch die evangelische Kirche kompensieren, dass inhaltlich gerade das Nebeneinander der religiösen Anschauungen zur Grundlage des Unterrichts gemacht worden war. Bei großzügigster Betrachtung konnte dann vertreten werden, dass die Öffnung für andere Religionen in evangelischer Perspektive als weit geöffnete Türen der Gastfreundschaft verstanden werden konnte. Die letzte Bindung der Unterrichtsinhalte an eine evangelische Bekenntnisperspektive war dabei ein ersichtlich prekäres Element.45 Man muss sich insoweit vergegenwärtigen, dass das Hamburger Modell 1.0 stets von zwei Seiten in der Kritik stand: Einerseits durch den Maßstab des konventionellen Modells des Religionsverfassungsrechts, andererseits durch eine pädagogische und stadtpolitische Debatte, die die Letztverantwortung der Kirche mit ihren theoretischen Eingriffsrechten als Übergriff empfand und den Schritt zur Religionskunde verlangte.46 Damit drohte in 45   Insofern konsequent war es, die Stärkung dieser Perspektive anzumahnen, vgl. Link, ZevKR 46 (2001), S.  257 (271 f.). 46  Von dieser letztgenannten Perspektive geben die damaligen Gutachtenfragen an Ch. Link Zeugnis, die deutlich stärker als ge-

60 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg der Praxis beständig eine Form gutgemeinter Doppelbö­ digkeit: Nach außen – bei Anfragen des Religionsverfassungsrechts – wurde die formale Verantwortung der evangelischen Kirche betont, nach innen hingegen die praktische Gleichbehandlung aller Religionen (mit der notwendigen Folge eines Verzichts auf vorrangige Glaubenswahrheit) praktiziert. Es ist nachvollziehbar und begrüßenswert, dass dieser Zustand im Sinn größerer Klarheit überwunden werden soll. Das Konzept eines trägerpluralen RUfa 2.0 gibt allerdings die Möglichkeit der formalen Rechtfertigung – also die Übernahme der Verantwortung für die Unterrichtsinhalte durch die evangelische Kirche – von vornherein auf. Da er andererseits (und konsequenterweise) auch inhaltlich nicht gemeinsame Glaubenssätze als maßgeblich zugrundelegt (wie dies bei Kooperationslösungen geschieht, zu denen sich etwa in Flächenstaaten mehrere Landeskirchen zusammenfinden), sind beide Pfade versperrt, auf denen in konventioneller Anschauung das Kriterium des Religionsunterrichts in „konfessioneller Positivität und Gebundenheit“ erfüllt werden kann. Unter linearer Anwendung der bisher vorzufindenden Kriterien ist damit ein religionsübergreifender, trägerpluraler Religionsunterricht im Bereich des Art.  7 Abs.  3 GG nicht möglich.

genwärtig vom Unverständnis für die Vorgaben des Art.  7 Abs.  3 GG geprägt waren.

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III. Zweiter Durchgang: RUfa 2.0 als bewusste Weiterentwicklung des geltenden Religionsverfassungsrechts 1. Ausgangsüberlegungen Das vorgenannte Ergebnis markiert eine Scheidelinie, die allen Beteiligten der Entwicklung in Hamburg zunächst deutlich vor Augen stehen muss: Das Modell eines RUfa 2.0 bewegt sich außerhalb der Anwendungsvorgaben, die in siebzig Jahren Verfassungsentwicklung unter dem Grundgesetz durch Praxis und Rechtswissenschaft formuliert und angewandt worden sind. Die weiteren Überlegungen stehen daher unter dem Vorbehalt, dass sie die bewusste Entscheidung für eine Weiterentwicklung benötigen, die in der Deutung und Umsetzung des geltenden Verfassungsrechts einen neuen Pfad wählt. Dafür sind bestimmte Vorüberlegungen notwendig: a) Rechtsgestaltung und Verfassungsrechtsprechung Zunächst ist zu fragen, in welcher Weise das bisher erzielte verfassungsrechtliche Ergebnis bereits eine Sperrwirkung für eine Weiterentwicklung entfaltet, ob sich die handelnden Akteure also notwendigerweise in den Bereich der Verfassungswidrigkeit begeben. Wichtig ist insoweit, sich der Rolle zu vergewissern, die der Rechtsgestaltung im Verfassungsstaat überhaupt zukommt. Dabei wird im folgenden davon ausgegangen, dass das geltende Verfassungsrecht, insbesondere der Art.  7 Abs.  3 GG, unverändert den Ordnungsrahmen für die zukünftige Gestaltung des Religionsunterrichts bildet, es also nicht um eine (ansonsten in Deutschland oft ja leichthändig zu ha-

62 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg bende) Verfassungsänderung geht. Auf Sicht steht dies für das Religionsverfassungsrecht nicht an, und eine Änderung der Verfassung würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nicht zu einer nochmals verbesserten Rechtsstellung der Religion und größeren Handlungsmöglichkeiten der Religionsgemeinschaften führen. Daher sollte schon aus Klugheitsgründen davon ausgegangen werden, dass das 1949 vom Verfassungsgeber gesetzte Recht des Art.  7 Abs.  3 GG von der Gesetzgebung, von der Verfassungspraxis und der Verfassungsrechtswissenschaft und ggfs. von den zuständigen Verfassungsgerichten zu beachten ist. Allerdings ist Rechtsgestaltung nicht mit „Anwendung der Verfassung“ und schon gar nicht mit „Anwendung von Verfassungsgerichtsrechtsprechung“ zu verwechseln. Das Grundgesetz erfüllt für das Rechtsleben unterschiedliche Funktionen: Es zieht Grenzen, z. T. als eindeutige Verbote, z.  T. als allgemeine Orientierung, es erteilt Handlungsaufträge, es bestimmt die Rolle der Beteiligten. In aller Regel setzt es aber voraus, dass in demokratischen und rechtsstaatlichen Verfahren eigene, zeitbezogene (und damit auch änderbare) Anteile an konkreten Entscheidungen eingetragen werden, durch den Gesetzgeber ebenso wie durch die Anwendung des einfachen Rechts. Rechtsgestaltung und spätere Kontrolle sind daher zu un­ terscheiden, die Rechtsgestaltung hat ein eigenes Recht; ihr Handlungsmaßstab ist nicht identisch mit dem einer ima­ giniert vorgezogenen Kontrolle. Sowohl die Rechtsgestaltung als auch die Rechtskontrolle stehen allerdings je für sich ebenfalls bereits unter der Vorgabe verfassungsmäßigen Handelns: Die Einhaltung der Verfassung ist eigener

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Auftrag auch für Gesetzgeber und staatliche Verwaltung, Art.  20 Abs.  3 GG.47 Für eine Rechtsgestaltung im Bereich des Art.  7 Abs.  3 GG kann festgehalten werden, dass es sich beim Recht des Religionsunterrichts verfassungsrechtlich um ein vergleichsweise unterbestimmtes Themenfeld handelt, da nur eine einzige Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorliegt, die auf eine bestimmte Problemkonstellation zugeschnitten war (nämlich Zugangsansprüche Dritter zu einem fremden Religionsunterricht). Konkret folgt daraus, dass das Bundesverfassungsgericht (selbstverständlich) zu der Einführung eines RUfa 2.0 noch keine Entscheidung vorgelegt hat; die Einführung des RUfa würde daher nicht etwa in rechtswidriger Weise ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts missachten (vgl. zur Bindungswirkung von Urteilen und Beschlüssen §  31 BVerfGG). Es geht vielmehr um eine Bindungswirkung zweiter Ordnung, nämlich um die Frage, ob eine bisher nicht beurteilte Neuregelung bei einer Überprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht angesichts dessen Vorgaben (in einem anders gelagerten Rechtsstreit) bestehen würde. Dies ist eine Prognose mit mehreren unsicheren Faktoren: Die Rechtsprechung beschränkt sich bisher auf einen einzigen, anderen Fall, und in dieser Leitentscheidung wird ausdrücklich die Wandelbarkeit des Gegenstands Religionsunterricht betont; auf der anderen Seite sind bestimmte Grundentscheidungen getroffen, die ausdrücklich als 47   Dem entspricht, dass die staatliche Seite für eine solche Weiterentwicklung auch ihre Verpflichtung zu einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung unter dem Aspekt der Wesentlichkeit prüfen muss.

64 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg änderungsresistent festgelegt werden. Wie dargelegt, führt eine lineare Ausdeutung dieser Vorgaben aus der Entscheidung von 1987 zu der Bewertung, dass eine neue Ansetzung des Religionsunterrichts, die Trägervielfalt und Inhaltsvielfalt kombiniert, wegen des prinzipiellen Abstands zu dem bisher zugrundegelegten Modell verfassungswidrig ist. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass ein solches Ergebnis am Ende einer eventuellen verfassungsgerichtlichen Überprüfung stehen würde. Es ist vielmehr jedenfalls unwahrscheinlich, dass das BVerfG gegebenenfalls eine schlichte „Anwendung“ seiner bisherigen Judikatur vornehmen würde. Eine solche Behauptung unterschätzt das komplexe Verhältnis zwischen vorgängiger Rechtsgestaltung und nachlaufender verfassungsgerichtlicher Kontrolle. Sowohl das freiheitsrechtliche Mandat der Religionsgemeinschaften als auch das demokratische Mandat der staatlichen Schulverwaltung sind Faktoren, die das Bundesverfassungsgericht beachten muss. Will sagen: Das Bundesverfassungsgericht prüft nicht, ob eine neue Lösung sich als korrekte Ausführung früherer Rechtsprechung reformulieren lässt, sondern ob sich eine neue Lösung im Rahmen des Verfassungsrechts hält, den zu deuten auch die Aufgabe etwa des Gesetzgebers oder allgemeiner der „Gemeinschaft der Verfassungsinterpreten“ (Peter Häberle) ist. Das ist für den konkreten Fall auch schon deshalb richtig, weil sich das Bundesverfassungsgericht nicht mit einer konkreten Ausgestaltung des Unterrichts befassen musste und diese Organisationsform ausgezeichnet hat, sondern (auf einer abstrakteren Ebene) die maßgeblichen Merkmale eines solchen Unterrichts vorgegeben wurden.

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Nimmt man diese institutionellen Fragen zusammen, ist ein rechtsgestaltender Neuansatz für den RUfa verfassungsrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen. Das ist nicht nur formal richtig, weil eine ablehnende Entscheidung des BVerfG zum RUfa nicht vorliegt, sondern – etwas anspruchsvoller – auch materiell richtig, da die Aufgabe der Rechtsgestaltung sich ganz prinzipiell über die Anwendung gewohnter Vorgaben hinaus erstreckt. Allerdings liegt – und hier setzt die Besonderheit der vorliegenden Konstellation ein – die Begründungslast für ei­ nen neuen Ansatz bei denjenigen Akteuren, die sich mit ihrer Regelung jenseits vorgefundener Pfade bewegen wollen: Erfüllt eine Neuregelung teleologisch „dennoch“ den Auftrag des konkret einschlägigen Verfassungsrechts? An welcher Stelle trennt sie sich von den bisher angewandten Vorgaben – und kann sie dafür eine hinreichende Kompensation zur Verfügung stellen? Wenn in einer solchen Weise sorgsam vorgegangen wird, kann eine Neuregelung mit gutem Gewissen als verfassungstreu betrachtet werden. b) Äußere Ansatzpunkte für eine verfassungskonforme Weiterentwicklung des Religionsunterrichts Als Ansatzpunkte für eine verfassungsgemäß gefasste Begründung für den RUfa 2.0 lassen sich folgende Argumente nennen: –  Das Bundesverfassungsgericht hat wie gesehen die Wei­ terentwicklung des Religionsunterrichts selbst ausdrücklich thematisiert und dafür als Beispiel den Wechsel von Glaubensunterweisung in die Richtung eines wissenschaftlich angeleiteten Schulfachs formuliert. Der Begriff

66 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg des Religionsunterrichts ist „nicht in jeder Hinsicht festge­ legt (…), sondern wie der übrige Inhalt der Verfassung ‚in die Zeit hinein offen‘ (…), um die Lösung von zeitbezoge­ nen und damit wandelbaren Pro­blemen zu gewährleis­ ten“.48 Verboten ist (nur) die Veränderung des Fachs „in seiner besonderen Prägung, also in seinem verfassungs­ rechtlich bestimmten Kern“.49 Es geht also nicht darum, die Übereinstimmung eines neuen Konzepts mit den bisherigen Modellen zu belegen, sondern die Zuordnung zum verfassungsrechtlichen Kern. – Die Veränderung der religionssoziologischen Lage ist nach der Rechtsprechung sogar als ausdrücklicher Auf­ trag zur Weiterentwicklung des Religionsunterrichts zu rekapitulieren: Denn als „zeitbezogenes Problem“ stellt sich jedenfalls dar, dass ein größer werdender Teil der religiös gebundenen Bevölkerung wegen der stark gewachsenen religiösen Aufgliederung einen konfessionell gebundenen Religionsunterricht klassisch-getrennter Art mangels hinreichender Schülerzahlen in der konkreten Schule nicht mehr erhalten kann. Um das Verfassungsinstitut Religionsunterricht zu erhalten, ist den beteiligten Akteuren daher in neuer Lage ggfs. auch ein größerer Spielraum einzuräumen. – Ein gewichtiges Argument ist die positive Grundan­ schauung der Verfassung auf den Religionsunterricht: Religionsunterricht nach Art.  7 Abs.  3 GG soll in den Schulen ermöglicht werden. Der Staat ist nicht nur passiver Beobachter eines gesellschaftlichen Geschehens, sondern 48   BVerfGE 74, 244 (252 f.) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987). 49   BVerfGE 74, 244 (253) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987).

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verpflichtet, das Verfassungsinstitut Religionsunterricht zu ermöglichen. Die Veränderung religionssoziologischer Umstände führt nicht einfach zu einer Erledigung der Gewährleistung wegen Nichteinhaltung älterer Ausführungsmodelle, dies wäre ein formalistisch-negatives Verfassungsverständnis. Die staatliche Gewährleistung eines überkommenen Modells darf nicht in eine Verhinderung kippen, wenn und soweit sich ein neues Modell als teleologisch zutreffende Weiterentwicklung des Verfassungsauftrags darstellt. –  Schließlich gibt der Text des Grundgesetzes eine Trennung von Religionsunterrichten verschiedener Konfessionen sicher nicht vor, eher im Gegenteil: Die Sprachfassung des Art.  7 Abs.  3 GG spricht vom „Religionsunterricht“ (Einzahl), der in Übereinstimmung mit den Grundsätzen „der Religionsgemeinschaften“ (Mehrzahl) erteilt wird. Das gilt umso schärfer, als ausgerechnet hier eine Abweichung von der Weimarer Reichsverfassung zu beobachten ist, die gerade die Engführung von Religionsunterricht und „jeweiliger Religionsgemeinschaft“ (jeweils in Einzahl) betonte. Um kein Missverständnis zu provozieren: Diese Beobachtung sollte nicht dahin verstanden werden, dass der gemeinsame Unterricht „eigentlich“ doch der Normalfall sei. Richtigerweise ging der historische Verfassungsgeber sicher vom konfessionell getrennten Religionsunterricht aus. Nur ist sprachlich der gemeinsame Unterricht eben jedenfalls auch nicht untersagt.

68 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg 2. Verfassungsrechtliche Grundlagen eines religionsübergreifend-trägerpluralen Religionsunterrichts für alle im Rahmen des Art.  7 Abs.  3 GG Damit erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass sich ein RUfa 2.0 als Neuansatz im Korridor des Verfassungsrechts begründen lässt. Dafür ist in zwei Schritten vorzugehen: Zunächst ist angesichts der veränderten Begründungslast50 positiv darzulegen, ob auch ein von mehreren Religionsgemeinschaften verantworteter Unterricht, in dem unterschiedliche Glaubenswahrheiten nebeneinander stehen, den Verfassungsauftrag einer Ausrichtung auf „Glaubenssätze als Wahrheit“ realisieren kann. Zum anderen sind für ein solches Modell die eigengearteten Grenzen zu markieren. a) Gemeinsamer Religionsunterricht als legitime Deutung des Verfassungsauftrags aa) Religionsfreundlichkeit der Schule und Religionsunterricht Die Auffassung, auch ein gemeinsam verantworteter Religionsunterricht könne als legitime Deutung des Verfassungsauftrags aus Art.  7 Abs.  3 GG gelten, ist im letzten ein Votum zur Rolle der Religion in der öffentlichen Schule überhaupt. Möglich erscheint zunächst als erste Variante, den Religionsunterricht als Gegenstück zum sonstigen Schulleben zu verstehen. Dabei kann er (aus kirchlicher Sicht: negativ) als abständiges letztes Überbleibsel des überkommenen kirchlichen Bestimmungsanspruchs über die Schule gelesen werden, oder (aus kirchli  Siehe oben bei B. III. 1. a), S.  65.

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cher Sicht: positiv) als freiheitsrechtlicher Vorposten eines ansonsten nicht kirchlich bestimmbaren Bildungswesens. In beiden Lesarten dieser ersten Variante wird die jeweilige scharfe Abgrenzung des Religionsunterrichts von anderem Unterricht wie auch von anderen Religionen, seine konfessionelle Erkennbarkeit, zum Hauptmerkmal. Demgegenüber steht als zweite Variante, den Standort des Religionsunterrichts aus der Einsicht zu entwickeln, dass die öffentliche Schule in Deutschland insgesamt religionsfreundlich verfasst ist. Diese Anschauung ist sowohl historisch als auch grundrechtssystematisch überzeugender: Denn es wäre schon eine Verkürzung, die Zulassung des Religionsunterrichts 1919 bzw. 1949 nur als vorläufiges Zugeständnis eines schwachen Staatswesens zu deuten, das zur laizistischen Gesamtlösung nicht fähig war. Entsprechende jakobinische Perspektiven waren und sind zwar stets auch hörbar, ebenso wie kirchliche Stimmen, die grundsätzlich die gesamte Erziehung kirchlicher Leitung unterstellen wollen. In der historisch gewachsenen Entfaltung des Religionsverfassungsrechts unter der Geltung des Grundgesetzes ist aber die positive Öffnung und Kooperation des Staates mit den Religionen das deutlich bestimmende Moment, sowohl inhaltlich, etwa im Bereich des Sozialstaats, wie auch instrumentell, vor allem durch das Instrument des religionsrechtlichen Vertrags. Das gilt insbesondere auch für den Bereich der Bildung, in dem die modulierte Rolle der Religion auch in staatlichen Einrichtungen als Angebot und Chance begriffen wird: Die „bekenntnisfreie“ Schule ist bis heute Ausnahme, nicht Regel.51   Mit weiteren Nachweisen Wißmann, Art.  7 (2015), Rn. III-123.

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70 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg Eine allgemeine Religionsfreundlichkeit der Schule (und eben nicht eine Ausgrenzung der Religion) ist insbesondere nicht nur historisch, sondern auch grundrechtssystematisch die Grundlage des gegenwärtigen allgemeinen Schulwesens. Die Anerkennung der religiösen Identität von Schülerinnen und Schüler und ihren Eltern, die durch Art.  2 Abs.  1 GG und Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG geschützt ist, fungiert dabei letztlich als Ausgleichsgröße zur Durchsetzung der in Deutschland bekanntlich besonders strengen allgemeinen Schulpflicht: Eine unausweichliche Beschulung verlangt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit Prozeduren, die die Entfaltung der (auch religiösen) Persönlichkeit zum Ziel der Schule machen.52 Die Umformung der Bekenntnisschulen zu Gemeinschaftsschulen und die Umstellung des staatlichen Erziehungsauftrags auf eine überreligiös-kulturstaatliche Grundlage war deshalb nicht etwa nur Wegnahme von Religion, sondern Neuformatierung: Der Staat als „Heimstatt aller Bürger“ konnte und musste von religiöser Wahrheit absehen – aber er anerkannte stets, dass seine Bürger (als Schüler, Eltern und Lehrer) selber diese religiöse Wahrheit auch (und gerade) in der Schule leben können.53 52   BVerfGE 45, 400 (417) – Oberstufenreform (1977); BVerfGE 58, 257 (272) – Schulentlassung (1981); BVerfGE 96, 288 (303 f.) – Integrative Beschulung (1997). Zum Hintergrund näher Wißmann, Art.  7 (2015), Rn. III-78. 53   Deswegen gibt es keinen Bruch, sondern eine konsequente Linie in der Rechtsprechung, was wesentlich durch die Entscheidungen zur inneren Ausrichtung von Gemeinschaftsschule und Bekenntnisschule, zum Schulgebet und zum Kruzifix geleistet wurde, BVerfGE 41, 29 – Simultanschule (1975); BVerfGE 41, 65 – Gemeinsame Schule (1975); BVerfGE 41, 88 – Gemeinschaftsschule (1975); BVerfGE 52, 223 – Schulgebet (1979); BVerfGE 93, 1 – Kruzifix (1995). Die auf die Lehrerin bezogenen Entscheidungen zum Kopf-

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Vor diesem Hintergrund ist der Religionsunterricht richtigerweise eben kein Gegenstück zum laizistischen Rest, sondern auf seine Weise integrativer Bestandteil der grundrechtsfreundlichen Schule: Schutz und Entfaltung der eigenen Religiosität enden nicht bei der Gewährleistung des Religionsunterrichts, sondern prägen die gesamte Schule. Daraus folgt aber dann auch, dass die Zielvorstellung einer möglichst klaren, letztlich konfrontativen Abgrenzung eines geschlossenen religiösen Reservats gegen die unübersichtlich gemischte Schulöffentlichkeit von einer falschen Auffassung des sonstigen Schullebens ausgeht, weil Religion auch dort nicht nur „abendländische Kultur“ ist: Die Begegnung unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen ist ebenso wie der Schutz der negativen Religionsfreiheit vielmehr der durchgängige Normalfall in der öffentlichen Schule. Zugleich ist daran zu erinnern, dass der Religionsunterricht selbst auch durch den Staat veranstaltetes Schulfach ist und nicht etwa externe Gegengröße, die nur zufällig oder als Zugeständnis in die Schule geraten ist. Schon deshalb ist auch der Religionsunterricht als staatlicher Unterricht davon geprägt, dass er nicht einseitiger Einweisung „von oben“ dient, sondern einem dialogischen Prozess, in dem das Kindeswohl im Mittelpunkt steht. Die Gesamtanschauung der Religion in der Schule führt daher zu folgendem Argument: Der Religionsunterricht kann als (besonderer) Teil eines positiven, auf Achtung und Begegnung der Religionen ausgerichteten Schulverfassungsrechts verstanden werden. Damit ist aber nicht tuch bilden dazu keinen Gegenpol, sondern eine konsequente Fortführung, BVerfGE 108, 282 – Kopftuch I (2003); BVerfGE 138, 296 – Kopftuch II (2015).

72 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg Abgrenzung, sondern Offenheit eine legitime Grundanschauung von diesem Unterricht. bb) Bekenntnisinhalt als Glaubenswahrheit – Sicherung der Andersartigkeit des Religionsunterrichts Eine solche Sichtweise reibt sich allerdings auf den ersten Blick an der Verpflichtung des Religionsunterrichts auf „konfessionelle Positivität und Gebundenheit“, wonach der „Bekenntnisinhalt, nämlich die Glaubenssätze der je­ weiligen Religionsgemeinschaft“ „als bestehende Wahr­ heiten zu vermitteln“ sind.54 Doch ist auch insoweit von der Gesamtanlage des staatlichen Schulmandats und des Religionsverfassungsrechts her noch einmal neu zu fragen, was damit im Kern verlangt ist. Insoweit können zwei Elemente unterschieden werden, die sich gegenseitig bedingen: Zunächst handelt es sich bei der Ausrichtung an Glaubenssätzen als bestehenden Wahrheiten um eine an die Religionsgemeinschaften gerichtete Voraussetzung des Unterrichts, die den Zugang zur staatlichen Schule bedingt: Erst und nur Glaubenswahrheit legitimiert ein Mandat der Religionsgemeinschaften in der öffentlichen Schule. Die Religionsgemeinschaften haben nicht etwa deshalb Zugang zur Schule, um dort als relevante gesellschaftliche Gruppe ihre Sicht zu allgemeinen ethischen (oder anderen) Fragen vorzutragen. Denn insoweit bestünde aus Sicht des Verfassungsrechts kein markierbarer Unterschied zu anderen Interessenverbänden von Amnesty bis zum BDI. Grundsätzlich ist nur das staatliche 54   BVerfGE 74, 244 (252) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987). Ebenso dann noch einmal S.  253: „Seine Ausrichtung an den Glaubenssätzen der jeweiligen Konfession ist der unveränderliche Rahmen, den die Verfassung vorgibt“.

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Schulmandat legitimiert, Bildungsinhalte festzusetzen. Die öffentliche Schule ist keine Aggregation gesellschaftlicher Wünsche und Vorstellungen, hier finden legitimationsbedürftige Grundrechtseingriffe statt, die der Rechtfertigung bedürfen, die hier durch Art.  7 Abs.  3 GG begründet und begrenzt wird. Hinzu kommt aber eine zweite Stoßrichtung dieses Ansatzes: Gesichert wird damit auch die verfassungsrechtlich vorgegebene Staatsferne in Glaubensdingen. Das Religionsverfassungsrecht ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staats geprägt.55 Daher ist dem Staat verwehrt, im Religionsunterricht Wahrheitsansprüche von Religionsgemeinschaften zu bewerten – anders als er es sonst bei den Inhalten in anderen Unterrichtsfächern aufgrund seines demokratischen Mandats kann. Die Ausrichtung auf die „Grundsätze der Religionsgemeinschaften“ bezeichnet also auch in Richtung des – ebenfalls am Religionsunterricht beteiligten – Staates die Besonderheit des Fachs: Die Entscheidung über religiöse Wahrheitsfragen liegt nicht bei ihm, sein Anteil am Unterricht setzt erst später ein. So gewendet ist aber nicht die Abgrenzung und Trennung von Religionsgemeinschaften im Unterricht entscheidend, sondern ihre (gemeinsame) Staatsferne. Aus der Verpflichtung auf Glaubenssätze als bestehende Wahrheiten folgt so gewendet nicht die notwendige Abgrenzung zwischen Religionsgemeinschaften. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich unter diesem Aspekt nicht ohne weiteres 55   BVerfGE 19, 206 (216) – Kirchenbausteuer (1965) – stdg. Rspr., zuletzt BVerfGE 138, 296 (338 f.) – Kopftuch II (2015).

74 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg dafür in Anspruch nehmen, dass Religionsgemeinschaften Unterricht nicht gemeinsam verantworten könnten: In der Abgrenzung, der Religionsunterricht sei „keine überkonfessionelle vergleichende Betrachtung religiöser Lehren, nicht bloße Morallehre, Sittenunterricht, histori­ sierende und relativierende Religionskunde, Religionsoder Bibelgeschichte“,56 geht es erkennbar um die Abwehr eines äquidistanten Blicks auf Religion ohne Wahrheitsanspruch. Konkret wurde mittelbar damit ja sogar eine Kooperation in der Abfolge zwischen evangelischem und katholischem Religionsunterricht (und damit damals wie heute jenseits konfessioneller Positivität und Gebundenheit) mit Übergang der Schülerinnen gebilligt. Daraus lässt sich folgendes Argument gewinnen: Ein gemeinsamer Religionsunterricht ist möglich, wenn er die Vermittlung von Glaubenswahrheit der beteiligten Religionsgemeinschaften anstrebt. (Nur) Diese Zielrichtung des Unterrichts, nicht seine organisatorische Umsetzung in einem Trennungsmodell, ist die besondere Prägung des Religionsunterrichts. Die Frage der Trennung oder Kooperation verschiebt sich dadurch von einem Identitätsmerkmal zu einer Gestaltungsgröße, die freilich nachweisen muss, wie sie Glaubenswahrheit bei gerade unterschiedlichen Glaubenswahrheiten der Beteiligten vermitteln will. In Abgrenzung zu dieser positiven Beschreibung lässt sich auch für ein weiterentwickeltes Modell noch einmal klarer fassen, dass und warum ein Religionsunterricht im 56   BVerfGE 74, 244 (252) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987). Ähnlich S.  253: „Gestaltung des Unterrichts als allgemeine Konfessionskunde (wäre) vom Begriff des Religionsunterrichts nicht mehr gedeckt.“

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Rahmen des Art.  7 Abs.  3 GG nicht Religionskunde sein kann, die auf das Wahrheitskriterium verzichtet: Damit würde die Andersartigkeit des Unterrichts jenseits des staatlichen Schulmandats eingeebnet, die Religionsgemeinschaften würden zu mehr oder weniger hilfreichen Agenturen für eine staatlicherseits gewünschte, allgemeine Wertevermittlung. Diese Rolle ist den Religionsgemeinschaften aber selbst dann versperrt, wenn sie sie als ihren Grundsätzen gemäß definieren und annehmen wollen. b) Grundanforderungen aa) Äquivalenz zwischen Bekenntnisinhalten und Inhalt des Religionsunterrichts Religionsunterricht bleibt aus seinem inneren verfassungsrechtlichen Kern heraus inhaltlich verpflichtet auf die Vermittlung von Glaubenswahrheit anstelle einer äquidistanten Darstellung von Glaubenslehren; Glaubenswahrheit muss im Religionsunterricht in Anlage und Durchführung für möglich gehalten werden. Hierin liegt die größte Herausforderung für einen multireligiös gestalteten Religionsunterricht: Die beteiligten Religionsgemeinschaften müssen ihren je eigenen Wahrheitsanspruch vertreten und zugleich für möglich halten, dass es auch andere Glaubenswahrheiten geben kann und diese den (gleichen) Unterricht ebenfalls prägen. Ob und inwieweit eine solche Gleichzeitigkeit theologisch und kirchenpolitisch verantwortet werden kann, muss durch jede Religionsgemeinschaft einzeln beurteilt werden und kann von hier aus nicht festgestellt werden. Gegenüber religionsverfassungsrechtlichen Subsumtionen, die aus der zutreffen-

76 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg den Beobachtung von Bekenntnisunterschieden bereits die Unmöglichkeit einer solchen Haltung ableiten wollen,57 ist aber daran zu erinnern, dass theologisch – und nicht nur religionspädagogisch – die Einsicht in die Unverfügbarkeit von Glaubenserfahrungen und damit in die notwendige Pluralität von religiöser Wahrheit mindestens für die evangelische Kirche als mögliche Haltung angenommen werden kann: „Die evangelische Kirche nimmt den Pluralismus der Religionen und Weltanschauungen nicht nur als ein äußerliches Faktum (…). Sie bejaht ihn vielmehr aus grundsätzlichen Überlegungen und aus ihrer eigenen Sache heraus. (…) Wie (evangelische Christin­ nen und Christen) von sich selbst wissen, dass der eigenen Glau­ ben im Streit mit dem Zweifel steht und in Anfechtungen leben­ dig bleibt, wie sie den christlichen Glauben nur in der Vielfalt der Konfessionen kennen, so bejahen sie auch, dass andere Reli­ gionen in unserer Gesellschaft einen selbstverständlichen Platz haben. (…) (D)ass menschliches Leben sich in einer Vielzahl von Religionen und Weltanschauungen vollzieht, (ist) aus Gründen des christlichen Glaubens ein Ausdruck der Freiheit, die wir nicht missen möchten.“ 58 57  Stellvertretend Heckel, FS Zacher, S.  1093 (1112 ff., konzen­ triert S.  1114: „Interreligiöser Religionsunterricht scheitert an der Exklusivität der Religionen und könnte nur diffuse Inhalte aufweisen. (…) Keine der großen Weltreligionen kennt und anerkennt die kumulative Begründung und die kumulative Geltung widersprechender Bekenntnisse und Mitgliedschaften. Ein staatlicher Religionsunterricht kann die Schüler nicht gleichzeitig zum Christentum und zum Islam und zum Buddhismus erziehen. (…) Die Bekenntnisbestimmtheit des Religionsunterrichts (in Art.  4, 7 III GG) kann sich nur – alternativ – auf eine der großen Weltreligionen und Konfessionen beziehen, weil jede ihre Lehre und Mitgliedschaft als ausschließlich versteht.“ S.  1115 ff. dann konkret zum „Religionsunterricht für alle“. 58  So die dort so genannte „Grundeinsicht“ in Rat der EKD,

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Auch Prozesse der Beheimatung im Glauben müssen daher nicht begriffsnotwendig mit der Deklaration anderer Glaubenshaltungen als falsch verbunden werden; zu sprechen ist vor allem von der eigenen, positiven Glaubenswahrheit, die verbunden werden kann mit der Anerkennung der bereits vorgefundenen anderen Glaubenswahrheit des Mitmenschen. Die Vorstellung, notwendigerweise sei Gegenstand des Religionsunterrichts auch der Nachweis des Irrtums anderer Religionen, ist dagegen wenig überzeugend. Versperrt ist demgegenüber wegen der klaren Vorgabe des Verfassungstextes der Weg, über eigenständige Glau­ benssätze für den Religionsunterricht, die sich von denen der Religionsgemeinschaft unterscheiden, zu einer gemeinsamen Schnittmenge von Glaubensanschauungen zu gelangen. Grundlage sind die jeweiligen Grundsätze der Religionsgemeinschaften, nicht ein Amalgam. Wo das offizielle Bekenntnis Vorgaben macht, kann der Religionsunterricht nicht davon suspendieren, um „von den Kindern her“ eine gemeinreligiöse Anschauung der Welt zu setzen. Es wäre ein Kategorienfehler, die Entscheidung über Unterrichtsinhalte (d. h. beim Religionsunterricht: über Glaubenswahrheit) mit der didaktischen Entscheidung über ihre Vermittlung (die von den unterschiedlichen Identitäten der Schüler ausgeht und deshalb auch mit innerer Differenzierung arbeiten kann) zu verwechseln.59 Christlicher Glaube und religiöse Vielfalt in evangelischer Perspektive, 2015, S.  19 f. 59   Insofern ist richtig, dass sich Glaubenssätze auch durch die Abgrenzung zu nicht geglaubten Sätzen definieren lassen. Das lässt sich an der Bewertung der historischen Person Jesus Christus vergleichsweise klar zeigen: Entweder wird er gemäß dem christlichen Glaubensbekenntnis im Unterricht als Teil des dreieinigen Gottes einge-

78 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg Ebenso wie die Verpflichtung auf den Lehrplan des demokratischen Gesetz- und Verordnungsgebers nicht zur Disposition der Lehrkräfte steht, gilt dies auch für die Glaubenssätze des Religionsunterrichts. Auch dem Religionsunterricht wohnt insoweit notwendig ein hierarchisches Element inne. Wie jeder Unterricht wird er nicht allein „von innen“ bestimmt, sondern in einem Wechselspiel von äußerer Vorgabe und personaler Unterrichtsverantwortung. bb) Verantwortungsklarheit Art.  7 Abs.  3 GG wird von vornherein verlassen, wenn der Religionsunterricht formal oder auch praktisch als „allgemeine Konfessionskunde“ zu bewerten ist. 60 Dem entspricht organisatorisch, dass auch ein RUfa stets mit einem Modell von Gastgeber(n) und Gästen operieren muss. Denn es können schon aus theoretischen Gründen nicht alle Religionen in die Planung und Verantwortung des Unterrichts integriert werden; eine solche Überlegung wäre bei Zuzug eines einzigen Schülers bisher unbekannter Konfession gesprengt. RUfa kann also kein „Religionsunterricht von allen“ sein. Die Öffnung für die jeweilige Gesamtschülerschaft bleibt in der Verantwortung führt – oder als Prophet, als „guter Mensch“, oder auch gleich als historische Realität in Frage gestellt. Eine bloße Darstellung („Die Christen meinen, …“) reicht für eine „Ausrichtung an den Glaubenssätzen“ nicht mehr aus, sondern wäre Konfessionskunde. Was die Dreieinigkeit bedeutet, wieviel Zweifel sie erforderlich macht, wie der Einzelne sich in seiner Welt dazu verhalten kann, ist dann wiederum Teil religionsdidaktischer Gestaltung (wie auch Forschungsgegenstand theologischer Wissenschaft). 60   BVerfGE 74, 244 (253) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987).

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konkret bennbarer Religionsgemeinschaften und kann nicht von außen vorgegeben werden. Dieser Entscheidungshoheit der Religionsgemeinschaften über den Unterrichtsbesuch entspricht dann auch, dass die materielle Freiwilligkeit der Teilnahme für alle Schülerinnen und Schüler gesichert bleibt. 61 Sie ist nach Art.  7 Abs.  2 GG integraler Bestandteil der verfassungsrechtlichen Gesamtgarantie zum Religionsunterricht. Wo seine innere Berechtigung aus der Vermittlung von Glaubenswahrheit folgt, muss dem schon aus Gründen der negativen Religionsfreiheit die Möglichkeit folgen, sich diesem Unterrichtsziel zu entziehen. Davon nimmt die Öffnung des Unterrichts für alle Schüler nichts hinweg. Normativ führt ein religionsübergreifend-trägerpluraler Religionsunterricht notwendigerweise dazu, dass alle Schülerinnen und Schüler sowohl an einem bekenntnisge­ bundenen wie (gleichzeitig) an einem bekenntnisfremden Religionsunterricht teilnehmen. Nach insoweit eindeutiger verfassungsrechtlicher Lage besteht für beide Konstellationen jeweils ein Anspruch, diesen Unterricht (mindestens) vermeiden zu können. cc) Prozedurale Verwirklichung als ständige, komplexe Aufgabe Zu beachten ist, dass die religionsübergreifend-trägerplurale Gestaltung eine verstärkte und dauernde Anstrengung aller Beteiligten verlangt, um das geforderte verfas61   Dabei kann unterschieden werden, dass wegen des Charakters als Pflichtunterricht für bekenntnisangehörige Schüler ein Abmelderecht besteht, für bekenntnisfremde Schüler die Möglichkeit, sich zu diesem Unterricht anzumelden (mit der entsprechenden Möglichkeit, diese Anmeldung zu widerrufen).

80 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg sungsrechtliche Niveau zu erreichen. Letztlich handelt es sich um Prozeduren, die Dritten gegenüber (insbesondere den betroffenen bekenntnisangehörigen Schülerinnen und Schülern sowie ihren Eltern) sicherstellen sollen, dass die besondere innere Berechtigung des Religionsunterrichts, die religiöse Beheimatung in einem anspruchsvollen Sinn der Identitätsbildung, auch in der grundständigen Begegnung mit anderen Religionen möglich ist. Dafür sind folgende Kriterien formulierbar: Ein gemeinsamer Unterrichtsplan kann nur im Wege eines zweistufigen Modells verabredet sein: Für die Vermittlung der jeweiligen Glaubenslehren muss die betroffene Religionsgemeinschaft die Verantwortung übernehmen. Zugleich muss die Darstellung des Glaubensinhalts für die jeweils glaubensfremden Schülerinnen und Schüler in der Weise zurückgenommen sein, dass sie als Darstellung eines fremden Glaubens erkennbar ist. Eine entsprechende Doppelstruktur muss von allen beteiligten Glaubensgemeinschaften für den gesamten Unterrichtsplan gemeinsam verantwortet werden. Wegen der Besonderheit der legitimatorisch notwendigen äußeren Zuordnung von Unterrichtsinhalten auf vorgegebene Glaubenswahrheiten ist dabei eine totale Umstellung des Unterrichtsplans auf einen selbstbezüglichen Kompetenzerwerb nicht möglich. Erkennbar liegt bei einem solch komplexen Modell eine Hauptlast bei der Durchführung durch die Lehrerinnen und Lehrer. Denn der Rechtsgrund des Religionsunterrichts würde unterlaufen, wenn im konkreten Unterricht zur Schonung aller eine gleichbleibende durchlaufende Distanz zu allen Religionen als Modus gewählt würde. Eine solche (pädagogisch naheliegende) Haltung

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würde das Grundrecht der konfessionsangehörigen Schülerinnen und Schüler auf Religionsunterricht als Vermittlung ihrer Glaubenswahrheiten, also das Recht auf religiöse Beheimatung, verletzen. Auch in der Durchführung darf der Unterricht „keine überkonfessionelle vergleichende Betrachtung religiöser Lehren, nicht bloße Morallehre, Sittenunterricht, historisierende und relativierende Religionskunde, Religions- oder Bibelgeschichte“ werden. 62 Daher ist die religiöse Erkennbarkeit der Lehrkraft gerade für einen trägerpluralen Religionsunterrichts unverzichtbar. Auch insoweit wird ein Doppelmodell notwendig sein: Für die Vermittlung des eigenen Glaubens kommt es auf eine positive Entscheidung der jeweiligen Religionsgemeinschaft an, die etwa dem Modell der Vokation entspricht. Dafür ist daran festzuhalten, dass die Chance auf Glaubenswahrheit nicht nur aus dem Innenbereich des Kindes kommt, das anders als seine Nebensitzer in den geschilderten Glaubenslehren Wahrheit entdeckt. Sondern es handelt sich um einen vermittelnden Vorgang, zu dem gedanklich notwendig auch die Lehrkraft gehört. Doch ist darüber hinaus auch die weitere Zustimmung der anderen beteiligten Religionsgemeinschaften für den Einsatz der Lehrkraft erforderlich. 63 Denn die Lehrkraft unterrichtet auch die anderen Schülerinnen und Schüler nicht rein religionskundlich. Diese Zustimmung darf al62   BVerfGE 74, 244 (252) – Teilnahme an konfessionsfremdem Religionsunterricht (1987). Ähnlich S.  253: „Gestaltung des Unterrichts als allgemeine Konfessionskunde (wäre) vom Begriff des Religionsunterrichts nicht mehr gedeckt.“ 63   Zu einem solchen Kooperationsmodus konsequent ablehnend Link, ZevKR 46 (2001), 257 (275 ff.).

82 B. Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in Hamburg lerdings naheliegenderweise nur verweigert werden, wenn es angebbare Gründe dafür gibt, dass eine Lehrkraft das Nebeneinander von Glaubenserziehung und Darstellung des Glaubens für konfessionsfremde Schülerinnen und Schüler nicht bewältigt. 3. Zweites Zwischenergebnis und Ausblick: Möglichkeit eines religionsübergreifend-trägerpluralen Religionsunterrichts – Gegenstand kirchlicher Entscheidung und dauernde Anstrengung Bei bewusster, rechtsgestaltender Neudeutung des Art.  7 Abs.  3 GG ist ein multireligiös-trägerpluraler Religionsunterricht als Unterricht „nach den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ nach hier vertretener Auffassung möglich. Die unveränderbare verfassungsrechtliche Prägung dieses Unterrichts ist die Ausrichtung an Glaubenssätzen der beteiligten Religionsgemeinschaften als „bestehende Wahrheit“, weil nur sie die Begrenzung des staatlichen Schulmandats und die Öffnung der Schule für Religionsgemeinschaften rechtfertigt. Diese materielle Grundausrichtung ist aus den dargelegten Gründen aber nicht mit einer organisatorischen Trennung gleichzusetzen. Die Zusammenarbeit mehrerer Religionsgemeinschaften für einen gemeinsamen Religionsunterricht setzt mehrere Entscheidungen der Beteiligten voraus. Neben Klugheitsüberlegungen, die sich auf die alternative Realisierbarkeit eines getrennten Religionsunterrichts als reguläres Schulfach in einer disparaten religiösen Situation beziehen, geht es vor allem um eine Grundanforderung, die man als religionsdialektisches Dilemma bezeichnen

III. Zweiter Durchgang

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könnte: Den Religionsgemeinschaften wird für einen gemeinsamen glaubensbezogenen Religionsunterricht die theologische Grundhaltung abverlangt, die Vermittlung eigener Glaubenswahrheit für verträglich mit der Vermittlung fremder Glaubenswahrheiten zu halten und dafür eine gemeinsame Verantwortung zu übernehmen. Diese Haltung muss sich als Grundsatz der beteiligten Religionsgemeinschaften selbst darstellen und darf nicht etwa auf die Ebene der Religionsdidaktik verlagert werden. Denn es handelt sich um die – wie auch sonst – dem Unterricht von außen vorgegebene Prägung, die nicht durch pädagogische Modelle substituiert werden kann. Der Religionsunterricht ist in der staatlichen Schule so wenig aus sich selbst heraus legitimiert wie andere Unterrichtsfächer; seine besondere Gestalt erfährt er aus der Andersartigkeit der äußeren Legitimation, nicht durch deren Fehlen. Nicht nur diese Grundanforderung erfordert bewusste Klärungen (gerade auch bei den Beteiligten jenseits der evangelischen Kirche). Auch für eine Umsetzung sind maßgebliche Kriterien erkennbar, denen ein Unterricht genügen muss. Sie beziehen sich auf den Unterrichtsplan wie auf die Rückbindung der Lehrkräfte und erfordern komplexe Strukturen und dauernde Begleitung. Wenn wegen der ausgesetzten Lage dieses Unterrichts eine solche Anstrengung gelingt, dürfte sie allerdings gegenüber der Praxis des konventionellen bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts kaum in einen Rückstand geraten, den Auftrag bewusster religiöser Beheimatung zu erfüllen.

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Anhang: Regelungen und Vereinbarungen zum Hamburger „Religionsunterricht für alle“1 1. Gemeinsame Erklärung der Schulbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und der Evangelisch-lutherischen Landeskirchen auf Hamburger Staatsgebiet zur Ordnung des Religionsunterrichts vom 10. Dezember 19642 (1) Die gemischte Kommission Schule/Kirche gewährleistet bei der Durchführung und Gestaltung des Religionsunterrichtes an den Hamburger Schulen die „Übereinstimmung mit den Grund­ sätzen“ der Evangelisch-Lutherischen Kirche (Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetz und §  10 des Hamburger Schulgesetzes). Der Auf­ trag der Kommission wurde staatlicherseits von dem Ersten Bür­ germeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Dr. Never­ mann, und kirchlicherseits von den drei Bischöfen der Landes­ kirchen auf Hamburger Staatsgebiet, D. Lilje, D. Halfmann, D. Witte, zuletzt auf einer gemeinsamen Sitzung am 2. November 1961 bestätigt. Staat und Kirchen geben im Rahmen ihrer Ord­ nung die Ergebnisse der Kommissionsarbeit an zuständige In­ 1   Wo nicht anders angegeben, wurden die Dokumente von der Behörde für Schule und Berufsbildung der Freien und Hansestadt Hamburg bzw. vom Hauptbereich Schule, Gemeinde- und Religionspädagogik des Pädagogisch-Theologischen Instituts der Nordkirche zur Verfügung gestellt. 2   KGVOBl. 1965 S.  16. Die Weitergeltung als Recht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland wird auf Teil 1 §  3 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zur Verfassung der EvangelischLuthe­r ischen Kirche in Norddeutschland vom 7. Januar 2012 (KABl. S.  30) gestützt.

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stanzen weiter. Der Vorsitz wird im Wechsel zwischen einem staatlichen und einem kirchlichen Vertreter wahrgenommen. Die Absprachen sind verpflichtend, wenn binnen eines Monats nach Eingang des Protokolls kein Einspruch vom Schulsenator oder von einer Kirchenleitung erhoben wird. (2) Der Staat und die Kirchen haben sich in der Kommission an­ gesichts des Mangels an Religionslehrern geeinigt, in der Fortbil­ dung und zusätzlichen Ausbildung von Religionslehrern zusam­ menzuwirken. Dabei sollen die Möglichkeiten des Instituts für Lehrerfortbildung bei der Schulbehörde ebenso wie die des Kate­ chetischen Amtes der Hamburgischen Kirche genutzt werden. Dies geschieht zurzeit durch Schwerpunkttagungen, durch fort­ laufende Kurse, Nachschulungslehrgänge innerhalb und außer­ halb der Ferien und Seminare der Schulbehörde und des Kate­ chetischen Amtes. Die Kurse sind nach Prüfung durch die Schul­ behörde für die zweite Prüfung testatfähig. (3) Bei der Herausgabe von Richtlinien für den Religionsunter­ richt an den Hamburger Schulen übermittelt die Schulbehörde Vorentwürfe der Hamburgischen Kirche so rechtzeitig, dass hin­ reichend Zeit zur Überprüfung und gemeinsamen Besprechung vor der abschließenden Erörterung in der Kommission und der Veröffentlichung durch die Schulbehörde gegeben ist. Neue Bü­ cher für den Religionsunterricht werden von der Schulbehörde nach unmittelbarer Fühlungnahme mit dem Katechetischen Amt der Hamburgischen Landeskirche den Schulen zugewiesen oder in die Liste der zugelassenen Bücher aufgenommen. Die Ham­ burgische Kirche übernimmt es, die Zustimmung der Ev.-Luth. Landeskirche Schleswig-Holsteins und der Ev.-Luth. Landeskir­ che Hannovers zu Richtlinien und Schulbuchfragen einzuholen. (4) Der Staat und die Kirchen haben sich in der Kommission ge­ einigt, den Religionsunterricht in den Berufsschulen als monatli­ ches Religionsgespräch durchzuführen. Der Unterricht wird von Lehrern erteilt. Besteht – besonders im Stadium der Einführung – Mangel an Lehrkräften für diesen Unterricht, so kann die Schulbehörde hierfür Mitarbeiter der Kirche als nebenberufliche Lehrer hinzuziehen. Die Kirche sorgt für eine qualifizierte Aus­

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bildung dieser Kräfte. Die Schulbehörde übernimmt nach Aner­ kennung dieser Ausbildung ihre Besoldung. Die Ausbildung der Lehrer an berufsbildenden Schulen für den Religionsunterricht gewährleistet die Schulbehörde im Zusammenwirken mit dem Katechetischen Amt. (5) Der Staat und die Kirchen haben sich in der Kommission ge­ einigt, das Katechetische Amt der Hamburgischen Kirche als eine Beratungsstelle für das Fach Religion anzuerkennen. Die Katechetischen Ämter fassen als Arbeitsstelle die pädagogischen Bemühungen der Kirchen zusammen. Dieser Vereinbarung ent­ sprechend werden im Katechetischen Amt Beratungen über alle Fragen des Faches Religion durchgeführt. Eine Fachbibliothek für Ausleihe an die Lehrer stellt die Kirche zur Verfügung. (6) Der Staat und die Kirchen haben sich geeinigt, bei der Durch­ führung eigener Veranstaltungen, die sich mit denen der Schule bzw. Kirche überschneiden können, die erforderliche Rücksicht zu nehmen, z. B. angesichts des kirchlichen Unterrichts an den Konfirmandenjahrgängen, Konfirmandenrüstzeiten am Wo­ chenende, Klassenreisen, Berufspraktika, Bezahlung von Schul­ bibeln und Gesangbüchern, Gestaltung des Reformationsfestes usw. Einzelfragen sollen in unmittelbarer Fühlungnahme zwi­ schen den Dezernenten der Schulbehörde und dem Katecheti­ schen Amt der Hamburgischen Kirche bzw. den Dezernenten der Kirchenbehörden beraten und geklärt werden. (7) Der Staat und die Kirchen haben sich in der Kommission ge­ einigt, im Sinne der in dieser Erklärung festgestellten Prinzipien auch in Zukunft gemeinsam interessierende Fragen zu beraten und so zu einer beiderseits zufriedenstellenden Praxis des Religi­ onsunterrichtes in den Schulen der Freien und Hansestadt Ham­ burg beizutragen. Für die Schulbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg Matthewes Landesschulrat Für die Evangelisch-lutherischen Landeskirchen auf Hamburger Staatsgebiet Dr. Wölber Bischof

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2. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 29. November 20053 Die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Senat, und die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche, vertreten durch die Kirchenleitung, – geleitet von dem Wunsch, das freundschaftliche Verhältnis zu festigen und zu fördern und die gewachsenen Beziehungen festzuschreiben und dauerhaft fortzuentwickeln, – in der Überzeugung, dass die Trennung von Staat und Kirche gleichermaßen Distanz bedeutet und Kooperation gebietet, und mit dem Ziel, dieses Verhältnis dauerhaft zu gestalten, – in Anerkennung der kirchlichen Mitverantwortung für das öffentliche Leben, –  im Respekt vor der Religions- und Glaubensfreiheit des Einzelnen und in Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen, –  im Bewusstsein der Unterschiedlichkeit des geistlichen Auftrags der Kirchen und der weltlichen Aufgaben des Staates und der gemeinsamen Aufgaben zum Wohle der Menschen in Hamburg, – auf der Grundlage der vom Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland garantierten Stellung der Kirchen im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat, schließen zur rechtlichen Ordnung ihrer Beziehungen diesen Vertrag. 3   Gemäß Zustimmungsgesetz zum Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Nordelbischen EvangelischLuthe­r ischen Kirche, verkündet am 6.7.2006, HmbGVBl. S.  429, mit Gesetzeskraft nach Bekanntmachung in Kraft getreten am 12.10.2006 (HmbGVBl. S.  516).

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Artikel 1 Glaubensfreiheit und Rechtsstellung (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährt der Freiheit, den Glauben nach den evangelisch-lutherischen Grundlagen zu bekennen und auszuüben, den Schutz durch Verfassung und Ge­ setz. (2) Die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie ist frei bei der Be­ setzung ihrer Ämter. Artikel 2 Körperschaftsrechte (1) Die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche, ihre Kir­ chenkreise und Kirchengemeinden und die aus ihnen gebildeten Verbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Ihr Dienst ist öffentlicher Dienst eigener Art. Sie sind Dienstherren nach öffentlichem Recht. (2) Die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche wird Be­ schlüsse über die Errichtung, Veränderung und Aufhebung von kirchlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts dem Senat anzeigen. (3) Die Freie und Hansestadt Hamburg und die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche wirken bei der Errichtung und Veränderung kirchlicher Anstalten und Stiftungen privaten und öffentlichen Rechts zusammen (Schlussprotokoll). Artikel 3 Geltungsbereich Dieser Vertrag erstreckt sich auch auf die rechtlich unselbststän­ digen Dienste, Werke und Einrichtungen der in Artikel 2 Absatz 1 genannten Körperschaften sowie die im Schlussprotokoll ge­ nannten selbstständigen Dienste, Werke und Einrichtungen. Über die Aufnahme weiterer selbstständiger Dienste, Werke und Einrichtungen in den Geltungsbereich dieses Vertrages ist zwi­ schen den Vertragsparteien Einvernehmen zu erzielen (Schlussprotokoll).

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Artikel 4 Zusammenwirken (1) Der Senat und die Kirchenleitung treffen sich zur Pflege ihrer Beziehungen in regelmäßigem Abstand. Sie werden sich zur Klä­ rung von Fragen, die das beiderseitige Verhältnis betreffen oder die beiderseitigen Interessen berühren, miteinander ins Beneh­ men setzen. (2) Zur ständigen Vertretung ihrer Anliegen gegenüber der Frei­ en und Hansestadt Hamburg und zur gegenseitigen Information bestellt die Kirchenleitung der Nordelbischen Evange­ lisch-Lutherischen Kirche ihren Beauftragten oder ihre Beauf­ tragte bei Senat und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg. (3) Senat und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg unterrichten die Kirchenleitung der Nordelbischen Evange­ lisch-Lutherischen Kirche über ihren Beauftragten oder ihre Be­ auftragte rechtzeitig von ihren jeweiligen Gesetzgebungs- und anderen Vorhaben, welche die Belange der Nordelbischen Evan­ gelisch-Lutherischen Kirche unmittelbar berühren, und hören sie an. (4) Überträgt die Freie und Hansestadt Hamburg Aufgaben, die das staatskirchenrechtliche Verhältnis berühren, auf andere Rechtsträger, so wird sie sich auch diesen gegenüber um die Ein­ haltung der Inhalte und Ziele dieses Vertrages bemühen. Sie gibt der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche rechtzeitig Gelegenheit, zu den Übertragungen, Ziel-, Leistungs- und ande­ ren Vereinbarungen Stellung zu nehmen. Artikel 5 Evangelische Theologie, Religionspädagogik und Kirchenmusik (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg fördert die Pflege der evangelischen Theologie als konfessionsgebundener wissen­ schaftlicher Disziplin in freier Forschung und Lehre, insbesonde­ re an der Universität Hamburg. (2) In grundsätzlichen Angelegenheiten der Studiengänge Pfarr­

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amt und Lehramt streben die Vertragsparteien eine Vereinba­ rung an. (3) Das Nähere in Angelegenheiten der evangelischen Kirchen­ musik wird gesondert vereinbart (Schlussprotokoll). (4) Der Universitätsprediger oder die Universitätspredigerin wird im Einvernehmen mit der Nordelbischen Evange­ lisch-Lutherischen Kirche bestellt. Artikel 6 Evangelische Hochschulen, Schulen, Einrichtungen der Aus-, Fort- und Weiterbildung (1) Das Recht der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kir­ che zum Betreiben eigener Bildungsstätten wird im Rahmen des allgemeinen Rechts gewährleistet und gefördert. (2) Sofern Bildungsgänge solchen im staatlichen Bereich gleich­ wertig sind, sind Abschlüsse im Rahmen des Landesrechts staat­ lich anzuerkennen. Artikel 7 Religionsunterricht (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährleistet die Ertei­ lung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach in Über­ einstimmung mit den Grundsätzen der Nordelbischen Evange­ lisch-Lutherischen Kirche gemäß Artikel 7 Absatz 3 des Grund­ gesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. (2) Das Nähere regelt eine Gemeinsame Kommission Schule/Kir­ che (Schlussprotokoll). (die Artikel 8 bis 22 sind hier nicht abgedruckt) Artikel 23 Gleichbehandlungsgrundsatz Sollte die Freie und Hansestadt Hamburg anderen Religionsge­ meinschaften über diesen Vertrag hinausgehende Leistungen und Rechte gewähren, werden die Vertragsparteien gemeinsam prüfen, ob wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes Änderun­ gen dieses Vertrages notwendig sind.

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Artikel 24 Freundschaftsklausel Die Vertragsparteien werden eine in Zukunft auftretende Mei­ nungsverschiedenheit über die Auslegung oder Anwendung ei­ ner Bestimmung dieses Vertrages einvernehmlich klären. Artikel 25 Schlussbestimmung (1) Weitere zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche und ihren Gliedkörperschaften abgeschlossene Verträge und Vereinbarun­ gen werden durch diesen Vertrag nicht berührt. Regelungen in diesem Vertrag gehen inhaltlich abweichenden oder inhaltlich übereinstimmenden Regelungen in anderen Verträgen oder Ver­ einbarungen vor, soweit sie denselben Gegenstand betreffen. (2) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation gemäß Artikel 43 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg und der Zu­ stimmung der Synode nach Artikel 68 der Verfassung der Nor­ delbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Er tritt am Tag nach dem Austausch der Ratifikationsurkunde und der Mittei­ lung über die Zustimmung der Synode in Kraft. Der Tag des In­ krafttretens wird im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungs­ blatt und im Gesetz- und Verordnungsblatt der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche bekannt gemacht.1) Schlussprotokoll zu Artikel 7 Absatz 2: Als Gemeinsame Kommission gemäß Artikel 7 Absatz 2 besteht die Gemischte Kommission Schule/Kirche gemäß der am 10. De­ zember 1964 unterzeichneten gemeinsamen Erklärung der Schulbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und der Evangelisch-lutherischen Landeskirchen auf Hamburger Staats­ gebiet zur Ordnung des Religionsunterrichts. Diese Erklärung bleibt unberührt. Die Vertragsparteien werden regelmäßig eine Fortentwicklung im Geiste dieses Vertrages prüfen.

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3. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg vom 20. Juni 20074 In dem Bewusstsein der geschichtlichen Verantwortung vor den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern und geleitet von dem Wunsch, das Verhältnis zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der jüdischen Glaubensgemeinschaft zu fördern und zu festigen und die jüdische Glaubensgemeinschaft in der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, schließen die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Senat, und die Jüdische Gemeinde in Hamburg, Körperschaft des öffentlichen Rechts, vertreten durch ihre satzungsgemäßen Vertreter, den folgenden Vertrag: Artikel 1 Glaubensfreiheit und Rechtsstellung (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährt der Freiheit, den jüdischen Glauben zu bekennen und auszuüben, sowie dem karitativen Wirken der Jüdischen Gemeinde in Hamburg den Schutz durch Verfassung und Gesetz. (2) Die Jüdische Gemeinde in Hamburg ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig und innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie ist frei bei der Besetzung ihrer Ämter. Artikel 2 Jüdische Feiertage Folgende jüdische Feiertage werden als kirchliche Feiertage im Sinne des Feiertagsgesetzes vom 16. Oktober 1953 (HmbBl. I 113-a), zuletzt geändert am 6. Dezember 2000 (HmbGVBl. S.  358), geschützt: 1. Pessach, 4   Gemäß Zustimmungsgesetz zum Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg und zur Änderung des Gesetzes über die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen vom 27.11.2007 mit Gesetzeskraft in Kraft getreten am 5.12.2007 (HmbGVBl. S.  407).

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2. Schawuoth, 3. Rosch Haschana, 4. Jom Kippur, 5. Sukkoth, 6. Schemini Azareth, 7. Simchat Thora. Artikel 3 Jüdischer Religionsunterricht (1) Die Jüdische Gemeinde in Hamburg hat das Recht, Religi­ onsunterricht in den Institutionen der Gemeinde und in den von ihr unterhaltenen jüdischen Schulen durchzuführen. (2) Die Durchführung des Religionsunterrichts in den staatli­ chen Schulen der Freien und Hansestadt Hamburg wird durch besondere Vereinbarungen auf der Grundlage des Hamburgi­ schen Schulgesetzes geregelt.5 Artikel 4 Kinderbetreuung, Schulen und Weiterbildung (1) Die Jüdische Gemeinde in Hamburg hat nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen das Recht, Schulen sowie Einrich­ tungen der Kinderbetreuung und der Weiterbildung zu errichten und zu betreiben. Die Genehmigung und Anerkennung sowie die Förderung aus öffentlichen Mitteln bestimmen sich nach den jeweils geltenden Vorschriften. (2) Sofern Bildungsgänge solchen im staatlichen Bereich gleich­ wertig sind, sind Abschlüsse im Rahmen des Landesrechts staat­ lich anzuerkennen. (die Artikel 5–12 sind hier nicht abgedruckt) Artikel 13 Zusammenwirken Die Vertragschließenden werden regelmäßige Gespräche zur In­ tensivierung ihrer guten Beziehungen führen. Sie werden sich außerdem vor der Regelung von Angelegenheiten, die die bei­   Siehe dazu dann die Vereinbarung vom 10.2.2014, unten Nr.  7.

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derseitigen Interessen berühren, miteinander ins Benehmen set­ zen und zur Besprechung solcher Angelegenheiten zur Verfügung stehen. Artikel 14 Freundschaftsklausel Die Vertragsparteien werden etwaige Meinungsverschiedenhei­ ten über die Auslegung oder Anwendung von Bestimmungen dieses Vertrages soweit möglich einvernehmlich klären. Artikel 15 Inkrafttreten und Laufzeit (1) Dieser Vertrag wird unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Bürgerschaft geschlossen. Er tritt mit dem Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes in Kraft. (2) Die Artikel 7 und 8 des Vertrages können mit einer Frist von einem Jahr zum Ablauf des Kalenderjahres gekündigt werden, erstmalig zum 31. Dezember 2012. Ihre Geltung verlängert sich um jeweils fünf Jahre, wenn sie nicht fristgerecht gekündigt wer­ den. 4. Beschluss der Gemischten Kommission von Nordelbischer Evangelisch-Lutherischer Kirche und der Behörde für Schule und Berufsbildung vom 22. Mai 2012 Im Sinne des Schlussprotokolls des Staatskirchenvertrags zwi­ schen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Nordelbi­ schen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 06.07.2006, in der sich beide Seiten verpflichten „eine Fortentwicklung im Geiste dieses Vertrags zu prüfen“ (Schlussbestimmung zum Art.  7 Reli­ gionsunterricht), beschließt die Gemischte Kommission Schule/ Kirche: Die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche erklärt sich bereit, an der Weiterentwicklung des bisherigen „Religionsun­ terrichtes für Alle in evangelischer Verantwortung“ mitzuarbei­ ten, so wie es die Kirchenleitung am 10./11. Januar 2011 beschlos­ sen und am 16./17. April 2011 bestätigt hat.

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Ziel der Weiterentwicklung ist es, eine Verantwortungsstruktur für die Inhalte des Religionsunterrichts im Rahmen von Artikel 7 Absatz 3 GG zu schaffen, die sowohl alle Religionsgemein­ schaften im verfassungsrechtlichen Sinne gleichberechtigt am Re­ ligionsunterricht beteiligt, als auch einen gemeinsamen Unter­ richt von Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihrer Reli­ gionszugehörigkeit ermöglicht, um so die bestehende dialogische Form des Religionsunterrichtes zu erhalten. Die Behörde für Schule und Berufsbildung der Freien und Han­ sestadt Hamburg (BSB) und die Nordelbische EvangelischLuthe­r ische Kirche sind sich darüber einig, dass innerhalb der kommenden fünf Jahre Schulpraxis, Didaktik und Rahmenplä­ ne, Lehrerbildung und –zulassung sowie der institutionelle Rah­ men für den Religionsunterricht nach Maßgabe von Artikel 7 Absatz 3 GG weiterentwickelt werden sollen. Hierzu soll eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die aus Ver­ treterinnen und Vertretern der zuständigen Behörde sowie aus Vertreterinnen und Vertretern solcher Religionsgemeinschaften besteht, die beabsichtigen, die Inhalte eines Religionsunterrichts in gemischtkonfesionellen Klassenverbänden und Lerngruppen in Hamburg zu verantworten. Die Arbeitsgruppe legt ihre Er­ gebnisse den jeweiligen Entscheidungsgremien zum Beschluss vor. Die Beteiligten beachten die ihnen durch Artikel 7 Absatz 3 GG zugewiesenen Funktionen. Bis zum Abschluss einer neuen Erklärung gilt die Gemeinsame Erklärung von 1964 sowie deren bisherige Handhabung durch die Gemischte Kommission Kirche/Schule fort.

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5. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg, dem DITIB-Landesverband Hamburg, SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg und dem Verband der Islamischen Kulturzentren vom 13. November 20126 Die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Senat, und der DITIB-Landesverband Hamburg e.V., vertreten durch seinen Vorstand, SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V., vertreten durch seinen Vorstand, und der Verband der Islamischen Kulturzentren e.V., vertreten durch seinen Vorstand (im Folgenden als islamische Religionsgemeinschaften bezeichnet), schließen – in dem Bewusstsein, dass die Bürgerinnen und Bürger islamischen Glaubens einen bedeutenden Teil der Bevölkerung der Freien und Hansestadt Hamburg bilden und der Islam als ihr gelebter Glaube zu einem festen Bestandteil des religiösen Lebens geworden ist, – in dem Wunsch, die Freiheit der Religionsausübung der Bürgerinnen und Bürger islamischen Glaubens als Teil einer pluralen und weltoffenen Gesellschaft zu bestätigen und zu bekräftigen, – in der Überzeugung, dass Religion einen wertvollen Beitrag als Mittlerin zwischen unterschiedlichen Kulturen und Traditionen zu leisten vermag, – in dem Wunsch, die Beteiligung der islamischen Religionsgemeinschaften am religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben der Stadt anzuerkennen und zu unterstützen, – mit dem Ziel, die Beziehungen zwischen der Freien und Han6   Nach Zustimmung der Bürgerschaft gemäß Art.  13 Abs.  1 am 13.6.2013 in Kraft getreten (Amtl. Anz. Nr.  51, S.  997).

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sestadt Hamburg und den islamischen Religionsgemeinschaften partnerschaftlich weiterzuentwickeln, den folgenden Vertrag: Artikel 1 Glaubensfreiheit und Rechtsstellung (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährleistet der Frei­ heit, den islamischen Glauben zu bekennen und auszuüben, den Schutz durch Verfassung und Gesetz. Die Vertragsparteien stim­ men darin überein, dass die Achtung des religiösen Bekenntnisses untrennbar mit der Achtung und Toleranz gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen und abweichenden Anschau­ ungen und Handhabungen der eigenen Religion verbunden ist. (2) Die islamischen Religionsgemeinschaften ordnen und ver­ walten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schran­ ken des für alle geltenden Gesetzes. Die Vertragsparteien beken­ nen sich zum Grundsatz der Neutralität des Staates gegenüber Religionen und Weltanschauungen und zur vollständigen Gel­ tung und Achtung der staatlichen Gesetze. Sie werden hierfür entschieden eintreten, auf entgegenstehende Äußerungen ver­ zichten sowie sich gegen widersprechende Anschauungen wen­ den. Artikel 2 Gemeinsame Wertegrundlagen (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg und die islamischen Religionsgemeinschaften bekennen sich zu den gemeinsamen Wertegrundlagen der grundgesetzlichen Ordnungder Bundesre­ publik Deutschland, insbesondere zur Unantastbarkeit der Menschenwürde, der Geltung der Grundrechte, der Völkerver­ ständigung und der Toleranz gegenüber anderen Kulturen, Reli­ gionen und Weltanschauungen sowie der freiheitlichen, rechts­ staatlichen und demokratischen Verfassung des Gemeinwesens. Sie sind sich einig in der Ächtung von Gewalt und Diskriminie­ rung auf Grund von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientie­ rung, Glauben oder religiöser oder politischer Anschauungen und werden gemeinsam dagegen eintreten.

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(2) Die Freie und Hansestadt Hamburg und die islamischen Re­ ligionsgemeinschaften bekennen sich insbesondere zur Gleichbe­ rechtigung der Geschlechter und zur vollständigen und gleichbe­ rechtigten Teilhabe von Frauen und Mädchen am gesellschaftli­ chen und politischen sowie am schulischen und beruflichen Leben. Sie setzen sich für die Verwirklichung der gleichberech­ tigten Teilhabe von Frauen und Mädchen ungeachtet ihrer religi­ ösen Überzeugungen an Bildung, Erwerbstätigkeit und gesell­ schaftlichem Leben ein und wenden sich entschieden gegen jede Art von Diskriminierung. Protokollerklärung zu Artikel 2 Absatz 2 Die Vertragsparteien teilen die Überzeugung, dass Frauen und Mädchen die Teilhaberechte weder aus religiösen Gründen von Dritten bestritten noch wegen eines ihrer eigenen religiösen Überzeugung entsprechenden Verhaltens vorenthalten werden dürfen. Dies schließt das Recht muslimischer Frauen und Mäd­ chen ein, nicht wegen einer ihrer religiösen Überzeugung ent­ sprechenden Bekleidung in ihrer Berufsausübung ungerechtfer­ tigt beschränkt zu werden. Artikel 3 Islamische Feiertage Folgende islamische Feiertage sind kirchliche Feiertage im Sinne des hamburgischen Feiertagsgesetzes mit den Rechten aus §  3 des Feiertagsgesetzes für islamische Religionsangehörige: 1. Opferfest (Id-ul-Adha bzw. Kurban Bayrami) – Einer der zwei Tage ab zehnten Dhul-Hiddscha, 2. Ramadanfest (Id-ul-Fitr bzw. Ramazan Bayrami) – Einer der zwei Tage ab ersten Schawwal, 3. Aschura – Ein Tag am zehnten Muharram. Die Daten der Feiertage beziehen sich auf den islamischen Mondkalender und werden von den islamischen Religionsge­ meinschaften jeweils vorher bestimmt und bekannt gegeben.

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Protokollerklärung zu Artikel 3 Die islamischen Religionsgemeinschaften und die Freie und Hansestadt Hamburg sind sich darüber einig, dass die ganztägi­ gen Ausgestaltungen des Ramadan-Festes und des Opferfestes für die muslimischen Gemeinden gleichbedeutend sind mit got­ tesdienstlichen Handlungen. Der gottesdienstliche Charakter äußert sich nicht nur im morgendlichen Ritualgebet, sondern umfasst den gesamten Tag, der in weiten Teilen ritualisierte Ab­ läufe enthält. Diese Feiertage werden deshalb als Gottesdienst im Sinne des §  3 Hamburger Feiertagsgesetz verstanden. Artikel 4 Bildungswesen (1) Die islamischen Religionsgemeinschaften haben nach Maßga­ be der gesetzlichen Vorschriften das Recht, Bildungs- und Kul­ tureinrichtungen zu unterhalten. Die Vertragsparteien werden sich im Rahmen ihrer finanziellen, organisatorischen und recht­ lichen Möglichkeiten gemeinsam dafür einsetzen, das Wirken dieser Einrichtungen auch über die Mitgliedschaft der islami­ schen Religionsgemeinschaften hinaus verstärkt in das öffentli­ che Bewusstsein zu rücken. (2) Unbeschadet des Rechts auf Unterhaltung eigener Bildungs­ einrichtungen bekennen sich die islamischen Religionsgemein­ schaften zum staatlichen Schulwesen, der allgemeinen Schul­ pflicht und der umfassenden Teilnahme am Unterricht staatli­ cher Schulen. Artikel 5 Hochschulausbildung Die Freie und Hansestadt Hamburg fördert eine Ausbildungs­ stätte für islamische Theologie und Religionspädagogik an der Universität Hamburg. Protokollerklärung zu Artikel 5 Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass die Förderung einer Ausbildungsstätte für islamische Theologie und Religions­ pädagogik in ihrem Schwerpunkt zunächst auf die Gewinnung

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in Deutschland ausgebildeter schulischer Lehrkräfte für den Re­ ligionsunterricht zielen soll. Sie teilen die Überzeugung, dass das Aufgreifen der Glaubensvorstellungen praktizierender Muslime eine wesentliche Voraussetzung für die wünschenswerte Akzep­ tanz des Unterrichts bei den muslimischen Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern sein wird. Die Freie und Hansestadt Hamburg wird sich deshalb unter Be­ achtung der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre da­ für einsetzen, dass – die islamischen Religionsgemeinschaften vor der Berufung ei­ ner Hochschullehrerin oder eines Hochschullehrers die Mög­ lichkeit zur Stellungnahme erhalten, – ihnen Gelegenheit gegeben wird, sich zu Lehrinhalten zu äu­ ßern, soweit sie schwerwiegende Abweichungen von den isla­ mischen Glaubensgrundsätzen geltend machen, und – sie in die Erarbeitung von Grundsätzen für eine Akkreditie­ rung von Studiengängen und Formulierung von Prüfungsan­ forderungen einbezogen werden. Die islamischen Religionsgemeinschaften erklären, dass sie Stel­ lungnahmen einheitlich abgeben werden. Stellungnahmen, die nicht einheitlich abgegeben werden, lösen keine Verpflichtungen der Freien und Hansestadt Hamburg im Sinne des vorstehenden Absatzes aus. Artikel 6 Religionsunterricht (1) Die Vertragsparteien sind sich einig in der Anerkennung der Bedeutung, des Wertes und der Chancen des an den staatlichen Schulen der Freien und Hansestadt Hamburg erteilten Religi­ onsunterrichts in gemischtkonfessionellen Klassenverbänden und Lerngruppen. Sie streben deshalb im Rahmen von Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes eine Weiterentwicklung an, deren Ziel es ist, eine Verantwortungsstruktur für die Inhalte des Reli­ gionsunterrichts im Rahmen von Artikel 7 Absatz 3 des Grund­ gesetzes zu schaffen, die sowohl alle Religionsgemeinschaften im

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verfassungsrechtlichen Sinne gleichberechtigt am Religionsun­ terricht beteiligt, als auch einen gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihrer Religionszu­ gehörigkeit ermöglicht, um so die bestehende dialogische Form des Religionsunterrichtes zu erhalten. Das Nähere wird geson­ dert geregelt. (2) Ungeachtet des Absatzes 1 anerkennt die Freie und Hanse­ stadt Hamburg das Recht der islamischen Religionsgemeinschaf­ ten, bei Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen die Ertei­ lung eines besonderen islamischen Religionsunterrichts nach Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes verlangen zu können. Protokollerklärung zu Artikel 6 Absatz 1 Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass innerhalb der kommenden fünf Jahre Schulpraxis, Didaktik und Rahmenplä­ ne, Lehrerbildung und -zulassung sowie der institutionelle Rah­ men für den Religionsunterricht nach Maßgabe von Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes weiterentwickelt werden sollen. Dies soll durch eine Arbeitsgruppe erfolgen, die aus Vertreterin­ nen und Vertretern der zuständigen Behörde sowie aus Vertrete­ rinnen und Vertretern solcher Religionsgemeinschaften besteht, die beabsichtigen, die Inhalte eines Religionsunterrichts in ge­ mischtkonfessionellen Klassenverbänden und Lerngruppen in Hamburg zu verantworten. Die Arbeitsgruppe legt ihre Ergeb­ nisse den jeweiligen Entscheidungsgremien zum Beschluss vor. Die Beteiligten beachten die ihnen durch Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes zugewiesenen Funktionen. (die Artikel 7–10 sind hier nicht abgedruckt) Artikel 11 Zusammenwirken (1) Die Vertragsparteien werden bedarfsabhängig Gespräche zur Intensivierung ihrer Beziehungen führen. Sie werden sich außer­ dem vor der Regelung von Angelegenheiten, die die beiderseiti­ gen Interessen berühren, miteinander ins Benehmen setzen und zur Besprechung solcher Angelegenheiten zur Verfügung stehen.

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Dies gilt auch für Gesetzesvorhaben des Senats, die Belange der islamischen Religionsgemeinschaften unmittelbar berühren. (2) Zur ständigen Vertretung ihrer Anliegen gegenüber der Frei­ en und Hansestadt Hamburg und zur gegenseitigen Information bestellen die islamischen Religionsgemeinschaften eine Beauf­ tragte oder einen Beauftragten bei Senat und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg. Artikel 12 Freundschaftsklausel Die Vertragsparteien werden in Zukunft auftretende Meinungs­ verschiedenheiten über die Auslegung oder Anwendung einer Bestimmung dieses Vertrages soweit möglich einvernehmlich klären. Artikel 13 Schlussbestimmungen (1) Dieser Vertrag tritt mit der Zustimmung der Bürgerschaft in Kraft. (2) Die Vertragsparteien werden auf die umfassende Verbreitung und Kenntnis der Vereinbarungen dieses Vertrages bei ihren Or­ ganen und Mitgliedern sowie in der Öffentlichkeit hinwirken. Sie stehen einander zur Erläuterung von Verhaltensweisen und Äußerungen ihrer Organe und Mitglieder zur Verfügung, die Inhalte dieser Vereinbarung berühren. Auf begründetes Verlan­ gen einer Vertragspartei stehen sie auch für öffentliche Erklärun­ gen zur Verfügung. (3) Die Vertragsparteien werden nach Ablauf von zehn Jahren Gespräche mit dem Ziel aufnehmen, im Lichte der gewonnenen Erfahrungen über diesen Vertrag und die Notwendigkeit von Änderungen und Ergänzungen zu verhandeln. Protokollerklärung zu Artikel 13 Absatz 3 Die islamischen Religionsgemeinschaften streben im Rahmen ihrer weiteren organisatorischen Entwicklung die Erlangung der Rechte von Körperschaften des öffentlichen Rechts nach Artikel

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140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 5 Satz  2 der Weimarer Reichsverfassung an. Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass diesbezügliche Fortentwicklungen auch die Neuordnung der wechselseitigen Beziehungen erforder­ lich machen werden. 6. Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V. vom 13. November 20127 Die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Senat, und die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V., vertreten durch ihren Vorstand (im Folgenden: Alevitische Gemeinde), schließen – in dem Bewusstsein, dass die Bürgerinnen und Bürger alevitischen Glaubens nach einer mehr als 50-jährigen Migrationsgeschichte zu einem festen Bestandteil der deutschen und der Hamburger Gesellschaft geworden sind, – in Würdigung der aktiven Beteiligung der Alevitischen Gemeinde und ihrer Mitglieder am religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben der Stadt, – in dem Wunsch, das alevitische Leben in Hamburg anzuerkennen und zu unterstützen, – mit dem Ziel, die Beziehungen zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Alevitischen Gemeinde partnerschaftlich weiterzuentwickeln, den folgenden Vertrag: Artikel 1 Glaubensfreiheit und Rechtsstellung (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg gewährleistet die Frei­ heit des alevitischen Glaubens nach Verfassung und Gesetz. Sie stimmt mit der Alevitischen Gemeinde darin überein, dass die 7   Nach Zustimmung der Bürgerschaft gemäß Art.  15 Abs.  1 am 13.6.2013 in Kraft getreten (Amtl. Anz. Nr.  51, S.  1001.

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Achtung des religiösen Bekenntnisses untrennbar mit der Ach­ tung und Toleranz gegenüber anderen Religionen und Weltan­ schauungen sowie gegenüber abweichenden Anschauungen und Handhabungen des eigenen Bekenntnisses verbunden ist. (2) Die Alevitische Gemeinde ordnet und verwaltet ihre Angele­ genheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle gel­ tenden Gesetzes. Die Vertragsparteien bekennen sich zum Grundsatz der Neutralität des Staates gegenüber Religionen und Weltanschauungen und zur vollständigen Geltung und Achtung der staatlichen Gesetze. Sie werden hierfür entschieden eintre­ ten, auf entgegenstehende Äußerungen verzichten sowie sich ge­ gen widersprechende Anschauungen wenden. Artikel 2 Gemeinsame Wertegrundlagen (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg und die Alevitische Ge­ meinde bekennen sich zu den gemeinsamen Wertegrundlagen der grundgesetzlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutsch­ land, insbesondere zur Unantastbarkeit der Menschenwürde, der Geltung der Grundrechte, der Völkerverständigung und der Toleranz gegenüber anderen Kulturen, Religionen und Weltan­ schauungen sowie der freiheitlichen, rechtsstaatlichen und de­ mokratischen Verfassung des Gemeinwesens. Sie sind sich einig in der Ächtung von Gewalt und Diskriminierung auf Grund von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Glauben oder re­ ligiöser oder politischer Anschauungen und werden gemeinsam dagegen eintreten. (2) Die Freie und Hansestadt Hamburg und die Alevitische Ge­ meinde bekennen sich insbesondere zur Gleichberechtigung der Geschlechter und zur vollständigen und gleichberechtigten Teil­ habe von Frauen und Mädchen am gesellschaftlichen und politi­ schen sowie am schulischen und beruflichen Leben. Sie setzen sich für die Verwirklichung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Mädchen an Bildung, Erwerbstätigkeit und gesell­ schaftlichem Leben ein und wenden sich entschieden gegen jede Art von Diskriminierung und physischer oder psychischer Ge­ walt.

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Protokollerklärung zu Artikel 2 Absatz 2 Die Alevitische Gemeinde weist darauf hin, dass Frauen und Männer nach alevitischer Lehre auch im Gemeindeleben gleich­ berechtigt sind. Sie fördert die Teilnahme von Frauen an ihrem Gemeindeleben. Artikel 3 Alevitische Feiertage (1) Die Freie und Hansestadt Hamburg achtet die alevitischen Feiertage, namentlich den Asure-Tag (beweglich), das Opferfest (beweglich), die Hizir-Tage (13. bis 15. Februar), Nevruz/An­ dacht Hz. Ali (21. März), Hidirellez (5./6. Mai), den Gedenktag Sivas (2. Juli), die Andacht Haci Bektas Veli (16. bis 18. August) und den Gedenktag für den Heiligen Hüseyin (10. Muharrem). (2) Der Asure-Tag (beweglich), Hizir-Lokmasi (15. Februar) und Nevruz/Andacht Hz. Ali (21. März) gelten als kirchliche Feier­ tage im Sinne des §  3 des Feiertagsgesetzes. Artikel 4 Bildungswesen Die Alevitische Gemeinde hat nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften das Recht, Bildungs- und Kultureinrichtungen zu unterhalten. Unbeschadet dessen bekennt sie sich zum staatli­ chen Schulwesen und zur allgemeinen Schulpflicht. Protokollerklärung zu Artikel 4 Satz  2 Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass das Bekennt­ nis zum staatlichen Schulwesen und zur allgemeinen Schulpflicht das Eintreten für die uneingeschränkte Teilnahme von Mädchen und Jungen am Unterricht einschließt. Artikel 5 Religionsunterricht (1) Die Vertragsparteien sind sich einig in der Anerkennung der Bedeutung, des Wertes und der Chancen des an den staatlichen Schulen der Freien und Hansestadt Hamburg erteilten Religi­ onsunterrichts in gemischtkonfessionellen Klassenverbänden

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und Lerngruppen. Sie streben deshalb im Rahmen von Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes eine Weiterentwicklung an, deren Ziel es ist, eine Verantwortungsstruktur für die Inhalte des Reli­ gionsunterrichts im Rahmen von Artikel 7 Absatz 3 des Grund­ gesetzes zu schaffen, die sowohl alle Religionsgemeinschaften im verfassungsrechtlichen Sinne gleichberechtigt am Religionsun­ terricht beteiligt, als auch einen gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihrer Religionszu­ gehörigkeit ermöglicht, um so die bestehende dialogische Form des Religionsunterrichtes zu erhalten. Das Nähere wird geson­ dert geregelt. (2) Ungeachtet des Absatzes 1 anerkennt die Freie und Hanse­ stadt Hamburg das Recht der Alevitischen Gemeinde, bei Vor­ liegen aller gesetzlichen Voraussetzungen die Erteilung eines be­ sonderen alevitischen Religionsunterrichts nach Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes verlangen zu können. (3) Das Recht der Alevitischen Gemeinde, in ihren Institutionen religiöse Unterweisungen durchzuführen, bleibt unberührt. Protokollerklärung zu Artikel 5 Zu Absatz 1 Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass innerhalb der kommenden fünf Jahre Schulpraxis, Didaktik und Rahmenplä­ ne, Lehrerbildung und -zulassung sowie der institutionelle Rah­ men für den Religionsunterricht nach Maßgabe von Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes weiterentwickelt werden sollen. Dies soll durch eine Arbeitsgruppe erfolgen, die aus Vertreterin­ nen und Vertretern der zuständigen Behörde sowie aus Vertrete­ rinnen und Vertretern solcher Religionsgemeinschaften besteht, die beabsichtigen, die Inhalte eines Religionsunterrichts in ge­ mischtkonfessionellen Klassenverbänden und Lerngruppen in Hamburg zu verantworten. Die Arbeitsgruppe legt ihre Ergeb­ nisse den jeweiligen Entscheidungsgremien zum Beschluss vor. Die Beteiligten beachten die ihnen durch Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes zugewiesenen Funktionen.

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Zu Absatz 2 Die Alevitische Gemeinde erwartet von der Weiterentwicklung des Religionsunterrichts eine systematische Berücksichtigung alevitischer Glaubensinhalte sowie deren Vermittlung durch alevitische Religionslehrer, um dem Bedürfnis alevitischer Kin­ der und Eltern nach einem bekenntnisorientierten Religionsun­ terricht gerecht zu werden. Sie behält sich vor, von ihrem Recht aus Artikel 5 Absatz 2 Gebrauch zu machen, wenn sich diese Er­ wartung nicht erfüllt oder andere Religionsgemeinschaften den Weg eines eigenen Religionsunterrichts beschreiten sollten. Artikel 6 Hochschulwesen Um einen Religionsunterricht in gemischtkonfessionellen Klas­ senverbänden und Lerngruppen mit alevitischer Beteiligung nach Artikel 5 zu ermöglichen, ist eine dauerhafte Vertretung alevitischer Lehre an der Universität Hamburg erforderlich. Die Vertragsparteien sind darüber einig, dass die Freie und Hanse­ stadt Hamburg diesen Bedarf in die Ziel- und Leistungsverein­ barung mit der Universität Hamburg im Jahr 2013 einbringen wird. (die Artikel 7–11 sind hier nicht abgedruckt) Artikel 12 Zusammenwirken (1) Die Vertragsparteien werden bedarfsabhängig Gespräche zur Intensivierung ihrer Beziehungen führen. Sie werden sich außer­ dem vor der Regelung von Angelegenheiten, die die beiderseiti­ gen Interessen berühren, miteinander ins Benehmen setzen und zur Besprechung solcher Angelegenheiten zur Verfügung stehen. (2) Die Alevitische Gemeinde benennt eine Vertreterin oder ei­ nen Vertreter, die bzw. der der Freien und Hansestadt Hamburg als ständige Ansprechpartnerin bzw. ständiger Ansprechpartner zur Verfügung steht.

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Artikel 13 Freundschaftsklausel Die Vertragsparteien werden etwaige Meinungsverschiedenhei­ ten über die Auslegung und Anwendung von Bestimmungen die­ ses Vertrages soweit möglich einvernehmlich klären. Artikel 14 Schlussbestimmungen (1) Die Vertragsparteien werden auf die umfassende Verbreitung und Kenntnis dieser Vereinbarung bei ihren Organen und Mit­ gliedern und in der Öffentlichkeit hinwirken. (2) Die Freie und Hansestadt Hamburg und die Alevitische Ge­ meinde stehen einander zur Erläuterung von Verhaltensweisen und Äußerungen ihrer Organe und Mitglieder, die Inhalte dieser Vereinbarung berühren, zur Verfügung. Auf begründetes Ver­ langen der Vertragsparteien stehen sie auch für öffentliche Erklä­ rungen zur Verfügung. Artikel 15 Inkrafttreten (1) Dieser Vertrag tritt mit der Zustimmung der Bürgerschaft in Kraft. (2) Die Vertragsparteien werden nach Ablauf von zehn Jahren Gespräche mit dem Ziel aufnehmen, im Lichte der gewonnenen Erfahrungen über diesen Vertrag und die Notwendigkeit von Änderungen und Ergänzungen zu verhandeln. Protokollerklärung zu Artikel 15 Absatz 2 Die Alevitische Gemeinde strebt im Rahmen ihrer weiteren or­ ganisatorischen Entwicklung die Erlangung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nach Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 5 Satz  2 der Weimarer Reichsverfassung an. Die Vertragsparteien stim­ men darin überein, dass diesbezügliche Fortentwicklungen auch die Neuordnung der wechselseitigen Beziehungen erforderlich machen werden.

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7. Vereinbarung zwischen der Behörde für Schule und Berufsbildung und der Jüdischen Gemeinde Hamburg vom 11.2.2014 Die Behörde für Schule und Berufsbildung der Freien Hanse­ stadt Hamburg und die Jüdische Gemeinde Hamburg treffen im Sinne von Art.  3, Abs.  2 des Vertrags zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg vom 20.6.2007 und von Absatz 7 der Vereinbarung zwischen der Jüdischen Gemeinde in Hamburg und der Freien und Hanse­ stadt Hamburg vom 5.12.1994 folgende Vereinbarung: 1. Die Jüdische Gemeinde in Hamburg und die Behörde für Schule und Berufsbildung sind sich einig in der Anerkennung der Bedeutung, des Wertes und der Chancen des an den staatlichen Schulen der Freien und Hansestadt Hamburg erteilten Religi­ onsunterrichts in gemischtkonfessionellen Klassenverbänden und Lerngruppen. Sie streben deshalb im Rahmen von Artikel 7 Absatz 3 GG eine Weiterentwicklung an, deren Ziel es ist, eine Verantwortungsstruktur für die Inhalte des Religionsunterrichts im Rahmen von Artikel 7 Absatz 3 GG zu schaffen, die sowohl alle Religionsgemeinschaften im verfassungsrechtlichen Sinne gelichberechtigt am Religionsunterricht beteiligt, als auch einen gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern unab­ hängig von ihrer Religionszugehörigkeit ermöglicht, um so die bestehende dialogische Form des Religionsunterrichtes zu erhal­ ten. Das Nähere wird gesondert geregelt. 2. Die Behörde für Schule und Berufsbildung der Freien und Hansestadt Hamburg (BSB) und die Jüdische Gemeinde in Hamburg sind sich darüber einig, dass innerhalb der kommen­ den fünf Jahre Schulpraxis, Didaktik und Rahmenpläne, Leh­ rerbildung und -zulassung sowie der institutionelle Rahmen für den Religionsunterricht nach Maßgabe von Artikel 7 Absatz 3 GG weiterentwickelt werden sollen. Hierzu wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die aus Vertrete­ rinnen und Vertretern der zuständigen Behörde sowie aus Ver­ treterinnen und Vertretern solcher Religionsgemeinschaften be­ steht, die beabsichtigen, die Inhalte eines Religionsunterrichts in

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gemischtkonfessionellen Klassenverbänden und Lerngruppen in Hamburg zu verantworten. Die Arbeitsgruppe legt ihre Ergeb­ nisse den jeweiligen Entscheidungsgremien zum Beschluss vor. Die Beteiligten beachten die ihnen durch Artikel 7 Absatz 3 GG zugewiesenen Funktionen. 3. Die Gemischte Kommission der Behörde für Schule und Be­ rufsbildung und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg, wie sie in Absatz 7 der Vereinbarung von 1994 vorgesehen ist, gewährleis­ tet bei der Durchführung und Gestaltung des Religionsunter­ richts die Übereinstimmung mit den Grundsätzen der jüdischen Religionsgemeinschaft. 4. Ungeachtet des Absatzes 1 anerkennt die Freie und Hansestadt Hamburg das Recht der Jüdischen Gemeinde auf die Rückkehr zur Erteilung eines besonderen Jüdischen Religionsunterrichts nach Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetzes. 5. Unbeschadet von dieser Vereinbarung bleibt das Recht der Jü­ dischen Gemeinde in Hamburg gemäß Art.  3 Abs.  1 des Vertrags zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdi­ schen Gemeinde in Hamburg vom 20.6.2007, Religionsunter­ richt in den Institutionen der Gemeinde und in den von ihr un­ terhaltenen jüdischen Schulen durchzuführen. 6. Die Vereinbarung von 1994 wird durch die vorliegende Ver­ einbarung aufgehoben, sobald die Weiterentwicklung des Religi­ onsunterrichts abgeschlossen ist. Hierüber befindet die Gemisch­ te Kommission der Behörde für Schule und Berufsbildung und der jüdischen Gemeinde. Norbert Rosenboom Landesschulrat

Bernhard Effertz Vorsitzender der jüdischen Gemeinde

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8. Geschäftsordnung für die Gemischte Kommission Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. / Behörde für Schule und Berufsbildung8 Grundlage und Funktion Die Gemischte Kommission berät schul- und bildungspolitische Belange und alle Fragen, die den von der alevitischen Gemeinde Deutschland e.V. verantworteten Religionsunterricht betreffen. Die alevitische und die staatliche Seite übernehmen dabei die ihnen grundgesetzlich zugewiesene Funktion. Die Beschlüsse er­ folgen im Konsens. Zusammensetzung Die Gemischte Kommission besteht aus jeweils zwei Vertretern der beiden Seiten. Die jeweilige Seite bestimmt, wen sie in die Kommission entsendet. In beidseitigem Einverständnis können Gäste zu den Sitzungen hinzugebeten werden. Arbeitsweise Die Einladungen für die Sitzungen der Gemischten Kommission erfolgen, wenn nicht anders vereinbart, im Wechsel zwischen staatlicher und alevitischer Seite. Die jeweils einladende Seite hat den Vorsitz. Im beidseitigen Einvernehmen können Be­ schlüsse auch im Schriftwechsel erfolgen. Protokoll Das Protokoll wird, wenn nicht anders vereinbart, wechselweise von staatlicher und alevitischer Seite erstellt. Die protokollfüh­ rende Seite verfasst einen Protokollentwurf und stimmt diesen mit der anderen Seite auf Arbeitsebene ab. Jede Seite sorgt für die 8   Die Dokumente 8–10 repräsentieren einen Ausschnitt der praktischen Arbeit zum „Religionsunterricht für alle“; sie waren nicht Teil der verfassungsrechtlichen Begutachtung. Für die „Gemischte Kommission“ zwischen Hansestadt Hamburg und Nordkirche gibt es keine gesonderte Geschäftsordnung, sie arbeitet auf der Grundlage der Vereinbarung von 1964, s. oben Nr.  1. Zu Nr.  8: Vereinbart auf der 1. Sitzung der Gemischten Kommission Alevitische Gemeinde / Behörde für Schule und Berufsbildung am 29.2.2014.

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jeweils interne Vor-Abstimmung. Spätestens 28 Tage nach der Sitzung versendet die protokollführende Seite den Entwurf an die jeweils andere Seite. Geltung der Vereinbarungen Beide Seiten stellen je für sich die Zustimmung der Behördenlei­ tung bzw. der zuständigen Gremien zu den getroffenen Be­ schlüssen sicher. Erfolgt 28 Tage nach Zugang des Protokolls kein Widerspruch, sind die Vereinbarungen verbindlich. Sollte die Behördenleitung bzw. sollten die zuständigen Gremien der alevitischen Gemeinde einzelnen Vereinbarungen der Ge­ mischten Kommission widersprechen, wird dies der anderen Sei­ te mitgeteilt und das Thema wird erneut auf der folgenden Sit­ zung besprochen. Sollten Differenzen in der Protokollierung im Rahmen des oben beschriebenen Verfahrens nicht ausgeräumt werden können, werden im Protokoll beide Protokollierungswünsche vermerkt und auf der folgenden Sitzung der Gemischten Kommission be­ sprochen. Erfolgt ein Beschluss durch Schriftwechsel, so gilt er, sobald die beiden Seiten ihm schriftlich zugestimmt haben. 9. Geschäftsordnung für die Gemischte Kommission Islamische Religionsgemeinschaften / Behörde für Schule und Berufsbildung9 Grundlage und Funktion Die Gemischte Kommission berät schul- und bildungspolitische Belange und alle Fragen, die den von den islamischen Religions­ gemeinschaften verantworteten Religionsunterricht betreffen. Die islamische und die staatliche Seite übernehmen dabei die

9   Vereinbart auf der 1. Sitzung der Gemischten Kommission Islamische Religionsgemeinschaften / Behörde für Schule und Berufsbildung am 8.9.2014.

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ihnen grundgesetzlich zugewiesene Funktion. Die Beschlüsse er­ folgen im Konsens. Zusammensetzung Die Gemischte Kommission besteht islamischerseits aus jeweils zwei Vertretern von DITIB–Nord, Schura – Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg und dem Verband der islamischen Kulturzentren und staatlicherseits aus maximal sechs Vertretern der Behörde für Schule und Berufsbildung. Die jeweilige Seite bestimmt, wen sie in die Kommission entsendet. In beidseitigem Einverständnis können Gäste zu den Sitzungen hinzugebeten werden. Arbeitsweise Die Einladungen für die Sitzungen der Gemischten Kommission erfolgen, wenn nicht anders vereinbart, im Wechsel zwischen staatlicher und islamischer Seite. Die jeweils einladende Seite hat den Vorsitz. Im beiderseitigen Einvernehmen können Be­ schlüsse auch im Schriftwechsel erfolgen. Die islamische Seite benennt der staatlichen Seite einen Koordi­ nator, der die Stellungnahmen und Absprachen der drei musli­ mischen Religionsgemeinschaften abstimmt. Zwischen den Sit­ zungen erfolgt der Kontakt auf Arbeitsebene zwischen diesem Koordinator und dem zuständigen Fachreferenten der Behörde. Protokoll Das Protokoll wird, wenn nicht anders vereinbart, wechselweise von staatlicher und islamischer Seite erstellt. Die protokollfüh­ rende Seite verfasst einen Protokollentwurf und stimmt diesen mit der anderen Seite auf Arbeitsebene ab. Jede Seite sorgt für die jeweils interne Vor-Abstimmung. Spätestens 28 Tage nach der Sitzung versendet die protokollführende Seite den Entwurf an die Behörde für Schule und Berufsbildung und an alle drei isla­ mischen Religionsgemeinschaften. Geltung der Vereinbarungen Beide Seiten stellen je für sich die Zustimmung der Behördenlei­

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tung bzw. der zuständigen Gremien zu den getroffenen Be­ schlüssen sicher. Erfolgt 28 Tage nach Zugang des Protokolls kein Widerspruch, sind die Vereinbarungen verbindlich. Sollte die Behördenleitung bzw. sollten die zuständigen Gremien der islamischen Religionsgemeinschaften einzelnen Vereinba­ rungen der Gemischten Kommission widersprechen, wird dies der anderen Seite mitgeteilt und das Thema wird erneut auf der folgenden Sitzung besprochen. Sollten Differenzen in der Protokollierung im Rahmen des oben beschriebenen Verfahrens nicht ausgeräumt werden können, werden im Protokoll beide Protokollierungswünsche vermerkt und auf der folgenden Sitzung der Gemischten Kommission be­ sprochen. Erfolgt ein Beschluss durch Schriftwechsel, so gilt er, sobald alle drei beteiligten islamischen Religionsgemeinschaften und die Be­ hörde für Schule und Berufsbildung ihm schriftlich zugestimmt haben. 10. Didaktische Grundsätze des Religionsunterrichts für alle10 Die Lenkungsgruppe empfiehlt den Gemischten Kommissionen, die nachfolgenden Didaktischen Prinzipien zu beschließen. Sie sind die didaktischen Leitlinien für den weiteren Entwicklungs­ prozess und werden am Ende der Pilotphase erneut geprüft. Als Teil der noch zu erarbeitenden neuen Rahmenpläne gewinnen sie Hamburgweite Gültigkeit mit deren Inkrafttreten. Der Religionsunterricht für alle orientiert sich an sechs didakti­ schen Grundsätzen, die sich wechselseitig regulieren. Jeweils zwei dieser Grundsätze konzentrieren sich in polarer Komple­ mentarität auf eine didaktische Grundebene und -frage: Das 10   Beschluss der Leitungsebene der gemeinsamen Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des Religionsunterrichts in der Lenkungssitzung vom 20.5.2015 und Beschlussvorlage für die Gemischten Kommissionen; Zustimmung durch die Gemischte Kommission Behörde für Schule und Berufsbildung/Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland am 1.12.2015.

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Zusammenwirken von Schüler- und Quellenorientierung be­ stimmt, was gelernt wird (Inhaltsebene) – das Zusammenwirken von dialog- und religionsspezifischer Orientierung regelt, wie gelernt wird (Lernprozessebene) – und das Zusammenwirken von Authentizitäts- und Wissenschaftsorientierung klärt, wor­ aus sich die Lerninhalte ableiten (Bezugsebene). Schülerorientierung: Die Inhalte und Themen des Religionsun­ terrichts orientieren sich an den lebensweltlichen Erfahrungen und Fragen der Schülerinnen und Schüler. Er berücksichtigt in­ dividuelle, migrationsbedingte, entwicklungspsychologische und geschlechtsspezifische Lernvoraussetzungen. Schülerinnen und Schüler werden ermutigt, ihre eigene Perspektive einzubringen und individuelle Lernwege einzuschlagen. Die Entwicklung der individuellen Religiosität bzw. Weltanschauung der Schülerin­ nen und Schüler wird im Religionsunterricht geschützt und ge­ fördert. Dabei muss auf religiöse, weltanschauliche und kulturel­ le Vielfalt – auch innerhalb einer Religion – sensibel geachtet werden. Wo möglich und pädagogisch angemessen bezieht der Unterricht die Pluralität der Traditionen, Überzeugungen und religiösen Praktiken in der Schülerschaft und im Schulumfeld ein und beachtet dabei ihre innere Vielfalt. Quellenorientierung: Der Religionsunterricht macht die Schüle­ rinnen und Schüler mit wesentlichen Inhalten der Religionen in ihrer inneren Differenziertheit bekannt. Er erschließt die Quel­ len der Religionen insbesondere auch hinsichtlich ihres Bezugs zur Entdeckung, Förderung und Stärkung von Menschenwürde und Menschenrechten. Eine zentrale Rolle spielen die Quellen der Religionen mit ihrer Auslegungs- und Wirkungsgeschichte: Heilige Bücher/Texte und ihre Übersetzungen, mündliche Überlieferungen, Lieder, Bilder, Symbole und Riten. Sie werden in einen wechselseitigen Er­ schließungszusammenhang mit den lebensweltlichen Erfahrun­ gen der Schülerinnen und Schüler gebracht, um die in ihnen ent­ haltenen Angebote existenzieller Selbstvergewisserung und Möglichkeiten ethischer Orientierung zu erschließen. Hierfür werden sprachlich-exegetische, historisch-kritische, philologi­

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sche, meditative, symbol-erschließende, dramatische, gestalteri­ sche und spielerische Methoden herangezogen. Deren ansatzwei­ se selbstständige und angemessene Nutzung durch die Schülerin­ nen und Schüler ist zu fördern. Dialogorientierung: Der Religionsunterricht ist geprägt von of­ fenem Dialog, in dem alle Beteiligten ihre religiösen bzw. wel­ tanschaulichen Fragen, Orientierungen und Kenntnisse einbrin­ gen, sie austauschen und reflektieren. Das Lernen im Dialog ist auf religionsspezifisches Lernen bezogen, beides bedingt einan­ der und führt zu einem vertieften Verständnis der je eigenen Re­ ligion und Orientierung. Damit sich jede und jeder entfalten kann, muss die Atmosphäre im Unterricht und im Schulleben von Fairness, Anerkennung, Wertschätzung und Vertrauen geprägt sein. Die Pluralität von Orientierungen wird geachtet. Der Dialog und die Auseinan­ dersetzung über Verbindlichkeit und Begründung von Überzeu­ gungen orientieren sich an Regeln des vernunftbezogenen, auf Verständigung gerichteten Diskurses. Die Grenzen der Akzep­ tanz von Auffassungen werden durch die universale Geltung der Menschenrechte und die damit verbundenen fundamentalen Rechte auf freie Meinungsäußerung und Partizipation in einem auf Frieden angelegten Miteinander gezogen. Lehrerinnen und Lehrer bringen ihre eigene Position ohne Do­ minanz, pädagogisch verantwortet und argumentativ ein. Sie exemplifizieren für Schülerinnen und Schüler religiöse Positio­ nalität jenseits der Alternative von Egalität oder Fundamenta­ lismus. Sie sind Bürgen für eine empathische, respektvolle und offene Dialog-Kultur und üben auf diese Weise mit den Schüle­ rinnen und Schülern den kategorischen Imperativ für religiöse Bildung ein: ‚Präsentiere und repräsentiere deine eigene Über­ zeugungen stets so, dass du deren Verbindlichkeit für dich selbst auch allen anderen für die ihren zumindest zugestehst.‘ Religionsspezifische Orientierung: Die didaktische Grundform des Religionsunterrichts ist der wechselseitige Bezug von reli­ gions-spezifischem Lernen und offenem Dialog. Die Schülerin­

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nen und Schüler erwerben im Religionsunterricht ein vertieftes Verständnis einer spezifischen Religion: Schülerinnen und Schü­ ler, die von einer Religion geprägt sind, erweitern und vertiefen ihre Kenntnisse und verstärken so das Vertrautsein mit ihrer Re­ ligion; wer ohne Bezüge zu einer Religion aufwächst, gewinnt exemplarische Einsichten und erhält Impulse zur Lebensgestal­ tung. Soweit möglich wird allen Schülerinnen und Schülern eine Vertiefung in ihrer jeweiligen Religion geboten, zugleich wird niemand zur Übernahme einer bestimmten religiösen Orientie­ rung gezwungen. Bis zur Religionsmündigkeit stimmt sich die Lehrkraft hierbei mit den Erziehungsberechtigten ab. Der Religionsunterricht besteht aus religionsübergreifenden und religionsspezifischen Phasen. In den religionsspezifischen Phasen wird eine Religion oder ein Einzelthema einer Religion in der inneren Systematik erarbeitet und so ein authentisches Verständ­ nis – sei es der eigenen oder einer fremden Religion – ermöglicht. In religionsübergreifenden Phasen begegnen die Schülerinnen und Schüler den Religionen im Dialog, verstehen so Zusammen­ hänge und lernen sich selbst zu positionieren. Der Anteil der religionsspezifischen Phasen beträgt mindestens die Hälfte der Lernzeit, wovon wiederum mindestens die Hälfte der Zeit den Schülerinnen und Schülern Gelegenheit gegeben werden muss, Kenntnisse in ihrer eigenen Religion zu vertiefen. Im Hinblick auf die Zusammensetzung der jeweiligen Lern­ gruppe wählt die Lehrkraft hierfür geeignete Unterrichtsarran­ gements. Die religionsspezifischen Phasen gewinnen im „Religionsunter­ richt für alle“ ihre Funktion dadurch, dass die in ihr gewonnen Erkenntnisse und erworbenen Kompetenzen in den Dialog mit Schülerinnen und Schülern anderer Religionen und Orientie­ rungen eingebracht werden. Erst durch diese Bezogenheit aufei­ nander leisten religionsspezifische und religionsübergreifende Phasen einen Beitrag zu Förderung und Schutz der Entwicklung der individuellen Religiosität bzw. Weltanschauung der Schüle­ rinnen und Schüler (vgl. oben zum Prinzip Schülerorientierung).

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Die religiöse Vielfalt zeigt sich auch in der Zusammensetzung der Lehrkräfte, die Religion unterrichten. Die Zusammenarbeit in einer multireligiösen Fachschaft unterstützt die fachliche Qualität des Unterrichts und die authentische Vermittlung. An­ zustreben ist, dass Schülerinnen und Schüler im Verlauf ihrer Schullaufbahn Religionsunterricht durch Lehrkräfte unter­ schiedlicher Religionszugehörigkeit erhalten. Religionsspezifi­ sche Phasen sollen durch Lehrkräfte der jeweiligen Religion un­ terrichtet werden. Authentizitätsorientierung: Der Religionsunterricht ist auf das Verhältnis zwischen authentischen Glaubensformen und ihrer theologischen Reflexion bezogen. Im Religionsunterricht begeg­ nen die Schülerinnen und Schüler Religionen und Weltanschau­ ungen möglichst authentisch. Sie werden entsprechend ihren Selbstverständnissen thematisiert – also von der Innenperspekti­ ve der Religionen herkommend und nicht in der Außenperspek­ tive einer neutralen Religionskunde oder einer übergestülpten vermeintlichen Einheitsreligion. Deshalb werden Gemeinsam­ keiten zwischen Religionen und Weltanschauungen benannt, Unterschiede nicht verwischt oder harmonisiert: Eigentümliches und Besonderes wird sichtbar und Fremdes im Gespräch er­ schlossen. Originale Begegnungen, wie Erkundungen vor Ort oder Einla­ dungen in den Unterricht, sowie der Einsatz originaler Materia­ lien ermöglichen ein authentisches Kennenlernen und wirken unaufgeklärten Vorurteilen und distanzierter Beliebigkeit ent­ gegen. Sie sind besonders wichtig, wenn eine Religion weder in der Lerngruppe noch im Schulumfeld vertreten ist. Gelebte Glaubenspraxis und authentische Begegnungen werden jedoch an der Theologie der jeweiligen Religion gemessen, um ein feh­ lerhaftes Verständnis und fundamentalistische Vereinnahmun­ gen zu vermeiden. Wissenschaftsorientierung: Inhalte, Lernformen und Intentio­ nen des Religionsunterrichts werden gegenüber Theologien und Religionspädagogiken der jeweiligen Religionen verantwortet, die sich wiederum auf den jeweiligen authentischen Glauben re­

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flexiv beziehen. Religionswissenschaft und benachbarte Geistesund Sozialwissenschaften ergänzen die Bezüge. Als Wissenschaftspropädeutik sind die Schülerinnen und Schüler mit zunehmendem Alter in eine ansatzweise selbstständige Nut­ zung wissenschaftlich-theologischer Methoden einzuführen.

Register Abendmahlsfrage 52 f. Allgemeine Handlungsfreiheit 7 – und Religionsfreiheit 2, 6 ff., 15 ff., 71, 79 Altenpflege 19 Amt 14 – konfessionell gebundenes Staatsamt 14 (Fn.  31) Anpassungsdruck 12 Außenseiter 10,26 Bekenntnis 7, 14, 23, 32, 40, 42, 45, 56, 69, 77 – s. a. Glaubenswahrheit Bekenntnisschule 13, 24, 30, 70 Bekenntnisfreie Schule 23, 39, 69 Beschneidung 17 Bibel 16 Bildung und Erziehung 24 Bischofskirche 27 Bundesländer → Länder Bundesverfassungsgericht 3, 7 f., 10 f., 18, 23, 36, 43, 46 ff., 50, 55, 63 f., 73 Bundesverwaltungsgericht 26 (Fn.  66 f.) Burkini 26 f. (Fn.  67),

→ s. a. Schule/Schwimm­ unterricht Bremer Klausel (Art. 141 GG) 32 Caritas 9 (Fn.  20), 19 Christentum 1, 8 Diakonie 9 (Fn.  20), 19, 19 (Fn.  45), 20 (Fn.  49) Diskriminierung 12 Dreieiniger Gott 57 (Fn.  44) Erziehungsrecht – der Eltern 24 f., 70 – staatliches Schulmandat 13, 24, 46, 55, 72 ff., 82 Ethikunterricht 31 Europäischer Gerichtshof (EuGH) 20 (Fn.  49) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 20 (Fn.  49) Evangelische Kirche 11, 32, 35, 59 f., 76 – s. a. Nordkirche „Freie Träger“ 9 (Fn.  20), 19 (Fn.  44) Freiheit 4, 7 ff.

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Register

– s. a. Allgemeine Handlungsfreiheit – s. a. Glaubensfreiheit – s. a. Religionsfreiheit Gebet → Schulgebet Gegenreformation 11 Gemeinschaftsschule 13, 23 f., 30, 70, 70 (Fn.  53) Gesetzgebung, Gesetzgeber 1 f., 7 (Fn.  14), 16 f., 19 (Fn.  44), 25, 38, 61 ff. Gesetzesvorbehalt 14 (Fn.  35), 25 Glaubensfreiheit – und Religionsfreiheit 2, 6 ff., 15 ff., 71, 79 Glaubenswahrheit 29 – als Begründung des Religionsunterrichts 55, 58, 72 ff., 80, 82 – Gleichzeitigkeit von Glaubenswahrheiten 75 f., 83 Gleichheit – im Religionsrecht 10 – s. a. Parität Glockengeläut 16 (Fn.  37) Gottesdienst 14 Grundrechte – Entfaltung als Schulauftrag 24, 70 f. – s. a. Religionsfreiheit Grundschule 30 f. Gymnasium (höhere Schule) 23

Islam 1, 4 (Fn.  7), 5, 12, 16, 25, 31, 33, 41 (Fn.  17), 53, 57 (Fn.  44), 76 (Fn.  57) Jugendhilfe 9, 19 Katholische Kirche 11, 52 Kirchen 47 – und Schule 21 ff. – als Arbeitgeber 19 f. – s. a. evangelische Kirche, katholische Kirche, Nordkirche Konfession 11, 23 f., s. a. Bekenntnis Konfessionsschule → Bekenntnisschule Körperschaft des öffentliches Rechts 14, 45 Kooperation – zwischen Staat und Reli­ gionsgemeinschaften 12 – s. a. Religionsunterricht Koordinationslehre 11 Kopftuch 18, 27, 70 (Fn. 53) Koran 16 Krankenversorgung 14 Kreuz/Kruzifix 16 (Fn.  36), 18, 26 (Fn.  65), 70 (Fn.  53) Länder (Bundesländer) – im Bildungswesen 23, 38, 40 Laizismus 23, 69, 71 Landesherrliches Kirchenregiment 11

Register

Landesrecht 14 (Fn.  33), 23 (Fn.  57), 38 ff., 38 (Fn.  15) Lehrer 23, 56 f., 80 f. – religiöse Erkennbarkeit 81 – Zulassung zum Religionsunterricht 46, 81 f. LER 51 f. Leuenberger Konkordie 52 Migration 16 Muezzin 16 Nationalsozialismus 22 Neutralität – Weltanschauliche N. des Staates 10 ff., 73 ff. Nordkirche 29 (Fn.  1), 33, 34 Parität 1, 11 Pflegeleistungen 9 Philosophieunterricht 31, 51 Pluralismus 1 ff., 25, 76 – und Pluralität 28, 30, 76 Privatschule 13 Querulant 10 Rechtsstaat 62 Reformation 11 Religionsfreiheit 6 ff. – als einheitliches Grundrecht 7 – als individuelles und kollektives Recht 6 ff. – negative 17 f. – positive 16 f. Religionsgemeinschaft 45

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– im Sinn des Art. 7 Abs. 3 GG 27 f. Religionskunde 51, 59, 74 f., 78, 81 Religionssoziologie 2 (Fn.  1), 3, 30, 45, 50, 66, 67 Religionsunterricht 27, 29 ff. – Abgrenzung von Religionskunde 47 f., 51 – Abmeldung 29, 50, 79 – als entwicklungsoffene Materie 36 f., 47, 65 – als gemeinsame Angelegenheit von Staat und Religionsgemeinschaften 43 ff., 55, 57 – als konfessioneller Unterricht 32, 48 ff., 52, 67 – als Strukturelement des Schulverfassungsrechts 29, 66, 68 ff. – Anspruch auf R. 45 f. – Beheimatung, religiöse – evangelischer R. 52 f. – Formen → Organisationsformen – gemeinchristlicher R. 53 – Geschichte 22 – Glaubenswahrheit s. dort – Grundsätze der Religionsgemeinschaften 27, 29, 33, 35, 46 ff. –  als Kombinationslösung 54 ff. – Grundsätze des Religionsunterrichts 51, 58, 75, 77, 83

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Register

– „in evangelischer Verantwortung“ 32 – islamischer R. 53 f. – kath. R. 52 – „konfessionelle Positivität und Gebundenheit“ 47 f., 53, 56, 60, 72, 74 – Kooperation von Religionsgemeinschaften 49, 58 – ordentliches Lehrfach 44, 65 – Organisationsformen 31, 48 ff. – Teilnehmer 45, 49, 58 – und staatliches Schulmandat 55 – Unterrichtsplan 80 ff., 83 – R. „von allen“ 78 – Trägerschaft 32, 60, 78 f. –  Trägerpluralität 34, 68 ff., 79 ff. – Zulassung der Lehrkräfte s. dort Religionsverfassungsrecht 2 Schule 21 ff.   als Bekenntnisschule, bekenntnisfreie Schule, Gemeinschaftsschule, Grundschule, Gymnasium, Volksschule s. dort – Befreiung vom Unterricht 26 – öffentliche Schule 23 – Schulpflicht 23 (Fn.  57), 25 – Schulprogramm 25

– Schwimmunterricht → Sportunterricht – Sportunterricht 26 – Staatliche Schulaufsicht 22 – und Kirche 21 ff. – und Religion – historische Entwicklung 21 ff. Schulgebet 25 f. Schulpflicht 23 (Fn.  57), 25, 70 Schulgesetze Bayern 40, Hamburg 42 ff., Niedersachsen 40, Nordrhein-Westfalen 41 Schutznormtheorie 16 Seelsorge 14 Selbstbestimmungsrecht – der Religionsgemeinschaften 9, 9 (Fn.  20), 14 – der Schülerinnen und Schüler 24 Sozialstaat 9, 15, 19 f., 19 (Fn.  44), 69 Sozialverbände 9 Staat – als Heimstatt aller Bürger 11, 18, 70 – als juristische Person 24 – und Kirche: „hinkende Trennung“ 14 Staatskirche 11 Staatskirchenrecht 5 (Fn.  9) Staatsleistungen 14 Strafanstalt 14 Sonntagsruhe 14

Register

Terror 16 Tierschutz 16 Unitarisierung 3 Verantwortung – für Unterrichtsinhalte 32 ff., 46, 49, 54 ff., 75 ff. Verfassungsrecht – als Maßstab 61 ff. – und Rechtsgestaltung 62 ff. Vergrundrechtlichung 3 Verträge im Religionsrecht 8 (Fn.  16), 40, 69, Anhang

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Vokation 81 Volkskirche 1, 4, 5, 9 Volksschule 22, 30 Weimarer Kirchenartikel 2, 7 (Fn.  11), 14 Weimarer Reichsverfassung 11, 7 (Fn.  11), 39, 67 Weimarer Schulkompromiss 22 Weltanschauliche Neutralität → Neutralität Zuwanderung → Migration