Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen: Ein Handbuch [1 ed.] 9783666776953, 9783525776957

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Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen: Ein Handbuch [1 ed.]
 9783666776953, 9783525776957

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35 mm

Roland Biewald / Andreas Obermann / Bernd Schröder / Wilhelm Schwendemann (Hg.)

Das Handbuch für den „Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen“ macht theologisches Grundlagenwissen mit Blick auf die spezielle Unterrichtspraxis berufsbildender Schulen zugänglich. Es ist ein Wegweiser für jede Religionslehrerin und jeden Religionslehrer an einer berufsbildenden Schule – insbesondere für Referendarinnen und Referendare sowie Berufseinsteigerinnen und -einsteiger. In fünf Kapiteln werden strukturiert und umfassend alle wesentlichen Facetten des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen (BRU) erschlossen. Im ersten Kapitel werden systemische Aspekte, u. a. die Vielfalt berufsbildender Schulen, veranschaulicht. Das zweite Kapitel widmet sich personalen Aspekten und wirft einen Blick auf die Schüler- und Lehrerschaft an berufsbildenden Schulen. Zentral sind die didaktischen Aspekte im dritten Kapitel, in denen u. a. Schlüsselbegriffe, ­berufsschul-spezifische Themen und didaktisch-methodische Herausforderungen in der Praxis behandelt werden. Essenziell für die stetige Weiterentwicklung des BRU ist seine Reflexion. Das vierte Kapitel beleuchtet unter dieser Prämisse wissenschaftsbezogene Aspekte und gibt Impulse zur Berufspädagogik und berufsbezogenen Religionspädagogik. Das fünfte Kapitel setzt sich mit der Bedeutsamkeit, den didaktischen Herausforderungen und Entwicklungen des interreligiösen Lernens auseinander. Abgerundet wird der Band mit einem Ausblick zur Wichtigkeit des BRU und einem Überblick über zentrale Materialien und Medien.

Ein Projekt der Gesellschaft für Religionspädagogik Villigst e.V. mit Unterstützung durch den Verband katholischer Religionslehrer/innen (VKR)

Biewald / Obermann / Schröder /  Religionsunterricht an Schwendemann (Hg.) berufsbildenden Schulen

Die Herausgeber Dr. Roland Biewald ist Professor für Religionspädagogik am Institut für ­Ev. ­Theologie in der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität Dresden. Dr. Andreas Obermann ist Professor für Religionspädagogik und stellvertretender Direktor des Bonner evangelischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik (bibor). Dr. Bernd Schröder ist Professor für Praktische Theologie und Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen. Dr. Wilhelm Schwendemann ist Professor für Ev. Theologie, Religions- und Schulpädagogik an der Evangelischen Hochschule Freiburg.

Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen Ein Handbuch

Roland Biewald/Andreas Obermann/Bernd Schröder/ Wilhelm Schwendemann (Hg.)

Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen Ein Handbuch

Vandenhoeck & Ruprecht

Mit 9 Abbildungen und 9 Tabellen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: © Stockimo/Shutterstock ISBN 978-3-666-77695-3 © 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Vorwort Andreas Obermann/Birgit van Elten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Geleitworte Birgit Sendler-Koschel/Frank Ronge/Claudia Bogedan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einleitung: Grundbegriffe und Perspektiven berufsbezogener Religionspädagogik Bernd Schröder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. BRU und Berufsbildende Schulen – systemische Aspekte I.1 Berufsbildende Schulen als Schulsystem Peter Schwafferts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I.2 Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen Reinhold Boschki/Friedrich Schweitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I.3 Außerschulische Institutionen als Mitgestalterinnen des BRU Marc Fachinger/Joachim Ruopp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I.4 Berufsbildende Schulen und BRU in anderen europäischen Ländern Roland Biewald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Akteure im BRU – personale Aspekte II.1 Die Schülerinnen und Schüler im BRU Bernd Schröder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II.2 Religionslehrer und Religionslehrerinnen an berufsbildenden Schulen Wilhelm Schwendemann/Henrik Fass/Jürgen Rausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 III. Konzepte und Gehalte des BRU – didaktische Aspekte III.1 Didaktische Schlüsselbegriffe

Roland Biewald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 III.2 Berufsschulspezifische Themen

Andreas Obermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

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Inhalt

III.3 Didaktisch-methodische Herausforderungen in der Praxis

Matthias Gronover/Georg Wagensommer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 III.4 Schulseelsorge bzw. Religion im Schulleben – außerunterrichtliche

religionsbasierte Arbeit an berufsbildenden Schulen Birgit van Elten/Bernd Schröder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 IV. Reflexion des BRU – wissenschaftsbezogene Aspekte IV.1 Die Berufspädagogik als Gesprächspartnerin des BRU Detlef Buschfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 IV.2 Berufsbezogene Religionspädagogik Michael Meyer-Blanck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 V. Berufsbezogene Religionspädagogik – interreligiöser Diskurs V.1 Interreligiöses Lernen an berufsbildenden Schulen – Begründungen, didaktische Herausforderungen und Entwicklungen Andreas Obermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 V.2 Ein Kommentar zum »BRU-Handbuch« aus jüdischer Sicht Micha Brumlik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 V.3 Ein Kommentar zum »BRU-Handbuch« aus muslimischer Sicht Rabeya Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Ausblick Warum BRU wichtig ist Roland Biewald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 Anhang 1. Medien und Materialien: Schulbücher, Fachbücher und Unterrichts­ materialien zum BRU (ev./kath.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 2. Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 3. Die Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406

Vorwort

Allein die Tatsache, dass ein neues – drittes – Handbuch zu einem religionspädagogischen Bereich, der öffentlich in der Gesellschaft wie auch in den Kirchen, in der Pädagogik wie auch in der Theologie kaum mehr als ein Schattendasein führt, erscheint, ist ein doppelter Fingerzeig: Der Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen (BRU) ist vital und gibt angesichts neuer Herausforderungen immer wieder neu zu denken. Und der Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen ist getragen vom Engagement vieler Lehrkräfte und vieler in der beruflichen Bildung Verantwortung tragender Personen, die durch ihre Beiträge auch in diesem Handbuch die Bedeutung des Berufsschulreligionsunterrichts für ihren Arbeitsbereich und die Praxis unterstreichen. Vor gut 20 Jahren ist das erste Handbuch erschienen. Es trug den Titel Handbuch. Religionsunterricht an beruflichen Schulen und wurde vom Comenius Institut Münster, der Gesellschaft für Religionspädagogik e. V. Villigst sowie dem Deutschen Katecheten Verein im Jahr 1997 beim Gütersloher Verlagshaus herausgegeben. Das neuere (zweite) Handbuch variiert im Titel allein in der Zeitbestimmung: Neues Handbuch. Religionsunterricht an beruflichen Schulen. Beim Neukirchener Verlag wurde es im Jahr 2005 – diesmal allein – von der Gesellschaft für Religionspädagogik e. V. Villigst und dem Deutschen Katecheten Verein herausgegeben. Mit der Neukonzeption des nun vorliegenden neuesten Handbuchs ist die Geschichte der Handbücher zum Berufsschulreligionsunterricht geprägt von einer Kontinuität bei gleichzeitigem Wandel: Der Titel Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen. Ein Handbuch signalisiert die bleibende Bedeutung des Religionsunterrichts für die berufliche Bildung und die Notwendigkeit stetiger Neuorientierung. So beschreibt das Vorwort des Handbuches aus dem Jahr 2005 – sieht man von den Jahreszahlen ab – immer noch treffend das Anliegen und den Auftrag des neuesten Handbuchs: »Acht Jahre sind angesichts des gegenwärtigen bildungspolitischen Tempos eine ›halbe Ewigkeit‹. Grund genug, das 1997 in ökumenischer Verantwortung erschienene Handbuch ›Religionsunterricht an berufsbildenden

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Vorwort

Schulen‹ komplett zu überarbeiten und in den veränderten bildungspolitischen Rahmen einzupassen.« Das Ergebnis des neuesten Handbuches ist eine gänzlich neue Konzeption: Alle Artikel wollen grundlegend – gewissermaßen als Vademecum für Studierende, für Absolventinnen und Absolventen des Referendariats oder Vikariats sowie für alle anderen Interessierten – über die wesentlichen Themen, die Bezugsfelder, die pädagogischen Grundlagen und -fragen, die handelnden Personengruppen sowie die bildungspolitischen Rahmenbedingungen des Berufsschulreligionsunterrichts informieren. Gegenüber den vorherigen Handbüchern erfolgt dies in größeren zusammenhängenden Beiträgen, die je eigenständig den Stand der Forschung vorstellen und gegenwärtige Herausforderungen des Berufsschulreligionsunterrichts erörtern und diskutieren. Wo es inhaltlich geboten war, wurden die Beiträge in ökumenischer Perspektive von evangelisch-katholischen Autoren/innenteams verfasst. Neu ist gegenüber den früheren Handbüchern auch die Erörterung der Interreligiosität, die insbesondere für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen eine große didaktische Herausforderung darstellt und in allen Beiträgen als Querschnittsdimension eingearbeitet wurde. Die Interreligiosität der Lerngruppen in beruflichen Schulen wurde durch Kommentare von einem jüdischen Religionspädagogen und einer muslimischen Religionspädagogin eingetragen. Initiiert und begleitet wurde das neueste Handbuch zum Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen wieder von der Gesellschaft für Religionspädagogik e. V. Villigst und – auch neu – vom Verband der katholischen Religionslehrerinnen und Religionslehrer an beruflichen Schulen (VKR). Beiden Institutionen, die sich seit Jahrzehnten um den Berufsschulreligionsunterricht bemühen, sei auch für die finanzielle Unterstützung gedankt, ohne die das Projekt nicht hätte verwirklicht werden können. Ein besonderer Dank gilt auch dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, der das Handbuch erstmals in sein Verlagsprogramm aufgenommen hat. Insbesondere sei hier Frau Elisabeth Schreiber-Quanz für ihre konstruktive Begleitung bei der Entstehung des Buches gedankt. Last but not least danken wir allen Autorinnen und Autoren für Ihre Beiträge. So bleibt am Ende nur, dem Handbuch eine interessierte und rege Leserschaft zu wünschen – und hoffentlich viele neue Einsichten in das spannende Unterrichtsfach »Religionsunterricht an beruflichen Schulen«. Andreas Obermann für die Gesellschaft für Religions- pädagogik Villigst e.V.

Birgit van Elten für den Verband katholischer Religionslehrer/innen (VKR)

Geleitwort I

Jung – bald im Beruf – orientiert in religiösen und ethischen Fragen? Der Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen braucht und verdient die Aufmerksamkeit der Kirchen

An diesem Tag gelingt es zu faszinieren: die 20 Schülerinnen und drei Schüler im Berufskolleg Sozialpädagogik (1BKSP) folgen mit Interesse den Beiträgen der anderen. Der Religionslehrer hatte anhand verschiedener biblischer Geschichten gezeigt, wie sich schon im Alten und dann im Neuen Testament das Verständnis von Mutterschaft wandelte. Alle reflektieren nun, wie Haltungen und Meinungen zur Mutterschaft von kulturellen, religiösen, sozialen und persönlichen Faktoren bestimmt werden. Viele der Schülerinnen – überwiegend 17–21 Jahre alt – bringen sich mit teils sehr persönlichen Interpretationen und Perspektiven ein. Mutterschaft als Thema changiert in der Spannung zwischen der Erweiterung professioneller Perspektive bei späteren Erzieherinnen und einer existenziellen Dimension. Deutlich suchen diese jungen Frauen und Männer auch nach persönlicher Orientierung. Sie bilden sich religiös, als sie an diesem Morgen Aspekte von Schwangerschaft, Geburt, Verantwortung für Kinder und Beschenkt-Werden mit Lebensglück für ihr Leben und ihre spätere Beruflichkeit erarbeiten, sie mit christlichen und teils auch muslimischen Perspektiven verknüpfen, vieles in Frage stellen oder sich an für sie hilfreiche Deutungslinien anlehnen. Dass Gott dabei ist in ihrem Leben, scheint für die meisten plausibel. Allerdings wollen sie die biblische Tradition mit Situationen heute verknüpfen und fragen, was biblische Tradition und theologische Deutung für ihr Leben und ihren Beruf austragen. Da in den berufsbildenden Schulen mit ihrer religiös heterogenen Schülerschaft der Religionsunterricht wegen der evangelischen oder katholischen Schülergesamtzahl oft nicht in konfessionell getrennten Lerngruppen unterrichtet werden kann, ergeben sich im Hinblick auf Religion und Weltanschauung vielfältig zusammengesetzte Lerngruppen. Viele der Jugendlichen oder jungen Erwachsenen im Religionsunterricht haben Migrationserfahrung und brin-

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Geleitwort I

gen Prägungen verschiedener Kulturen mit. Der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen entwickelte eine schülerorientierte Religionsdidaktik, die christliche Tradition kommunikativ erschließt und sie den Deutungen der Schülerinnen und Schüler aussetzt, weil diese nur so jungen Menschen be-»deut«sam werden kann. Von diesen Zugängen, die Religionslehrkräfte und wissenschaftliche Religionspädagoginnen und Religionspädagogen für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (BRU) entwickelten und weiterentwickeln, können die Kirchen lernen. Sich mit Menschen anderer Religion und Weltanschauung in den Dialog begeben zu können, muss jeder Christ, jede Christin heute können – eine dialogische und pluralitätsfähige Religionsdidaktik ist an allen religiösen Lernorten wichtig. Dass dabei – wie im BRU – die christlichen Traditionen, theologischen Denkfiguren und Formen des Feierns und Betens zu Gott erschlossen werden, ist gerade in religiös pluralen Kontexten bleibend bedeutsam. Hier gilt es, christliche, auch konfessionelle Religion und den Glauben an Jesus Christus nicht nur als persönliche geistliche Ressource, sondern auch als kulturelle Dimension, Motivation zu gelebter Nächstenliebe und damit als gesellschaftliche Kraft zu erkennen und dazu eine begründete Haltung zu entwickeln. Daher befasste sich die Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland im September 2006 mit dem BRU. Der BRU könne die Entfaltung der eigenen Religiosität junger Erwachsener sowie ihre religiöse Sprach- und Ausdrucksfähigkeit stärken. So trage er zum Verstehen, zur Akzeptanz und zur Kooperationsfähigkeit am Arbeitsplatz bei religionsverschiedenen Orientierungen bei. Der Religionsunterricht an beruflichen Schulen solle gemeinsam gesichert und ausgebaut werden. Die unzureichende Unterrichtsversorgung sei zu verbessern. Gemeinsame Handlungsstrategien seien zu entwickeln. 2010 wurde ein EKD-weiter Arbeitskreis (AK) zum BRU eingesetzt. Das vorliegende Handbuch zum Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen ist ein Ergebnis dieses bundesweiten Stärkungsprozesses für den BRU. Weitere sind der EKD-Orientierungsrahmen für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (EKD-Text 129), die Eintragung der religiösen Dimension in den Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, die Einrichtung der beiden wissenschaftlichen Institute EIBOR (Evangelisches Institut für berufsorientierte Religionspädagogik, Universität Tübingen) und bibor (Bonner evangelisches Institut für berufsorientierte Religionspädagogik, Universität Bonn) sowie die Kirchen, die Kultusministerkonferenz, die Wirtschafts- und Handwerksverbände vernetzende Prozesse. So konnte die Unterrichtsversorgung, die immer noch bei weitem nicht ausreicht, in den letzten Jahren verbessert werden. Didaktisch und bildungs-

Geleitwort I

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theoretisch ist das Fach nun anschlussfähig an die allgemeine Schul- und Unterrichtsentwicklung. Das vorliegende Handbuch eröffnet interessierten Praktikerinnen und ­Praktikern, Bildungsverantwortlichen in Staat und Kirche und allen in Ausbildung und Wissenschaft Tätigen einen Einblick in alle aktuellen Themen und Entwicklungen im Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen. Es lohnt sich, dieses junge und dynamische Arbeitsfeld christlicher Religionspädagogik im Dialog kennenzulernen! Allen, die sich für guten Religionsunterricht an berufsbildenden Schule einsetzen, sei herzlich gedankt! Dr. Birgit Sendler-Koschel Oberkirchenrätin und Leiterin der Bildungsabteilung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hannover

Geleitwort II

Der Religionsunterricht ist in den meisten Bundesländern fester Bestandteil der beruflichen Bildung. Diese Aussage gilt in zwei Richtungen. Berufliche Bildung darf nicht auf den Erwerb von berufsfachlichen Kompetenzen beschränkt werden. Diese sind zweifelsohne notwendig. Wer möchte schon sein Auto einem KFZ-Mechatroniker anvertrauen, der über unzureichende Fachkenntnisse verfügt? Doch im Berufsleben braucht man neben einer guten Fachausbildung auch soziale und persönliche Fähigkeiten, ohne die weder im Handwerk noch im kaufmännischen Bereich eine Zusammenarbeit mit anderen möglich ist. Dem versucht der Begriff der umfassenden Handlungskompetenz in den Lehrplänen Rechnung zu tragen. Wer von beruflicher Bildung spricht, gibt darüber hinaus zu verstehen, dass er neben den berechtigten Interessen der Betriebe die Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Blick hat. Dieses »Mehr« gegenüber allen sozialen Rollenerwartungen unterscheidet berufliche Bildung vom Erwerb fachlicher Qualifikationen. Deshalb haben Fragen nach einem sinnvollen Leben und einem gerechten Zusammenleben ihren Ort auch in den berufsbildenden Schulen. Einer dieser Orte, wenn nicht gar der Ort, ist der Religionsunterricht. Auszubildende leben in einer biografischen Übergangssituation, in der moralische und religiöse Fragen eine besondere Bedeutung bekommen. In der Berufsschule sind sie Schüler und im Betrieb Auszubildende, die gegen Ende der Ausbildung als Mitarbeiter wahrgenommen werden. Sie haben sich von ihren Elternhäusern abgenabelt und erste Erfahrungen mit Partnerschaften gemacht. Sie verfügen über Lebenserfahrungen und haben sich eigene Überzeugungen gebildet. Der Religionsunterricht kann ihnen helfen, ihre Fragen, Erfahrungen und Überzeugungen sprachlich zu artikulieren und sich mit anderen darüber auszutauschen. Dabei wird nicht zuletzt auch die lebensorientierende Kraft des christlichen Glaubens zur Sprache gebracht. Wenn die Kirche für den Religionsunterricht in den berufsbildenden Schulen eintritt, macht sie sich damit gleich-

Geleitwort II

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zeitig zum Anwalt einer beruflichen Bildung, die die Persönlichkeitsentwicklung der Auszubildenden fördert. Umgekehrt aber gilt auch: Der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen muss sich in den Kontext beruflicher Bildung einfügen. Um die Entwicklung einer berufsorientierten Religionspädagogik im Dialog mit der Berufspädagogik zu fördern, hat die Deutsche Bischofskonferenz im Jahr 2002 an der Universität Tübingen ein Institut für berufsorientierte Religionspädagogik gegründet, dem weitere zwei Institute auf evangelischer Seite folgten. Es ist heute wohl unstrittig, dass der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen einen Berufsbezug hat. In (sozial)pädagogischen Berufen, im Pflegebereich oder bei Bestattern werden religiöse Fragen und Themen in beruflichen Handlungssituationen relevant. In vielen anderen Ausbildungsgängen wird der Berufsbezug jedoch nicht so unmittelbar herzustellen sein. Meist wird er über eine Theologie der Arbeit thematisiert werden. Dabei geht es um die Frage, wie der Einzelne seinen Beruf und sein berufliches Handeln versteht und welche Bedeutung er ihm beimisst. Es sind Fragen nach beruflichem Erfolg und Scheitern oder nach dem oft schwierigen Verhältnis von beruflichen und privaten oder auch gesellschaftlichen Anforderungen. Denn die berufliche Tätigkeit, die einen großen Teil unserer Lebenszeit einnimmt, soll möglichst nicht nur nützlich und gewinnbringend, sondern auch sinnvoll sein und als sinnvoll erfahren werden. Der christliche Glaube stellt die menschliche Arbeit in einen größeren Zusammenhang. Vor Gott ist jede Berufstätigkeit Mitarbeit an der Vollendung der Schöpfung. Das gilt für den Maurer ebenso wie für die Erzieherin, für die Kauffrau ebenso wie für den Steinmetz. Beruf ist Weltgestaltung und Dienst am Nächsten und am Gemeinwohl. Diese Verbindung von Spiritualität und Ethik kann im Religionsunterricht ebenso entfaltet und konkretisiert werden wie die dialektische Spannung von Arbeit und Sabbat, in die der erste Schöpfungsbericht den Menschen stellt. Ein guter Religionsunterricht wird schließlich den Eigensinn und die Eigenlogik des christlichen Glaubens erschließen. Religiöse Traditionen sind nämlich mehr als ein Arsenal, aus dem man Antworten auf gegenwärtige Fragen beziehen kann. Gegen eine verbreitete Tendenz, religiöse Traditionen nur noch unter dem Aspekt ihrer gesellschaftlichen Wirkungen wahrzunehmen und zu bewerten, kann der Religionsunterricht auch Interesse an den Grundinspirationen des christlichen Glaubens wecken. Er kann den Auszubildenden helfen, neue Fragen zu stellen, den Blick über bestehende Problemlagen hinaus zu richten und das eigene Leben und die soziale Mit- und Umwelt in einem anderen Licht zu sehen. Auf diese Weise wird der Horizont des Denkbaren und des allgemein Akzeptierten transzendiert. Der konfessionelle Religionsunterricht, der an eine konkrete Glaubensgemeinschaft mit ihrem Bekenntnis und ihrer Glaubens-

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Geleitwort II

praxis gebunden ist, kann aus meiner Sicht am ehesten diese Transzendenzerfahrung ermöglichen. Religionslehrerinnen und Religionslehrer unterrichten somit ein sehr anspruchsvolles Fach. In keiner Schulart sind die Lerngruppen so heterogen wie in den berufsbildenden Schulen, die Klassen mit Jugendlichen ohne Schulabschluss ebenso umfassend wie Ausbildungsgänge, die mehrheitlich von Abiturienten gewählt werden. Auch in religiöser, kultureller und sozialer Hinsicht sind die Lerngruppen oft sehr heterogen. Beide Formen der Heterogenität stellen Religionslehrerinnen und Religionslehrer vor nicht geringe didaktisch-methodische Herausforderungen. Dafür, dass sie diese Herausforderungen meistern, gebührt ihnen hohe Anerkennung! Das vorliegende Handbuch gibt einen umfassenden Einblick in die Problemstellungen des Religionsunterrichts in der beruflichen Bildung und gibt damit den Berufsanfängern ebenso wie den erfahrenen Lehrkräften eine wichtige Orientierungshilfe im Schulalltag. Dafür danke ich den Autoren und den Herausgebern, der Gesellschaft für Religionspädagogik e. V. und dem Verband Katholischer Religionslehrerinnen und Religionslehrer an berufsbildenden Schulen e. V. (VKR). Das Handbuch ist gleichzeitig ein gutes Beispiel für die ökumenische Zusammenarbeit, die im Religionsunterricht an den berufsbildenden Schulen unerlässlich ist. Dr. Frank Ronge Sekretär der Kommission für Erziehung und Schule (VII) der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bonn

Geleitwort III

Für die Kultusministerkonferenz ist der Religionsunterricht ein wichtiges Unterrichtsfach an den Schulen in Deutschland. Das gilt zunächst aus historischen und formalen Gründen, an die ich erinnern möchte: Der Religionsunterricht ist nach dem Grundgesetz an den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Er wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt (Art. 7 Abs. 3). Die Vorschriften des Grundgesetzes zum Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach finden in Bremen, Brandenburg und Berlin keine Anwendung, da in diesen Ländern am 1. Januar 1949, d. h. vor Verabschiedung des Grundgesetzes, bereits durch Landesrecht andere Regelungen getroffen worden waren (Art. 141). Der Religionsunterricht ist außerdem in vielen Landesverfassungen verankert. Das gilt aber auch aus aktuellen und inhaltlichen Gründen, die für den heutigen Unterricht von Bedeutung sind: Der Religionsunterricht soll Einsichten in Sinn- und Wertfragen des Lebens vermitteln, die Auseinandersetzungen mit Ideologien, Weltanschauungen und Religionen ermöglichen und zu verantwortlichem Handeln in der Gesellschaft motivieren. Er stellt Grundlage und Lehre der jeweiligen Religionsgemeinschaft dar. Ziel des Religionsunterrichts ist es, zu verantwortlichem Denken und Verhalten im Hinblick auf Religion und Glaube zu befähigen. Damit trägt er zur Identitätsbildung und zur Entwicklung von Dialogfähigkeit bei. Diese Zielsetzung schließt die Hinführung zu einer konkret erfahrbaren und anschaulichen religiösen Lebenswelt ebenso ein wie die Erziehung zur Kommunikationsfähigkeit über die eigene regionale Kultur hinaus und zur Anerkennung der Andersheit des Anderen. Das Bildungssystem wird durch verschiedene Formen kultureller, ethnischer und religiöser Pluralität herausgefordert. Die Schule muss daher Fähigkeiten und Verhaltensweisen vermitteln, fremde Überzeugungen zu verstehen und zugleich eine eigene Auffassung zu entwickeln. Hierauf hat die Kultusministerkonferenz in ihrem Beschluss von 1996 bzw. 2013 »Interkulturelle Bildung und Erziehung

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Geleitwort III

in der Schule« hingewiesen. In einer pluralen Gesellschaft ist religiöse Bildung in der Schule eine unverzichtbare Dimension allgemeiner und individueller Bildung, v. a. um den Wissenserwerb über die Religionen zu fördern, aber auch den Austausch der Religionen untereinander zu unterstützen. Ein solcher Unterricht trägt dazu bei, ideologische Vereinfachungen und Fundamentalismus zu verhindern. Er trägt somit auch zu Brückenbau zwischen unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen bei. In etwa der Hälfte der Länder sind neben dem »traditionellen« evangelischen und dem katholischen Religionsunterricht Angebote für Schülerinnen und Schüler jüdischer, orthodoxer und anderer Bekenntnisse entstanden. Religionskundliche Aspekte des Islam werden gegenwärtig in einzelnen Ländern vermittelt. Zunächst überwiegend im Rahmen von Schulversuchen und Modellversuchen wird in den letzten Jahren vermehrt in einigen Ländern auch islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache als Regelfach angeboten, um der wachsenden muslimischen Schülerschaft ein Angebot in ihrer Religion zu unterbreiten. Über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht bestimmen nach Artikel 7 Absatz 2 des Grundgesetzes die Eltern, an den beruflichen Schulen entscheiden die jungen Erwachsenen selbst über ihre Teilnahme an den Angeboten. Insofern ist der Religionsunterricht an beruflichen Schulen in besonderer Weise herausgefordert: Seine Qualität zeigt sich an der Teilnahme der Schülerinnen und Schüler. Neben dem Religionsunterricht ist Ethik in den meisten Ländern für Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ordentliches Lehrfach. Die Bezeichnung des Faches ist in den Ländern unterschiedlich. Ziel des Ethikunterrichts ist die Vermittlung einer ethischen Grundbildung und die Befähigung der Schülerinnen und Schüler zu begründeter Urteilsbildung und verantwortlichem Handeln. Dabei soll in Dialog und Auseinandersetzung mit den gesellschaftlich wirksamen Überzeugungen und Traditionen die Pluralität der Bekenntnisse und Weltanschauungen Berücksichtigung finden. Die Kultusministerkonferenz begleitet den Religionsunterricht bisher auch dadurch, dass sie in größeren zeitlichen Abständen Berichte zur Situation des Evangelischen bzw. Katholischen Religionsunterrichts und des Ethikunterrichts in den Ländern veröffentlicht. Das vorliegende gemeinsame Handbuch der christlichen Kirchen, das um die jüdische und die muslimische Perspektive erweitert ist, begrüße ich gerade wegen der Vielfalt der Perspektiven aus länderübergreifender Sicht sehr. Senatorin Dr. Claudia Bogedan Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK)

Einleitung: Grundbegriffe und Perspektiven berufsbezogener Religionspädagogik Bernd Schröder

1. Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen – (häufig) zu Unrecht unbeachtet, aber gewichtig und facettenreich Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen sitzt häufig zwischen allen Stühlen: In der Schulpädagogik kommen einzelne Unterrichtsfächer ohnehin kaum zum Tragen; wenn aber doch, dann zumeist in der organisatorischen und didaktischen Gestalt, die sie in allgemeinbildenden Schulen finden.1 In den Debatten der Berufspädagogik kommt Religionsunterricht lediglich als eines der allgemeinbildenden Fächer in den Blick, das – auf der Basis von Artikel 7.3 des Grundgesetzes – nicht von allen Schülerinnen und Schülern besucht werden muss, sondern nur von denjenigen, die bei ihrer Einschulung ihre Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu erkennen geben. Religionsunterricht gilt nicht als maßgebliches oder profilbildendes Fach – auch wenn es durchaus gelegentlich thematisch wird.2 In der Religionspädagogik wiederum, die als wissenschaftliche Disziplin seit ihrer Entstehung gegen Ende des 19. Jahrhunderts traditionell in hohem Maße auf den schulischen Religionsunterricht als ihren Gegenstand bezogen war, spielte und spielt der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen eine erstaunlich marginale Rolle: Die sog. religionsdidaktischen Konzeptionen sind zumeist im Blick auf den Religionsunterricht an allgemeinbildenden Schulen, häufig im Blick auf das Gymnasium, formuliert worden; Profile des Berufs »Religionslehrer/ Religionslehrerin« beschreiben zumeist Ausbildung, Kompetenzen und Konflikt-

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Vgl. etwa Gernot Gonschorek/Susanne Schneider: Einführung in die Schulpädagogik und die Unterrichtsplanung, 8., überarb. und akt. Aufl., Donauwörth 2015 sowie Ludwig Haag u. a. (Hg.): Studienbuch Schulpädagogik, 5., vollst. überarb. Aufl., Bad Heilbrunn 2013. 2 Pars pro toto sei verwiesen auf Philipp Gonon/Andreas Obermann: Bildung – Beruf – Kompetenz – Duales System – Modularisierung. Ein Gespräch, in: BRU Magazin 56/2012, 36–43.

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Einleitung: Grundbegriffe und Perspektiven berufsbezogener Religionspädagogik

situationen der Kollegen an Grund- oder weiterführenden Schulen;3 Gleiches gilt für theoriebildende Entwürfe und Lehrbücher. Dieser Befund ist umso erstaunlicher, als elementare Rahmendaten die hohe Bedeutung der berufsbildenden Schulen als Schulsystem und auch des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen als eines der »sachlich, nicht aber persönlich obligatorisch[en]«4 Fächer ausweisen: Ȥ Im Schuljahr 2016/17 besuchen knapp 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler eine der berufsbildenden Schulen in Deutschland.5 Ȥ Der Besuch berufsbildender Schulen ist keineswegs bloße Kür: Junge Menschen, die ihre allgemeinbildende Schullaufbahn bereits abgeschlossen, aber das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erfüllen an berufsbildenden Schulen ihre Schulpflicht; Berufsausbildung im Rahmen des dualen Systems verlangt als eine ihrer Säulen zwingend den Besuch der »Berufsschule«6. Für die Dauer der Schulpflicht garantiert das Grundgesetz (Art. 7.3) das Recht auf Besuch des Religionsunterrichts. Ȥ Die verschiedenen Formen berufsbildender Schulen7 eröffnen ein breites Spektrum an Bildungsabschlüssen vom (nachgeholten) Hauptschulabschluss bis zum Abitur; in der klassischen Berufsschule ist das erfolgreiche Erbringen schulischer Leistungen conditio sine qua non für das Bestehen der Gesellenprüfung. Die berufsbildenden Schulen tragen damit schulsystematisch in erheblichem Maße zur formalen Qualifikation junger Menschen, insbesondere zur Durchlässigkeit versäulter Schullaufbahnen und zur biografischen Flexibilisierung bei. 3 So fehlt in »Theologisch-religionspädagogische Kompetenz. Professionelle Kompetenzen und Standards für die Religionslehrerausbildung. Empfehlungen der Gemischten Kommission zur Reform des Theologiestudiums«, Hannover 2008 (EKD-Texte 96), jeder Hinweis auf Berufsbildende Schulen als möglichen Ort des Religionslehrer-Seins (sieht man vom »Vorwort« [8] des seinerzeitigen Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber ab). 4 So die glückliche Formulierung von Gottfried Adam/Rainer Lachmann in ihrem Artikel: Begründungen des schulischen Religionsunterrichts, in: Dies. (Hg.): Religionspädagogisches Kompendium, 5., neubearb. Aufl., Göttingen (1984) 1997, 121–137, hier 128. 5 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/BildungForschungKultur/Schulen/ Tabellen/AllgemeinBildendeBeruflicheSchulenSchulartenSchueler.html (Zugriff am 20.4.2017). Zum Vergleich: 2,77 Millionen Schülerinnen und Schüler besuchen eine Grundschule; insgesamt knapp 8,4 Millionen Schülerinnen und Schüler besuchen eine allgemeinbildende Schule. 6 60 % der Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen besuchen im Rahmen der dualen Berufsbildung eine (Teilzeit-)Berufsschule und den dortigen Berufsschul-Religionsunterrichts (BRU). 7 Das Statistische Bundesamt unterscheidet – hier an absteigender Reihenfolge, beginnend mit der Schulform, die von den meisten Schülerinnen und Schülern besucht wird: (Teilzeit-)Berufsschule, Berufsfachschule, Fachgymnasium, Fachschule, Schule des Gesundheitswesens, Berufsvorbereitungsjahr, Berufsoberschule, Fachakademie, Berufsgrundbildungsjahr, Berufsaufbauschule. Vgl. dazu Beitrag I.1 dieses Handbuches.

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Ȥ Berufsbildende Schulen repräsentieren und gewährleisten den engen Zusammenhang zwischen formaler Bildung und Arbeitswelt, indem sie mit den verschiedensten Arbeitgebern (v. a. mit Ausbildungsbetrieben und solchen, die Praktikumsplätze bereitstellen) eng kooperieren. Die Verschiedenheit der Berufsfelder bildet sich von der Koordination der Bildungspläne bis hinein in »Lernfelder« und Unterrichtszeiten in den Schulen ab. Ȥ Unter den Standorten für Religionslehrer/innen-Bildung in Deutschland bieten etwa 80 % auch einen Studiengang im Fach »Evangelische« oder »katholische Religion« für das Lehramt an berufsbildenden Schulen an.8 Unter den Lehramtsstudiengängen »Religion« gehört dieser somit zu den häufigsten, auch wenn die Zahl der Absolvent/inn/en seit Jahren hinter dem Bedarf zurückbleibt. Mit anderen Worten: Kein zweites Segment des staatlichen Schulwesens in Deutschland ist so ausdifferenziert, so reich an Schülerinnen und Schülern verschiedenster Vor-Qualifikationen und Bildungsambitionen, so eng verwoben mit außerschulischen Institutionen und Partnern wie das System der beruflichen Bildung – und zugleich so unbekannt in Öffentlichkeit, allgemeiner Bildungsforschung und Fachdidaktiken.

2. Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen – heimlicher Taktgeber religionspädagogischer Entwicklungen?! Bei Lichte besehen spielte und spielt der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (RU-BBS) jedoch häufig eine durchaus maßgebliche Rolle im religionspädagogischen Diskurs. Einige Beispiele mögen dies illustrieren: Ȥ Die thematisch-problemorientierte Ausrichtung des Religionsunterrichts erfuhr im berufsbildenden Schulwesen ihre konzeptionelle Grundlegung,9 8 Evangelischerseits ist hier auf 19 evangelisch-theologische Fakultäten, zwei Kirchliche Hochschulen und 34 Institute zu verweisen (vertreten durch den Evangelisch-theologischen Fakultätentag [E-TFT] und die »Konferenz der Institute für Evangelische Theologie« [KIET] – http://www. evtheol.fakultaetentag.de/index.php?p=mitglieder und http://kiet.online/?page_id=18 (Zugriff am 20.4.2017)); katholischerseits auf 16 Fakultäten, zwei philosophisch-theologische Hochschulen und 31 Institute (vertreten durch den Katholisch-Theologischen Fakultätentag; KThF – http://kthf.de/mitglieder (Zugriff am 20.4.2017)). 9 Ausdruck fanden viele der einschlägigen didaktischen Prinzipien bereits im sog. Gelben Plan, dem »Lehrplan für den evangelischen Religionsunterricht an Berufsschulen«, o. O., o. J. [1961]; weitergeführt im »Lehrplan für den evangelischen Religionsunterricht der Berufsschule im Rahmen der Sekundarstufe II (Entwurf)«, Dortmund 1974.

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ehe diese im allgemeinbildenden Schulsystem, v. a. im Gymnasium, ab Mitte der 1960er Jahre »Schule machte«. Ende der 1960er Jahre wurde die – im Zuge rückläufiger Kirchenmitgliedschaftsquoten, religionskritischer Öffentlichkeit und (allmählicher) religiöser Pluralisierung – schwindende »religiöse Ansprechbarkeit« Jugendlicher zuerst im Blick auf Berufsschüler diskutiert.10 In den 1970er Jahren kam es nicht zuletzt im Blick auf den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen zur Forderung nach einem religionskritisch-emanzipatorisch ausgerichteten Unterricht, der für alle ­Schüler(innen) verbindlich sein sollte.11 Die Öffnung des evangelischen oder katholischen Religionsunterrichts für (interessierte) Schülerinnen und Schüler anderer Konfessionen und Religionen vollzog sich im RU-BBS auf breiter Front seit den 1980er Jahren (als muslimische Schülerinnen und Schüler einen hohen Prozentsatz der Schülerschaft an Berufsschulen auszumachen begannen, die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts gleichwohl außer Reichweite lag). Dementsprechend wurde hier früher als in anderen Schulformen seine Weiterentwicklung zu einem – bezogen auf seine Schülerschaft – multireligiösen Religionsunterricht gefordert: Das »Religionsgespräch« an Berufsbildenden Schulen im Stadtstaat Hamburg (eingeführt Anfang der 1970er Jahre, neu initiiert seit 1990) hat hier eine Vorreiterrolle gespielt,12 doch auch mit Blick auf westdeutsche Flächenländer wurden Konzepte entwickelt.13 Das Konzept der »Schlüsselqualifikationen«14 ebenso wie die Orientierung an »Handlungskompetenz«15, Anfang der 1990er Jahre für den Religionsunter-

10 Horst Gloy: Die religiöse Ansprechbarkeit Jugendlicher: als didaktisches Problem dargestellt am Beispiel des Religionsunterrichts an der Berufsschule, (Diss. Kiel 1967) Hamburg 1969. 11 Jürgen Lott: Religion in der Berufsschule: Indoktrination und Schulpolitik in der berufs- und religionspädagogischen Theorie und Praxis, Hamburg 1972. 12 Horst Gloy: Zur Ausbildung von Berufsschullehren für das Religionsgespräch: Bericht über ein religionsdidaktisches Seminar in Hamburg, in: Wolfgang Schulz u. a. (Hg.): Zum Religionsunterricht morgen 4: Konzeptionen und Modelle zukünftiger Praxis in berufsbildenden Schulen, München/Wuppertal 1973, 414–427; Thomas Tharun/Uwe Gerber: Religionsgespräche an Hamburger berufsbildenden Schulen, in: Comenius-Institut/Gesellschaft für Religionspädagogik/ Deutscher Katechetenverein (Hg.): Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schule, Gütersloh 1997, 223–226. Vgl. Beitrag I.2 dieses Handbuches. 13 Andreas Obermann: Religion unterrichten zwischen Kirchturm und Minarett: Perspektiven für einen dialogisch-konfessorischen Unterricht der abrahamischen Religionsgemeinschaften an berufsbildenden Schulen, (Habil. Bonn 2005) Berlin 2006. 14 Comenius-Institut (Hg.): Orientierungsrahmen für den evangelischen Religionsunterricht an beruflichen Schulen, Münster 1991. 15 Kultusministerium Nordrhein-Westfalen (Hg.): Evangelische Religionslehre für die Berufsschule – Richtlinien, Düsseldorf 1994.

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richt an berufsbildenden Schulen entwickelt, antizipieren in mancher Hinsicht das Paradigma der Kompetenzorientierung, das im allgemeinbildenden Schulwesen nach dem sog. PISA-Schock (2001) Einzug hielt.16 Ȥ Auch die Thematik religiöser Bildung für Schüler/innen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, ist nach der Wiedervereinigung Deutschlands schnell auf die Agenda nicht nur, aber eben auch berufsbezogener Religionspädagogik gerückt.17 Mit Blick auf die religionspädagogische Debattenlage in Deutschland lässt sich angesichts solcher Beobachtungen sagen, dass die berufsbezogene Religionspädagogik nicht selten eine seismografische Funktion für kommende Herausforderungen und Entwicklungen gespielt hat. Eine ähnliche Funktion erfüllt der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen sogar im Blick auf die wissenschaftliche Bearbeitung didaktischer Fragen und deren Wissenschaftsorganisation. In der »jungen« Disziplin, die erst seit den 1970er Jahren durch fachspezifische Lehrstühle in Fakultäten und Instituten wahrnehmbar wurde, gehörte die Gründung von Instituten für die Förderung von Forschung zu bestimmten Themenfeldern oder methodischen Ansätzen bis in die 2000er Jahre hinein nicht zum wissenschaftsorganisatorischen Repertoire.18 Dann indes entstanden in dichter Folge mit dem »Katholischen Institut für berufsorientierte Religionspädagogik« (KIBOR; gegr. 2002) und dem »Evangelischen Institut für berufsorientierte Religionspädagogik« (EIBOR; gegr. 2008) in Tübingen sowie dem »Bonner Institut für berufsorientierte Religionspädagogik« (bibor; gegr. 2010) die bundesweit ersten und bislang einzigen Forschungsinstitute für schulformbezogene Religionspädagogik, die seitdem systematisch BRU-bezogene Forschung, didaktische Publikationen und öffentliche, bildungspolitisch ausgerichtete Foren entwickeln. Allerdings sind daneben (bzw.: davor) andere Sachwalter berufsbezogener Religionspädagogik zu nennen, die immer wieder maßgebliche Akzente gesetzt haben:19

16 Vgl. dazu Bernd Schröder: Ein Schritt zurück hinter Humboldt? Religionsunterricht an lernfeldorientierten berufsbildenden Schulen, in: Schule und Kirche. Informationsdienst zu Bildungsund Erziehungsfragen [Evangelische Kirche im Rheinland] 2006, Heft 1, 4–14. 17 Vgl. etwa Roland Biewald: BRU mit ›Konfessionslosen‹, in: BRU Magazin 60/2014, 42–49. 18 Bernd Schröder: Institutionalisierungsgeschichten von Katechetik und Religionspädagogik – eine Bilanz, in: Ders. (Hg.): Institutionalisierung und Profil der Religionspädagogik. Historisch-systematische Studien zu ihrer Genese als Wissenschaft, Tübingen 2009, 467–496, hier 487–491. 19 Dazu Beitrag I.3 dieses Handbuches.

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Ȥ 1968 wurde mit der Gesellschaft für Religionspädagogik Villigst e. V. eine erste Institution gegründet, die sich nachhaltig als Anwältin des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen verstand und mit ihren Publikationen – Schulbücher, die beiden bislang erschienenen »Handbücher für den BRU«20 und, nicht zuletzt, das BRU Magazin für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (gegründet 1984, neu konzipiert beginnend mit Heft 47/2008) – immer wieder auf reflexive Beachtung des RU-BBS drängte. Ȥ In den Religionspädagogischen Instituten der evangelischen Landeskirchen, die in den 1970er Jahren gegründet wurden oder aus den vormaligen Katechetischen Ämtern hervorgingen, und in den katholischen »Instituten für Lehrerfort- und -weiterbildung«21 wurden und werden u. a. häufig Dozentinnen und Dozenten mit Zuständigkeit für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen beschäftigt, die in ihren jeweiligen kirchlichen Referenzgebieten und z. T. mit bundesweitem Radius – evangelischerseits etwa durch die Konstituierung einer AG »Berufliche Schulen« innerhalb der Arbeitsgemeinschaft der Leiterinnen und Leiter der Pädagogischen Institute und Katechetischen Ämter (ALPIKA)22 – Fortbildung und religionspädagogische Debatten vorantreiben. Ȥ Nicht zuletzt werden Verbände derer, die Religion an berufsbildenden Schulen unterrichten, bundesweit vertreten im Verband der katholischen Religionslehrer an berufsbildenden Schulen (VKR; gegr. 1966) und in der Arbeitsgemeinschaft evangelischer Erzieher(innen) in Deutschland (aeed; gegr. 1952).23 Beide Dachverbände haben auf die eine oder andere Weise bildungspolitisch zu Gunsten des RU-BBS agiert.24

20 Comenius-Institut/Deutscher Katechetenverein/Gesellschaft für Religionspädagogik Villigst e. V. (Hg.): Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, Gütersloh 1997 sowie Gesellschaft für Religionspädagogik Villigst e. V./Deutscher Katechetenverein (Hg.): Neues Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (BRU-Handbuch), Neukirchen-Vluyn (2005) 2 2006. 21 Zusammengestellt in Handbuch 1997 (s. o. Anm. 20), 498 f. sowie Neues Handbuch 2005 (s. o. Anm. 20), 676–682 sowie unter http://www.relinet.de/adressen.html (ev.). 22 http://www.relinet.de/alpika-arbeitsgruppen.html#BS (Zugriff am 20.4.2017). 23 Dazu gehören namentlich die »Vereinigung Evangelischer Religionslehrkräfte an berufsbildenden Schulen in Niedersachsen (VER-BBS)«, der »Verband evangelischer Religionslehrerinnen und Religionslehrer an berufsbildenden Schulen im Bereich der Evangelischen Kirche der Pfalz« sowie der »Verband evangelischer Religionslehrer an Berufsbildenden Schulen in Westfalen e. V.«. 24 Josef Jakobi/Willi Weinz: Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen aus der Sicht des »Verbandes katholischer Religionslehrer« sowie Horst Reeker: BRU aus der Sicht evangelischer Religionslehrerverbände, in: Handbuch 1997 (s. o. Anm. 20), 266–268 und 268–270.

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3. Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen – aktuelle Herausforderungen von grundlegender religionspädagogischer Bedeutung Wie in der Vergangenheit steht der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen auch gegenwärtig vor Herausforderungen, die sich aus seinem Kontext ergeben. Allgemein formuliert sind es vor allem Veränderungen der Schülerschaft, strukturelle Neuerungen im berufsbildenden Schulwesen, Verschiebungen in den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, didaktische Umorientierungen, die auch dieses Fach mitprägen und zur Weiterentwicklung Anlass geben. Manche dieser Veränderungen zeichnen sich als so einflussreich ab, dass sie als Kontextmarker dieses Handbuches insgesamt gelten können. Sie hier zu benennen, scheint uns eine wichtige Lesehilfe für die folgenden Beiträge zu sein: 3.1 M  itgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft als Option – religiöse Bildung für alle? Quantität und Qualität von Religion(en) in der bundesrepublikanischen Gesellschaft verändern sich: Neben die römisch-katholische wie die evangelische Kirche als Religionsgemeinschaften, denen zusammengenommen etwa 60 % der Bevölkerung als Mitglieder angehören, treten die verschiedenen orthodoxen Kirchen und der (sunnitische) Islam; am deutlichsten unter allen Gruppen wächst indes diejenige der sog. Konfessionslosen. Die Religiosität der Einzelnen lässt sich jedoch mit Mitgliedschaft in einer institutionalisierten Religionsgemeinschaft, mit Teilhabe an deren Praxis und Zustimmung zu ihren Lehren, nicht mehr zureichend genau beschreiben: Präferenzen für bestimmte Lebensstile, individuelle Mischungen von Praxen und Überzeugungen, Prägungen durch Bildungsgrad, Geschlecht, regionalen Kontext und Lebensphase lassen ein facettenreiches, wandelbares Panorama entstehen. Ob und in welcher Weise sich ein Mensch als »religiös« versteht, wird zur »Option« – nicht mehr, aber auch nicht weniger.25 Die jungen Erwachsenen, mit denen es die berufsbildenden Schulen zu tun haben, sind die Speerspitze dieser Bewegung hin zur Optionalität von Religion: In ihrer Lebensphase fällt, zusammen mit dem Eintritt ins Berufsleben, mit der Loslösung aus der Herkunftsfamilie und der Konstituierung einer Partnerschaft,

25 Charles Taylor: Ein säkulares Zeitalter, Frankfurt a. M. 2009, hier 31–34, und Hans Joas: Glaube als Option. Zukunftsmöglichkeiten des Christentums, Freiburg 2013.

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in der Regel auch die Entscheidung über die (weitere) Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft und deren Ausgestaltung.26 Aus der Sicht von Anwälten religiöser Bildung aus Bildungstheorie, Religionspädagogik und Religionsgemeinschaften ist deshalb gerade in dieser Lebensphase das Angebot von Religionsunterricht wichtig, um diese Entscheidung über einen Modus der Lebensführung und -deutung zu begleiten: mit einem offenen Kommunikationsangebot unter Peers, mit Information und theologischem Tiefgang, mit dem Ruf nach sorgfältiger Abwägung und Begründung des unvertretbar eigenen Entscheidens, mit der Einladung zur Begegnung mit anderen – als den aus dem Herkunftskontext vertrauten – Formen von Religion und Kommunikation über Religion. Es spricht viel dafür, diese Begleitung allen Schüler/inne/n zuteilwerden zu lassen und Art. 7.3. GG so auszulegen, dass Religionsunterricht als transparent positionelles Fach unter (freiwilliger) Teilnahme möglichst aller Schüler/innen konzipiert und gestaltet wird. 3.2 Berufsbildende Schulen als paradigmatische Orte »eines je neuen Anfangs«27 in der Lernbiografie Erwachsener Angesichts des Umstandes, dass jeder Schulabschluss in Deutschland einen mindestens neunjährigen Schulbesuch voraussetzt, ist im beruflichen Schulwesen auf der einen Seite nicht mit Schülerinnen und Schülern zu rechnen, die jünger als 15 Jahre sind. Auf der anderen Seite ist dem Alter der Schülerinnen und Schüler keine schulrechtliche Grenze gesetzt; de facto besuchen nicht selten Menschen in den 30er oder 40er Jahren ihres Lebens berufsbildende Schulen – insbesondere dann, wenn sie eine berufliche Neuorientierung vornehmen. Anders als die allgemeinbildenden Schulen (Ausnahme: Abendgymnasium) bieten die berufsbildenden Schulen als System somit programmatisch Bildungswege für Menschen verschiedener Altersgruppen zwischen dem Jugend- und dem mittleren Erwachsenenalter an – Bildungswege zudem, die nicht in jedem Fall linear aufeinander aufbauen, sondern bisweilen nach längeren Unterbrechungen schulförmigen Lernens von neuem beschritten werden.

26 Vgl. etwa Detlef Pollack: Art. Kirchenaustritt I. Historisch und soziologisch, in: RGG IV (42001), 1053–1056, hier 1054; Friedrich Schweitzer: Postmoderner Lebenszyklus und Religion, Gütersloh 2003, 91; Bernd Schröder/Jan Hermelink/Silke Leonhard (Hg.): Jugend und Religion, Stuttgart 2017, passim. 27 Karl Ernst Nipkow: Bildung als Lebensbegleitung und Erneuerung, Gütersloh 1990, 41.

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Berufsbildende Schulen, einschließlich ihres Religionsunterrichts, sind somit zum einen mehrheitlich erwachsenbildnerische Lernorte;28 zum anderen bieten sie bildungsbiografisch die Chance, sowohl zu grundständigen Abschlüssen zu gelangen und – darauf aufbauend – »die Bereitschaft zur beruflichen Fort- und Weiterbildung zu wecken«29 als auch lebensbegleitend einen je neuen Anfang in der individuellen Lerngeschichte zu eröffnen. In jedem Fall ermutigen berufsbildende Schulen somit zu »lebenslangem Lernen«30. Seit 2013 sind die in berufsbildenden Schulen zu erwerbenden Qualifikationen über den »Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen« (DQR) offiziell und verbindlich auf diese Idee bezogen.31 3.3 Berufsbildung angesichts demografischen Wandels und steigender Komplexität der Arbeitswelt: zwischen Akademisierung und Drop-out Berufliche Bildung dient – auch wenn sie stets einen allgemeinbildenden Impuls mitführt – primär der Qualifikation Einzelner für Berufsleben und Arbeitsmarkt. Beides befindet sich in einem steten Veränderungsprozess, für den gegenwärtig vor allem der sog. demografische Wandel und die Komplexitätssteigerung der Arbeitswelt (Tertiarisierung, Digitalisierung) maßgeblich sind.32 Der demografische Wandel ist eine prognostizierte Größe, die ihre Grundlage allerdings in gegenwärtigen Daten hat: 2015 wurden in Deutschland knapp 740.000 Kinder geboren.33 Zwar steigen die absolute Zahl der Geburten und 28 Dazu Bernd Schröder: Erwachsenenbildung als didaktisches und professionstheoretisches Potential für Religionslehrerinnen an Berufsbildenden Schulen? in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie (ZPT, vormals: Der Evangelische Erzieher) 58 (2006), Heft 3, 268–277. 29 Rahmenvereinbarung über die Berufsschule. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 14./15. März 1991. 30 Einer der Schlüsseltexte zu diesem Leitbegriff stellt das »Memorandum über lebenslanges Lernen« der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2000 dar (zugänglich unter http://www.diebonn.de/id/745 (Zugriff am 20.4.2017)). 31 Der besagte »Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR)« trat mit dem »Gemeinsamen Beschluss der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Wirtschaftsministerkonferenz und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zum Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR)« zum 1. Mai 2013 in Kraft. Seine Entwicklung und Einführung war bereits 2006 beschlossen worden; der DQR wird ständig fortgeschrieben; vgl. https://www.dqr.de (Zugriff am 20.4.2017). 32 Vgl. Handbuch Jugend im demografischen Wandel: Konsequenzen für Familie, Bildung und Arbeit, hrsg. von Elisabeth Schlemmer u. a., Weinheim 2017. 33 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Geburten/Geburten. html (Zugriff am 20.4.2017).

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die Zahl der Geburten pro gebärfähiger Frau seit 2012 leicht an, doch liegt die Zahl der Geburten gleichwohl noch immer deutlich unter der Zahl der Sterbefälle (2015: 925.000) und weitaus niedriger als im Zenit des Baby-Booms (1964: knapp 1.400.000 Geburten). Dies ist einer der Faktoren, der dazu führt, dass die Zahl der Schüler/innen auf vergleichsweise niedrigem Niveau stagniert und die Gesellschaft insgesamt »älter« wird. Diese sog. Alterung bringt es u. a. mit sich, dass in den nächsten Jahren vergleichsweise geburtenstarke Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden, während geburtenschwache Jahrgänge eintreten: Wer eine formale Qualifikation erwirbt, hat in den kommenden Jahren und wohl auch Jahrzehnten – sehr allgemein formuliert – gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt (sofern nicht technische Innovationen und Produktivitätsgewinne den Arbeitskräftebedarf reduzieren). Zugleich entsteht aus der Konstellation des Arbeitskräftemangels u. a. ein gewisser Druck in Richtung der Kürzung bzw. berufsorientierten Straffung von (Aus-)Bildung.34 Die Komplexitätssteigerung der Arbeitswelt lässt sich elementarisierend an zwei Entwicklungen vergegenwärtigen: Zum einen nimmt die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der Dienstleistungen zu – drei Viertel aller Arbeitsplätze in Deutschland gehören mittlerweile diesem Sektor an (Tertiarisierung); dabei steigt insbesondere die Zahl der Arbeitsplätze im Segment der sog. Industrie-­ induzierten Dienstleistungen. Zum anderen erfahren Arbeitsplätze speziell in diesem Segment eine Komplexitätssteigerung, die sowohl technisch als auch arbeitsorganisatorisch bedingt ist: namentlich Vertrautheit mit digitalen Medien (Digitalisierung, Industrie 4.0), Kommunikation in Wort, Schrift und Person, und Mobilität werden häufig vorausgesetzt. Etliche Veränderungen im Bildungswesen lassen sich als Reaktion auf diese beiden Veränderungsprozesse beschreiben – berufliche Bildung rückt durch sie u. a. in das Spannungsfeld zwischen Akademisierung und Drop-out. In Deutschland steigt die Zahl der Studienberechtigten pro Jahrgang, also die Quote der Heranwachsenden, die die allgemeine Hochschulreife oder die Fachhochschulreife erwerben, seit Jahrzehnten signifikant an: Lag sie 1950 bei 5 % eines Jahrgangs und 1990 bei gut 31 %, so hat sie 2012 die 50 %-Marke überschritten. Die Zahl derer, die tatsächlich ein (Fach-)Hochschulstudium aufnehmen, liegt einige Prozentpunkte unter dieser Quote, steigt aber in ähnlicher Weise wie die Quote der Studienberechtigten. In absoluten Zahlen: Seit 2011 neh-

34 Ablesbar wurde dieser Druck in der jüngeren Vergangenheit etwa am Trend zur frühen Einschulung (mit fünf Jahren), an der Verkürzung des Gymnasiums auf acht Schuljahre (G 8) und der Straffung von Studiengängen auf das Regelmaß von 3–5 Jahren.

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men jährlich knapp mehr als 500.000 Menschen ein Studium in Deutschland auf.35 In Anbetracht dessen kann man einerseits mit Fug und Recht von einer »Akademisierung« formaler Bildung in Deutschland sprechen – auch wenn sowohl die Quote der Studienberechtigten als auch der Studienanfänger noch immer unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten liegen.36 Andererseits beendeten »nach Angaben des Statistischen Bundesamtes […] im Abgangsjahr 2010 rund 53.100 Schüler ihre Schullaufbahn ohne einen Hauptschulabschluss – bezogen auf die einzelnen Altersjahrgänge des Abgangsjahres entsprach das einem Anteil von 6,5 Prozent (Männer: 8 Prozent/Frauen: 5 Prozent); 37 im Jahr 2014 lag die Quote der Schulabgänger ohne Abschluss – nach der im Auftrag der Caritas erstellten Studie »Bildungschancen 2016. Schulabgänger ohne Abschluss« – bei 5,7 % (= ca. 47.000 Jugendliche).38 Eine der Folgen: »Im Jahr 2014 verfügten […] 13,3 % (hochgerechnet 1,93 Millionen) der jungen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren in Deutschland über keinen Berufsabschluss und somit nicht über die Voraussetzung für eine qualifizierte Beteiligung am Erwerbsleben«39. Die sog. integrierte Ausbildungsberichterstattung (iABE) unterscheidet im Ausbildungsgeschehen im Anschluss an die Sekundarstufe I vier Sektoren: Berufsausbildung, Integration in Ausbildung (Übergangsbereich), Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung und Studium. Das berufliche Schulwesen trägt zu allen Sektoren mit Ausnahme des Studiums bei. 35 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4907/umfrage/studienanfaenger-in-deutschlandseit-1995 (Zugriff am 20.4.2017). 36 Vgl. OECD: Education at a Glance 2016. OECD Indicators, Paris 2016, 56 und 60. 37 http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61653/ bevoelkerung-ohne-abschluss, 2014, (Zugriff am 20.4.2017). Dort heißt es weiter: »Von den Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss im Jahr 2010 hatten 57,1 Prozent eine Förderschule besucht […], 25,2 Prozent waren zuvor auf einer Hauptschule und 11,3 Prozent waren auf einer Schule mit mehreren Bildungsgängen […]. Weiter hatten 4,9 Prozent der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss zuvor eine Realschule besucht, 1,2 Prozent ein Gymnasium und 0,3 Prozent eine Freie Waldorfschule.  Da ein Teil der Schulabgänger ohne Abschluss den Hauptschulabschluss an einer beruflichen Schule oder einer anderen Bildungseinrichtung nachholt, ist der Anteil der 15-jährigen und älteren Personen ohne Schulabschluss an der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung niedriger als der oben genannte Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss an allen Schulabgängern: Nach Ergebnissen des Mikrozensus hatten im Jahr 2012 3,8 Prozent der 15-jährigen und älteren Bevölkerung keinen allgemeinen Schulabschluss.« 38 Siehe https://www.caritas.de/fuerprofis/fachthemen/kinderundjugendliche/bildungschancen/ zahl-der-schulabgaenger-ohne-abschluss (Zugriff am 20.4.2017). 39 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.): Berufsbildungsbericht 2016, Berlin 2016, 71. Vgl. die qualitative Studie: Entkoppelt vom System. Jugendliche am Übergang ins junge Erwachsenenalter und Herausforderungen für Jugendhilfestrukturen. Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland, Düsseldorf 2015.

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Während die Personenzahlen im Sektor »Berufsausbildung« (2016: 705.407) und »Übergangsbereich« (2016: 298.781) im mittelfristigen Trend rückläufig sind, steigen die Zahlen im Sektor »Hochschulzugangsberechtigung« (2016: 514.875) und »Studium« (511.020) an.40 Das berufliche Schulwesen trägt mit seinem differenzierten Angebot schulischer Bildungsgänge sowohl – und zwar in erheblichem Maße – zur Akademisierung als auch zur Verringerung der Heranwachsenden ohne Schulabschluss bei; letzteres nicht zuletzt durch den sog. Übergangsbereich.41 Zugleich muss das berufliche Schulwesen in der Öffentlichkeit wie angesichts der Berufswahlentscheidung der Einzelnen einstehen für die Wertigkeit nicht-­akademischer beruflicher Bildung. Das berufsbildende Schulwesen fördert somit individuelle Bildungschancen, ist aber als System in die Konkurrenz um möglichst hohe Bildungsabschlüsse und in die Negativdynamik für Menschen, die den Anforderungen nicht genügen (können oder wollen), eingebunden. 3.4 Berufliche Bildung als »Diversity«-Management und Beitrag zur Bildungschancengerechtigkeit Das berufliche Schulwesen ist nicht nur als System hochgradig binnendifferenziert, es bietet auch von seinen Schülerinnen und Schülern her ein komplexes Bild – »diversity«, Vielfalt, vermag dieses Bild auf den Begriff zu bringen. Verglichen mit dem akademischen, dem tertiären Bildungssektor weist das berufliche Schulwesen eine hohe Inklusionsquote und eine hohe Spreizung der Lebensalter auf; es wird zudem von vielen Menschen mit Migrationshintergrund und von Angehörigen vieler Religionsgemeinschaften, darunter nicht zuletzt verschiedener Strömungen des Islam, besucht.42 Berufliche Bildung steht deshalb in besonderem Maße vor der Herausforderung, adaptive Lernarrangements zu entwickeln und zu pflegen – Lernarrangements, die sich den Lernvoraussetzungen der Lernenden anschmiegen und zugleich in der Lage sind, diese Voraussetzungen zu verbessern bzw. Lern-

40 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.): Berufsbildungsbericht 2017, Bonn 2017, 48(–50). 41 In dieses Segment berufsbildender Schulen wurden 2015 ca. 270.000 junge Menschen aufgenommen (zum Vergleich: 2005 waren es knapp 420.000) – Bundesministerium, Berufsbildungsbericht 2016 (s. o. Anm. 38), 57 (Tabelle 12). 42 Vgl. dazu den Beitrag II.1 in diesem Band.

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fortschritte zu erzielen43 – und systemisch zu Bildungs(chancen)gerechtigkeit44 beizutragen. Die Integration von Flüchtlingen, denen es an Kenntnis der deutschen Sprache und Sozialisation im deutschen Bildungssystem mangelt, ist seit 2015 zu einer speziellen Bewährungsprobe dieser Aufgabe geworden.45 Berufliche Bildung ist Erwachsenenbildung, inklusive Bildung, interkulturelle und, nicht selten, interreligiöse Bildung; sie ist darauf angewiesen, mit der Vielfalt ihrer Lernenden konstruktiv umzugehen, »diversity« zu managen – und schließt damit zugleich an einen Leitbegriff gegenwärtiger Debatten um Unternehmenskultur an.46 3.5 Berufliche Bildung zwischen lokaler Ausgestaltung und dem von der Europäischen Union gesetzten Horizont Zwar ist die Europäische Union nach eigenem Bekunden nicht operativ zuständig für Bildung und Bildungswesen ihrer Mitgliedstaaten – sie erkennt vielmehr deren Autonomie in diesen Fragen ausdrücklich an –, zugleich aber sieht sie ihre Aufgabe doch in der Förderung ihrer Kooperation und in der Förderung von Bildungsverantwortung insgesamt. Der Vertrag von Maastricht (1992), der die bis heute maßgebliche Grundlage für das Handeln der Europäischen Union darstellt, präzisiert: »Die Gemeinschaft trägt zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden Bildung dadurch bei, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt«.47 43 Siehe etwa Erwin Beck u. a.: Adaptive Lehrkompetenz, Münster u. a. 2008. 44 Vgl. dazu etwa: Christina Anger/Christiane Konegen-Grenier/Sebastian Lotz/Axel Plünnecke: Bildungsgerechtigkeit in Deutschland. Gerechtigkeitskonzepte, empirische Fakten und politische Handlungsempfehlung, Köln 2011 (Forschungsberichte aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln). Bernhard Grümme: Bildungsgerechtigkeit: eine religionspädagogische Herausforderung, Stuttgart 2014. Christina Anger/Anja Katrin Orth: Bildungsgerechtigkeit in Deutschland: eine Analyse der Entwicklung seit dem Jahr 2000, St. Augustin 2016. Thomas Eckert/ Burkhard Gniewosz (Hg.): Bildungsgerechtigkeit, Wiesbaden 2017. 45 Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (Hg.): Integration durch Bildung. Migranten und Flüchtlinge in Deutschland. Gutachten [des Aktionsrates Bildung], Münster 2016, bes. 233–252. 46 Carolina Machado/J. Paulo Davim (Eds.): Managing Organizational Diversity: Trends and Challenges in Management and Engineering, Cham 2017. 47 Gemeint sind der »Vertrag über die Europäische Union« und der »Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union« (1992; zuletzt modifiziert 2007), hier Art. 165 (1) – die Textfassung wird geboten unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv:OJ.C_.2010.083. 01.0001.01.DEU&toc=OJ:C:2010:083:FULL#C_2010083DE.01004701 (Zugriff am 20.4.2017).

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Ausdrücklich geworden ist dieses Selbstverständnis im Blick auf berufliche Bildung in der sog. Kopenhagener Erklärung aus dem Jahr 2002.48 Darin heißt es: »Over the years co-operation at European level within education and training has come to play a decisive role in creating the future European society. Economic and social developments in Europe over the last decade have increasingly underlined the need for a European dimension to education and training. Furthermore, the transition towards a knowledge based economy capable of sustainable economic growth with more and better jobs and greater social cohesion brings new challenges to the development of human resources. […] Strategies for lifelong learning and mobility are essential to promote employability, active citizenship, social inclusion and personal development.«

Infolgedessen werden als »main priorities« u. a. benannt: – »Strengthening the European dimension in vocational education and training with the aim of improving closer cooperation in order to facilitate and promote mobility and the development of inter-institutional cooperation, partnerships and other transnational initiatives, all in order to raise the profile of the European education and training area in an international context so that Europe will be recognised as a world-wide reference for learners. – Transparency, information and guidance. – Increasing transparency in vocational education and training through the implementation and rationalization of information tools and networks, including the integration of existing instruments such as the European CV, certificate and diploma supplements, the Common European framework of reference for languages and the EUROPASS into one single framework. – Strengthening policies, systems and practices that support information, guidance and counselling in the Member States, at all levels of education, training and employment, particularly on issues concerning access to learning, vocational education and training, and the transferability and recognition of competences and qualifications, in order to support occupational and geographical mobility of citizens in Europe […].«

48 Declaration of the European Ministers of Vocational Education and Training, and the European Commission, convened in Copenhagen on 29 and 30 November 2002, on enhanced European cooperation in vocational education and training (»The Copenhagen Declaration«) – http:// ec.europa.eu/dgs/education_culture/repository/education/policy/vocational-policy/doc/copenhagen-declaration_en.pdf (Zugriff am 20.4.2017).

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Die 2002 in den Blick genommenen Ziele fanden im Rahmen der Strategie »Europa 2020« Eingang in die Schlussfolgerungen des Rates [sc. der Europäischen Union] vom 12. Mai 2009 zu einem strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung (ET 2020)49, die vier Zielsetzungen als maßgeblich herausdestillierten, und in das Kommuniqué von Brügge zu einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit in der berufliche Bildung für den Zeitraum 2011–2020 aus dem Jahr 2010.50 Letzteres beschreibt »eine globale Vision für die berufliche Bildung im Jahr 2020« wie folgt: »Im Jahr 2020 sollte die berufliche Bildung in Europa attraktiver, relevanter, stärker laufbahnbezogen, innovativer, leichter zugänglich und flexibler sein als im Jahr 2010 und zu Spitzenleistungen und Gerechtigkeit beim lebenslangen Lernen beitragen, indem sie Folgendes bietet: – eine attraktive berufliche Bildung für alle Bürgerinnen und Bürger mit hochqualifizierten Lehrern und Ausbildern, innovativen Lernmethoden, ausgezeichneten Infrastrukturen und Einrichtungen, hoher Arbeitsmarktrelevanz und anschließenden Fortbildungsmöglichkeiten; – eine berufliche Erstausbildung, die hohen Qualitätsansprüchen genügt und von den Lernenden, ihren Eltern und der Gesellschaft insgesamt als eine attraktive, der allgemeinen Bildung gleichwertige Option betrachtet wird. Die berufliche Erstausbildung sollte den Lernenden sowohl grundlegende Kompetenzen als auch konkrete berufliche Fähigkeiten vermitteln; – eine leicht zugängliche und laufbahnorientierte berufliche Weiterbildung, die Arbeitgebern, Arbeitnehmern, selbständigen Unternehmern und Arbeitslosen offensteht und sowohl die Erweiterung von Kompetenzen als auch eine berufliche Neuorientierung ermöglicht; – flexible Systeme der beruflichen Bildung, die auf einem Konzept, das die Lernergebnisse in den Mittelpunkt stellt, beruhen, flexible Lernwege unterstützen, für die Durchlässigkeit der verschiedenen Teile des gesamten Bildungssystems (Schul-, Berufs-, Hochschul- und Erwachsenenbildung) sorgen und die Anerken-

49 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex:52009XG0528(01) (Zugriff am 20.4.2017). Dies sind: »1.) Verwirklichung von lebenslangem Lernen und Mobilität«, »2.) Verbesserung der Qualität und Wirksamkeit der allgemeinen und beruflichen Bildung«, »3.) Förderung der Gerechtigkeit, des sozialen Zusammenhalts und der aktiven Bürgerschaft«, »4.) Förderung von Kreativität und Innovation – einschließlich unternehmerischen Denkens – auf allen Ebenen der allgemeinen und beruflichen Bildung.« 50 http://ec.europa.eu/dgs/education_culture/repository/education/policy/vocational-policy/doc/ brugescom_de.pdf (Zugriff am 20.4.2017).

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nung des nicht formalen und informellen Lernens, einschließlich der in der Praxis gewonnenen Kompetenzen, gewährleisten; – einen europäischen Raum der allgemeinen und beruflichen Bildung mit transparenten Qualifikationssystemen, die die Übertragung und Akkumulierung von Lernergebnissen sowie die Anerkennung von Qualifikationen und Kompetenzen ermöglichen und die grenzüberschreitende Mobilität erhöhen; – erheblich mehr Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Mobilität für Auszubildende und Fachkräfte der beruflichen Bildung; – leicht zugängliche und sehr gute Informations- und Beratungsangebote während des gesamten Berufslebens, die ein kohärentes Netz bilden und es den europäischen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, fundierte Entscheidungen zu treffen und sich bei der Gestaltung ihrer Lern- und Berufswege von überkommenen Geschlechterrollen zu lösen«.

Als Instrumente stehen insbesondere das Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop) sowie die Europäische Stiftung für Berufsbildung (ETF) zur Verfügung; um die Transparenz der nationalstaatlich unterschiedlichen Systeme beruflicher Bildung und die Mobilität der EU-Bürger zu erhöhen, wurde 2008 der »Europäische Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen« (EQR; englisch: European Qualifications Framework, EQF) verabschiedet, der acht Niveaustufen von Bildung anhand bestimmter »Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen« beschreibt und empfehlenden, nicht verbindlichen Charakter hat.51 So vielgestaltig und unübersichtlich das Kompetenzgefüge, die Meinungsbildung und die Beschlusslage der Europäischen Union im Blick auf Fragen beruflicher Bildung sein oder wirken mögen, so deutlich ist, dass nationale Bildungspolitik und Bildungsarbeit fortan nicht gegen, sondern nur in Übereinstimmung mit Buchstaben und Geist europäischer Willensbekundungen entwickelt werden kann. Die berufliche Bildung, die von jeder einzelnen Lehrkraft und jeder Berufsbildenden Schule vor Ort gestaltet, von Bildungspolitik und -administration des jeweiligen Bundeslandes gesteuert wird, rückt damit in den Horizont europaweiter Maßgaben (die derzeit in Gestalt von Zielen, die es bis zum Jahr 2020 zu erreichen gilt, vorliegen).

51 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32008H0506(01)&from=DE (Zugriff am 20.4.2017).

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3.6 Allgemeinbildender Religionsunterricht in einer berufsbezogenen Schule Das berufsbildende Schulwesen ist seit den 1970er Jahren formal der Sekundarstufe des deutschen Bildungssystems zugeordnet; im Unterschied zu allgemeinbildenden Schulen dieser Stufe – ganz gleich ob Hauptschule, Gesamtschule oder Gymnasium – besteht ihre differentia specifica im Berufsbezug der hier angebahnten Bildung. Dies schließt nicht aus, sondern ein, dass allgemeinbildende Inhalte zur Geltung kommen, zeichnet jedoch auch diese ein in die »Anforderungen der Berufsausbildung«.52 Zu den allgemeinbildenden Fächern in Berufsbildenden Schulen zählt neben Deutsch, Sport u. a. m. auch der Religionsunterricht. Als Bestandteil des Systems berufsbildender Schulen muss er teils dieselben Spannungen bearbeiten wie im allgemeinbildenden Schulwesen, teils zusätzliche weitere. Einige seien hervorgehoben: Ȥ Marginalisierung vs. grundgesetzliche Bestandsgarantie: Religionsunterricht ist auch in berufsbildenden Schulen verfassungsrechtlich geschützt, gleichwohl aber gefährdet – durch organisatorische Zwänge, wegen seines lediglich mittelbaren Beitrags zur berufsbezogenen Bildung, aufgrund einer wachsenden Zahl konfessionsloser Schulleitungen, Lehrkräfte und Schüler/innen, z. T. auch mangels Unterstützung durch Ausbildungspartner der Wirtschaft oder bildungspolitische Akteure (wie etwa die Europäische Union). Ȥ Berufsorientierung vs. eigensinnige Dysfunktionalität: Auch als allgemeinbildendes Fach ist der Religionsunterricht gehalten, berufsbezogene Themen aufzugreifen – sei es, weil und insofern der jeweilige Beruf religiöse Relevanz hat (wie v. a. im Beruf der Erzieherin bzw. des Erziehers), sei es, weil und insofern berufliche Themen eine religiöse Interpretation und Reflexion nahelegen (wie etwa Fragen des Berufsethos oder moralische Fragen). Zugleich aber muss Religionsunterricht darauf bedacht sein, Religion nicht zu funktionalisieren, sondern ihre Eigenlogik zur Geltung zu bringen, um von daher berufliche Themen und berufliche Bildung in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Diese Dialektik aus Berufsbezug und Eigentlichkeit gilt es nicht aufzuheben, sondern bewusst aufrecht zu erhalten und den Schülerinnen und Schülern durchsichtig zu machen. Ȥ Positionierung zwischen ordentlichem Lehrfach und Freiraum im Schulgefüge: Im Sinne von Art. 7.3 GG ist Religionsunterricht auf der einen Seite ein »ordentliches Lehrfach«, das u. a. dem state of the art didaktisch-methodischer 52 So exemplarisch die Rahmenvereinbarung über die Berufsschule 1991.

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Reflexion, dem Gebot von Leistung und Benotung, und den Grundsätzen der Professionalität unterworfen ist und somit als »ein Fach wie jedes andere« gilt. Auf der anderen Seite ist der Religionsunterricht nicht unmittelbar berufsbezogen und durch seine Bindung an die »Grundsätze der Religionsgemeinschaften« kritisch gegenüber vermeintlichen oder tatsächlichen Sachzwängen. Er sieht seine Aufgabe vielmehr darin, »dazu mit[zu]helfen, dass eine […] freie Schule den jungen Menschen leiblich, geistig und seelisch in den Stand setzt, die Aufgaben des heutigen Daseins menschlich zu bewältigen«; er kann »nur warnen, über der Sache nicht den Menschen, über der Leistung nicht die Erziehung, über der Masse des Stoffes nicht die Bildung zu vergessen«53 – und insofern versteht er sich als geschützter Raum, als das »andere Fach« im Gefüge der Institution Schule. Auch diese Dialektik ist nicht aufzuheben, sondern zu pflegen und bedarfsgerecht geltend zu machen. Ȥ Identität vs. Verständigung: Das Grundgesetz definiert den Religionsunterricht als transparent positionelles Fach, das gebunden ist an die Grundsätze einer Religionsgemeinschaft und – juristisch wie didaktisch – weder in einer allgemeinen Religionskunde noch in einer Sittenlehre aufgeht.54 Insofern dient das Fach der Pflege, Vertiefung und kritischen Aneignung der Denomination, die das Fach mitverantwortet und im Zuge dessen am Lehrplan mitwirkt und die Lehrkraft beauftragt. Zumindest im Falle des evangelischen Christentums verhält es sich indes so, dass zu deren Selbstverständnis die konvivente und dialogische Bezugnahme auf andere Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen wesentlich hinzugehört; insofern ist auch das Streben nach Verständigung eine Aufgabe des Faches, die sich aus eben jenen Grundsätzen ergibt.55 Von daher ist es nicht nur zulässig, sondern zu begrüßen, dass Menschen anderer Konfessions-, Religions- und Weltanschauungszugehörigkeit am (evangelischen) Religionsunterricht teilnehmen, und das Streben nach Identität und Verständigung gleichgewichtig in einer Lernguppe zur Geltung kommt.

53 Zitate aus dem »Wort der Synode der Evangelische Kirche in Deutschland zur Schulfrage« (Weißensee 1958), in: Kirchenamt der EKD (Hg.): Die Denkschriften der EKD, Bd. 4/1: Bildung und Erziehung, Gütersloh 1987, 37–39, hier 37. 54 Beschluss des BVerfG vom 25. Februar 1987, dokumentiert in: BVerfGE 74 (1987), 244–256. 55 Entfaltet in den beiden Denkschriften der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Religionsunterricht: Kirchenamt der EKD (Hg.). Identität und Verständigung, Gütersloh 1994. Dass. (Hg.): Religiöse Orientierung gewinnen. Evangelischer Religionsunterricht als Beitrag zu einer pluralitätsfähigen Schule, Gütersloh 2014.

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Ȥ Personalisierung durch Lehrkräfte oder Pfarrer: Trotz der großen Zahl von Studienorten, die einen Studiengang für das Lehramt an beruflichen Schulen im Fach Ev./Kath. Religion anbieten, mangelt es seit Jahren an grundständig ausgebildeten Religionslehrenden im beruflichen Schulwesen – die Einrichtung von Studiengängen für muslimische, alevitische oder jüdische Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen zeichnet sich nicht ab. Selbst in den Bundesländern, in denen Pfarrerinnen und Pfarrer nicht zur Erteilung von Religionsunterricht als Teil ihres kirchlichen Aufgabenportfolios verpflichtet sind (anders als in Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz), ist deshalb die Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer, die (auf der Basis sog. Gestellungsverträge) als Lehrkräfte tätig sind, deutlich höher als im allgemeinbildenden Schulwesen. Empirische Untersuchungen lassen erkennen, dass diese Personengruppe etwa im Blick auf ihre Einbettung in das Gefüge der Schule, ihr berufliches Selbstverständnis und ihren Umgang mit schulischen Regeln (Benotung, didaktisches und methodisches Repertoire) z. T. deutlich unterschieden sind von grundständig qualifizierten Lehrkräften. Der Umstand, dass Verortung und Aufgabenbestimmung von Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen spannungsvoll sind und sein müssen, ist kein Argument dafür, dass diese Spannung durch Abschaffung des Religionsunterrichts oder seine faktische Nichterteilung aufzulösen wäre; vielmehr weist dieser Umstand den Religionsunterricht als ein Fach aus, das exemplarisch die Spannungen aushält und zur Bearbeitung bringt, die in der beruflichen, aber keineswegs einlinig funktionalen Bildung junger Menschen bestehen und aufbrechen (müssen).

4 Strukturbegriffe berufsbezogener Religionspädagogik Für berufsbezogene Religionspädagogik und damit auch für dieses Handbuch sind drei Leitworte von konstitutiver Bedeutung, deren Begriffsgeschichte lang und vielgestaltig ist, deren Bedeutung schillert. 4.1 Beruf »Beruf« bezeichnet im gegenwärtigen Sprachgebrauch eine spezialisierte Beschäftigung, die eine bestimmte Eignung und – nicht selten staatlich reglementierte – Qualifikation erfordert, dem Einkommenserwerb dient, und die – in der Regel vertraglich gewährleistet – dauerhaft wahrgenommen wird. Die dem

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Begriff mit Beginn der Neuzeit beigelegte Konnotation von »(innerer) Berufung« und besonderer Motivation ist im modernen Sprachgebrauch abgeschmolzen.56 Die Rede vom »Beruf« zielt somit auf eine bestimmte soziale Form der »Arbeit«; der Beruf ist zu unterscheiden vom »Job« (der zwar dem Einkommenserwerb dient, aber keine förmliche Qualifikation erfordert und nicht auf Dauer angelegt ist) und von Ehrenamt sowie Hobby (die nicht dem Einkommenserwerb dienen und in der Dauer ihrer Wahrnehmung variabel sind, auch wenn sie nicht selten förmliche Qualifikationen erfordern). Im Blick auf das berufsbildende Schulwesen ist die Art der Qualifikation konstitutiv: Es dient der Bildung für ausschließlich solche Berufe, die keine akademische (tertiäre) Qualifikation erfordern, wohl aber eine allein schulische (sekundäre) oder aber eine praktische und schulische (duale) Qualifikation. In Deutschland sind alle Berufe nach Fachlichkeit und Anforderungsniveau klassifiziert – seit dem Jahr 2011 folgt diese Ordnung der »Klassifikation der Berufe 2010« (KldB 2010), die u. a. von der Bundesagentur für Arbeit entwickelt wurde57 und eng an eine internationale Berufsklassifikation, die »International Standard Classification of Occupation« aus dem Jahr 2008 (ISCO-08), anschließt. 4.2 Religion »Religion« ist ein im lateinischen Sprachraum generierter, seit der Antike gebräuchlicher, aber stets vieldeutig gebliebener Begriff. Gegenwärtig werden v. a. drei Deutungen unterschieden, die Religion substanziell, funktional oder diskursiv definieren.58 Konsens in der religionsbezogenen Forschung ist, dass unter den Bedingungen moderner Gesellschaften Religion nicht im Singular auftritt, sondern im Plural, also in Gestalt von Religionen und Religiositäten, und eben deshalb ausweisbare Kriterien für die Anwendung des Begriffs unverzichtbar sind. Im Kontext dieses Handbuchs sind drei Ebenen der Anwendung und Beschreibung von Religion zu unterscheiden: Ȥ Im Blick auf einzelne Personen, v. a. Lehrende und Lernende, ist Religion ein individuelles Merkmal – präziser ist von Religiosität zu sprechen. Sie zu beschreiben und zu deuten ist primär Aufgabe der religiösen Personen selbst;

56 Vgl. etwa Andreas Obermann: Im Beruf Leben finden (Arbeiten zur Religionspädagogik 55), Göttingen 2013, v. a. 75–102 sowie Matthias Heesch u. a.: Art. Beruf, in: RGG I (41998), 1336– 1346; dort wird auch forschungsgeschichtlich maßgebliche Literatur genannt. 57 Bundesagentur für Arbeit (Hg.): Klassifikation der Berufe 2010, 2 Bände, Nürnberg 2011. 58 Vgl. dazu etwa Bernd Schröder: Religion, in: Burkard Porzelt/Alexander Schimmel (Hg.): Strukturbegriffe der Religionspädagogik, Bad Heilbrunn 2015, 187–194.

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übernehmen dies Dritte, geht es um die empirische Erfassung von Religion (Mitgliedschaft, Praxen, Verständnis). Ȥ Im Blick auf das Schulfach Religion – offizielle Bezeichnung: katholische, evangelische, jüdische oder islamische Religionslehre – ist von Religion als institutionell, lehrhaft (dogmatisch) und juristisch bestimmter Größe die Rede. Es sind – als solche staatlich anerkannte – verfasste Religionsgemeinschaften, die als mitverantwortliche Träger des Faches fungieren und anhand ihrer »Grundsätze« die inhaltliche Ausrichtung des Faches, die Legitimation der Lehrkräfte (vocatio, missio canonica, idjaza) und die Teilnahmeberechtigung der Schülerinnen bzw. Schüler festlegen. Ȥ Im Blick auf die Inhalte des Schulfaches und seine Didaktik kann Religion in allen genannten Facetten Thema werden: Es gilt geradezu, ein differenziertes, unterscheidungsfähiges Verstehen von Religion zu fördern und dabei insbesondere Wahrnehmen und Deuten einerseits, Urteilen, In-Dialog-Treten und Gestalten andererseits zu lehren bzw. zu lernen. Hier geht es um die (meta-)reflexive Ingebrauchnahme des Begriffs. 4.3 Bildung Etymologisch geht die Rede von »Bildung« – ein Spezifikum der deutschen Sprache – bis ins Mittelalter zurück. Als »pädagogischer« Begriff wird »Bildung« im 18. Jahrhundert in Gebrauch genommen – in einer Zeit, in der das Schulwesen verstaatlicht, der Schulbesuch für jedermann verpflichtend, Pädagogik als Wissenschaft konstituiert, das Individuum und die Wege seiner Entfaltung als Gegenstand persönlicher und theoretischer Reflexion entdeckt wird. 250 Jahre pädagogischer Bildungstheorie haben eine Fülle an Lesarten und Akzentsetzungen hervorgebracht – die Vorstellung einer konsensfähigen Definition von Bildung ist damit strukturell obsolet geworden. Gleichwohl ist der Begriff (religions-)pädagogisch in verschiedenen Hinsichten unverzichtbar: Ȥ »Bildung« ist in Politik, Schuladministration und Erziehungswissenschaft als technischer Begriff in Gebrauch (wobei gleichwohl Konnotationen, Intentionen und Bedeutungshöfe mitschwingen) und als solches Teil der Umgangssprache – man denke etwa an »Bildungspolitik«, »Bildungsforschung«, »Bildungsstandards« und »Schulbildung«. Ȥ »Bildung« ist im Licht ihrer Theoriegeschichte ein normativer Begriff, dessen Kernbedeutung zumeist darin gesehen wird, dass er intrinsisch motiviertes, unverzwecktes, d. h. allein der Förderung sozialverträglicher Individualität dienendes, gleichwohl kritisch-konstruktiv auf Sachverhalte außerhalb seiner selbst bezogenes, unabschließbares Lernen bezeichnet.

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Strittig ist, ob dieses Konzept von »Bildung« durch einen religiösen Deutungshorizont allererst angemessen begründet wird und zur allseitigen Entfaltung kommt oder durch einen religiösen Vorbehalt seiner Spitze, der Legitimation von Selbstverwirklichung, beraubt wird. Geschichtlich sind Belege für die Förderung wie für die Kritik von Bildung durch Religion zu finden; die jüngere Religionspädagogik christlicher Provenienz wirbt einhellig für die Doppelthese »Religion braucht Bildung – Bildung braucht Religion«.59 Ȥ Im Kontext didaktischer Reflexion kommt »Bildung« eine regulative Funktion zu: Es gilt, empirische Befunde (etwa zur Sozialisation und zu den Lernvoraussetzungen der Lernenden) wahrzunehmen, Sachkenntnisse zu erschließen, Unterrichtsarrangements zu entwerfen und das tatsächliche Unterrichten und dessen Resultate kritisch zu prüfen. 4.4 Struktur des Handbuches und Rückblick auf die Vorgänger Dieses Handbuch steht in einer Tradition: Bereits 1997 und 2005 hat die Gesellschaft für Religionspädagogik e. V. in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Katechetenverein (und dem Comenius-Institut) Vorgänger auf den Weg gebracht,60 mit denen diese Ausgabe Manches teilt. Wie sie Ȥ will auch dieses Handbuch Studierenden, Referendarinnen bzw. Referendaren und Lehrkräften, die an berufsbildenden Schulen zu unterrichten beginnen, Orientierung bieten über Konstellationen, Herausforderungen und didaktisches Handwerkszeug, zugleich aber auch schon länger Unterrichtenden ein Vademecum sein. Ȥ will auch dieses Handbuch werben für Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen: für die Chancen, die er den Lernenden, den Lehrenden und den Schulen bietet, für die Exemplarität, mit der sich anhand des RU-BBS religionspädagogische Herausforderungen reflektieren lassen. Ȥ will auch dieses Handbuch bildend wirksam werden, indem es von gegenwärtigen Wahrnehmungen und Konstellationen ausgeht, aber auf geschichtliche Hintergründe, interdisziplinäre Anschlüsse, konfessionell-, religiös- und international vergleichende Perspektiven hinweist. 59 Grundgelegt bei Nipkow 1990 (s. o. Anm. 27), 25–61; vgl. etwa Bernd Schröder: Religionspädagogik, Tübingen 2012, § 13, bes. 221–224, und Friedrich Schweitzer: Das Bildungserbe der Reformation. Bleibender Gehalt – Herausforderungen – Zukunftsperspektiven, Gütersloh 2016, 46–53. Als Position der Evangelischen Kirche in Deutschland wird dies entfaltet in deren Denkschrift »Maße des Menschlichen. Evangelische Perspektiven zur Bildung in der Wissensund Lerngesellschaft«, Gütersloh 2003. 60 Zur Bibliografie siehe oben Anm. 20.

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Zugleich aber ist diese Ausgabe des Handbuches anders angelegt als seine Vorgänger: Boten diese zu jedem ihrer zehn Kapitel – 1. Lehrende und Lernende, 2. Bildung und Beruf, 3. Grundlagen und Bezüge, 4. Situationen und Entwicklungen, 5. Erwartungen und Interessen, 6. Begleitung und Initiativen, 7. Pläne und Intentionen, 8. Themen und Wege, 9. Chancen und Zugänge, 10. [Medien und] Hilfen – ein Bündel von jeweils bis zu siebzehn kurzen Beiträgen verschiedener Autorinnen und Autoren, um so die Vielfalt der Kompetenzen, Perspektiven und Positionen abzubilden,61 wählt das vorliegende Handbuch einen anderen Zuschnitt: Fünf Teile mit bis zu vier Kapiteln, verfasst jeweils von einer Autorin bzw. einem Autor, bieten Tiefenbohrungen aus einem Guss, die ihren Gegenstand systematisch aufarbeiten, Theoriebezüge herstellen und weiterführende Perspektiven entwickeln. Die fünf Teile repräsentieren für wesentlich erachtete Reflexionsperspektiven: I. BRU und Berufsbildende Schulen – systemische Aspekte II. Akteure im BRU – personale Aspekte III. Konzepte und Gehalte des BRU – didaktische Aspekte IV. Reflexion des BRU – wissenschaftsbezogene Aspekte V. Berufsbezogene Religionspädagogik – interreligiöser Diskurs Ergänzend zu diesen thematischen Blöcken bietet diese »Einleitung« eine Landkarte des Feldes mit einigen thetischen Leuchttürmen; am Ende stellt ein Anhang mediale Hilfen für den Unterricht zusammen, aber auch ein Register für die gezielte Erschließung von Sachfragen.

61 Zur Rezeption dieser Handbücher, die jeweils schnell vergriffen waren, vgl. die Rezension von Bernd Schröder: Rez. Neues Handbuch 2005, in: Theo-web. Zeitschrift für Religionspädagogik 5 (2006), Heft 2, 336–340.

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Weiterführende Literatur Rolf Arnold/Philipp Gonon/Hans-Joachim Müller: Einführung in die Berufspädagogik, 2., überarb. Aufl., Opladen u. a. 2016 Hans-Hennig Averbeck/Roland Biewald/Andreas Obermann/Bernd Schröder/Wilhelm Schwendemann: Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen: Herausforderung für die religionspädagogische Theoriebildung – Themen und Aufgaben, in: BRU. Magazin für den Religionsunterricht in Berufsbildenden Schulen 47/2008, 42–50 und 48/2008, 40–50 BRU. Magazin für den Religionsunterricht in Berufsbildenden Schulen, u. d. T. seit 47/2008 hrsg. von Hans-Hennig Averbeck/Roland Biewald/Andreas Obermann,/Bernd Schröder/Wilhelm Schwendemann i. A. der Gesellschaft für Religionspädagogik e. V., Villigst Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.): Berufsbildungsbericht 2017, Bonn 2017 Andreas Obermann: Im Beruf Leben finden: Allgemeine Bildung in der Berufsbildung – didaktische Leitlinien für einen integrativen Bildungsbegriff im Berufsschulreligionsunterricht, Göttingen 2013 rabs. Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, hrsg. vom Verband katholischer Religionslehrerinnen und -lehrer an Berufsbildenden Schulen e. V. in Verbindung mit dem Deutschen Katecheten-Verein, Menden seit 1 (1969), in der gegenwärtigen Gestalt seit 35 (2003)

I.

BRU und Berufsbildende Schulen – systemische Aspekte

I.1 Berufsbildende Schulen als Schulsystem

Peter Schwafferts

1 Pädagogisch Arbeiten in berufsbildenden Schulen – qualifizieren, weiterbilden und Bildungschancen erweitern In der beruflichen Bildung allgemein, an berufsbildenden Schulen im Besonderen tätig zu sein, ist eine sehr anspruchsvolle und zugleich erfüllende Aufgabe. Das gilt für das wissenschaftliche wie auch für das nichtwissenschaftliche Personal; das gilt gleichermaßen für Lehrerinnen und Lehrer der beruflichen sowie allgemeinen Fächer (darunter Religionslehre), für Religionspädagoginnen und -pädagogen, für Pfarrerinnen und Pfarrer; das gilt für Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter, für Werkstattlehrerinnen und Werkstattlehrer. Natürlich gilt dies auch für das mittlere und obere Leitungspersonal in diesen Bildungseinrichtungen (Bildungsgangleitungen, Abteilungsleitungen und Schulleitungen). Berufsbildende Schulen in Deutschland erscheinen dem Außenstehenden auf den ersten Blick wie verästelte bildungspolitische Fuchsbauten, für Insider und auf den zweiten Blick sind es Bildungseinrichtungen, die hochgradig differenziert und integrativ organisiert sind. Diese Bildungseinrichtungen verkörpern gleichermaßen soziale und Bildungsmobilität wie auch berufliche Qualifizierung sowie Weiterbildung. Religionslehrkräfte wie auch Pfarrerinnen/Pfarrer an beruflichen Schulen arbeiten in einem komplexen System, ihre seelsorgerische Arbeit betrifft ganz verschiedene Umsetzungsfelder der Altersgruppen zwischen 16 Jahren und über 30 Jahren mit allen ihren verschiedenen Sorgen, Nöten, Sinn suchenden Fragestellungen und Orientierungssuchen. In diesen Kontexten erscheint der Religionsunterricht ebenso wie die Seelsorge in ganz unterschiedlichen Anforderungszusammenhängen. Dieser Beitrag beschreibt skizzenhaft die Grundstruktur der beruflichen Bildung in Deutschland am Beispiel der Systemeigenschaften der öffentlich-recht-

Berufsbildende Schulen als Schulsystem

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lichen Bildungseinrichtungen der beruflichen Bildung. Mit Blick auf die Bundesländerunterschiede bei der formalen Organisation der beruflichen Bildung, die regionalen Besonderheiten der Aufbauorganisation berufsbildender Einrichtungen und den verschiedenen Angebotstypen berufsbildender Schulen in Deutschland kann auf den ersten Blick der Eindruck entstehen, es handele sich um sehr verschiedenartige Bildungssysteme und -institutionen. Tatsächlich überwiegt die Gemeinsamkeit bei der Umsetzung einer dualen Berufsausbildung sowie der vollzeitschulischen Berufsbildungsangebote. In dem gebotenen Umfang dieses Artikels können nicht vorrangig alle Unterscheidungsmerkmale herausgearbeitet werden, sondern werden unter der Prämisse einer sehr breiten Übereinstimmung berufsbildnerischer Leitlinien in der BRD Gemeinsamkeiten hervorgehoben. Unterschiede werden benannt, um im Umgang mit häufig genannten Bezeichnungen eine Orientierung zu geben. In diesem Zusammenhang werden häufig vorzufindende Typen und Organisationsformen vorgestellt, institutionelle Partnerschaften beschrieben, zuständige Institutionen sowie Behörden eingeordnet, zentrale Leitideen der beruflichen und der Berufsbildung aufgezeigt sowie regionale Unterschiede benannt. Anmerkung: Die in diesem Artikel meist verwendete Terminologie aus NRW ist dem Arbeitsfeld des Autors als Leiter einer berufsbildenden Schule in NRW (= Berufskolleg) geschuldet, ist jedoch zugleich paradigmatisch für das Schulsystem in der BRD (vgl. hierzu ausdrücklich 2.1) Der Autor hat 2005/2006 auch überregional an der Umsetzung europäischer Berufsbildungsanforderungen gearbeitet; er hat zum Beispiel an der Erstellung von Studienkonzepten im Rahmen des Bologna-Prozesses mitgewirkt, beispielsweise für ausgewählte duale Studiengänge an Berufsakademien. 1.1 P  ädagogisch Arbeiten in berufsbildenden Schulen: Leitideen der Berufsorientierung, der beruflichen Bildung, der Berufsausbildung sowie der beruflichen Weiterbildung Besonders den Vertretern aus Handwerk und Industrie war in der Vergangenheit wichtig, die Attraktivität der beruflichen Bildung durch gleichzeitige Vermittlung von allgemeiner Bildung und allgemein anerkannten Abschlüssen zu erhöhen. Zuletzt hat auch ein EU-Programm »Lissabon 2000« die Leitideen zur Verzahnung sowie Bedeutungshebung beruflicher und Berufsbildung verfolgt, die »[…] Leitlinien des Reformprozesses vorgeben, spezielle Instrumente zur Verwirklichung des EU-weiten Bildungsraumes wie den Europäischen Qualifikationsrahmen

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BRU und Berufsbildende Schulen – systemische Aspekte

verankern und die Mitgliedsstaaten zu einer engen berufsbildungspolitischen Kooperation anregen.«1

Im Rückblick auf die einseitige Orientierung am Humboldt’schen Allgemeinbildungsparadigma in Deutschland zeigt Hans Maier das Spannungsverhältnis von beruflicher Bildung und Allgemeinbildung, in welchem der beruflichen Bildung intensive Legitimationsbemühungen in deutschen Bildungsdebatten abverlangt wurden: »Noch immer wird in Deutschland zwischen Bildung auf der einen, Ausbildung auf der anderen Seite unterschieden. Dabei nahm Bildung lange Zeit eine ausgeprägte, kaum je kritisch befragte Vorrangstellung ein. Sie galt als etwas Besonderes, Einzigartiges, sie hatte das Aroma des Geistigen, während Ausbildung als bloß technisches Zubehör, als mechanische Einübung erschien. ›Wir mögen lieber einen gebildeten Menschen als einen ausgebildeten‹ – so habe ich noch in meiner Studentenzeit einen berühmten Professor, Hermann Heimpel, im Brustton der Überzeugung sagen hören. Der Beifall war groß – konnte sich dieser Mann doch auf eine lange Tradition berufen, nämlich auf die von Wilhelm von Humboldt begründete Idee einer zweckfreien ›allgemeinen Menschenbildung‹, die sich deutlich abhob von der Welt der Arbeit, der Berufe und Geschäfte. In keinem Land Europas wurde die neuhumanistische Bildungsidee so erratisch der bürgerlichen Nützlichkeit, den sehr viel älteren Realschulen, der beruflichen Bildung, ja der Wirtschafts- und Arbeitswelt im ganzen entgegengesetzt. (Frankreich ging mit seinen ›Grandes Ecoles‹ bekanntlich andere Wege!) Humboldt war der Meinung, die Bildung werde ›unrein‹, wenn man allgemeine und berufliche Bildung vermische – man erhalte dann ›weder vollständige Menschen noch vollständige Bürger einzelner Klassen‹ (Litauischer Schulplan 1809).«2

Berufliche Bildung und Berufsbildung sind mehr als berufliches Training oder ein dünnes Begleitprogramm für Training-on-the-Job. So setzen sich berufsständische Organisationen, traditionell die des Handwerks und sodann der Industrie, für die Erreichung der Gleichwertigkeit beruflicher und allgemeiner Bildung ein. Hinzugekommen sind berufsständische Organisationen, die ganz andere 1 Jan Figel: Geleitwort, in: Georg Rothe, Berufliche Bildung in Deutschland. Das EU-Reformprogramm »Lissabon 2000« als Herausforderung für den Ausbau neuer Wege beruflicher Qualifizierung im lebenslangen Lernen, Karlsruhe 2008, V. 2 Hans Maier: Geleitwort, in: Rothe, G.: Berufliche Bildung in Deutschland – Das EU-Reformprogramm »Lissabon 2000« als Herausforderung für den Ausbau neuer Wege beruflicher Qualifizierung im lebenslangen Lernen, Karlsruhe 2008, VI.

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Berufsbilder repräsentieren – zum Beispiel Sozialberufe, Mode- und Gestaltungsberufe, um nur einige zu nennen. Berufliche Bildung und Allgemeinbildung sind gleichwertig, sie schließen einander nicht aus, sie ergänzen und verschränken sich. Diesem Gedanken folgend, soll die qualifizierte Berufsausbildung neben anderen höheren schulischen und universitären Abschlüssen bestehen. Zur Attraktivitätssteigerung beruflicher Ausbildung sollen auch jüngste Vorhaben dienen, Abschlüsse bis zur Hochschulzugangsberechtigung anzubieten. So müssen Auszubildende die Ausbildung nicht unterbrechen bzw. beenden, um weitere und höhere Abschlüsse zu erlangen. Überdies wird die Ausbildung, aber auch die spätere Berufstätigkeit inzwischen derart mit betrieblicher Weiterbildung verzahnt, dass universitäre Studiengänge nicht zwingend erfordern, mit der Berufstätigkeit im Unternehmen auszusetzen. Didaktische Leitidee der beruflichen Bildung im Bereich der dualen Ausbildung ist die Handlungsorientierung, später die Lernfeldorientierung – eine Umsetzung der Handlungsorientierung im thematischen Bezugsrahmen des beruflichen Handlungsfeldes.3 Im Weiterbildungsbereich, dort, wo sich berufsausgebildete Berufstätige neben der Berufstätigkeit weiter qualifizieren, gewinnt die eigenständige Projektarbeit neben der kognitiv anspruchsvollen intellektuellen Arbeit an Bedeutung. Hier werden die »Studierenden« zum Beispiel »Staatlich geprüfte/r Techniker/in« oder »Staatlich geprüfte/r Betriebswirt/in«, um nur zwei Beispiele zu nennen. Daher ist dieser Bereich mit dem Anforderungsniveau des BA vergleichbar. Allgemein hat daneben im Vollzeitbereich die didaktische Leitidee der umfassenden Kompetenzförderung in der beruflichen Bildung, besonders in NRW, gegriffen, sodass mittlerweile nicht nur in der klassischen dualen Berufsausbildung, sondern auch in den zumeist in Vollzeit organisierten Ausbildungsgängen der höheren Berufsfachschulen eine umfassende Kompetenzförderung erfolgen soll. Dieser Spagat erfordert seitens der Unterrichtenden, gleichzeitig kognitive Standards der höheren Bildung und Elemente der praktischen Ausbildung zu vereinen.4 Hier arbeiten die beruflichen Schulen auf verschiedenen Niveaustufen, z. B. denen des mittlernen Bildungsabschlusses (Fachschulen/Berufsfachschulen), denen der Fachhochschulzugangsberechtigung (höhere Berufsfachschulen/Fachoberschulen) oder denen der Universitätszugangsberechtigung (Berufliche Gymnasien/Fachgymnasien). 3 Peter Schwafferts: Reader – vom Handlungsfeld zum Lernfeld, Studienseminar Wuppertal, 2005. 4 Vgl. Peter Schwafferts: Einsatz methodischer Großformen zur alltagspraktischen Umsetzung des handlungsorientierten Unterrichts in nichttechnischen Fächern, Studienseminar Wuppertal 2005.

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Gleichwohl gilt in der Ausbildungs- und Berufsvorbereitung etwas anderes: Hier geht es um die Befähigung, in einem beruflichen Neigungsbereich durch regelmäßigen Schulbesuch, praktische Erfahrungen zu machen und kognitive Herausforderungen zu meistern. Zudem soll die eigene Rolle in der Gesellschaft und im Beruf reflektiert werden. Am Ende sollen die jungen Menschen in diesem Bereich aufgerichtet, gefördert werden, Erfolgserlebnisse haben, zu einer Bewältigung des privaten und beruflichen Alltags befähigt, in die Lage versetzt werden, erfolgreich eine Ausbildung zu absolvieren. Für die Akteure der Ausbildungsvorbereitung bzw. beruflichen Vorbereitung gilt ebenso wie für die jungen Menschen in den sog. internationalen Flüchtlingsklassen, dass gesellschaftliche Integration über die Befähigung zur Teilnahme am gesellschaftlichen sowie am Arbeitsleben erreicht werden soll. Insofern leisten berufliche Schulen sehr erhebliche Beiträge zur sozialen Mobilität, Integration und Teilnahme am gesellschaftlichen sowie Erwerbsleben. Bildung und Lebensgestaltung im, mit und durch den Beruf ist das Motto. 1.2 Pädagogisch Arbeiten in berufsbildenden Schulen: Arbeit im System der Vielfalt und Differenzierung Was macht am Ende ein Berufskolleg aus, besonders die religionspädagogische Arbeit an einem solchen? Besonders die Arbeit in unterschiedlichen Neigungsgebieten (anderes Wort für Fachrichtungen) und mit unterschiedlichen Eignungsgraden (anderes Wort für kognitiven und berufspraktischen Anspruch). Unterricht, Beratung und Seelsorge müssen in unterschiedlichen Bildungsgängen mit ihren je unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen geleistet werden. Die Spanne reicht vom Orientierung gebenden und Lebensfragen beantwortenden Unterricht in den ausbildungs- und berufsorientierenden sowie Berufsfachschulbildungsgängen (eher eine Arbeit des Förderns und Aufbauens) über den intellektuell höhere Anforderungsniveaustufen abbildenden Unterricht der höheren Berufsfachschulen bis hin zum wissenschaftspropädeutischen Unterricht in beruflichen Gymnasien (eher eine Arbeit im Sinne der Selektion im Blick auf die Studiereignung). Die religionspädagogische Arbeit im Bereich der dualen Fachklassen (Berufsschulunterricht) ist mitunter von Legitimationsdebatten begleitet. Ja, obwohl gerade die berufsständischen Organisationen auf allgemeine Bildung in der Berufsbildung setzen, mit der Konsequenz, dass eben sprachliche und kulturelle Fächer Bestandteil des Fächerkanons sind, ist dies nicht allen Beteiligten und Unternehmensvertretern bekannt. Auf diese Weise kommt es regelmäßig zur Infragestellung der Notwendigkeit eines allgemeinbildenden und religionspädagogischen Angebotes im Berufsschulunterricht.

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Entscheidend für das Arbeitsumfeld an Berufskollegs ist neben den Organisationsformen – wie Bündelkolleg, monostrukturiertes Kolleg, diversifizierte Schulform – der Sozialraum und der Wirtschaftsraum, außerdem die Trägerschaft. Trägerschaften existieren viele: Kommunale Träger (Städte und Kreise) sind ein häufiger Fall, aber auch Zweckverbände, Branchen- und Interessensverbände sind Träger von berufsbildenden Schulen. Diese Kriterien, Träger, Organisationstyp des Berufskollegs und vor allen Dingen Lagekriterien des Berufskollegs bestimmen maßgeblich, ob eher basal berufsbildend fördernd-ausbildungsvorbereitend oder eher auf hohem Niveau berufsbildend qualifizierend und selektierend gearbeitet wird, ob vorrangig die Schulpflichterfüllung überwacht und Basisqualifikationen vermittelt werden oder ob junge Menschen mit sehr hohem Bildungspotenzial und bereits »mit einem Kompass in der Hand« ihre Chancen für gehobene berufliche Studien- und Arbeitsfelder verbessern möchten. Beide – hier polarisierend gegenübergestellte – Ausprägungsgrade der berufsund religionspädagogischen Arbeit an beruflichen Schulen/Berufskollegs geben dieser Schulform ihren Sinn, ihre integrative, differenzierende und Chancen eröffnende Ausrichtung. Deswegen sind hinsichtlich der Personalrekrutierung Persönlichkeiten gefragt, die eine solche Vielfalt als ihre eigene berufliche Chance sehen.

2 Verschiedene Bezeichnungen und Organisationsformen, eine gemeinsame Zielsetzung: Den Sozialraum und den Wirtschaftsraum im Blick haben Nimmt man das System genauer in den Blick, ergeben sich unterschiedliche Konkretisierungsformen. Eine Auswahl wird nachfolgend vorgestellt. Diese Auswahl ist begrenzt, dient sogleich dem Zweck, typische Differenzierungen aufzuzeigen. 2.1 Differenzierung und Spezifizierung der beruflichen Schulbildung Je nach Bundesland und regionaler Tradition werden verschiedene Bezeichnungen gewählt, wie zum Beispiel Berufsschule, Berufliche Schule, Berufskolleg, Berufsfachschule, Oberstufenzentren (Baden-Württemberg, Berlin), Fachgymnasium (Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt, Thüringen), Fachschule oder auch Berufsakademie (Baden-Württemberg, Hamburg, Berlin). Manche Bundesländer bilden getrennte Einheiten für die jeweiligen Bildungsgänge der beruflichen Bildung (Baden-Württemberg), andere bilden komplexe Gesamtsysteme

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(NRW). Unterschiedlich ist in den verschiedenen Bundesländern der Bekanntheitsgrad beruflicher Bildungseinrichtungen, aber auch die arbeitsmarktpolitische Bedeutung der beruflichen Bildungseinrichtungen. Um die bildungspolitische Konstruktion der beruflichen Bildung also zu verstehen, ist das Nachvollziehen der Struktur von Berufskollegs in NRW sehr hilfreich. Die Organisation beruflicher Bildung in Deutschland weist äußere und innere Strukturmerkmale vor, ebenso sind regional und epochal bedingt Organisationsformen entstanden. Den regionalen und epochalen Variationen eigen ist das Problemlösungsbestreben, für die zeitgemäßen regionalen Herausforderungen der Wirtschaft Menschen auszubilden, zu qualifizieren und weiterzubilden. Zwar wird oft vom Exportschlager »Duales System« gesprochen, aber es gibt tiefer liegende Merkmale, um das System angemessen zu kennzeichnen. Deißinger benennt neben dem äußeren Hauptmerkmal des dualen Systems der Berufsbildung in Deutschland innere Strukturmerkmale, die es zum Beispiel von Konkretisierungsformen in den Nachbarländern Österreich und Schweiz unterscheidbar machen. Aus seiner Sicht sind diese Merkmale zudem in einem Spannungsfeld gelagert: »Mit dieser Feststellung ist jedoch nichts darüber ausgesagt, ob diese dualen Systeme tatsächlich nach den gleichen Funktionsprinzipien aufgebaut sind, d. h. ob das durch die ›Lernortdualität‹ vorgegebene äußere Erscheinungsbild nicht vielleicht doch ›interne‹ Merkmalsdimensionen verdeckt, die auf Inkongruenzen der organisatorischen, institutionellen sowie didaktischen Muster beruflicher Ausbildung hindeuten. Weitaus naheliegender als diese Frage erscheint jene nach den Unterschieden, die sich zwischen dem dualen System deutscher Prägung und den anderen kulturellen Kontexten zuzurechnenden Berufsbildungssystemen auftun.«5

Im Sinne dieses vergleichenden Ansatzes werden nachfolgend die entsprechenden Merkmale vorgestellt und eingeordnet. 2.1.1 Äußere und innere Merkmale des Systems

Das äußere Strukturmerkmal ist die Dualität – die auf die Lernorte Schule und Betrieb hindeutet – und in der sich die Arbeitspartner Arbeitgeber, Beschäftigte und Schule begegnen. 5 Thomas Deißinger: Entwicklung didaktisch-curricularer Vorgaben für die Berufsbildung in Deutschland, in: Didaktik der beruflichen Bildung (Berufsbildung konkret 2), hrsg. von Bernhard Bonz, Hohengehren 2001, 71.

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Dass zwischen den organisatorischen, institutionellen und didaktisch-methodischen Merkmalen Spannungszustände bestehen, ist eine Feststellung,6 die auch von Akteuren bestätigt wird, die an diesen Schnittstellen tätig sind. Spannungsfelder, die strukturell bedingt sind und die unmittelbare Auswirkungen auf die operativen Arbeiten an Berufskollegs und in der dualen Ausbildung haben, sind unter anderem folgende: a) staatshoheitliche didaktisch-curriculare Vorgaben und Anerkennungen; b) Ausbildungsordnung und Rahmenlehrplan sowie Bildungsabschlüsse; c) Veränderungen in der Praxis und Neuordnung von Ausbildungsberufen; d) Ausgestaltung der Ausbildung im Alltag – Normenhierarchie im Arbeitsrecht: Arbeitszeitgesetz (ArbZG), Nachweisgesetz, Berufsbildungsgesetz (BBiG), Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG), Tarifverträge; e) Rollenkonflikte in der Praxis aus Sicht der Lehrkräfte und Prüfer. Zugespitzt kann hervorgehoben werden, dass Akteure an Berufskollegs bzw. berufsbildenden Schulen einerseits kultusministerielle staatshoheitliche Vorgaben zu beachten haben, andererseits arbeiten sie im Bezugssystem Betrieb bzw. Wirtschaft, wo im Sinne der bürgerlich-rechtlichen Privatautonomie Vertragsfreiheit gilt und Verträge geschlossen werden. Dies gilt in besonderer Weise, seitdem – der Leitidee folgend, dass berufliche und allgemeine Bildung gleichwertig sind – in dualen Ausbildungen allgemeinschulische Abschlüsse erworben werden (können). Ebendiese Spannungsfelder werden nunmehr skizzenhaft vorgestellt: Zu a) Das Schulwesen in Deutschland – und damit auch der kultusministerielle Teil der beruflichen Bildung – ist staatshoheitlich konstituiert. Am Beispiel der Leistungsbewertung schulischer Leistungen wird deutlich, welche – mitunter schwer überwindliche – Spannungsfelder bewältigt werden müssen. Hiermit gemeint ist zum Beispiel das Spannungsfeld zwischen Notengerechtigkeit und Berufsausbildungsbezug. In der dualen Berufsausbildung können zusätzlich allgemeinschulische Abschlüsse erworben werden, zum Beispiel die Fachoberschulreife oder sogar die Fachhochschulreife. Auszubildende erhalten im beruflichen Schulwesen einerseits den Berufsschulabschluss (schulisch, kultusministeriell), andererseits erwerben sie Berufsabschlüsse wie zum Beispiel Kaufmannsgehilfenbriefe der Industrie- und Handelskammern (IHK) oder Gesellenbriefe der Handwerkskammern (HK). Dabei gibt es unterschiedliche Bewertungsschemata, je nach Bereich, nämlich dem KMK-Bereich (Kultusministerien) für den schulischen Berufsschulabschluss und dem Kammerbereich (IHK oder HK). Über6 Vgl. Deißinger, a. a. O. – s. Anm. 5–71.

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dies ist für höhere Bildungsabschlüsse (zum Beispiel die Fachhochschulreife) zu beachten, dass es Schemata der Bezirksregierungen gibt. Diese spielen eine Rolle bei der Qualitätsüberprüfung von Abschlussprüfungen. So muss für die Berufsschule ein Leistungsbewertungskonzept in jedem Berufsschulbildungsgang verabschiedet werden, das dem KMK-Rahmen Rechnung trägt, den Anforderungsniveaus höherer Prüfungen und dem Kammerrahmen. Schließlich erwerben Auszubildende gleichwertige Abschlüsse im Vergleich zu Absolventen aus dem gegliederten Schulsystem sowie den Gesamtschulen.7 Zu b) Der Ausbildungsrahmen sowie der curriculare Rahmen werden regelmäßig verändert. Eine Rolle spielen zahlreiche Faktoren, wie zum Beispiel der Anpassungsbedarf an internationale Standards (europäische Bildungsstandards der Kompetenzorientierung, ECTS-Punkte), didaktisch-methodische Paradigmen (Handlungsorientierung, Lernfeldorientierung, kooperatives Lernen) oder auch regionale Branchenspezifika. Insofern unterliegt die berufliche Bildung in besonderer Weise dem Wechselspiel von Erhalt und Veränderung bzw. Erneuerung, was den Akteuren viel Umsicht abverlangt. Eine mögliche Folge ist dabei, dass Fächerbezeichnungen zwischen den Bundesländern variieren, sodass sich zurzeit noch Lernfeldbezeichnungen (NRW) und Fächerbezeichnungen (andere Bundesländer) gegenüberstehen. Fächer sind nach der Fachsystematik der Wissenschaft bzw. Fachkunde aufgebaut, Lernfelder sind Unterrichtsgegenstände des beruflichen Handlungsfeldes die in der Schule vermittelt werden. Zu c) Im Extremfall ist – vereinfacht gesagt – zu entscheiden, ob ein Berufsbild noch zeitgemäß ist, ob technologische und organisatorische Neuerungen in der betrieblichen Praxis derart radikal neu sind, dass ein neues Berufsbild kreiert werden muss, oder ob Zusatzzertifikate den Veränderungsbedarf befriedigend beherrschen helfen. Hierzu gibt es jeweils geregelte Verfahren (zum Beispiel unter Vorbereitung durch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Zusammenhang mit neuen Berufsbildern oder auch Neuordnungsverfahren im Zusammenspiel mit Universitäten und Ministerien auf Landesebene – zum Beispiel die soeben erfolgte Neuordnung der Büroberufe – sowie Zertifikate, die durch Berufsbildungsausschüsse regional beschlossen werden, um den regionalen Bedarfen nach fachlicher Akzentuierung gerecht zu werden. Diese – durchaus sinnvollen Anpassungen an veränderte Rahmenbedingungen – sind auf der operativen Ebene

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Vgl. Peter Schwafferts: Aspekte der Leistungsmessung und Leistungsbewertung an Berufskollegs, Bergische Universität Wuppertal, Vorlesungsskript 2015 (2017).

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durch das Personal umzusetzen. Dies erfordert Veränderungsbereitschaft und -kompetenz. Zu d) Am Beispiel der Ermittlung der Wochenarbeitszeit von Auszubildenden mit Teilzeitberufsschulunterricht nach Abzug des Berufsschulbesuchs lässt sich das Problem aufzeigen: Für (erwachsene) Auszubildende gilt das vereinfachte Muster: Wochenarbeitszeit minus Berufsschulbesuch gleich restliche Wochenarbeitszeit im Betrieb. Die Frage ist, wie man die Wochenarbeitszeit ansetzt – nach dem Arbeitszeitgesetz mit je acht Stunden täglich werktags, also sechs mal acht Stunden mit wöchentlich 48 Stunden – oder auf der Basis von Tarifverträgen mit zum Teil unter 40 Wochenarbeitsstunden. Hier gibt es in der Praxis eine nennenswerte Spanne betrieblicher Umsetzungspraxis, besonders zwischen einerseits Kleinstunternehmen und andererseits professionell agierenden Großbetrieben. Ein zweites Beispiel sind die Regelungen verschiedener Kammern (zum Beispiel Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Ärztekammer, Zahnärztekammer). Diese Kammern regeln unterschiedlich, inwieweit zum Beispiel Ausfallzeiten die Anmeldung zur Abschlussprüfung versagen und eine spätere Prüfung verlangen. Zu e) Rollenkonflikte sind möglich, sobald Schnittstellen zusammentreffen oder gar überschritten werden. Im einfachsten Fall, wenn beschwerdewürdige Sachverhalte bekannt werden und der Umgang mit eben diesen gefordert wird. So zum Beispiel auch, wenn Lehrkräfte der Berufskollegs in Prüfungsausschüssen der Kammern tätig sind. Dann nämlich agieren sie – auch wenn ihr Dienstherr dieses Engagement gut heißt – als ehrenamtliche Prüfer im Organisationsrahmen der Kammern, nicht in einem dienstlichen Rahmen, der unmittelbar der Schulaufsicht unterliegt. Ebenso agieren sie als Ehrenamtliche, soweit sie in Aufgabenerstellungsausschüssen, Redaktionsausschüssen oder auch Kritikausschüssen der Kammern mitwirken. Bei Beratungen von Berufsschülerinnen und -schülern ist zu beachten, dass in den Schulen keine Rechtsberatung stattfinden soll; mit Rücksicht auf die Gremien und Ausschüsse, die für Schlichtungs- und Beschwerdefragen zuständig sind, hat die Schule hier umsichtig zu verfahren. Die Lehrkräfte als ehrenamtliche Helfer (Aufgabenersteller, Prüfer usw.) haben eine bedeutende Rolle für das Stattfinden und Gelingen der Prüfung; Lehrkräfte als Beraterin/Berater oder gar als Seelsorgerin/Seelsorger haben eine wichtige komplementäre Rolle, die bei Konflikten und Problemen eingesetzt werden kann.

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2.1.2 Epochale Ausgestaltungen

Auf die Darstellung der frühen Formen von »Anstalten der beruflichen Bildung« – etwa der Feiertagsschulen vor 1800 oder erster Berufsschulen um 1871 – wird hier verzichtet. Traditionelle Träger waren damals schon Staatsministerien, später auch berufsständische und karitative Organisationen. Die Kirche übte lange die Schulaufsicht aus (bis etwa 1919). Somit hat die berufliche Bildung im weitesten Sinne caritative, berufsständische und stattliche Wurzeln, vor allen Dingen in Bayern. So haben zum Beispiel in NRW (und auch in Hessen) die sog. Assistentenbildungsgänge eine besondere Bedeutung, die beispielsweise Berufsbildungsvertreter aus den neuen Bundesländern nicht geteilt wird. Das hat auch historische sowie wirtschaftsstrukturelle Gründe. Zur Zeit der rezessiven Entwicklungen in den späten 1980er bis zu den späten 1990er Jahren in NRW hatten diese Bildungsgänge eine besondere Bedeutung im bevölkerungsreichen Bundesland. In Ermangelung einer genügend großen Zahl an dualen Ausbildungsplätzen für die jeweilige Anzahl an Absolventinnen und Absolventen eines jeden Abschlussjahrgangs wurden staatliche Ausbildungsgänge bedeutsam. In den vollzeitschulischen Bildungsgängen der Berufsfachschulen, der Höheren Berufsfachschulen sowie der beruflichen Gymnasien sind verschiedene »Assistentenabschlüsse« nachgefragt worden. Solche, die eine Ergänzung zur vollzeitschulischen Ausbildung darstellten – so zum Beispiel die nach der Klasse 13 des beruflichen Gymnasiums stattfindende kaufmännische Assistentenausbildung – und solche, die integrativ stattfinden, wie zum Beispiel die des staatlich geprüften Informationstechnischen Assistenten. Hier wird eine andere Dualität entwickelt: Am Lernort Schule findet einerseits die vollzeitschulische Ausbildung statt, die zu einem allgemeinbildenden Schulabschluss führt, ebenso findet dort die staatliche Berufsausbildung statt, die zu einem Berufsabschluss nach Landesrecht führt. Bis heute gibt es die Diskussion um die Frage der Notwendigkeit der Assistentenberufe. So ist m. E. zu konstatieren, dass es solche gibt, die die Chancen der Absolventen nachhaltig verbessern (z. B. Informationstechnische Assistenten) oder sogar unmittelbare Arbeitsmarktgängigkeit aufweisen (z. B. Biologisch Technische Assistenten für Schüler mit Hochschulzugangsberechtigung). Bei der erstgenannten Form ist zu beobachten, dass die Absolventen sowohl in nachgelagerten ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen erfolgreich sind, aber auch bei den hochqualifizierten Berufsausbildungen im IT-Bereich mit Abiturienten sowie Studienabbrechern konkurrieren können. Bei der zweitgenannten Form ist zu beobachten, dass nachgelagerte naturwissenschaftliche Studiengänge erfolgreich absolviert werden, aber auch die unmittelbare Aufnahme einer Tätigkeit in Laboren der Biotechnik und Medizin. Es könnten auch weitere Beispiele

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für Assistentenbildungsgänge genannt werden, die sich als marktgängig erwiesen haben und denen man eine sehr hohe berufsbildungspolitische Bedeutung beimessen kann. So hat man – im Rückblick – in NRW aus einer vormaligen »Not eine Tugend« gemacht. So gibt es aus der Erfahrung, die Berufsbildungsentscheider in NRW machen, betrachtet gewichtige Gründe, grundsätzlich an der Assistentenausbildung festzuhalten und Veränderungen darauf zu beschränken, inzwischen nicht mehr marktgängige Bildungsgänge auslaufen zu lassen. 2.1.3 Regionale Ausgestaltungen

Unterschiedlich ist so bis heute in den verschiedenen Bundesländern der Bekanntheitsgrad beruflicher Bildungseinrichtungen, aber auch die arbeitsmarktpolitische Bedeutung der beruflichen Bildungseinrichtungen. Berufliche Gymnasien sind in der Öffentlichkeit zum Teil wenig präsent, besonders in NRW. Auch Kultusinstitutionen lassen gelegentlich – natürlich ohne böse Absicht – die Institutionen beruflicher Bildung links liegen. So zum Beispiel bei einem Aufruf der »rot-grünen Landesregierung« in NRW 2015, bei dem mit Blick auf den Mangel an Lehrkräften stellenlose Gymnasialreferendare aufgerufen wurden, sich doch auch an Gesamtschulen zu bewerben. Dass auch die Berufskollegs (also die beruflichen Gymnasien sowie die berufsbildenden höheren Schulen und Berufsschulen) dringend Lehrkräfte mit allgemeinen Fachrichtungen benötigten, wurde in der Pressemeldung des Ministeriums nicht beachtet. In Baden-Württemberg haben die sog. Berufsakademien eine besondere Bedeutung, zum Beispiel im Unterschied zu Nordrhein-Westfalen, wo Fachhochschulen eine andere Bedeutung haben und wo es vormals auch Gesamthochschulen gab. Auf diese Weise gibt es in beiden Bundesländern funktionierende Konzepte für praxisnahe duale Studiengänge, die Umsetzungswege unterscheiden sich. Entsprechend bedeutsam sind in NRW die staatlichen Fachschulen, die den Berufskollegs zugeordnet sind zum Beispiel zum staatlich geprüften Betriebswirt oder zur staatlich geprüften Technikerin qualifizieren. So benennt NRW beispielsweise die zentrale berufsbildende Schulform als Berufskolleg, worunter sämtliche Bildungsgänge der beruflichen Bildung zusammengefasst werden. Aufgrund 1. der Größe NRWs, 2. der regionalen Verschiedenheit seiner Teilgebiete (Oberzentren, Flächenkreise und ländliche Regionen, verschiedene Wirtschaftszweige wie Medizin und Chemie auf der Rheinschiene, Landwirtschaft im Münsterland und Metallindustrie im Bergischen und Niederbergischen sowie vormals Kohle und Stahl im Ruhrgebiet) und 3. der arbeitsmarktpolitischen Gemengelage (Stichworte sind hier Jugendarbeitslosigkeit, Strukturwandel, Innovationsklima) hat sich ein in sich stimmiges und kom-

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plexes Schulsystem der beruflichen Bildung herausgebildet. Dieses System repräsentiert alle wesentlichen Merkmale der beruflichen und der Berufsbildung in Deutschland. Um die bildungspolitische Konstruktion der beruflichen Bildung also zu verstehen, ist das Nachvollziehen der Struktur von Berufskollegs in NRW sehr hilfreich und unumgänglich. 2.2 Der Sozial- und Wirtschaftsraum als Differenzierungsrahmen der beruflichen Schulbildung Zentrale Bezugspunkte der beruflichen Bildung sind erstens der Sozialraum und zweitens der Wirtschaftsraum. Im Sozialraum gilt es, die Nachfrage der Jugendlichen und jungen Menschen nach beruflicher Bildung in verschiedenen Fachrichtungen zu befriedigen. Im Wirtschaftsraum gilt es, für die angesiedelten Unternehmen (gleich welcher Größe) im ersten Schritt junge Menschen schulisch auszubilden, die benötigt werden und im zweiten Schritt Zweige der Berufsausbildung und der Weiterbildung anzubieten, damit standortnah aus- und weitergebildet werden kann. Die Anforderungen des Sozialraums können von denen des Wirtschaftsraumes in Teilen abweichen, da das Interesse der Eltern/Familien und Absolventinnen/Absolventen unter Umständen im regionalen Umfeld nicht vorgehalten wird. Dann richtet sich der Blick nach außen. Beide Blickrichtungen müssen an Berufskollegs tätige Menschen wahren: Den Blick in den Wirtschaftsraum zum Erhalt der leistungsfähigen Wirtschaftsstruktur (im Sinne der Wirtschaftsförderung) und – mit Augenmerk auf das Sozialrauminteresse der Menschen – den Blick in andere Städte, nach Europa oder gar global im Sinne moderner heutiger Bildungsbiografien. 2.3 Die Vielfalt beruflicher Bildungsgänge – Konkretionen Am Beispiel der Veränderung von Berufskollegs lassen sich politische, gesellschaftliche und ökonomische Strömungen sowie Veränderungsprozesse in Branchen und Wirtschaftsräumen, aber auch technologische Innovationszyklen ablesen. So werden bedarfsweise Ausbildungs- und Prüfungsordnungen verändert, Berufsbilder entstehen, verändern sich oder haben ihren Dienst getan, neue bzw. ergänzende Leitideen implementiert und Bildungsgänge abgeschafft, verändert oder eingeführt. Als erstes Beispiel soll für das Bundesland NRW die Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung Berufskolleg (APO-BK) genannt werden. 2015 wurde diese neu erlassen und es wurden zahlreiche Änderungen konkretisiert:

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Ȥ Umsetzung der Leitidee der Abschlussorientierung als politisches Paradigma; Ȥ Aufnahme sowie Akzentuierung weiterer allgemeinbildender Abschlüsse in die Bildungsgänge der Berufsausbildung (Fachoberschulreife mit Qualifikation zum Besuch der gymnasialen Oberstufe, Fachhochschulreife); Ȥ Abschaffung ausgewählter einjähriger Bildungsgänge (Berufsgrundschuljahr, einjährige Berufsfachschule für Schülerinnen und Schüler mit Fachoberschulreife); Ȥ Abschaffung des Berufsorientierungsjahres sowie dessen Neufassung als Bereich der Ausbildungsvorbereitung. Als zweites Beispiel soll die Einführung der sog. Internationalen Flüchtlingsklassen (IFK) benannt werden, außerdem die Erweiterung der Schulpflicht für 18- bis 25-Jährige, der Erlass »Fit für mehr«, der die Zweistufigkeit in den Internationalen Flüchtlingsklassen regelt und einen mehr als zweijährigen Verbleib dort möglich macht. Als drittes Beispiel soll die Inklusion angeführt werden, deren Umsetzung im Feld der Berufskollegs eine Besonderheit darstellt, weil der hohe Differenzierungsgrad der Berufskollegs nach Eignungsstufen und Neigungsbereichen bereits strukturell auf die Integration sehr heterogener Gruppen ausgerichtet ist. Die folgende Auflistung zeigt überblickartig die Vielfalt und systemische Ausgestaltung der beruflichen Bildung. Die aufgelisteten Bildungsgänge werden in verschiedenen Fachrichtungen angeboten (z. B. Technik, Wirtschaft, Soziales, Gestaltung – um nur einige zu nennen). Bildungsgänge an Berufskollegs – verschiedene gesellschaftliche Zielgruppen des sozialen und wirtschaftlichen Umfeldes – werden beschult: Ȥ Auszubildende der Berufsausbildung »Duale Berufsausbildung« (in Teilzeit), Ȥ Auszubildende, die neben der Berufsausbildung anerkannte allgemeine Schulabschlüsse bis einschließlich der Fachhochschulreife erwerben möchten, Ȥ einschlägig ausgebildete Berufstätige, die einen dem BA gleichwertigen Bildungsabschluss erwerben möchten (Fachschule), Ȥ Jugendliche Berufsschulpflichtige ohne ein Ausbildungsverhältnis (in Teilzeit und Vollzeit), die ggf. einen allgemeinen Schulabschluss erwerben können, Ȥ geflüchtete junge Menschen in Orientierungsklassen »Fit für mehr« (in Vollzeit), Ȥ geflüchtete junge Menschen in Internationalen Klassen (Vollzeit), die einen allgemeinbildenden Schulabschluss erwerben möchten/können, Ȥ Jugendliche und junge Erwachsene, die in Vollzeit den Hauptschulabschluss in einem vollzeitschulischen beruflichen Bezugsrahmen erwerben möchten, Ȥ Jugendliche und junge Erwachsene, die den mittleren Bildungsabschluss bzw.

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denselben mit der Qualifikation zum Besuch der gymnasialen Oberstufe in einem vollzeitschulischen beruflichen Bezugsrahmen erwerben möchten, Ȥ Jugendliche und junge Erwachsene, die die Fachhochschulreife in einem vollzeitschulischen beruflichen Bezugsrahmen erwerben möchten, Ȥ Jugendliche und junge Erwachsene, die die Allgemeine Hochschulreife in einem vollzeitschulischen beruflichen Bezugsrahmen erwerben möchten, Ȥ Jugendliche und junge Erwachsene, die zusätzlich zu einem allgemeinbildenden Schulabschluss eine staatliche Ausbildung (Assistentenausbildung) absolvieren möchten. Diese Breite (verschiedene Berufsfelder) und Tiefe (verschiedene Anforderungsund Qualifikationsniveaus) an Fachrichtungen kann nicht an jedem Berufskolleg angeboten werden. So trifft man in Oberzentren häufig auf den Typus monostrukturierte Berufskollegs. Jene bieten verschiedene Bildungswege in derselben Fachrichtung an (z. B. Fachrichtung Wirtschaft und Verwaltung). In ländlichen Gebieten, aber auch in Kreisen trifft man häufig auf sog. Bündelschulen. Das sind Berufskollegs, die verschiedene Bildungswege in verschiedenen Fachrichtungen anbieten (z. B. Naturwissenschaften und Technik, Wirtschaft und Verwaltung und Hauswirtschaftslehre/Versorgungsmanagement). Je nach Typus (eher monostrukturiert oder eher Bündelschule), regionalem Sozial- und Wirtschaftsraum sowie regionaler Arbeitsmarktlage unterscheidet sich ein Berufskolleg vom anderen zum Teil ganz erheblich. Das hat konkrete Auswirkungen auf den Unterricht, die begleitende Seelsorge und die Schulkultur. 2.4 Didaktisch-curriculare Implikationen Verändert haben sich in den vergangenen 25 Jahren die didaktischen Leitideen des Berufskollegunterrichts. Lernende sollen in möglichst hohem Maße verantwortlich für den Lernprozess sein, methodische Großformen wie etwa Projektunterricht gelten als Maßstab. So stellt Deißinger 2001 rückblickend fest: »Gegenüber der Zeit der ›Lehrberufe‹ sind heute im System der Ausbildungsberufe gut zwei Drittel aller Berufsbilder auf der Basis einer Ausbildungsordnung nach § 25 BBiG geregelt. Die modernen Ausbildungsordnungen zeichnet zudem aus, dass die Ausbildungsrahmenpläne ›lernzielorientiert‹ nach den Prämissen der lernzielorientierten Curriculumtheorie, ausformuliert sind, d. h. einem vergleichsweise hohen Systematisierungsanspruch unterliegen.«8 8 Deißinger, a. a. O. – siehe Anm. 5–76.

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Immer noch zutreffend ist, dass eine Curriculumrevision derart stattfindet, dass zwischen den institutionellen Partnern Lehrplanreformen erörtert werden und stattfinden und Berufsbilder neu geordnet werden. In diesem allgemeinen bildungstheoretischen Sinne findet ein von Robinsohn beschriebener bzw. vorgeschlagener Entwicklungsprozess der Curriculumrevision statt.9 Im engeren Sinne ist zu konstatieren: Die didaktische Leitidee ist jedoch nicht bildungstheoretisch orientiert bezüglich der Auswahlentscheidung von Bildungsgehalten und Bildungsinhalten und sie ist nicht mehr vorrangig die des lernzielorientierten Konzeptes samt der dahinterliegenden Taxonomien. Die – zumindest in NRW seit den 1990er Jahren – über die didaktisch-methodischen Konkretisierungen im gewerblich-technischen Bereich vorangetriebene Leitidee des Handlungsorientierten Unterrichts ist an die zentrale Stelle der vormalig bedeutsamen Lernzielorientierung getreten. Der Handlungsorientierte Unterricht, der idealtypisch von der unterrichtlichen Verwirklichung der vollständigen Handlung im Projektunterricht und von der Übernahme von Verantwortung der Lernenden für den Lernprozess ausgeht, ist inzwischen auf der Ebene der Auswahl von Unterrichtsgegenständen durch das Auswahlkonzept der Lernfelddidaktik ergänzt worden, operationalisiert auf der Zielebene des Unterrichts durch Kompetenzen statt kurzfristiger Lernziele. Überdies werden zunehmend mikromethodische Vorschläge aus dem Bereich des kooperativen Lernens aufgenommen, um nach diesen Vorstellungen die Zusammenarbeit der Lernenden zu organisieren und Verantwortung der Schülerinnen und Schüler untereinander für Lern- und Arbeitsprozesse zu steuern. Vereinfachend lässt sich zusammenfassen, dass zum einen didaktisch-methodische Konzepte wirksam geworden sind und Unterrichtskultur sowie Fächerbezeichnungen verändert haben (Handlungsorientierter Unterricht, Kooperatives Lernen), andererseits sind gemischte Konzepte in der Umsetzung, die aus der Veränderung der Unterrichtskultur einen Schulentwicklungsprozess sowie einen Professionalisierungsprozess der Lehrkräfte ableiten (Klippert, Oldenburger Modell). M. E. ist es aus didaktischer Sicht als systematische Einseitigkeit zu bewerten und als diskussionswürdige konzeptionelle Zuspitzung anzusehen, dass in der Umsetzungspraxis innerhalb der Umsetzungslinie Universität–Ministerium–Ausbildungsseminare–Schule häufig Ȥ der Idealtypus des handlungsorientierten Unterrichts ohne Verweis auf eine Stufung dorthin angepriesen wird,

9 Robinsohn 1967.

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Ȥ alleine Kompetenzen als Zieldimension ausgegeben werden – statt durch Lernziele ergänzt zu werden und Ȥ lernzielorientierte Verfahren ebenso wie kybernetische Verfahren nicht ausdrücklich als ergänzende Bestandteile eines projektähnlich organisierten Lehrgangs aufgefasst werden. In der (berufs-)schulischen Praxis wird es eher zu Mischformen kommen, die anfangs/teilweise eher als programmartig-lehrgangsmäßig und zunehmend bzw. phasenweise als inszenierungsmäßig-projektähnlich zu kennzeichnen sind – mal eher dem einen, mal eher dem anderen Ausprägungsgrad entsprechend. So kann man auch die Zielbereiche des handlungsorientierten Unterrichts im Verhältnis zu denen des lernzielorientierten Unterrichts m. E. als komplementär ansehen.

3 Institutionelle Partner in der beruflichen und Berufsbildung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Berufskollegs bzw. Berufsschulen/berufsbildenden Schulen arbeiten mit verschiedenen Institutionen zusammen: In der Berufsausbildung vorrangig mit Ausbildungs- und Praktikumsbetrieben, ersatzweise mit unterschiedlichen Trägern von Berufsbildungsmaßnahmen, mit handwerklichen Innungen und Kammern oder mit industriell-kaufmännischen Kammern, sozialen und gestalterischen sowie anderen berufsständischen Organisationen, angeschlossenen Bildungswerken, mit Arbeitgebervertretern und Arbeitnehmervertretern und schließlich Arbeitsagenturen. Das Handlungsfeld Unterricht und Ausbildung durch das Berufskolleg und am Berufskolleg wird durch verschiedene Institutionen beeinflusst und teilweise geregelt: Ȥ Kammern (z. B. Ärztekammer, IHK, HK), öffentlich-rechtliche Institutionen haben in Deutschland Aufgaben der berufsständischen Selbstorganisation, wozu auch das berufliche Ausbildungs- und Prüfungswesen gehören. Im Prinzip überträgt der Staat hoheitliche Aufgaben, die diese Organisationen dann gegen Mitgliedsbeiträge im öffentlich-rechtlichen sowie im Interesse ihrer Berufsstände erledigen. Ȥ Kultusministerien bzw. Schulministerien erlassen Lehrpläne (auslaufend) bzw. Bildungspläne. Ȥ Wirtschaftsministerium, auch wenn Schulen staatshoheitlich unter der obersten Aufsicht der Kultus- bzw. Schulministerien geführt werden, spielt das Wirtschaftsministerium bzw. das jeweilige Landeswirtschaftsministerium

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eine Rolle, zum Beispiel bei der Umsetzung von Konzepten gegen den Fachkräftemangel oder auch bei der Gestaltung erleichterter Zutrittsformen für die betriebliche Ausbildung. Ȥ Arbeitsbehörden spielen unter anderem eine Rolle bei der Vermittlung in Ausbildung, aber auch bei der Berufsorientierung. Ȥ Lokale Ämter für Wirtschaftsförderung spielen auch eine Rolle bei der Präsentation der Ausbildungsbetriebe und Branchen, aber auch bei der Kooperation zwischen lokalen Unternehmen und Schulen. Ȥ Bundesinstitut für Berufsbildung: »Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) ist das anerkannte Kompetenzzentrum zur Erforschung und Weiterentwicklung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Deutschland.«10 Es agiert im Rahmen der Bildungspolitik der Bundesregierung als Forschungsinstitut der Berufsbildungsforschung. Zudem kümmert es sich im Auftrag des Bundesministeriums um Ausbildungs- und Rechtsverordnungen, um den Berufsbildungsbericht, um die Berufsbildungsstatistik, um wissenschaftlich begleitete Modellversuche, internationale Zusammenarbeit, um die Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten, das Verzeichnis der Ausbildungsberufe sowie um den Fernunterricht im Rahmen des Fernunterrichtsschutzgesetzes. Diese Institutionen sind Aktionspartner, wie z. B. Kammern und Arbeitsbehörden im Rahmen der Berufsausbildung, der erwerbbaren Zertifikate und der Berufsorientierung bzw. -vermittlung. Der Kultusbetrieb regelt den inhaltlichen Bildungsrahmen, Kammern und Dachverbände zudem ausbildungsrelevante Inhalte. Weiterbildungsinstitutionen sind entweder Kooperationspartner oder ebenfalls Zertifikatgeber. Das Wirtschaftsministerium übt Einfluss auf die Schulministerien im Sinne übergeordneter Wirtschaftsförderung. Das BIBB steht dem Bundesbildungsministerium in Sachen der beruflichen Bildung forschend, beratend und Ordnung gebend zu Seite.

4 Entwicklungen und aktuelle Herausforderungen Obwohl es schwierig ist, zwischen einsetzenden, bereits in Umsetzung begriffenen und plötzlich zur Problemlösung anstehenden Projekten zu unterscheiden, wird nachfolgend aufgezeigt, welche ausgewählten Projekte seit einigen Jahren in

10 https://www.bibb.de/de/institut.php.

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Umsetzung sind und uns noch beschäftigen und welche gänzlich neunen Projekte hinzukommen bzw. soeben hinzugekommen sind. 4.1 Entwicklungen In der jüngeren Vergangenheit galt es – und es gilt nach wie vor – berufsschulische Ausbildungen in den Bezugsrahmen des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) bzw. Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) zu überführen. Wissen, Fertigkeiten und Kompetenz werden acht Niveaustufen zugeordnet. Bei der begrifflichen Fassung der Kompetenz wird die Selbständigkeit bei der Problemlösung durch den Lernenden hervorgehoben. Bildungspläne wurden (und werden noch) kompetenzorientiert neugeordnet (z. B. in NRW). Überdies sind die Berufsschulen bzw. Berufskollegs im Zusammenspiel mit Betrieben und Hochschulen zu positionieren, also im Kooperationsrahmen Duales Studium als ein bedeutender Partner zu festigen. Gerade einige (auch private) Fachhochschulen versuchen, Ausbildungsbetriebe für Duale Studiengänge zu gewinnen, bei denen die Expertise der Berufskollegs außen vor bleiben soll. Allerdings ist die Expertise der Berufsschulen bei der Vorbereitung auf die Fachprüfungen im Rahmen der Ausbildung beachtlich. Deswegen empfehlen ausgewählte Kammern (zum Beispiel die IHK zu Düsseldorf) das Konzept des Dualen Studiums unter Kooperationsbeteiligung der Berufskollegs. Berufliche Großakteure wie Siemens stützen bisher diese Perspektive. Zudem galt es, die beruflichen Schulen bzw. Berufskollegs den neuen Ausbildungs- und Arbeitsmarktbedingungen anzupassen. Blickt man in der BRD zurück, so beobachtet man Paradigmenwechsel, die jeweils von den Marktbedingungen abhängen. Ist die Arbeitslosigkeit hoch und gleichzeitig die Aussicht auf Ausbildungsplätze gering, werden Berufskollegbildungsgänge ausgeweitet, längere Verweildauern werden dann gerne gesehen. Herrscht Angst vor Fachkräftemangel, dann werden solche Biografien als nachteilig angesehen. Bildungsgänge werden im Sinne einer Abschlussorientierung überarbeitet (so in NRW mit der Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung 2015). Bei Würdigung aller möglichen Konzepte für die frühe Berufsorientierung und Verkürzung von Lernwegen zur beruflichen Ausbildung gibt es aber Interessenslagen, die ganz eigen sind und nicht nach den hoheitlichen Wünschen fragen: Eltern minderjähriger und volljährige Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende. Diese Gruppen treffen privatautonome Entscheidungen in Richtung Studien- und Berufswahl, ganz unabhängig von staatlichen und berufsständischen Bedarfsansätzen. Der Schutz hierfür ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das

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einerseits den Grundsatz der Privatautonomie entfaltet – kurz gesagt die Kraft, eigene Entscheidungen zu treffen und Willenserklärungen abzugeben, also Verträge zu schließen – und andererseits gem. § 1631 die Personensorge und noch mehr gem. § 1632 Elterliche Sorge konkretisiert. Diese Willenserklärungen sind zu beachten und nicht in ein staatslenkendes Berufsneigungswesen zu überführen. Allerdings weicht die klassische Arbeitsteilung – Eltern erziehen, Bildungsinstitutionen bilden aus – zunehmend auf, je mehr Familien Doppelvollzeitarbeitsstrategien entwickeln und ihre Kinder/jugendlichen Minderjährigen staatlichen sowie berufsorientierenden Behörden überlassen. Damit wird – mit Blick auf Personensorge und elterliche Sorge – ein Teil des Grundsatzes der Privatautonomie aufgegeben.11 4.1.1 B  esondere Fachkräfte für die Arbeit an beruflichen Schulen und Berufsschulen finden

Mathematik, Maschinenbautechnik, KFZ-Technik, Elektrotechnik, Informatik, Bautechnik, Ingenieurwissenschaften – diese Fachrichtungen bzw. fachlichen Vertiefungen werden an Berufskollegs permanent benötigt. Von Werkstattlehrern über Technische Lehrer bis hin zu Fachlehrern und Studienräten/Oberstudienräten reicht die Einsatzpalette für ebendiese Lehrkräfte. Angesichts des bundesweiten Gesamtbedarfs ist die Anstrengung groß, diese Fachkräfte zu gewinnen und gleichzeitig einen hohen Qualitätsmaßstab zu erheben. Immer dann, wenn der industrielle Konjunkturzyklus einen Abwärtstrend zeigt, wenn sich Auftragsbücher lichten, gehen plötzlich zahlreiche Initiativbewerbungen an Berufskollegs ein. Aber: Nicht »Wirtschaftsflüchtlinge«, die dem Stress der sog. freien Wirtschaft entkommen und der sie zermürbenden Unsicherheit entrinnen wollen, benötigen die Berufskollegs. Vielmehr engagierte und professionelle Fachkräfte, die von der beruflichen Bildung und der Zusammenarbeit mit jungen Leuten an Berufskollegs begeistert sind, sind gefragt. Nicht gänzliche Belastungsfreiheit sowie Freiheit sind Hauptmerkmale der Arbeit in der beruflichen Bildung, es ist die berufsfeldbezogene Zusammenarbeit mit jungen Menschen einerseits und das an Maßstäben des Qualitätsmanagements angelehnte Arbeiten in einem Berufskolleg andererseits, was auch mal herausfordernd sein kann. Nebeneffekte sind Sicherheit und relative Kontinuität bei der Arbeit im Bildungssystem. Dieser Zyklus bei der Fachkräftegewinnung (in Technik, Wirtschaft, Pflege, Gestaltung, Sozialem) ist jedes Mal eine große Herausforderung, eben nicht im 11 Vgl. Peter Schwafferts: BGB-Reform – neuer und besser? In: Wirtschaft und Gesellschaft im Beruf, Bad Homburg v. d. H. 2001, 1–8.

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industriell-konjunkturellen Aufwärtstrend geradezu jeden übrig gebliebenen Bewerber einzustellen, um dann über Jahre während des Abwärtstrends wegen der Sättigung im System sogar sehr gute Kandidaten außen vor zu lassen. Deswegen ist eine kontinuierliche Ausbildung von Fachkräften sowie deren Einstellung in den Schuldienst gefragt, die zu einer kontinuierlichen Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen. 4.1.2 Innovative Bildungsgänge errichten: Jungen Menschen eine Perspektive eröffnen und gleichzeitig für künftige Fachkräfte sorgen

Fachkräftesicherung fängt nicht erst bei den universitären Absolventen an, sie fängt sehr viel früher an. Nämlich beispielsweise bei einem attraktiven ingenieurwissenschaftlichen, naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterricht. Lust auf MINT-Fächer muss früh geweckt werden. So werden z. B. an berufsbildenden Schulen sog. Schulversuche gemacht, die wissenschaftlich begleitet, konzeptionell ausgestaltet, in der Erprobungsphase begleitet und parallel evaluiert und im Idealfall bei Bewährung zu einer neuen Regelschulform werden. Als Beispiel sind die beruflichen Gymnasien für Technik zu nennen. In Bayern und Sachsen-Anhalt haben diese eine große Bedeutung. Allerdings macht man die Erfahrung – besonders in NRW –, dass die Absolventenzahl drastisch zurückgeht. In NRW geht man neuerdings einen besonderen Weg: Statt jugendliche Elftklässler bereits zu der Entscheidung zu zwingen, sich für eine Ingenieurwissenschaft – nämlich Elektrotechnik, Maschinenbautechnik oder Bautechnik – zu entscheiden, können diese sich zurzeit auch für den interdisziplinären Zugang über Ingenieurwissenschaften entscheiden. Sie absolvieren die vorgenannten Ingenieurdisziplinen im Oberstufenunterricht integrativ, wenden diese Disziplinen also projektbezogen an und vertiefen sie kognitiv auf dem Anforderungslevel der gymnasialen Oberstufe. So entsteht die neue Schulform berufliches Gymnasium Technik, Schwerpunkt Ingenieurwissenschaften. Natürlich bedauern auch einschlägig erfahrene Lehrkräfte den Wandel von der Vertiefung in einer Disziplin zugunsten der projektartigen exemplarischen Beschäftigung mit drei interdisziplinären Fächern. Allerding ist dies keine Folge eines Wandels der didaktischen Anschauungen, es handelt sich um einen Wandel in Folge der Umsetzungsbedingungen, nämlich der angespannten Umstände für die Gewinnung ingenieurwissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland.

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4.2 Herausforderungen Berufliche Schulen bzw. Berufskollegs sind in besonderer Weise ökonomischen, technologischen, gesellschaftlichen und regionalen Veränderungsprozessen ausgesetzt, die zum Teil besondere Anpassungsstrategien erfordern. Entwicklung und Umsetzung dieser Anpassungsstrategien benötigt Ressourcen, konkret Sachmittel, Geldmittel und Personen. Es ist eine große Herausforderung, dies unter den Bedingungen von Zeitdruck so zu organisieren, dass bestehende berechtigte Engagements (z. B. Förderung aller Schülerinnen und Schüler) angemessen weitergeführt werden können. Derzeit sind folgende Herausforderungen zu benennen: 1. Berufsorientierung organisieren: Berufsorientierung wird zunehmend in ein Programm eingefügt, das bereits ab Klasse 8 startet und sich über die Klasse 10 hinaus in die Oberstufen der berufsbildenden Schulen/Berufskollegs erstreckt. Dabei kommen verschiedene Formate zum Tragen (u. a. Messen, Praktika, Portfolio, Beratung). Mit Blick auf Konzepte, die stärker an der Entwicklung der Jugendlichen ansetzen, stellt sich die Frage, wie viel zeitlicher Raum für ebensolche Konzepte hier noch gegeben ist. Außerdem ist zu fragen, inwieweit die Öffnung der betrieblichen Praxis für Jugendliche in dem erforderlichen Umfang über einen derart langen Zeitraum sinnvoll ist; möglicherweise sind (noch) nicht alle Branchen/Unternehmen derart ausgestattet bzw. eingerichtet, dass unter dem Gesichtspunkt des Arbeitgebermarketings eine derart weitgehende Öffnung für verschiedene Praktika sinnvoll ist. 2. Überdies ist zu prüfen, inwieweit die Schulen darin überfordert sind, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, die andere Zielsetzungen als Berufsorientierung haben – als Beispiel seien Sozialpraktika erwähnt, die andere Länder zum Beispiel in der kritischen Altersphase 15–18 in Einrichtungen durchführen. 3. Berufliche Anschlüsse ermöglichen: Ausbildungs- und Arbeitsverträge schließen Unternehmen privatautonom, hier greifen keine staatlichen Vorschriften. Anreize, wie etwa Einstiegsqualifizierungen, können es Betrieben erleichtern, mit der Ausbildung einzusetzen. Dennoch bleibt es für die Kammern und beruflichen Schulen sowie Wirtschaftsministerien und -ämter eine ehrgeizige Aufgabe, die Zahl der Ausbildungsbetriebe zu erhöhen bei gleichzeitiger Wahrung von Mindeststandards in der Ausbildung. 4. Berufsorientierung, -beratung, -begleitung und trägergestützte Ersatzausbildungen durch staatlich lizensierte Maßnahmenträger nehmen an Umfang zu. Die Qualitätsüberwachung dieser Träger ist aufwendig, ebenso die

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Kontaktaufnahme und -pflege mit zum Teil neu lizensierten Instituten. Es zeigt sich, dass eine beachtliche Menge junger Leute sich nicht in einem Regelausbildungsverhältnis befindet und an diese Stelle Maßnahmenträger treten. Hier ist sicherzustellen, dass dies kein Regelfall wird und dass so breit wie möglich und so schnell wie möglich »echte« betriebliche Ausbildungen bzw. Maßnahmen in genügender Zahl und Qualität zur Verfügung stehen. 5. Beschulung geflüchteter Menschen: Eine berufliche Unterbringung Geflüchteter in einer der Branchen wird das gesamte System vor große Herausforderungen stellen. Nach bisherigen Erfahrungen der berufsbildenden Schulen, die regelmäßig in großem Umfang geflüchtete Menschen beschulen, wird hier in einem beachtlichen Umfang Alphabetisierung betrieben werden müssen. Das Berufsbildungssystem wird sicherlich noch sehr gefragt sein bei der allmählichen Heranführung der Mindeststandards bei der Beherrschung von Kulturtechniken, die erforderlich sind, qualifizierte Ausbildungen zu absolvieren. Denn dies bedeutet auch, sich auf schriftliche Abschlussprüfungen sowie praktische Prüfungen vorzubereiten, um diese zu bestehen. Besonders das Handwerk, aber auch andere Branchen, erarbeiten zurzeit Konzepte, die dies umsetzen sollen. »Wege in die Ausbildung für Flüchtlinge« heißt ein solches Konzept einer begleiteten Integration bzw. Orientierung sowie Vorbereitung mit anschließender Einstiegsqualifizierung sowie zusätzliche ausbildungsbegleitende Hilfen oder gar durch eine Assistenz. Im Zuge der Heraufsetzung der Schulpflicht für Geflüchtete unter 25 Jahren wird sich ein längerer qualifizierender Verbleib in den Bildungsgängen der berufsbildenden Schulen ergeben, auf den sicherlich personell und konzeptionell zu reagieren sein wird. 6. Inklusion wird nun auch für die beruflichen Schulen zu einer wichtigen Aufgabe. Dass dies bei dem sehr hohen Differenzierungsgrad der beruflichen Bildungsgänge gelingen wird, scheint gut denkbar. Allerdings muss dies auch durch Lehrkräfte und Leitungen bearbeitet werden, wie sich am Beispiel der Gewährung von Nachteilsausgleichen zeigt. Besucht ein Schüler nämlich einen höher qualifizierenden Bildungsgang, so ist bei einem Nachteilsausgleich zu prüfen, ob Nachteilsausgleiche derart geschaffen werden sollen, dass das Anforderungsniveau des Bildungsganges noch gehalten wird. Von Bedeutung wird auch sein, dass diese Nachteilsausgleiche zu beantragen sind. Demnach müssen Schulleitungen (und im Fall der beruflichen Gymnasien die Schulaufsichtsbehörden selber) Beschlüsse fassen, Entscheidungen treffen und am Ende den Antragstellern Bescheide zukommen lassen. Gegen diese Bescheide, die einen Verwaltungsakt darstellen, können auch Rechtsbehelfe eingelegt werden. Ein Begleiteffekt der Inklusion wird damit die anspruchsvolle verwaltungsbürokratische Verfahrensorganisation sein.

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7. Rolle der Berufsschulen bei dualen Studiengängen: In Bundesländern, die keine Berufsakademien vorhalten, müssen sich die Berufsschulen positionieren. Die klassische Expertise der Berufsschulen, gleichzeitig berufliche Bildung wie Vorbereitung auf die duale Abschlussprüfung zu leisten, wird neu zu bewerten und zu schärfen sein, bevor man vorschnell dieses Feld den Fachhochschulen überlässt. Nicht zu unterschätzen ist nämlich, in welchem Umfang bisher das Personal der Berufsschulen ehrenamtlich zur hohen Qualität der dualen Abschlussprüfungen beiträgt. Es liegen zurzeit noch nicht genügend empirische Befunde vor, um abschließend das eine oder das andere Modell zu präferieren.

5 Pädagogisch Arbeiten in berufsbildenden Schulen: Entwicklungen und aktuelle Herausforderungen annehmen und Veränderungsängste systematisch beherrschen Aus Sicht der Akteure an berufsbildenden Schulen stellen die zuvor genannten Entwicklungen und Herausforderungen – und aufgelistet wurde nur eine ausgewählte Anzahl ebensolcher – mitunter diffuse Veränderungsgemengelagen dar. Berechtigt ist ein Unbehagen zum Teil darüber, dass möglicherweise übereilt systematische Strukturveränderungen vorgenommen werden oder auch kurzfristige Trends zu auf Dauer ungewollten Ausrichtungen führen. Besonders am Beispiel von Veränderungen der Bildungsgänge, aber auch am Beispiel der curricularen Anpassungen und ganz besonders am Beispiel der regional durchgeführten Schulentwicklungsplanungen der Kreise und Städte wird dies regelmäßig deutlich. Nicht zu vergessen ist, dass seit den Anfang der 2000er Jahre ein Prozess der Bedeutungserhöhung europäischer beruflicher Bildung im »Lissabon-Prozess« und danach der Bildungs-Integrationsprozess »Bologna-Prozess« in Gang gekommen sind. Ein Anpassungs- und Veränderungsprozess der europäischen Bildungssysteme, der unter anderem seine Dynamik aus dem System der Bereitstellung und des Abrufs europäischer Mittel gewonnen hat, sodass schneller konzeptionelle sowie Umsetzungsstrategien entwickelt wurden, als dass sich eine Debatte über universitäre Bildung in Deutschland entfalten konnte. So haben unternehmensnahe Stiftungen und Institute Mittel abgerufen, um z. B. mithilfe freiberuflich tätiger Bildungsexperten europäisch angepasste Studienausbildungskonzepte zu erstellen, die dann beispielsweise an Berufsakademien, aber auch im übrigen Universitätssektor eingeführt wurden. Auch in anderen Bundesländern wurde so die Reform der BA- und MA-Studiengänge an Hoch- und Fachhochschulen auf den Weg gebracht. Inzwischen hat dieser Prozess auch das Schulsystem, hier besonders das berufsbildende Schulsystem, erreicht.

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In den Entwicklungen liegen Chancen, die genutzt werden können, um das Berufsbildungssystem fit zu halten. Vielerorts werden diese Veränderungen zudem systematisch vorbereitet und methodisch begleitet umgesetzt. Ausgewählte Herausforderungen setzen die Berufsbildungsakteure auf der operativen Ebene erheblich unter Druck. Das Ergebnis kann gleichermaßen ein Frustrations- wie ein Erfolgserlebnis sein. Wird ein Bereich einer berufsbildenden Schule von aktuellen Herausforderungen förmlich erdrückt, ist dies frustrierend. Schafft es eine berufsbildende Schule, trotz sehr allgemeiner Vorgaben ein Umsetzungsfeld sehr kurzfristig vorbildlich konkret auszugestalten (etwa im Bereich der Beschulung geflüchteter Menschen, für den es keine Vorlaufverfahren gab), ist dies ein großer Erfolg. Nicht selten werden solche regionalen Umsetzungsbeispiele zur Blaupause für das ganze System. Auch können die beruflichen Schulen in ihren Netzwerken mit Schulträgern, Betrieben und anderen Institutionen ganz neue Angebotsformen kreieren, um z. B. ganz besondere Interessens- und Zielgruppen zu beschulen. Beispiele sind Veränderungsprozesse im Anschluss an Schulentwicklungsplanungen, Neuordnungsverfahren oder Schulversuchsprojekte. Überdies gibt es eine Vielzahl von Vor-Ort-Umsetzungen, die beispielhaft sind und auf ganz unterschiedlichen Feldern operieren – von der branchenspezifischen Neigungsunterstützung bis hin zur ausbildungsvorbereitenden Förderung. Beispielsweise das PopCollege in Baden-Württemberg oder die besonderen Ausbildungsqualifizierenden Klassen im Kreis Mettmann können hier genannt werden. Darin zeigt sich die Innovationskraft unseres Systems, sobald Akteure in Netzwerken zusammenarbeiten und Ressourcen planvoll einsetzen.

Weiterführende Literatur Thomas Deißinger: Entwicklung didaktisch-curricularer Vorgaben für die Berufsbildung in Deutschland, in: Didaktik der beruflichen Bildung (Berufsbildung konkret 2), hrsg. von Bernhard Bonz, Hohengehren 2001, 71–87 Ute Hippach-Schneider/Martina Krause/Christian Woll: Berufsbildung in Deutschland. Kurzbeschreibung, hrsg. vom Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung, Luxemburg 2017, www.bibb.de/dokumente/pdf/Berufsbildung-im-Deutschland.pdf Willy Obrist/Christoph Städeli: Prüfen und Bewerten in Schule und Betrieb, Bern 2010 Georg Rothe: Berufliche Bildung in Deutschland – Das EU-Reformprogramm »Lissabon 2000« als Herausforderung für den Ausbau neuer Wege beruflicher Qualifizierung im lebenslangen Lernen, Karlsruhe 2008 Clemens Urbanek: Handbuch Ausbildung, Düsseldorf 2011 Felix Winter: Leistungsbewertung – Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den Schülerleistungen, Schorndorf 2014

I.2 Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen

Reinhold Boschki/Friedrich Schweitzer

1. Zur Situation des BRU: Wie wird der BRU erteilt? Es ist bereits aufschlussreich, dass eigens gefragt werden muss, wie der BRU erteilt wird. Zwar kann bei jedem Schulfach die Frage gestellt werden, in welchem Umfang es wo und wann erteilt wird, aber beim BRU erweist sich die Situation doch als deutlich komplexer. Der letzte Bericht der KMK zur Situation des RU in Deutschland lässt dies allerdings zunächst nicht erkennen. Dort heißt es unter der Überschrift »Berufsbildende Schulen« knapp: »In den Teilzeitschulen des beruflichen Schulwesens ist in der Regel in allen Schuljahren eine Wochenstunde für den Religionsunterricht vorgesehen. Dabei ist der Religionsunterricht kein Prüfungsfach. In den Vollzeitschulen sind in der Regel zwei Wochenstunden zu erteilen. Dabei handelt es sich um auf das Schuljahr bezogene Durchschnittswerte. Der Unterricht kann zu Blöcken zusammengefasst werden.«1

Der Hinweis auf »Durchschnittswerte« und »Blöcke« lässt erkennen, dass es hier um eine Realität geht, die nicht leicht darzustellen ist. Zudem fällt auf, dass nur ganz allgemein die Situation in den »Teilzeitschulen des beruflichen Schulwesens« beschrieben wird, nicht aber in anderen Schulformen. Insofern bleibt die Darstellung sehr abstrakt und erfasst die vielfältige Situation des BRU nur zum Teil. Tatsächlich lässt sich die Realgestalt des BRU nur unter Berücksichtigung zahlreicher Aspekte beschreiben. Allerdings sind bislang keine wissenschaftlich fundierten Darstellungen verfügbar, die als verlässliche Grundlage für eine differenzierte Darstellung dienen könnten. Es gibt lediglich kleinere Umfragen bei den Kultusministerien der Bundesländer und bei den zuständigen kirchlichen 1

Kultusministerkonferenz (KMK): Zur Situation des Evangelischen Religionsunterrichts in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2002, 16.

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Behörden, deren Ergebnisse gewisse Rückschlüsse auf die Erteilung von BRU in den jeweiligen Ländern ziehen lassen.2 Außerdem liegen keine bundesweiten, sondern bislang nur regional begrenzte Befragungen von Berufsschulreligionslehrkräften vor.3 Im Folgenden können deshalb ebenfalls nur allgemeine Kennzeichnungen unter ausgewählten Aspekten geboten werden: Ȥ Unterschiede zwischen den Bundesländern: In den meisten Bundesländern ist der BRU selbstverständlicher Bestandteil des beruflichen Bildungswesens, ähnlich wie dies für den RU auch in anderen Schularten gilt. Allerdings gibt es eine Reihe von Ausnahmen: In Bremen gibt es keinen BRU. In Berlin und in Hamburg wird ein Angebot für Schülerinnen und Schülern gemacht, das nicht den herkömmlichen Formen von (Religions-)Unterricht entspricht: als monatliches »Religionsgespräch« in Hamburg und als Seminartag in einer evangelischen Jugendbildungsstätte in Berlin. Außerdem wird in Berlin an einer katholischen Ausbildungsstätte für soziale Berufe (Schulzentrum Edith Stein) konfessioneller RU erteilt. In Brandenburg befindet sich der BRU noch in einem Versuchsstadium, was vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass dort nur das Fach LER (Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde) als Teil der staatlichen Schule angeboten wird, während sich der (evangelische) RU in kirchlicher Trägerschaft befindet. In diesen Ausnahmefällen spiegeln sich nicht zuletzt unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen (s. u.). Zudem machen sich auch spezielle bildungspolitische Traditionen und Einstellungen bemerkbar, die zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Unterstützung des BRU führen. Ȥ Stundenausfall und unvollständige Einrichtung: Immer wieder wird aus verschiedenen Bundesländern berichtet, dass der BRU von einem erheblichen Stundenausfall belastet wird, wobei verlässliche Angaben wiederum kaum verfügbar sind. In diesem Falle ist der BRU als verpflichtender Bestandteil der Stundentafel vorgesehen, wird aber faktisch nicht oder in geringerem 2 Marc Fachinger: »Sie sind doch schon fest intrigiert!« Katholische Berufsschulreligionslehrer in kirchlichen Lehr-Lernprozessen. Eine Spurensuche nach ihrem Selbstverständnis (Religion und berufliche Bildung 8), Münster 2015, 116–138; Klaus Kießling: Zur eigenen Stimme finden. Religiöses Lernen an berufsbildenden Schulen, Ostfildern 2004, 73–83. 3 Vgl. bes. Monika Marose/Michael Meyer-Blanck/Andreas Obermann (Hg.): »Der Berufsschulreligionsunterricht ist anders!« Ergebnisse einer Umfrage unter Religionslehrkräften in NRW (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik 8), Münster 2016; Steffi Völker unter Mitarbeit von Helmut Stauche: Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt und Thüringen. Eine empirische Studie (StBR 8), Leipzig 2015 sowie auch Uta Pohl-Patalong/Johannes Woyke/Stefanie Boll/Thorsten Dittrich/Elisa Lüdke: Konfessioneller Religionsunterricht in religiöser Vielfalt. Eine empirische Studie zum evangelischen Religionsunterricht in Schleswig-Holstein, Stuttgart 2016.

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Umfang erteilt als vorgesehen. Davon zu unterscheiden sind Situationen, in denen der BRU nicht oder noch nicht durch entsprechende rechtliche Vorgaben gesichert ist, es also an einer verlässlichen Institutionalisierung mangelt. Von einer unvollständigen Einrichtung in diesem Sinne ist vor allem in Ostdeutschland zu sprechen.4 Dort wurde der RU allgemein erst nach der deutschen Vereinigung von 1990 (wieder) eingeführt und es ist auch insgesamt noch immer von einer Aufbausituation zu sprechen. Am wenigsten scheint bislang im Vergleich der Schularten die Einrichtung des BRU vorangeschritten zu sein, wobei auch die besondere rechtliche Situation in Berlin und Brandenburg zu bedenken ist (s. u.). Ȥ Divergente »Typen« von Berufsschulreligionslehrinnen und -lehrern: In den meisten Bundesländern sind die beiden großen Kirchen bemüht, den staatlichen BRU durch Anstellung von Pfarrerinnen und Pfarrern, Diplom-Theologinnen und -Theologen, Pastoral- sowie Gemeindereferentinnen und -referenten im Rahmen sog. Gestellungsverträge zu unterstützen. Beispielsweise wird der evangelische BRU in Nordrhein-Westfalen zu ca. 75 % von kirchlichen Lehrkräften, v. a. Pfarrerinnen und Pfarrern erteilt.5 Unterschiedliche Ausbildungswege (Universität, Fachhochschule, RU als Zweit- oder Drittfach, Diplom-Theologie mit oder ohne Fakultas für ein allgemeinbildendes Fach, kirchliche Ausbildung mit dem Schwerpunkt Religionspädagogik etc.) haben auch Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Religionslehrkräfte an beruflichen Schulen.6 Ȥ Schularten, Schulstufen, Ausbildungsgänge: Die Situation des BRU variiert weiterhin mit dem schulischen Rahmen (Teilzeit und Vollzeit; Berufliches Gymnasium; Berufskolleg usw.). Auch die jeweiligen Ausbildungsgänge können eine Rolle spielen, etwa in Abhängigkeit davon, ob sie in der Regel Abitur voraussetzen (und damit auch einen langjährigen Besuch von RU). Ȥ Heterogene Organisation des BRU: In den meisten Bundesländern wird BRU mehrheitlich in gemischt-konfessionellen Gruppen erteilt, wobei in der Regel eine konfessionsgebundene und entsprechend ausgebildete Lehrkraft Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Denominationen und Religio4 Zum dortigen BRU vgl. Roland Biewald: Ein Fach für alle (Fälle) – Berufsschulreligionsunterricht (BRU) in den ostdeutschen Bundesländern, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 65 (2013), 229–239 und Völker, Religionsunterricht 2015 (s. o. Anm. 3). 5 Vgl. Fachinger, »Sie sind doch schon …« 2015 (s. o. Anm. 2), 128. 6 Vgl. Fachinger, »Sie sind doch schon …« 2015 (s. o. Anm. 2), 138–177 und Monika Marose: Wer sind die BRU-Lehrkräfte? Grundlegende Auswertungen sozialer Daten und Beobachtungen zum gegenwärtigen Stellenwert des Fachs, in: Monika Marose/Michael Meyer-Blanck/Andreas Obermann (Hg.): »Der Berufsschulreligionsunterricht ist anders!« Ergebnisse einer Umfrage unter Religionslehrkräften in NRW (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik 8), Münster 2016, 13–23.

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nen oder ohne Religionszugehörigkeit unterrichtet. An kirchlichen Schulen sowie in manchen Bundesländern ist die Zahl der konfessionell differenzierten Gruppen höher, was v. a. an der besseren Versorgung mit Religionslehrkräften sowie an konfessionellen Prägungen in der Bevölkerung liegt. Der Unterricht in gemischten Gruppen wird von den allermeisten Lehrenden ausdrücklich befürwortet7 und als Chance gesehen, verschiedene Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen im Unterricht zur Sprache und auf Schülerebene zum Austausch zu bringen. Ȥ Konfessionelle und interreligiöse Kooperation: Der BRU wird in seiner oben beschriebenen Form mit pluraler Schülerschaft auf der Grundlage des Prinzips konfessioneller (evangelisch-katholischer) Kooperation erteilt. Interreligiöse Kooperation zwischen Lehrkräften kann nur stattfinden, wenn es Kooperationspartner etwa in Gestalt eines Islamischen oder Jüdischen RU gibt, was in vielen Berufsschulen gar nicht der Fall ist. Können zwei Lehrkräfte tatsächlich kooperieren (Absprachen, Austausch von Materialien, gemischte Gruppen, gemeinsame Unternehmungen – bis hin zu gelegentlichem Team-Teaching), wird dies als Bereicherung wahrgenommen. In Zukunft wäre die Zusammenarbeit über den evangelisch-katholischen Bereich hinaus besonders wichtig – mit Vertreterinnen auch aus dem Bereich der Orthodoxen Kirchen sowie aus Islam und Judentum. Ȥ Ethik als Wahlpflichtfach oder Ersatzfach: Für die Realität des BRU spielt auch eine Rolle, ob es in der Schule Alternativen dazu gibt. Genauere Untersuchungen dazu fehlen allerdings. In Baden-Württemberg beispielsweise gibt es im beruflichen Bildungswesen, abgesehen vom Beruflichen Gymnasium, nur vereinzelt Ethikunterricht. Allerdings werden entsprechende Forderungen in manchen Bundesländern mit zunehmendem Nachdruck formuliert – zum Teil auch im Sinne einer Ablösung des BRU durch »Ethik für alle«. Soweit Ethik als Ersatz- oder Wahlpflichtfach angeboten wird, werden weitere Kooperationen mit dem BRU möglich. Besonders interessant können hier vergleichende Darstellungen zu religiösen und nicht-religiösen Zugängen zu Themen wie etwa Tod und Sterben sein. Es wäre Aufgabe eines eigenen Forschungsprojekts, detailliert zu erheben, wie sich die Situation des BRU in Deutschland, differenziert nach den genannten Aspekten sowie weiterer Merkmale, tatsächlich darstellt. Eine solche Darstellung wäre zugleich eine wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung der Didaktik des BRU als auch für die religionspädagogische Forschung zur Realität des RU insgesamt. 7 Vgl. Obermann, 2016, S. 52.

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2. Zur Begründung des BRU – bildungstheoretisch und rechtlich Bei den Begründungsmöglichkeiten für RU ist zunächst eine Unterscheidung zwischen kirchlichen oder theologischen Sichtweisen und anderen Begründungen wichtig. Kirchliche und theologische Begründungen kommen beispielsweise in kirchlichen Stellungnahmen zum Ausdruck, während innerhalb der Theologie vor allem auf religionspädagogische Darstellungen hinzuweisen ist. Sowohl kirchliche als auch theologische Begründungsformen werden heute außerhalb von Theologie und Kirche aber nicht als allgemein verbindlich angesehen, weil sie aus einer bestimmten religiösen oder theologischen Perspektive kommen, die von vornherein als nicht verallgemeinerbar wahrgenommen wird. Auch wenn dadurch das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften im Blick auf Bildung und Erziehung auch für den RU nicht bedeutungslos wird, spielen im Blick auf die staatliche Schule doch andere Begründungsformen eine hervorgehobene Rolle. In erster Linie gilt dies für bildungstheoretische oder erziehungswissenschaftliche sowie für rechtliche Begründungen. Wir setzen deshalb bei erziehungswissenschaftlichen Darstellungen ein (zu stärker religionspädagogischen Sichtweisen vgl. noch unten). 2.1 Bildungstheoretische Begründungen In der Diskussion, wie sie etwa in religionspädagogischen Lehrbüchern dargestellt wird, haben sich verschiedene bildungstheoretische Begründungsmöglichkeiten herauskristallisiert, die allgemeine Geltung beanspruchen, weil sie auch unabhängig von religiösen Sichtweisen plausibel sind. Diese Begründungen sollen auch hier in knapper Form dargestellt werden. Dabei geht es schwerpunktmäßig zunächst um religiöse Bildung, dann um das Schulfach Religion und schließlich speziell um den BRU. Begründungen für religiöse Bildung

Ȥ Die größte Zustimmung findet weithin eine kulturgeschichtliche Begründung. Hier wird auf die tragende und prägende Bedeutung von Judentum und Christentum in der Geschichte Deutschlands und der westlichen Welt hingewiesen. Heute kommt darüber hinaus der Einfluss des Islam sowie, in weltweiter Perspektive, auch der Einfluss östlicher Religionen (Buddhismus, Hinduismus, Konfuzianismus usw.) in den Blick. Viele der in Europa als maßgeblich angesehenen Werte und Vorstellungen etwa hinsichtlich der Menschenwürde und der Menschenrechte sind historisch ohne den Einfluss besonders des Judentums und des Christentums nicht denkbar. Darüber hin-

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aus sind ganze Bereiche in Kunst und Literatur ohne Kenntnis der biblischen Tradition nicht einmal zu verstehen. Auch dort, wo es wie etwa in Frankreich keinen RU an staatlichen Schulen gibt, wird immer stärker darüber nachgedacht, wie gleichwohl eine in kulturgeschichtlicher Hinsicht unverzichtbare religiöse Bildung gewährleistet werden kann. Stark zugenommen hat auch das Gewicht einer gesellschaftlichen Begründung. Auch wenn die Kirchlichkeit in Deutschland rückläufig ist, spielen religiöse Fragen insbesondere im Zusammenhang von Migration eine hervorgehobene Rolle. Dabei geht es häufig um die Bedeutung des Islam im Prozess gesellschaftlicher Integration, aber auch um politische Fragen, die beispielsweise religiöse Hintergründe internationaler Konflikte und Kriege betreffen.8 Ganz allgemein gilt im Blick auf alle Religionen, dass der RU die Möglichkeit einer religiösen Bildung eröffnen soll, die zu einem kompetenten Umgang mit den in der Gesellschaft anzutreffenden Formen von Religion befähigt. Der Bildungsanspruch und Bildungsauftrag der Schule schließt prinzipiell alle Bereiche des Menschseins und der Wirklichkeit ein. Dieser Geltungsanspruch könnte nicht realisiert werden, wenn nicht auch Religion in der Schule thematisiert würde. Dabei gehört Religion zu den insofern besonders schützenswerten Bildungsbereichen, als in der Gesellschaft und dann auch in der Bildungspolitik immer wieder die Tendenz zu einer ökonomischen Verengung des Bildungsauftrags zu beobachten ist. Wenn von einem umfassenden Bildungsanspruch der Schule her argumentiert wird, impliziert dies häufig eine anthropologische Begründung für den RU, die auch eigens ausformuliert werden kann. Diesem Argument zufolge gehört Religion unverzichtbar zum Menschsein, weshalb sie dann auch bei der Bildung nicht ausgespart bleiben kann. Der Mensch wird hier beispielsweise als ein transzendenzoffenes Wesen beschrieben, oder es wird einfach darauf verwiesen, dass es in der gesamten Geschichte der Menschheit keine Epoche gegeben hat, in der nicht auch Religion eine wichtige Rolle gespielt hätte. Der Zusammenhang zwischen Werten und Religion markiert eine weitere Begründungsmöglichkeit, die in der Gegenwart ebenfalls an Gewicht zu gewinnen scheint. Dabei ist aus religionspädagogischer Sicht immer wieder hervorzuheben, dass Religion nicht in Ethik aufgeht, sondern dass der Glaube allen ethischen Fragen vorausliegt. Zugleich ist kaum zu bestreiten, dass Religion in der gesamten Geschichte immer auch Werte begründet hat. Darü-

8 Im Blick auf den BRU vgl. Albert Biesinger/Friedrich Schweitzer/Matthias Gronover/Joachim Ruopp (Hg.): Integration durch religiöse Bildung. Perspektiven zwischen beruflicher Bildung und Religionspädagogik (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik 1), Münster 2012.

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ber hinaus hat der Glaube nach theologischer Auffassung zentrale ethische Implikationen, die auch im Bildungsprozess aufgenommen werden müssen. Ȥ Für die Erziehungswissenschaft der Gegenwart können gesellschaftliche und institutionelle Anforderungen für das Bildungsverständnis allein nicht ausschlaggebend sein. Vielmehr kommt es an erster Stelle auf Begründungsmöglichkeiten von den Kindern und Jugendlichen her an. Insofern ergibt sich aus der religiösen Entwicklung und Sozialisation auch eine weitere wichtige Begründungsmöglichkeit für den RU: In Kindheit und Jugendalter vollziehen sich wichtige Entwicklungsschritte und werden religiöse Orientierungsleistungen erforderlich, die eine pädagogische Begleitung wünschenswert machen. Solche Argumente können auch mit dem pädagogisch verstandenen Recht von Kindern und Jugendlichen auf Religion und religiöse Begleitung zum Ausdruck gebracht werden.9 Ȥ Es ist bemerkenswert, dass die berufsbildende Bedeutung von RU nicht in die Reihe der etwa in Lehrbüchern beschriebenen üblichen Begründungsformen gehört. Das ist wohl mit der überkommenen Entgegensetzung von Bildung und beruflicher Qualifikation zu erklären, unter heutigen Voraussetzungen aber kaum mehr überzeugend. Zwar bleibt richtig, dass Religion und RU nicht einfach für Qualifikationszwecke funktionalisiert werden dürfen – dann würden sie ihre Bildungsbedeutung verlieren, aber es ist auch nicht zu übersehen, dass der Bedarf an religiöser und speziell interreligiöser Bildung in beruflichen Zusammenhängen stark zunimmt. Das gilt beispielsweise für die Erzieherinnenausbildung oder für die Ausbildung im Bereich der Pflege (dazu noch unten). Gerade in ökonomischen Zusammenhängen ist es unabdingbar, dass Menschen sich kompetent auch in religiös bestimmten Kontexten bewegen können, bis hinein ins Bankwesen, wenn es etwa um Fragen von Zinsen und Zinsverbot geht. Die hier nur kurz umrissenen Begründungsmöglichkeiten für religiöse Bildung finden auch in der zeitgenössischen pädagogischen erziehungswissenschaftlichen Diskussion eine Grundlage. Am weitesten ausgeführt sind solche Begründungen in den Arbeiten Dietrich Benners, der von einer anthropologischen Begründung ausgeht,10 dann aber auch konkrete Konsequenzen bis hin zum RU formuliert.11   9 Vgl. Friedrich Schweitzer: Das Recht des Kindes auf Religion, Gütersloh 2013. 10 Religion gehört für Benner zu den konstitutiven Praxisformen des Menschseins, vgl. Dietrich Benner: Allgemeine Pädagogik. Eine systematisch-problemgeschichtliche Einführung in die Grundstruktur pädagogischen Denkens und Handelns, Weinheim/München 1987. 11 Vgl. Dietrich Benner: Bildung und Religion. Nur einem bildsamen Wesen kann ein Gott sich offenbaren, Paderborn 2014.

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Große Beachtung hat auch der im Zusammenhang der PISA-Untersuchungen von Jürgen Baumert vorgelegte Entwurf für ein Bildungsverständnis gefunden, das von sog. »Modi der Weltbegegnung« ausgeht. Baumert unterscheidet vier solcher grundlegender Formen der Weltbegegnung, zu denen er auch die »konstitutive Rationalität« zählt (Religion und Philosophie). So kann durchaus davon gesprochen werden, dass die Bedeutung religiöser Bildung auch in der Erziehungswissenschaft der Gegenwart zwar nicht häufig angesprochen, insgesamt aber durchaus bejaht wird.12 Schwieriger sieht es allerdings schon aus, wenn es nicht mehr um religiöse Bildung allgemein, sondern speziell um ein Fach Religion gehen soll. Begründungen für ein Schulfach Religion

Da es durchaus möglich ist, Religion statt als Schulfach im Sinne einer allgemeinen Bildungsdimension verschiedener Fächer zu verstehen, ist die Frage nach Begründungsmöglichkeiten für ein eigenes Schulfach wichtig. Auch hier kann auf eine etablierte Reihe von Gründen verwiesen werden: Ȥ Ähnlich wie bei der Muttersprache, die in allen Fächern geübt werden muss und der dennoch ein eigenes Fach gewidmet ist, ist ein solcher doppelter Ansatz bei religiöser Bildung sinnvoll. Religiöse Fragen sollen durchaus an allen Stellen aufgenommen werden, an denen sie bedeutsam sind – im Wirtschaftsunterricht ebenso wie im Literaturunterricht oder auch im Bereich der Naturwissenschaften – ohne ein eigenes Fach ist eine konzentrierte Unterstützung religiöser Bildung aber kaum möglich. Ȥ Erst mit der Einrichtung eines speziellen Faches Religion wird es möglich, eine entsprechende wissenschaftliche Ausbildung und professionelle Kompetenz zu gewährleisten und damit auch die Qualität des Unterrichts. Ȥ Nur unter der Voraussetzung eines Faches RU kann in einer Weise unterrichtet werden, die auch die kritische Auseinandersetzung mit Religion und Religionen unterstützt. Denn dazu braucht es Religionslehrerinnen und -lehrer, die im Blick auf religiöse Überzeugungen Position beziehen können, was nur in einem konfessionell verantworteten RU zulässig ist. Von einem solchen Unterricht muss es dann auch Befreiungsmöglichkeiten geben (dazu noch unten).

12 Vgl. Jürgen Baumert: Deutschland im internationalen Bildungsvergleich, in: Nelson Killius, Jürgen Kluge/Linda Reisch (Hg.): Die Zukunft der Bildung, Frankfurt a. M. 2002, 100–150, hier 113, wie auch etwa Volker Ladenthin: Wozu religiöse Bildung heute? Sieben Versuche, an der Endlichkeit zu zweifeln, Würzburg 2014.

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Spezielle Begründungsfragen im Blick auf den BRU

Die bislang beschriebenen Begründungsformen gelten für jede Art von RU, einschließlich des BRU. Im Blick auf den BRU werden jedoch häufig zwei kritische Einwände formuliert, die deshalb noch einmal eigens hervorgehoben werden sollen. Ȥ Der BRU bezieht sich vor allem auf ältere Jugendliche oder junge Erwachsene, nicht auf Kinder und jüngere Jugendliche. Deshalb wird er manchmal als überflüssig angesehen, eben weil die religiöse Bildung bereits vor Beginn des BRU abgeschlossen sei. Sozial- und humanwissenschaftliche Untersuchungen zu Religion im Jugendalter machen aber deutlich, dass zahlreiche, gerade auch für die gesamte Lebensorientierung wichtige Fragen überhaupt erst im späten Jugendalter auftreten.13 Insofern ist es besonders wünschenswert, dass auch im späteren Jugend- oder jungen Erwachsenenalter ein religionspädagogisches Angebot der Begleitung verfügbar ist. Ȥ Auf die – verfehlte – Annahme, dass Religion unter berufsqualifizierenden Aspekten keine Rolle spiele und deshalb auch auf einen BRU verzichtet werden könne, wurde oben bereits kritisch eingegangen. Neuere Untersuchungen machen sehr deutlich, dass in einer nicht nur multikulturell, sondern auch multireligiös zusammengesetzten Gesellschaft religiöse und interreligiöse Kompetenzen unabdingbar sind (dazu noch unten). 2.2 Rechtliche Begründung Auch in diesem Fall ist zunächst von Begründungen auszugehen, die ganz allgemein den RU betreffen, insofern also auch den BRU. Zu den allgemeinen Regelungen kommen dann verschiedene Ausnahmen, auf die ebenfalls eigens einzugehen ist. Schließlich sind noch solche Rechtsfragen zu bedenken, die speziell den BRU betreffen. Allgemeine rechtliche Begründungen

Seine wichtigste und am stärksten wirksame Begründung findet der RU in Art. 7,3 GG.14 Dort ist festgehalten: »Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach.« Unter öffentlichen Schulen sind hier staatliche Schulen zu verstehen, was auf die meisten Schulen im beruflichen Bildungswesen zutrifft, wenn auch nicht auf alle. 13 Vgl. etwa James W. Fowler: Stufen des Glaubens. Die Psychologie der menschlichen Entwicklung und die Suche nach Sinn, Gütersloh 1991. 14 Vgl. auch zum Folgenden grundsätzlich Joseph Listl/Dietrich Pirson (Hg.): Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, Berlin 21994.

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Der RU wird als »ordentliches Lehrfach« beschrieben, allerdings ohne genauere Ausführung dazu, was dies bedeutet. Auf jeden Fall ist dies aber so zu verstehen, dass der RU zum Regelangebot einer Schule gehört, dass der Staat als Schulträger für diesen Unterricht sorgen muss und dass das Fach Religion gegenüber anderen Fächern nicht benachteiligt werden darf. Weiterhin wird der RU rechtlich in dem Sinne als ein konfessioneller RU begründet, dass er an die »Grundsätze der Religionsgemeinschaften« gebunden ist: »Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.« Nach heutigem Verständnis ist mit der »Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften« allerdings keineswegs ausgeschlossen, dass der RU in ökumenischer Kooperation durchgeführt wird, solange die konfessionelle Rückbindung an die entsprechenden Religionsgemeinschaften gewährleistet bleibt. Auch eine Zusammenarbeit mit dem RU anderer Religionen, mit dem Ethikunterricht oder mit anderen Fächern der Schule ist auf dieser Grundlage ohne weiteres möglich. Die Formulierung des Grundgesetzes macht zugleich deutlich, dass der RU keineswegs etwa »Kirche in der Schule« sein kann. Er untersteht ausdrücklich der staatlichen Schulaufsicht, auch wenn er »in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften« erteilt wird. Deshalb wird der RU auch als »gemeinsame Angelegenheit« von Staat und Religionsgemeinschaften bezeichnet (mitunter auch als »res mixta«, wobei der Begriff »mixta« = »gemischt« missverständlich bleibt). Nach deutschem Rechtsverständnis liegt in der damit angezielten Kooperation zwischen Staat und Kirche kein Verstoß gegen die Trennung von Staat und Kirche. Vielmehr wird der Staat in seiner Neutralität im Verhältnis zu verschiedenen Religionen gerade entlastet, weil hier nicht der Staat die Inhalte des RU von sich aus vorschreiben soll. Im Hintergrund von Art. 7 GG steht die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 GG: »Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die ­Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.« Insofern kann RU als Teil der freien Religionsausübung und der Religionsfreiheit im Bereich der Schule verstanden werden. Seine Aufgabe ist, von Art. 7 GG her, aber eindeutig religiöse Bildung, nicht beispielsweise Mission oder die Gewinnung von Mitgliedern durch die Religionsgemeinschaften. Bedeutsam ist auch, dass ganz im Sinne der Religionsfreiheit bereits vor Art. 7,3 GG, nämlich in Art. 7,2 GG, eine Befreiungsmöglichkeit festgehalten ist: »Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.« Dieses Recht geht mit Erreichen der Religionsmündigkeit, in der Regel also im Alter von 14 Jahren, an die Jugend-

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lichen selbst über. Was im Falle einer Befreiung vom RU zu geschehen hat, wird durch das Grundgesetz nicht vorgeschrieben. Möglich ist aber, dass der Staat durch andere Gesetze beispielsweise den Besuch eines Faches wie etwa Ethik u. ä. verbindlich macht. Entsprechende Regelungen finden sich in den Landesverfassungen und Schulgesetzen der Länder. Der RU besitzt im Recht also eine starke Begründung. Er ist das einzige Fach, das im Grundgesetz ausdrücklich erwähnt wird. Darin haben sich Erfahrungen besonders in der Zeit des Nationalsozialismus niedergeschlagen, wie sie exemplarisch beispielsweise in der bereits 1946 in Kraft getretenen Verfassung des Freistaates Bayern (Präambel) zum Ausdruck kommen: »Angesichts des Trümmerfelds, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen die Überlebenden des zweiten Weltkriegs geführt hat […]« Liest man Art. 7,3 GG im Kontext solcher Formulierungen, ist unmittelbar deutlich, dass die Gewährleistung von RU als eine Angelegenheit der Freiheit verstanden werden muss. Der Gottesbezug in der Verfassung soll ebenso wie die Gewährleistung eines zwar vom Staat beaufsichtigten, aber inhaltlich nicht vom Staat normierten RU eine totalitäre Form staatlicher Herrschaft oder, im Bereich der Schule, eine vom Staat ausgehende ideologische Überformung verhindern. Der freiheitliche Anspruch von RU wird durch die Befreiungsmöglichkeit vom RU weiter unterstrichen. Sie bedeutet, dass auch die negative Religionsfreiheit mit Nachdruck gewährleistet sein soll. Niemand soll gezwungen sein, an einem konfessionellen RU teilzunehmen. Umgekehrt entspricht die staatliche Gewährleistung von RU der positiven Religionsfreiheit, als der Befähigung zur Wahrnehmung des Grundrechts auf Religionsfreiheit und freie Religionsausübung durch die Einzelnen. Ausnahmeregelungen

Die wichtigste Ausnahmeregelung, die bereits beim Inkrafttreten des Grundgesetzes unmittelbar vor Augen stand, betrifft das Land Bremen. Auf Bremen trifft nämlich Art. 141 GG zu (deshalb auch als sog. »Bremer Klausel« bezeichnet), demzufolge Art. 7,3 GG »keine Anwendung in einem Lande findet, in dem am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand«. In der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen heißt es: »Die allgemeinbildenden öffentlichen Schulen sind Gemeinschaftsschulen mit nicht bekenntnisgebundenem Unterricht in biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage.« Diese spezielle Form eines nicht-konfessionellen RU geht auf die besondere Geschichte Bremens zurück, in der es zunächst um die Spannungen zwischen Lutheranern und Reformierten ging. Der Wortlaut begreift heute freilich auch die katholischen Kinder und Jugendlichen ein. Wie ein Unterricht »in biblischer Geschichte auf all-

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gemein christlicher Grundlage« im Blick etwa auf muslimische oder konfessionslose Schülerinnen und Schüler zu verstehen sei, ist dann eine eigene Frage, die im Sinne von Art. 4 GG geregelt werden muss. Ebenfalls bereits beim Inkrafttreten des Grundgesetzes war weiterhin klar, dass dieses Gesetz in Berlin jedenfalls zunächst keine Geltung besitzen konnte. Damals war Berlin nicht Teil der Bundesrepublik, sondern unterstand auch in seinen westlichen Teilen den Besatzungsstaaten. Bis heute wird in Berlin – wo das Grundgesetz inzwischen natürlich ebenfalls gilt – denn auch kein RU nach Art. 7,3 erteilt, sondern gibt es nur in der Schule stattfindenden kirchlichen RU. Die bekannteste Ausnahme, die in neuerer Zeit hinzugekommen ist, betrifft das Land Brandenburg. Als nach der deutschen Vereinigung von 1990 das Grundgesetz auch für die damals neuen Bundesländer in Kraft trat (rechtlich gesehen handelt es sich um einen »Beitritt« zum Geltungsbereich des Grundgesetzes), wollte das Land Brandenburg keinen RU nach Art. 7,3 GG einführen. Stattdessen wurde zunächst ein Schulversuch und später das Schulfach LER eingerichtet. Die Bedeutung der drei Buchstaben LER bzw. von R wandelte sich im Laufe der Zeit von »Religion« zu »Religionen« und schließlich zu »Religionskunde«. Gemeint ist ein allein vom Staat verantworteter Unterricht, der insofern korrekt nicht als »Religion« oder »Religionsunterricht« bezeichnet wird, sondern als »Religionskunde«. Anders als im RU müssen Religion und Religionen hier in staatlicher Neutralität dargestellt werden. Die konfessionellen Positionen und Überzeugungen der Lehrkräfte dürfen dabei keine Rolle spielen. Neben LER wird von der Kirche ein evangelischer RU angeboten, bei dessen Besuch auch eine Befreiung von LER möglich ist. Häufig wird bei den Ausnahmen auch an Hamburg gedacht, rechtlich gesehen stellt die Freie Hansestadt Hamburg aber keine Ausnahme von Art. 7,3 GG dar, obwohl die dort lange Zeit übliche Bezeichnung »Religionsunterricht für alle in evangelischer Verantwortung« dies annehmen lassen könnte. Tatsächlich war bis vor kurzer Zeit die Situation einfach so, dass die katholische Kirche auf einen eigenen RU zu Gunsten katholischer Schulen verzichtet hatte und sich der evangelische RU programmatisch für alle öffnete. Seit 2011 wird nun aber auch in Hamburg katholischer RU angeboten. In den letzten Jahren hat die Stadt Hamburg zudem Verträge mit muslimischen Vereinigungen geschlossen, die auch einen islamischen RU zulassen.15 Derzeit wird geprüft, ob auch unter diesen Voraussetzungen noch ein »Religionsunterricht für alle« angeboten werden kann, der dann freilich nicht mehr in evangelischer Verantwortung stehen könnte, son15 Vgl. Wolfram Weiße: Religiöse Vielfalt und Säkularität. Die Verträge zwischen Staat und Religionsgemeinschaften in Hamburg, Münster 2016.

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dern von den verschiedenen Religionsgemeinschaften gemeinsam verantwortet werden müsste. Spezielle rechtliche Fragen im Blick auf den BRU

Dass die allgemeinen rechtlichen Regelungen nicht automatisch Anwendung auch auf den BRU fanden, ergab sich aus der speziellen Geschichte des beruflichen Bildungswesens, das im Wesentlichen erst im 20. Jahrhundert eingeführt wurde und deshalb bis heute häufig als ein spezieller Bereich angesehen wird. Nach und nach wurde jedoch in den Bundesländern anerkannt, dass Art. 7,3 GG auch für den BRU gelten muss. Die bereits genannte Ausnahme Bremens ist allerdings auch in diesem Falle wirksam: Hier gibt es keinen BRU. In Berlin und in Hamburg wird der BRU in einer speziellen Form erteilt. In Berlin unterhält die evangelische Kirche eine spezielle Jugendbildungsstätte, wo Seminartage für Berufsschülerinnen und -schüler angeboten werden. Katholische Ausbildungsstätten zielen eher auf einen konfessionellen BRU als Teil der Schule. Das Hamburger »Religionsgespräch« wird bislang als ein monatliches Angebot ebenfalls im Sinne eines »Religionsunterrichts für alle in evangelischer Verantwortung« durchgeführt. In Brandenburg wird zum Teil evangelischer RU in kirchlicher Trägerschaft angeboten. Wenn der RU in den östlichen – früher sog. neuen – Bundesländern häufig nur in geringem Maße erteilt wird (vgl. oben), entspricht dies nicht einer fehlenden rechtlichen Vorgabe, sondern eher politischen Vorbehalten oder institutionell-organisatorischen Schwierigkeiten. 2.3 Kirchliche Stellungnahmen Für die Begründung des RU bzw. des BRU spielen auch kirchliche Stellungnahmen eine wichtige Rolle, nicht zuletzt im Sinne einer kirchlichen Auslegung der durch Art. 7,3 garantierten Mitwirkungsrechte. Als neuere Stellungnahmen sind auf evangelischer Seite vor allem die beiden Denkschriften der Evangelischen Kirche in Deutschland zu nennen: Identität und Verständigung. Standort und Perspektiven des Religionsunterrichts in der Pluralität16 sowie Religiöse Orientierung gewinnen. Evangelischer Religionsunterricht als Beitrag zu einer pluralitätsfähigen Schule17, auf katholischer Seite die Verlautbarungen der Deutschen Bischöfe Die bildende Kraft des Religionsunterrichts. Zur Konfessionalität des katholischen Religions16 Evangelische Kirche in Deutschland: Identität und Verständigung. Standort und Perspektiven des Religionsunterrichts in der Pluralität. Eine Denkschrift der EKD, Gütersloh 1994. 17 Evangelische Kirche in Deutschland: Religiöse Orientierung gewinnen. Evangelischer Religionsunterricht als Beitrag zu einer pluralitätsfähigen Schule, Gütersloh 2014.

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unterrichts18 sowie Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen.19 Die jüngste Äußerung der katholischen Bischöfe zur konfessionellen Kooperation im RU setzt weiterführende Akzente, indem die sog. »Trias«, die Übereinstimmung der Konfession von Lehrenden, Lernenden und Lehre, nicht mehr als zwingend angesehen wird.20 Es ist bezeichnend für diese Stellungnahmen, dass sie sich ihrerseits um bildungstheoretische Begründungen für den RU bemühen, in Aufnahme auch der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen. Dabei kommen zugleich theologische und kirchliche Perspektiven mit ins Spiel und wird vor allem die Bildungsbedeutung der biblischen und christlichen Überlieferung sowie speziell des Evangeliums hervorgehoben, jeweils in konfessioneller Akzentuierung. Auch die kirchlichen Stellungnahmen sind dabei zunehmend auf plurale Verhältnisse eingestellt und nehmen für den BRU zentrale Motive wie Subjektorientierung und Pluralitätsfähigkeit auf. Durchweg wird der RU als ein pädagogisches Angebot gesehen, das sich nicht einfach von der Kirche her begründen lässt, sondern das im schulischen Zusammenhang plausibel sein muss.

3. BRU im Spannungsfeld allgemeiner, religiöser und beruflicher Bildung 3.1 BRU im Horizont der Bildungsdiskussion Die Frage nach dem BRU muss heute, wie schon bei den Begründungsfragen sichtbar wurde, im Kontext der allgemeinen Diskussion um Bildung in unserer Gesellschaft – und weit darüber hinaus im Horizont des globalen Ringens um Bildung und Ausbildung der jungen Generation – gesehen werden. Denn das Verständnis, die Funktion und die Ziele von Bildung sind zu höchst umstrittenen Themen geworden, wobei sich hinter den einzelnen Positionen markante und zum Teil handfeste Interessen verbergen. Waren alle Akteure gesellschaftlicher Entwicklungen und Veränderungen in der Vergangenheit, etwa bei Revolutionen oder diktatorischen Regimen stets daran interessiert, den schulischen bzw. gesamten 18 Deutsche Bischofskonferenz. Die deutschen Bischöfe: Die bildende Kraft des Religionsunterrichts. Zur Konfessionalität des katholischen Religionsunterrichts, Bonn 1996. 19 Deutsche Bischofskonferenz. Die deutschen Bischöfe: Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen, Bonn 2005. 20 Deutsche Bischofskonferenz. Die deutschen Bischöfe: Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts. Empfehlungen für die Kooperation des katholischen mit dem evangelischen Religionsunterricht, Bonn 2016, 32.

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Bildungssektor zu kontrollieren und ihm die je eigene absichtsgeleitete Bestimmung zu geben, um durch die Erziehung und Bildung der jungen Generation die Gesellschaft zu verändern oder zu stabilisieren, sind es heute insbesondere ökonomische Absichten, die die schulische Bildung, besonders Aus-, Fort- und Weiterbildung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern beeinflussen bzw. beeinflussen wollen. Der Fortschritt der wissensbasierten Ökonomie fordert einen bestens ausgebildeten Nachwuchs für die Steuerung, den Erhalt und die Steigerung der wirtschaftlichen Kraft eines Landes bzw. Staatenbundes. Was die Menschen auf individueller Ebene spüren (beispielsweise sichtbar in der Aussage eines Migranten: »Mein Sohn muss aufs Gymnasium, denn Gymnasium heißt: Mercedes fahren.«), ist auf globaler Ebene harte Realität: Bildung bedeutet wirtschaftliche Macht und Einfluss. Bildungsverlierer sind auch ökonomische Verlierer. Ökonomie erfordert Wissenschaft – Wissenschaft erfordert Bildung. In der ökonomischen Diskussion um Bildung kommt ein Bildungsbegriff zum Tragen, der einem umfassenden Bildungsverständnis, wie es in der europäischen Aufklärung und deren Folgewirkung entstanden ist (Friedrich Schleiermacher, Wilhelm v. Humboldt u. a.), entgegensteht. Im klassischen Bildungsdenken stand die Entwicklung der gesamten Persönlichkeit des Menschen im Vordergrund, die geistige, aber auch die »geistliche«, emotionale, volitionale und ästhetische sowie religiöse Bildung insbesondere der jungen Generation. Hingegen zielt Bildung im Kontext der Globalisierung und Ökonomisierung zumeist erst in zweiter Linie auf Persönlichkeitsbildung, in erster Linie stets auf Funktionalität und den zweckgebundenen Erwerb von bestimmten »Skills«. Bildungssysteme und Bildungskonzeptionen orientieren sich infolge der ökonomisch basierten Rationalität mehr und mehr an der »Produktionslogik«, die die »mechanisierte, automatisierte Herstellung von identischen Produkten unter identischen Bedingungen mit identischen Mitteln« intendiert.21 Eine solche Bildungslogik zielt auf Standardisierung, Mechanisierung, Angleichung, Vereinheitlichung, was sich in konkreten Bildungsvorgaben innerhalb einzelner Staaten, aber auch von zahlreichen Bildungsgroßräumen nachweisen lässt. Beispielsweise ist die Etablierung eines »europäischen Hochschulraums« (European Higher Education Area: EHEA) seit 1999 eine Reaktion auf den weltweiten Kampf um Bildung, wobei versucht wird, die Bildungssysteme der beteiligten Länder möglichst zu vereinheitlichen. Mit den angedeuteten Entwicklungen ist ein wichtiger Punkt verbunden, der ebenfalls gravierende Auswirkungen auf die berufliche Bildung und mithin auf 21 Konrad Paul Liessmann: Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft, München 32012, 38.

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den BRU hat: die Kompetenzorientierung von Bildung. Mit ihrer Durchsetzung in Curricula und vorgeschriebenen Bildungsstandards haben schulische wie berufliche Bildung eine völlige Neuausrichtung erfahren, was sich in konkreten didaktischen Arrangements bemerkbar macht (siehe unten). Ob man durch die Einführung der Kompetenzorientierung allerdings, wie es Bildungs- und Kompetenzkritiker formulieren, von einer endgültigen »Abkehr von der Idee der Bildung«22 oder von »Sackgassen der Bildungsreform«23 sprechen muss, kann erst die weitere Entwicklung zeigen. Festzuhalten bleibt, dass allgemeine und berufliche Bildung durch die Orientierung an Kompetenzen – berufsbezogenen Kompetenzen oder psychologischen Kompetenzmodellen (z. B. Wahrnehmungskompetenz, Problemlösekompetenz, Methodenkompetenz, soziale bzw. kommunikative Kompetenz) – eine Erweiterung erfahren haben, die ein rein wissensbasiertes Bildungsverständnis korrigieren.24 3.2 Religiöse Bildung im Kontext allgemeiner und beruflicher Bildung Im Kontext dieser angedeuteten Diskussionen um ein für heute adäquates Verständnis von Bildung ist die Frage nach dem Beitrag des BRU zur Ausbildung und Gesamtbildung junger Menschen einzuordnen. Die herkömmliche Einteilung in berufsbildende und allgemeinbildende Fächer (zu denen dann auch der BRU gehört) führt hier nicht viel weiter. Teilweise hat sie auch dazu geführt, dass der Beitrag des BRU zur beruflichen Qualifikation übergangen wird. Eine möglichst umfassende Konzeption von Bildung kann aus der abendländischen Bildungstradition gewonnen werden, wie sie Karl Ernst Nipkow als Pädagoge und Religionspädagoge beschreibt. Zusammenfassend können demnach sechs Dimensionen des abendländischen allgemeinen Bildungsverständnisses ausgemacht werden:25 a) politische-gesellschaftliche Dimension, da Bildung immer gegen gesellschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse und für ein freiheitlich-demokratisch orientiertes Gemeinwesen votiert; b) utopische Dimension, da Bildung auf Zukunft des Individuums und der Gesellschaft gerichtet ist; c) subjektorientierte Dimension, da Bildung an der Persönlichkeitsbildung (Wilhelm v. Humboldt) und der Ausschöpfung der Möglichkeiten des Subjekts interessiert 22 Liessmann: Theorie 2012 (s. o. Anm. 20), 71. 23 Konrad Paul Liessmann/Katharina Lacina (Hg.): Sackgassen der Bildungsreform. Ökonomisches Kalkül, politische Zwecke, pädagogischer Sinn, Wien 2013. 24 Vgl. Dietrich Benner: Bildung und Kompetenz. Studien zur Bildungstheorie, systematischen Didaktik und Bildungsforschung, Paderborn 2012. 25 In Erweiterung von Karl Ernst Nipkow: Bildung als Lebensbegleitung und Erneuerung. Kirchliche Bildungsverantwortung in Gemeinde, Schule und Gesellschaft, Gütersloh 21992, 32–45.

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ist; d) traditionsorientierte Dimension, da Bildung den Menschen in Kontakt und Auseinandersetzung mit den tradierten Kulturgütern führen will; e) ästhetische Dimension, da Bildung den ganzen Menschen, sein Wahrnehmen, Fühlen, Wollen und seine Kreativität umfasst; f) dialogisch-beziehungsorientierte Dimension, da Bildung immer ein responsorisches und relationales Geschehen darstellt, das im Dialog mit Tradition, Welt, Wirklichkeit und in der Begegnung mit konkreten Menschen erfolgt. Alle diese Dimensionen allgemeiner Bildung können religionspädagogisch durchbuchstabiert und fruchtbar gemacht werden, verweisen sie doch auf die grundlegenden Dimensionen religiöser Bildung, die über die genannten Dimensionen hinaus die Möglichkeit des Transzendenzbezugs bzw. Gottesbezugs einschließt. Vor dem Hintergrund einer theologischen und religionspädagogischen Anthropologie wird der Mensch in seiner Offenheit für Transzendenz und für eine Beziehung zu Gott verstanden.26 Damit können die aufgezeigten Dimensionen von Bildung in ihrer religiösen Relevanz aufgewiesen werden. Beispielsweise ist die utopische Dimension theologisch gesehen immer auf die Zukunft Gottes mit den Menschen ausgerichtet, was eschatologisch in den großen Entwürfen der Hoffnung der jüdischen und christlichen Glaubenstradition zu finden ist. Hierbei wird offensichtlich, dass die Frage nach dem eigenen Tod, die Frage nach dem Weiterleben nach dem Tod, der Hoffnung auf Rettung aus Leid und Tod sowohl individuell als auch kollektiv von hoher Brisanz ist. In der Bildungsbiografie von (jungen) Menschen brauchen diese Fragen Raum, um besprochen, reflektiert, diskutiert werden zu können, was im RU der Fall ist. Auch die weiteren Dimensionen (Gesellschafts-, Traditions-, Subjektorientierung, Ästhetik und Beziehung), können entsprechend theologisch bzw. religionspädagogisch profiliert werden. Auf das berufliche Schulwesen und den dort angesiedelten RU angewandt, heißt dies, dass auch in diesem Feld RU ein notwendiger Bestandteil einer umfassenden Bildung junger Menschen darstellt.27 Er steht gegen eine Verkürzung 26 Vgl. Bernhard Grümme: Menschen bilden? Eine religionspädagogische Anthropologie, Freiburg 2012, 458–497. 27 Vgl. Reinhold Boschki/Matthias Gronover/Monika Marose/Michael Mayer-Blank/Hanne Schnabel-Henke/Friedrich Schweitzer (Hg.): Person – Persönlichkeit – Bildung. Aufgaben und Möglichkeiten des Religionsunterrichts an beruflichen Schulen (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik 11), Münster 2017; Albert Biesinger/Matthias Gronover/Michael Meyer-Blanck/Andreas Obermann/Joachim Ruopp/Friedrich Schweitzer (Hg.): Gott – Bildung – Arbeit: Zukunft des Berufsschulreligionsunterrichts (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik 4), Münster 2013 und Albert Biesinger/Josef Jakobi/Joachim Schmidt (Hg.): Warum berufliche Bildung Religion braucht, Norderstedt 2008.

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von Bildung auf reine Ausbildung oder berufliches Training, hat aber gleichzeitig im Kontext der beruflichen Bildung einen deutlichen Berufsbezug. Damit ergänzt BRU sinnvoll und notwendig die allgemeine und berufliche Bildung junger Menschen.28 Berufliche Bildung zielt auf Handlungskompetenz29 und hat naturgemäß konkrete Berufs- und Arbeitszusammenhänge im Blick. Von diesem für die beruflichen Schulen konstitutiven Berufsbezug ausgehend können allgemeine und religiöse Bildung einen Beitrag zur Gesamtbildung leisten, die wiederum nicht unabhängig von beruflicher Bildung zu sehen ist. Denn zur Handlungskompetenz im beruflichen Feld sind persönliche Kompetenz, Sozialkompetenz, Konfliktlösekompetenz ebenso erforderlich wie eine allgemeine Erschließungskompetenz von Wirklichkeit, ein Verständnis gesellschaftlicher und geschichtlicher Zusammenhänge, kulturelle und interkulturelle Kompetenz sowie schließlich auch religiöse und interreligiöse Kompetenz. Dennoch stehen allgemeine, ethische und religiöse Bildung immer auch in Spannung, bisweilen im Widerstreit, zu beruflicher Bildung, da letztere vor allem instrumentell und zweckorientiert, die ersteren hingegen zunächst am Menschen interessiert sind. Fasst man die erwähnten Diskussionszusammenhänge und die oben dargestellten bildungstheoretischen Begründungsstränge zusammen, kann der BRU aus christlicher Perspektive durch folgende relevante Bezüge charakterisiert werden: Ȥ BRU ist lebensweltorientiert. Er nimmt junge Menschen in ihren Lebenskontexten wahr und ernst, geht von ihren erlebten Wirklichkeiten in Alltag, Freizeit und Beruf aus, führt die Lernenden in eine bewusste Wahrnehmung und kritische Reflexion der lebensweltlichen Bedingungen und gibt Impulse, die religiöse Dimension der Wirklichkeit wahrzunehmen und zu deuten. Ȥ BRU ist subjektorientiert. RU an beruflichen Schulen stellt den Menschen, seine entwicklungs- und herkunftsbedingten Voraussetzungen, seine Fragen, Sorgen, Ängste und Hoffnungen in den Mittelpunkt des Lernprozesses und gibt ihnen Raum zur Artikulation und Reflexion. Ȥ BRU ist berufsorientiert. Schülerinnen und Schüler stehen in der beruflichen Ausbildung in einer lebensgeschichtlich neuen Situation, die sie eminent beeinflusst, aber auch mit all ihren Schwierigkeiten, Hindernissen und Problemen umtreibt. Der BRU unterstützt die jungen Menschen, ihre eigene Rolle 28 Vgl. u. a. Rolf Arnold/Philipp Gonon/Hans-Joachim Müller: Einführung in die Berufspädagogik, Opladen 22016 und Andreas Schelten: Einführung in die Berufspädagogik, Wiesbaden 2004. 29 Vgl. Reinhard Bader: Berufliche Handlungskompetenz und ihre didaktischen Implikationen, in: Gesellschaft für Religionspädagogik/Deutscher Katechetenverein (Hg.): Neues Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, Neukirchen-Vluyn 22006, 108–114.

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in der Berufs- und Arbeitswelt zu finden sowie deren Bedingungen auch in religiöser Hinsicht zu deuten. Auch in dieser Hinsicht trägt der BRU zur beruflichen Qualifikation bei. BRU ist gesellschaftsorientiert. Er hat stets einen Bezug zum größeren Kontext der Lebens- und Berufswelt, der in den konkreten Erfahrungen des Alltags unmittelbar spürbar wird (gesellschaftliche Konflikte, Migration, ökonomische Bedingungen, Gefahr des Arbeitsplatzverlusts etc.). BRU ist und macht sensibel für die gesellschaftlich-politische Situation und gibt Impulse zur persönlichen Orientierung und Wertebildung. BRU ist handlungsorientiert. Er bleibt nicht im theoretischen Raum oder in relevanzlosen Diskussionen stecken, sondern erarbeitet gemeinsam mit den Lernenden Vorschläge zur Bewältigung beruflicher und außerberuflicher Lebenssituationen. BRU ist beziehungsorientiert. Nichts prägt die Lebenserfahrungen junger Menschen so sehr wie die Beziehungen, in denen sie leben (auch wenn dies natürlich gerade im Unterricht nicht gegen die Inhaltsdimension ausgespielt werden darf). Ihre Beziehungen zu sich selbst, zu anderen, aber auch zur Um- und Mitwelt werden im BRU im Horizont der Gottesbeziehung gedeutet, die als Einladung und Angebot im Unterricht präsent ist. BRU ist ökumenisch und interreligiös orientiert und an anderen Weltanschauungen interessiert. Die grundsätzliche konfessionelle Verankerung des RU in Deutschland impliziert gerade deshalb eine ökumenische und interreligiöse Orientierung, da die Kirchen hierzulande den interkonfessionellen und interreligiösen Austausch ausdrücklich befürworten, ebenso den Dialog mit nichtreligiösen Lebensentwürfen. BRU wird somit zum Lernfeld kirchlich und gesellschaftlich erstrebenswerter Haltungen.

Diese grundlegenden Ausrichtungen müssen in den jeweiligen Berufsfeldern konkretisiert werden, da jeder Beruf andere Voraussetzungen und Bedingungen hat und deshalb je spezifische Kompetenzen erfordert. An eigenen markanten Berufssparten kann die hohe Relevanz berufsorientierter religiöser Bildung aufgezeigt und durch empirische Untersuchungen gestützt werden. 3.3 Berufsbezug religiöser und interreligiöser Bildung in exemplarischen Feldern Die Beispiele im Folgenden machen deutlich, wie der BRU sowohl einen ausgeprägten Berufsbezug aufweisen als auch zur beruflichen Qualifikation beitragen kann, ohne dabei seinen Bildungsanspruch preiszugeben.

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Ausbildung von Fachkräften in Kindertageseinrichtungen

Kindertageseinrichtungen (verbreitet abgekürzt als »Kitas«) sind ein Spiegel der Gesellschaft. In ihnen treffen sich Kinder und ihre Eltern aus allen Bevölkerungsgruppen, sowohl was die soziale Herkunft betrifft, die unterschiedlichen Arbeitsund Berufswelten, Bildungsnähe oder Bildungsferne, den ethnischen, kulturellen, religiösen Hintergrund, als auch besonders die geographische Herkunft bzw. Herkunftsgeschichte. Kinder mit ganz verschiedenen Nationalitäten, Sprachen, Kulturen und Religionen leben in der Kita zusammen. Hinzu kommen unterschiedlichste Familienkulturen und höchst differente Lebensweisen, weshalb man die Kinder keineswegs aufgrund ihrer nationalen, kulturellen oder religiösen Zugehörigkeit in ein bestimmtes Muster einsortieren kann. Es liegt auf der Hand, dass die Pluralisierung der Lebensentwürfe und die Individualisierung der konkreten Lebensrealitäten, von denen die Kinder geprägt sind, ein höchstes Maß an beruflicher Kompetenz auf Seiten der Fachkräfte in Kitas erfordern, gerade auch in interreligiöser Hinsicht. Nicht nur die Förderung der individuellen Entwicklung der Kinder, sondern auch der adäquate Umgang mit Kindern und Eltern unterschiedlicher Kulturen und Religionen gehört zur professionellen Handlungskompetenz von Erzieherinnen und Erziehern. Dies gilt keineswegs nur für Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft. Beispielsweise hat das Land Baden-Württemberg in seinem für alle Kitas maßgeblichen Orientierungsplan30 das »Bildungs- und Entwicklungsfeld Sinn – Werte – Religion« eingeführt, weshalb auch in den staatlichen oder städtischen Kitas der Bereich der Religion berücksichtigt und für die Kinder im Alltag aufgeschlossen werden muss. Inzwischen ist mehr und mehr die Rede von einer wünschenswerten »religionssensiblen Bildung« in Kindergärten und Kitas.31 Neben allgemeinen religionspädagogischen Kompetenzen32 sind insbesondere die interreligiösen 30 Vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hg.): Orientierungsplan für Bildung und Erziehung für die baden-württembergischen Kindergärten, Weinheim 2006 sowie Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hg.): Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen, Freiburg 2015. 31 Judith Weber: Religionssensible Bildung in Kindertageseinrichtungen. Eine empirisch-qualitative Studie zur religiösen Bildung und Erziehung im Kontext der Elementarpädagogik (Interreligiöse und Interkulturelle Bildung im Kindesalter 4), Münster 2014 und Katrin Bederna/ Hildegard König (Hg.): Wohnt Gott in der KiTa? Religionssensible Erziehung in Kindertageseinrichtungen, Berlin/Düsseldorf 2009. 32 Friedrich Schweitzer/Albert Biesinger (Hg.): Kulturell und religiös sensibel? Interreligiöse und Interkulturelle Kompetenz in der Ausbildung für den Elementarbereich (Interreligiöse und Interkulturelle Bildung im Kindesalter 5), Münster 2015; Albert Biesinger/Friedrich Schweitzer: Religionspädagogische Kompetenzen. Zehn Zugänge für pädagogische Fachkräfte in Kitas, Freiburg 2013.

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Wahrnehmungs- und Handlungskompetenzen auf Seiten der Erziehenden gefragt, da Kinder und Eltern sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben, wenn Religion im Alltag ins Spiel kommt – etwa bei religiösen Feiern, der Frage nach dem (gemeinsamen) Beten, beim Besuch von Gottesdiensten oder sakralen Räumen. All dies stellt eine enorme Herausforderung an die Ausbildung von pädagogischen Fachkräften dar. Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass sich die meisten Erzieherinnen und Erzieher durch ihre Ausbildung nur schlecht oder gar nicht auf die interreligiösen Fragestellungen vorbereitet fühlen und dass die Ausbildungsschulen von Fachkräften einen immensen Nachholbedarf bei der Förderung interreligiöser Kompetenz haben.33 Der BRU kann hier auf zweierlei Weise Bedeutung erlangen: Zum einen können sich künftige Erzieherinnen und Erzieher mit ihrer eigenen Religiosität, ihren Fragen, Zweifeln und Zugängen existenziell auseinandersetzen, was Grundvoraussetzung dafür ist, um für Kinder kompetente Gesprächspartnerinnen und -partner sein zu können sowie konkrete religiöse Formen in der Kita mitzugestalten. Zum anderen kann der BRU ein Raum sein zum Erwerb professioneller Kompetenz in religiöser und interreligiöser Hinsicht. Weitere empirische Forschungen sind nötig, um konkrete Möglichkeiten und Wirkungen von interreligiöser Bildung und die damit zusammenhängende Bedeutung des BRU innerhalb der Ausbildung von pädagogischen Fachkräften in Kitas auszuloten. Ausbildung von Pflegekräften

Wenn mehr als ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund aufweist, leuchtet ein, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft und Zugehörigkeit immer mehr auch in den Krankenhäusern, Kliniken und Pflegeheimen anzutreffen sind. Die einst jungen Arbeitskräfte beispielsweise, die man seit den 1960er Jahren als »Gastarbeiter« ins Land geholt hat, sind inzwischen hochbetagt, leiden wie alle Menschen an verschiedensten Krankheiten und müssen stationär behandelt werden. Ebenso sind kranke und schwerkranke Kinder bzw. Jugendliche aus allen Bevölkerungsgruppen auf medizinische Hilfe angewiesen. Auch in diesem Bereich stehen die Pflegekräfte vor manchen Problemen, für die sie eigentlich nicht ausgebildet sind, nämlich der Frage nach dem rechten Umgang mit kultureller und religiöser Differenz. Denn oft zeigen sich bei schwerer Krankheit existenzielle oder ausdrücklich religiöse Bedürfnisse der 33 Vgl. Friedrich Schweitzer/Anke Edelbrock/Albert Biesinger (Hg.): Interreligiöse und interkulturelle Bildung in der Kita. Eine Repräsentativbefragung von Erzieherinnen in Deutschland – interdisziplinäre, interreligiöse und internationale Perspektiven (Interreligiöse und Interkulturelle Bildung im Kindesalter 3), Münster 2011.

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Patientinnen und Patienten sowie ihrer Angehörigen, da in Zeiten der Not das Thema Religion umso mehr virulent wird. Diese Aufgabe, die sich aus der gesellschaftlichen Veränderung ergibt, war lange Zeit zu wenig beachtet worden. Inzwischen wurde deutlich, wie sehr interreligiöse und interkulturelle Kompetenz auch im Pflegebereich vonnöten ist. Doch ist die Frage nicht einfach zu beantworten, wie solche Kompetenzen unterstützt werden können und wie Pflegekräfte professionelle Handlungskompetenz in interreligiöser und interkultureller Hinsicht erwerben können. Erste empirische Projekte haben den Bedarf an interreligiöser und ethischer Kompetenz in der Pflege sowie in der Pflegeausbildung erforscht und gleichzeitig empirische Unterrichts- bzw. Bildungsforschung im Bereich der beruflichen Ausbildung von Pflegekräften unternommen.34 Ergebnis waren unter anderem konkrete Vorschläge für die Praxis des Unterrichtens,35 die als Beitrag zur religiösen und interreligiösen Bildung im beruflichen Bildungswesen gewertet werden können. Am Pflegebereich kann zugleich exemplarisch aufgezeigt werden, wie religiöse (und interreligiöse) Bildung zum Teil weit über die herkömmlichen Formen von RU ausgreifen muss. Ausbildungssituationen in weiteren Berufsfeldern

Religiöse, ethische und interreligiöse Anforderungssituationen stellen sich in zahlreichen weiteren Berufen, überall dort, wo beruflich Handelnde mit anderen Menschen zu tun haben, was manchmal mehr, manchmal weniger der Fall ist. Doch selbst der Automechatroniker hat mit Kunden zu tun, die unterschiedlicher kultureller und religiöser Zugehörigkeit und Herkunft sind. Im kaufmännischen Bereich und im Bankenwesen ist die Kundenorientierung jedoch stärker ausgeprägt, was bedeutet, dass sich unterschiedliche Grundhaltungen und Einstellungen auch auf die Geschäfte auswirken, die man gemeinsam aushandeln oder unternehmen will. Bankkaufleute treffen beispielsweise bei islamischen Banken auf ein System, das dem üblichen Zinswesen völlig zuwiderläuft (Zinsverbot im Islam). Damit umzugehen will gelernt sein, insbesondere aber sollten die Hintergründe und religiösen Wurzeln solcher Vorgaben verstanden werden

34 Heinrich Merkt/Friedrich Schweitzer/Albert Biesinger (Hg.): Interreligiöse Kompetenz in der Pflege. Pädagogische Ansätze, theoretische Perspektiven und empirische Befunde (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik 7), Münster 2014. 35 Heinrich Merkt/Margit Schlipf/Friedrich Schweitzer/Albert Biesinger (Hg.): Ethische und interreligiöse Kompetenzen in der Pflege. Unterrichtsmaterialien für die Pflegeausbildung, Göttingen 2014.

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können. Darauf sind weitere Forschungsprojekte an den Instituten für berufsorientierte Religionspädagogik an der Universität Tübingen bezogen.36 Ein besonders heikler Bereich ist die Ausbildung der Polizei in interkultureller und interreligiöser Hinsicht, da Polizisten sehr häufig in Konfliktsituationen einbezogen sind, die mit religiösen und kulturellen Verschiedenheiten zusammenhängen, etwa im Asylbereich, bei Interessenkonflikten von Migranten und Einheimischen, bei Demonstrationen etc. Auch hier sind erste empirische Untersuchungen im Entstehen,37 die berufliche Kompetenzen der Polizeiarbeit in ethischer, kultureller und interreligiöser Hinsicht untersuchen. Die Erkenntnisse haben unmittelbare Rückwirkungen auf die Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten, die ein hohes Maß an religionssensibler und kultursensibler Bildung bereitstellen muss. Ein Beispiel für besonders engen Kundenkontakt stellt das Friseurhandwerk dar. Friseurinnen und Friseure sind mit ihren Händen ganz nah an den Menschen, die zum Haareschneiden gekommen sind, sie berühren sie am Kopf und stehen mit ihrem Körper in nächster Nähe zum Kunden. Ähnliches könnte von Arzt- und Zahnarzthelferinnen gesagt werden. Auch Fachpersonen im Einzelhandel, in Verwaltungen, im Dienstleistungssektor sind durch direkten und nahen Kundenkontakt mit der kulturellen, religiösen und weltanschaulichen Vielfalt von Menschen konfrontiert, die in Deutschland leben. In der Ausbildung dieser Fachkräfte kann der BRU ein bedeutender Faktor sein, wenn er die Lernenden befähigt, persönlich und professionell mit kultureller, religiöser und weltanschaulicher Vielfalt umzugehen.38

4. Rückschau: Geschichtliche Entstehung und Wandel des BRU Der Einblick in die geschichtliche Entstehung und den Wandel des BRU kann wesentlich zu seinem Verständnis beitragen. Eine Geschichte des BRU steht bislang allerdings nicht zur Verfügung, weshalb hier erneut von einem Desiderat zu 36 Vgl. Friedrich Schweitzer/Magda Bräuer/Reinhold Boschki (Hg.): Interreligiöses Lernen durch Perspektivenübernahme. Eine empirische Untersuchung religionsdidaktischer Ansätze (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik 10), Münster 2017. 37 Vgl. Wilhelm Schwendemann/Bernhard Goetz/Kerstin Lammer (Hg.): Unterwegs in den Wirklichkeiten der Polizei. Polizeiseelsorge und Berufsethik der Polizei, Göttingen 2015. 38 Vgl. auch Andreas Obermann: Ergebnisse zur konfessionellen Prägung des Berufsschulreligionsunterrichts, in: Monika Marose/Michael Meyer-Blanck/Andreas Obermann (Hg.). »Der Berufsschulreligionsunterricht ist anders!« Ergebnisse einer Umfrage unter Religionslehrkräften in NRW (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik 8), Münster 2016, 41–65.

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sprechen ist. Im Folgenden beschränken wir uns auf drei Aspekte, die religionspädagogisch von besonderem Interesse sind. 4.1 Vorgeschichte: »BRU vor dem BRU« Mit Vorgeschichte ist hier gemeint, dass in der Zeit bis zum 20. Jahrhundert zwar nicht von einer geregelten Gestalt von BRU gesprochen werden kann, aber doch wichtige Entwicklungen zu verzeichnen waren, die nicht einfach vergessen werden sollten. Vor allem gab es nicht zuletzt religiös motivierte Ansätze dafür, Bildungsmöglichkeiten auch jungen Menschen außerhalb der damals vorfindlichen, vor allem im Blick auf ältere Jugendliche oder junge Erwachsene häufig auf bestimmte Gruppen in der Gesellschaft begrenzten Formen von Schule zu eröffnen. Zunächst ist in diesem Sinne auf die religiösen Wurzeln des beruflichen Bildungswesens insgesamt zu verweisen. Die Forderung, dass alle Menschen gebildet werden sollen – unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem sozialen Stand –, war in der Geschichte häufig mit einem christlichen Menschenbild verbunden. Besonders deutlich ist dies bei Comenius der Fall, dem führenden evangelischen Reformpädagogen des 17. Jahrhunderts, der sich ausdrücklich auf die Gottebenbildlichkeit des Menschen beruft.39 Daraus zieht er die Folgerung, dass bei der Bildung keine Unterschiede gemacht werden dürften, eben weil Gott selbst keine solchen Unterschiede mache. Schon mit der Reformation im 16. Jahrhundert war von Anfang an die damals ungewohnte Forderung verbunden, dass alle Kinder – also auch die Mädchen – die Schule besuchen sollten.40 Für die Reformatoren ergab sich diese Forderung aus dem veränderten Verständnis von Kirche, das vom Priestertum aller Gläubigen her konzipiert war. In der Zeit der Gegenreformation bzw. im Zeitalter der Konfessionalisierung nahmen auch auf katholischer Seite entsprechende Bildungsbemühungen deutlich zu. Forderungen der genannten Art bedeuten freilich nicht, dass ihnen auch eine allgemeine Realität entsprochen hätte. Vielmehr dauerte es de facto mehrere Jahrhunderte, bis der allgemeine Schulbesuch im 20. Jahrhundert in Deutschland wirklich durchgesetzt war. Umso bemerkenswerter sind daher verschiedene Initiativen, die speziell für solche Jugendliche Bildungsangebote machten, die sonst vom Bildungswesen ausgeschlossen waren. Dazu gehören auf evangelischer Seite etwa die Sonntagsschulen, die den arbeitsfreien Feiertag für entsprechende 39 Vgl. Johann Amos Comenius: Pampaedia, hrsg. von Dimitrij Tschižewskij, Heidelberg 21965, 31. 40 Vgl. zusammenfassend Friedrich Schweitzer: Das Bildungserbe der Reformation. Bleibender Gehalt, Herausforderungen, Zukunftsperspektiven, Gütersloh 2016.

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Angebote nutzen. Besonders im 19. Jahrhundert sind solche Sonntagsschulen im Zusammenhang mit der entstehenden Diakonie zu sehen, die dann auch in Einrichtungen wie zum Beispiel dem von Johann Hinrich Wichern begründeten Rauhen Haus in Hamburg Gestalt gewannen. Im Hintergrund stehen bei solchen Ansätzen oft die Bemühungen bei August Hermann Francke, der schon im frühen 18. Jahrhundert mit seinen Halleschen Anstalten Einrichtungen für Waisen oder sonst nicht versorgte Kinder und Jugendliche aufgebaut hatte. In allen diesen Fällen spielen religiöse Erziehung und Bildung eine wesentliche Rolle, auch wenn man bei den Sonntagsschulen noch nicht einfach von Bildung im heutigen Sinne sprechen kann. Ein weiterer Vorläufer der späteren Berufsschule waren die sog. »Industrieschulen«, die im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts entstanden sind und deren Grundgedanke es war, Arbeit und Lernen zu einem größeren pädagogischen Konzept zu verbinden.41 Allerdings wurden Idee und Realisierung aus späterer Sicht mitunter heftig kritisiert, da die Industrieschule beabsichtigte, Kinder und Jugendliche schon früh in die Welt der Arbeit und Produktion einzuführen. Der spätere Konflikt zwischen Arbeits- bzw. Berufsorientierung der Erziehung und einer auf die ganze Persönlichkeit der jungen Menschen ausgerichteten Sicht von Bildung, wie sie die heutige Berufspädagogik und den BRU charakterisiert, ist hier schon vorprogrammiert. Die Entwicklung beruflicher Bildung im 19. Jahrhundert war alles andere als einheitlich.42 Vielerorts wurden gewerbliche und kaufmännische Schulen eingerichtet, um die innerbetriebliche Ausbildung der Lehrlinge zu ergänzen. Die früheren Industrieschulen verwandelten sich in allgemeine Volksschulen, um die Gesamtbildung der jungen Generation zu heben. Meist standen ökonomische Gründe hinter einem erweiterten Bildungsangebot, doch hatte die ebenfalls im 19. Jahrhundert eingeführte sog. »Fortbildungsschule« auch die christliche Bildung im Blick. Fortbildungsschulen führten zum Teil die Tradition der oben angesprochen Sonntagsschulen weiter, indem sie das Fach »Christenlehre« integrierten, das für Lehrlinge verpflichtend war.43 Um die Wende zum 19. Jahrhundert entwickelte sich die Fortbildungsschule weiter, indem sie sich mehr und mehr auf die eigentliche berufliche Ausbildung spezialisierte und »Christenlehre« immer weniger Bedeutung erlangte. Fortbildungsunterricht wurde vielerorts in gewerblichen Sonntagsschulen erteilt, die 41 Vgl. Jürgen Zabeck: Geschichte der Berufserziehung und ihrer Theorie, Paderborn 22013, 165– 186. 42 Vgl. Zabeck, Geschichte 2013 (s. o. Anm. 40), 269–457. 43 Martin Jäggle: Religionsunterricht an Berufsschulen, in: Österreichisches Religionspädagogisches Forum 21, 2013, 79–85, hier 79–80.

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schließlich verstärkt auch an Werktagen als Teil der Arbeitszeit angeboten wurden. Damit war der Grundstein für das spätere duale System gelegt. Auch hier ist die Motivation zur Einführung in erster Linie wirtschaftlicher Natur, um Handwerk, Landwirtschaft, Industrie und den entstehenden Dienstleitungssektor mit gut ausgebildeten Fachkräften auf- und ausbauen zu können.44 4.2 BRU als Schulfach Mit der allgemeinen Einführung von Fortbildungsschulen im letzten Drittel des 19. und dann vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellte sich die Frage, ob auch der RU zu den Fächern dieser Schule gehören sollte. Diese Frage wurde kontrovers diskutiert und politisch unterschiedlich geregelt, manchmal mit und manchmal ohne RU.45 Wesentliche Impulse bekam die Idee des in die Berufsausbildung integrierten RU aus reformpädagogischen Quellen, die Anfang des vergangenen Jahrhunderts auch Teile der entstehenden modernen Religionspädagogik beflügelte. Während der Reformpädagoge Georg Kerschensteiner (1854–1932) als Begründer der Arbeitsschule, einer Vorläuferin der heutigen Berufsschule, sich für eine umfassende berufliche und persönliche Bildung der jungen Menschen einsetzte, können evangelische und katholische Religionspädagogen wie Otto Eberhard und Josef Göttler als Vorkämpfer eines modernen RU im entstehenden beruflichen Schulwesen bezeichnet werden.46 Ihnen lag daran, Religion, Leben, Arbeit und Beruf im RU zusammenzubringen. Die katholischen Ansätze waren geprägt von der Beschäftigung der katholischen Kirche mit der sozialen Frage, wie sie sich etwa in der Enzyklika Rerum Novarum (1891) ausdrückte. Zudem versuchte bspw. 44 Vgl. Kießling, Stimme 2004 (s. o. Anm. 2), 30–31. 45 Einen Überblick liefern: Hermann-Josef Stratomeier: Religionsunterricht an der Berufsschule – im Spiegel seiner Lehrplanentwicklung. Von der katechetischen Unterweisung zum adressatenund berufsbezogenen Religionsunterricht (Religion und berufliche Bildung, Bd. 4), Münster 2009; Wolfgang Schulz: Berufsbezogene Ansätze in der Religionspädagogik. Zur Geschichte des BRU aus katholischer Sicht, in: Gesellschaft für Religionspädagogik und Deutscher Katechetenverein (Hg.): Neues Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, Neukirchen-Vluyn 22006, 108–114; Karl-Theo Siebel und Johan La Gro: Berufsbezogene Ansätze in der Religionspädagogik. Zur Geschichte des BRU aus evangelischer Sicht, in: Gesellschaft für Religionspädagogik und Deutscher Katechetenverein (Hg.). Neues Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, Neukirchen-Vluyn 22006, 100–107 und Jürgen Lott: Religion in der Berufsschule, Hamburg 1972. 46 Vgl. Kristian Klaus Kronhagel: Religionsunterricht und Reformpädagogik. Der Beitrag Otto Eberhards zur Religionspädagogik in der Weimarer Republik, Münster 2004; Wilhelmine Sayler: Josef Göttler und die christliche Pädagogik, München 1960, 199–229 und Josef Göttler: Religion in der Fortbildungsschule. Gedanken und Vorschläge für Theorie und Praxis desselben (Religionspädagogische Zeitfragen 1), Kempten/München 1916.

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Göttler verstärkt, pädagogische und psychologische Erkenntnisse für den RU an den Fortbildungs- und aufkommenden Berufsschulen fruchtbar zu machen, dennoch blieben die Entwürfe in ihrer Tendenz stark katechetisch orientiert. Die evangelischen Ansätze dieser Zeit folgten hingegen einem ausgeprägten Interesse daran, dass sich das Christentum den Herausforderungen der Moderne stellen muss und dabei auch die Ansprüche einer modernen Pädagogik zu berücksichtigen hat, nicht zuletzt in Gestalt einer eigenen modernen Religionspädagogik. Mit der Weimarer Verfassung wurde der RU zum ordentlichen Lehrfach, wozu dann auch der RU im beruflichen Bildungswesen gezählt wurde. Allerdings blieb diese Auslegung der Weimarer Verfassung auch in der Praxis umstritten, sodass der BRU keineswegs flächendeckend erteilt wurde. Das Reichskonkordat von 1933 enthielt dann auch den ausdrücklichen Hinweis, dass in den Berufsschulen katholischer RU zu erteilen ist, was aber angesichts der faktischen Politik des Nationalsozialismus ohne entscheidende Wirkung blieb. Erst mit der Begründung der Bundesrepublik Deutschland und den Regelungen des Grundgesetzes im Jahr 1949 wurde die Grundlage für eine Institutionalisierung des BRU gelegt, wie sie bis heute bestimmend geblieben ist, seit der deutschen Vereinigung von 1990 tendenziell auch in Ostdeutschland. Auf die Situation der einzelnen Bundesländer und die Ausnahmen dort wurde oben bereits verwiesen.47 4.3 Wandel des BRU im Spiegel seiner Didaktik In welchem Sinne von einer eigenen Didaktik des BRU gesprochen werden kann, wäre eine Frage, die weiter zu klären ist. Im engeren Sinne konnte sich eine solche Didaktik überhaupt erst in dem Maße entwickeln, in dem das Schulfach BRU etabliert war – also in der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg. Es ist nicht überraschend, dass sich die didaktische Entwicklung des BRU, wie sie etwa an den Lehrplänen abzulesen ist, zunächst als Teil der allgemeinen Entwicklung der Religionsdidaktik darstellt. Dabei spielten die sog. Konzeptionen eine wichtige Rolle – angefangen in den 1930er und 1940er Jahren beim kerygmatischen RU und der Evangelischen Unterweisung, beide im Zeichen der Verkündigung, über die Problemorientierung und Korrelationsdidaktik der 1960er und 1970er Jahre bis hin zu den zahlreichen Konzeptionen, die dann vor allem in der Zeit zwischen 1970 und 1990 diskutiert wurden, etwa als Unterricht über Religion und Religionen, als ideologiekritischer RU, Symboldidaktik und schließlich, seit den 1990er Jahren, mit performativen und konstruktivis-

47 Vgl. 75 ff.

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tischen Ansätzen.48 Bemerkenswert ist allerdings, dass der BRU in bestimmten Hinsichten eine Vorreiterrolle bei der religionsdidaktischen Entwicklung übernahm.49 Hier erprobten Pioniere bereits seit Beginn der 1960er Jahre (also zeitlich noch vor der entsprechenden Entwicklung in den anderen Schulformen) im RU an den Berufsschulen Ansätze eines erfahrungs- und lebensweltorientierten RU – damals noch im Rahmen eines katechetischen Grundmodells –, die sie auch theoretisch reflektierten und die sie in Materialien für den Unterricht konkretisierten.50 Offenbar wurde gerade im berufsbildenden Bereich deutlich, dass sich die Schülerinnen und Schüler von den Themen im RU nur ansprechen ließen, wenn diese einen deutlichen Bezug zu ihren eigenen Erfahrungen hatten. Insofern kamen wichtige religionsdidaktische Anstöße gerade aus dem BRU, auch wenn dies später nicht mehr immer im Gedächtnis blieb. Das gilt speziell für die Neugewichtung gesellschaftlicher und sozialethischer Themen im RU sowie für explizit gesellschaftskritische Ausrichtungen der Religionsdidaktik, wie sie vor allem in der Zeit der 1960er Jahre, im Zusammenhang der damaligen politischen Umbrüche, stark an Bedeutung gewannen. Schon früh wurde im Bereich des BRU auch eine Kompetenzorientierung eingeführt, die in diesem Bereich allerdings spezifische Wurzeln aufweist. Wird heute bei Kompetenzorientierung vor allem an didaktische Entwicklungen im Anschluss an die PISA-Untersuchungen gedacht, mit denen sich die allgemeine Einführung von Kompetenzen und Standards für den Unterricht, einschließlich des RU, verbinden, so war es im Bereich des BRU eher die seit den 1980er Jahren im Bereich der Berufsbildung aufgekommene Orientierung an Kompetenzen, die hier maßgeblich war. Diese Kompetenzen sind stärker an beruflichen Erfordernissen ausgerichtet und überschneiden sich nur zum Teil mit dem heute sonst im Blick auf die Schule üblichen Kompetenzverständnis, das vor allem aus inhaltlich bestimmten Domänen erwächst.

48 Vgl. bspw. Thomas Klie: Religionsunterricht in der Berufsschule. Verheißung vergegenwärtigen. Eine didaktisch-theologische Grundlegung, Leipzig 2000 und Andreas Obermann: Im Beruf Leben finden. Allgemeine Bildung in der Berufsbildung – didaktische Leitlinien für einen integrativen Bildungsbegriff im Berufsschulreligionsunterricht (ARP 55), Göttingen 2013. 49 Vgl. Stratomeier, Religionsunterricht 2009 (s. o. Anm. 44). 50 Vgl. auf katholischer Seite z. B. die Arbeiten von Hermann Schlachter [1914–1996]; u. a. Hermann Schlachter: Handbuch des Religionsunterrichts an Berufsschulen. Eine Berufsschulkatechetik mit 12 ergänzenden Katechesen für Schüler mit dreieinhalbjähriger Lehrzeit, Freiburg 1962.

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5. Anforderungen an den BRU: Zukunftsperspektiven Im Folgenden sollen einige zentrale Anforderungen an den BRU formuliert werden, von deren Aufnahme und zumindest tendenzieller Erfüllung die Zukunft des BRU abhängig sein dürfte. Die Qualität des Unterrichts sichern und verbessern

Erfahrungsberichte aus der Praxis verweisen darauf, dass Lehrkräfte im BRU die Qualität des Unterrichtsangebots in erster Linie davon abhängig sehen, ob es gelingt, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein für sie plausibles und hilfreiches Angebot zu machen. Die so verstandene Subjektorientierung des BRU sollte auch in Zukunft ein Markenzeichen bleiben. Dabei muss auch der Wandel der Schülerschaft bewusst wahrgenommen werden. Die mitunter im BRU der Vergangenheit vorherrschende Ausrichtung auf Lehrlinge wird der Komplexität des beruflichen Bildungswesens schon lange nicht mehr gerecht. Stärker als in der Vergangenheit wird es zugleich auch darauf ankommen, die Qualität des BRU als Unterricht zu plausibilisieren, was immer mehr auch eine Überprüfung seiner Wirksamkeit mithilfe empirischer Methoden einschließt. Die Legitimität von BRU an der Schule ausweisen

Wie in diesem Beitrag deutlich geworden ist, musste der BRU von Anfang an um seine Stellung und Legitimität an der Schule kämpfen. Eine gleichsam automatische Anerkennung hat es für diesen Unterricht fast nie gegeben. Doch dürfte es kein Zufall sein, dass sein endgültiger Ausbau in der Zeit der 1950er und 1960er erreicht werden konnte, als in Westdeutschland noch eine vergleichsweise starke religiöse Traditionsorientierung vorherrschend war. Inzwischen hat diese Traditionsorientierung weithin ihre Legitimationskraft verloren. Deshalb muss der BRU seine Legitimität anhand von Problemen und Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft ausweisen können. Auch wenn dabei der Beitrag des BRU zur Wertorientierung theologisch nicht an erster Stelle stehen darf, ist nicht zu übersehen, dass die Sprache der Werte in der Gesellschaft zu der Sprache geworden ist, in der letzte Fragen überhaupt noch kommuniziert werden können. Davon, wie sich der BRU in dieser Diskussion positioniert, hängt seine Anerkennung deshalb in hohem Maße ab. Ähnliches gilt für interkulturelle und interreligiöse Fragen, die durch die anhaltende internationale Migration eine wohl dauerhaft hervorgehobene Bedeutung besitzen. Die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland, die in den vergangenen Jahren ein bislang noch nie dagewesenes Ausmaß erreichte, steht für die Bedeutung interreligiöser und interkultureller Aufgaben. Doch reichen solche Aufgaben inzwischen weit in den Alltag von Kindern,

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Jugendlichen und Erwachsenen hinein, gerade auch im Blick auf die Arbeitswelt. Der Zusammenhang zwischen religiöser Bildung und Integration muss deshalb eigens wahrgenommen werden. Die Position des BRU innerhalb der Schule neu bestimmen

Die demographische Entwicklung, durch die – zusammen mit den Kirchenaustritten – der evangelische und katholische Bevölkerungsanteil in Deutschland immer kleiner wird, lässt erwarten, dass sich mittel- bis langfristig der Anteil evangelischer, katholischer und muslimischer Schülerinnen und Schüler im berufsbildenden Bereich quantitativ einander annähern werden. Dazu kommt noch der ebenfalls wachsende Anteil Konfessionsloser. In dieser Situation können die traditionell für den BRU bezeichnenden Modelle, bei denen konfessionslose und muslimische Schülerinnen und Schüler als »Gäste« in den evangelischen und katholischen RU aufgenommen werden, immer weniger überzeugen. Mitunter wird auch darauf verwiesen, dass ein »Ethikunterricht für alle« nach Berliner oder Brandenburger Vorbild gleichsam alle Probleme zugleich lösen würde. Bei einem solchen Einheitsangebot müsse endlich nicht mehr mühselig nach stundenplantechnischen Lösungen gesucht werden. Allerdings findet auch ein Islamischer RU in Deutschland zunehmend Anerkennung und Zustimmung, sodass es nur eine Frage der Zeit sein dürfte, bis ein solcher Unterricht auch im berufsbildenden Bereich eingeführt werden kann. Im Horizont solcher Verschiebungen und Diskussionen wird sich der BRU nur behaupten können, wenn er erkennbar und plausibel etwas anderes bietet als der Ethikunterricht und wenn er sich zugleich dialogisch und kooperativ auf einen Islamischen RU einzustellen vermag. Den Beitrag des BRU zur beruflichen Qualifikation wahrnehmen

Traditionell wurde der BRU den sog. allgemeinbildenden Fächern im beruflichen Bildungswesen zugeordnet. Heute wird immer deutlicher, dass religiöse und interreligiöse Kompetenzen in zahlreichen beruflichen Zusammenhängen benötigt werden. Besonders leicht zu erkennen ist dies bei der Ausbildung für eine Tätigkeit in Tageseinrichtungen für Kinder oder in der Pflege, aber auch etwa bei der Polizei oder in wirtschaftlichen Kontexten sind entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten zunehmend gefragt (s. o., 86 ff.). Damit tritt vor Augen, dass der BRU auch einen eigenen und unverwechselbaren Beitrag zur beruflichen Bildung und Qualifikation zu leisten vermag. Dieser Beitrag sollte genauer geklärt und in Zukunft auch ausdrücklich in das Profil des BRU aufgenommen werden.

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Die konfessionelle und interreligiöse Kooperation im BRU sowie den Austausch mit dem Fach Ethik/Praktische Philosophie stärken

Eine wesentliche Herausforderung für den BRU ist die Frage, wie er seine im Grundgesetz verankerte und von den Kirchen geforderte konfessionelle Ausrichtung bewahren kann, aber dennoch den Bedingungen religiös und kulturell heterogener Klassenzusammensetzungen sowie der gesellschaftlichen Pluralität insgesamt gerecht werden kann. Hier scheint das Stichwort und Programm konsequenter Kooperation in interkonfessioneller und interreligiöser Hinsicht weiterführend, wenn solche Kooperationen religionspädagogisch im Spannungsfeld von Identität und Verständigung ausgedeutet werden. Hinzu muss eine verstärkte Kooperation mit Fächern wie Ethik bzw. Praktische Philosophie treten, die in der Berufsschule zwar nur sporadisch anzutreffen sind, aber angesichts zunehmender Schülerschaft ohne Religionszugehörigkeit die gleiche Berechtigung wie BRU haben. Die Ausbildung, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften für den BRU profilieren

Bislang steht die Ausbildung von Lehrkräften für den BRU nur selten im Zen­ trum, weder an Hochschulen für Technik oder Wirtschaft noch im Rahmen der allgemeinen universitären Lehrerbildung, die sich noch immer primär auf das sog. allgemeinbildende Schulwesen bezieht. Auch wenn Lehrkräfte aus dem kirchlichen Bereich im BRU eingesetzt werden, sind sie nur selten speziell darauf vorbereitet. Entsprechend wichtig ist eine konsequente Fort- und Weiterbildung für diesen Bereich, die bislang ebenfalls nur wenig institutionalisiert ist. Es liegt auf der Hand, dass die beschriebenen Zukunftsaufgaben für den BRU nur bewältigt werden können, wenn auch entsprechend ausgebildetes und auf die Aufgaben vorbereitetes Personal zur Verfügung steht. Eine wissenschaftliche Substruktur für den BRU gewährleisten

Die Weiterentwicklung von Schulfächern bedarf heute einer wissenschaftlichen Unterstützungsstruktur, die für die wissenschaftliche Begleitung dieser Entwicklung ebenso wie für die Konzeption der Ausbildung zuständig ist. Derzeit gibt es erstmals in der Geschichte der Religionspädagogik drei Institute, die speziell auf berufsorientierte Religionspädagogik eingestellt sind (Bonn und Tübingen). Bei allen drei Instituten handelt es sich derzeit aber noch um Projekte, deren Finanzierung nicht auf Dauer gesichert ist. Zudem stellt sich auch die Frage, wie eine wissenschaftliche Begleitung der Entwicklung des BRU jenseits dieser drei Institute gewährleistet werden kann.

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Weiterführende Literatur Albert Biesinger/Matthias Gronover/Michael Meyer-Blanck/Andreas Obermann/Joachim Ruopp/ Friedrich Schweitzer (Hg.): Gott – Bildung – Arbeit: Zukunft des Berufsschulreligionsunterrichts (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik, Bd. 4), Münster 2013 Reinhold Boschki/Matthias Gronover/Monika Marose/Michael Mayer-Blank/Hanne Schnabel-Henke/Friedrich Schweitzer (Hg.): Person – Persönlichkeit – Bildung. Aufgaben und Möglichkeiten des Religionsunterrichts an beruflichen Schulen (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik, Bd. 11), Münster 2017 Monika Marose/Michael Meyer-Blanck/Andreas Obermann (Hg.): »Der Berufsschulreligionsunterricht ist anders!« Ergebnisse einer Umfrage unter Religionslehrkräften in NRW (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik, Bd. 8), Münster 2016 Andreas Obermann: Im Beruf Leben finden. Allgemeine Bildung in der Berufsbildung – didaktische Leitlinien für einen integrativen Bildungsbegriff im Berufsschulreligionsunterricht, Göttingen 2013 Friedrich Schweitzer/Magda Bräuer/Reinhold Boschki (Hg.): Interreligiöses Lernen durch Perspektivenübernahme. Eine empirische Untersuchung religionsdidaktischer Ansätze (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität, Bd. 10), Münster 2017 Friedrich Schweitzer/Joachim Ruopp/Georg Wagensommer: Wertebildung im Religionsunterricht: eine empirische Untersuchung im berufsbildenden Bereich (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik, Bd. 2), Münster 2012 Georg Wagensommer: Werte – Bildung – Religion. Wertebildung aus der Perspektive berufsorientierter evangelischer Religionspädagogik. Eine explorative Studie, Münster 2018

I.3 Außerschulische Institutionen als Mitgestalterinnen des BRU

Marc Fachinger/Joachim Ruopp

Der Religionsunterricht an Beruflichen Schulen (BRU1) steht in vielfältigen Kontexten und Strukturen: Zu den Strukturen des BRU gehören zunächst (erstens) die gesetzlichen Regelungen des deutschen Bildungswesens auf Länder-, aber auch auf Bundesebene. Insofern (zweitens) Religionsunterricht staatskirchenrechtlich eine gemeinsame Angelegenheit des Staates und der Religionsgemeinschaften (»res mixta«) ist, sind die jeweiligen Landeskirchen bzw. Bistümer mit ihren Zielen und Unterstützungssystemen Teil und Gestalterinnen dieser Struktur. Drittens liegt eine Besonderheit der beruflichen Bildung darin, dass Handwerk und Wirtschaft als duale Partner mit den Berufsschulen zusammenarbeiten. Viertens muss die Verortung des BRU aus der Perspektive europäischer Berufsbildungspolitik, die immer größere Bedeutung bekommt, betrachtet werden. Schließlich gilt es (fünftens), die verbandlichen Zusammenschlüsse von Religionslehrerinnen und Religionslehrern an beruflichen Schulen in den Blick zu nehmen.

1. Bundesländer Der BRU als »ordentliches Lehrfach« ist begründet im Grundgesetz, Artikel 7 Absatz 3. Allerdings buchstabieren die Länder diese Verfassungsrechtlichkeit unterschiedlich aus. Sieben der sechzehn Bundesländer mit ihrem Hoheitsrecht in Bildungsangelegenheiten haben Artikel 7 (3) GG ausdrücklich in ihren Verfassungen übernommen und teilweise weitere landesrechtliche Regelungen zum Religionsunterricht formuliert.

1

Im katholischen Bereich wird auch die Abkürzung RUaBS verwendet.

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Ganz anders ist die rechtliche Situation des Religionsunterrichts in Bremen2, in Berlin und in Brandenburg. In den Landesverfassungen von Brandenburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bleibt der Religionsunterricht unerwähnt; Berlin und Hamburg thematisieren das Schulwesen in ihren Verfassungen nicht. Auch das Verhältnis von Religions- und Ethikunterricht (Wahlpflichtfach, Ersatzfach oder ordentliches Lehrfach) ist in den Ländern unterschiedlich geregelt. Trotz der insgesamt rechtlich eindeutigen Verankerung des BRU im Schulwesen ist die faktische Situation, insbesondere die schulorganisatorische Verankerung und Unterrichtsversorgung, in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich. Neben Bundesländern mit gut ausgebautem BRU gibt es Bundesländer, in denen BRU in weiten Teilen nicht stattfindet. Vor allem in den neuen Bundesländern wird BRU oft nur an einzelnen Standorten angeboten. Auch die Organisationsformen unterscheiden sich von Land zu Land. Ist etwa in Bayern nach Konfessionen differenzierter BRU die Regel, so ist in anderen Flächenländern der sog. »BRU im Klassenverband« weit verbreitet. (z. B. Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Baden-Württemberg).3 Welche inhaltlichen Erwartungen haben die Länder an den BRU? Von bundesweiter Bedeutung ist die KMK-Rahmenvereinbarung über die Berufsschule vom 12.03.2015.4 Berufliche Handlungskompetenz wird hier ausdrücklich weit gefasst. Dies geschieht etwa in 1.2 durch die Rede von berufsübergreifenden Kompetenzen und von der »Mitgestaltung der Arbeitswelt und Gesellschaft«; in 2.1 durch die Beschreibung beruflicher Handlungskompetenz, »sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten«, und in 2.2 durch 2 Die »Bremer Klausel« (Art. 141 GG) nimmt Länder von der Gültigkeit des Art. 7 Abs. 3 GG aus, in denen am 1.1.1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand. Auch Berlin nimmt diese Klausel in Anspruch. 3 Die Situation des Religionsunterrichts (rechtliche Regelungen, Praxis, Unterrichtsversorgung, auch für den BRU) ist am ausführlichsten beschrieben in Martin Rothgangel/Bernd Schröder (Hg.): Evangelischer Religionsunterricht in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Empirische Daten – Kontexte – Entwicklungen, Leipzig 2009. Für die Situation des BRU in den neuen Bundesländern: Roland Biewald: BRU in den neuen Bundesländern. BRU-Magazin 54/2011, 40–47 und Roland Biewald: Ein Fach für alle Fälle. Berufsschulreligionsunterricht (BRU) in den ostdeutschen Bundesländern. ZPT 65 (2013), 229 ff. In Bremen ist der BRU offenbar keine relevante Größe (mdl. Auskunft Senatorin für Bildung und Wissenschaft Referat 22 – Berufsbildende Schulen). In Berlin gibt es kirchlich organisierte Bildungsarbeit für Berufsschülerinnen und Berufsschüler in der evangelischen Jugendbildungsstätte »Haus Kreisau«; in Hamburg und Schleswig-Holstein gibt es in den Teilzeit-Berufsschulen sog. »Religionsgespräche«. 4 http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2015/2015_03_12RV-Berufsschule.pdf.

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Erwähnung »durchgängiger Sprachbildung«. Das Unterrichtsfach Religion hat neben Deutsch oder Politik die Aufgabe einer »berufsbezogene[n] Erweiterung der vorher erworbenen allgemeinen Bildung« (4.1). Die Schulgesetzgebung sowie die Bildungs- und Lehrpläne der Bundesländer nehmen durchweg die Bedeutung eines berufsübergreifenden Unterrichts auf.5 Die Länder haben ein großes Interesse an der Vermittlung von Kenntnissen bzw. dem Erwerb von Kompetenzen, die über das jeweilige Berufsfeld hinausgehen und dann vor allem in der Rahmenstundentafel im sog. allgemeinen bzw. berufsübergreifenden Lernbereich6 in der Berufsschule verortet werden. In den Vorgaben für die Lehrplanarbeit positionieren die Bundesländer sich häufig in einem umfassenden pädagogischen Horizont. In Rheinland-Pfalz heißt es z. B.: »Laut Schulgesetz bestimmt sich der allgemeine Auftrag der Schule aus dem Recht des Einzelnen auf Förderung seiner Anlagen und Erweiterung seiner Fähigkeiten sowie aus dem Anspruch von Staat und Gesellschaft an einen Bürger, der zur Wahrnehmung seiner Rechte und Übernahme seiner Pflichten hinreichend vorbereitet ist.«7

Weiter heißt es für Rheinland-Pfalz in der dortigen Berufsschulverordnung, dass diese Schulform zur Mitgestaltung der Arbeitswelt und der Gesellschaft in sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung befähigen und die allgemeine Bildung weiter vertiefen soll.8 Solche Formulierungen zeigen, dass die Länder spezifische Bildungserwartungen haben und Impulse setzen, an die der BRU anschließen kann. Eine Formulierung aus Nordrhein-Westfalen etwa betont Autonomie und Identität als Bildungsziele: »Das Berufskolleg vermittelt den Schülerinnen und Schülern eine umfassende berufliche, gesellschaftliche und personale Handlungskompetenz und bereitet sie auf ein lebensbegleitendes Lernen vor. Es qualifiziert die Schülerinnen und Schüler, an 5 Die Schulgesetzgebung rezipiert die Vorgaben der KMK-Rahmenvereinbarung. Beispielhaft zitiert sei die aus Bayern stammende Formulierung, die der Berufsschule aufgibt, »insbesondere die allgemeinen, berufsfeldübergreifenden sowie die für den Ausbildungsberuf oder die berufliche Tätigkeit erforderlichen fachtheoretischen Kenntnisse zu vermitteln« (Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG), Art. 11, Die Berufsschule). 6 So weist exemplarisch das Land Hessen in der Verordnung über die Berufsschule vom 9.9.2002 unter Anlage 1 im Allgemeinen Lernbereich eine Wochenstunde »Religion/Ethik« aus, je nach Dauer der Ausbildung. 7 Rheinland-Pfalz/Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur (Hg.): Lehrplan/Lernbausteine Evangelische Religion für […] Berufsschule […], 2011, 1 (http://berufsbildendeschule.bildung-rp.de/fileadmin/user_upload/bbs/berufsbildendeschule.bildung-rp.de/ Lehrplaene/Dokumente/Lehrplan_2010_11/Ev._Religion_Lehrplan_Komplett.pdf). 8 Vgl. hierzu die Berufsschulverordnung Rheinland-Pfalz (BerSchulO RP 2005) § 2.

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zunehmend international geprägten Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft teilzunehmen und diese aktiv mitzugestalten.«9

Bildungs- und Lehrpläne oder Rahmenrichtlinien sind ein entscheidendes Instrument, wie die Bundesländer ihre Bildungsziele im Einzelnen formulieren und wie sie Bildungsziele im Blick auf Unterricht strukturieren. Die Religionsgemeinschaften wirken bei der inhaltlichen Ausgestaltung dieser Pläne bzw. Richtlinien mit. Die Prozesse und Ergebnisse können für den BRU dabei von Bundesland zu Bundesland im Einzelnen sehr verschieden geregelt sein.10 Der dadurch stattfindende Dialog zwischen pädagogischen und religionspädagogischen Zielbestimmungen kann unterschiedlich aussehen. In den baden-württembergischen Bildungsplänen für die beruflichen Schulen werden übergreifende Kompetenzen für den RU (Weltdeutungskompetenz, personale, kommunikative, soziale, ästhetische, ethische und religiöse Kompetenz) formuliert.11 In Thüringen wird bei der Situation der Schülerinnen und Schüler angesetzt: »Der Religionsunterricht bietet die besondere Möglichkeit, das Sozialverhalten der Schüler anzusprechen und die Sozialkompetenz zu stärken. […] Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheiten unserer Zeit, aber auch die Umbrüche, die im Jugendalter begründet liegen, bestimmen zunehmend das Leben der Schüler. […] Für den Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen bedeutet dies Chance und Verpflichtung gleichermaßen.«12

Im abschließenden Blick auf die Bundesländer als Mitgestalter des BRU stellen sich folgende, auch kritische, Fragen: 1. Wie verhalten sich staatlicherseits vorgegebene Bildungsziele zu christlichen Deutungen menschlicher Existenz? Lassen sich pädagogische Bildungsziele mit religiösen unproblematisch verbinden – und wie werden Interessenskonflikte bearbeitbar? Wie verhalten sich Bildungsziele und curriculare Vorgaben zu den strukturellen Rahmenbedingungen und zur Realität? Konkret:

  9 Ausbildungs- und Prüfungsordnung Berufskolleg NRW (APO.BK) 1999/2014, § 1(1). 10 Einen möglichst aktuellen Überblick über die zumeist online verfügbaren Bildungspläne (evangelisch) bietet das BRU-Portal: http://www.bru-portal.de/lehrplaene.php. 11 Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden Württemberg: Bildungsplan für alle beruflichen Schulen, Evangelische Religionslehre/Katholische Religionslehre, Lehrplanheft 3/2003, 11 f. und 96. 12 Thüringer Kultusministerium: Thüringer Lehrplan für berufsbildende Schulen. Schulformen: Berufsschule, Berufsfachschule, Berufsvorbereitungsjahr, Fachoberschule (einjährig und zweijährig); Fach: Katholische Religionslehre, 2005, 3.

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Wie verhalten sich gesetzliche Garantien zum Problem der mangelnden Unterrichtsabdeckung?13 2. Verschärft wird die Frage nach der Unterrichtsabdeckung durch die zunehmende Selbständigkeit von beruflichen Schulen. Wie wird dort das Fach Religion gesichert? Konstatiert wird bundesweit eine Unterrichtsversorgung, die vor allem im Teilzeitbereich (duales System) weit unter 50 Prozent liegt.14 Zu bedenken ist dabei auch, dass für manche Schulleitungen der BRU nicht nur »aufgrund der Gruppenbildungen in einem konfessionellen Unterricht«15 schwierig zu organisieren ist. 3. Der BRU muss sich fragen lassen, wie er den gestiegenen Anforderungen an Unterrichtsqualität und didaktischer Strukturierung, wie sie spätestens seit PISA auch auf die beruflichen Schulen zugekommen sind, gerecht wird.

2. Kirchen und Religionsgemeinschaften Die beiden christlichen Kirchen unterstützen den BRU in den Bundesländern durch Personal,16 auch über die staatlich refinanzierten Anteile hinaus, durch Qualifizierungssysteme für BRU-Lehrkräfte, durch Fortbildungsangebote insbesondere der pädagogischen bzw. katechetischen Institute und durch Führungs- und Multiplikatorenpersonal, das in der Regel eng zusammenarbeitet mit den Organisationsbehörden der Länder, etwa bei der Bildungsplanarbeit oder bei Fortbildungen. Die Errichtung der drei Institute für berufsorientierte Religionspädagogik seit 2002 (siehe unten Abschnitt I.3.6.) verdankt sich auch Impulsen der Kirchen, die zudem zu ihrer Regelfinanzierung beitragen. Daneben kann man pädagogische und bildungspolitische Verlautbarungen zum BRU von kirchlicher Seite nennen, die das Bild der Kirche vom Religionsunterricht 13 Die Erfassung der Unterrichtsabdeckung ist uneinheitlich strukturiert und steht nicht im Vordergrund statistischer Erhebungen. Dennoch ein Beispiel für die Unterversorgung an BRU: Nur 75 Prozent des Religionsunterrichts an Beruflichen Schulen in Baden-Württemberg wurde 2012 erteilt (Klaus Lorenz: Die Integrationsfrage aus der Perspektive der Schulverwaltung, in: Albrecht Biesinger/Friedrich Schweitzer/Matthias Gronover/Joachim Ruopp: Integration durch religiöse Bildung, 2012, 217–227; hier: 220). 14 Matthias Otte: EKD-Arbeitskreis zum Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, ZPT 65 (2013), 283. 15 Andreas Schelten: Die Bedeutung des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen, in: Die berufsbildende Schule 59/2007, 309 f; hier: 309. 16 Zahlen zu Lehrkräften und Schülerinnen und Schüler finden sich bei Marc Fachinger: »Sie sind doch schon fest intrigiert!« Katholische Berufsschulreligionslehrer in Lehr-Lernprozessen. Eine Spurensuche nach ihrem Selbstverständnis (Religion und berufliche Bildung 8), Münster 2015, 116–138.

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an beruflichen Schulen widerspiegeln und Erwartungen an ihn formulieren bzw. Entwicklungsperspektiven aufzeigen. Ausdrücklich zeigt sich das Interesse der Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Mitgestaltung der Lehrpläne für den BRU. Auf katholischer Seite gibt es in fast allen 27 deutschen Diözesen Referentinnen oder Referenten für berufliche Schulen, die in unterschiedlicher Weise und Stellenumfang mit Aufgaben der Personalführung, Unterrichtsversorgung, Dienstund Fachaufsicht, Prüfungen und Lobbyarbeit betraut sind. Die Fortbildungsarbeit zum BRU wird meistens dezentral organisiert. Oft übernehmen regionale Arbeitsgruppen von Religionslehrkräften diese Aufgabe in Zusammenarbeit mit Berufsschulreferenten oder religionspädagogischen Arbeitsstellen, Abteilungen oder Ämtern. Schwerpunkte werden unterschiedlich gesetzt. Die Frage von Schulpastoral an beruflichen Schulen nimmt dabei eine wichtige Rolle ein. Von Seiten der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) ist ein Bischof für schulische Belange zuständig, der sich – wie derzeit der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker – auch für den BRU einzusetzen hat. Die kirchliche Begleitung von Lehramtsstudierenden wird durch diözesane Mentorate an den Hochschulen gewährleistet. Weiterbildungskurse für das Lehramt katholische Religion an Beruflichen Schulen existieren in verschiedenartiger Weise. In der schulischen Ausbildung künftiger Seelsorgerinnen und Seelsorger hat in den einzelnen Diözesen die berufsorientierte Religionspädagogik ein unterschiedliches Gewicht. Auf evangelischer Seite sind nur wenige Vollzeitstellen für die beruflichen Schulen in den Schulreferaten vorgesehen. Die evangelischen Landeskirchen unterhalten dagegen fast flächendeckend religionspädagogische Institute mit Berufsschulfachlichkeit für die klassischen Aufgaben Fortbildung und Bildungsplanarbeit, allerdings ist das Feld BRU nur selten die alleinige Aufgabe der Studienleitenden. Das gilt, obwohl der Veränderungsdruck auch auf den BRU in vielen Ländern durch die Einführung kompetenzorientierter Bildungspläne unverändert hoch ist. Die evangelischen Kolleginnen und Kollegen sind in einer eigenen Fachgruppe bundesweit zusammengeschlossen, der sog. ALPIKA-BRU17. Außerdem ist für die EKD die evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft, das Comenius-Institut in Münster, zu nennen, das auch einen Aufgabenbereich Religionspädagogik/Religionsunterricht unterhält. Mehrere Landeskirchen bemühen sich in den vergangenen Jahren vermehrt um eine kirchliche Begleitung von Lehramtsstudierenden. Im Hintergrund steht eine Qualitätssteigerung in der Nachwuchsgewinnung, aber auch eine Kompen17 Arbeitsgemeinschaft der Leiterinnen und Leiter der Pädagogischen Institute und Katechetischen Ämter.

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sation von als unbefriedigend empfundener kirchlicher Sozialisation der aktuellen Studierendengeneration. Die katholische Kirche begleitet den BRU seit Jahrzehnten durch eigene Reflexions- und Programmschriften. Im Jahr 1991 hatte die DBK mit der Schrift Zum Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen18 erstmals ausdrücklich die Beruflichen Schulen in den Blick genommen. Die Bedeutsamkeit der beruflichen Schulbildung und der Aspekt einer ganzheitlichen Berufsbildung werden hier hervorgehoben. Eine stärkere Förderung von BRU ist deshalb notwendig, weil er den Auszubildenden helfe, die Frage nach der Welt und Gott zu stellen und so sein Leben verantwortlich zu gestalten19. Dabei beruft sich der Text auf die christliche Perspektive eines »Daseins für andere«20. Die Aufgaben des BRU werden so zusammengefasst: Stabilisierung der Persönlichkeit, Entwicklung einer ethischen Handlungskompetenz, Vermittlung von Schlüsselqualifikationen und Tugenden wie Ich-Stärke, Kommunikationsfähigkeit, Toleranz, Verantwortungsbewusstsein. Zugleich werden auch die Schwierigkeiten benannt, denen sich der BRU ausgesetzt sieht, wie z. B. einer Orientierung an Pragmatismus und Nützlichkeit.21 Zehn Jahre später, 2001, wurde der Grundlagenplan für den katholischen Religionsunterricht an Berufsschulen von der DBK herausgegeben.22 Der Grundlagenplan knüpft an den von der Kultusministerkonferenz vorgegebenen Begriff der beruflichen Handlungskompetenz an, setzt aber eigene Akzente. Der katholische BRU sieht in sich ein kritisches Potenzial, das private, berufliche und gesellschaftliche Leben der Auszubildenden und Berufsschülerinnen und -­ schüler verantwortungsbewusst und sinnvoll zu gestalten23. Letztlich, so der Grundlagen18 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Zum Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, 1991. 19 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (siehe Anm. 18), 14. 20 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (siehe Anm. 18), 11. 21 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (siehe Anm. 18), 9 f. 22 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz: Grundlagenplan für den katholischen Religionsunterricht an Berufsschulen, 2001. 23 Das KIBOR hat hier anknüpfend einen Begriff religiöser Kompetenz für den BRU entwickelt als »Bereitschaft, den Willen und die Fähigkeit, in Anforderungssituationen beruflicher, gesellschaftlicher und privater Lebensbereiche das eigene Handeln sachgemäß sowie individuell und sozial verantwortlich zu gestalten und dabei die Reich-Gottes-Botschaft Jesu als kritisches Potenzial und als Hoffnungsansage einzubringen« (Albrecht Biesinger/Aggi Kemmler/Jochen Schmidt: Religiöse Kompetenz – ein Definitionsangebot für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, in: Albrecht Biesinger/Johannes Gather/Matthias Gronover/Aggi Kemmler (Hg.): Kompetenzorientierung im Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik 5), Münster 2014, 19–26, hier: 21).

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plan, sei der BRU »darauf ausgerichtet, dass ein Mensch glauben kann«24, was freilich außerhalb didaktischer Operationalisierung liege. Auf der Ebene der EKD konnte man seit 2007 aufbruchartige Entwicklungen beobachten. Ein breit angelegter Konsultationsprozess mit dem Titel »Eine Stimme für den BRU« hat verschiedene Landeskirchen, Professionen und Institutionen informell zusammengebracht. Hier wurden Monita im Blick auf den BRU benannt und Entwicklungsperspektiven aufgezeigt. Mehrere Impulse sind aus dem Prozess erwachsen. Die beiden evangelischen Institute für berufsorientierte Religionspädagogik tragen das Anliegen des bundesweiten, ökumenischen BRU-Kongresses mit, der schon zweimal, 2012 und 2015, stattgefunden hat. Unter www.bru-portal.de konnte eine Website installiert werden, die zahlreiche Akteure und Institutionen miteinander vernetzt. Mit der Errichtung eines Arbeitskreises Berufsschulreligionsunterricht (AK BRU) konnte auf EKD-Ebene ein Arbeitsgremium mit Vertretern von pädagogischen Instituten, Hochschulen, Instituten für berufsorientierte Religionspädagogik, Landeskirchen und Verbänden ­installiert werden, das ein Grundlagenpapier zum BRU erarbeitet25, in dem dessen besondere Anliegen im dualen System berücksichtigt sein sollen. Auch in der zuletzt erschienenen EKD-Denkschrift zum Religionsunterricht Religiöse Orientierung gewinnen26 (2014) wird der BRU mehrfach in verschiedenen Zusammenhängen erwähnt (kooperativer RU mit Teilnahme von muslimischen Schülerinnen und Schüler auf freiwilliger Basis [86], besondere, fächerübergreifende-interdisziplinäre Themen [89], Notwendigkeit besonderer Erfordernisse im Blick auf konfessionelle Kooperationen [99]). Man kann durchaus erwägen, dass die Exotenrolle des BRU nicht nur nachteilig sein muss, sondern er im Blick auf religiöse Heterogenität eine Vorreiterrolle religionsdidaktischer Erfahrungsräume innehat. Andererseits gilt auch, dass der BRU insgesamt vor der Aufgabe steht, sein christliches Profil zu schärfen und seinen Beitrag zur Schulkultur, zur beruflichen Handlungsfähigkeit und zur Persönlichkeitsbildung didaktisch auszuweisen, kurz: sich die Frage der Unterrichtsqualität zu stellen.27 24 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (s. oben Anm. 24), 25. 25 Matthias Otte: EKD-Arbeitskreis zum Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, ZPT 65 (2013), 283–288. Bislang (2017) ist der Text noch nicht erschienen. 26 Kirchenamt der EKD (Hg.): Religiöse Orientierung gewinnen. Evangelischer Religionsunterricht als Beitrag zu einer pluralitätsfähigen Schule, Hannover 2014. 27 Vgl. Friedrich Schweitzer: Aufgaben und Perspektiven einer Berufsorientierten Religionspädagogik, in: BRU-Magazin 50/2009, 39–43; hier: »In der Sache hinzuzufügen ist allerdings, dass der BRU faktisch häufig Impulsgeber für die gesamte Religionspädagogik gewesen ist« (40). Vgl. insgesamt Joachim Ruopp/Friedrich Schweitzer: Die Zukunft des BRU und der BRU der Zukunft, in: Albrecht Biesinger/Matthias Gronover/Michael Meyer-Blanck/Andreas Ober-

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Die Kirchen bleiben das bedeutendste Unterstützungssystem für den BRU, auch bei den anstehenden Herausforderungen. Trotz positiver Verlautbarungen von Bistums- und Kirchenleitungen scheint es jedoch weiterhin eine innere Fremdheit, Unwissenheit und Distanz zum BRU und zur Beruflichen Schule zu geben. Im Bereich katholischer Kirchenleitungen wird diese Fremdheit und Unwissenheit in Einschätzungen von Beruflichen Schulen als »Schule für Metzger und Maurer«28 deutlich. Insgesamt gesehen bleibt der BRU als ein kirchliches Feld ebenso wie sein ihn umgebendes System Berufliche Schule eine »vergessene Majorität«29. Für die Zukunft ist offen, wie die Problemlagen sich weiterentwickeln. Eine zu diskutierende Frage ist, ob mit den mangelnden personellen Ressourcen so umgegangen werden soll, dass gezielte Schwerpunkte, etwa schulartenbezogen, gesetzt werden, und anderes bewusst sein gelassen wird. Faktisch ist dies derzeit so, z. B. im Blick auf die Berücksichtigung der Fachschulen für Sozialwesen/ Sozialpädagogik. Hier haben die Kirchen ein eigenes Interesse an Nachwuchspersonal, das religiösen Fragen gegenüber aufgeschlossen ist. Große Anstrengungen werden nötig sein in der Frage der Nachwuchsakquirierung. Evangelischerseits ist zu erwarten, dass die Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer, die im BRU subsidiär unterstützen, kleiner werden wird. Es ist mehr als fraglich, ob dies durch Lehramtsabsolventinnen und -absolventen aufgefangen werden kann. Es bleibt abzuwarten, ob in all diesen Prozessen das Bewusstsein seitens der Kirchenleitungen für ein stärkeres Gewicht des BRU tatsächlich nachhaltig verändert worden ist oder wird. Viele befürchten, dass in Zeiten nachlassender Ressourcen der BRU ein Feld der Einsparungen werden könnte. Im Blick auf die didaktische Profilierung und den Ausbau konfessioneller Kooperationen kann man positiver gestimmt sein, weil die nötigen Ressourcen hier eine geringere Rolle spielen und weil die Frage der konfessionellen Kooperation eine Frage für den Religionsunterricht insgesamt, nicht nur für den BRU, geworden ist. Im Blick auf jüdischen, christlich-orthodoxen und islamischen Religionsunterricht und die darauf bezogenen Religionsgemeinschaften gilt bislang: Bis mann/Joachim Ruopp/Friedrich Schweitzer: Gott – Bildung – Arbeit. Zukunft des Berufsschulreligionsunterrichts (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik 4), Münster 2013, 33–46. 28 Vgl. C.Finzer: Die religiösen Fragen des Metzgers, in: rabs 1/2012, 29; Fachinger: »Sie sind doch …« 2015 (s. oben Anm. 14), 182. 29 Die Formulierung folgt einem Titel aus dem Jahr 1970: Wolfgang Dietrich Winterhager: Lehrlinge, die vergessene Majorität, 1970, und wurde prominent aufgenommen von Thomas Klie: Religionsunterricht in der Berufsschule: Verheißung vergegenwärtigen. Eine didaktisch-theologische Grundlegung, Leipzig 2000.

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in die Berufsschule reichen diese Religionsunterrichte kaum oder gar nicht. Am ehesten ist für den islamischen RU in Nordrhein-Westfalen mit Änderungen zu rechnen; in Niedersachsen werden 2017 neue Studiengänge für das Lehramt Islamische Religion an beruflichen Schulen aufgenommen.30

3. Duale Partner: Betriebe, Kammern und Gewerkschaften Die Frage, was denn der BRU etwa mit handwerklicher oder kaufmännischer Tätigkeit zu tun habe, wird von Seiten der Betriebe oder Innungen immer wieder gestellt und besitzt scheinbar intuitive Plausibilität. Regelmäßig wiederkehrende Debatten aus Wirtschaft und Politik fordern, dass die Berufsschule »sich auf die spezifische Berufsausbildung zu konzentrieren«31 habe und stellen die allgemeinbildenden Fächer zugunsten längerer Arbeitszeiten im Betrieb in Frage. Besonders befeuert werden solche Debatten durch Unterrichtsversorgungsdefizite im berufsbezogenen Unterricht. An selbständigen beruflichen Schulen werden von Seiten der Kammern und Innungen immer wieder Versuche unternommen, »Religionsunterricht gegenüber Fachunterricht zu schwächen bzw. abzuschaffen«32. Die Begründungsmuster für einen Verzicht auf den BRU sind beispielsweise derart, dass der Religionsunterricht dem Bereich des Privaten zugewiesen wird. Auch die Forderung, lebensnaher BRU dürfe nicht »auf kirchliche Rekrutierung ausgerichtet«33 sein, legt nahe, dass der BRU häufig verzerrt wahrgenommen wird. Wie kommt das? »Die Vorurteile […] hängen weitgehend damit zusammen, dass Ziele, Inhalte und Probleme des Fachs auf Seiten des dualen Partners kaum 30 An einzelnen Standorten in Nordrhein-Westfalen gibt es griechisch-orthodoxen BRU. Zum Wintersemester 2017/2018 werden an der Universität Osnabrück »Islamische Religion« für den Bachelorstudiengang »Berufliche Bildung« sowie für den Masterstudiengang »Lehramt an berufsbildenden Schulen« angeboten. Vgl. insgesamt Michael Meyer-Blanck/Andreas Obermann: BRU in der Pluralität – Zur Konfessionalität des BRU angesichts des Islamischen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen, in: ZPT 65 (2013), 207–217; außerdem Simone Hiller: Islamischer Religionsunterricht an Berufsschulen? Wünschenswert, aber kein Modell der nahen Zukunft, in: rabs 4/2013, 26–29. 31 Andreas Obermann: Schleiermacher pädagogisch reloaded – oder warum der Religionsunterricht an Berufsschulen unentbehrlich ist, in: Helmut Goebel/Andreas Obermann: Unterwegs in Sachen Religion. Festschrift Dieter Boge (Religion und berufliche Bildung 1), Münster 2006, 45. 32 Christian Schulte/Ulrich Kawalle: Auf schmalem Grat. Religionsunterricht an der selbständig werdenden berufsbildenden Schule, in: Joachim Schmidt/Maria Holzapfel-Knoll (Hg.): Kompetente Schüler – kompetente Lehrer. Kompetenzen und Bildungsstandards im Religionsunterricht. Norderstedt 2007, 58–62, hier 58. 33 Saskia Hütte/Norbert Mette/Rainer Middelberg/Sonja Pahl: Religion im Klassenverband unterrichten, Münster 2003, 180.

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bekannt sind.«34 Man kann annehmen, dass auch Übertragungen aus der eigenen Schul- und Lehrzeit stattfinden und die religionsdidaktische Entwicklung des BRU der vergangenen Jahrzehnte ungenügend wahrgenommen wird. Andererseits darf man daraus schließen: Ausbildungsbetriebe und Kammern entwickeln dann Erwartungen an den BRU, wenn sie sich darunter etwas vorstellen und klischeehafte Vorstellungen von BRU korrigieren können35. Die duale Partnerschaft in der Berufsausbildung hat rechtlichen Doppelcharakter: die Ausbildung in der Berufsschule unterliegt dem öffentlichen Recht, während die Ausbildung im Betrieb durch einen zivilrechtlichen Arbeitsvertrag geregelt wird. Der Mitgestaltungswille auf die Ausbildungsinhalte der Berufsschule von Seiten der Ausbildungsbetriebe ist also in gewisser Weise nachvollziehbar. Die Stichworte, unter denen nach Verständigung bezüglich des BRU gesucht wird, sind Wertebildung, social skills sowie interkulturelles Lernen. So wird einmal aufgrund der Wahrnehmung defizitären Sozialverhaltens ein Beitrag des BRU zur Wertebildung eingeklagt.36 Schon seit Jahren werden in einzelnen Regionaloder Landesverbänden der IHK Erwartungen an Schulabgänger benannt. Hier finden sich gerade bei den erwarteten persönlichen oder sozialen, aber auch fachlichen Kompetenzen viele Anknüpfungspunkte zum BRU, insbesondere auf der Ebene von Sozialverhalten, Persönlichkeitsbildung (Einstellungen) und interkulturell-interreligiöser Kompetenzen.37 Die Stimme eines Unternehmers formuliert exemplarisch, die Aufgabe des BRU sei, »persönlichen Lebenssinn in den widersprüchlichsten und verfänglichsten Lebensumständen zu finden, sich nicht aufzugeben, Toleranz zu lernen«38. 34 Hermann-Josef Stratomeier: Religionsunterricht an der Berufsschule – im Spiegel seiner Lehrplanentwicklung (Religion und berufliche Bildung 8), Münster 2009, 47. 35 Eine Überblicksdarstellung findet sich bei Fachinger: »Sie sind doch …« 2015 (s. oben Anm. 16), 199–209. 36 Zur Diskussion vgl. Stratomeier: Religionsunterricht 2009 (s. oben Anm. 34), 330 sowie Friedrich Schweitzer: Was bedeutet Wertebildung im BRU? In: Friedrich Schweitzer/Joachim Ruopp/ Georg Wagensommer: Wertebildung im Religionsunterricht. Eine empirische Untersuchung im berufsbildenden Bereich (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik 2), Münster 2012, 11–31. 37 Exemplarisch der Flyer »Was wünschen sich Unternehmen von Schulabgängern?«: https://www. karlsruhe.ihk.de/blob/kaihk24/produktmarken/Ausbildung_und_Weiterbildung/Wirtschaft_ macht_Schule/fallback1433496756627/2472906/3d8cd8d51e0c3daedba17875401a0f2c/8654_ IHK_Tag_Schuelerbroschuere-data.pdf – Man wird die Überschrift auch so lesen dürfen, dass Bildungsbedürfnisse für berufsschulische Bildungsgänge beschrieben werden. 38 H. Nußbaum: Religionsunterricht in der Berufsschule, in: Dirk Oesselmann/Peter Cleiß/Th. Schalla/Wilhelm Schwendemann: Entwicklungen und Herausforderungen im Schnittbereich von Jugendarbeit und beruflicher Schule. Münster 2011, 89–94, hier 94.

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Im Jahre 2010 hat Isa Breitmaier in einer empirischen Untersuchung39 ausdrücklich die Perspektive von Ausbildungsbetrieben erfragt. Das Spektrum der Thematiken ist breitgefächert, von zwischenmenschlichen Beziehungen bis zu kulturpolitischen Einstellungen.40 Die Vermittlung moralischer Werte und eine Fokussierung auf Ethik hat eine hohe Priorität in der Erwartungshaltung.41 Zugleich ging diese werteorientierte Erwartung bei allen Ausbildern mit der Ablehnung eines konfessionsbezogenen Unterrichts einher.42 Ein Hauptanliegen war etwa »die Verständigung zwischen den Religionen voranzubringen«, um dann beispielsweise auch »ein friedliches Miteinander in der Belegschaft«43 zu ermöglichen. In welchen Kontexten und Formaten finden der Dialog und die Verständigung über Ziele des BRU statt? Der Dialog zwischen Religion bzw. Kirche und Wirtschaft scheint auf lokaler Ebene – und diese ist dann meist die Ebene des Berufsschulreligionslehrers – aus schon benannten Gründen schwieriger zu führen zu sein als mit größeren Betrieben oder auf der Landes- oder Bundesebene. Große Interessenverbände, etwa IHK und BDA, werden zudem von Ausbildungsbetrieben, insbesondere kleineren, nicht zwingend als Interessenvertreter verstanden. Auf Landes- und Bundesebene gibt es einen Dialog von Kirchen, Kammern, Verbänden und Gewerkschaften und auch entsprechende Dokumente. 2012 fand die bayerische Erklärung zum Religionsunterricht an Berufsschulen, unterzeichnet u. a. von Vertretern des DGB, des Bayerischen Handwerkstages und der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft e. V.44, Aufnahme in der Öffentlichkeit. Diese Erklärung wurde für Hessen 2014 unter dem Titel Gemeinsame Erklärung zum Religionsunterricht an Berufsschulen in Hessen45 – in teils problematischer Weise46 – übernommen. Die fünf Abschnitte der bayerischen Erklärung lauten: »Kompetenzen fördern«, »Schülerinnen und Schüler stärken«, »Lebensmöglichkeiten eröffnen«, 39 Isa Breitmaier: Religionsunterricht in der Berufsschule aus der Perspektive von Ausbilderinnen und Ausbildern (Religion und berufliche Bildung 5), Münster 2010. 40 Breitmaier, Religionsunterricht (s oben Anm. 39), 156. 41 Breitmaier, Religionsunterricht (s oben Anm. 39), 157. 42 Breitmaier, Religionsunterricht (s oben Anm. 39), 201. 43 Breitmaier, Religionsunterricht (s oben Anm. 39), 161. 44 http://www.rpz-bayern.de/dld/Erklaerung_RU_Berufsschulen_1.pdf 45 http://www.ekhn.de/fileadmin/content/ekhn.de/bilder/pressemitteilungen/2014/Gemeinsame_ Erklaerung_zum_RU_Endfassung.pdf. 46 So ist die erwähnte Lernfelddidaktik in Hessen im recht verstandenen Sinn so gar nicht vorhanden. Es wird nicht deutlich, was »ökonomisch bedeutsame Schlüsselqualifikationen« sein sollen. Die versprochene Unterstützung »durch konkrete Maßnahmen vor Ort« wird nirgendwo konkret verankert. Insgesamt ist diese hessische Fassung nicht wie in Bayern in einem dialogischen Prozess entstanden.

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»Fachliche Bildung und Religionsunterricht ergänzen einander« sowie »Religionsunterricht als gemeinsames Anliegen«. Die Erklärung betont im Blick auf die Ziele des BRU etwa die Bedeutung von Verantwortungsübernahme, von Stärkung der Ressourcen der Schülerinnen und Schüler und die Bedeutung des Fragens nach Sinn im beruflichen, privaten und gesellschaftlichen Kontext beruflicher Kompetenzentwicklung. Der BRU wird als wesentlicher Bestandteil der beruflichen Bildung gesehen. Zudem werden »die weitere Ausdifferenzierung der Lebenskompetenz und des Lebenswissens«, eine »verantwortliche […] und schöpferische […] Lebensgestaltung« und die Förderung sozialer Kompetenzen im »respektvollen Umgang miteinander und Toleranz gegenüber anderen« als an den BRU gerichtete Ziele benannt47. Bei allen Erklärungen dieser Art muss diskutiert werden, ob der BRU dabei nicht funktionalisiert wird. Durch die Verknüpfung von religiöser Weltdeutung und individueller Sinnsuche mit den Aufgaben in Betrieb und Gesellschaft oder »gesellschaftlich und ökonomisch bedeutsame[n] Schlüsselqualifikationen«48 besteht die Gefahr, dass das Proprium eines profilierten BRU in den Hintergrund rückt. Andererseits ist es in der Diskussion wenig weiterführend, sich mit ausschließlichem Verweis auf religiöse Bildungsbedürfnisse der Frage nach der Nützlichkeit zu verweigern, oder sich gar schlicht auf gesetzliche Regelungen wie Artikel 7 GG zu berufen: Solche Argumentationen sind rückwärtsgewandt und weichen dem Dialog aus. Vielmehr sollte die Plausibilität religiöser Bildung auch an beruflichen Schulen mit schülerorientierten, anschaulichen, zeitgemäßen und konkreten Argumenten deutlich gemacht werden. Es wird darauf ankommen, den Dialog über den Sinn und die Bedeutung des BRU nicht nur auf der Ebene von Dialogpapieren, sondern auch konkret vor Ort zu führen, mit Kammern, Innungen, bei Ausbildertreffen und in Schulen. Inhaltlich kommt es darauf an, die Diskussion an berufspädagogische Fragen anzuschließen49 und Schule und Unterricht immer auch von den Bildungsbedürfnissen der Schülerinnen und Schüler her zu denken – und nicht allein von den qualifikatorischen Erwartungen der sog. »Abnehmerseite« her.

47 http://www.rpz-bayern.de/dld/Erklaerung_RU_Berufsschulen_1.pdf. 48 http://www.rpz-bayern.de/dld/Erklaerung_RU_Berufsschulen_1.pdf, 6. 49 Vgl. z. B. Andreas Schelten: Berufsbildung ist Allgemeinbildung – Allgemeinbildung ist Berufsbildung, in: Die berufsbildende Schule 57 (2005), 127–128.

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4. Berufsbildungspolitik in Europa Mit dem Vertrag über die europäische Union vom 7.2.1992 (»Maastricht-Vertrag«) rückt auch die Berufsbildungspolitik in einen gesamteuropäischen Horizont. In den Paragraphen 126 und 12750 des Vertrags werden allgemeine Ziele für Veränderungen im Bildungswesen formuliert, die mit den Stichworten Flexibilität, Mobilität und Kommunikation zusammengefasst werden können. Freilich stehen die Ziele unter dem Vorbehalt eines Subsidiaritätsprinzips (»unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für Inhalt und Gestaltung der beruflichen Bildung«; Art. 127) und tasten damit die nationalen Strukturen der beruflichen Bildung nicht an. Die Lissabon-Strategie der Europäischen Union aus dem Jahr 2000, erneuert im Jahr 2005, hat das Ziel, Europa zu einem der dynamischsten Wirtschaftsräume werden zu lassen. In diesen Kontext gehört die Kopenhagener Erklärung aus dem Jahr 2002, die in besonderem Maße Transparenz und Anerkennung von Qualifikationen sowie Qualitätssicherung in der Berufsbildung anvisiert. Daraus ist in der Folge insbesondere der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) entstanden, der die nationalen Qualifikationen untereinander in Beziehung setzen möchte. Mit der Aneignung dieses Rahmens für das deutsche Berufsbildungssystem (die Zuordnung von allgemeinbildenden Schulabschlüssen ist strittig) im sog. DQR (Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen) wird deutlich, dass auch bei Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips der Harmonisierungsdruck stärker werden kann.51 Für die Diskussion um den DQR sind zwei Fragen bedeutsam: Welche Berücksichtigung finden informelles und non-formales Lernen? Was jemand kann, wird nicht ausschließlich durch Zertifikate von Bildungseinrichtungen abgebildet. Die Bedeutung informellen Lernens ist zwar anerkannt, die Frage der Validierbarkeit solcher Lernprozesse jedoch nach wie vor offen. Im Blick auf den BRU stellt sich die dringende Frage nach der Weite des Bildungsverständnisses. In einer früheren Fassung des DQR wurden auf Religion und Ethos bezogene Kompetenzen bewusst außen vor gelassen, weil sie nicht adäquat zu erfassen seien.52 Hier hat sich durch den Verlauf der Diskussion und durch entsprechende Interventionen eine Änderung im DQR ergeben. Dort heißt es nun in der Einführung der Fassung vom 22.3.2011: 50 https://web.archive.org/web/20130517101102/http://eur-lex.europa.eu/de/treaties/dat/11992E/ tif/JOC_1992_224__1_DE_0001.pdf. 51 Überblick bei Andreas Schelten: Einführung in die Berufspädagogik, Stuttgart 42010, 116–142 sowie Alfred Riedl/Andreas Schelten: Grundbegriffe der Pädagogik und Didaktik beruflicher Bildung, Stuttgart 2013, 81–83. 52 Vgl. ALPIKA-BRU: Zwischenruf, in: BRU-Magazin 51/2010, 37.

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»Dem DQR liegt entsprechend dem deutschen Bildungsverständnis ein weiter Bildungsbegriff zugrunde, auch wenn sich der DQR wie der EQR ausdrücklich nur auf ausgewählte Merkmale konzentriert. Gleichwohl sind beispielsweise Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Ausdauer und Aufmerksamkeit, aber auch interkulturelle und interreligiöse Kompetenz, gelebte Toleranz und demokratische Verhaltensweisen sowie normative, ethische und religiöse Reflexivität konstitutiv für die Entwicklung von Handlungskompetenz.«53

Im Blick auf die weiteren Entwicklungen des Harmonisierungsbestrebens europäischer Berufsbildung wird man abwarten und dabei skeptisch sein müssen. Aus gesamteuropäischer Perspektive ist der konfessionelle Religionsunterricht nach Art.7 GG auch an beruflichen Schulen in Deutschland eine Sondererscheinung. Für den DQR wird man fragen müssen, ob sich die Erwähnung religiöser Reflexivität in der Einführung des DQR-Textes auch in Anwendungsprozessen des DQR (Bildungsplangestaltung, Niveauzuordnungen) niederschlägt – oder ob sie auf einer eher »lyrischen« Ebene bleibt, wie Vorworte und Einleitungen von Programmtexten häufig geprägt sind. Bislang weisen die Entfaltungen der personalen Kompetenzen in der DQR-Matrix nur die – freilich sehr formalen – Aspekte von Verantwortlichkeit und Kritikfähigkeit aus. Diese könnten zwar anschlussfähig sein an religionsbezogene Kompetenzen, sind es freilich nicht zwingend. Allerdings gilt auch, dass die offenen Flanken des DQR (Frage des informellen Lernens, Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung) noch große Fragen darstellen und der DQR in den Bildungsplanprozessen der Länder mit sehr unterschiedlicher Intensität rezipiert wird. Neben der Bedeutung religionsbezogener Kompetenzen wird man aus Perspektive religiöser Bildung besonderes Augenmerk legen auf dreierlei: (1) die zugrundeliegenden Bilder des Menschen (ist der Mensch als gebildete Persönlichkeit im Blick oder als eine über Qualifikationen verfügende Arbeitskraft, wie sie z. B. das Institut der deutschen Wirtschaft mit »Humankapital«54 benennt?)55; 53 www.dqr.de/media/content/Der_Deutsche_Qualifikationsrahmen_fue_lebenslanges_Lernen. pdf, 4. Peter Cleiß: Berufsverbot für Miroslav Klose – oder: Was EQR und DQR (nicht) leisten, in: BRU-Magazin 51/2010, 34–36 sowie ALPIKA-BRU: Zwischenruf, in: BRU-Magazin 51/2010, 37 sind Stationen der angesprochenen Interventionen. 54 Vgl. der Bildungsmonitor 2016 des Instituts der deutschen Wirtschaft (http://www.insm-bildungsmonitor.de/pdf/Forschungsbericht_BM_Langfassung.pdf), wo »humankapitaltheoretisch begründet« (181) von Humankapitalschwäche, Humankapitalpotenzial, Humankapitalbasis, Humankapitalniveau und Humankapitalbildung geredet wird. 55 Zum Zusammenhang von EQR/DQR mit der Entwicklung kompetenzorientierter Bildung vgl. besonders Andreas Obermann: Im Beruf Leben finden. Allgemeine Bildung in der Berufsbildung – didaktische Leitlinien für einen integrativen Bildungsbegriff im Berufsschulreligionsunterricht (ARP 55), Göttingen 2013, 60–64.

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(2) die gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung für berufliche Bildung und (3) die Berücksichtigung des Übergangssektors, soll heißen: die Anerkennung für Bildungsbenachteiligte.

5. Religionslehrerverbände Religionslehrerverbände verstehen sich als berufliche Interessensvertreter und arbeiten in anwaltschaftlicher Art und Weise. Sie stärken die Religionslehrkräfte, aber auch die Anliegen und die Bedeutung des Religionsunterrichts bzw. des BRU (Unverzichtbarkeit des Beitrags religiöser Bildung, Stundentafel, Unterrichtsversorgung, Bildungsplanarbeit, Fortbildungen, Zukunftsfähigkeit von Didaktik und Strukturen). Sie geben teils Zeitschriften und Unterrichtsentwürfe heraus, sie stehen im Dialog mit Kultusbehörden – und müssen hier keine Dienstwege einhalten – und Kirchenleitungen. Sie bieten durch Positionspapiere und durch Veranstaltungen Möglichkeiten zum Dialog und zur Meinungsbildung nach innen, und sie sind ggf. beteiligt an kirchlichen Gremien und schulbehördlichen Anhörungsverfahren. Ein wichtiges Anliegen ist ihnen auch, die Zukunft des Religionsunterrichts durch die Begleitung des Nachwuchses zu sichern. Die Landschaft der Religionslehrerverbände in Deutschland ist vielfältig und bunt. Ökumenische Religionslehrerverbände sind die Ausnahme56, auch wenn es auf Ausschussebene eine gute ökumenische Zusammenarbeit gibt. Kategorial unterscheiden muss man hier mindestens dreierlei Verbände: solche, die schulformübergreifend aktiv sind und die vor der Aufgabe stehen, auch den BRU in ihrer Arbeit in den Blick zu bekommen, und Verbände, die ausschließlich BRU-Kolleginnen und -Kollegen ansprechen und auf entsprechende Solidarisierung setzen, sowie schließlich Lehrerverbände, die Lehrerinnen und Lehrer aller Fächer ansprechen und Impulse zum Gespräch von Pädagogik und christlicher Religion setzen wollen57. Zahlen, wie viele Berufsschulreligionslehrerinnen und -lehrer verbandlich organisiert sind, liegen den einzelnen Verbänden vor. Insgesamt berichten Verbandsfunktionäre von nachlassender Bereitschaft zur Mitarbeit in Vorständen und schwieriger werdender Mitgliederbindung. 56 Der Aktionsausschuss Niedersächsischer Religionslehrerinnen und Religionslehrer ist eine solche Ausnahme, www.anr-online.de. 57 Auch Berufsschullehrerverbände können Sektionen mit dem Titel Religion einrichten, die öffentlich in Erscheinung treten, wie etwa der Verband der Lehrer an beruflichen Schulen in Bayern e. V. (VLB; http://www.vlb-bayern.de/index.php/verband) und die einschlägige Fachgruppe Religion.

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Die meisten evangelischen Religionslehrerverbände sind Mitglied in der AEED, der Arbeitsgemeinschaft evangelischer Erzieher in Deutschland e. V.58 Für den Bereich des BRU sind hier zwei Verbände und ggf. mit ihnen verbundene Themen und Dokumente aus jüngerer Zeit exemplarisch genannt: die Vereinigung Evangelischer Religionslehrkräfte an Berufsbildenden Schulen in Niedersachsen (VER) sowie der Verband evangelischer Religionslehrer an Berufsbildenden Schulen e. V. in Westfalen (VRB); dieser Verband hat im Jahr 2016 ein Eckpunkte-Papier zum Thema konfessioneller Kooperationen (Eckpunkte zur Umsetzung einer konfessionellen Kooperation im Religionsunterricht am Berufskolleg. Überlegungen zum konfessionell-kooperativen BRU59) vorgelegt, in dem das Regionalitätsprinzip, die Suche nach Unterrichtsqualität und die Bedeutung der Lehrkräfte stark gemacht werden. Auf katholischer Seite scheint der Organisationsgrad höher zu sein. Zwei Verbände seien hier herausgehoben: der Verband katholischer Religionslehrerinnen und Religionslehrer an Berufsbildenden Schulen (VKR); gegründet 1966, in sechs Landesverbänden (Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland) und Diözesangemeinschaften organisiert, mit bundesweit ca. 1300 Mitgliedern, von denen die meisten in Nordrhein-Westfalen leben. Der VKR verantwortet die Fachzeitschrift »rabs«, verleiht seit 2001 den Prälat-Vospohl-Förderpreis an die Verfasser von innovativen und praxisnahen Arbeiten zum katholischen BRU. Er hat sich 2002 maßgeblich für die Errichtung des (katholischen) Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik (seit 2008 KIBOR, zuvor Ibor) eingesetzt. Der mit etwa 9000 Mitgliedern sehr viel größere Deutsche Katecheten-Verein e. V. (dkv) ist ein Verband für religiöse Bildung insgesamt, unterhält aber satzungsgemäß Kontakt zu anderen christlichen Bekenntnissen und hat bis 2012 ein Berufsschulsymposion verantwortet. Eine besondere Rolle spielt die 1968 gegründete Gesellschaft für Religionspädagogik Villigst. Der eingetragene Verein fördert den evangelischen Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen durch Forschung, Tagungsarbeit und Veröffentlichungen, Schulbücher für den BRU (Herausforderungen, 1970; Freiräume, 1993), BRU-Handbücher und insbesondere durch das von ihm seit 1984 herausgegebene BRU-Magazin. Insgesamt scheint die Verbände sowohl auf evangelischer als auch auf katholischer Seite der Eindruck zu einen, dass die Erfahrungen von Berufsschulreligionslehrern im System Kirche zu wenig wahrgenommen werden. Das gilt ungeachtet 58 Unter http://www.aeed.de/mitgliedsverbaende/findet sich eine Übersicht mit Verlinkungen. 59 http://vrb-westfalen.de/rb/VRB_Eckpunkte_KonfessionelleKoop.pdf.

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BRU und Berufsbildende Schulen – systemische Aspekte

der Tatsache, dass Forderungen der Verbände, z. B. nach Fortbildungsarbeit, mittlerweile erfüllt sind. Wichtig wird der Dialog mit Schule und Gesellschaft, was die Plausibilität religiöser Bildung anbelangt. Entwicklungsaufgaben für die Zukunft sehen die Verbände etwa im Blick auf den Ausbau ökumenischer Kooperationen und auf die Weiterentwicklung einer pluralitätsfähigen Religionsdidaktik.

6. Rückschau: Dynamik der kooperativen Gestaltung des BRU und Herausforderungen für die Zukunft Religiöse Pluralität, Heterogenität und demographischer Wandel sind Herausforderungen für den BRU der Zukunft. 2015 gehörten 56 % der deutschen Bevölkerung als Mitglieder der evangelischen oder katholischen Kirche an. Längst haben sich die evangelischen und katholischen Religionsunterrichte im beruflichen Schulwesen darauf eingestellt. 1998 haben DBK (Deutsche Bischofskonferenz) und EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) in einer Erklärung zur Kooperation von Evangelischem und Katholischem Religionsunterricht neben den Sonderschulen vor allem die Berufsschulen genannt, in denen über die genannten Formen geordneter konfessioneller Kooperation hinausgegangen werden kann. Diese Empfehlungen waren damals schon weithin Realität. Auf der Ebene des Unterrichts besteht schon seit Jahrzehnten in zahlreichen Bundesländern die Praxis des Religionsunterrichts im Klassenverband, was auch Ausdruck der Zusammenarbeit der beiden konfessionellen Religionsunterrichte ist. Auf der Ebene der Schule ist die Schulseelsorge bzw. Schulpastoral und auch die schulnahe Jugendarbeit ein Bereich, in dem sich die konfessionelle Zusammenarbeit besonders nahelegt und weiterzuentwickeln ist. Auf der Ebene der Fortbildungen zum BRU ist an kooperativen Formen festzuhalten: Hier werden Qualitätskriterien für ökumenische Fortbildungsarbeit deutlich, wie etwa die wertschätzende Bewusstmachung konfessioneller Prägungen sowie das Achten auf gemeinsame Verantwortlichkeit auf allen Ebenen. Auf der Ebene der Kirchen und unterstützenden Strukturen ist eine Zukunftsaufgabe, konfessionellkooperative Profilierung auch bei der Bildungsplanarbeit zu stärken und das Gewicht der Lobbyarbeit für den BRU etwa bei Schulleitungstagungen und Gesprächskreisen zwischen Kirchen und Wirtschaft dadurch zu steigern, dass diese Lobbyarbeit ebenfalls konfessionell kooperierend vorgeht. Die jüngsten Erklärungen der EKD-Denkschrift Religiöse Orientierung gewinnen (2014) und der DBK Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts (2016) bieten dazu Möglichkeiten lokaler Ansätze.

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Auf der Ebene der Religionspädagogik waren es zuerst verbandlich organisierte Berufsschulreligionslehrer im VKR, die auf einen notwendigen Diskurs in der berufsorientierten Religionspädagogik hinwiesen und auf die Gründung eines entsprechenden Instituts drängten. Mit dem Entstehen der drei Hochschulinstitute für berufsorientierte Religionspädagogik (KIBOR 2002, EIBOR 2008 und bibor 2010) ist auch deren Kongressarbeit zu einem bundesweiten ökumenischen BRU-Forum geworden, nach den beiden Kongressen 2012 in Frankfurt-St. Georgen und 2015 in Mainz mit jeweils mehreren Hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der ganzen Republik. Die Kongresse beleuchten aktuelle religionsdidaktische und bildungspolitische Fragen mit einem Fokus auf die empirische Beforschung des BRU. Auf wissenschaftlicher Ebene zu nennen sind auch die alle zwei Jahre stattfindenden Hochschultage für berufliche Bildung mit der (ökumenisch verantworteten) »Fachtagung Religion«, die ebenso einen Dialog mit der Berufspädagogik darstellt. Schließlich ist die Gewinnung von Nachwuchs an Lehrerinnen und Lehrern für den BRU auf allen Ebenen – der Länder an ihren Hochschulen, aber auch der Kirchen durch ihre Hochschulen, ihre kirchlichen Lehrkräfte und andere Zugangsmöglichkeiten – eine entscheidende Zukunftsaufgabe zur Sicherung des BRU. Häufig sind die Absolventenzahlen entsprechender Lehramtsstudiengänge klein. Wo diese sowohl für das allgemeinbildende als auch das berufsbildende Schulwesen qualifizieren, wird die fachdidaktische Berücksichtigung beruflicher Bildung in Forschung und Lehre förderlich sein. Zunehmender gesellschaftlicher Pluralismus, kleiner werdende Lerngruppen, positive ökumenische Erfahrungen, die Möglichkeit des Bündelns von Kräften: Eigentlich spricht alles dafür, kooperative Gestaltungsformen und Lernorte zwischen evangelischem und katholischem Berufsschulreligionsunterricht deutlich auszubauen. Auch die Chancen dürften im Vergleich zur Suche nach Kooperation mit den ethisch-philosophischen Wahlpflicht- oder Ersatzfächern oder nach Kooperation mit islamischen Religionsunterrichten ungleich höher sein, schon allein wegen der Ähnlichkeiten der Strukturen des evangelischen und katholischen Berufsschulreligionsunterrichts. Der wichtigste Grund für jede ökumenische Kooperation liegt aber sicher im Selbstverständnis der Konfessionen. Im beharrlichen Verweis auf das Recht und die Notwendigkeit von Religion und im Widerspruch gegen scheinbar machtvolle Entwicklungen in der Ökonomie, die nämlich Geschöpfe nicht als Menschen, sondern als Humankapital wahrnehmen möchte, wissen sich evangelischer und katholischer Berufsschulreligionsunterricht geeint.

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BRU und Berufsbildende Schulen – systemische Aspekte

Weiterführende Literatur Burkhard Kämper/Klaus Pfeffer (Hg.): Religionsunterricht in der religiös pluralen Gesellschaft. Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche (49), Münster 2016 Bülent Ucar/Martina Blasberg-Kuhnke/Arnulf von Scheliha (Hg.): Religionen in der Schule und die Bedeutung des Islamischen Religionsunterrichts, Göttingen 2010 Martin Rothgangel/Bernd Schröder (Hg.): Evangelischer Religionsunterricht in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Empirische Daten – Kontexte – Entwicklungen, Leipzig 2009 Karin Büchter/Peter Dehnbostel/Georg Hanf (Hg.): Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR). Ein Konzept zur Erhöhung von Durchlässigkeit und Chancengleichheit im Bildungssystem?, Bonn 2012 Marc Fachinger: »Sie sind doch schon fest intrigiert!« Katholische Berufsschulreligionslehrer in Lehr-Lernprozessen. Eine Spurensuche nach ihrem Selbstverständnis (Religion und berufliche Bildung 8), Münster 2015

I.4 Berufsbildende Schulen und BRU in anderen europäischen Ländern

Roland Biewald

1. Überblick Gleich vorweg: Berufsschulreligionsunterricht (BRU) ist in europäischen Ländern ein seltenes Gewächs. Das macht ihn natürlich kostbar, aber dieser Umstand verweist auch auf ein Problem: Religiöse Bildung wird vielerorts nicht als Thema oder Aufgabe der beruflichen Bildung gesehen. Ein Grund dafür ist die Marginalität religiöser Bildung überhaupt. Das gilt im Wesentlichen für die osteuropäischen Staaten, in denen vor der Demokratisierung in den 1990er Jahren Religion aus den öffentlichen Schulsystemen weitgehend verbannt war. Ein anderer Grund ist die – im Vergleich zu Deutschland – wesentlich geringere Gewichtung der Allgemeinbildung innerhalb der beruflichen Bildung. Das gilt für viele west- und nordeuropäische Staaten. Der folgende Überblick über den BRU und andere Formen religiöser Bildung in europäischen Staaten wird das Bild eines Insel­ daseins vermitteln. Für die Darstellung wurde überwiegend auf Informationen aus der Intereuropean Commission on Church and School (ICCS)1 zurückgegriffen. Diese seit 1958 existierende Organisation arbeitet kontinuierlich an einem Gedankenaustausch und an der Entwicklung von gemeinsamen Perspektiven für religiöse Bildung in Europa. Kirchliche und staatliche Bildungsverantwortung werden von ihr gleichermaßen thematisiert. Die ICCS ist Mitbegründerin eines Verbandes von Partnerorganisationen, die sich ebenfalls mit Fragen der religiösen Bildung auf europäischer Ebene befassen, der Coordinating Group for Religion in Education in Europe (CoGREE).2 1 Näheres: http://www.iccsweb.org. Seit 1986 ist die ICCS eine Nichtregierungs-Organisation (NGO), hat Beraterstatus beim Europarat und ist Mitglied der Gruppe »Bildung« der NGO »Liaison Committee« des Rates. 2 Näheres: http://www.cogree.com.

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BRU und Berufsbildende Schulen – systemische Aspekte

Neben Veröffentlichungen der ICCS und anderer CoGREE-Partner wurde vom Autor 2016 eine Befragung der ICCS-Korrespondenten in den Mitgliedsländern durchgeführt, um die Informationen zum Stand des BRU zu aktualisieren. Die folgende tabellarische Übersicht fasst zunächst grundlegende Daten zum Religionsunterricht (RU) in den erfassten Ländern3 Europas mit einem Vermerk zum BRU zusammen. Erfasst wurden staatliche Regelungen, die für staatliche Schulen verbindlich sind. Private Schulen können je nach Trägerschaft hinsichtlich des Angebotes von (B)RU davon abweichen. Wenn Prozentzahlen zur Konfession angegeben sind, beziehen sich diese auf den Anteil in der Gesamtbevölkerung, nicht auf die Schülerschaft. Land

RU als Schulfach

BRU

Belgien (flämischer Teil)

reguläres Unterrichtsfach, konfessionell (ca. 75 % Katholische)

reguläres Unterrichtsfach, konfessionell

Bulgarien

reguläres Unterrichtsfach, konfessionell (ca. 85 % Orthodoxe)

nein

Dänemark

nichtkonfessioneller, vorwiegend religionskundlicher Unterricht von der ev.-luth. Kirche mitverantwortet (ca. 83 % Evangelische); Bezeichnung »Kristendomskundskab«

nicht generell, die Lehrpläne werden von den Schulen individuell ausgestaltet

Deutschland

reguläres Unterrichtsfach, konfessionell; in vielen Bundesländern auch konfessionellkooperativ möglich. Alternativfach je nach Bundesland Ethik/Philosophie/Werte und Normen

BRU ist reguläres Unterrichtsfach an staatlichen beruflichen Schulen. Ausnahmen in manchen Schulformen je nach Bundesland. Grundsätzlich konfessionell, aber auch konfessionell-kooperativ oder aus praktischen Gründen konfessionsverbindend

Estland

optionales Fach ohne Alternativfach, nichtkonfessionell

kein Unterrichtsfach, z. T. Thema Weltreligionen in den Lehrplänen; Bemühungen von Religionspädagogen und der Ev. Kirche, Anteile religiöser Bildung an berufsbildenden Schulen (BBS) zu verorten

3

Die Liste der Länder folgt der ICCS-Veröffentlichung von Elza Kuyk/Roger Jensen/David Lankshear/Elisabeth Löh Manna/Peter Schreiner (Eds.): Religious Education in Europe. Situation and current trends in schools, Oslo/Münster 2007. Aktualisierungen wurden aufgrund eigener Recherchen eingetragen. Das betrifft durchweg die Spalte zum BRU, weil dieser in der genannten Publikation nicht berücksichtigt wurde.

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Berufsbildende Schulen und BRU in anderen europäischen Ländern

Land

RU als Schulfach

BRU

Finnland

reguläres Unterrichtsfach; elf konfessionelle Lehrpläne (ca. 84 % Lutheraner); Alternativfach Ethik für nichtkonfessionelle Schüler

nein

Frankreich

kein RU an staatlichen Schulen (Laizismus); Ausnahme: Département Alsace-Moselle, dort gilt noch die Regelung von vor 1918, dass RU an öffentlichen Schulen ein Unterrichtsfach ist (Alternativfach »instruction civique«)

nein

Georgien

religionskundliches Fach »Religion und Kultur« in den Klassen 3–7, »Mythologie« in Klasse 8; orthodox geprägt (ca. 84 % Orthodoxe)

nein

Griechenland

reguläres Unterrichtsfach, konfessionell (ca. 98 % Orthodoxe)

reguläres Unterrichtsfach in den ersten beiden Jahren, konfessionell

Großbritannien

England und Wales »Religious Education« (RE) seit 1944 obligatorisch in allen staatlichen Schulen; Lehrpläne regional, ausgehend von einem nationalen Curriculum verfasst; neben der Church of England auch weitere Religionsgemeinschaften beteiligt; überkonfessioneller Ansatz, dennoch Abmelderecht der Schüler Schottland nichtkonfessioneller RU; in Primarschulen: »Religious and Moral Education«, in Sekundarschulen auch: »Religious Studies« oder »Religious, Moral and Philosophical Studies« Nordirland »Religious Education« verpflichtend in allen allgemeinbildenden Schulen mit einem gemeinsamen Lehrplan (»Core Syllabus for R. E.«); an katholischen Schulen konfessioneller RU (»Religion«).

nur in wenigen Schulen mit angeschlossener Berufsausbildung, ansonsten Themen der Religion(en) im Curriculum integriert

Irland

Reguläres Unterrichtsfach an Grund- und Sekundarschulen unter Beteiligung der Religionsgemeinschaften (ca. 88 % Katholische); Ausnahme: »Educated Together (primary) Schools«, dort werden Kurse in Ethik angeboten und Eltern können selbst RU außerhalb der Stundentafel organisieren.

nein

Island

reguläres Fach »Christentum, andere Religionen und ethische Bildung«

nein

122

BRU und Berufsbildende Schulen – systemische Aspekte

Land

RU als Schulfach

BRU

Italien

katholischer RU (»Insegnamento della Religione Cattolica«) in der Stundentafel angeboten, Teilnahme jedoch grundsätzlich freiwillig; ein Alternativangebot gibt es nur an wenigen Schulen; die (ev.) Minderheitskirchen verzichten auf RU

BRU nur an nationalen beruflichen Schulen (»Istituti Professionali«) und an privaten Einrichtungen, z. B. in Trägerschaft der katholischen Kirche, nicht an regionalen Berufsschulen (»Formazione professionale regionale«); Lehrpläne für die nationalen Schulen sind vorhanden

Lettland

Wahlmöglichkeit zwischen Religion und Ethik, Fach »Christlicher Glaube« in der Grundschule, »Geschichte der Religionen« in den Sekundarschulen unter Beteiligung der christlichen Kirchen durch kirchliche Lehrkräfte

nein

Litauen

Fach Ethik ist in Klasse 1–12 verpflichtend, es kann aber durch (kath.) RU ersetzt werden (ca. 79 % Katholiken)

nein

Niederlande

im Primarbereich (4–12-Jährige) freiwillige Teilnahme am RU; im Sekundarbereich unterschiedliche Formen, auch »Weltanschauungen«; die Inhalte des RU und die Mitgestaltung durch Religionsgemeinschaften sind von Schule zu Schule unterschiedlich

nein, allenfalls als Teil von Projektunterricht an einzelnen Schulen

Norwegen

religionskundlicher Unterricht als reguläres Fach an allgemeinbildenden Schulen (»kristendoms-, religions- oder livssynskunnskap«)

kein BRU; ethische Themen in Lernfelder integriert

Österreich

reguläres Unterrichtsfach, konfessionell (ca. 74 % Katholische)

reguläres Unterrichtsfach, konfessionell

Rumänien

RU als Teil des Lehrplanbereichs »Menschen und Gesellschaft« (»om si societate«); konfessionell differenziert (ca. 87 % Orthodoxe).

nein

Russland

RU wird grundsätzlich angeboten, aber nicht flächendeckend unterrichtet (2007: in 44 % aller Regionen); Fach offiziell als sozio-kulturelles Bildungsangebot verstanden, daher ohne Alternativfach; Versuch der orthodoxen Kirche, ein Fach »Grundlagen der orthodoxen Kultur« zu etablieren

nein

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Berufsbildende Schulen und BRU in anderen europäischen Ländern

Land

RU als Schulfach

BRU

San Marino

katholischer RU wie in Italien, jedoch verpflichtend mit Abmeldemöglichkeit

siehe Italien

Schweden

Nichtkonfessionelle Religionskunde (»Religionskunskap«) in Primar- und Sekundarschulen

Als Lernbereich (»Fundamental subject«) verpflichtend (Näheres s. unten)

Schweiz

»Religionsunterricht in Schweizer Schulen ist so unterschiedlich wie die Löcher im Schweizer Käse« (K. Furer 2003, zit. nach J. R. Kilchsperger, Anm. 3, 200). Es gibt konfessionellen RU (ca. 42 % Katholische, ca. 35 % Evangelische), konfessionell-­ kooperativen RU, Biblische Geschichte, ­Religionskunde, Religion und Ethik und mehr; in manchen Kantonen ist RU integriert in einen Lernbereich »Mensch und Umwelt« oder »Mensch – Natur – Mitwelt«

nein

Serbien und Montenegro

Konfessioneller RU (»Verska nastava«, 65 % Orthodoxe, 19 % Muslime); als Alternative wird Gemeinschaftskunde (»Gradansko vaspitanje«) angeboten (Wahlpflicht)

nein

Slowakei

konfessioneller RU (ca. 69 % Katholische) mit dem Alternativfach Ethik (Wahlpflicht, nur in den letzten beiden Schuljahren der Sekundarstufe II freiwillig)

nein

Slowenien

religionskundlicher Unterricht im Fach ­»Religion und Ethik« (»Verstva in etika«) im 1.–9. Schuljahr

nein

Spanien

»RU in der Schule« (»E.R.E.«) im Unterschied zur Katechese in der Kirche (ca. 94 % Katholiken); Teilnahme grundsätzlich freiwillig; es kann eine »Alternative Aktivität« gewählt werden, z. B. RU einer anderen Konfession (die RU anbietet) oder »Gesellschaft, Kultur und Religion«

nein

Tschechische Republik

RU als Angebot der Religionsgemeinschaften möglich, oft aber in den Kirchgemeinden durchgeführt

nein

Türkei

kein Islamunterricht an öffentlichen Schulen, sondern das Fach (in engl. Übers.) »Religious Culture and Ethics Course« (seit 1986); zuvor hatte das Fach die Bezeichnungen: »The Holy Quran and Religious Knowlege«, ab 1982: »Religious and Ethics Course«; gemäß der türkischen Verfassung ist das Bildungssystem säkular

nein

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BRU und Berufsbildende Schulen – systemische Aspekte

Land

RU als Schulfach

BRU

Ungarn

optionales Fach ohne Alternativfach, konfessionell (ca. 52 % Katholische, ca. 16 % Reformierte, ca. 3 % Lutherische)

Nein, Ausnahmen an Schulen in kirchlicher Trägerschaft; kein verbindlicher Lehrplan

Zypern (Süd)

reguläres Unterrichtsfach, konfessionell (ca. 78 % Orthodoxe)

ähnlich wie in Griechenland, i. d. R. eine Wochenstunde

Nach der Übersicht sollen nun drei Länder Europas exemplarisch dargestellt werden, an denen sich unterschiedliche Möglichkeiten aufzeigen lassen, religiöse Bildung innerhalb der beruflichen Bildung zu verorten.

2. Österreich: BRU als ordentliches Lehrfach Es sind nur wenige Länder, in denen Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen als ordentliches Fach in der Stundentafel steht. Dazu gehören Deutschland, Österreich und der flämische Teil von Belgien. Österreich ist vergleichbar mit Deutschland, es gibt katholischen und evangelischen BRU, wobei wegen der Minderheitensituation der evangelischen Konfession mehrheitlich katholischer RU stattfindet. Der Lehrplan für das Fach Ev. Religion an BBS4 ist kompetenzorientiert, wobei die Formulierungen, die an dieser Stelle unter A bis H genannt werden, eher zielund prozessorientiert sind als dass sie einen »output« oder »outcome« benennen. Das steht in einem gewissen Widerspruch zu den didaktischen Grundsätzen und bedarf der Ausarbeitung. »Didaktische Grundsätze: Der Lehrplan baut auf den Erwerb von Kompetenzen auf. Damit wird als entscheidend angesehen, was die Schülerinnen und Schüler am Ende längerer Lerneinheiten gelernt haben (›output‹- oder Ergebnisorientierung). Dieser Lernertrag soll für die eigene Lebensführung und das berufliche Handeln nutzbar sein. Die Wege zu diesem Lernertrag sind weitgehend freigegeben; entscheidend sind die Möglichkeiten der konkreten Unterrichtsgruppe und der Lehrperson. 4

Lehrplan Evangelische Religion an berufsbildenden höheren und mittleren Schulen, unter: https:// www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2009_II_130/COO_2026_100_2_530671.pdf (letzter Zugriff am 3.3.2017).

Berufsbildende Schulen und BRU in anderen europäischen Ländern

125

Die Kompetenzen A—H benennen den Ertrag des Lernens für den Lernenden. Sie konzentrieren sich darauf, was religiöse Orientierung in evangelischer Lesart ausmacht. Kompetenzorientierter Religionsunterricht an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen wird a) sich problemorientiert mit religiösen Schlüsselfragen auseinandersetzen (kognitive Zielsetzung); b) die Eigenaktivitäten der Lernenden und die Nachhaltigkeit des Unterrichts fördern (Erwerb von Fertigkeiten und Fähigkeiten); c) auf die Unterrichtskultur achten (Begegnung, Simulation, Übung, Präsentation); d) nachvollziehbar nachweisen können, was er für die Lernenden und ihre Ausbildung leistet und e) um die Begrenztheit aller lehrplandefinierter Modelle wissen und die Unverfügbarkeit von Werteerwerb, Glaubensentwicklung und spiritueller Empfindung respektieren. Die unter dem Kerncurriculum ausgewiesenen Themen a) bis h) sind verbindlich.«

Nur zwei der acht Kompetenzformulierungen stellen dezidiert einen religiösen Bezug her: »F) Mich auf Gott beziehen Der Religionsunterricht lädt ein, nach Gott zu fragen, die Vorstellungen von Gott zu reflektieren und einen Ausdruck meiner Gottesbeziehung zu finden.« »G) Meinen Glauben zum Ausdruck bringen. Der Religionsunterricht lädt ein, Grundformen religiöser Praxis kennen zu lernen, ihr Anliegen zu verstehen und sie exemplarisch in meinem Leben umzusetzen.«

Alle weiteren betreffen die Sozial- und Selbstkompetenz, die Deutungs- und Orientierungsfähigkeit. Der Lehrstoff ist in acht Kernthemen eingeteilt (a bis h), die die Kompetenzformulierungen (A bis H) inhaltlich entfalten, indem sie in knappen Sätzen thematische Stichworte benennen. Es folgt eine Jahrgangsverteilung auf Bildungsgänge mit 3 bis 4 und mit 5 Schulstufen.

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BRU und Berufsbildende Schulen – systemische Aspekte

Der Lehrplan ist mit drei Seiten sehr übersichtlich und lässt den Lehrkräften viel Spielraum für eine situations- und ausbildungsbezogene Gestaltung des BRU. Das ist sehr zu begrüßen, erfordert jedoch seitens der Unterrichtenden eine gute Ausbildung, um sich flexibel durch Themen, Kompetenzen und Schülerinteressen zu bewegen.

3. Schweden: Religion/Religionskunde als Teilgebiet überfachlicher Bildung Die schwedische Berufsbildung ist in die »Upper Secondary Schools« (Gymnasieskolor) integriert, welche nach der neunjährigen »Compulsory School« fakultativ sind. Es gibt unter den insgesamt 18 »National Programmes« 12 »Vocational Programmes« (Yrkesprogram)5, aus denen die Schüler und Schülerinnen ein dreijähriges Programm wählen, mit dessen Abschluss (»Diploma«) sie für einen direkten Berufseinstieg befähigt sind bzw. bei entsprechender Kursbelegung auch die Hochschulreife erwerben können.6 Religion wird in Schweden nicht konfessionell unter Bezug zur Theologie, sondern überkonfessionell-religionskundlich unterrichtet: »The subject of religion has its scientific roots primarily in the academic discipline of religious studies, and is by its nature interdisciplinary.«7

Im Rahmenlehrplan »Curriculum for the upper secondary school«8 taucht das Stichwort Religion explizit zweimal auf:

5 Neben den »Vocational Programmes« (z. B. Child and Recreation Programme, Building and Construction Programme, Electricity and Energy Programme, Hotel and Tourism Programme gibt es 6 »Higher Education Preparatory Programmes« (Högskoleförberedande program), die, neben dem stärker berufsbildenden Ausbildungszweig, theoretischer angelegt sind und zu einem Studium befähigen. 6 Übersicht über das schwedische Schulsystem vom Skolverket (Hg.) unter https://www.skolverket.se/om-skolverket/andra-sprak/in-english/the-swedish-education-system/an-overview-ofthe-swedish-education-system-1.72184 (letzter Zugriff: 13.04.2017). 7 Skolverket (Hg.): Subject Syllabus für Religion (engl. Übersetzung 2012) unter http://www.skolverket.se/polopoly_fs/1.209323!/Religion.pdf, 1 (letzter Zugriff am 20.2.2017). 8 Skolverket (Hg.): Curriculum for the upper secondary school (engl. Übersetzung 2013), unter https://www.skolverket.se/om-skolverket/publikationer/visa-enskild-publikation?_ xurl_=http%3A%2F%2Fwww5.skolverket.se%2Fwtpub%2Fws%2Fskolbok %2Fwpubext%2Ftrycksak%2FRecord%3Fk%3 (letzter Zugriff am 13.4.2017).

Berufsbildende Schulen und BRU in anderen europäischen Ländern

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[The students] have knowledge about the culture, language, religion and history of the national minorities (Jews, Romanies, indigenous Samis, Swedish and Tornedal Finns) [2.1. Knowledge, goals, 8]; [The student] can interact with other people based on respect for differences in living conditions, culture, language, religion and history [2.2. Norms and values, goals, 10].

In einem anderen Dokument9 wird das Fachgebiet Religion lehrplanartig entfaltet. Als (kompetenzorientierte) Ziele werden eingangs folgende genannt: »Teaching in the subject of religion should give students the opportunities to develop the following: 1. The ability to analyse religions and outlooks on life based on different interpretations and perspectives. 2. Knowledge of human identity in relation to religions and outlooks on life. 3. Knowledge of different views on the relationships between religion and science, and the ability to analyse these. 4. The ability to use ethical concepts, theories and models. 5. The ability to examine and analyse ethical issues in relation to Christianity, other religions and outlooks on life.« (1 f.)

Der Religionsunterricht ist in drei Kurse eingeteilt, wobei »Religion« eine Art Grundkurs darstellt, der auf der vorangehenden allgemeinbildenden Schule (Sekundarstufe I) aufbaut. Kurs »Religion 2« ist ein Aufbaukurs im Umfang von 50 Credits, Kurs »Religion – specialisation« ist ein Aufbaukurs mit 100 Credits. Zu jedem Kurs werden Kompetenzen, Ziele und Kerninhalte ausgeführt. In jedem beruflichen Ausbildungsgang ist das Fachgebiet Religion unterschiedlich gewichtet verortet. Die Einzelheiten kann man der Broschüre »Upper Secondary School 2011«10 entnehmen. Die Programme für die Ausbildungsgänge sind in der Grundstruktur dreigeteilt »Foundation subjects« (Allgemeinbildung, 600 Credits), »Programme specific subjects« (berufsspezifische Grundlagen, 400 Credits) und »Orientations« (berufsspezifische Vertiefungen, 300–600 Credits). Dazu kommen das »Diploma project« (100 Credits) und »Individual orientations« (200 Credits). Das Fach  9 Skolverket (Hg.): Subject Syllabus Religion (engl. Übersetzung 2012), unter http://www.skolverket.se/polopoly_fs/1.209323!/Religion.pdf (letzter Zugriff am 20.2.2017). 10 Skolverket (Hg.): Curriculum 2013 (s. o. Anm. 8).

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BRU und Berufsbildende Schulen – systemische Aspekte

gebiet Religion ist immer als Kurs »Religion 1« mit 50 Credits im Feld »Foundation Subjects« (600 Credits) verpflichtend festgeschrieben. Die Kurse »Religion 2« (50 Credits) oder »Religion – specialistion« (100 Credits) sind im Rahmen der individuellen Orientierungen bzw. bei angestrebter Hochschulreife wählbar. Damit existiert in Schweden eine in der beruflichen Bildung fest implementiere Form der religiösen Bildung, die individuell durch wählbare Vertiefungskurse erweitert werden kann. Sie ist religionswissenschaftlich begründet und religions- und konfessionskundlich ausgerichtet.

4. Schweiz: Gesellschaftskunde weitgehend ohne Religion Das dritte Beispiel ist hinsichtlich des BRU eigentlich eine Fehlanzeige: Es gibt weder ein eigenständiges Fach noch Lernbereiche oder Module, die Religion innerhalb der Allgemeinbildung explizit thematisieren. In einzelnen Plänen für die berufliche Grundausbildung sind lediglich Stichworte zu religiösen Themen genannt. Die Schweiz steht damit stellvertretend für Länder, die religiöse Bildung curricular nur an allgemeinbildenden Schulen implementieren. Die berufliche Bildung enthält zwar einen allgemeinbildenden Bereich, dieser ist jedoch thematisch eng an die beruflichen Erfordernisse angebunden. Wegen der kantonalen Differenziertheit des Schweizer Bildungssystems kann nur ein punktueller Einblick gegeben werden. Z. B. findet sich im »Rahmenlehrplan für den allgemeinbildenden Unterricht in der beruflichen Grundbildung«11, herausgegeben vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT (Bern), das Stichwort »Religion« nicht. Es gibt im Lernbereich Gesellschaft u. a. die Aspekte »Ethik« und »Kultur«, aber ohne Bezug zu religiösen Sachverhalten. Auf der Grundlage des Rahmenlehrplans werden die Schullehrpläne ausgestaltet. Im »Schullehrplan 14« des Erziehungsdepartements Basel-Stadt12 für die drei- und vierjährige berufliche Grundausbildung ist das Thema Religion hingegen enthalten. Thema 5 »Zusammenleben in kultureller Vielfalt« nennt »Religionsgemeinschaften« als gesellschaftlichen Aspekt und formuliert das Bildungsziel: »Die Lernenden […] unterscheiden die Religionen (Christentum, Judentum, Hinduismus, Islam, Buddhismus) nach ihren Merkmalen; […] diskutieren die verschiede-

11 Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT Bern (Hg.): Rahmenlehrplan für den allgemeinbildenden Unterricht in der beruflichen Grundbildung, unter https://www.agsbs.ch/ ueber_uns/abteilungen/abu/lehrplan – dort als PDF-Datei (letzter Zugriff am 22.4.2017). 12 Ebd.

Berufsbildende Schulen und BRU in anderen europäischen Ländern

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nen Religionsgebote für das Zusammenleben der Menschen (z. B. Staatsordnungen, Rechtsauffassungen, Menschenbilder).« (18).

Das ist dann aber auch schon alles. Auch den berufsfeldbezogenen Lehrplänen fehlen Hinweise auf Themen der Religion(en). Z. B. sieht die Berufsfachschule Basel im Lehrplan für Pharmaassistentinnen und -assistenten den Bereich »Wirtschaft-Recht-Gesellschaft« vor. Als Leitidee heißt es dort u. a.: »Lernende sind Mitglieder unserer Gesellschaft. Als solche müssen sie die Grundsätze des Zusammenlebens in dieser Gemeinschaft kennen und verstehen, wie unsere Wirtschaft funktioniert. Sie müssen sich in unserer Gesellschaft bewegen können und deren Anforderungen gerecht werden. […] Sie werden befähigt, sich als Bürger/innen an der Entwicklung des Staates und als Arbeitnehmende, resp. Konsument/inn/en bewusst am Wirtschaftsleben zu beteiligen. Die Lernsituationen beziehen sich so eng wie möglich auf den Alltag der Lernenden. Tagesaktuelle Fragen werden in den Unterricht einbezogen. Das Schaffen von Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die Entwicklung einer mit-, resp. eigenständig denkenden Persönlichkeit sind zentraler Teil der schulischen Ausbildung. Fragen der Ethik und der Moral sowie des eigenen Rollenverhaltens sollen dabei immer wieder diskutiert werden.«

Es geht also um die Entwicklung von Sozial- und Selbstkompetenz. Religion wird nicht explizit thematisiert, jedoch sind Religionen Teil der Gesellschaft, in der sich die Auszubildenden bewegen und Religion bestimmt Grundlagen von Ethik und Moral mit. Daher sind Fragen der Religion implizit vorhanden. Praktisch ist es aber den Lehrenden überlassen, ob sie diese dann auch im Unterricht thematisieren. In drei Semestern werden 15 Themenbereiche beschrieben, von denen nur ganz wenige einen Bezug zur Religion nahelegen, z. B. Ȥ 3. Formen des Zusammenlebens/Eherecht und Güterstände Ȥ 15. Zielkonflikte Viele andere Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden vorwiegend wissensorientiert und im Rahmen politischer Bildung präsentiert. Der BRU in Deutschland würde hier viele Anknüpfungspunkte zur christlichen Ethik herstellen, z. B. Fragen der Gerechtigkeit bei der Güterverteilung oder Fragen der

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BRU und Berufsbildende Schulen – systemische Aspekte

Begründung von Werten. Das ist im Schweizer Berufsschulunterricht nicht ausgeschlossen, aber der Lehrplan sieht religiöse Bezüge nicht vor. Hintergründe und Entwicklungen dieser »Religionsabstinenz« im Schweizer Berufsbildungssystem hat Philipp Gonon sehr gut nachvollziehbar beschrieben.13 Für eine intensivere Beschäftigung damit sei daher auf seinen Beitrag verwiesen. In seinen abschließenden Thesen markiert Gonon überlegenswerte Argumente aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung, die ein kritisches Überdenken dieses Ausblendens religiöser Themen nahelegen. »Künftig wird die Berufsschule wohl mit mehr gesellschaftlicher Unsicherheit leben müssen, d. h. in einer plurikulturellen Umgebung wird sie sich auch auf mehr gesellschaftliche und religiöse Pluralität als Thema einzustellen haben. So gesehen rückt also die Globalisierung über die Kultur auch religiöse Fragestellungen wieder in das Blickfeld« (34).

5. Zusammenfassung und Ausblick Wie eingangs bereits gesagt, muss man zunächst nüchtern feststellen, dass BRU – in dem Sinne, wie er in Deutschland verstanden, konzipiert und bildungspolitisch umgesetzt wird – nur in wenigen europäischen Staaten existiert. Man kann im Grunde drei Gruppen ausmachen: a) Länder, in denen BRU als Bildungsfach mit einer eigenen religions- und berufspädagogischen Konzeption existiert und angeboten wird, wenn auch nicht flächendeckend. Dazu gehören Deutschland, Österreich, der flämische Teil von Belgien und bedingt auch Griechenland/Zypern (orthodox). Die Einschränkung bei Griechenland kommt daher, dass es sich – wie in orthodox geprägten Ländern üblich – um einen streng konfessionellen Unterricht handelt, der einer kirchlichen Unterweisung nahekommt. b) Länder, in denen einzelne religiöse Bildungsangebote im Rahmen der beruflichen Bildung gemacht werden, BRU aber nicht als eigenständiges Fach existiert. Dazu gehören z. B. Schweden, Norwegen, England und die Niederlande. Religiöse Bildung ist dort als Teil der Allgemeinbildung im Blick. Das Angebot eines eigenen Faches hat entweder keine Tradition oder wurde aus organisatorischen Gründen eingestellt. Es ist dann eine Frage bildungspolitischer 13 Philipp Gonon: Gesellschaftliche und religiöse Pluralität – Überlegungen ausgehend von der Berufsbildung und den Berufsfachschulen in der Schweiz, in: Albert Biesinger/Friedrich Schweitzer/Matthias Gronover/Joachim Ruopp (Hg.): Integration durch Religiöse Bildung. Perspektiven zwischen beruflicher Bildung und Religionspädagogik, Münster 2012, 25–34.

Berufsbildende Schulen und BRU in anderen europäischen Ländern

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Begründungen, wie Fragen der Religion gewichtet werden. Dafür machen sich in der Regel die Kirchen stark. c) Länder, in denen keinerlei Bildungsangebot zu Fragen der Religion innerhalb der Berufsbildung existiert. In manchen davon sind Möglichkeiten der religiösen Bildung in allgemeinbildenden Lernbereichen zu Werten, Normen, Wirtschaft und Gesellschaft vorhanden. Sie werden jedoch nicht explizit thematisiert, sondern es obliegt den Lehrenden, sie entsprechend zu gestalten. In anderen Ländern gibt es Bemühungen, BRU oder vergleichbare religiöse Bildungsangebote einzurichten. Diese Bemühungen gehen entweder von Kirchen oder von religionspädagogischen Aus- und Fortbildungseinrichtungen aus, die ansonsten den RU an allgemeinbildenden Schulen begleiten und fördern. Beispiele dafür sind die baltischen Staaten Estland und Lettland. Unabhängig davon wären Formen der religiösen Bildung an Berufsschulen in freier Trägerschaft zu betrachten. Das bedarf jedoch einer eigenen Erhebung, die sich, wegen der sehr vielfältigen »Landschaft«, sehr schwierig gestalten würde. Es geht hier ja vor allem darum, den Stellenwert der Beschäftigung mit religiösen Themen im Rahmen der beruflichen Bildung aufzuzeigen. Diesen kann man am besten an den Bildungsvorgaben hinsichtlich der Einbettung von dementsprechenden Bildungsangeboten in die Strukturen und Lehrplänen der beruflichen Schulen ermessen. Der Überblick und die Einblicke in einige Länder machen deutlich, dass es überall einer starken Lobby bedarf, um auf eine angemessene Wahrnehmung hinzuwirken, welchen Bildungsbedarf es hinsichtlich Religion gibt und welchen Bildungswert Religion im Leben junger Menschen hat. Die Diskussion um den Europäischen und Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR und DQR)14 hat gezeigt, dass es Beharrlichkeit, gute Argumente und Durchsetzungsvermögen braucht, um in der Bildungspolitik der EU dafür zu werben.

Weiterführende Literatur Elza Kuyk/Roger Jensen/David Lankshear/Elisabeth Löh Manna/Peter Schreiner (Eds.): Religious Education in Europe. Situation and current trends in schools, Oslo/Münster 2007 Aktuelle Entwicklungen zum Religionsunterricht in Europa sind z. B. über die Portal-Homepage der Coordinating Group for Religion in Education in Europe (CoGREE) erfahrbar: http:// www.cogree.com 14 Bezeichnend dafür ist der »Zwischenruf: Religiöse, ethische und interkulturelle Kompetenzen gehören in den DQR!«, veröffentlicht im BRU Magazin 51/2009, 37.

II.

Akteure im BRU – personale Aspekte

II.1 Die Schülerinnen und Schüler im BRU

Bernd Schröder

Knapp 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler besuchen im Schuljahr 2016/17 eine berufsbildende Schule (BBS) in Deutschland.1 Die jüngsten unter ihnen sind nicht jünger als 16 Jahre, die ältesten in den 40er Jahren ihres Lebens. In ihrer Mehrheit sind Schülerinnen und Schüler an BBS, v. a. diejenigen an der meistbesuchten Schulart, der (Teilzeit-)Berufsschule, ältere Jugendliche und junge Erwachsene, zwischen 16 und 22 Jahren. Während der Übertritt von der Kindheit zur Jugend durch die Pubertät markiert wird, erfolgt der Übergang ins Erwachsenenalter »fließend« bzw. »schleichend«.2 Als erwachsen gilt, wer die Entwicklungsaufgaben des »Qualifizierens« (Erwerb von Kompetenzen, Übernahme existenzsichernder Tätigkeiten), »[Sich-] Bindens« (Ablösung von den Eltern, Aufbau einer Partnerbeziehung), »Konsumierens« (Selbständigkeit der Verhaltenssteuerung in der Freizeit) und »Partizipierens« (vorläufige Stabilisierung des Werte- und Normsystems) bewältigt »und damit die »›Selbstbestimmungsfähigkeit‹ des Individuums erreicht« hat.3 Die vier Aufgaben werden, eine Folge der Individualisierung und der Komplexitätssteigerung der Gesellschaft, in der Regel ungleichzeitig erreicht – dadurch kommt es zur »Statusinkonsistenz«4, die zu bewältigen bzw. auszuhalten eine Herausforderung sui generis ist: Die Fachabiturientin, die schon eine Familie gegründet hat, und der Lehrling, der noch bei den Eltern wohnt und die Hobbies des Vaters teilt, mögen als Beispiele genügen. 1 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/BildungForschungKultur/Schulen/ Tabellen/AllgemeinBildendeBeruflicheSchulenSchulartenSchueler.html (Zugriff am 20.4.2017). 2 Klaus Hurrelmann/Gudrun Quenzel: Lebensphase Jugend, Weinheim/Basel (1985) 13., überarb. Aufl. 2016, 31 und 32. Vgl. Handbuch Jugend. Evangelische Perspektiven, hrsg. von Yvonne Kaiser/Matthias Spenn/Michael Freitag/Thomas Rauschenbach/Mike Corsa, Opladen 2013, und Sabine Sandring/Werner Helsper/Heinz-Hermann Krüger (Hg.): Jugend – Theoriediskurse und Forschungsfelder, Wiesbaden 2015. 3 Hurrelmann/Quenzel, Lebensphase 2016 (s. o. Anm. 2), 30 f. 4 Hurrelmann/Quenzel, Lebensphase 2016 (s. o. Anm. 2), 43.

Die Schülerinnen und Schüler im BRU

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Auch wenn sich unter den Schülerinnen und Schülern in entwicklungspsychologischer Hinsicht, im Blick auf Lebensstilpräferenzen, Einstellungen, Religiosität u. ä. m. Trends und Cluster ausmachen lassen, gilt doch im Kern: »Jede(r) [ist] ein Sonderfall«5. Empirische Erhebungen und darauf basierende Theorien mögen eine Landkarte der Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen entwerfen helfen und Interpretamente für Wahrnehmungen bereitstellen; für die personale Begegnung und die Planung didaktischer Arrangements ist allererst die Wahrnehmung der Einzelnen unverzichtbar. Es gilt nach wie vor der weitsichtige Satz, dass schülerorientierter Unterricht »die Kompetenz voraus[setzt], Äußerungen von Schülerinnen und Schülern auf dem Hintergrund ihrer religiösen Entwicklung und lebensgeschichtlichen Bezüge genauso kundig lesen und interpretieren zu können wie theologische Texte«6. Wahrnehmungs- und Interpretationshilfen aus verschiedenen Disziplinen sollen im Folgenden vorgestellt werden; dabei ist vorab zu konstatieren, dass es nur wenige empirische Untersuchungen gibt, die dezidiert Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen in den Fokus rücken – üblicherweise richtet sich das Untersuchungsinteresse auf die Altersgruppen der Jugendlichen, jungen Erwachsenen oder auch Erwachsenen insgesamt.7 Valide Aussagen über Spezifika von Schülerinnen und Schülern an berufsbildenden Schulen im Unterschied zu Gleichaltrigen an allgemeinbildenden Schulen bzw. an Hochschulen oder zu Peers, die sich nicht (mehr) in Ausbildung oder Bildung befinden, sind somit kaum zu treffen. Bei Ableitungen von solchen allgemeinen Einsichten auf Schülerinnen und Schüler berufsbildender Schulen ist höchste Vorsicht geboten – und zwar, weil diese je nach Bildungsgang (und auch innerhalb solcher Bildungsgänge) sehr unterschiedliche Herkunftsprägungen, intellektuelle Fähigkeiten, berufliche Ambitionen und Stilpräferenzen mitbringen: Die Schülerschaft im Berufsvorbereitungsjahr hat diesbezüglich kaum etwas gemein mit denjenigen etwa am beruflichen Gymnasium. Lerngruppen des Religionsunterrichts haben prinzipiell Anteil an der vielfältigen Schülerschaft des jeweiligen Bildungsgangs, etwa im Blick auf Merkmale wie Behinderung, Gender, Migrationshintergrund u. ä. m.; in ihnen kommt 5 Alfred Dubach/Roland J. Campiche (Hg.): Jede(r) ein Sonderfall? Religion in der Schweiz: Ergebnisse einer Repräsentativbefragung, Zürich/Basel 1993. 6 Kirchenamt der EKD (Hg.): Identität und Verständigung. Standort und Perspektiven des Religionsunterrichts in der Pluralität. Eine Denkschrift, Gütersloh 1994, 28. 7 Vgl. etwa den Überblick bei Bernd Schröder: Schülerinnen und Schüler und ihr Verhältnis zur (christlichen) Religion – die einschlägigen Ergebnisse der V. KMU im Vergleich zu Resultaten anderer schulbezogener empirischer Studien der Jahre 2006–2016, in: Bernd Schröder/Jan Hermelink/Silke Leonhard (Hg.): Jugendliche und Religion, Stuttgart 2017, 203–234.

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Akteure im BRU – personale Aspekte

zudem die religiöse und weltanschauliche Vielfalt der Schülerinnen und Schüler in besonderem Maße zur Geltung. Allerdings: An berufsbildenden Schulen wird in all den Bundesländern, die sich auf Art. 7.3 GG berufen, lediglich römisch-katholischer und/oder evangelischer Religionsunterricht angeboten – islamischen, (christlich-)orthodoxen, alevitischen oder jüdischen Religionsunterricht sucht man vergeblich. Es gibt also nicht eine Vielzahl an parallelen Religionsunterrichten, sondern zumeist einen Religionsunterricht für die betreffende Lerngruppe: So handelt es sich beim Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (RU-BBS) in den allermeisten Fällen um »Religionsunterricht für alle«, der Schülerinnen und Schüler verschiedener Bekenntnisse und Selbstverständnisse zusammenführt. Die Statistiken zum Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen lassen allerdings nicht erkennen, ob und wie viele Schülerinnen und Schüler anderer Religionen und Denominationen am evangelischen bzw. römisch-katholischen Religionsunterricht teilnehmen. Die Abmeldequote (bezogen auf die Zahl der zur Teilnahme daran verpflichteten Schülerinnen und Schüler, also derjenigen, die der Konfession des Lehrenden angehören) ist an berufsbildenden Schulen je nach Bundesland unterschiedlich: Während die Abmeldequote an berufsbildenden Schulen (»Berufskollegs«) in Nordrhein-Westfalen im Schuljahr 2012/13 lediglich 2,35 % (ev. RU) bzw. 4 % (rk RU) betrug, werden für berufliche Schulen in Bayern für dasselbe Schuljahr Quoten zwischen 28 % und 36 %, in Fachoberschulen sogar über 50 % errechnet.8

1. Entwicklungspsychologische Einsichten Die Theorien der beiden maßgeblichen entwicklungspsychologischen Paradigmen-Geber, Sigmund Freud (1856–1939) für die tiefenpsychologische und Jean Piaget (1896–1980) für die kognitionspsychologische Schule, gingen nicht über die Pubertät hinaus – sowohl die psycho-sexuelle Entwicklung (hin zur IchStärke) als auch die epistemologische Dynamik (hin zu formal-operatorischem Denken) galten für sie damit als im Wesentlichen abgeschlossen. Erst Weiterentwicklungen ihrer Theorieansätze v. a. seit den 1960er Jahren haben darauf aufmerksam gemacht, dass seelischer Apparat und Identität, Kognition, Urteilsbildung und Glaube (faith) zeitlebens dynamisch verfasst sind. Für die Phase der postpubertären Adoleszenz und des jungen Erwachsenenalters rücken folgende Entwicklungsaufgaben in den Blick: 8 Carsten Gennerich/Mirjam Zimmermann: Abmeldung vom Religionsunterricht. Statistiken, empirische Analysen, didaktische Perspektiven, Leipzig 2016, 48/51 und 44 f.

Die Schülerinnen und Schüler im BRU

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Identitätsentwicklung Erik Homburger Erikson (1902–1994) macht mit seiner Theorie der psychosozialen Entwicklung darauf aufmerksam, dass junge Erwachsene einerseits lernen (müssen), eine Beziehung in intimer Vertraulichkeit aufzubauen und zu pflegen, andererseits, z. B. bei Gründung einer Familie oder bei ihrer beruflichen Tätigkeit, Verantwortung für Andere und Fürsorge wahrzunehmen. Werden in diesen Hinsichten nachhaltig wirksame Erfahrungen des Scheiterns gemacht, drohen junge Erwachsene eine Haltung der »Isolation«, des Rückzugs aus tragenden sozialen Beziehungen, einzunehmen.9 Eriksons Theorie basiert auf Ergebnissen seiner psychoanalytischen Arbeit, sie ist nicht valide im Sinne moderner empirischer Psychologie, allerdings hat sie eine hohe erfahrungsbasierte Plausibilität.10 Moralisches Urteil Lawrence Kohlberg (1927–1987) sieht in seiner Theorie des moralischen Urteils – wie in allen kognitionspsychologischen Modellen – Entwicklung durch das Streben nach angemessener Reaktion (»Äquilibration«) auf innere (»endogene«) wie äußere (»exogene«) Faktoren vorangetrieben. Demnach argumentieren junge Erwachsene in der Regel – nachdem sie zuvor »prä-konventionell«, also orientiert allein an den eigenen Bedürfnissen oder einem Handeln auf Gegenseitigkeit (»Wie du mir, so ich dir«-Orientierung), geurteilt haben – in den Bahnen sog. konventioneller Moral.11 Kohlberg unterscheidet dabei zwei Stadien – im unteren Stadium (Stadium 3) wird moralisch gehandelt, um diejenigen, denen ein Individuum hilft, zu erfreuen und um selbst Bestätigung zu erfahren: Ich möchte, dass Andere über mich sagen: »Er bzw. sie meint es gut« (sog. »Guter Junge, liebes Mädchen«-Orientierung). Im fortgeschrittenen Stadium (Stadium 4) wird moralisch gehandelt, um das zu erfüllen, was man als persönliche Pflicht erkennt: Ich respektiere Autoritäten wie z. B. den Meister, die Polizei o. Ä. und verhalte mich dementsprechend regelkonform, um der vorgegebenen Ordnung   9 Erik H. Erikson: Identität und Lebenszyklus. Drei Aufsätze, Frankfurt a. M. (1966) 272015. 10 Zur Auseinandersetzung siehe Peter Conzen: Erik H. Erikson und die Psychoanalyse, Heidelberg 1990; Ulrich Schwab (Hg.): Erikson und die Religion, Berlin 2007; Ingrid Jungwirth: Zum Identitätsdiskurs in den Sozialwissenschaften. Eine postkolonial und queer informierte Kritik an George H. Mead, Erik H. Erikson und Erving Goffman, Bielefeld 2007. 11 Lawrence Kohlberg: Die Psychologie der Moralentwicklung, hrsg. von Wolfgang Althof unter Mitarbeit von Gil Noam und Fritz Oser, Frankfurt a. M. (1995) 72014. Ders.: Die Psychologie der Lebensspanne, hrsg. von Wolfgang Althof und Detlef Garz, Frankfurt a. M. 2000.

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Akteure im BRU – personale Aspekte

zu entsprechen (sog. »Gesetz und Ordnung«-Orientierung). In Stadium 5, das Kohlberg bereits der Stufe sog. postkonventioneller Moral zurechnet, bilden sich Individuen demgegenüber kritisch ein eigenes Urteil. Ich erkenne meine eigene Moral und diejenige anderer Individuen als fehlbar und veränderlich; deshalb messe ich sie an Werten und Normen, die ich als universal gültig anerkenne, etwa an den Menschenrechten, an Prinzipien wie Gerechtigkeit oder Gleichheit aller, und versuche mein Handeln – ggf. auch gegen Widerstände vor Ort – daran auszurichten (sog. Sozialvertrags-Orientierung). Dieser Stadienfolge liegen bestimmte moralische Leitwerte zugrunde, z. B. die Hochschätzung eines eigenständigen, kritischen Urteils sowie diejenigen von Altruismus und Fürsorge, zudem liegt dem Modell die Auffassung zugrunde, dass Moralität eine gewichtige, eigenständige Dimension der eigenen Lebensführung und -deutung ist. Dergleichen ist aber nicht selbstverständlich, vielmehr ist es u. a. die Aufgabe ethischer Bildung, dafür zu sensibilisieren und Anstöße für die Reflexion auf das je eigene moralische Urteil zu geben.12 Das gilt gerade auch in der beruflichen Bildung: Lehrlinge und Berufsanfängerinnen und -anfänger betreten mit ihren Betrieben und Arbeit gebenden Institutionen »eigene Welten«, die nolens volens Regeln des Umgangs, erfolgreichen beruflichen Handelns und des Sich-Verhaltens als Erwachsener setzen. Religionsunterricht ist ein wichtiger Ort, um zu solchen scheinbar selbstverständlichen »moralischen« Regeln reflexive Distanz aufzubauen.13 Religiöses Urteil und Lebenssinnkonstruktion Analog zu Kohlberg haben Fritz Oser (*1937) und Paul Gmünder (*1951) eine Theorie des religiösen Urteils entwickelt, die zum Gegenstand hat, wie der Bezug des »Letztgültigen« (Gott) zur eigenen Lebenswelt und zum eigenen Leben gedacht wird. In der Adoleszenz wird in der Regel verneint, dass dieser Bezug überhaupt besteht: Jugendliche und junge Erwachsene sehen sich selbst als ver12 Zur Auseinandersetzung mit Kohlberg vgl. ausführlich Günter Becker: Kohlberg und seine Kritiker – die Aktualität von Kohlbergs Moralpsychologie, Wiesbaden 2010, zudem auch Detlef Garz: Lawrence Kohlberg zur Einführung, Hamburg (1996) 22015. 13 Zur pädagogischen Nutzung der Kohlbergschen Theorie s. Wolfgang Edelstein (Hg.): Moralische Erziehung in der Schule: Entwicklungspsychologie und pädagogische Praxis, Weinheim u. a. 2001; Georg Lind: Moral ist lehrbar. Handbuch zur Theorie und Praxis moralischer und demokratischer Bildung, München 2003. Wolfgang Lempert: Berufliche Sozialisation: Persönlichkeitsentwicklung in der betrieblichen Ausbildung und Arbeit, Baltmannsweiler 2006 und ders.: Moralentwicklung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, in: Neues Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, hrsg. von der Gesellschaft für Religionspädagogik und dem Deutschen Katechetenverein, Neukirchen-Vluyn 2005, 32–42.

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antwortlich für ihr Leben an – Gott mag es geben, aber er nimmt ihrer Auffassung nach keinen Einfluss auf sie und ihre Lebensführung (Stufe 3; »Deismus«). Kommt es zu entsprechenden Denkanstößen und Erfahrungen, kann sich diese Haltung ändern: Dann vermag ein Mensch, der sich selbst als autonom versteht, Gott als Bedingung, als »Schöpfer«, als Hintergrund dieser Autonomie zu begreifen (Stufe 4).14 Oser und Gmünder gründen ihre Theorie auf Äußerungen von Probanden zu sog. Dilemma-Geschichten. Deren Äußerungen zur Sache – nämlich zur Frage, wie (und warum) sie als Akteur in dem jeweiligen Dilemma handeln würden – werden dann auf Strukturmerkmale hin analysiert. Da es dezidiert darum geht zu modellieren, wie die Probanden Gottes Bezug zur Welt verstehen bzw. in Worte fassen, ist deutlich, dass diese Muster einerseits mithilfe von Texten und unterrichtlichen Arrangements thematisiert werden können, andererseits aber nur wirksam verändert werden können, wenn die Denkmuster von Erfahrungen stabilisiert werden.15 Ebenfalls auf Piagets Grundmodell des Strebens nach Äquilibration, des Sich-Entwickelns in Stufen, der Komplexitätssteigerung kognitiver Möglichkeiten beruhend hat James F. Fowler (1940–2015) untersucht, wie sich sinnstiftende Deutungen des Lebens (Faith) ihrer Struktur nach (nicht im Blick auf ihre Inhalte) entwickeln. Dabei hat er allerdings deutlich gemacht, dass keineswegs nur Reflexion, sondern auch Körperlichkeit und Emotionalität eine maßgebliche Rolle spielen – dessen ungeachtet lassen sich nach Fowlers Beobachtung analog zu den Stufen in der Entwicklung des moralischen Urteils auch diesbezüglich qualitative Sprünge erkennen: Ausgehend vom »synthetisch-konventionellen Glauben« (Synthetic-Conventional Faith) im Jugendalter, der v. a. auf Übereinstimmung mit signifikanten Peers bedacht ist, entsteht – zumeist nicht vor dem frühen Erwachsenenalter – ein »individuierend-reflexiver Glaube« (»Individuative-Re­ flec­tive Faith«).16 Dieser ist nicht nur – und nicht einmal zuerst – an bestimmten Inhalten zu erkennen, sondern an der äußeren, sprachlichen Form, in der Sinngebungen kommuniziert werden und an dem, was den Einzelnen zur »Hingabe« veranlasst, was ihn – um es mit Paul Tillich zu sagen – unbedingt angeht. 14 Fritz Oser/Paul Gmünder: Der Mensch – Stufen seiner religiösen Entwicklung: ein strukturgenetischer Ansatz, (Zürich 1984) Gütersloh 41996. 15 Zur Diskussion s. Autonomie und Entwicklung: Überlegungen zum Lernen und Lehren, zur sozio-moralischen und religiösen Entwicklung und Erziehung, Festschrift zum 60. Geburtstag von Fritz Oser, hrsg. von Wolfgang Althof, Fribourg 1999 und Alexander Schimmel: Die Theorie der Entwicklung des religiösen Urteils (Fritz Oser & Paul Gmünder): Darstellung und Diskussion eines multidisziplinären Ansatzes, Saarbrücken 2008. 16 James W. Fowler: Stufen des Glaubens, Gütersloh 1991 und ders.: Faithful change: The personal and public challenges of postmodern life, Nashville 1996.

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Während sich die dritte Stufe dadurch auszeichnet, dass die Probanden in der Lage sind, gedanklich die Perspektive Anderer einzunehmen (und z. B. auch sich selbst so zu sehen, wie Andere sie – mutmaßlich – sehen) – »Gott ist [hier] jemand, der uns besser kennt, als wir uns selbst kennen können« –, werden sie auf Stufe 4 unabhängiger von der Übereinstimmung mit und der Wertschätzung durch Andere(n). Man lernt sich selbst und die Dinge »von einem Standpunkt jenseits des Eingebettetseins in interpersonale Beziehungen« zu sehen, man lernt zudem, »Glaubensbekenntnisse, […] Geschichten und Mythen [… zu] analysier[en] und in begriffliche Formulierungen [zu] übersetze[n; … und] d[i]ejenigen Elemente [herauszufiltern], die vertreten werden können«. 17 Es liegt nahe, an diesem Übergang von Stufe 3 zu 4 dem Religionsunterricht und anderen Bildungsangeboten mit Sensibilität für existenzielle Fragen eine wichtige Rolle zuzuerkennen. Es gilt die Gefahr zu bannen, in Übereinstimmung mit vielen Gleichaltrigen religiös grundierte Sinngebungen zu verabschieden, ehe eine kritisch-aneignende Auseinandersetzung und eigene Urteilsfähigkeit überhaupt erprobt wurden.18 Komplementäres Denken Die gesteigerte Fähigkeit, symbolische Ausdrucksformen als solche zu erkennen und ihre spezifische Aussagekraft anzuerkennen, ermöglicht es älteren Jugendlichen, unterschiedliche Denk- und Ausdrucksweisen nicht länger als einander ausschließend zu verstehen, sondern als einander ergänzend. In dem Maße, in dem Menschen nicht nur auf Sachverhalte reflektieren (»Objektreflexion«), sondern auch auf die Medien, Denk- und Ausdrucksformen, mit deren Hilfe Sachverhalte zugänglich sind (»Mittelreflexion«), werden sie fähig, komplementär zu denken. Eine entwicklungspsychologische Theorie, die die Genese dieser Fähigkeit modelliert, verdanken wir K. Helmut Reich (*1923).19 17 James W. Fowler: Glaubensentwicklung. Perspektiven für Seelsorge und kirchliche Bildungsarbeit, Gütersloh 1989, 94 f., 98 f., 100 f. 18 Zur Anwendung siehe Fowler: Glaubensentwicklung 1989 und ders.: Faith development theory and the challenges of Practical Theology, in: Developing a public faith, ed. by Richard Osmer, St. Louis 2003, 229–250; zur kritischen Auseinandersetzung etwa Karl Ernst Nipkow u. a. (Hg.): Glaubensentwicklung und Erziehung, Gütersloh 21989 und Gabriele Klappenecker: Glaubensentwicklung und Lebensgeschichte: eine Auseinandersetzung mit der Ethik James Fowlers, zugleich ein Beitrag zur Rezeption von H. Richard Niebuhr, Lawrence Kohlberg und Erik H. Erik­ son, Stuttgart 1998. 19 Reto Luzius Fetz/Karl Helmut Reich/Peter Valentin: Weltbildentwicklung und Schöpfungsverständnis: eine strukturgenetische Untersuchung bei Kindern und Jugendlichen, Stuttgart 2001; K. Helmut Reich: Developing the horizons of the mind. Relational and contextual reasoning and the resolution of cognitive conflict, Cambridge 2002.

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Unter Bezug auf solche kognitionspsychologischen Modelle wurden in den letzten Jahren zudem Entwicklungstheorien der »Spiritualität« entwickelt. Während jene darauf bedacht waren und sind, ihren Gegenstand operationalisierbar zu bestimmen, nehmen Spiritualitätskonzepte eine gewisse Unschärfe in Kauf, um die Multidimensionalität, die Kontextualität (»embeddedness«) und das Streben nach Selbsttranszendierung, die dieser Begriff als für das Selbstverständnis von Menschen konstitutiv geltend machen soll, zu wahren.20 Im Blick auf den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (wie anderswo) vermögen diese Theorien Ȥ die Wahrnehmung und Deutung von Verhaltensmustern und Äußerungen Jugendlicher zu verbessern, Ȥ mentale und intellektuelle Aufgaben identifizieren zu helfen, vor denen junge Erwachsene in ihrer Biografie stehen, Ȥ und einen didaktischen Impuls zu setzen: Religiöse Bildung ist nicht dazu da, den Status quo von Schülerinnen und Schülern zu stabilisieren, sondern eine Weiterentwicklung anzuregen.21

2. Diversity im Spiegel von Statistik und (Religions-)Soziologie Nehmen entwicklungspsychologische Theorien das Selbstverständnis von Menschen diachron, im biografischen Längsschnitt bzw. in seiner lebensgeschichtlichen Dynamik in den Blick, konzentrieren sich statistische Angaben und religionssoziologische Analysen synchron auf Momentaufnahmen – bezogen auf Einzelne (so in der Regel im Modus qualitativer Forschung) oder auf größere Probandengruppen (so in der quantitativen Forschung). Einige Befunde sollen hier referiert werden – sie dienen dazu, die Vielfältigkeit von Schülerinnen und Schülern an berufsbildenden Schulen und im dortigen Religionsunterricht zu belegen (obschon die wenigsten Heterogenitätsfaktoren statistisch dezidiert für den Religionsunterricht ausweisbar sind).

20 Anton A. Bucher: Psychologie der Spiritualität. Handbuch, Weinheim (2007) 2., vollst. überarb. Aufl. 2014. 21 Zur Darstellung entwicklungspsychologischer Modelle und ihrer religionspädagogischen Nutzung vgl. Bernd Schröder: Religionspädagogik, Tübingen 2012, § 19, Gerhard Büttner/VeitJakobus Dieterich: Entwicklungspsychologie in der Religionspädagogik, Göttingen (2013) 22016, Friedrich Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion, Gütersloh (1987) 82016.

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Behinderung Ende 2015 lebten in Deutschland 7,6 Millionen Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung, das entspricht 9,3 % der Bevölkerung. Zudem lebten weitere 2,8 Millionen mit leichteren Einschränkungen; damit gelten insgesamt ca. 13 % der Bevölkerung als Personen mit Behinderung. 76 % der schwerbehinderten Personen sind mindestens 55 Jahre alt; 2 % unter 18 Jahren;22 etwa 5 % gehören zur Gruppe der (jungen) Erwachsenen zwischen 18 und 35 Jahren. Der Umstand, dass die Behinderungsquoten je nach Alter so erheblich differieren, erklärt sich daraus, dass knapp 90 % der Schwerbehinderungen krankheits- oder unfallbedingt sind – nur ein kleiner Teil von etwa 5 % ist angeboren.23 Anders gewendet: Unter den 18–25-Jährigen sind 1,9 % (knapp 119.000 Personen) schwerbehindert, unter den 25–35-Jährigen sind es 2,3 % (knapp 246.000 Personen).24 Die Statistik lässt nicht erkennen, welchen Tätigkeiten dieser Personenkreis nachgeht; es ist davon auszugehen, dass sie sich anteilig in berufsbildenden Schulen ebenso finden wie an Hochschulen und in mehr oder weniger qualifizierten Beschäftigungsverhältnissen.25 Als Indiz dafür kann gelten, dass alljährlich etwa 2 % der beruflichen Ausbildungsverträge unter den Bedingungen einer »Ausbildung für Menschen mit Behinderungen« (nach § 66 Berufsbildungsgesetz) geschlossen werden.26 Die Ausbildung findet dann ganz oder übergangsweise außerbetrieblich und mit besonderer Unterstützung statt; durchgeführt wird sie mehrheitlich von den Berufsbildungswerken. Ansonsten werden »für berufliche Ausbildung [wie für] Studium und Weiterbildung grundsätzlich keine über die allgemeinen Bestimmungen des Sozialgesetzbuches hinausgehenden Leistungen aufgrund einer Behinderung gewährt«, es sei denn »in Abhängigkeit von Art und Schwere der Behinderung […] Nachteilsausgleiche[.] bei der Durchführung der Ausbildung und bei Prüfungen« (nach § 65 BBiG).27 22 https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/10/PD16_381_227. html (Zugriff am 20.4.2017). 23 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Behinderte/Tabellen/ SchwerbehinderteAlterGeschlechtQuote.html (Zugriff am 20.4.2017). 24 Ebd. 25 Autorengruppe Bildungsberichterstattung: Bildung in Deutschland 2014. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur Bildung von Menschen mit Behinderungen, Bielefeld 2014, 157–203, hier 182. 26 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hg.): Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung, Bonn 2013, 101–105. 27 Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014 (s. o. Anm. 25), hier 160 und Abb. H-1 (159). Zur Systematik von Diagnostik und Fördermöglichkeiten siehe ebd., 164 f. und 171–173.

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Im Rahmen beruflicher Bildung »wird Behinderung […] nicht [wie in der Schulpflicht-Zeit] im schulrechtlichen Sinne, sondern unter Bezugnahme auf das SGB [Sozialgesetzbuch] IX bestimmt«.28 Die mit Abstand häufigste Behinderung ist (auch) im System der beruflichen Bildung die sog. Lernbehinderung.29 Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf finden sich in den verschiedenen Formen berufsbildender Schulen in deutlich unterscheidbarer Dichte: Während sie in der Berufsfachschule nur 1 % der Schülerpopulation ausmachen, sind es in der (Teilzeit-)Berufsschule unter 3 %, im Berufsvorbereitungsjahr hingegen 29 %.30 Im Vergleich zum allgemeinbildenden Schulwesen sind »inklusive vollqualifizierende Angebote« selten.31 Zwar gibt es seit 2012 ein »Rahmencurriculum für eine Rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation für Ausbilderinnen und Ausbilder (ReZA)«, doch schulorganisatorische und didaktische Konzepte inklusiver Berufsbildung sind rar.32 Gender In der Bildungsphase, die an die Sekundarstufe I anschließt, werden Gender-Differenzen in anderer Weise sichtbar als in den Klassen 1–10 der Primar- und Sekundarstufe I. Die Differenzen sind zudem nicht rückläufig, sondern bleiben stabil oder treten im Zeitverlauf deutlicher hervor. Dies sei am Beispiel der sog. integrierten Ausbildungsberichterstattung (iABE) aufgezeigt, die vier Sektoren unterscheidet: Berufsausbildung, Integration in Ausbildung (Übergangsbereich), Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung und Studium. »Das Geschlechterverhältnis im Sektor Berufsausbildung [insgesamt] ist 2016 relativ ausgeglichen (49,6 % Frauen zu 50,4 % Männer), es zeigen sich allerdings erhebliche Unterschiede zwischen den Konten. Während die duale Berufsausbildung eher männlich dominiert ist (60,2 %), befinden sich in den Ausbildungen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen überwiegend Frauen (77,9 %). Zudem sind junge Frauen etwas häufiger in den Sektoren Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung (52,8 %) sowie Studium (50,5 %) vertreten. 28 29 30 31 32

Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014 (s. o. Anm. 25), hier 164. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014 (s. o. Anm. 25), 165 und 183 f. mit Abb. H3–4. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014 (s. o. Anm. 25), hier 183. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014 (s. o. Anm. 25), hier 187. Instruktiv Einblick gibt: Inklusive Berufsbildung: Didaktik beruflicher Teilhabe trotz Behinderung und Benachteiligung, hrsg. von Horst Biermann/Bernhard Bonz, Baltmannsweiler 2011. Das besagte Rahmencurriculum ist abrufbar unter: https://www.bibb.de/dokumente/pdf Empfehlung_HA_Rahmencurriculum.pdf (Zugriff am 20.4.2017).

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Akteure im BRU – personale Aspekte

Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil junger Männer im Übergangsbereich (65,3 %).« Vergleicht man die Prozentanteile der Geschlechter mit denjenigen des Jahres 2005, so zeigt sich: Der Anteil der Frauen in den Sektoren Berufsausbildung und Übergangsbereich ist stärker rückläufig als derjenige der Männer; im Sektor Hochschulzugangsberechtigung steigt er – wenn auch in etwas schwächerem Maße als derjenige der Männer – und im Sektor Studium steigt er deutlich stärker als derjenige der Männer. Im Ausbildungswahlverhalten der jungen Frauen spiegelt sich also der allgemeine Trend zu höheren Schulabschlüssen und steigender Studierneigung überproportional deutlich wider.33 Lässt man den Sektor »Studium« außen vor, so bilden sich Gender-Differenzen in den berufsbildenden Schulen wie folgt ab: Von den knapp 2,5 Millionen Schülerinnen und Schülern an berufsbildenden Schulen sind – Stand: Schuljahr 2015/16 – 44 % weiblich. Während der Anteil der Schülerinnen in (Teilzeit)-Berufsschulen, also in der dualen Ausbildung, nur 38 % beträgt, im Berufsvorbereitungsjahr, also im Übergangsbereich, nur 31 %, beläuft er sich an Fachgymnasien und Fachoberschulen jeweils auf gut 52 %.34 Neben diesen Gender-Differenzen nach Anforderungsniveau bzw. Bildungsambition, sticht – Fokus: duale Berufsausbildung – die Gender-Differenz in der Berufswahl ins Auge. Zur Illustration sei die Liste der zehn häufigsten Ausbildungsberufe und ihrer Wahlquoten durch männliche und weibliche Auszubildende angeführt:35 Rangliste der Ausbildungsberufe nach Häufigkeit der Neuabschlüsse von Ausbildungsverträgen in Deutschland im Jahr 2014 und ihre Verteilung nach Geschlecht der Auszubildenden Beruf

Anzahl

m

w

Kaufmann/-frau im Büromanagement

29.136

25,6 %

74,4 %

Rang 1

Kaufmann/-frau im Einzelhandel

26.514

46,2 %

53,8 %

2

Verkäufer/in

25.209

41,3 %

58,7 %

3

Kraftfahrzeugmechatroniker/in

20.193

95,4 %

4,6 %

4

Industriekaufmann/-frau

18.321

39,7 %

60,3 %

5

33 Zitate des Abschnitts aus Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.): Berufsbildungsbericht 2017, Bonn 2017, 48(–50); vgl. v. a. Tab. 10. 34 Statistisches Bundesamt: Bildung und Kultur – berufliche Schulen: Schuljahr 2015/16, Wiesbaden 2017 (Fachserie 11, Reihe 2), 8 (Tab 1.1). Zum Vergleich: An allgemeinbildenden Schulen sind 49 % der Schülerschaft weiblich; auch der Mädchen-Anteil jedes Geburtsjahrgangs liegt cum grano salis bei gut 49 %. 35 Rangliste 2014 der Ausbildungsberufe nach Anzahl der Neuabschlüsse, erstellt vom Bundesinstitut für berufliche Bildung: https://www.bibb.de/de/24561.php (Zugriff am 20.4.2017).

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Die Schülerinnen und Schüler im BRU

Rangliste der Ausbildungsberufe nach Häufigkeit der Neuabschlüsse von Ausbildungsverträgen in Deutschland im Jahr 2014 und ihre Verteilung nach Geschlecht der Auszubildenden Beruf

Anzahl

m

w

Rang

Kaufmann/-frau im Groß- und Außenhandel

14.889

58,7 %

41,3 %

6

Medizinische/r Fachangestellte/r

14.133

1,8 %

98,2 %

7

Industriemechaniker/in

13.302

93,8 %

6,2 %

8

Bankkaufmann/-frau

12.495

47,0 %

53,0 %

9

Elektroniker/in

12.099

97,8 %

2,2 %

10

Der Berufsbildungsbericht der Bundesregierung fasst die ausgeprägten Ausbildungspräferenzen speziell junger Frauen wie folgt zusammen: »Bezogen auf die sieben Ausbildungsbereiche wiesen die freien Berufe mit 92,8 % den höchsten relativen Anteil der mit jungen Frauen geschlossenen Verträge auf, gefolgt von der Hauswirtschaft (90,0 %) und dem öffentlichen Dienst (63,8 %). In Industrie und Handel wurden 38,4 % der Verträge mit jungen Frauen geschlossen. Eher niedrig war der Frauenanteil im Handwerk und in der Landwirtschaft (jeweils 23,3 %) und in der Seeschifffahrt (8,8 %). Frauen sind nicht nur in geringerem Maße in der dualen Berufsausbildung vertreten, sie konzentrieren sich auch auf weniger Ausbildungsberufe und lassen die Berufe des gewerblich-technischen Bereichs – ungeachtet leichter Zunahmen in den letzten Jahren – immer noch recht stark außer Acht. Im Jahr 2016 fanden sich 74,5 % aller weiblichen Ausbildungsanfänger in nur 25 Berufen wieder. Bei den jungen Männern entfielen auf die 25 am häufigsten von männlichen Jugendlichen gewählten Berufe 61,7 %.«36

Untersuchungen zufolge spielt bei der Berufswahl neben dem erhofften »Entsprechungsgrad von Selbstkonzept und Berufskonzept« sowie – noch immer – den elterlichen Empfehlungen (in denen sich die Gender-Rollenvorstellungen der vorangegangenen Generation niederschlagen) auch die Berufsbezeichnung eine nicht geringe Rolle: Während Berufe, in deren Namen die Elemente »-arbeiter/in« oder »-monteurin« prägend sind, kaum von Frauen gewählt werden, ist es bei denjenigen mit den Elementen »-büro«, »-helfer/in« oder »-assistent/in« andersherum.37

36 Bundesministerium, Berufsbildungsbericht 2017 (s. o. Anm. 33), 39. 37 Hier referiert nach Jahresgutachten 2009: Geschlechterdifferenzen im Bildungssystem, hrsg. von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), Wiesbaden 2009, 111–125, hier 116 f.

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Akteure im BRU – personale Aspekte

»Vom Einstieg in die Berufsausbildung bis zur Allokation auf dem Arbeitsmarkt bewegen sich die Geschlechterdifferenzen in zwei Richtungen: Es zeigt sich [einerseits] eine langfristige Wirkung der Bildungsvorteile der Mädchen. Sie sind aufgrund höherer Bildungsabschlüsse und besserer Noten seltener im Übergangssystem vertreten und schließen ihre Ausbildung häufiger als junge Männer erfolgreich ab. Allerdings kommt es [andererseits] durch die geschlechtsspezifische Wahl des Ausbildungsberufes […] zu Benachteiligungen der Mädchen [etwa zu] ungünstigeren Aufstiegsund Karrierechancen im Berufsverlauf«.38

Verglichen mit der Deutlichkeit von Gender-Differenzen in der Wahl beruflicher Bildungsgänge und Berufe fallen diese im Blick auf Religiosität nur schwach aus. Zwar erweisen sich Mädchen bzw. Frauen im Vergleich zu gleichaltrigen Jungen bzw. Männern im Durchschnitt als loyaler gegenüber ihrer Religionsgemeinschaft, als zustimmungsbereiter gegenüber »orthodoxen« Glaubensüberzeugungen, und als teilnahmebereiter für religiöse Praxen – doch die Differenz ist häufig statistisch nicht signifikant; zudem finden sich im Einzelfall stets Ausnahmen von der Regel; vor allem aber ist die Gender-Differenz bei den jungen Erwachsenen unter 27 Jahren weniger ausgeprägt als bei älteren Kohorten.39 Lebensstile und Milieus Die Shell-Jugendstudie identifiziert die Zugehörigkeit Jugendlicher zu einer bestimmten »sozialen Schicht« als nicht selten wichtigen Einflussfaktor, etwa bei Wertorientierungen (Kap. 3) und Berufsoptionen (Kap. 4), nicht zuletzt bei der Wahl des angestrebten oder erreichten Schulabschlusses und des weiteren Bildungsweges: Seit der Jahrtausendwende haben sich zwar »die Bildungserfolge aller sozialen Schichten […] erhöht«, aber die relativen Differenzen zwischen den Schichten sind »praktisch gleich geblieben«: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Jugendlicher das Abitur erreicht, ist »mehr als doppelt so hoch, wenn sein

38 Vbw, Jahresgutachten 2009 (s. o. Anm. 37), 124. 39 Vgl. die exemplarisch präzise genderbezogene Auswertung der 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung von Tabea Spieß/Claudia Schulz/Eberhard Hauschildt: Kirchenmitgliedschaft für Frauen und Männer – Genderperspektiven auf Religiosität und religiöse Praxis, in: Vernetzte Vielfalt. Kirche angesichts von Individualisierung und Säkularisierung. Die fünfte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft, hrsg. von Heinrich Bedford-Strohm/Volker Jung, Gütersloh 2015, 236– 247, hier v. a. 241 f. Siehe zudem zusammenfassend Schröder, Schülerinnen 2017 (s. o. Anm. 7), und als exemplarische Untersuchung (die allerdings nicht Schülerinnen und Schüler an BBS betrifft) Ulrich Riegel: Gott und Gender, Münster 2004.

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Vater selbst das Abitur besitzt«.40 Ohne dies konkret statistisch belegen zu können, dürfte sich die soziale Schichtenlage in der Schülerschaft verschiedener Bildungsgänge beruflicher Schulen abbilden. Die Faktoren der Schichtung, Einkommen und – mehr noch – Bildung (beides bezogen auf die Herkunftsfamilie) sind zusammen mit Alter und Geschlecht zugleich wichtige Merkmale bei der Identifikation sog. Lebensstile. Jugendliche weisen – insbesondere dann, wenn sie formal höhere Bildung und dementsprechend einträglichere Berufe anstreben oder erreichen – mehrheitlich einen modernen Stil auf (bezogen auf ästhetische Präferenzen und Werte wie Gleichberechtigung der Geschlechter), der u. a. häufig mit Kirchendistanz einhergeht. In der Diktion der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung(en) der EKD gehören sie vorzugsweise zum »jugendkulturell-modernen« oder »Do-it-yourself geprägten, modernen Lebensstil«.41 Formal wenig Gebildete mit geringem Einkommen unter den Jugendlichen dürften demnach zu »traditionsorientierten« (und weniger kirchendistanzierten) Lebensstilen tendieren. Leider jedoch fehlt in den Veröffentlichungen der EKD zu den Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen eine Aufschlüsselung der Stile nach Altersgruppen.42 Gleichwohl sei hier eine Beobachtung und ein Desiderat, das nicht zuletzt auf berufsbildende Schulen zielt, zitiert: »In der evangelischen Großkirche wirkt der Bildungsfaktor außerordentlich stark — als passend für die einen und abstoßend für die anderen. Das ist inzwischen das Bildungsdilemma anderer Art […]. Es fehlen für weniger bildungsaffine Menschen Formen des Erkennens und Erlebens von Religion im Alltag. […] Von besonderer

40 Deutsche Shell (Hg.). Jugend 2015 (17. Shell-Jugendstudie; verfasst von Mathias Albert/Klaus Hurrelmann/Gudrun Quenzel), Frankfurt a. M. 2015, 68. Schichtzugehörigkeit wird festgemacht an der »Bildungsposition der Herkunftsfamilie sowie [an] verfügbare[n] materielle[n] Ressourcen« (ebd., 429). Die konstruierte Sozialpyramide weist eine kleine »untere Schicht« (11 %) und eine kleine »obere Schicht« (13 %) auf und dazwischen eine – in drei gleich starke Lagen gegliederte – große »Mittelschicht« (76 %; ebd., 431). 41 Claudia Schulz/Tabea Spieß/Eberhard Hauschildt: Zwischen kirchlichem Mainstream und der Macht der Milieudifferenzen […], in: Bedford-Strohm/Jung, Vernetzte Vielfalt 2015 (s. o. Anm. 39), 219–235. Sie sehen die zehn Jahre zuvor gewonnene »Lebensstiltypologie« cum grano salis bestätigt (232). 42 Eine weitere, vielzitierte Lebensstiltypologie entstammt Marc Calmbach/Silke Borgstedt/Inga Borchard/Peter M. Thomas/Berthold B. Flaig: Wie ticken Jugendliche 2016? Lebenswelten von 14 bis 17 Jahren in Deutschland, Wiesbaden 2016. Diese basiert jedoch auf einer anderen Methode (qualitativ statt quantitativ) und – dementsprechend – auf so kleinen Fallzahlen, dass sie keine Repräsentativität beanspruchen kann. Zudem liegt ihre Befragungspopulation unterhalb der Altersgruppe von Schülerinnen und Schülern berufsbildender Schulen.

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Bedeutung [wären Bildungssettings], die eben nicht Settings klassischen Lernens und abstrahierender Bildung benutzen.«43

Migrationshintergrund und Ausländeranteil Deutschlandweit werden 10 % der Schülerinnen und Schüler an Berufsbildenden Schulen als »ausländisch« geführt; ein knappes Drittel von diesen ausländischen Schülerinnen und Schülern hat die türkische Staatsbürgerschaft, darauf folgen – mit großem Abstand – Schülerinnen und Schüler mit italienischer und afghanischer Nationalität.44 Diese nationale Zugehörigkeit (Sprache, kulturelle Prägung) bzw. die Migrationserfahrung beeinflusst augenscheinlich die Bildungsbiografie: Während von den deutschen Schülerinnen und Schülern nur 1,8 % ein Berufsvorbereitungsjahr absolvieren (in absoluten Zahlen: 40.800), sind es 16 % der ausländischen Schülerinnen und Schüler (in absoluten Zahlen: 39.970).45 »Die mit deutlichem Abstand größten Probleme mit dem Berufsstart haben die Jugendlichen mit asiatischer oder afrikanischer Herkunft. Von der ersten Gruppe münden 60 %, von der zweiten 70 % ins Übergangssystem ein.«46 Daneben ist auch die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund47 für das berufsbildende Schulwesen von großer Bedeutung: Haben von der Gesamtbevölkerung in Deutschland »nur« 21 % einen Migrationshintergrund, sind es in der Altersgruppe der 20–25-Jährigen 25,6 % und in derjenigen der 15–20-Jährigen sogar 28,5 %.48 Da – in dieser Reihenfolge – Ausländerinnen und Ausländer mit eigener Migrationserfahrung, Deutsche mit eigener Migrationserfahrung, Ausländer ohne eigene Migrationserfahrung – im Vergleich zu Personen ohne Migrationshintergrund – deutlich häufiger nur niedrige Schul- und 43 Schulz/Spieß/Hauschildt, Milieudifferenzen 2015 (s. o. Anm. 41), 233. 44 Vgl. Statistisches Bundesamt, berufliche Schulen 2017 (s. o. Anm. 34), 478–482 (Tab. 3.2). 45 Statistisches Bundesamt, berufliche Schulen 2017 (s. o. Anm. 34), 39 (Tab. 2.4); vgl. 425–432 (Tab. 3.1). 46 Autorengruppe Bildungsberichterstattung: Bildung in Deutschland 2016. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration, Bielefeld 2016, 176, vgl. zudem Abb. H2–13A. 47 Das Statistische Bundesamt definiert: »›Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt.‹ Die Definition umfasst im Einzelnen folgende Personen: 1. zugewanderte und nicht zugewanderte Ausländer; 2. zugewanderte und nicht zugewanderte Eingebürgerte; 3. (Spät-)Aussiedler; 4. mit deutscher Staatsangehörigkeit geborene Nachkommen der drei zuvor genannten Gruppen.« – Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit – Bevölkerung mit Migrationshintergrund, Wiesbaden 2017 (Fachserie 1, Reihe 2.2), hier 4. 48 Statistisches Bundesamt, Bevölkerung mit Migrationshintergrund 2017 (s. o. Anm. 47), 37 – absolute Zahlen 36.

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Berufsabschlüsse erreichen,49 kann man rückschließen, dass sie sich in den weniger komplexen Bildungsgängen berufsbildender Schulen häufiger finden.50 Da die Länder, aus denen Schülerinnen und Schüler oder ihre Elternteile zuwandern, weitaus häufiger islamisch, orthodox oder römisch-katholisch (als evangelisch) geprägt sind, besteht hoher Bedarf an entsprechendem Religionsunterricht – de facto jedoch nehmen Schülerinnen und Schüler der verschiedensten Denominationen an dem römisch-katholischen oder evangelischen Religionsunterricht teil, der in ihrem Bildungsgang angeboten wird. Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen – insbesondere im Übergangssystem, aber auch in der Berufsschule – hat insofern oft interkulturellen und interreligiösen Charakter. Die Flüchtlinge und ihre Integration in die berufliche Bildung ist eine spezielle, besonders aktuelle Facette der strukturell bedeutsamen Frage nach Jugendlichen mit Migrationserfahrung und -hintergrund. Dazu sei hier nur auf einschlägige Spezialuntersuchungen verwiesen.51 Religionszugehörigkeit Von den 82,2 Millionen Menschen, die im Jahr 2015 in Deutschland lebten, waren 28,9 % römisch-katholisch,52 weitere 27,1 % evangelisch,53 weitere etwa 2 % sind orthodoxe und non-chalcedonensische Christen und 1 % gehören anderen christlichen Konfessionen an; alles in allem zählen also knapp 60 % der Bevölkerung als Christen. Darüber hinaus gehören etwa 7 % der Bevölkerung anderen Religionsgemeinschaften an: Die Zahl der Muslime wird auf knapp 5 Millionen (etwa 6 % der Bevölkerung), die der Jüdinnen und Juden beispielsweise auf 200.000 (0,25 %), die der Buddhisten auf gut 250.000 (0,2 %) geschätzt.54 »Insgesamt rechnet REMID [… zudem] mit mind. 2,4 Mio. Anhängern sonstiger Religion[en], Glaubensrichtung[en] oder Weltanschauung[en] (3 %)«, angefangen bei den Yeziden bis zur 49 Statistisches Bundesamt, Bevölkerung mit Migrationshintergrund 2017 (s. o. Anm. 47), 32, Abb. 12. 50 Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016 (s. o. Anm. 46), 161–106, v. a. 176–179, 188 f und 201 f. 51 Bundesinstitut für Berufsbildung (Hg.): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2017. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung, Bonn 2017, bes. 417–470. 52 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Katholische Kirche in Deutschland – Zahlen und Fakten 2015/16, Bonn 2016, 6 f. 53 Kirchenamt der EKD (Hg.): Evangelische Kirche in Deutschland – Zahlen und Fakten zum kirchlichen Leben, Hannover 2016, 4. 54 Die genannten geschätzten Zahlen sind den Angaben von REMID entnommen: http://remid. de/info_zahlen (Zugriff am 20.4.2017).

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»Neuen Gruppe der Weltdiener«.55 Als »konfessionslos« sind demnach ca. 31 % der Bevölkerung, etwa 25 Millionen Menschen, anzusprechen. In etwa dürfte dieser Proporz auch unter den jungen Erwachsenen zwischen 18 und 27 Jahren anzutreffen sein, da Religionszugehörigkeit in Deutschland – abgesehen vom Wechsel in die Konfessionslosigkeit – in der Regel durch die Herkunftsfamilie, nicht durch Wahl bestimmt ist. Eine verlässliche altersgruppendifferenzierte Statistik gibt es allerdings nicht – die Stichproben der bekannten jugendbezogenen Studien wie etwa die Shell-Jugendstudie sind im Blick auf die Religionszugehörigkeit ihrer Probanden nicht repräsentativ, sondern zufällig zusammengesetzt. Gleichwohl machen sie deutlich, dass das Junge Erwachsenenalter der biografische Zeitraum ist, in dem junge Menschen de facto erstmals mit Rechtsfolgen Entscheidungen über den Verbleib, den Wechsel und den Austritt aus ihrer Religionsgemeinschaft fällen: »Die Hälfte aller Kirchenaustritte [wird] zwischen dem 18. und dem 29. Lebensjahr vollzogen«.56 In dieser Altersgruppe ist in mancher Hinsicht der Zenit der Kirchen- und Religionsdistanz zu beobachten.57 In vielen Jugendstudien (die i. d. R. bis zum 18., 21. oder 27. Lebensjahr reichen), die sich u. a. dem Themenfeld Religion zuwenden, sind Schülerinnen und Schüler berufsbildender Schulen zwar auch inbegriffen, doch eine schulformbezogene Auswertung der Daten wird Leserinnen und Lesern nur selten zugänglich gemacht. Unter den Studien der vergangenen zehn Jahre sind Berufsschülerinnen und Berufsschüler lediglich in einer Online-Fragebogen-Untersuchung explizit im Blick, die 2008 von Andreas Feige und Carsten Gennerich durchgeführt wurde: Die Untersuchung zielte auf die Erhebung alltagsethischer und u. a. auch -religiöser Präferenzen von Jugendlichen in der Berufsausbildung. Unter den mehr als 8.000 Probanden befanden sich 41,5 % (also überproportional viele) evangelisch-landeskirchliche sowie 1,8 % freikirchliche, 37 % (also ebenfalls überdurchschnittlich viele) katholische, knapp 6 % muslimische, 2,6 % anders religiöse und etwa 10 % (also unterdurchschnittlich wenige) konfessionslose Jugendliche; nur gut 10 % der Befragten waren älter als 19 Jahre.58 55 http://remid.de/info_zahlen/verschiedene/ (Zugriff am 20.4.2017). 56 Detlef Pollack: Art. Kirchenaustritt I. Historisch und Soziologisch, in: RGG IV (42001), 1053– 1056, hier 1054. Die Feststellung gilt zumindest im Blick auf evangelische Personen. 57 So Bernd Schröder: Die Religion der Schülerinnen und Schüler – Jugendkultur und Religionsunterricht, in: Michael Wermke u. a. (Hg.): Religion in der Sekundarstufe II. Ein Kompendium, Göttingen 2006, 146–166, hier 157. In rechtlicher Hinsicht sind Menschen in Deutschland bereits mit Vollendung des vierzehnten Lebensjahres religionsmündig (»Gesetz über religiöse Kinderziehung« aus dem Jahr 1921, § 5). 58 Andreas Feige/Carsten Gennerich: Lebensorientierungen Jugendlicher. Alltagsethik, Moral und Religion in der Wahrnehmung von Berufsschülerinnen und -schülern in Deutschland, Münster 2008, hier 24 und 26.

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Im Blick auf die Wertschätzung des Christentums und die Haltung zum Kirchenaustritt unter christlichen (!) Berufsschülerinnen und Berufsschüler lässt sich Folgendes erkennen: Drei Viertel von ihnen halten »das Christentum in der Gesellschaft« für »irgendwie dazugehörig«, »zwar schwer verstehbar, aber dennoch unverzichtbar« oder sogar für »immer gültig« (nur ein Viertel von ihnen hält es für »überflüssig« oder »entmündigend«); drei Fünftel bejahen Aussagen der Bibel und des Glaubensbekenntnisses als wortwörtlich oder zumindest »im Prinzip« zutreffend; knapp oder gut die Hälfte von ihnen (ev: 46 %; rk: 59 %) lehnt einen Kirchenaustritt ab.59 Vergleicht man namentlich die Antworten der Berufsschülerinnen und Berufsschüler zur Frage des Kirchenaustritts mit den Antworten, die evangelische Kirchenmitglieder der Altersgruppe zwischen 14 und 29 Jahren insgesamt geben, so scheinen Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen dem Kirchenaustritt weniger ablehnend gegenüber zu stehen als der Durchschnitt ihrer evangelischen Peers: Unter ihnen kommt für 56 % ein Kirchenaustritt nicht in Frage.60 Empirische Untersuchungen zu muslimischen Schülerinnen und Schülern an berufsbildenden Schulen sucht man bislang vergeblich – von Daten zu kleineren religiösen und denominationellen Minderheiten ganz zu schweigen. Religiosität und Selbstverständnis Von der Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft ist die Religiosität, also die je persönliche Praxis und der Bestand an Überzeugungen und Einstellungen, zu unterscheiden. Untersuchungen zeigen, dass sich diesbezüglich unbeschadet aller Individualität bestimmte Typen erkennen lassen. Im Blick auf das Jugendalter sind dies wohl »ein Typ, dessen Glaube sich stark an institutionell verfassten religiösen Traditionen ausrichtet [›explizit religiös‹], und ein Typ, der jegliche Religion ablehnt [›nicht religiös‹].« »Im Zwischenraum zwischen institutionell getragenem Glauben und der Ablehnung jeglicher Religiosität« zeichnen sich zwei weitere Typen ab – einer, »der prinzipiell offen ist für Religion, wenn auch in eher allgemeiner Gestalt [›religiös musikalisch‹], und eine[r …], der der jeweiligen dominierenden institutionellen Gestalt von Religion indifferent gegenübersteht [›indifferent‹].«61 59 Feige/Gennerich, Lebensorientierungen 2008 (s. o. Anm. 58), 106–109. 60 Bedford-Strohm/Jung, Vernetzte Vielfalt 2015 (s. o. Anm. 39), 488 f. (Frage 28a); vgl. 147–152. 61 Ulrich Riegel/Anne Elise Hallwaß: Zur Reichweite konfessioneller Positionen im individuellen Glauben Jugendlicher und junger Erwachsener. Eine clusteranalytische Auswertung der Daten der V. KMU auf dem Teilsample U 30, in: Schröder u. a., Religion 2017 (s. o. Anm. 7), 75–94, hier 91. Derselbe Artikel bietet eine Konkretisierung dieser Vierfach-Typologie, die aus den Befunden der fünften Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung an evangelischen Kirchenmitgliedern

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Trotz des (noch immer) hohen religionsgemeinschaftlichen Organisationsgrades Jugendlicher legen die wenigen spezifischen Daten für Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen die Vermutung nahe, dass diese »religiöse[n] Deutungsmuster[n]« gemeinhin wenig Orientierungskraft für ihr Leben zuschreiben (mit anderen Worten: dass Vertreter des »nicht religiösen« und des »religiös indifferenten« Typs vergleichsweise häufig anzutreffen sind). Auf die Frage »Wer oder was lenkt und bestimmt meinen Lebenslauf?« geben 63 % das »Zusammenleben mit meinen Eltern/Familienangehörigen/ meinem Lebenspartner« an, ebenso viele sagen: »nur ich selbst«. Mit 56 % folgen »Freunde«, 46 % »mein Beruf/meine Arbeit«, 17 % »Gott« (weitere 9 % »Allah«) und 10 % »meine Religions-/Glaubensgemeinschaft«. Die Antworten liegen bei Probanden aller Denominationen und auch bei sog. Konfessionslosen nahe beieinander – lediglich bei muslimischen Schülerinnen und Schülern sind deutliche Abweichungen zu beobachten: Sie geben »Allah« als den wichtigsten Bestimmungsfaktor ihres Lebens an, gefolgt von Familie und sich selbst.62 Die Frage »Wie ist die Welt entstanden?« wird mehrheitlich naturwissenschaftlich erklärt (»im Urknall« 56 %) oder für unerklärlich gehalten (39 %) – »als Schöpfung Gottes« wird die Welt nur von 29 % gesehen. Auch hier bieten v. a. Muslime ein abweichendes Meinungsbild, indem sie den Schöpfungsgedanken weitaus stärker bejahen, zudem allerdings auch Konfessionslose, indem sie diesen Gedanken strikt zurückweisen. Wichtiger noch als die Zustimmungsquoten ist der – per Faktorenanalyse erhobene – Befund: »Zufalls- und Urknall-Semantik erscheinen als unvereinbar mit der Semantik von ›Gottes Schöpfung‹.«63 Die Autoren der Studie markieren angesichts dieser und weiterer Befunde, etwa zur Frage »Was passiert nach meinem Tod mit mir?« oder »Wo finde ich den Sinn des Lebens?«, ein hermeneutisches Grundproblem: »Fast alle Schüler/ innen haben das Bedürfnis, ihre Autonomie sowie soziale Beziehungen wertzuschätzen, die den Berufsschüler/innen zur Verfügung stehenden Deutungen leisten dies jedoch kaum«, und religiöse Deutungsmuster erschließen sich ihnen nicht als solche, die das Subjekt stärken!64 und Konfessionslosen aus der Altersgruppe der 14–29-Jährigen errechnet wurde (81–91). Vgl. – unabhängig davon – Hilke Rebenstorf : Die Generation U30 – wie hält sie’s mit der Religion? Signifikante empirische Befunde in der V. KMU, in: Schröder u. a., Religion 2017 (s. o. Anm. 7), 45–74, hier 58–60 und 68 (Tab. 4). 62 Feige/Gennerich, Lebensorientierungen 2008 (s. o. Anm. 54), 83 f. (Abb. 41 und 42). Die Prozentzahlen fassen die Antwortkategorien »bestimmt« und »ganz bestimmt« zusammen. 63 Feige/Gennerich, Lebensorientierungen 2008 (s. o. Anm. 58), 102 f. (Abb. 50 und 51), Zitat 105. Die Prozentzahlen fassen die Antwortkategorien »trifft zu« und »trifft genau zu« zusammen. 64 Carsten Gennerich: Religiosität bei jungen Menschen – eine Frage des Geschlechts? In: BRU Magazin 59/2013, 2–5, hier 4.

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Zudem lässt sich ein enger Zusammenhang zwischen persönlicher Lebenslage und Antwortpräferenzen auf existenzielle Fragen konstatieren: Unter den vier »Typen« – »Humanisten«, also Jugendliche mit »ausgeprägte[r] Beziehungsorientierung« und »starke[r] Autonomieorientierung«, »Statussuchende«, Jugendliche, »die sowohl eher traditionsorientiert denken und gleichzeitig eher eine materialistisch geprägte Selbstorientierung aufweisen«, »Integrierte«, also Jugendliche, die »Traditionsorientierung und Beziehungsorientierung kombinieren«, und »Autonome«, »die besonders an Selbstbehauptung und Opposition zu gesellschaftlichen Institutionen und Ordnungen orientiert« sind65 – sind es v. a. »Integrierte« und »Statussuchende«, die religiöse Deutungsmuster bejahen, während »Autonome« und »Humanisten« sie mehr oder weniger konsequent ablehnen.66 Dieser Befund ist – darauf weist Carsten Gennerich zu Recht nachdrücklich hin – »kein Naturgesetz, sondern unter anderem ein Resultat des inhaltlichen Profils der in den Unterricht eingebrachten Deutungsangebote«; es gilt, religiöse Interpretamente so auszuwählen und so einzubringen, dass sie sich Schülerinnen und Schülern an berufsbildenden Schulen als sinnhaft erschließen – insbesondere jenen, die sich als »Autonome« verstehen (unter denen sich wiederum überproportional viele Männer befinden).67 Den Zusammenhang zwischen – in diesem Fall: sozial benachteiligter – Lebenslage und Religiosität legt auch eine singuläre qualitative Studie nahe (auch wenn die Autorin am Ende diesbezüglich von einer »Uneindeutigkeit [ihr]er Ergebnisse« spricht).68 Die – auf der Grundlage von 36 Leitfaden-gestützten Interviews mit Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren formulierte69 – These lautet: »Religiosität ist […] zugleich Gegenentwurf und Spiegel lebensweltlicher Strukturen«.70 Spiegel der Lebenswelt sind religiöse Vorstellungen demnach etwa, wenn die Gottesvorstellung »das lebensweltliche Beziehungsideal der Jugendlichen widerspiegelt«, Gegenentwurf, wenn die Jugendlichen – die von der Verfasserin als sozial benachteiligt eingestuft werden, sich selbst aber mehrheitlich im »mittleren Segment der Gesellschaft« verorten – »das menschliche Leben über die

65 Feige/Gennerich, Lebensorientierungen 2008 (s. o. Anm. 58), 115. Die »Typen« werden durch eine sog. Cluster-Analyse rechnerisch konstruiert. 66 Feige/Gennerich, Lebensorientierungen 2008 (s. o. Anm. 58), 170 (Bestimmungsfaktoren des Lebenslaufs) und 183 (Weltentstehung). 67 Gennerich, Religiosität 2013 (s. o. Anm. 64), 5. 68 Dörthe Vieregge: Religiosität in der Lebenswelt sozial benachteiligter Jugendlicher: Eine empirische Studie, Münster 2013 (Religious Diversity and Education in Europe, 26), 251. 69 Zum Sample Vieregge, Religiosität 2013 (s. o. Anm. 68), 68–72(–78). Schülerinnen und Schüler berufsbildender Schulen sind nicht darunter. 70 Vieregge, Religiosität 2013 (s. o. Anm. 68), 235.

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Vorstellung einer göttlichen Schöpfung als grundsätzlich gewollt, bejaht und in einen sinnhaften göttlichen Horizont gestellt« sehen.71 Führt man sich diese und weitere Heterogenitätsfaktoren des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen vor Augen, wird ein Paradox unübersehbar: Einerseits ist es didaktisch unabdingbar, die einzelnen Schülerinnen und Schüler und ihre Hintergründe wahrzunehmen, wenn der Religionsunterricht seinem Auftrag, die oder den Einzelnen fachlich wie persönlich zu fördern und zu fordern, gerecht werden will; andererseits ist es illusionär zu meinen, eine Vollzeit-Religionslehrkraft, die 26 Wochenstunden in 26 Lerngruppen erteilt, könne diesen gut 500 jungen Erwachsenen in kollektiven Settings wie Unterricht individuell gerecht werden. So kommt es darauf an, Lernarrangements zu wählen, die den Schülerinnen und Schülern immer wieder Möglichkeiten bieten, ihre eigene religiöse Position bewusst zu machen, zum Ausdruck zu bringen und aufgrund von Impulsen wie Rückfragen weiterzuentwickeln.

3. Die Perspektive der Zeitdiagnose Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen haben als Jugendliche und junge Erwachsene Anteil an zeitbedingten Verhältnissen und Entwicklungen – wiederum muss sogleich hinzugefügt werden, dass dies je nach sozialem Hintergrund, intellektuellem Potenzial, kultureller Herkunft unterschiedlich ausgeprägt sein und unterschiedliche Gestalt finden kann. Pluralisierung und Individualisierung Die seit Jahren leitenden zeitdiagnostischen Konzeptbegriffe gelten auch für Jugendkulturen und Jugendliche: Im Blick auf Konsum, Lebensstil, Politik, Sexualität u. a. m. ist Pluralität das Vorzeichen ihrer Selbstverständnisse und empirischer Beschreibungen, auch wenn sich analytisch selbstredend Muster und Trends erkennen lassen.72

71 Vieregge, Religiosität 2013 (s. o. Anm. 68), 238 und 241. 72 Vgl. etwa Wilfried Ferchhoff: Jugend und Jugendkulturen im 21. Jahrhundert: Lebensformen und Lebensstile, Wiesbaden (2007) 2., akt. und überarb. Aufl. 2011, und Thomas Rauschenbach/Stefan Borrmann (Hg.): Herausforderungen des Jugendalters, Weinheim 2013. Grundlegend ist zudem der 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung, hrsg. vom Bundes-

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Digitalisierung und Mediennutzung Im Blick auf Smartphone, Laptop, Fernseher, damit auch im Blick auf Internetzugang besteht unter Jugendlichen in Deutschland (zwischen 12 und 19 Jahren) Vollversorgung73 – allerdings nur in den Haushalten, in denen sie leben. Die persönlichen Besitzquoten liegen z. T. deutlich niedriger: Ein Smartphone besitzen 95 % (97 % der Mädchen, 93 % der Jungen), einen Computer nur ca. 70 % der Jugendlichen, einen Fernseher gut 50 %.74 Die Mediennutzungsdauer beläuft sich – unter Jugendlichen wie in der Gesamtbevölkerung – seit Jahren stabil auf etwa 9,5 Stunden täglich; auf Printmedien entfallen davon 30 Minuten (unter Jugendlichen; in der Gesamtbevölkerung ca. 45 Minuten).75 Es ist auffällig, dass Mediennutzungsanalysen ihre Ergebnisse zwar häufig nach Alter und Geschlecht der Probanden differenzieren, hingegen nur selten nach deren Bildungsstand: Man wird daraus schließen können, dass dieser in der Regel keinen signifikanten Einfluss auf die Mediennutzung hat. Umso wichtiger sind die Fragestellungen, deren Beantwortung doch nach Bildungsstand differenziert präsentiert wird: So liegt die Zahl der sog. (Buch-)Leseabstinenzler unter Jugendlichen mit niedrigem formalem Bildungsgrad (Haupt-/Realschulabschluss) deutlich höher als unter Gymnasiastinnen und Gymnasiasten (28 : 11 %).76 Die inhaltliche Nutzung des Internets ist, bezogen auf die formale Bildung, nahezu gleich – während Haupt- und Realschüler etwas stärker Spiele nutzen, präferieren Gymnasiastinnen und Gymnasiasten Unterhaltung.77 Weltsichten und Werteorientierung Anders als die Mediennutzung sind Einstellungen in höherem Maße von formaler Bildung (und sozialer Platzierung) mitbestimmt. Das zeigt sich in ver-

73 74 75 76 77

ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, Berlin 2017 (Deutscher Bundestag Drucksache 18/11050). Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs): JIM-Studie 2016. Jugend, Information, (Multi-)Media, Stuttgart 2016, 6. JIM-Studie 2016 (s. o. Anm. 73), 8. Bernhard Engel/Christian Breunig: Massenkommunikation 2015: Mediennutzung im Intermediavergleich, in: Media Perspektiven 7–8/2015, 310–332, hier 312. JIM-Studie 2016 (s. o. Anm. 73), 15 f. JIM-Studie 2016 (s. o. Anm. 73), 28. Für »Information« wird das Internet von beiden Gruppen in etwa gleichem Maße genutzt (10: 11 %), allerdings unterscheiden sie sich hinsichtlich der herangezogenen Informationsquellen (JIM-Studie 2016 [s. o. Anm. 68], 41).

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schiedenen Themenfeldern, etwa bei politischem Interesse, beim Wertegefüge und beim Zukunftsoptimismus. Knapp die Hälfte der Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren bezeichnet sich nach Angaben der Shell-Jugendstudie 2015 als politisch interessiert (so viele wie zuletzt 1996), darunter deutlich mehr junge Männer als junge Frauen (47 : 35 %), mehr 22–25-Jährige als 12–14-Jährige (52 : 20 %), mehr formal hoch Gebildete als Personen mit Hauptschulabschluss (52 : 24 %).78 »Der Blick auf Wertorientierungen der Jugend der Jahre 2010 und 2015 zeigt eine hohe Stabilität. Was zählt, sind Freundschaft, Partnerschaft und Familie. […] Zugleich wollen Jugendliche eine Person mit eigenem Profil sein. Deswegen bewerten sie Eigenverantwortung und Unabhängigkeit hoch«, ebenso »eigene Phantasie und Kreativität«. Allerdings schätzen sie auch die »Akzeptanz gesellschaftlicher Regeln«, bejahen namentlich »Respekt vor Gesetz und Ordnung«.79 Bei allen genannten Werten erweisen sich junge Frauen als »das wertebewusstere Geschlecht« (während sie beim Wunsch nach »hohem Lebensstandard«, nach »Macht und Einfluss« und beim »Stolz auf die deutsche Geschichte« hinter ihren männlichen Peers zurückstehen).80 Neben dem Geschlecht wirkt sich auch die soziale Schichtzugehörigkeit (die auch durch den Bildungsgrad mitbestimmt wird) aus: Niedrige formale Bildung und soziale Schichtung haben eine Affinität zum Typen des »unauffälligen Zögerlichen« und zum »robusten Materialisten«, während hohe Bildung und gute soziale Situiertheit mit den Typen »pragmatischer Idealisten« und »aufstrebender Macher« korrelieren.81 Am deutlichsten wirkt sich der Bildungsgrad (und der soziale Status) auf den Blick in die Zukunft aus: Formal hohe Bildung lässt ebenso wie (stabile) Erwerbstätigkeit zuversichtlich in die Zukunft schauen – niedrigerer Bildungsgrad oder gar Arbeitslosigkeit trüben den Blick deutlich ein.82 Zugespitzt kann man sagen: Die Aufbruchsstimmung, die den 12–25-Jährigen als Generation hier testiert wird (»Generation im Aufbruch«), hat speziell sog. sozial schwache Jugendliche mit gebrochener Bildungsbiografie nicht erfasst – bezogen auf berufsbildende Schulen: diejenigen im Übergangsbereich.83

78 79 80 81 82 83

Deutsche Shell, Jugend 2015 (s. o. Anm. 40), 157 (Abb. 4.1) und 160 (Tab. 4.2). Deutsche Shell, Jugend 2015 (s. o. Anm. 40), 239 f. (Abb. 6.1). Deutsche Shell, Jugend 2015 (s. o. Anm. 40), 262 f. (Abb. 6.17/18). Deutsche Shell, Jugend 2015 (s. o. Anm. 40), 264–271. Deutsche Shell, Jugend 2015 (s. o. Anm. 40), 101 (Tab. 2.21). Vgl. dazu: Entkoppelt vom System. Jugendliche am Übergang ins junge Erwachsenenalter und Herausforderungen für Jugendhilfestrukturen. Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland, Düsseldorf 2015.

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Die Frage steht im Raum, ob die Generationenporträts, die etwa die Shell-Jugendstudie zu erstellen versucht (und die als Trendanalysen fraglos ihren Wert haben), im Blick auf Schülerinnen und Schüler in den verschiedenen Bildungsgängen der BBS zutreffend sind: Lassen sich Schülerinnen und Schüler im Übergangssystem einer sich anbahnenden »neuen Generationsgestalt« zuordnen,84 die man »Generation R« nennen mag, weil sie zuversichtlicher, selbstbewusster und »relaxter« ist als die Generation Y mit ihrer pragmatischen, sondierenden Haltung und ausgeprägter Zukunftssorge? Globalisierung und internationaler Horizont Jugendkulturen haben schon (spätestens) seit Beginn des 20. Jahrhunderts in hohem Maße »internationalen Charakter«; das gilt auch für gegenwärtige Jugendkulturen, die in gewisser Hinsicht »Avantgarden von Globalisierungsprozessen« sind, etwa, was die Verbreitung musikalischer, modischer und Lifestyle-bezogener Präferenzen angeht.85 »Mit Blick auf die ökonomischen Globalisierungsprozesse erscheinen diese Jugendkulturen proaktiv und beschleunigend«, auch wenn »ihre Pluralität und Heterogenität, ihr hybrider Charakter, die hinzugefügten Elemente der Selbstgestaltung« und »ihre gelegentliche Aufladung mit Protestelementen […] gegen das vorschnelle Urteil einer homogenisierten Konzernwelt« sprechen. »Aber sie unterstützen gerade in ihrem flexiblen und ›postmodernen‹ Charakter eher Marktorientierungen als gesteigerte Erwartungen an die politische Gestaltbarkeit globaler Transformationen«.86 Jugendliche im Bildungssektor haben an dieser Globalisierung hohen Anteil, sammeln sie doch durch den Aufbau fremdsprachlicher Kompetenzen und Auslandsaufenthalte während der Schulzeit, durch internationale Freiwilligendienste, durch ihre Teilhabe an der Internationalisierung von Studium und beruflicher Bildung transnational Erfahrungen – allerdings gilt dies insbesondere für Jugendliche mit hohem formalem Bildungsgrad, nur in eingeschränktem Maße für Jugendliche ohne (Fach-)Abitur.87 Neben einem globalisierungsfreundlichen Mainstream formal hoch gebildeter Jugendlicher lassen sich allerdings auch zwei andere Strömungen erkennen: eine Strömung globalisierungsfreundlicher, aber ökonomiekritischer Jugendkulturen 84 Dazu Deutsche Shell, Jugend 2015 (s. o. Anm. 40), 384 und 387. 85 Roland Roth: Globalisierungsprozesse und Jugendkulturen, in: Aus Politik und Zeitgeschehen B5/2002, 20–27, Zitate 20 und 24. 86 Roth, Globalisierungsprozesse 2002 (s. o. Anm. 85), 25. 87 Einzeldaten dazu im 15. Kinder- und Jugendbericht 2017 (s. o. Anm. 72), 265–268.

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und eine Strömung globalisierungsfeindlicher, auf die Wahrung von – tatsächlicher oder vermeintlicher nationaler, regionaler oder kultureller – Identität bedachter Jugendkulturen, die nicht selten fremdenfeindliche oder rechtsextreme Töne anschlagen.88 Empirische Forschung und Trendanalysen erlauben ein facettenreiches Bild Jugendlicher und junger Erwachsener zu zeichnen. In berufspädagogischer und religionsdidaktischer Hinsicht gibt es angesichts dessen namentlich zu bedenken, welchen Deckungsgrad diese Analysen speziell im Blick auf Schülerinnen und Schüler berufsbildender Schulen erzielen und welche dieser jugendkulturellen Phänomene relevant für dezidiert religiöse, nicht allgemein lebensbegleitende Bildungsprozesse sind.

4. Die Perspektive des Berufsbezugs und der Berufspädagogik »Jugend ist Schul- und Bildungsjugend« – »Jugend ist arbeitsferne Jugend«: Mit diesen beiden Formulierungen (u. a.) fasst der Jugendforscher Wilfried Ferchhoff seine Analysen thetisch zusammen.89 Die Doppelthese ist zutreffend, verdunkelt allerdings den Umstand, dass nach Abschluss der Sekundarstufe I derzeit knapp die Hälfte des jeweiligen Jahrgangs in die berufliche bzw. berufsbezogene Bildung eintritt (Berufsbildung: 705.407; Übergangsbereich 298.781 Personen), während die andere Hälfte die Hochschulzugangsberechtigung erwirbt bzw. studiert (Hochschulzugangsberechtigung: 514.875; Studium: 511.020 Personen).90 Für die Hälfte eines Jahrgangs stellt Beruflichkeit bereits einen prägenden Faktor alltäglicher Lebensführung dar, für die andere Hälfte zeichnet sie sich am Horizont ab. »Die immer länger werdenden Schul- und Ausbildungszeiten prägen die Struktur der Lebensphase Jugend nachhaltig«, die Berufswahl wird komplizierter, die Ansprüche der Arbeitswelt, aber auch die eigenen Ansprüche an den Beruf, v. a. an dessen »Nutzen« und an die »Erfüllung«, die man darin zu finden hofft, steigen.91 Jugendliche bilden nicht zuletzt deshalb unterschiedliche Einstellungen zur Beruflichkeit aus, die sich – etwa nach der jüngsten Shell-Jugendstudie – als 88 Roth, Globalisierungsprozesse 2002 (s. o. Anm. 85), 26 f. Vgl. die Fallstudien bei Dirk Villányi/ Matthias D. Witte/Uwe Sander (Hg.): Globale Jugend und Jugendkulturen. Aufwachsen im Zeitalter der Globalisierung, Weinheim 2007. 89 Ferchhoff, Jugend und Jugendkulturen 2011 (s. o. Anm. 72), 332 und 350. 90 Bundesministerium, Berufsbildungsbericht 2017 (s. o. Anm. 33), 48. 91 Deutsche Shell, Jugend 2015 (s. o. Anm. 40), 65 und 72/77; zu Nutzen und Erfüllung siehe dort 78–84.

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vier habituelle Typen beschreiben lassen: »Durchstarter« (knapp zwei Fünftel, 37 %) möchten »Nutzen« und »Erfüllung«, zudem die »Vereinbarkeit von Arbeit und Leben« und Karrierechancen gewährleistet sehen; »Idealisten« sind v. a. an Erfüllung interessiert (knapp ein Fünftel, 18 %), »Bodenständige« v. a. an »Nutzen« (ein üppiges Fünftel, 27 %), und »Distanzierte« stehen ihrem Berufsleben, aber auch dem Thema »Kinder/Familie« (!) mit moderaten Erwartungen gegenüber (knapp ein Fünftel, 18 %).92 Für alle vier Typen ist Geschlecht ein wichtiger Indikator: Die Gruppe der »Durchstarter« und der »Idealisten« rekrutiert sich zu zwei Dritteln aus (bildungsorientierten) Frauen, »Bodenständige« und »Distanzierte« sind zu zwei Dritteln Männer. Soziale Schichten sind – mit einigen Dellen – gemäß ihrer Verteilung in der Gesamtbevölkerung vertreten (so ist etwa die obere Mittelschicht unter den Durchstartern und die obere Schicht unter den Idealisten (!) relativ stark vertreten). »Aktuell erwarten fast drei Viertel [der Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren] (73 %), ihre Berufswünsche verwirklichen zu können – ein gutes Viertel (27 %) aber eben nicht.« »Während vier Fünftel der Jugendlichen aus der oberen Schicht (81 %) davon überzeugt sind, ihre beruflichen Wünsche verwirklichen zu können, ist es bei den Jugendlichen aus der unteren Schicht nicht einmal die Hälfte (46 %).«93 Angesichts der steigenden Zahl unbesetzter Ausbildungsplätze erweist sich mangelnde »Passung« als zentrale Herausforderung: Auszubildende stehen nicht am richtigen Ort zur Verfügung, ihre mangelnde »Ausbildungsreife« wird beklagt oder die freien Plätze treffen schlicht nicht das Ausbildungs- und Berufsinteresse der Auszubildenden.94 Innerhalb des Systems berufsbildender Schulen werden somit Jugendliche bzw. junge Erwachsene mit völlig unterschiedlichen (subjektiven) Berufsperspektiven, Einstellungen zu ihrer Zukunft und realen Chancen unterrichtet. Dies in den Blick zu nehmen, ist nicht zuletzt wichtig, weil Beruf bzw. Arbeit wichtige Faktoren späterer Lebenszufriedenheit sind. Nicht genug damit, dass Erwerbstätige deutlich zufriedener sind als Erwerbslose: »Verglichen mit anderen Lebensumständen spielt die Arbeitszufriedenheit […] neben der Zufriedenheit mit Gesundheit und Familie eine wesentliche Rolle für die Lebenszufriedenheit.«95 Sie wird u. a. mitbestimmt vom Umfang der Arbeit, von der Passung 92 Deutsche Shell, Jugend 2015 (s. o. Anm. 40), 88–95. 93 Deutsche Shell, Jugend 2015 (s. o. Anm. 40), 74 f. 94 Bundesministerium, Berufsbildungsbericht 2017 (s. o. Anm. 33), 79–82. Die referierten Zahlen betreffen das Jahr 2016. 95 Michael Neumann/Jörg Schmidt: Was bestimmt unsere Lebenszufriedenheit? Glücksfaktor Arbeit (Roman Herzog Institut – Diskussionspapier 21), München 2013, 6 und 9. Vgl. zu religionspädagogischen Perspektiven auf die Thematik Jahrbuch der Religionspädagogik, hrsg.

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zwischen Berufswunsch und tatsächlichem Beruf, vom Grad der Autonomie und der Komplexität der Tätigkeit, Arbeitsplatzsicherheit und Aufstiegsmöglichkeiten. In der berufspädagogischen Theoriebildung spielen diese subjektiven Einstellungen gegenüber Beruflichkeit und auch die bildende Auseinandersetzung damit (Habitualisierung von Beruflichkeit, Aufbau eines Berufsethos, Work-LifeBalance u. ä. m.) augenscheinlich eine recht geringe Rolle.96 Auch die Möglichkeit der Weiterbildung und der beruflichen Neuorientierung in späteren Lebensphasen finden vergleichsweise wenig Beachtung – und dies, obwohl Prognosen zur Zukunft der Arbeitswelt die Notwendigkeit lebenslangen Lernens, erhöhter Mobilität und beruflicher Neupositionierungen während des gesamten Arbeitslebens wahrscheinlich werden lassen.97 Um diese kommenden Herausforderungen zu konkretisieren, seien exemplarisch »fünf Thesen zur Zukunft der Arbeit« des sog. Zukunftsforschers Matthias Horx angeführt: »1. Das Flexicurity-Prinzip. […] Hierarchien werden flacher, Erwerbsformen flexibler und mobiler; langsam löst sich Arbeit von der Präsenz. Flexicurity wird zum gesellschaftlichen und ökonomischen Grundgedanken«, eine Einstellung zur Arbeit, »die Sicherheit mit Mobilität kombiniert.« »2. Work-Life-Balance ist eine Illusion. Eines der konzeptuellen Missverständnisse der Neuen Arbeit ist die Idee, zwischen »Arbeit« und »Leben« ließe sich eine perfekte Balance herstellen. Erstens sind beide Bereiche nicht wirklich zu trennen: Arbeit ist Leben und vice versa. Zweitens entspricht das Ideal einer ›Balance‹ nicht der realen Welt mit ihren Turbulenzen. […] Statt ›Balance‹ sollten wir lieber von […] Work-Life-Dynamik sprechen. Es gibt Zeiten im Leben, in denen das Leben die Arbeit ergreift – […] Und es gibt Zeiten, in denen die Familie in ihren vielen Formen Freiräume vom Erwerb einfordert.« von Rudolf Englert u. a., Band 29: Glück und Lebenskunst, Neukirchen-Vluyn 2013. 96 Vgl. Rolf Arnold/Antonius Lipsmeier (Hg.): Handbuch der Berufsbildung, Wiesbaden (1995) 2., überarb. und aktualisierte Aufl. 2006. Vgl. aber das Handbuch der Berufsbildungsforschung, hrsg. von Felix Rauner, Bielefeld (2005) 2., akt. Aufl. 2006, etwa 217 ff. 97 Vgl. etwa McKinsey Global Institute (MGI): Help wanted: The future of work in advanced economies. Discussion paper, Washington 2012 und Norbert Walter/Heinz Fischer/Peter Hausmann/ Hans-Peter Klös/Thomas Lobinger/Bernd Raffelhüschen/Jutta Rump/Susan Seeber/Michael Vassiliadis: Die Zukunft der Arbeitswelt. Auf dem Weg ins Jahr 2030. Bericht der Kommission »Zukunft der Arbeitswelt« der Robert Bosch Stiftung mit Unterstützung des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE), Stuttgart 2013. Letztere sticht u. a. deshalb unter den vielen einschlägigen Studien heraus, weil sie auch Perspektiven für gering qualifizierte Arbeitskräfte thematisieren, nicht nur Trends für sog. High Potentials.

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»3. Technologie bringt immer neue Arbeit hervor. […] Arbeit ist kein Kuchen, der irgendwann vertilgt ist. Jeder Technologieschub erzeugt […] eine Komplexitäts-Kaskade […]. Automatisierte Fabriken erzeugen Bedarf nach ›High Services‹ und technischer Expertise, aber auch nach ›Low Services‹ im Bereich von Wartung und Betreuung. […].« »4. Die Zukunft gehört den Neuen Agenten. […] Die Zukunft gehört […] den Humanagenten, die uns dabei helfen, unser Leben zu bewältigen. In Zukunft leisten wir uns einen persönlichen Gesundheits-Coach. […] Einen Bildungs-Berater. Einen Mobilitäts-Agenten […], sie nutzen den Segen der Digitalität, um zu humanem Wachstum beizutragen.« »5. Smart Work, Hard Work, Anti-Work. […] Selbstbestimmte Arbeit bleibt eine harte, lebenslange Aufgabe. Sie erfordert neue Kulturtechniken […]. Sie fragt uns hartnäckig nach uns selbst […]: Wer sind wir – und wer wollen wir sein? […] Zu Hard Work und Smart Work gesellt sich ein dritter Sektor der Arbeit: […] Er entsteht dort, […] wo Arbeit […] sich von den Gesetzen des Geldes verabschiedet.«98

De facto spielt »Weiterbildung« – seit der Strukturreform des Bildungswesens in Deutschland in den 1970er Jahren definiert als »Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase«99 – seit einigen Jahren eine deutlich wachsende Rolle. Der jüngste Bericht zur Weiterbildungspartizipation in Deutschland sei als Beleg angeführt: »Im Jahr 2014 nehmen 51 % der 18- bis 64-Jährigen an Weiterbildung teil. Dieser Wert bestätigt den seit dem Jahr 2010 beobachteten Trend einer steigenden Weiterbildungsbeteiligung.«100 »Das betriebliche Segment [sc. der Weiterbildung] ist dabei mit 70 % aller von den 18- bis 64-Jährigen wahrgenommenen Weiterbildungsaktivitäten am größten, gefolgt von dem der nicht-berufsbezogenen (17 %) und dem der individuellen berufsbezogenen (13 %).« »Erwerbstätige nehmen im Jahr 2014 am häufigsten Weiterbildung wahr (58 %), gefolgt von Personen in schulischer oder beruflicher Ausbildung (54 %). Die Teilnahmequoten von Arbeitslosen (32 %) und sonstigen Nicht-Erwerbstätigen (25 %) liegen deutlich niedriger.« 101   98 http://www.zukunftsinstitut.de/artikel/03-from-strategy-to-culture/01-longreads/fuenf-thesenzur-zukunft-der-arbeit (Zugriff am 20.4.2017).   99 Deutscher Bildungsrat (Hg.): Empfehlungen der Bildungskommission. Strukturplan für das Bildungswesen, Bonn 1970, 197. Weiterbildung ist zu unterscheiden von der »Fortbildung«, die der Aktualisierung des Wissens und Könnens in einem erlernten und bereits ausgeübten Beruf gilt. 100 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.): Weiterbildungsverhalten in Deutschland 2014. Ergebnisse des Adult Education Survey – AES Trendbericht, Bonn 2015, 4; Details 12–15. 101 Bundesministerium, Weiterbildungsverhalten 2014 (s. o. Anm. 99), 4.

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In der Quote der Weiterbildungsbeteiligung besteht nur noch ein geringer Unterschied zwischen Männern und Frauen, aber ein großer Unterschied nach Alter: »Die höchste Teilnahmequote liegt in der Altersgruppe der 25–34-Jährigen (58 %) vor, gefolgt von den beiden älteren Gruppen (35–44-Jährige und 45–54-Jährige: jeweils 53 %). Die jüngste Gruppe der 18–24-Jährigen nimmt zur Hälfte (50 %) Weiterbildung wahr, die älteste Gruppe mit knapp zwei Fünfteln (39 %) noch etwas weniger.«102 Zudem gilt: Je höher der grundständige formale Bildungsgrad, desto höher die Weiterbildungsbereitschaft.103

5. Der Blick auf die Einzelnen – methodische und sachliche Hinweise Die Kenntnis entwicklungspsychologischer, statistisch erhebbarer DiversityFaktoren, religionssoziologischer und zeitdiagnostischer Interpretamente erübrigt nicht die Wahrnehmung der einzelnen Schülerinnen und Schüler bzw. Lerngruppen und den Versuch sie zu verstehen. Es gilt vielmehr, Wahrnehmungen und empiriebasierte Interpretamente wechselseitig fruchtbar zu machen: die Interpretamente zur Deutung der konkreten Wahrnehmungen vor Ort heranzuziehen und von den Wahrnehmungen her die Interpretamente zu befragen. Beides dient im didaktischen Bezugsfeld dazu, die Lernausgangslagen und die Lernchancen der Schülerinnen und Schüler klarer zu sehen und »pünktlicher« zu nutzen.104 Bei der konkreten Umsetzung solcher Diagnostik können Verfahren der Lernstandserhebung105 und zur Förderung der Selbstartikulation, etwa Verfahren der Jugendtheologie, der konstruktivistischen Didaktik, des problemorientierten Unterrichts oder einzelne methodische Arrangements106, helfen.

102 Bundesministerium, Weiterbildungsverhalten 2014 (s. o. Anm. 99), 5 und 37 f. 103 Bundesministerium, Weiterbildungsverhalten 2014 (s. o. Anm. 99), 33 f. (Tab. 13 und 14). 104 Begriff und Anliegen gehen zurück auf Rudolf Englert: Glaubensgeschichte und Bildungsprozess. Versuch einer religionspädagogischen Kairologie, München 1985. 105 Dazu generell Tina Seidel/Andreas Krapp (Hg.): Pädagogische Psychologie, Weinheim/Basel 2014, 483–516; vgl. Petra Frehe: Auf dem Weg zu einer entwicklungsförderlichen Didaktik am Übergang Schule – Beruf: eine designbasierte Studie im Anwendungskontext, Detmold 2015. 106 Vgl. etwa Gerd/Kira Brenner: Fundgrube Methoden, Bd. I: Für alle Fächer, Berlin (2005) 32010 und Horst F. Rupp: Eruierung von Ausgangslagen und Meinungen, in: Methodisches Kompendium für den Religionsunterricht, hrsg. von Gottfried Adam/Rainer Lachmann, Bd. 2: Aufbaukurs, Göttingen (2002) 32010, 350–360.

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Weiterführende Literatur Gerhard Büttner/Veit-Jakobus Dieterich: Entwicklungspsychologie in der Religionspädagogik, Göttingen (2013) 22016 Klaus Hurrelmann/Gudrun Quenzel: Lebensphase Jugend, Weinheim/Basel (1985) 13., überarb. Aufl. 2016 Handbuch Jugend. Evangelische Perspektiven, hrsg. von Yvonne Kaiser/Matthias Spenn/Michael Freitag/Thomas Rauschenbach/Mike Corsa, Opladen 2013 Bernd Schröder/Jan Hermelink/Silke Leonhard (Hg.): Jugend und Religion, Stuttgart 2017 Tina Seidel/Andreas Krapp (Hg.): Pädagogische Psychologie, Weinheim/Basel 2014 Statistisches Bundesamt: Bildung und Kultur – berufliche Schulen: Schuljahr 2015/16, Wiesbaden 2017 (Fachserie 11, Reihe 2)

II.2 Religionslehrer und Religionslehrerinnen an berufsbildenden Schulen

Wilhelm Schwendemann/Henrik Fass/Jürgen Rausch1

1. Einleitung Die Vielzahl von Ausbildungswegen und Bildungsverläufen macht den beruflichen Religionsunterricht (= BRU) für die Lehrenden einerseits attraktiv, andererseits aber unübersichtlich. So sind sie neben den didaktisch-methodischen Ansprüchen an den BRU insbesondere im Umgang mit Heterogenität und Diversität gefordert. Entsprechend müssen sie selbst Kompetenzen im Umgang mit Vielfalt erworben haben und zugleich ihrer diversen Schülerschaft gegenüber Formen der Wertschätzung und Anerkennung Ausdruck geben können.2 Der BRU ist dabei jener Ort, an dem Lehrende und Lernende gemeinsam existenzielle Fragen zur Lebensbewältigung und Lebensgestaltung aufgreifen und erörtern können.3 Die Lernenden erwarten keine Belehrung durch die Lehrkraft, sondern ein offenes Gespräch auf Augenhöhe. Die Religionslehrkraft soll dabei kompetent moderieren und sich für das Gespräch engagieren und, wenn

1 In Zusammenarbeit mit Jan Hofheinz, Louisa Murr-Säubert und Rebekka Specht. 2 Vgl. Dirk Oesselmann/Peter Cleiss/Thomas Schalla/Wilhelm Schwendemann (Hg.): Entwicklungen und Herausforderungen im Schnittbereich von Jugendarbeit und beruflicher Schule. Berlin (Schriftenreihe der Evangelischen Hochschule Freiburg, Bd. 31), Münster 2011, 67–71 und Sven Howoldt/Jürgen Rausch/Wilhelm Schwendemann/Andrea Ziegler: Wegleitung für die schulpraktische Unterweisung in den Religionsunterricht, Borsdorf 22016 und Hans-Ferdinand Angel (Hg.): Tragfähigkeit der Religionspädagogik (Theologie im kulturellen Dialog, 4), Graz u. a. 2000, 88–90. 3 Vgl. Hermann-Josef Stratomeier: Religionsunterricht an der Berufsschule – im Spiegel seiner Lehrplanentwicklung. Von der katechetischen Unterweisung zum adressaten- und berufsbezogenen Religionsunterricht, zugl.: Dortmund, Univ., Diss., 2008, Münster (Religion und berufliche Bildung 4) 2009, 124; Albert Biesinger/Matthias Gronover/Michael Meyer-Blanck/ Andreas Obermann/Joachim Ruopp/Friedrich Schweitzer (Hg.): Gott – Bildung – Arbeit. Zukunft des Berufsschulreligionsunterrichts (Glaube, Wertebildung, Interreligiosität, Bd. 4), Münster u. a. 2013, 20.

Religionslehrer und Religionslehrerinnen an berufsbildenden Schulen

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geboten, seelsorglich agieren. 4 Nicht selten kommen Schülerinnen und Schüler erst in der Berufsschule in Kontakt mit Religionsunterricht und Religionslehrkräften.5 Umso mehr sind Religionslehrkräfte gefordert, Zugänge zu religiösen Themen im BRU zu fördern, aber auch Wissen über Religion und ihre Bedeutung für die Lebensgestaltung zu vermitteln.6 Für die kompetente Berufsschulreligionslehrkraft lassen sich daraus eine Reihe unterschiedlicher Folgerungen ziehen. Neben der Gesprächsgestaltung sind ein abwechslungsreicher Methodenpool, ansprechende Themenwahl und Offenheit gegenüber aktuellen Bedürfnissen der Schüler und Schülerinnen unerlässlich für einen ansprechenden Religionsunterricht7, der zuallererst durch die Persönlichkeit der Religionslehrkraft und ihrer Authentizität, von ihrem Empathievermögen und ihrer sachlichen und methodischen Kompetenz getragen wird. Die Lehrkraft im BRU muss damit umgehen können, dass die Lebenslinien der Lernenden durch Brüche verschiedener Art belastet werden: Entwicklungsaufgaben des Jugend- und jungen Erwachsenenalters, Erwerb beruflicher Kompetenzen, um anschließend einen Beruf professionell ausüben zu können, Erwartungen und Herausforderungen durch die Berufs- und Arbeitswelt, Ablöseprozesse vom Elternhaus und bisherigen Peers.8

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Vgl. Klaus Kießling: Berufliche Bildung mit religiöser Kompetenz? Ergebnisse einer bundesweiten empirischen Untersuchung unter Lernenden und Lehrenden, in: Gesellschaft für Religionspädagogik und Deutscher Katechetenverein (Hg.): Neues Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (BRU-Handbuch), Neukirchen-Vluyn 2005, 23–31, hier 29. Vgl. Andreas Obermann/Roland Biewald: Christliche, muslimische und konfessionslose Auszubildende im evangelischen Berufsschulreligionsunterricht in Sachsen und NRW. Der BRU in der Pluralität – Eine Gratwanderung zwischen Beliebigkeit und konfessioneller Engführung. Eine Veranstaltung im Rahmen des Projekts »Der BRU in der Pluralität Christliche, muslimische und konfessionslose Schüler/innen im evangelischen BRU. Untersuchungen zu didaktischen Interaktionen in religiös heterogenen Lerngruppe«, Bonn 2014, 84. Online verfügbar unter https://www.bibor.uni-bonn.de/bru-und-pluralitat-konzeption-gemeinsame-verantal�tung-dresden-und-bonn-final.pdf (Zugriff am 15.2.2017). Vgl. Klaus Kießling, Berufliche Bildung 2005 (s. o. Anm. 4), 27 f. und Friedrich Schweitzer/ Joachim Ruopp/Georg Wagensommer: Wertebildung im Religionsunterricht. Eine empirische Untersuchung im berufsbildenden Bereich. (Glaube, Wertebildung, Interreligiosität, 2), Münster/München/Berlin u. a. 2012, 19; Obermann/Biewald, BRU und Pluralität 2014 (s. o. Anm. 5), 84 ff. Vgl. Obermann/Biewald, BRU 2014 (s. o. Anm. 5), 24 und 52 ff. Vgl. Klaus Hurrelmann/Gudrun Quenzel: Lebensphase Jugend. Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung, Weinheim/Basel 122013, 110–142.

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2. Wege ins Lehramt für das Fach Religion an Berufsbildenden Schulen Anders als an allgemeinbildenden Schulen gibt es für die berufsbildenden Schulen unterschiedliche Wege, eine Lehrerlaubnis (Vocatio oder Missio) für das Fach (ev. bzw. rk.) Religion zu erlangen (beispielhaft für Baden-Württemberg): Eine erste Möglichkeit, die am häufigsten genutzt wird, besteht darin, ein universitäres Lehramtsstudium mit Spezialisierung auf Berufsbildende Schulen zu absolvieren. Zu den Besonderheiten des Unterrichtsfaches Religion gehört, dass es sowohl Erst- oder Zweit- als auch Erweiterungsfach sein kann. Für das Erweiterungsfach gelten die gleichen Prüfungsanforderungen wie beim Zweitfach, jedoch werden weniger Prüfungsleistungen benötigt (differiert zwischen den verschiedenen Universitäten und Hochschulen). Die Anforderungen und Möglichkeiten, evangelische Religion mit Bezug zu den Beruflichen Schulen zu studieren, sind in den 16 Bundesländern so unterschiedlich, dass hier nicht alle Optionen vorgestellt werden können.9 Auch ist Religion nicht in allen Bundesländern als Hauptfach wählbar. Etwa jede zweite Hochschule bzw. Universität, an der das Berufsschullehramt studiert werden kann, bietet auch das Unterrichtsfach Religion (Studium Ev./Kath. Theologie für Lehramt Sekundarstufe II) an. Unterschiede in der Lehrpraxis der Hochschulen ergeben sich aus den verschiedenen Lehramtsprüfungsordnungen der Länder. Das Absolvieren der zweiten Ausbildungsphase der Lehramtsausbildung, der Vorbereitungsdienst, ermöglicht die Übernahme in den öffentlichen Dienst. Dieser Vorbereitungsdienst unterscheidet sich nicht von dem anderer Erst- bzw. Zweitfächer. Ziel des Vorbereitungsdienstes ist es, Theorie und Praxis zu verbinden und erste eigene Lehrerfahrungen zu sammeln. Die Dauer beträgt in der Regel achtzehn bis vierundzwanzig Monate. Das zweite Staatsexamen schließt den Vorbereitungsdienst ab.10 Eine zweite Möglichkeit besteht darin, über das Theologiestudium und dessen Abschluss mit erstem und zweitem kirchlichen Examen, ins Berufsschullehramt zu kommen. Entweder wird man als Ein-Fach-Lehrer vom jeweiligen Bundes-

  9 Einen ersten Überblick kann die Seite des Deutschen Bildungsservers geben; hier sind jedoch nur die staatlichen Möglichkeiten aufgelistet: http://www.lehrer-werden.de/lw.php?doc=pages/ bb_2221. Die beiden kirchlichen Hochschulen (EH-Freiburg und EH Ludwigsburg) bieten Masterstudiengänge mit der Spezialisierung Evangelische Religion/Berufliche Schulen an (siehe die entsprechenden Homepages). 10 Vgl. Ferdinand/Herget: Die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern für den BRU – 1. Phase, in: Gesellschaft für Religionspädagogik und Deutscher Katechetenverein (Hg.): Neues Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (BRU-Handbuch), Neukirchen-Vluyn 2005, 590–598.

Religionslehrer und Religionslehrerinnen an berufsbildenden Schulen

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land auf sog. Status-Quo Stellen übernommen oder man ist als kirchliche Lehrkraft, ebenfalls mit einem Fach, tätig. Die dritte Möglichkeit besteht darin, z. B. an der Evangelischen Hochschule Freiburg via Bachelor- und Masterexamen und entsprechendem kirchlichen Vorbereitungsdienst als kirchliche Lehrkraft bestellt zu werden oder via Referendariat vom Land (Baden-Württemberg) als staatliche Lehrkraft für das Fach übernommen zu werden. Für die Zukunft wird die Möglichkeit eines Zweitfaches erwogen. Wenn grundständig ausgebildete Religionslehrerinnen und -lehrer sowie Pfarrer und Pfarrerinnen das Fach evangelische Religion an Beruflichen Schulen unterrichten, bestehen die Gemeinsamkeiten beider Berufsgruppen darin, dass sie an den gleichen Lehrplan und die gleichen vorzuhaltenden unterrichtlichen, didaktischen und methodischen Kompetenzen und Vorgaben gebunden sind. Lehrerinnen und Lehrer haben den Vorteil, dass sie ein zweites oder drittes Fach unterrichten und dem Fach ev. Religion dadurch als Teil des Lehrerkollegiums mehr Gehör in der Schulentwicklung verschaffen können. Pfarrer und Pfarrerinnen bringen hingegen eine seelsorgliche und vielleicht auch spirituelle Komponente mit in den Unterricht ein, worin die Lehrerinnen und Lehrer in der Regel nicht ausgebildet sind.

3. Die Perspektive der Lehrenden im Fokus der Bildungsforschung 3.1 Die Lehrperson als Dreh-und Angelpunkt von Unterricht In jüngster Zeit sind die Lehrenden wieder mehr in den Fokus der empirischen Bildungsforschung11 geraten. Wenn es darum geht, welche Faktoren für den Lernerfolg entscheidend sind, nehmen die Lehrenden einen bedeutenden Rang ein. Zuletzt hat darauf John Hattie eindrücklich hingewiesen. Einzuschränken sind die Aussagen der Hattie-Studie insofern, als sie sich zuallererst auf allgemeinbildende und nicht auf berufsbildende Schulen bezieht. Als zentrale Erkenntnis der Hattie-Studie lässt sich die Vernetzung der Domänen Lernende, Elternhaus, Schule, Curricula und Unterrichten mit der Rolle der Lehrperson herausstellen. Stellt man die Domäneneffektstärken in Hatties Studie 11 Empirische Bildungsforschung ist eine wissenschaftliche Querschnittsdisziplin, die sich aus der Pädagogik, Soziologie und Psychologie speist und die sich als empirisches Komplement zur geisteswissenschaftlichen Tradition der Pädagogik versteht (vgl. Heinz Reinders/Hartmut Ditton/Cornelia Gräsel/Burkhard Gniewosz, (Hg.): Empirische Bildungsforschung, 2 Bände, Wiesbaden 22015, hier Band 2, 11).

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Akteure im BRU – personale Aspekte

zueinander, dann lässt das den Schluss zu, dass alle der o. g. Bereiche (Domänen) für den schulischen Erfolg der Schüler und Schülerinnen von Bedeutung sind. Als besonders wirksam werden dabei Lehrpersonen eingestuft, die Schüler und Schülerinnen nicht nur befähigen, eigene Denkweisen und Strategien zu entwickeln, sondern eine Beziehung zu den Schülern und Schülerinnen aufzubauen verstehen, die ein dialogisches Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden ermöglicht.12 Die grundsätzliche Einstellung und Offenheit der Lehrpersonen ist für den Lernenden somit von großer Bedeutung und hat eine hohe Effektstärke. Für Lehramtsstudierende ist es deshalb wichtig, an ihrem pädagogischen Ethos und Habitus zu arbeiten, zudem bedarf es der Fachkompetenz und nicht zuletzt des Wissens über die Komplexität und Widersprüchlichkeit des Unterrichtens. Erst die Erkenntnis, dass es eine Vielzahl von Konzeptionen des Lernens gibt, ermöglicht eine wirksame Unterrichtsgestaltung.13 Im Blick auf die erforderliche Fachkompetenz zeigten Greenwald; Hedges und Laine bereits 1996 für die allgemeinbildenden Schulen, dass die akademischen Fähigkeiten der Lehrperson in 50 % der Fälle positiv mit der Leistung der Lernenden korrelieren.14 Dieser Faktor ist ohne Zweifel im Bereich des BRU noch einmal stärker anzusetzen, weil der Religionsunterricht an Beruflichen Schulen noch subjektund beziehungsorientierter aufgebaut ist. Ohne Frage ist die Fachkompetenz der Lehrperson wichtig und Grundvoraussetzung für den Lernerfolg der Lernenden. Sie kann jedoch nicht losgelöst von anderen Bedingungen wirken, da sie erst in Kombination mit ergänzenden Kompetenzen ihre Wirkung entfaltet. Die Ausdrucksfähigkeit ist dabei von besonderer Bedeutung. Hanushek konstatiert in diesem Zusammenhang »dass Lehrpersonen, die gut bei Tests zur verbalen Fähigkeit abschneiden, im Klassenzimmer die besseren Lernleistungen zeigen«15. Fasst man zusammen, welche Faktoren (nach den Ergebnissen der Bildungsforschung) für die Tätigkeit einer Lehrperson in allen Schularten, inkl. Beruflicher Schulen, entscheidend sind, so sind es vor allem ihre Qualität und die Art der Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden.16 Bei der Frage nach der Qualität 12 Vgl. John Hattie: Visible learning. A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement, reprint, London u. a. 2010; John Hattie: Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen, Baltmannsweiler 2014; John Hattie/Eric M. Anderman (Hg.): International guide to student achievement, New York, NY 2013a; John Hattie/Wolfgang Beywl/Klaus Zierer: Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen, 3. Nachdr., überarb. deutschsprachige Ausg. von Visible Learning, Baltmannsweiler 32013b, 127. Ewald Terhart (Hg.): Die Hattie-Studie in der Diskussion. Probleme sichtbar machen, Seelze 2014. 13 Vgl. Hattie u. a., Lernen sichtbar 32013b (s. o. Anm. 12), 132 ff. 14 Vgl. Hattie u. a., Lernen sichtbar, 32013b (s. o. Anm. 12), 137. 15 Vgl. Hattie u. a., Lernen sichtbar, 32013b (s. o. Anm. 12), 137. 16 Vgl. Hattie u. a., Lernen sichtbar, 32103b (s. o. Anm. 12), 151.

Religionslehrer und Religionslehrerinnen an berufsbildenden Schulen

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der Lehrperson geht es folglich nicht um persönliche Merkmale per se, sondern darum, welche Wirkung diese auf den Lernprozess haben. Eine Lehrperson, die Lehr- und Lernstrategien kennt, auf ein breites Spektrum von Unterrichtsmethoden zugreifen kann, die Grundlagen der Klassenführung und des Classroom-Management17 beherrscht und eine Vielfalt an Vermittlungen kennt, um Oberflächen-, Tiefen-, Informations-, Bedeutungs- und konzeptuelles Wissen aufzubauen und zu verstetigen, wird besonders wirksam unterrichten. Grundvoraussetzung ist, dass die Lehrperson eine konkrete Vorstellung – nicht Vermutung – davon hat, wo die Lernenden aktuell entwicklungspsychologisch, sozialisatorisch und soziogen stehen. Hattie schlussfolgerte daher, dass Lehrpersonen davon überzeugt sein müssen, dass alle Lernenden in der Lage seien, Fortschritte zu erzielen, und dass sie diese Haltung den Lernenden gegenüber spürbar einnehmen und transportieren müssen.18 3.2 Professionelle Haltungen der Lehrenden im Fach Religion/BRU Die Einstellung und Haltung des Lehrkörpers zu den Schülerinnen und Schülern und zum Fach ist im Fach Religion von besonderer Bedeutung. Überwiegend beziehen sich die (christlichen) Religionslehrenden in ihren Lebenseinstellungen auf Werte der Solidarität und auf allgemein (christliche) Werthaltungen.19 Sie müssen sich vergegenwärtigen, dass ihre Haltungen nicht zwingend dem Standpunkt und den Perspektiven der meisten Schüler und Schülerinnen entsprechen.20 Es lässt sich sogar sagen: »Der Nicht-Gläubige fühlt sich durch die mechanische, tragische, mystische, traditionalistische, futuristische oder eschatologische Interpretation der Zeit inspiriert, ohne dabei die Perspektive der religiösen Transzendenz einzunehmen.«21

17 Vgl. die sich auf jüngere Schüler und Schülerinnen beziehende Studie von Anne Hauser: Classroom-Management – ein Baustein für die Schulentwicklung: Entwicklung, Grundlagen, Fallbeispiele und Tool Kits für die Praxis, Köln 2015. Grundsätzlich gelten die dort beschriebenen Bedingungen aber auch für die anderen Schularten. 18 Vgl. Remo Largo: Kinderjahre. Die Individualität des Kindes als erzieherische Herausforderung, München 252013a; ders.: Lernen geht anders. Bildung und Erziehung vom Kind her denken, München 32013b, 65; ders.: Wer bestimmt den Lernerfolg: Kind, Schule, Gesellschaft?, Weinheim u. a. 2013c. 19 Siehe Anm. 48 ff., wo wir auf die entsprechenden empirischen Untersuchungen und Studien eingehen werden. 20 Vgl. Carsten Gennerich: Empirische Dogmatik im Jugendalter, Stuttgart 2010 (s. o. Anm. 19), 29. 21 Johannes A. van der Ven: Entwurf einer empirischen Theologie, Kampen 1990, (Theologie & Empirie, 10), 80 (Zitat); siehe dazu noch: Friederike Rappel: Die Utopie des Gottesreiches als Chance für den Religionsunterricht, Berlin/Münster 2012.

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Diesen Perspektivwechsel und die Trennung von persönlicher und gelehrter Religion meistern statistisch gesehen die meisten Religionslehrkräfte gut.22 Ihnen gelingt es offensichtlich, darauf zu achten, glaubwürdig und authentisch zu unterrichten. Das setzt voraus, sich als Lehrkraft für Religion regelmäßig mit dem eigenen Glauben auseinanderzusetzen und unterschiedliche Glaubensaussagen im geschichtlichen Kontext zu reflektieren.23 »Lehrende des Glaubens« zu sein, bedeutet, offen zu sein für die eigene Gottesbeziehung, aber auch für die Anderer. Auch bedeutet dies, Beziehung zu Menschen aufzubauen, um gemeinsam die Beziehung zu Gott zu erkunden. Des Weiteren muss die Lehrkraft die Partizipation aller am Prozess Beteiligten fördern. Die existenziellen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler entstammen nicht dem Religionsunterricht, aber die daraus resultierenden Fragen und potenziellen Antworten werden dort behandelt. Folglich muss sich Spiritualität an der Berufsschule auch mit der Arbeits- und Freizeitwelt der Jugendlichen und jungen Erwachsenen befassen.24 In theologisch-religionspädagogischer Perspektive, die sich an die bildungswissenschaftliche anschließt, handelt es sich bei der Tätigkeit der Lehrenden im Religionsunterricht um einen Dienst, den die Lehrenden an den Lernenden erbringen und der in einer Metaperspektive durchaus als Realisierung der Gottesbeziehung durch die Lehrpersonen charakterisiert werden kann. Religionsunterricht ist folglich eine Form des Beziehungslehrens zu sich selbst, zu Gott, zur Schöpfung und zur Welt.25 3.3 Pluralität Der Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen findet zumeist konfessionsund religionsübergreifend im Klassenverband statt. Dieses Setting setzt voraus, dass die Lehrenden respektvoll mit den Lernenden und ihren religiösen, kulturellen und individuellen Pluralitätsweisen und Traditionen umgehen können. Ein erster Schritt ist die Wahrnehmung der Vielfalt. Schule und Gesellschaft sind von Prozessen der Pluralisierung, Säkularisierung auf der einen und Individualisierung auf der anderen Seite geprägt, wobei diese Prozesse sich nicht nur komplementär zueinander, sondern auch antagonistisch verhalten können: Die Schullandschaft »steht wie die Erwerbswirtschaft unter der Wirkung demographisch begründeter Veränderungsprozesse. Ordnungspolitische und struktur22 23 24 25

Vgl. Gennerich, Empirische Dogmatik 2010 (s. o. Anm. 19), 29 ff. Vgl. Gennerich, Empirische Dogmatik 2010 (s. o. Anm. 19), 48. Vgl. Kießling, Berufliche Bildung 2005 (s. o. Anm. 4), 27 f. Vgl. Kießling, Berufliche Bildung 2005 (s. o. Anm. 4), 29 f.

Religionslehrer und Religionslehrerinnen an berufsbildenden Schulen

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politische Anpassungsprozesse, Fachkräftemangel, Individualisierungszyklen, die wiederum neue und vielfältig gestaltete Lebensentwürfe nach sich ziehen und eine Neubestimmung der Geschlechterverhältnisse sowie eine Verschiebung des Verhältnisses der Generationen zueinander wirken unmittelbar oder mittelbar auf sozialwirtschaftliche Unternehmungen.«26

Gleiches gilt auch für den Religionsunterricht, da die beschriebenen Veränderungen die Lebensgestaltung der Lernenden pluralisieren. Die Pluralitätskompetenz der Lehrenden27 ist also vor allem für den beruflichen Religionsunterricht von entscheidender gesellschaftlicher Bedeutung. Sven Howoldt (2013) hat die Pluralitätskompetenz der Lehrenden in Bezug auf die verschiedenen Schularten unter dem Dach der Beruflichen Schulen und ihrer jeweiligen Schülerschaften hervorgehoben. Er schreibt dazu Folgendes: »Mit Blick auf die Unterrichtssituation im Religionsunterricht erfahre ich die im Folgenden genannten Probleme als Barrieren bzw. Hürden für einen gelingenden Unterricht, dem der Unterricht Rechnung tragen muss: – Gewalt/Mobbing und Konfliktstrategien, – Kriminalität und Straffälligkeit, – Migrationshintergrund, – Verwahrlosung und Drogenmissbrauch, – Lernbehinderung«.28

Mit Jürgen Ripplinger29 charakterisiert Sven Howoldt soziales Lernen unmittelbar als Bereichskompetenz von Pluralitätsfähigkeiten. Hierbei bezieht sich das soziale Lernen auf:

26 Jürgen Rausch/Wilhelm Schwendemann/Sven Howoldt: Qualität erleben. Religionsunterricht im Spiegel von Qualitätsmanagement-Systemen, Münster 2013, 3. 27 Karl E. Nipkow: Erwachsenwerden ohne Gott? Gotteserfahrung im Lebenslauf, München 41992; ders.: Bildung in einer pluralen Welt, Gütersloh 1998; ders.: God, human nature, and education for peace. New approaches to moral and religious maturity, Aldershot 2003; ders.: 2. Christliche Pädagogik und interreligiöses Lernen, Friedenserziehung, Religions- und Ethikunterricht, Gütersloh 2005; ders.: Bildungsverständnis im Umbruch, Religionspädagogik im Lebenslauf, Elementarisierung, Gütersloh 22007; ders.: Der schwere Weg zum Frieden. Geschichte und Theorie der Friedenspädagogik von Erasmus bis zur Gegenwart, Gütersloh 2007; Peter Biehl/ Karl Ernst Nipkow: Bildung und Bildungspolitik in theologischer Perspektive, Münster 2003. 28 Vgl. Sven Howoldt: Die soziale Dimension des Religionsunterrichts in den Beruflichen Schulen, in: Oesselmann u. a., (s. o. Anm. 2), 79–88, hier 83. 29 Vgl. Jürgen Ripplinger: Soziales Lernen – Herausforderung in Gegenwart und Zukunft, Stuttgart 2002.

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Akteure im BRU – personale Aspekte

»die Auseinandersetzung mit Einstellungen, Haltungen und Wertorientierungen. die Auseinandersetzung mit eigenen Gefühlen, Stärken und Schwächen. das Einüben von Umgangsformen wie Freundlichkeit, Fairness, Gerechtigkeit. das Akzeptieren von Regeln und die Übernahme von Verantwortung. das Entwickeln von Kompetenzen wie Empathie, konstruktive Kommunikation, Konfliktregelung, Teamarbeit.«30

Erwerb von Pluralitätskompetenz der Lernenden setzt also seinerseits diese bei den Lehrenden voraus und es geht in ihr auch um die Verschränkung von sozialem und diakonischem Lernen: »Im diakonischen Lernen geht es um soziale Einstellungen und christliche Orientierung, wie Achtung und Respekt vor anderen Menschen, um Hilfsbereitschaft, Toleranz und gesellschaftliche und persönliche Verantwortung.«31 Wie oben erwähnt, ist die Schülerschaft an Berufsbildenden Schulen zunehmend von Heterogenität und Pluralität geprägt. Deshalb ist es heute eine Aufgabe des Berufsschulreligionsunterrichts, die Lernenden zu einem friedlichen und gelingenden Zusammenleben im Sinn sozialer und diakonischer Lernprozesse in der pluralen Gesellschaft zu befähigen.32 Gleichzeitig wird dem Religionsunterricht in jüngster Zeit wiederholt unterstellt, tolerantem, gemeinsamem Leben im Weg zu stehen (vgl. die Diskussion in der ZEIT).33 Dadurch entsteht eine Doppelbelastung für den Religionsunterricht, an der Schulleitung und Lehrkräfte zusammenarbeiten müssen.34 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Andreas Obermann und Roland Biewald in ihrer schon erwähnten Studie.35 In dieser Studie fordern sie vom Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen, der heute immer in einer religiös vielfältigen Gruppe stattfindet, eine offene Gesprächsatmosphäre unter den Lernenden zu schaffen. Interessant ist es nun, wie Lehrende in der Praxis tatsächlich agieren. Grundlegend stellt sich die Frage, auf welche Art und Weise Religionslehrende Vielfalt in ihren Klassen wahr30 Howoldt, Die soziale Dimension 2011 (s. o. Anm. 27), 85. 31 Howoldt, Die soziale Dimension 2011 (s. o. Anm. 27), 86. 32 Vgl. Jörg Calließ (Hg.): Der Konflikt der Kulturen und der Friede in der Welt oder: wie können wir in einer pluralistischen Welt zusammenleben? [Dokumentation einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum vom 9. bis 11. Dezember 1994], Evangelische Akademie Loccum, Tagung der Evangelischen Akademie Loccum, 1. Aufl. Rehburg-Loccum 1995: Ev. Akad. Loccum Protokollstelle (Loccumer Protokolle 65/94) und die Literatur von Nipkow (s. o. Anm. 68). 33 Siehe zum Beispiel den Artikel von Manuel J. Hartung/Stefan Schmitt: »Brauchen wir ›Reli‹ noch?«, in: http://www.zeit.de/2017/03/religionsunterricht-pflichtfach-schulen-pro-contra-ethik. 34 Vgl. Evangelische Kirche in Deutschland (Hg.): Religiöse Orientierung gewinnen. Evangelischer Religionsunterricht als Beitrag zu einer pluralitätsfähigen Schule. Eine Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Evangelische Kirche in Deutschland, Gütersloh 2014, 12. 35 Siehe Anm. 5.

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nehmen und beschreiben. Welche Interventionen und Problemlösungsstrategien haben die Lehrenden entwickelt, um diese Herausforderung zu bewältigen? 3.4 Die Perspektive der Religionslehrenden auf ihre Arbeit In der wissenschaftlichen Diskussion kommt die qualitativ-empirisch erhobene Perspektive der Lehrkräfte bislang zu kurz, auch wenn die quantitativen Perspektiven auf Lehrkräfte und Lernende vorhanden sind.36 Deshalb ist es wichtig, mehr über die Facetten des Berufsschulreligionsunterrichts aus der Perspektive der Lehrenden zu erfahren und die Unterschiede zwischen der erwachsenen religiösen Haltung der Lehrenden und der Lebensphasen entsprechenden Religiosität der Lernenden wahrzunehmen. Die Anforderungen an den Beruf des Religionslehrenden im Beruflichen Schulbereich könnte eine mögliche Erklärung für den von Obermann und Biewald beschriebenen Religionslehrermangel liefern.37 Auch können die Ergebnisse einer in Freiburg durchgeführten qualitativ-empirischen Studie über Motivationslagen für zukünftige Lehrende im Religionsunterricht eine Hilfestellung zur Identitätsfindung sein. In der noch nicht veröffentlichten Freiburger Studie38 lässt sich nachvollziehen, wie Lehrkräfte die bedeutsamen Veränderungen des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen aufgenommen haben. Die Beruflichen Schulen sind neben den Grundschulen diejenigen, in denen sich gesellschaftliche Veränderungen, aber auch die Verschiebungen in der Religiosität der Lernenden am schnellsten bemerkbar machen. Einen umfassenden Überblick über die schon erbrachte religionspädagogische Rahmenforschung (bezogen auf die Allgemeinbildenden Schulen) bietet ein jüngst erschienener Sammelband.39

36 Vgl. Helene Miklas/Helmar-Ekkehart Pollitt/Georg Ritzer: »Ich wünsche mir aufrichtige Anerkennung unserer Arbeit …«. Berufszufriedenheit, Belastungen und Copingstrategien evangelischer ReligionslehrerInnen in Österreich. Münster 2015; Steffi Völker u. a.: Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen in Sachsen und Thüringen: eine empirische Studie, Leipzig 2015. 37 Vgl. Obermann/Biewald, BRU 2014 (s. o. Anm. 5), 84 ff. 38 Der Arbeitstitel der Studie (Stand Februar 2017): »Religionslehrkräfte an berufsbildenden Schulen in Baden-Württemberg – eine qualitativ-empirische Studie zur Motivation und zum Selbstverständnis von Lehrenden«. 39 Bernd Schröder/Jan Hermelink/Silke Leonhard (Hg.): Jugendliche und Religion. Analysen zur V. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD, Stuttgart 2017 (Religionspädagogik innovativ 13), darin v. a. Bernd Schröder: Schülerinnen und Schüler und ihr Verhältnis zur (christlichen) Religion – die einschlägigen Ergebnisse der V. KMU im Vergleich zu Resultaten anderer schulbezogener empirischer Studien der Jahre 2006–2016, in: ebd., 203–234.

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Besonders aktuell ist die empirische Befragung von Religionslehrkräften in Nordrhein-Westfalen durch ein Team des bibor in Bonn.40 3.5 Ressourcen und Herausforderungen Die 2015 in Österreich veröffentlichte Studie Ich wünsche mir aufrichtige Anerkennung unserer Arbeit … zeigte auf41, dass die durch den BRU entstehenden Herausforderungen eine große Belastung für die Lehrenden an berufsbildenden Schulen sind. Hierfür untersuchte das Forschungsteam um Helene Miklas verschiedene Copingstrategien, die bei Berufsschulreligionslehrenden nach eigenen Angaben vorhanden sind. So lässt sich feststellen, dass die Interviewpartnerinnen und Interviewpartner, die für sich selbst keinen Zugang zu diesen, wie Helene Miklas es nennt, »Kraftquellen« finden, ein signifikant höheres Burn-Out-­ Risiko aufweisen. Sie stellte zudem die Frage, wieso Menschen trotz der hohen Belastungen bei diesem Beruf bleiben und auch bleiben können. Die Frage nach der Motivation, den Beruf überhaupt erst zu erlernen und sich für ihn zu entscheiden, stand in Miklas’ Forschungsarbeit jedoch nicht im Zentrum der Fragestellung. Dabei ist diese Frage entscheidend, wenn man bedenkt, dass durch diese Berufswahl ein hohes Risiko für Gesundheit und Beziehungsfähigkeiten eingegangen wird. Die Studie von Helene Miklas zeigte auf, dass sich eine Reihe von Herausforderungen im Berufsschulreligionslehreralltag verbergen. Deshalb wurden die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner der Freiburger Studie aufgefordert, solche Herausforderungen konkret zu benennen – so konnten auch Belastungen und Chancen eingebracht werden, die zuvor noch nicht zur Sprache kamen.42 Die Antworten der befragten Personen in Deutschland waren in der Tendenz mit den Ergebnissen der österreichischen Studie kompatibel. Eine Ressource, die im Kontext von Religionsunterricht möglicherweise eine entscheidende Rolle spielt, ist die persönliche Einstellung des Lehrenden zu Glaube und Kirche sowie die eigene Religionspraxis. Die im Bildungsplan (auch 2016) von Baden-Württemberg formulierten Anforderungen, dass die Lehrenden authentisch in ihrer eigenen Religiosität sein sollen, gleichzeitig jedoch durch 40 Vgl. Monika Marose/Michael Meyer-Blanck/Andreas Obermann, (Hg.): »Der Berufsschulreligionsunterricht ist anders!«. Ergebnisse einer Umfrage unter Religionslehrkräften in NRW, Münster/New York, NY 2016; Peter Schreiner/Friedrich Schweitzer (Hg.): Religiöse Bildung erforschen. Empirische Befunde und Perspektiven [Volker Elsenbast zum 60. Geburtstag in herzlicher Verbundenheit], Münster/New York, NY 2014. 41 Vgl. Miklas u. a., Ich wünsche 2015 (s. o. Anm. 34). 42 Die dritte Leitfrage lautete: »Beschreiben Sie die Ressourcen und Herausforderungen, die sich aus dem Berufsschulreligionslehreralltag ergeben.«

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persönliche Glaubensaussagen nicht exkludieren dürfen, wirft die Frage auf, in wie weit der Glaube der Lehrkräfte im Unterrichtsgeschehen eine Rolle spielt. Aufgrund dessen ist festzuhalten, dass »der evangelische Religionsunterricht auch für Schülerinnen und Schüler, die keiner oder einer anderen Konfession bzw. Religion angehören, offen [sein muss] und […] seine Inhalte in einem reflektierten Dialog [vertreten muss].«43 Die Studie von Helene Miklas u. a. befasste sich auch mit den Ressourcen und Herausforderungen, durch die der Alltag von Berufsschulreligionslehrkräften bestimmt wird. Sie kann resümieren: »Berufszufriedenheit [wird hier] als ein innerseelischer Zustand, der aus der emotional affektiven und rationalen Beurteilung des Arbeitsverhältnisses resultiert und mit dem Verhalten in einem gewissen Zusammenhang steht, bezeichnet«.44 Die Untersuchung unterscheidet zwischen Belastungen, die auf die Lehrperson selbst und solchen, die auf die Rahmenbedingungen von Berufsschule zurückgeführt werden können. Unter anderem werden von 9 % der Befragten wenig Wirkungsmöglichkeit innerhalb einer Stunde in Anbetracht unterschiedlicher Themenfelder gesehen, außerdem wird die zusätzliche zeitliche Belastung durch Konferenzen und administrative Aufgaben von 27 % genannt und 9 % sind durch mangelnde religiöse Sozialisation der Lernenden belastet. Des Weiteren setzt die mangelnde Anerkennung und Unterstützung ihrer Arbeit 26 von 35 Berufsschulreligionslehrenden stark unter Druck.45 Copingstrategien bezeichnen die Bemühungen, die von einer Person eingesetzt werden, um sowohl spezifische Herausforderungen bewältigen als auch Emotionen reduzieren zu können.46 Mit zu den am häufigsten angewandten Copingstrategien zählt der Versuch, die belastende Situation zu verändern. Das kann unter anderem dadurch gelingen, Grenzen zu ziehen und einen Konflikt, der durch Schule, Gemeinde oder Kollegium an einen herangetragen wird, einzugrenzen oder in der gemeinsamen Auseinandersetzung der Parteien eine tragbare Lösung zu finden. Ganz nach dem Motto – »Es gibt keine Probleme, sondern nur Herausforderungen«47 – sind Copingstrategien von einer solchen positiven Grundhaltung getragen. 43 44 45 46

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg, Bildungspläne 2003, 13. Miklas u. a., Ich wünsche 2015 (s. o. Anm. 34), 30. Miklas u. a., Ich wünsche 2015 (s. o. Anm. 34), 30 ff. Vgl. Richard S. Lazarus/Susan Folkman: Stress, appraisal, and coping. [Nachdr.]. New York, NY 2008; Richard S. Lazarus: Streß und Stressbewältigung – ein Paradigma, in: Sigrun-Heide Filipp (Hg.): Kritische Lebensereignisse, Weinheim 31995, 198–232, hier 206 ff. und Richard S. Lazarus: Stress, Bewältigung und Emotionen: Entwicklung eines Modells, in: Stress und Coping, 2005, 231–263; Sabine Allwinn: Stressbewältigung. Eine multiperspektivische Einführung für die Soziale Arbeit und andere psychosoziale Professionen, Freiburg 22013, 67 ff. 47 Zitat ist dem Buch von Miklas u. a., Ich wünsche 2015 (s. o. Anm. 34), 135 entnommen.

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3.6 Motivation Feige und Tzscheetzsch beschäftigten sich im Jahre 2005 mit Motivationen von Religionslehrkräften an allen Schularten. Hierzu wurden über 4.000 evangelische und katholische Lehrkräfte empirisch-quantitativ befragt.48 Motivationen der Lehrenden und Zielvorstellungen für den Religionsunterricht sollten so geklärt werden.49 Als ein Ergebnis dieser Studie lässt sich feststellen, dass die im BRU Lehrenden ihre Lernenden zur »mündigen Aneignung«50 befähigen (wollen). Diese Befähigungsstruktur wurde auch in der österreichischen Studie von M ­ iklas u. a. bestätigt. Bei der quantitativen Befragung hatten 619 Religionslehrende teilgenommen, davon waren 195 der evangelischen Kirche angehörig und 424 der katholischen. Ziel war es, die Berufszufriedenheit der Berufsschulreligionslehrenden, deren Belastungsfaktoren und Schutzmechanismen, die zur Verminderung der Burn-out-Gefahr beitragen, herauszufinden.51 Das Ergebnis der Studie zeigt, dass zwar ein hohes Engagement bei den Befragten besteht, aber zugleich eine große Belastung in ihrer Arbeitswelt vorhanden ist. Die Autoren und Autorin des Buches unterstreichen daraufhin die Notwendigkeit, Burnout-­Erkrankungen schon bei der Vorbereitung auf das strapaziöse Berufsleben in Aus-, Fort- und Weiterbildung vorzubeugen. 3.7 Guter Religionsunterricht Die Ressourcen der Lehrkraft und ihr Umgang mit persönlichen und systemischen Grenzen sind u. E. ganz entscheidend für den Unterrichtserfolg und damit auch für Unterrichtsgüte. Bernd Schröder nennt in seiner »Religionspädagogik« (2012) acht Dimensionen guten Religionsunterrichts: Qualität der Rahmenbedingungen/Strukturqualität, personale Qualität, Prozessqualität/handwerkliche Qualität, fachliche Qualität, atmosphärische/Beziehungs-Qualität, Ergebnisqualität, Systemqualität und

48 Vgl. Andreas Feige/Werner Tzscheetzsch: Christlicher Religionsunterricht im religionsneutralen Staat? Unterrichtliche Zielvorstellungen und religiöses Selbstverständnis von ev. und kath. Religionslehrerinnen und -lehrern in Baden-Württemberg; eine empirisch-repräsentative Befragung, Ostfildern 2005, 27 f. 49 Vgl. Jochen Sautermeister: Religionsunterricht im Kontext berufsbildender Schulen: eine pädagogisch-psychologische Untersuchung von Schülerinnen und Schülern zu ihrer Wahrnehmung und Einschätzung des Religionsunterrichts am Berufsschulzentrum Waiblingen, (unveröff. Diss.) Tübingen 2006, 139. 50 Vgl. Feige/Tzscheetzsch, Christlicher Religionsunterricht 2005 (s. o. Anm. 48), 27. 51 Siehe Anm. 34.

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Konzeptqualität.52 Dabei ist wichtig, nicht nur defizitär zu arbeiten, sondern von Gelingendem auszugehen. Eine positive Beschreibung, wie Religionsunterricht idealerweise aussieht, kann Aufschluss darüber geben, wie die eigene Profession verstanden wird, und welche didaktischen und pädagogischen Ziele verfolgt werden. Entsprechende Aufzählungen zur Güte von Unterricht allgemein finden sich bei Hilbert Meyer und in Aufsätzen des Bayerischen Staatsinstituts für Schulentwicklung und Bildungsforschung wieder.53 Deren Ausführungen legen allerdings nahe, dass in der speziellen Unterrichtssituation Unterrichtsqualität entscheidend von der Kombination bestimmter Variablen abhängt. Wir folgern aus der Studie Helmkes und Schraders vor allem, dass die Selbstbewertungskompetenz bei den Lehrenden noch nicht hinreichend und ausreichend sein dürfte.54 Diese Kompetenz dürfte aber entscheidend für die Bewertung der Unterrichtsqualität und der Schulqualität insgesamt sein. Wenn man den evangelischen, katholischen, orthodoxen und zukünftig auch muslimischen und in manchen Regionen auch den jüdischen Religionsunterricht als Teil der schulischen Allgemeinbildung und damit als originären Teil schulischer Curricula ansehen will, dann trägt die Qualität des Religionsunterrichts auch zur Qualität der ganzen Schule bei und ist kein geheiligter Sonderbereich. Die in den PISA-Studien angemahnten Kompetenzbereiche55 heutiger Allgemein- und Beruflicher Bildung sind im Rahmen der Schule eigentlich nur dann nachvollziehbar, wenn die Schule mit ihren unterrichtlichen und nichtunterrichtlichen Veranstaltungen selbst im Rahmen eines bildungswissenschaftlichen Diskurses unter die Lupe genommen wird.56 Dietrich Benner u. a. machen darauf aufmerksam, dass im Fach Religion von Lehrenden und Lernenden, anders 52 Bernd Schröder, Religionspädagogik, Tübingen 2012, 560. 53 Vgl. Hilbert Meyer: Was ist guter Unterricht?, Berlin 72010; Otmar Schießl (Hg.): Externe Evaluation an Bayerns Schulen. Das Konzept, die Instrumente, die Umsetzung. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, München 2005. Siehe zum Folgenden auch unser Buch (s. o. Anm. 25). 54 Vgl. Andreas Helmke/Friedrich-Wilhelm Schrader: Lehrerprofessionalität und Unterrichtsqualität. Den eigenen Unterricht reflektieren und beurteilen (schulmagazin 5 bis 10, 9). Online verfügbar unter http://www.bo.salzburg.at/Aktualisierung_Dateien/Plattform1/unterlagen/ Lehrerprofessionalitaet_Unterrichtsqualitaet_2006.pdf. 55 Vgl. Jürgen Baumert/Petra Stanat/Anke Demmrich: PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen 2001. 56 Vgl. Dietrich Benner: Bildung und Religion. Überlegungen zu ihrem problematischen Verhältnis und zu den Aufgaben eines öffentlichen Religionsunterrichts heute, in: Achim Battke/Thilo Fitzner/Rainer Isak/Ullrich Lochmann (Hg.): Schulentwicklung – Religion – Religionsunterricht. Profil und Chance von Religion in der Schule der Zukunft, Freiburg/Basel/Wien 2002, 51–70 und Dietrich Benner: Die Struktur der Allgemeinbildung im Kerncurriculum moderner Bildungssysteme. Ein Vorschlag zur bildungstheoretischen Rahmung von PISA, in: Zeitschrift für Pädagogik 48 (2002/1), 68–90.

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als z. B. im naturwissenschaftlichen oder sprachlichen Kompetenzbereich, nicht nur erfolgreiche Lösungsstrategien für einfache Probleme gefragt seien, sondern auch Problembearbeitungsstrategien für komplexe Probleme und auch Sinnfragen und die entsprechenden Kompetenzen wie Deutungs- und Interpretationskompetenzen oder performative und partizipative Kompetenzen.57 Auf den bildungstheoretischen Gehalt gerade der evangelischen Rechtfertigungslehre und die Kompetenz, die Lernende im Umgang mit dieser theologischen Basislehre erwerben, hat Henning Schluß aufmerksam gemacht.58 Ob domänenspezifische Kompetenzen, wie z. B. die religiösen Bildungsstandards, eine Rolle spielen, ist hierbei für den BRU noch nicht einmal untersucht, sondern erstmal nur behauptet. Bildungsstandards setzen normative Zielvorgaben, wann Schüler und Schülerinnen sich bestimmte Inhalte und Kompetenzen angeeignet haben sollen. Friedrich Schweitzer hat darauf aufmerksam gemacht, dass zwischen schülerorientierten Kompetenzen und unterrichtlichen- bzw. prozessorientierten Standards zu unterscheiden ist.59 Bildungsstandards operationalisieren also im Allgemeinen nur Bildungsziele.60 Zudem meint fachspezifische Kompetenz nicht nur Fakten- und Informationswissen, sondern schließt eine hermeneutische Leistung mit ein.61 Zu fragen bleibt dann mitunter, was die eigentlichen Kerninhalte des evangelischen Religionsunterrichts tatsächlich darstellen.62 Das dürften u. E. gerade die Kernbereiche und zentralen Themen des christlichen Glaubens sein.63 Henning Schluß formuliert es treffend: 57 Vgl. Dietrich Benner/Rolf Schieder/Henning Schluß/Joachim Willems (Hg.): Religiöse Kompetenz als Teil öffentlicher Bildung. Eine empirisch bildungstheoretisch und religionspädagogisch fundierte Konstruktion ihrer Dimensionen und Anspruchniveaus, Paderborn 2011, 18 ff. 58 Vgl. Henning Schluß: Kompetenzorientierung im Religionsunterricht – Herausforderungen eines religionspädagogischen Paradoxons, in: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 10 (2011/1), 194–201. 59 Vgl. Friedrich Schweitzer: Guter Religionsunterricht – aus der Sicht der Fachdidaktik, in: Christoph Bizer (Hg.): Was ist guter Religionsunterricht?, Neukirchen-Vluyn 2007, 41–51. 60 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung/Eckhard Klieme (Hg.): Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards: eine Expertise, Bonn 2003, 12–33. 61 Vgl. Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) (Hg.): Kompetenzen und Standards für den Evangelischen Religionsunterricht in der Sekundarstufe I. Ein Orientierungsrahmen. Evangelische Kirche in Deutschland, Hannover 2011. 62 Vgl. Roumiana Nikolova/Henning Schluß/Thomas Weiß/Joachim Willems: Das Berliner Modell religiöser Kompetenz Fachspezifisch – Testbar – Anschlussfähig, in: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 6 (2007/2), 67–87. 63 Vgl. Evangelische Kirche in Deutschland (EKD): Kirche und Bildung – Herausforderungen, Grundsätze und Perspektiven evangelischer Bildungsverantwortung und kirchlichen Bildungshandelns. Eine Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. EKD (2010). Online verfügbar unter www.ekd.de/download/kirche_und_bildung.pdf, hier 32 (Zugriff am 7.1.2012).

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»Die Aufgabe des Religionsunterrichts ist es, den Raum für die Erfahrung, dass Gott Menschen vorbehaltlos annimmt, ebenso zu öffnen, sie damit zu stärken, wie zu helfen, dass Schülerinnen und Schüler bestimmte Kompetenzen erwerben, die ihnen in ihrer Lebensgestaltung von Nutzen sein können, mit deren Hilfe sich ihnen neue Horizonte öffnen und ihnen neue Perspektiven aufschließen, also Sachen zu klären. Wie das aber konkret zusammengehen kann, das kann kaum dekretiert werden. Die zuweilen diskutierte Alternative des Religionsunterrichts, Erfahrungsraum oder Leistungsfach, ist nicht nach einem der beiden Pole aufzulösen. Vielmehr kommt es darauf an, sie kunstvoll zu verbinden.«64

Der Religionsunterricht stellt also eine spezifische Kompetenz bereit, Sinnfragen und existenzielle Lebensfragen überhaupt wahrzunehmen und als Frage zu stellen – es geht um die anthropologischen Grundfragen (Wer bin ich? Woher komme ich? Worin liegt meine Zukunft? Was kann und darf ich hoffen? Was ist Gerechtigkeit? Wo liegt Erlösung?). Die im evangelischen Religionsunterricht (hoffentlich) gemeinsamen Antworten zwischen Lehrenden und Lernenden stellen einen Referenzrahmen bereit, der sowohl fächerverbindend als auch existenziell wichtig ist. Die Schule ist deswegen auch der gesellschaftliche Ort, an dem Menschen lernen (können und sollen), solche Fragen zu stellen und in einer Lerngemeinschaft auch Antworten zu finden, die für die jeweilige Lebenssituation der Lerner und Lernerinnen bedeutsam sind. Religionsunterricht, aber auch Ethik- und Philosophieunterricht, stellen reflexive Unternehmungen dar, die sowohl Erfahrungen reflektieren als auch Reflexionen mit Erfahrungen anreichern (können). Dazu kommt das spezifisch Religiöse: Man kann Religion nur in einer lebendigen Form lerngemeinschaftlicher Religiosität lernen. Der evangelische Religionsunterricht hat also, auch im BRU, folgende Aufgaben und damit auch inhaltliche Gütekriterien, an denen sich auch die Güte des BRU feststellen lässt: Schüler und Schülerinnen sollen befähigt werden, die christliche Tradition kennenzulernen und sich an ihr zu bilden; ihre eigenen religiösen und theologischen Fragen zu stellen und den Reichtum möglicher Antworten kennenzulernen; Sinnfragen als solche wahrnehmen zu lernen und authentischen Lehrpersonen zu begegnen. Darüber hinaus erwerben sie interkulturelle und interreligiöse Kompetenzen im sozialen Miteinander einer heterogenen schulischen Lerngruppe.65 Gerade die letzte Dimension religiösen Lernens in der 64 Vgl. Schluß, Kompetenzorientierung (s. o. Anm. 58). 65 Vgl. Wilhelm Schwendemann: Pluralismus – Vielfalt – Diversity als Chance für Schulkultur und Schulentwicklung, in: Martin Jäggle/Thomas Krobath/Robert Schelander (Hg.): Lebens.werte. Schule. Religiöse Dimensionen in Schulkultur und Schulentwicklung, Wien/Berlin/Münster 2009, 169–181 und Wilhelm Schwendemann: Grenzen der Kompetenzorientierung. Die Frage

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Schule macht deutlich, dass der Religionsunterricht auch eine soziale Funktion hat, nämlich diejenige, das gesellschaftliche Zusammenleben auf einer werteorientierten Basis mitzugestalten, was auch die Seelsorge an Lernenden und Lehrenden miteinschließt.66 In diesem Zusammenhang ist noch einmal auf die Studie von Hans Ferdinand Angel, Tragfähigkeit der Religionspädagogik, aufmerksam zu machen, die die Beliebtheit des Berufsschulreligionsunterrichts bei Schülern und Schülerinnen betont.67 Zwar handele es sich beim Fach Religion nur selten um ein Lieblingsfach, jedoch werde es zumeist toleriert und gern besucht. Nach Aussage der Auszubildenden ist der Unterricht meistens lebensnah und lebensdienlich.68 Klaus Kießling stellte zudem heraus, dass religiöses Lernen im Berufsschulunterricht »keine berufliche Verzweckung«69 dulde, aber dennoch zur beruflichen Persönlichkeitsentwicklung beitrage.

4. Religionslehrkräfte im BRU als Erwachsene in Entwicklung – entwicklungspsychologische Perspektiven 4.1 Religionslehrende als Erwachsene in Entwicklung Im Erwachsenenalter differenziert man zwischen drei Phasen, die sich in ihren Anforderungen und Möglichkeiten unterscheiden, deren Übergänge jedoch kontinuierlich sind.70 Während die späten Phasen des frühen Erwachsenenalters vor allem für den Berufseinstieg bzw. die ersten Berufsjahre von Lehrenden relevant sind, ist das mittlere Erwachsenalter ab etwa 35 Jahre bis 65 Jahren bestimmend. Im frühen Erwachsenenalter sind noch Übergangsprozesse vom Jugendalter zum Erwachsenalter präsent71, das mittlere Erwachsenenalter ist hingegen mit einer Differenzierung und Expansion von Aufgaben, Kompetenzen und Ressourcen verbunden.72 Dementsprechend sind auch junge Lehrende mit folgenden persönlichen Entwicklungsthemen mehr oder weniger stark konfrontiert: nach den Basics im Religionsunterricht, in: BRU-Magazin (2010/53), 2–5. Vgl. Ralf Koerrenz/Michael Wermke: Schulseelsorge – ein Handbuch, Göttingen 2008. Siehe Anm. 15. Vgl. Angel, Tragfähigkeit 2000 (siehe Anm. 2), 86. Kießling, Berufliche Bildung 2005 (siehe Anm. 4), 28. Vgl. Ulman Lindenberger/Sabine Schaefer: Erwachsenenalter und Alter, in: Rolf Oerter und Leo Montada (Hg.): Entwicklungspsychologie, Weinheim/Basel 62008, 365–410, hier 366. 71 Vgl. Günter Krampen/Barbara Reichle: Entwicklungsaufgaben im frühen Erwachsenenalter, in: Rolf Oerter/Leo Montada (Hg.): Entwicklungspsychologie, Weinheim/Basel 62008, 333–365, hier 333. 72 Vgl. Lindenberger u. a., Erwachsenenalter 2008 (s. o. Anm. 69), 366. 66 67 68 69 70

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Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ

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Ablösung von der Herkunftsfamilie Berufsaus- und -weiterbildung und Berufseintritt Partnerwahl Kinderwunsch und Elternschaft Alternative Lebensformen Freizeitverhalten und Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung73

In unterschiedlichen graduellen Ausprägungen wirken diese Themen auf die Person und damit auf die Rolle als Lehrende ein. Im mittleren Erwachsenenalter nimmt der evolutionäre Selektionsdruck ab, der Bedarf an Kultur hingegen zu. Mit fortschreitendem Alter gewinnen materielle, soziale, ökonomische oder psychologische Ressourcen an Bedeutung.74 Für junge Lehrende im berufsbildenden Schulbereich sind das ähnliche Entwicklungsaufgaben wie für Teile der Zielgruppe, die z. T. älter als die Lehrenden sein können. Zwei Forschungsschwerpunkte sollen in diesem Zusammenhang, der Entwicklung von Selbst und Persönlichkeit, näher erwähnt werden. Die Theorien über Selbstkonzept, Selbstdefinition und Identität zeigen auf, dass mit zunehmendem Alter eine Verschiebung der Entwicklungsaufgaben stattfindet. Das Thema Gesundheit gewinnt beispielsweise an Bedeutung. Bei der Bewältigung von Aufgaben ändert sich der Ansatz mit von assimilativem zu akkomodativem Bewältigungsverhalten. Während man bei der assimilativen Bewältigung versucht, die Umwelt zu verändern, um Ziele erreichen zu können, verändert sich der Fokus bei akkomodativem Bewältigungsverhalten. Nicht erreichbare Ziele werden aufgegeben, das Anspruchsniveau ggf. reduziert und eine positive Bewertung erreichbarer, neuer Ziele ins Zentrum gestellt. Dieses veränderte Bewältigungsverhalten ist ein bedeutender Gegenstand für die Persönlichkeitsentwicklung im Erwachsenenalter und wirkt auf die Unterrichtsgestaltung inhaltlich und methodisch ein.75 4.2 Rollen Die Rolle der Lehrenden im BRU befindet sich in einem Spannungsfeld der Erwartungen von Staat, Kirche und Schule. Als Religionslehrende muss auf fünf Dimensionen des beruflichen Religionsunterrichts besonders geachtet werden: auf den Bildungsauftrag des Staates, die Interessen der Kirche, den Berufsbezug der Lernenden, das Wahrnehmen von Bedürfnissen und auf interreligiöse Viel73 Vgl. Lindenberger u. a., Erwachsenenalter 2008 (s. o. Anm. 69), 364 f. 74 Vgl. Lindenberger u. a., Erwachsenenalter 2008 (s. o. Anm. 69), 368 ff. 75 Vgl. Lindenberger u. a., Erwachsenenalter 2008 (s. o. Anm. 69), 407 ff.

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falt sowie aus eigener Überzeugung die Kommunikation des Evangeliums in Wort und Tat.76 Um dem gerecht werden zu können, muss eine Religionslehrkraft an berufsbildenden Schulen »sechs Teilschritte«77 gehen. Erstens muss sich die Lehrkraft die eigene religiöse Orientierung vergegenwärtigen. Daraufhin muss zweitens die Frage gestellt werden: Welche Rolle spielte die Religion in der bisherigen Lebensgeschichte und spielt sie noch? Drittens müssen Religionslehrende Sensibilität für die Inkongruenz von Denken und Handeln entwickeln. Im vierten Schritt müssen Religionslehrende ihre eigene Identität in der Beziehung zu anderen religiösen Systemen reflektieren. Der Schritt ist im Kontext der Unterrichtsvorbereitung zu reflektieren, welche Wechselwirkung die eigene Religiosität und das gewünschte Unterrichtsziel zu einander einnehmen. Im letzten Schritt müssen professionelle Religionslehrer und Religionslehrerinnen ihr Kerngeschäft beherrschen, also den Unterrichtsinhalt authentisch, vielseitig und humorvoll aufbereiten und vermitteln.78 Jedoch bleibt durchaus anzumerken, dass diese Rollenkonstruktionen bisher keiner empirischen Überprüfung unterzogen wurden. Aufbereitet wurden dagegen die Rezeptionsleistungen der Lernenden.79 4.3 Eigene Religiosität Zu den individuellen religiösen Überzeugungen der Religionslehrenden an berufsbildenden Schulen wurde bisher fast gar nicht geforscht; eher zur »Religion des Religionsunterrichts« bzw. Rezeptionsleistungen der Lernenden.80 Eine der wenigen nennenswerten Studien, die die Lehrenden in den Blick nehmen, stammt von Feige u. a.81 In der Feige-Studie wurden 17 qualitative Interviews und 2.109 auswertbare quantitative Befragungen mit Religionslehrenden durch76 Vgl. Meinfried Jetzschke: BRU: ›Survival‹ im Dschungel der Pluralität? Anregungen für ein religionspädagogisch verantwortliches Selbstkonzept, in: BRU-Magazin 63/2015, 36–38, hier 36. 77 Jetzschke, BRU 2015 (s. o. Anm. 75), 37. 78 Jetzschke, BRU 2015 (s. o. Anm. 75), 36. 79 Vgl. Michael Meyer-Blanck/Andreas Obermann (Hg.): Die Religion des Berufsschulreligionsunterrichts. Überlegungen zur Kommunikation religiöser Themen mit Jugendlichen heute, Münster 2015; Michael Meyer-Blanck (Hg.): Lebensziel Hartz IV. Jugendliche ohne Ausbildungsberuf im Blickfeld bildungspolitischer und protestantischer Bildungsverantwortung, Münster/ New York, NY/München/Berlin 2013. 80 Schweitzer u. a., Wertebildung 2012 (s. o. Anm. 6). 81 Vgl. Andreas Feige u. a. (Hg.): »Religion« bei ReligionslehrerInnen. Religionspädagogische Zielvorstellungen und religiöses Selbstverständnis in empirisch-soziologischen Zugängen; berufsbiographische Fallanalysen und eine repräsentative Meinungserhebung unter evangelischen ReligionslehrerInnen in Niedersachsen, Münster 2000; Bernhard Dressler (Hg.): Religion – Leben, Lernen, Lehren. Ansichten zur »Religion bei ReligionslehrerInnen«, Münster/Hamburg/Berlin/ Wien/London 2004; Meinfried Jetzschke/Michael Klessmann: Supervision – Schule – Religion. Religionslehrerinnen und Religionslehrer wirkungsvoll unterstützen, Paderborn 2006 und Mein-

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geführt. Diese ging jedoch schulartunspezifisch vor. In der Befragung wurde unter anderem nach Themen und Behinderungsfaktoren des Religionsunterrichts gefragt.82 Die Studie arbeitete vier Hinderungsfaktoren heraus: mangelnde religiöse Vorkenntnisse der Lernenden, Desinteresse der Mehrheit der Lernenden, allgemeine Geringschätzung durch das soziale Umfeld der Lernenden sowie die Notengebungspflicht. Die auf diesen Ergebnissen aufbauende und oben schon erwähnte Studie von Feige und Tzscheetzsch83 kommt zu dem Schluss, dass neben diesen schülerbedingten Faktoren auch die Geringschätzung des Faches seitens der Schulleitung und der Einsatz der Lehrkräfte an mehreren Schulen hinderlich für den Religionsunterricht an den berufsbildenden Schulen sei.84

5. Die Perspektive der Berufspädagogik 5.1 Berufszufriedenheit und Ressourcen »Lehrersein das fällt nicht schwer, denn vormittags haben sie recht und nachmittags frei« – ganz so einfach ist es dann doch nicht. Der Lehrberuf an beruflichen Schulen ist eine verantwortungsvolle und zugleich in der öffentlichen Wahrnehmung eine oftmals »leichtfertig gewählte und von den Vorzügen geleitete Berufswahl«, was dazu führe, dass die Lehrpersonen nicht die Leistung bringen, die sie bringen müssten, um den Anforderungen an das System Schule und den Herausforderungen des Unterrichtens zu genügen.85 Selbstkritisch zu hinterfragen, warum dieser Beruf gewählt worden ist, aber auch professionell genug sein, um »Anfeindungen und Ratschlägen« der breiten Öffentlichkeit widerstehen zu können, sind erste Voraussetzungen, um Zufriedenheit im Beruf des Lehrenden zu finden. So gibt eine forsa-Studie im Auftrag des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes86 eindeutige Antworten auf die Frage, was es brauche, fried Jetzschke: Supervision mit Religionslehrerinnen und Religionslehrern, Neukirchen-Vluyn 2006; Andrea Lehner-Hartmann: Religiöses Lernen: Subjektive Theorien von ReligionslehrerInnen, Stuttgart 2014. 82 Vgl. Wolfgang Vögele (Hg.): Gelehrte und gelebte Religion. Religion bei Religionslehrerinnen und Religionslehrern; Befragungsergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung in der gesellschaftlichen Diskussion, Rehburg-Loccum 2001 (Loccumer Protokolle, 22/01), 290 ff. und auch Sautermeister, Religionsunterricht 2006 (s. o. Anm. 48), 135. 83 Siehe Anm. 78. 84 Vgl. Feige in: Sautermeister, Religionsunterricht 2006 (s. o. Anm. 48), 135 f. 85 Kießling, Berufliche Bildung 2005 (siehe Anm. 4), 31. 86 Vgl. https://www.bllv.de/Forsa-Studie-Berufszufriedenheit-Lehrer-in-Bayern.11965.0.html (Zu�griff am 15.2.2017). Darin heißt es: »Die Lehrerinnen und Lehrer in Bayern lieben ihren Beruf und sind hoch motiviert – allen Belastungen zum Trotz. Der Bildungspolitik stellen sie aber ein

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um als Lehrperson Zufriedenheit im Beruf zu finden. Zunächst sei es die eigene Motivation, gerne Wissen zu vermitteln, mit Kindern und Jugendlichen gern zu arbeiten und sich für die Lehrfächer zu interessieren und dabei Verantwortung zu übernehmen. Belastend hingegen seien die politischen Rahmenbedingungen, die Heterogenität der Klassen, der Umgang mit schwierigen Schülern und Schülerinnen, aber auch mangelnde Gesundheitsprävention und unzureichende Unterstützung durch Schulleitung und Kollegium. Da der Schulalltag die Lehrperson nicht nur pädagogisch, sondern auch menschlich fordere, sei die Förderung der eigenen Kraftquellen von existenzieller Bedeutung.87 Doch wie wird diese notwendige psychosoziale Hygiene möglich? Welche Aktivitäten, besonders im außerschulischen Leben geben Kraft, um den Aufgaben als Lehrperson im Religionsunterricht dauerhaft gewachsen zu sein? Mit Bezug auf die forsa-Studie ließen sich hier mit allgemeiner Gültigkeit für den Lehrberuf u. a. anführen: berufsbegleitende Fortbildungen, multiprofessionelle Teams, Gesundheitsprävention, engere Zusammenarbeit mit Eltern, stabiles Verhältnis zur Schulleitung, kompetenter Umgang mit Pluralität.88 In der Literatur lassen sich viele Beispiele dafür finden, dass die Motivation der Lehrenden ein entscheidendes Gestaltungsmerkmal guten, effektiven Unterrichts ist.89 Für die Planung und Durchführung des Unterrichts ist es wichtig, zu überprüfen, wo Lernende zu Beginn des Unterrichts stehen. Doch auch im folgenden Unterrichtsverlauf muss das Motivationsniveau immer wieder analysiert werden, um entsprechende lernförderliche Maßnahmen einleiten zu können. Dies impliziert, dass man auf Planungsalternativen zugreifen, aber auch davon abweichen können sollte, wenn dies im Sinne der Motivation nötig wäre. Ziel müsste sein, die schlechtes Zeugnis aus. […] 95 Prozent der in Bayern befragten Lehrerinnen und Lehrer gehen gern oder sehr gern zur Arbeit. Dennoch würde nur etwas mehr als die Hälfte jungen Menschen empfehlen, den Beruf ebenfalls zu ergreifen. Das geht aus einer jetzt veröffentlichten Studie des Meinungsforschungsinstitut Forsa hervor. Dieses hat im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) und des BLLV bundesweit 1.001 Lehrkräfte zur Zufriedenheit im Lehrerberuf befragt, darunter 158 in Bayern. Zwar sind die Ergebnisse für Bayern aufgrund der relativ geringen Zahl an Teilnehmern nur begrenzt aussagekräftig, spiegeln jedoch den bundesweiten Trend wider. […]. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen macht ihnen Spaß (97 Prozent der Befragten) und es bereitet ihnen Freude jungen Menschen Wissen zu vermitteln (99 Prozent). Zugleich sehen die Befragten ihre Erwartungen, die sie seinerzeit als Anfänger an den Lehrerberuf hatten, in der Praxis bestätigt.« Ein weiterer Grund für die hohe Berufszufriedenheit ist offenbar das Schulklima. 93 Prozent beschreiben das Verhältnis und die Hilfsbereitschaft unter den Kollegen als gut, 91 Prozent pflegen ein von Respekt und persönlicher Integrität geprägtes Verhältnis zur Schulleitung, 88 Prozent schätzen die gute Beziehungen zu den Eltern. 87 Miklas, Ich wünsche 2015 (s. o. Anm. 34),151 ff. 88 Vgl. Obermann/Biewald, BRU 2014 (s. o. Anm. 5), 67. 89 Vgl. etwa Andreas Helmke: Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität: Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts, Seelze-Velber/Stuttgart 62015, 221.

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motivationale Fremdsteuerung so weit wie möglich durch motivationale Selbststeuerung zu ergänzen bzw. zu ersetzen.90 Gerade hier zeigt sich die Qualität des Unterrichts als Einzelveranstaltung in seiner Bedeutung und Wirkung auf das Gesamtsystem Schule. Wird der Aspekt der Motivation auch als Prozess begriffen und entsprechend eingeplant, sollte die Fähigkeit der Selbststeuerung bei den Lernenden zunehmen.91 Die Verknüpfung der Lebenswelt der Lehrer und Lehrerinnen mit den Lebenswelten der Schüler und Schülerinnen wird für die Unterrichtsgestaltung besonders auch im Kontext der Berufspädagogik relevant. Themen des Religionsunterrichts haben sowohl eine Relevanz im nichtöffentlichen Alltagsleben der Schüler und Schülerinnen, als auch im öffentlich-beruflichen Leben und Erleben. Als Lehrperson ist darauf zu achten, was aktuelle und zukünftige Herausforderungen und Gegebenheiten der beruflichen Alltagswelt darstellen. Industrie 4.0, zunehmende Vernetzungsstrukturen und Digitalisierungsprozesse gehören zunehmend zur jugendlichen wie zur erwachsenen Lebens- und Berufswelt. Die kritische Auseinandersetzung damit und mit den sich daraus ergebenden Themen, die nicht zur plumpen Verteufelung der Technik verkommen dürfen, sondern zur mündigen, selbstgesteuerten und selbstregulativen Anwendung führen soll, sind wichtig und vermitteln Lebens- und Berufskompetenz. Die Einstellung der Lehrperson ist in diesem Zusammenhang von besonderer Relevanz. Unterrichtsinhalte, die mit Engagement und der Überzeugung, dass jene wichtig und bedeutend seien, präsentiert werden, haben nachweislich eine Wirkung auf die Lernmotivation.92 Inhalte über die Darstellung eines Konflikts zu transportieren, kann in diesem Kontext motivierend sein. Bietet man nach Helmke im Unterricht Probleme an, für die es keine offenkundige Lösung gibt, stellt man eine widersprüchliche Aussage vor oder einen Sachverhalt bewusst und wohl dosiert unklar dar, dann kann dieses Vorgehen Neugier hervorrufen und damit zum Lernen motivieren.93 Gerade im kompetenzorientierten Unterricht gewinnt die individuelle Bezugsnormierung an Bedeutung. Individuelle Lernfortschritte zu verdeutlichen, hat sich für die Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzeptes mehrfach günstig herausgestellt.94

90 Ebd. 91 Vgl. Helmke, Unterrichtsqualität 2015 (s. o. Anm. 88), 222. 92 Vgl. Helmke, Unterrichtsqualität 2015, (s. o. Anm. 88), 225 f. 93 Ebd. 94 Ebd.

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6. Die Perspektive der Religionssoziologie 6.1 Ein aktuelles Beispiel – die sog. Freiburger Studie 2017 Die noch nicht veröffentlichte Freiburger Studie95 kann nur einen begrenzten Ausschnitt dessen beleuchten, was Teil des Berufsschulreligionslehreralltags ist. Zur Ergänzung der Inhalte sind daher auch weitere qualitative Studien für den Erhalt eines umfassenden Einblicks notwendig. An dieser Stelle sei noch einmal betont »dass quantitative und qualitative Forschung nicht konkurrierend einander gegenübergestellt werden sollten, da sie sich komplementär zu einander verhalten«.96 Für die o. g. Studie wurden 23 Lehrpersonen für den Berufsschulreligionsunterricht zwischen 27 und 64 Jahren interviewt, deren subjektive Perspektiven auf den Berufsschulreligionsunterricht erfasst werden sollten.97 Die Studie befasst sich mit der Frage, inwiefern die grundlegende Motivation zum Erteilen des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen und der Motivationserhalt der Lehrkräfte zur gesundheitlichen Förderung der Lehrer und Lehrerinnen beitragen. Die rekonstruierten Kategorien umfassten folgende Rubriken: Identität, Religionsunterricht, Rolle, Kompetenzen, Motivation, Glaube, Vielfalt, Kirche, Lerngruppe, Berufsschule, Gesellschaft. In der Studie wurde vor allem der Zusammenhang zwischen der beruflichen und personalen Identität und der jeweils persönlichen Motivation zur Lehre im berufsbildenden Kontext und dessen Vielfalt und Heterogenität (Zusammensetzung der Lerngruppen) hervorgehoben. Diese Verbindung 95 Ist im Erscheinen: Motivation, Motivationsunterhalt und Gesundheitsförderung bei Lehrenden im Berufsschulreligionsunterricht. 96 Vgl. Jan Kruse: Qualitative Interviewforschung. Ein integrativer Ansatz. Weinheim/Basel 22015, 45. 97 Da es sich bei der vorliegenden Studie um eine explorative Arbeit handelt, wurde die Interviewform eines sog. leitfadenorientierten Expertinnen-Interviews gewählt. In diesem gelten die Befragten als »Repräsentanten bzw. Repräsentantinnen für die Handlungsweisen, Sichtweisen und Wissenssysteme einer bestimmten Expert/inn [sic!]/en– Gruppe« (Kruse, Qualitative Interviewforschung 2015 (s. o. Anm. 97), 166. Der entwickelte Interviewleitfaden sollte zum Erzählen anregen, gleichzeitig jedoch Bereiche definieren, über die dann auch gesprochen wurde. Dabei musste darauf geachtet werden, dass der Interviewende zwar Themen vorgab, ohne diese vorzustrukturieren. Dies war notwendig, um die Befragten in ihren Antwortmöglichkeiten nicht einzuschränken. Die Freiburger Forschungsarbeit hatte ein dreigeteiltes Erkenntnisinteresse. So sollten erstens Erkenntnisse über die Ressourcen und Herausforderungen des Berufsschulalltags vor dem Hintergrund der eigenen Religiosität, der persönlichen Identität und dem Verhältnis zur Kirche generiert werden. Die Kompetenzen, die Berufsschulreligionslehrkräfte im Kontext von Berufsschule, Religionsunterricht und der spezifischen Lerngruppe benötigen, stellten einen zweiten Fokus der Befragungen dar. Drittens sollte erforscht werden, welche Motivationen Berufsschulreligionslehrende unter Berücksichtigung der eigenen Rolle, der Vielfalt der Schülerschaft und der Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Berufsschulreligionsunterricht haben.

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war ausschlaggebend, ob der Beruf als »belastend«, aber nicht als »gesundheitsgefährdend« oder eben als »belastend« und »berufs- und identitätsgefährdend« für die persönliche Lebensgeschichte (narrative Identität) angesehen wurde. Je schwächer sich die Verbindung zwischen Identität und Motivation darstellte, desto höher war die Anfälligkeit für gesundheitliche Gefährdungen (z. B. Burnout). Basisfaktoren zur Bestimmung der Motivation waren unter anderem der persönliche Glaube der Befragten bzw. deren Spiritualität. Von den Befragten wurde ein erhöhter Bedarf an Unterstützung und Fortbildung durch die Kirchen erbeten, wobei die Unterstützung in Bezug auf Spiritualität priorisiert wurde. Ein weiteres Ergebnis war, dass das Studium unter anderem aufgrund von biografischen Ereignissen, wie das Aufwachsen in einem Pfarrhaushalt und eigenen Erfahrungen mit kirchlichen Mitarbeitern gewählt wurde. Die eigene Sozialisation prägte folglich nachhaltig die Lebenseinstellungen und Zukunftsperspektiven der Interviewpartner und Interviewpartnerinnen. Außerdem bestand ein großes Interesse an den Inhalten des von ihnen gewählten Studiengangs. Es ließ sich festhalten, dass ein Teil der Interviewpartner und Interviewpartnerinnen nicht beabsichtigte, im Schuldienst zu arbeiten. Auffällig war, dass keine(r) der Befragten das eigene Berufsfeld als Motivation für ein Studium nannte. Jedoch stellte das Studium selbst für die befragten Personen eine nachhaltige Motivation für ihren späteren Beruf dar. Die Interviewpartner und Interviewpartnerinnen äußerten ein hohes Maß an Zufriedenheit und Freude am eigenen Beruf. Diese Begeisterung wurde auch von den Befragten geteilt, die angaben, durch Zufall an der berufsbildenden Schule zu arbeiten. Als weitere motivierende Faktoren wurden die Themen und das Arbeiten mit der Zielgruppe der Berufsschüler und Berufsschülerinnen angeführt. Als motivierend wurde hier vor allem die große Freiheit in der Themenauswahl, die Heterogenität der Lernenden und die Unterschiedlichkeit der Rollen genannt. Die eigene Persönlichkeit und der eigene Glaube müssten aber authentisch gelebt und immer wieder reflektiert werden. Diese Haltung der Authentizität und der daraus folgenden Kongruenz von Reden und Handeln wurden als wichtige Bestandteile der eigenen Rolle gesehen. Die Lehrenden sehen es als Teil ihrer Rolle an, sich ständig weiterbilden zu müssen, auch über den eigenen Kernbereich der Religion hinaus. Ziel sei es, eine möglichst hohe Allgemeinbildung zu erlangen und insbesondere auch in politischen Fragen Auskunft geben zu können. Die Zeit, die für die anfallenden Verwaltungsaufgaben aufgewandt werde, würden die befragten Personen lieber jedoch in die inhaltliche Arbeit mit den Schülern und Schülerinnen investieren. Die befragten Berufsschulreligionslehrkräfte sahen es als Teil ihrer Rolle an, seelsorglich tätig zu werden. Am häufigsten wurde die personale Kompetenz thematisiert, gefolgt von der methodischen und der sozialen Kompetenz. Auch kom-

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munikative, hermeneutische, religiöse und ästhetische Kompetenzen wurden geäußert, aber verhältnismäßig seltener. Diese genannten Kompetenzen überschneiden sich, so ein Ergebnis, mit den Fähigkeiten, die von den Schülern und Schülerinnen vom Lehrplan gefordert werden. Hinzu kamen die wiederholte Erwähnung und Beschreibung der organisatorischen und reflexiven Kompetenzen, die vom Bildungsplan nicht vorgesehen werden. Beide Kompetenzen hätten viel mit dem äußeren Rahmen der Arbeit von Berufsschulreligionslehrkräften zu tun. Es gehe darum, beim nächsten Mal den Unterricht zu verbessern oder die Strukturen der Berufsschule, des Religionsunterrichts und der kirchlichen sowie bildungspolitischen Rahmenbedingungen zu bewältigen. Die befragten Personen beschrieben, wie die ihnen begegnende Vielfalt sie in ihrer Rolle als Lehrende und als Privatperson herausfordere. Allerdings waren sich die befragten Personen darin einig, dass eben diese Vielfalt auch sehr bereichernd für den Berufsschulreligionsunterricht sei. In ihren Religionsgruppen sahen und beschrieben die interviewten Personen besonders häufig die vorherrschende konfessionelle und religiöse Vielfalt. Als häufigstes Thema wurde hier der Umgang mit Islam und Islamismus genannt. Auch wurde die Dimension des Alters in diesem Kontext positiv und als Bereicherung erwähnt. Die befragten Lehrkräfte äußerten, dass sie ein pädagogisches Konzept bräuchten, in dem der Umgang mit Vielfalt fest verankert sei. Der gelingende Umgang mit Vielfalt gehöre zum Kernbestand der Lehrerrolle. Des Weiteren herrschte Uneinigkeit darüber, ob man als Religionslehrkraft die eigene Spiritualität und Religiosität ausleben und zeigen solle oder sich strikt an theologische Vorgaben des Bildungsplans zu halten habe. Die Befragten konnten sich nur darauf einigen, anderen Glaubensrichtungen gegenüber offen zu sein, ob man parallel seine eigenen Überzeugungen zeigen dürfe oder nicht, blieb unbeantwortet. Die befragten Lehrenden engagierten sich auch außerhalb des Religionsunterrichts in gesellschaftlichen oder in gemeindlichen Bezügen. Der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen stelle für sie den letzten Kontakt von Kirche und Gesellschaft in der Biografie vieler ihrer Lernenden dar. Umso größer schätzten sie vor diesem Hintergrund dessen Bedeutung ein. Im Kollegium habe der Religionsunterricht zwar meist ein positives Bild, dennoch begegne den Lehrkräften immer wieder offene Ablehnung, da sie von anderen Lehrkräften als Stellvertretende der Institution Kirche und kirchlich-traditioneller Werte gesehen würden. Als Religionslehrende stünden sie dabei nicht nur für ihre eigenen Haltungen, Werte und Normen, sondern nähmen auch Stellvertreterfunktion für die Kirchen ein. Hierbei übernehmen sie auch Vermittler-Funktionen zwischen der Gesellschaft, die stellvertretend von den Lernenden repräsentiert werde und der Stellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Die aktuellen

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gesellschaftlichen Thematiken prägten stark die Themenauswahl des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen. Das Selbstverständnis der befragten Berufsschulreligionslehrenden zeigte eine Überschneidung mit diversen anderen kirchlichen Berufen. Die Rolle des Seelsorgenden überwog in diesem Kontext besonders deutlich. Die Interviewten nahmen diese Rolle im Arbeitsalltag häufig ein, weil dies sowohl seitens der Schülerschaft als auch der Lehrkräfte von ihnen eingefordert würde. Das eigene außerschulische Engagement in kirchlichen Einrichtungen schien verhältnismäßig eher geringer wahrgenommen zu werden. Die Institution Kirche schien bei den Befragten im Berufsalltag keine besonders wichtige Rolle einzunehmen, doch könnte sie sich prägend auf die Glaubensbildung der interviewten Lehrenden ausgewirkt haben. Hier sei die Kirche in der Pflicht, Angebote zu entwickeln, die die Lehrenden in ihrer Religiosität unterstützen. Dies sei notwendig, damit die Lehrenden ihren Glauben authentisch einbringen können. Anderenfalls bestehe die Tendenz, dass die Religionslehrkräfte an der Aufgabe, die richtige Balance zwischen eigenen und den Einstellungen der Institution Kirche zu halten, scheitern und sich so von der Kirche abwenden müssten. Wo eine solche Kirchenferne bei Religionslehrenden entstehe, könnten diese ihre Rolle nicht mehr authentisch füllen und drohten an dieser Aufgabe zu verbrennen und ein Burn-Out zu erleiden.

7. Die Perspektive der Aus- und Fortbildung sowie Unterstützungsbedarfe 7. 1 Berufszufriedenheit Berufsschullehrende sind und waren sehr fortbildungsbereit, wer nicht up to date bleibt, scheint dies zu spüren. Dennoch ist es so, dass sich Fortbildungsangebote meist Religionslehrkräfte im Allgemeinen als Zielgruppe setzen und es kaum schulartspezifische Fortbildungen gibt. Es müssen also Strategien entwickelt werden, wie zukünftig trotz sinkender Ressourcen Fortbildungen bedarfsgerecht und zielgruppengenau konzipiert werden können. Die häufigste Form kirchlicher Lehrerfort- und -weiterbildung sind ein- bis dreitägige Seminare der religionspädagogischen Institute98: »Vom Gesichtspunkt der Kopplung von Selbst98 Vgl. Meinfried Jetzschke: Fort- und Weiterbildung von (Religions)Lehrer/innen an berufsbildenden Schulen, in: Gesellschaft für Religionspädagogik/Deutscher Katechetenverein (Hg.): Neues Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (BRU-Handbuch), Neukirchen-Vluyn 2005, 625–645, hier 625.

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bild, Selbstbewertung und Selbstpräsentation her, ist es deutlich, daß [sic!] die Haltung vom Ich hinsichtlich des eigenen Selbst ein relationales Gebilde ist«.99 Früher galt das Lehrenden-Sein als anerkannter, akademischer Beruf, dem man mit Hochachtung begegnete. Heute würden die Lehrenden für viele Fehler verantwortlich gemacht und müssten als Projektionsfläche für das Scheitern anderer (zum Beispiel Lernende, Eltern, Politiker/Politikerinnen etc.) herhalten.100 7.2 Fortbildungsangebote Lehrerfort- und -weiterbildungen können in diesem Zusammenhang eine stützende Rolle spielen. Sie wirken sich positiv auf die Lernleistung, Fähigkeit und Einstellungen der Lehrpersonen aus und stellen eine effektive Maßnahme dar, um die Arbeitsleistung und die Zufriedenheit zu verbessern. Die Effekte der Hattie-Studie belegen diese Aussagen eindrücklich. Vor allem für den Wissenszuwachs, für affektive Gefühle und für die Steigerung der Zufriedenheit seien Lehrerfortbildungen hilfreich.101 Die Schülerleistungen verbesserten sich hingegen nicht automatisch. Gefordert sei eine gezielte Weiterbildung der Lehrkräfte: »Die vier Weiterbildungssettings, die sich mit Blick auf das Wissen und Verhalten der Lehrperson am effektivsten zeigen, sind: Beobachtung der tatsächlichen Methoden im Klassenzimmer, Micro-Teaching, Video-/Audio-Feedback und Übungen. Die geringsten Effekte zeigten sich bei Diskussionen, Vorlesungen, Spielen/Simulationen und angeleiteten Ausflügen. Coaching, Modelllernen und die Erstellung von gedrucktem Unterrichtsmaterial hätten ebenfalls geringere Effekte.«102 Entscheide man sich für die Zusammensetzung von Lehrer-Trainingsgruppen, sollte man bedenken, dass jene eine höhere Effektstärke erzielten, die stufenübergreifend zusammengesetzt waren.103 Hattie verweist hierbei auf eine Studie, die in den USA mit Lehrpersonal aus der Grundschule und der High-School durchgeführt wurde. Es wäre daher förderlich, Trainingsgruppen zu bilden, die auf Lehrpersonal der Grundschule ebenso zugreift wie aus unterschiedlichen weiterführenden Schulen (Haupt-, Realschule, Gymnasium und Berufsschulen). Die Einbeziehung von Förderschullehrenden wäre gerade vor dem Hintergrund der Diversität und der Inklusion eine Bereicherung und daher anzuraten.   99 Van der Ven, Entwurf 1990 (s. o. Anm. 21), 80. 100 Vgl. Jetzschke, Fort- und Weiterbildung 2005 (s. o. Anm. 99), 629 f. und Miklas, Ich wünsche 2015 (s. o. Anm. 34), 13. 101 Vgl. Hattie u. a., Lernen sichtbar 2013b (s. o. Anm. 11), 144 f. 102 Hattie u. a., Lernen sichtbar 2013b (s. o. Anm. 11), 143 f. 103 Ebd.

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Vor allem dann, wenn das Lernverhalten der Lernenden verändert werden soll, müsste ein Fortbildungsdesign gewählt werden, das dazu führt, dass die »[…] Lehrperson die bis dahin verwendeten Argumentationen und Vorstellungen bezüglich des Lernens hinterfragt […] oder diese die Lehrpersonen herausfordert, bestimmte Curricula effektiver umzusetzen«.104 Folgende Modelle und Szenarien, die nur eine begrenzte Auswahl darstellen, führen u. E. dazu, dass sowohl die Zufriedenheit als auch Effektivität der Arbeit erhöht wird, weil jene Punkte thematisiert und bearbeitet werden: Professionelle Lerngemeinschaften (fach- und lerngruppenorientiert), gemeinsame Unterrichtsvorbereitung, kollegiale Hospitation, Coaching und Videografie des Unterrichts. Eine genaue Auflistung und Ausführung dieser und weiterer Modelle lassen sich z. B. bei Helmke105 finden. Gerade diese Formen der Unterrichtsentwicklung, die einen klaren handlungs- und verhaltensorientierten Ansatz verfolgen, versprechen eine Steigerung der Unterrichtsqualität. Zwei Punkte, die Helmke im Kontext der Lehrerprofessionalität abschließend betont, sollen auch hier Erwähnung finden. Ohne ein Verständnis elementarer Grundlagen des Lernens und der Funktionsweise des Gedächtnisses und ohne Verständnis der Prinzipien, die z. B. der Motivierung und Aktivierung zugrunde liegen, könne die Praxis nicht erfolgreich sein.106 Ebenso bedeutend ist die Fähigkeit der Selbstreflexion und Kooperation. Helmke erkennt diese als die vielleicht wichtigsten Bedingungen der Lehrerprofessionalisierung, die sich wechselseitig ergänzen müssten: »Die kontinuierliche Rechenschaftslegung des eigenen Tuns und seines Erfolgs (Unterrichten, Beraten, Erziehen, Diagnostizieren, Innovieren) ist für Lehrer, die sich als Professionals verstehen, ebenso unabdingbar wie die innerschulische Kooperation und der kontinuierliche Austausch über die Erfahrungen in den genannten Bereichen.«107

Die Kooperation (über-)fachlicher, inner- bzw. überschulischer Art sei wichtig und förderungswürdig, auch wenn sie zuweilen Überwindung koste, weil sie in der deutschen Bildungslandschaft noch nicht selbstverständlich bzw. nicht strukturell verankert sei.

104 Ebd. 105 Vgl. Helmke, Unterrichtsqualität 2015, (s. o. Anm. 88), 323 ff. 106 Vgl. Helmke, Unterrichtsqualität 2015, (s. o. Anm. 88), 360. 107 Ebd.

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Akteure im BRU – personale Aspekte

8. Die Perspektive von Industrie 4.0 auf Schule und den Religionsunterricht Parallel zu den Diskussionen Industrie 4.0 gewinnt Schule 4.0 an Aufmerksamkeit. Gemeint ist damit die Auseinandersetzung mit digitalen Medien und Unterrichtsmethoden im schulischen Unterricht von der Primarstufe bis in die Tertiärbereiche Hochschule und der beruflichen Fort- und Weiterbildung. An die Lehrenden richten sich verschiedene Fragen, welche digitalen Medien wie im Unterricht eingesetzt werden können und wie sich dadurch die Didaktik verändern müsse. Darüber hinaus sind Fragen zum Datenschutz und zu den Nutzungsbedingungen des Webs ebenso zu beantworten wie der Quellenschutz und die Zuverlässigkeit der Informationsquellen. Schule 4.0 wirkt unmittelbar auf die MINT-Fächer, jedoch stellt sich die Frage, wie der Berufliche Religionsunterricht Industrie 4.0 aufnimmt, weil auch Schule 4.0 keine Utopie mehr ist. Gelingende Beispiele sind z. B. die Steve-Jobs-School108 in Amsterdam oder die Pendant Khan Academy in den USA.109 An beiden Schulen sind starre Stundenpläne antiquiert und Schüler und Schülerinnen lernen z. B. über Lernvideos, in denen Algorithmen hinterlegt sind. Diese erkennen das Arbeitsverhalten der Schüler und Schülerinnen und bieten für das weitere Lernen passgenaue Lernwege und Lernmaterialien an. Die Lehrenden werden mit der Entwicklung einer Schule 4.0 ihr Rollenverständnis noch einmal neu justieren müssen. Lernende werden noch mehr zu Gestaltenden und Subjekte ihrer individuellen Lernprozesse und Lehrende werden in der digitalisierten Lernsituation zum Lernberatenden und Bereitstellenden von digitalisierten Unterrichtsmaterialien. Flipped Classroom oder Inverted Classroom ist eine der neuen Unterrichtsmethoden, die das traditionelle Verhältnis von Unterricht und Selbstlernen umkehrt. Lernende eignen sich ihr Wissen über digital zur Verfügung gestelltes Material eigenständig, meist zuhause, an. Die Unterrichtsphasen dienen dann der gemeinsamen Vertiefung. Schule oder Hochschule sind dann nicht mehr erste Orte der Wissensaneignung. Lernende arbeiten asynchron, ortsungebunden und hochgradig individualisiert. Konsequenzen für den Beruflichen Religionsunterricht ergeben sich auf drei Ebenen: Erstens in Bezug auf die Gestaltung der Unterrichtsinhalte, zweitens in Bezug auf die Infrastruktur und drittens in Bezug auf die ethische Dimension des Arbeitens im Web. Die Gestaltung von Lernmaterial für die Schule 4.0 setzt fachliche Kompetenzen der Lehrenden voraus, es braucht Fortbildungen für Lehrkräfte, um digitale Medien erstellen, bereitstellen und didaktisch richtig 108 Vgl. http://stevejobsschool.nl/ (Zugriff am 15.2.2017). 109 Vgl. https://de.khanacademy.org/ (Zugriff am 15.2.2017).

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einsetzen zu können – Advance Organizer, Hypervideos oder Übungsaufgaben mit Highscore-System sind ebenso zentral wie die Gestaltung der Präsenzphasen im Unterricht oder die Online-Präsenz während der Inverted-Classroom-Phase. Die Infrastruktur der Schule und des Lehrerarbeitsplatzes muss digitales Arbeiten ermöglichen. Breitband, die Einbindung von Open Educational Resources, Tablets ebenso wie IT-Wartung und Service sind zwingend Voraussetzung für eine gelingende Schule 4.0. In letzter Konsequenz stehen die Lehrpersonen als physisch präsentes Gegenüber in Frage. Das zur Verfügung stehende Wissen, digital aufbereitet ist losgelöst von Bildungsplänen im Web abrufbar, Lernen wird mehr als bisher individualisiert und führt zu hochgradig problemlösungsorientierten Lernlagen bei den Schülern und Schülerinnen. Der Berufliche Religionsunterricht muss neben den originären Themen des Religionsunterrichts auch Fragen zum Datenschutz, zum verantwortlichen Umgang mit digitalen Medien und dem Web sowie zur digitalen Ethik behandeln.

Weiterführende Literatur Ulrich Dittler (Hg.): E-Learning: Einsatzkonzepte und Erfolgsfaktoren des Lernens mit interaktiven Medien, Berlin/Boston 2003 Lars Windelband: Veränderungen in der Arbeitswelt, Kompetenzen und Lernen in der »Instandhaltung 4.0«, in: lernen & lehren, Jg. 31 (2016/Heft 121), 01/2016, 16–22 Lars Windelband/Bernd Dworschak: Veränderungen in der industriellen Produktion – Notwendige Kompetenzen auf dem Weg vom Internet der Dinge zu Industrie 4.0. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis (BWP), Jg. 44 (2015/Heft 6), 26–29 Lothar Schröder/Hans-Jürgen Urban (Hg.): Digitale Arbeitswelt – Trends und Anforderungen, Frankfurt  a. M. 2016 Barbara Löhr-Zeidler/Raphael Hörner/Joachim Hee: Handlungsempfehlungen Industrie 4.0: Umsetzungshilfen für Lehrerinnen und Lehrer der beruflichen Schulen, in: Berufsbildung: Zeitschrift für Praxis und Theorie in Betrieb und Schule – 70 (2016), H. 159, 11–14

III.

Konzepte und Gehalte des BRU – didaktische Aspekte

III.1 Didaktische Schlüsselbegriffe

Roland Biewald

Der Berufsschulreligionsunterricht (BRU) steht didaktisch sozusagen in einem doppelten Bezugsrahmen, nämlich einerseits zur Berufspädagogik und den damit verbundenen beruflichen Didaktiken und andererseits zur Religionspädagogik und den Didaktiken des Religionsunterrichts. Auch hier steht »Didaktiken« im Plural, weil der Religionsunterricht (RU) evangelisch, katholisch, konfessionell-­ kooperativ oder auch muslimisch sein kann. Auf didaktische Differenzierungen der konfessionellen Formen des RU soll hier jedoch weitgehend verzichtet werden. Das Spezifische am BRU ist seine Eingebundenheit in die berufliche Bildung. Daher sollen einerseits die didaktischen Bezüge und Einflüsse der Berufspädagogik und andererseits jene der Religionspädagogik thematisiert werden.

1. Berufsorientierung Der gerade beschriebene doppelte Bezugsrahmen kann mitunter den Eindruck vermitteln, der BRU sitze zwischen zwei Stühlen. Ist er nun organisch in die berufliche Bildung eingebunden oder ist er das andere, vielleicht exotische Fach im Sinne einer res alienum, das nur die eigene Sache verfolgt? Das lässt sich am Stichwort Berufsorientierung sehr gut aufzeigen, das die Diskussion um Konzeptionen des BRU wie ein Archetyp des Schattens (C. G. Jung) begleitet. Einen informativen und knappen Überblick über die Begriffsbedeutung aus berufspädagogischer Sicht bietet der entsprechende Artikel von Claudia Kalisch im Lexikon Berufsbildung.1 Von den drei dort anfangs genannten Bedeutungen trifft für den BRU nur die zweite zu: »Zudem können Bildungsinhalte und Unterrichtsmethoden beruflich orientiert sein, indem sie Themen des Berufsund Arbeitslebens aufgreifen.« In der Berufspädagogik bezieht sich der Begriff 1

Claudia Kalisch: Art. »Berufsorientierung«, in: LexBB (2015), 235 f.

Didaktische Schlüsselbegriffe

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»Berufsorientierung« darüber hinaus stärker auf eine Hilfe zur Berufswahl z. B. durch Berufspraktika und berufsorientierende Informationsangebote an den allgemeinbildenden Schulen. Schülerinnen und Schüler im BRU haben sich bereits für eine Berufsausbildung entschieden und sind damit – auch wenn es vielleicht nicht ihr Traumberuf ist – schon in einer Auseinandersetzungsphase mit diesem Beruf. Der BRU flankiert diese Auseinandersetzung mittels Themen und Methoden. Näher zu betrachten wäre hier das Verhältnis zwischen einer allgemeinen und einer speziellen Berufsorientierung, also einerseits im Hinblick auf die Arbeitswelt und andererseits im Hinblick auf den zu erlernenden Beruf. Bezieht man das auf Inhalte, Lernfelder und Kompetenzen des BRU (siehe auch Punkt 3), stellt sich der didaktische Begriff des Berufsbezuges als sehr facettenreich dar. Sehr einleuchtend ist die Unterscheidung zwischen einem materialen und einem kategorialen Berufsbezug. Andreas Obermann2 hat sich in verschiedenen Beiträgen mit dieser Begriffsbestimmung auseinandergesetzt. »Materiale Berufsbezüge erschließen sich auf der Sachebene (für die Auszubildenden) durch Assoziationsverbindungen zwischen Beruf und Religion, sofern die beruflichen Handlungsmuster, Einstellungen, Haltungen oder Materialien auch in der biblischen und/oder theologischen Tradition vorkommen: Materiale Berufsbezüge sind demnach konstitutiv durch Stichwortbezüge und/oder Assoziationen bestimmt und geprägt« (Religion trifft Beruf, Kap. 3).

Es werden nachfolgend zwei Arten bzw. Grade unterschieden: Der material-assoziative (1) und der material-hermeneutische (2) Berufsbezug. Während sich die Inhaltsaspekte bei (1) unmittelbar auf den Beruf beziehen, also mit ihm assoziiert werden, müssen bei (2) Material oder Handlungen erst hinsichtlich des Berufsbezuges erschlossen werden. »Die Kategorialen Berufsbezüge weisen einen sachlich-inhaltlichen Zusammenhang auf vom Beruf und von der Religion je zur persönlichen Entwicklung und Sozialisation der Auszubildenden, ihren berufsbiografischen Aussichten, ihrer persönlichen Wahrnehmung von Ausbildung und Berufswelt, ihrer vom Beruf abhängigen persönlichen Lebensplanung und ihren damit verbundenen existentiellen Fragen nach dem Leben« (ebd.). 2 Andreas Obermann: Im Beruf Leben finden (Arbeiten zur Religionspädagogik Bd. 55), Göttingen 2013, hier bes. Abschnitt 7.2.3. S. 158 ff. und Teil V S. 171 ff.; eine differenziertere Begriffsbestimmung wird vorgenommen in: Religion trifft Beruf – zur Didaktik des Berufsschulreligionsunterrichts (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität, Bd. 14), Münster 2018, Kapitel 3 (»Der Berufsbezug im BRU«).

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Konzepte und Gehalte des BRU – didaktische Aspekte

Unterschieden werden dann ein kategorial-identitätsstiftender (a) und ein kategorial-transzendierender (b) Berufsbezug. Bei (a) handelt es sich um eine Metareflexion, in der die Auszubildenden über ihre eigene Person und ihre Berufsidentität nachdenken. Bei (b) handelt es sich um einen Diskurs über Transzendenzerfahrungen ausgehend von Alltagssituationen, durch den sich die Auszubildenden eigene Zugänge zur und Deutungen von Transzendenz/ Religion erschließen. In der wissenschaftlichen Diskussion zeigt sich der Trend, den Schlüsselbegriff Berufsbezug – im Sinne Obermanns – eher kategorial als material zu verstehen, weil hier der BRU etwas unverwechselbar Eigenes einbringt. Die eingangs beschriebene berufspädagogische Begriffsbedeutung ist in der neuesten Didaktik des BRU deutlich differenzierter ausgeführt. Das ist kein Wunder, denn hier besteht ein starker Legitimationsdruck, wobei der Berufsbezug manchmal als der eigentliche Schlüssel zur Qualifizierung des RU als BRU verstanden wurde. Spätestens seit der Diskussion um die Kompetenzorientierung des BRU ist diese pointierte Schlüsselfunktion relativiert worden. Mehr dazu wird im Zusammenhang mit der Kompetenzorientierung zu sagen sein. Die materiale Berufsorientierung des BRU sollte nur dort entfaltet werden, wo es sich anbietet, aber nicht künstlich hergestellt werden. Etwas karikierend gesagt: Ein Bäcker sollte z. B. wissen, worauf sich Reformationsbrötchen beziehen und zu welcher Zeit er sie backen und verkaufen kann. »Fromme« Brötchen muss er jedoch nicht backen. Im Umgang mit Lebensmitteln sind durchaus weitere Bezüge denkbar, z. B. kann man im fleischverarbeitenden Handwerk schöpfungstheologische Aspekte thematisieren und zu einer ethischen Haltung der Ehrfurcht vor dem Leben – hier gegenüber den aus Lebewesen gewonnenen Nahrungsmitteln – anhalten. Das trägt zwar nicht zu unmittelbaren beruflichen Fertigkeiten bei, eröffnet aber im Hinblick auf die »Materie« des Handelns neue Perspektiven. Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass die Diskussion um den Berufsbezug des BRU einerseits von der Frage nach dem Berufsethos und andererseits von bestimmten Erwartungen der »Abnehmer« beruflicher Bildung (Industrie, Handwerk, Gewerbe) bestimmt ist. Dabei ist der BRU zwei polarisierten Gefahren ausgesetzt: (1) Der BRU muss einerseits davor bewahrt werden, zum Erfüllungsgehilfen wirtschaftlicher Interessen zu werden, die auf einem problematischen Menschenbild beruhen, wie es sich z. B. in dem Begriff »Humankapital« zeigt. Berufliche Bildung ist nicht nur Ausbildung, daher hat der BRU einen wesentlichen Anteil an einer Allgemeinbildung, die den Beruf im Zusammenhang gesellschaftlicher, ethischer und insbesondere religiöser Fragestellungen reflektiert. Berufsorientierung meint nicht nur die Orientierung des BRU im Hinblick auf ein Berufsfeld, sondern

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fragt auch vom Beruf her, wie dieser im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld verortet ist und welches Berufsethos sich daraus entwickeln lässt. (2) Der BRU muss andererseits davor bewahrt werden, nur ideologiekritisch gegen alle vermeintlich inhumanen Interessen der Wirtschaft zu fungieren. Arbeit und Wohlstand sind gesamtgesellschaftliche Anliegen und gehören auch zu einer theologisch begründeten Sicht eines »glücklichen« Lebens, die sich schöpfungstheologisch, vom Schalom-Begriff und vom Verständnis guter Werke als Frucht des Glaubens her begründen lässt.3 Berufsorientierung des BRU heißt demnach auch, eine theologisch begründete Wertschätzung der beruflichen Tätigkeit als Grundlage für Wohlstand und Glück zu entfalten.

2. Lernfeldorientierung Eine didaktische Orientierung an einzelnen Fächern, wie in allgemeinbildenden Schulen üblich, wurde in der beruflichen Bildung schon seit längerem in Frage gestellt, weil fachübergreifende Kenntnisse und Qualifikationen gefordert waren. Erst mit den Handreichungen zur Erarbeitung von Rahmenlehrplänen für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule der KMK von 19964 wurde das Lernfeldkonzept zur Grundlage der Lehrpläne in der Berufsbildung gemacht. Dort wird definiert: »Lernfelder sind durch Zielformulierungen beschriebene thematische Einheiten. Sie sollen sich an konkreten beruflichen Aufgabenstellungen und Handlungsabläufen orientieren« (32). Etwas differenzierter fassen Bader und Schäfer den Begriff: »Lernfelder sind didaktisch begründete, schulisch aufbereitete Handlungsfelder. Sie fassen komplexe Aufgabenstellungen zusammen, deren unterrichtliche Bearbeitung in handlungsorientierten Lebenssituationen erfolgt. Lernfelder sind durch Zielformulierungen im Sinne von Kompetenzbeschreibungen und durch Inhaltsangaben ausgelegt.«5 3 In der älteren Broschüre »Berufsbezug im Religionsunterricht« der Evangelischen Kirche im Rheinland (Hg.), Düsseldorf 22003, sind diese Aspekte differenziert ausgeführt und beispielhaft auf verschiedene Berufsausbildungen bezogen worden. 4 KMK (Hg.): Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe, Bonn 9.5.1996 i. d. F. vom 23.9.2011; http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/ 2011/2011_09_23_GEP-Handreichung.pdf. 5 Reinhard Bader/Bettina Schäfer: Lernfelder gestalten. Vom komplexen Handlungsfeld zur didaktisch strukturierten Lernsituation, in: Die Berufsbildende Schule 50 (1998) Heft 7/8, 229– 234, hier 229.

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Die Fassung der KMK-Handreichung von 2011 berücksichtigt die inzwischen eingeführte Kompetenzorientierung und integriert die Inhalte in die Kompetenzbeschreibungen. Ob mit der Lernfeldorientierung die Erwartungen einer besseren, auf die Komplexität der Berufsfelder bezogenen Berufsschulbildung erfüllt wurden, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Volkmar Herkner6 nennt als Vorteile, dass die Fächersystematik nicht mehr dominiert und Detailwissen immer im Zusammenhang mit einer konkreten Handlungssituation abverlangt werde. Dadurch werde das Prinzip der Handlungsorientierung besser berücksichtigt. Kritisch sei hingegen die Unterrichtsorganisation zu betrachten, die dem Lernfeldkonzept oft nicht gerecht werde, weil noch zu sehr am Fachlehrerprinzip festgehalten werde und Kooperationsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft würden. Es sei daher auch nach 20 Jahren noch »kein idealtypischer Lernfeldunterricht« vorzufinden (531). Einen guten Einblick in die Lernfeldorientierung bis hin zu den entsprechenden Planungsprinzipien gibt Alfred Riedl.7 Inzwischen ist die Lernfeldorientierung, wie aus der neuen Version der KMK-Handreichung bereits ersichtlich, mit der Kompetenzorientierung verwoben. Entscheidendes Prinzip ist nach wie vor das Bewusstmachen und das Einüben des Zusammenhangs zwischen beruflichen Handlungsfeldern, Lernfeldern und Lernsituationen. Für die Konzeption des Unterrichts bilden die beruflichen Handlungsfelder den Ausgangspunkt der didaktischen Reflexion und zwar gedacht als Weg in zwei Richtungen. Einmal führt die Reflexion vom Handlungsfeld zum Lernfeld. Die Bildungsziele des Unterrichts werden im Rahmen einer didaktischen Analyse – die sich nach Riedl z. B. am Analysemodell Klafkis orientieren kann (159) – erschlossen und formuliert. Zum anderen führt die Reflexion vom Lernfeld zum Handlungsfeld zurück: »Eine solche prüft im Rückschluss auf korrespondierende Handlungsfelder, in welcher Weise ein Lernfeld dazu beiträgt, berufliche Handlungskompetenz zu entwickeln. Dabei wird gefragt, inwieweit ein Lernfeld einen Beitrag zur Bewältigung der gegenwärtigen Lebenssituation Lernender (beruflich wie privat) leistet, inwieweit Lernfelder vollständige und in sich geschlossene Handlungen repräsentieren, ob es in einem Lernfeld gelingt, neben fachlichen Zusammenhängen auch gesellschaftliche und individuelle Aspekte der Lernenden zu thematisieren und wie dabei die verschiedenen Dimensionen von Handlungskompetenz […] für das jeweilige Lernfeld spezifisch formuliert werden können.«8 6 Volkmar Herkner: Art. Lernfeld, in: LexBB (2015), 530 f. 7 Alfred Riedl: Didaktik der beruflichen Bildung, Stuttgart 22011. 8 Ebd., 159.

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Spätestens hier erweist sich das Lernfeldkonzept für die allgemeine Bildung innerhalb der beruflichen Bildung einschließlich des BRU als interessant. Daher erfolgt nun ein Blick auf lernfeldorientierten BRU. Dieser hat sich demnach auf die in den beruflichen Lernfeldern zu erwerbende umfassende Handlungskompetenz zu beziehen, soll aber dennoch ein eigenes (Fach-)Profil beibehalten. Zuweilen wird das auch mit den Begriffen »domänenübergreifend« und »domänenspezifisch« beschrieben.9 Das System der beruflichen Bildung ist bekanntermaßen sehr vielfältig, sodass in den Lehrplänen je nach Schulform (duales System, Vollzeitberufsschule, Fachschule/Fachakademie) auch unterschiedliche Begriffe, z. T. synonym zu Lernfeld verwendet werden, wie »Lernmodul«, »Lerngebiet« oder »Anforderungssituation«. Demnach ist der BRU berufsübergreifenden Lernfeldern zugeordnet. Ausnahmen gibt es lediglich in einigen Bundesländern für die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung, wo religionspädagogische Kompetenzen im Rahmen des Berufsfeldes als berufsspezifisch erworben werden. Beispielhaft kann das am »Länderübergreifende[n] Lehrplan für Erzieher/Erzieherin« von 2012 gezeigt werden, den 14 von 16 Bundesländern gemeinsam entwickelt haben.10 Das Stichwort »Religion« wird in mehreren Lernfeldern genannt. Im Lernfeld 4 »Sozialpädagogische Bildungsarbeit in den Bildungsbereichen professionell gestalten« wird in einer Anmerkung darauf verwiesen, dass in verschiedenen Bildungsbereichen, u. a. Religion, »[…] auf den Bildungsbereich bezogene fachspezifische und sozialpädagogische Kompetenzen erworben werden [müssen]. Beides ist didaktisch-methodisch miteinander zu verbinden« (35). Für die duale Ausbildung soll als Beispiel der »Bildungsplan zur Erprobung« für die »Fachklassen des dualen Systems der Berufsausbildung, die zum Berufsschulabschluss und zur Fachoberschulreife oder zur Fachhochschulreife führen«, Fachbereich Wirtschaft und Verwaltung, Evangelische Religionslehre des Landes Nordrhein-Westfalen von 2015 herangezogen werden.11 Religionslehre (Ev. und Kath.) gehört zum berufsübergreifenden Lernbereich. In einer Matrix (24) werden die fachspezifischen Lernfelder und Anforderungssituationen, also auch die der Religionslehre, den Handlungsfeldern des Fachbereichs zugeordnet. So stehen zum Beispiel beim Handlungsfeld 5 »Personal«, Unterpunkt »Personaleinsatz und Personalentlohnung« die Anforderungssituationen »Weltdeutung« (5) und »Ethisch begründetes Handeln« (6) der Ev. Religionslehre. Diese sind dann   9 Z. B. Rainer Möller: Empirische Forschung und Kompetenzorientierung im Religionsunterricht, in: Peter Schreiner/Friedrich Schweitzer (Hg.): Religiöse Bildung erforschen: Empirische Befunde und Perspektiven, Münster 2014, 201–210. 10 http://www.boefae.de/wp-content/uploads/2012/11/laenderuebergr-Lehrplan-Endversion.pdf 11 http://www.berufsbildung.nrw.de/cms/upload/_lehrplaene/a_faecher_wuv/bp_fachklassen_ wuv_ev-religion.pdf.

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im Text jeweils mit inhaltlichen Stichworten und Zielformulierungen untersetzt (30 f.). Der Begriff Lernfeld taucht zwar in der Matrix auf, ist im Folgenden dann durch »Anforderungssituation« ersetzt. Die neueren lernfeldorientierten Lehrpläne zeigen durchweg eine Vernetzung mit der Kompetenzorientierung. Beides ist gut aufeinander zu beziehen und schließt sich keineswegs aus.

3. Handlungsorientierung und Kompetenzorientierung Die Kompetenzorientierung taucht in der beruflichen Bildung und Ausbildung früher auf als in der Didaktik allgemeinbildender Fächer. Das hängt z. T. damit zusammen, dass der hier favorisierte Bildungsbegriff wenig geeignet erscheint, berufliche Fähigkeiten und Fertigkeiten zu beschreiben. Der Schlüsselbegriff scheint daher Handlungskompetenz zu sein. Diesen Eindruck gewinnt man in der Tat, wenn man Kompetenzmodelle und kompetenzorientierte Lehrpläne für berufliche Fachrichtungen anschaut. Jedoch wäre das eine Verkürzung. Die neuere Literatur zu Kompetenzorientierung in der beruflichen Bildung12 weist darauf hin, wie komplex sich hier die Diskussion entwickelt hat. Es gibt sehr unterschiedliche Definitionen von Kompetenz aus z. T. widersprüchlichen Konzepten, die zuweilen als »Kompetenzdilemma« bezeichnet werden.13 Einen tabellarischen, aber sehr differenzierten Überblick über Kompetenzbegriffe, deren inhaltlichen Näherbestimmungen und problembezogene Kritik gibt Klaus Beyer aus der Sicht der Allgemeinen Didaktik.14 Die für die berufliche Bildung relevanten und an der Handlungskompetenz orientierten Definitionen kann man grob etwa so klassifizieren: Ȥ Kompetenz als allgemeine Fähigkeiten (z. B. Sprechen, Schwimmen, Fahrrad fahren …). »Kompetenz wird hier als Befähigung interpretiert, welche den Träger in die Lage versetzt, ein bestimmtes Verhalten (Performanz) zu zeigen.« Ȥ (Bereichs)spezifische Kompetenzen. »Diese beziehen sich auf eine mehr oder weniger große Menge an Anforderungen, Situationen und Aufgaben. Zu 12 Eine gute Übersicht liefert der beim BIBB erschienene Sammelband: Monika Bethschneider/ Gabriele Höhns/Gesa Münchhausen (Hg.): Kompetenzorientierung in der beruflichen Bildung, Bonn 2011. 13 Z. B. Matthias Vonken: Kritische Anmerkungen zum Kompetenzbegriff, in: Bethschneider u. a., Kompetenzorientierung 2011 (s. o. Anm.), 21–32. 14 Klaus Beyer: Didaktische Prinzipien: Eckpfeiler guten Unterrichts. Ein theoriebasiertes und praxisorientiertes Handbuch in Tabellen für den Unterricht in der Sekundarstufe II, Baltmannsweiler 2014, 45–60.

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deren Bewältigung werden Kenntnisse, Fertigkeiten, Routinen und Fähigkeiten benötigt.« Ȥ Umfassende Kompetenzen, z. B. Handlungskompetenz oder Schlüsselkompetenzen. »Handlungskompetenz bezieht sich auf die Gesamtheit aller menschlichen Fähigkeiten, integriert die beiden ersten Klassen von Kompetenzdefinitionen und umfasst daneben auch motivationale, volitionale (willentliche) und soziale Aspekte.«15 Hieraus ist ersichtlich, dass die Handlungskompetenz als eine übergreifende verstanden wird. »Zusammenfassend kann gesagt werden, dass drei miteinander verknüpfte Elemente den Kompetenzbegriff im beruflichen Bereich prägen: 1. Im beruflichen Bereich herrscht ein Handlungskompetenzverständnis. 2. Handlungskompetenz ist ein selbstständiges, selbstorganisiertes Handeln. 3. Handlungskompetenz wird in Dimensionen abgebildet […]«16: Ȥ Fach- bzw. Sachkompetenz Ȥ Methodenkompetenz Ȥ Selbstkompetenz (Personale Kompetenz) Ȥ Sozialkompetenz Die letzteren beiden wurden in älteren Modellen manchmal zu »Humankompetenz« zusammengefasst. Der Begriff der Selbstkompetenz ist jüngeren Datums und hat für allgemeinbildende Fächer in der beruflichen Bildung – wie auch Sozialkompetenz – eine wichtige Bedeutung. Sebastian Lerch17 hat den Begriff kritisch untersucht. Definiert wird er wiederum unterschiedlich, z. B. im Hinblick auf Organisations-, Entscheidungs-, Verantwortungs- und Führungsqualitäten (Managementaufgaben), oder im Hinblick auf Verwirklichung von Ansprüchen und Zielen, Entwicklung von Ressourcen, Lern- und Leistungsbereitschaft, oder als Fähigkeit, sich selbst einzuschätzen und Bedingungen zu schaffen, um sich im Rahmen der Arbeit zu entwickeln und zu lernen18. Kritisch sieht Lerch, dass ein bestimmtes Verständnis von Selbstkompetenz zu einer Funk15 Kathrin Hensge/Barbara Lorig/Daniel Schreiber: Kompetenzverständnis und -modelle in der beruflichen Bildung, in: Bethschneider u. a., Kompetenzorientierung 2011 (s. o. Anm.), 133–157, hier: 135. 16 Ebd., 138 f. 17 Sebastian Lerch: Selbstkompetenz – Eine neue berufliche Qualität oder die Vervollkommnung des funktionalen Subjekts? In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik 108, Heft 1 (2012), 118–125. 18 Ebd., 122, dort weitere Referenzliteratur.

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tionalisierung der menschlichen Persönlichkeit führen kann. »[…] das Subjekt hat die Mechanismen der Selbstkontrolle und -rationalisierung verinnerlicht und soll bzw. macht das eigene Ich zu einem selbstkompetenten Arbeiter. Es untergräbt damit auch das lebendige Wissen, welches […] das Subjekt in seiner relativen Freiheit und Unverfügbarkeit gerade auszeichnete.«19 Dieser Tendenz sei gegenzusteuern: »Selbstkompetenz vom Subjekt in seiner Freiheit und Unverfügbarkeit aus zu denken, bedeutet, sie nicht länger als Kontroll-, Leitungs- und Leistungskategorie für das funktionale Subjekt zu betrachten, sondern das Subjekt selbst wieder in seinen Spannungen und Widersprüchen in den Blick zu nehmen.«20 Wenn also der Begriff der Selbstkompetenz z. B. für den BRU übernommen wird, muss das in kritischer Weise geschehen und das Verständnis durch eine eigene Definition geklärt werden. Für den BRU bestand nun die Herausforderung, die fachspezifischen und fachübergreifenden Ziele in Form von Kompetenzen zu beschreiben und ein Kompetenzmodell als Empfehlung dafür zu entwickeln. Dafür setzte die EKD eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Comenius-Instituts Münster ein, die in den Jahren 2013 bis 2015 eine Orientierungshilfe21 entwickelte, die sich inhaltlich an jene für die Sekundarstufe I22 anschließt. Diese Empfehlung für die Ausgestaltung von Lehrplänen und Unterrichtsformen des BRU berücksichtigt in kritischer Weise die für die berufliche Bildung insgesamt relevanten Kompetenzmodelle. Dazu zunächst ein kurzer Überblick. Verschiedene Kompetenzmodelle als Bezugsrahmen für den BRU Der BRU findet in Schulformen der Sekundarstufe II statt, die sich je nach (Aus-) Bildungsziel stark unterscheiden. Für Schulformen, die zur allgemeinen Hochschulreife (Abitur) führen, sind die Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung (EPA) für das Fach Evangelische Religionslehre23 maßgeblich. 19 Ebd., 121. 20 Ebd., 124. 21 Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) (Hg.): Kompetenzen und Standards für den evangelischen Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen. Ein Orientierungsrahmen (EKD Texte 129), Hannover 2018. 22 Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (Hg.): Kompetenzen und Standards für den Evangelischen Religionsunterricht in der Sekundarstufe I. Ein Orientierungsrahmen, EKD Texte 111, Hannover 2010. 23 Kultusministerkonferenz (KMK): Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Evangelische Religionslehre (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 1.12.1989 i. d. F. vom 16.11.2006, Umsetzung in den Ländern bis spätestens 2010 erbeten); http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/1989/1989_12_01-EPA-Evang-Religion.pdf.

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Für Schulformen mit beruflichen Ausbildungsgängen kann sich der BRU an den Kompetenzen und Standards für die Sekundarstufe I orientieren, die die Schülerinnen und Schüler durch ihren Haupt- oder Realschulabschluss erworben haben (sollten). Die EPA formulieren unter dem Leitziel des Erwerbs einer differenzierten religiösen Bildung grundlegende fachliche und methodische Kompetenzen: Ȥ Wahrnehmungs- und Darstellungsfähigkeit – religiös bedeutsame Phänomene wahrnehmen und beschreiben. Ȥ Deutungsfähigkeit – religiös bedeutsame Sprache und Zeugnisse verstehen und deuten. Ȥ Urteilsfähigkeit – in religiösen und ethischen Fragen begründet urteilen. Ȥ Dialogfähigkeit – am religiösen Dialog argumentierend teilnehmen. Ȥ Gestaltungsfähigkeit – religiös bedeutsame Ausdrucks- und Gestaltungsformen verwenden. Die Kompetenzformulierungen werden jeweils konkretisiert und beispielhaft erläutert. Unterschiedliche Niveaus spiegeln sich in drei Anforderungsbereichen wider, die den Abituraufgaben zugrunde gelegt werden sollen. Dabei sind jeweils alle Anforderungsbereiche abzuprüfen. Daraus ergibt sich, dass die genannten Kompetenzen nur dann erreicht werden, wenn die Aufgabe vollständig bearbeitet wurde. Das unterscheidet diese »Niveaus« von anderen Kompetenzmodellen, in denen jede Niveaustufe für sich einen bestimmten Kompetenzgrad markiert. Dieses Modell ist für den BRU im engeren Sinne wenig geeignet, weil der Schlüsselbegriff der Handlungskompetenz fehlt und auch kaum ein Bezug zur Terminologie im Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) möglich ist. Es ist wegen der Vergleichbarkeit der Abschlüsse mit Hochschulreife jedoch in den oben genannten Schulformen anzuwenden. Der Orientierungsrahmen der EKD »Kompetenzen und Standards für den Evangelischen Religionsunterricht in der Sekundarstufe I« (EKD Texte 111)24 beschreibt acht Kompetenzen als Konkretionen von fünf prozessbezogenen Kompetenzen:

24 Evangelische Kirche in Deutschland (EKD): Kompetenzen und Standards für den Evangelischen Religionsunterricht in der Sekundarstufe I. Ein Orientierungsrahmen, EKD Texte 111, hrsg. vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Hannover 2010.

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Prozessbezogen: 1. Wahrnehmungs- und Darstellungsfähigkeit (religiös bedeutsame Phänomene wahrnehmen und beschreiben), 2. Deutungsfähigkeit (religiös bedeutsame Sprache und Zeugnisse verstehen und deuten), 3. Urteilsfähigkeit (in religiösen und ethischen Fragen begründet urteilen), 4. Dialogfähigkeit (am Dialog mit anderen Religionen und Weltanschauungen argumentierend teilnehmen), 5. Gestaltungs- und Handlungsfähigkeit (in religiös bedeutsamen Zusammenhängen handeln und mitgestalten). Konkretionen: 1. Den eigenen Glauben und die eigenen Erfahrungen wahrnehmen und zum Ausdruck bringen sowie vor dem Hintergrund christlicher und anderer religiöser Deutungen reflektieren. 2. Grundformen biblischer Überlieferung und religiöser Sprache verstehen. 3. Individuelle und kirchliche Formen der Praxis von Religion kennen und daran teilhaben können. 4. Über das evangelische Verständnis des Christentums Auskunft geben. 5. Ethische Entscheidungssituationen im individuellen und gesellschaftlichen Leben wahrnehmen, die christliche Grundlegung von Werten und Normen verstehen und begründet handeln können. 6. Sich mit anderen religiösen Glaubensweisen und nicht-religiösen Weltanschauungen begründet auseinandersetzen, mit Kritik an Religion umgehen sowie die Berechtigung von Glaube aufzeigen. 7. Mit Angehörigen anderer Religionen sowie mit Menschen mit anderen Weltanschauungen respektvoll kommunizieren und kooperieren. 8. Religiöse Motive und Elemente in der Kultur identifizieren, kritisch reflektieren sowie ihre Herkunft und Bedeutung erklären. Als Bezugspunkte des RU – im Sinne einer Lebensweltorientierung – werden noch genannt: Ȥ die Erwartungen und Bedürfnisse von Jugendlichen, besonders im Blick auf ihre Fragen nach dem eigenen Glauben, Ȥ die christliche Überlieferung und Lehre, Ȥ andere Religionen und Weltanschauungen, Ȥ religiöse, kulturelle und gesellschaftliche Zusammenhänge im globalen Horizont.

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Auf diese Formulierungen bezieht sich der Orientierungsrahmen für den BRU. Berücksichtigt wurde dort auch die Referenz zum Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen25. Dieser benennt übergreifende Kompetenzen auf verschiedenen Niveaustufen, denen die im BRU zu erwerbenden Kompetenzen zugeordnet werden können. Die fachspezifischen Kompetenzen sind hier als Konkretisierungen und Spezifizierungen der DQR-Formulierungen zu verstehen. Kompetenz bezeichnet im DQR die Fähigkeit und Bereitschaft des Einzelnen, Kenntnisse und Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten zu nutzen und sich durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten. Kompetenz wird in diesem Sinne als umfassende Handlungskompetenz verstanden. Im Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR), als dessen nationale Konkretisierung der DQR zu verstehen ist, wird Kompetenz hingegen nur im Sinne der Übernahme von Verantwortung und Selbständigkeit beschrieben. Kompetenzen werden in den Dimensionen Fachkompetenz und personale Kompetenz dargestellt. Methodenkompetenz wird als Querschnittskompetenz verstanden und findet deshalb in der DQR-Matrix nicht eigens Erwähnung. Fachkompetenz

Personale Kompetenz

Wissen

Fertigkeiten

Sozialkompetenz

Selbständigkeit

Tiefe und Breite

Instrumentale und systemische Fertigkeiten, Beurteilungsfähigkeit

Team/Führungsfähigkeit, Mitgestaltung und Kommunikation

Eigenständigkeit/ Verantwortung, Reflexivität und Lernkompetenz

Der DQR führt dann acht Niveaustufen aus. Sie beschreiben jeweils die Kompetenzen, die für die Erlangung einer Qualifikation erforderlich sind. Diese bilden jedoch nicht individuelle Lern- und Berufsbiografien ab, sondern stellen formale Qualifikationsgrade dar, wobei für die berufliche Bildung im Wesentlichen die Niveaustufen 2 (berufsvorbereitende Maßnahmen) bis 5 (spezialisierte Berufe ohne Bachelor-Abschluss) in Betracht kommen. Für den BRU sind diese Stufen insofern zu berücksichtigen, als er mit seinem fachspezifischen Bildungsanliegen die Ausbildung dieser Kompetenzen fördert.

25 Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, verabschiedet vom Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen (AK DQR) am 22.3.2011; https://www.dqr.de/media/content/ Der_Deutsche_Qualifikationsrahmen_fue_lebenslanges_Lernen.pdf.

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4. Produktorientierung Wesentlich seltener taucht unter den didaktischen Begriffen die Produktorientierung auf. Im Unterschied zur Handlungsorientierung wird hier vom Prozess zum Ergebnis geblickt, sozusagen vom Backen zum Brötchen. Schaut man sich die Begriffsverwendung genauer an, erkennt man dahinter letztlich doch ein Konzept der Handlungsorientierung, nur dass dieses stärker auf das Ziel dieser Handlung fixiert ist. Im Lexikon der Berufsbildung (2015) kommt das Stichwort nicht vor, ebenso wenig in der allgemeindidaktischen Grundlagenliteratur.26 Was mit der Produktorientierung im Rahmen der handwerklichen, insbesondere technischen Ausbildung gemeint ist, stellt Klaus Hahne vom BiBB in einem Aufsatz einleuchtend dar.27 In einem Schaubild (S. 32) wird eine Stufenfolge von Lehrgangsorientierung – Produktorientierung – Projektorientierung – Auftragsorientierung gezeigt. Die Produktorientierung ist dabei weniger komplex als die Projektorientierung. Es werden kleinere Produkte mit Anwendungsbezug hergestellt. Das stärkt die Motivation und »Sinngebung« der Berufsausbildung und fördert spezifische Fertigkeiten im Hinblick auf die Produkte. Zugleich aber wird deutlich, dass die Entwicklung in Richtung Projektorientierung weiterging, weil die Produktorientierung in dieser Form zu »eng« war, auf immer komplexer werdende Produktionsverfahren und Produkte zu reagieren. Man denke auch an den erweiterten Begriffsgebrauch über das materielle Produkt hinaus, wenn z. B. Reisebüros ihre Reiseangebote als »Produkte« verkaufen. Würde man diesen didaktischen Begriff im Rahmen des BRU verwenden wollen, kämen zwei Bezüge in Betracht. Entweder müsste der BRU die Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Herstellung des Produkts bzw. der Produkte oder Projekte fördern. Das ist bei dieser dezidiert handwerklich-technischen Ausrichtung kaum vorstellbar. Dann bleibt – im Sinne eines material-assoziativen Berufsbezuges – die Orientierung auf die Bedeutung und den »Sitz im Leben« des Produkts, die sich dann auf die Qualität der Arbeit am Produkt auswirkt. Damit wird der Rahmen dessen, was in der Berufspädagogik mit Produktorientierung gemeint ist, aber aufs Äußerste gedehnt, was die Verwendung dieses Begriffs in 26 Z. B. warnt Beyer, Didaktische Prinzipien (2014) im Rahmen der Ausführungen zum Handlungsbezug geradezu vor einer Fixierung auf ein feststehendes Ergebnis und plädiert für die Ergebnisoffenheit (199). Freilich hat er die berufliche Bildung nicht im Blick, sondern grenzt sich eher von ihr ab, indem er das Beispiel der Kfz-Reparatur als »einfaches technisches Problem« dagegen hält, bei dem es natürlich eine »richtige« Lösung geben müsse. Hier wird öffentlich, dass Handlungsorientierung prozessual-kompetenzbezogen verstanden wird. 27 Klaus Hahne: Zur Bedeutung der Arbeit in Lernkonzepten der beruflichen Bildung. Ein vergleichender Blick auf die Entwicklungen in Industrie und Handwerk, Berufsbildung, in: Wirtschaft und Praxis (BWP) 1/2003, 29–34.

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der BRU-Didaktik nicht mehr sinnvoll erscheinen lässt. Alternativ könnte man an die Herstellung eines ganz eigenen »Produkts« denken, z. B. die Gestaltung einer Schulandacht oder eines religiösen Festes, aber dann hat man den Rahmen der Berufsbildung ganz verlassen, sofern man nicht für kirchliche Verkündigungsberufe ausbildet. Es leuchtet schnell ein, dass dieser didaktische Begriff allenfalls im Rahmen der handwerklichen und industriell-technischen Berufsausbildung einen (begrenzten) Platz hat. Für den BRU sind die wenigen Bezüge, die es zur Produktorientierung gibt, sinnvoll im Rahmen der Handlungsorientierung und Kompetenzorientierung aufgehoben.

5. Subjekt- und Schülerorientierung am Beispiel Theologisieren mit Jugendlichen Eine didaktische Orientierung auf die Adressaten des Unterrichts, also eine Orientierung an deren Bedürfnissen, Lebensumständen, Lernvoraussetzungen und Bildungszielen, ist spätestens seit der Reformpädagogik Teil der didaktischen Reflexion sowohl in der allgemeinen als auch in der beruflichen Bildung. Der Perspektivwechsel vom Objekt zum Subjekt des Bildungsprozesses hat sich allerdings nur langsam vollzogen und ist längst noch nicht allgemeiner Standard. Freilich gibt es dabei ein grundsätzliches Problem. Subjekt eines Bildungsprozesses zu sein bedeutet, sich bilden zu können. Es setzt grundlegende Fähigkeiten und vor allem die Motivation und den Willen zur Bildung voraus. Von daher ist es durchaus legitim, die Subjekt- und Schülerorientierung auch in stärker fremdgesteuerten Bildungsprozessen einzubeziehen, um erst einmal zu einer solchen wünschenswerten Fähigkeit zum »Sich-Bilden« und zum selbstgesteuerten Lernen zu gelangen. Hilbert Meyer urteilt: »›Subjektorientierung‹ ist ein in der gesamtdeutschen Didaktik vielfältig ge- und missbrauchter Begriff.«28 Im Folgenden nennt er unter Aufnahme der diesbezüglichen Arbeiten von Lothar Klingberg29 wesentliche Gründe und Charakteristika der Subjektorientierung (255 f.): »Schüler sind Subjekte, weil eine Kooperation von Lehrern und Schülern im Unterricht unerlässlich ist.« 28 Hilbert Meyer: Didaktische Modelle, Berlin 72005, 254. 29 Unter anderem: Lothar Klingberg: Lehrende und Lernende im Unterricht: zu didaktischen Aspekten ihrer Positionen im Unterrichtsprozeß, Berlin 1990.

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»Schüler sind Subjekte, weil sie die Prozessgestaltung des Unterrichts mitbestimmen.« »Schüler sind Subjekte, weil der Unterrichtsinhalt nur durch ihr aktives Handeln ›zu Ende‹ konstituiert werden kann.«

Schließlich zielt Meyer auf ein »kollektives Subjekt des Unterrichts«: »Wenn Lehrer und Schüler gemeinsam den Unterricht zielorientiert, mit didaktischer Kompetenz, mit Fantasie und Witz gestalten, entsteht das kollektive Subjekt des Unterrichts« (259). Dafür sei es notwendig, dass nicht nur Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch Schülerinnen und Schüler didaktische Kompetenz entwickeln (258). Diese Sätze spiegeln das generelle Anliegen der Subjektorientierung gut wider. Zudem erfordert die heute unbestrittene Erkenntnis der Notwendigkeit lebenslangen Lernens eine altersspezifische Subjektorientierung. Da wir uns auf die Berufsschulzeit beschränken – wobei durchaus auch ältere Personen in Weiterbildungsmaßnahmen präsent sein können – ist die Subjekt- und Schülerorientierung durch spezifische Merkmale zu präzisieren, die vor allem auf die Heterogenität der Schülerklientel Bezug nehmen: Ȥ unterschiedliche soziale Herkunft und Lebenssituationen Ȥ unterschiedliche Lern- und Bildungsvoraussetzungen Ȥ unterschiedliche Motivation Ȥ unterschiedliche Erwartungen an den Beruf und die Arbeits- und Lebenswelt Notwendigerweise führt eine solche Subjektorientierung zu einer didaktischen Differenzierung (s. 6), wenn Auszubildende mit unterschiedlichen Voraussetzungen den BRU besuchen. Ein in den letzten Jahren stärker in den Blick gekommener und inzwischen ausdifferenzierter didaktischer Ansatz, der zugleich auch als Methode verstanden werden kann, ist das Theologisieren. Ursprünglich als »Theologisieren mit Kindern« vorrangig für die Primarstufe entwickelt30, gibt es inzwischen eine Fortführung zum »Theologisieren mit Jugendlichen«. So taucht in der Literatur neben dem Begriff Kindertheologie auch der der Jugendtheologie auf.31 Während Theologisieren mehr den methodischen Aspekt meint, bezeichnen die Begriffe Kindertheologie und Jugendtheologie den gesamten Prozess des Reflektierens, der Ver30 Z. B. Gerhard Büttner/Hartmut Rupp (Hg.): Theologisieren mit Kindern, Stuttgart 2002. 31 S. z. B. Friedrich Schweitzer: Auch Jugendliche als Theologen? Zur Notwendigkeit, die Kindertheologie zu erweitern, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 57 (2005) 1, 46–53. Eine kompakte übersichtliche Darstellung dieses Prozesses ist z. B. der Beitrag von Marcell Saß: Von der Kindertheologie zur Jugendtheologie. Offene Fragen an einen aktuellen religionspädagogischen Diskurs, in: Loccumer Pelikan 4/2012, 161–164.

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sprachlichung, des Bewusstmachens und des Gewinnens von Erkenntnissen zu Fragen von Mensch, Welt und Gott. Das Theologisieren liegt nahe beim Philosophieren, tatsächlich ist seine Entstehungsgeschichte eng mit der des Philosophierens mit Kindern verbunden.32 Qualifizierend für das Theologisieren ist die Frage nach Gott bzw. nach der Religion, die nicht vordergründig oder »krampfhaft« gestellt werden muss, die aber den Bezugsrahmen des ganzen Prozesses darstellt. Vergleichbar ist das etwa mit der Seelsorge, der es zuerst um den Menschen geht und die sich aufgrund des Gottesbezuges von einer Lebensberatung oder Psychotherapie unterscheidet. Die Grundanliegen sowie die didaktischen und methodischen Prinzipien des Theologisierens mit Jugendlichen lassen sich zusammenfassend so beschreiben:33 Theologie wird nicht ausschließlich als wissenschaftliche Disziplin verstanden, sondern dem Wortsinn nach als Rede bzw. Nachdenken über Gott. So hatte bereits der ältere Ansatz der narrativen Theologie aus den 1970er Jahren argumentiert, nach dem Theologie als tradierte Erzählung von Gott verstanden wurde. Nun geht es um ein Erstnehmen der eigenen Gedanken von Jugendlichen, die sie über sich, Gott und die Welt anstellen und durch die sie theologische Konstruktionen schaffen, mit denen sie ihre Existenz interpretieren. In Anlehnung an die Terminologie der Kindertheologie erweist sich auch für die Jugendtheologie die folgende Unterscheidung als sinnvoll: Theologie von, für und mit Jugendliche(n).34 Unter Theologie von Jugendlichen werden die Anschauungen verstanden, die sich aus Äußerungen der Jugendlichen rekonstruieren lassen. Im Wesentlichen geht es hierbei also um empirische Erhebungen zu impliziten und expliziten Gottesvorstellungen. Methodisch können Interviews, Unterrichtsprotokolle und -mitschnitte oder kreative Ausdrucksformen wie z. B. Bilder, Spielszenen, Musik und weitere Gestaltungsformen eingesetzt werden. Anhand der Äußerungen wird die Theologie der Jugendlichen rekonstruiert, indem sie zu traditionel32 S. z. B.: Stephan Engelhardt: Modelle und Perspektiven der Kinderphilosophie, Heinsberg 1997; Helmut Schreier (Hg.): Nachdenken mit Kindern. Aus der Praxis der Kinderphilosophie in der Grundschule, Bad Heilbrunn 1999. 33 Als Referenz möge folgende Literaturauswahl dienen: Thomas Schlag/Friedrich Schweitzer: Jugendtheologie. Grundlagen – Beispiele – kritische Diskussion, Neukirchen-Vluyn 2012; Veit-Jakobus Dieterich (Hg.): Theologisieren mit Jugendlichen. Ein Programm für Schule und Kirche, Stuttgart 2012; Petra Freudenberger-Lötz: Theologische Gespräche mit Jugendlichen. Erfahrungen – Beispiele – Anleitungen. Ein Werkstattbuch für die Sekundarstufe, Stuttgart 2012; lexikalisch zusammenfassend: Annike Reiss: Jugendtheologie, in: http://www.bibelwissenschaft. de/wirelex/das-wissenschaftlich-religionspaedagogische-lexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/ details/jugendtheologie/ch/191dae9b85e9d0d57214f43bed89af0d/. 34 Die Unterscheidung geht auf Friedrich Schweitzer zurück (2005, 46, s. Anm. 31).

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len – kirchlichen und wissenschaftlich-theologischen – Begriffen in Beziehung gesetzt werden. Das ist ein wechselseitiger Interpretationsvorgang. Einerseits versucht man auf diese Weise, die Äußerungen der Jugendlichen als theologische zu interpretieren und zu verstehen, andererseits werden Begriffe der Theologie, die heute für Jugendliche nicht mehr verständlich sind, in Bezug zu deren Lebenswelt neu interpretiert.35 Theologie für Jugendliche wäre sozusagen das Gegenstück dazu bzw. eine Fortführung, nämlich die Entwicklung einer Theologie, genauer einer theologischen Sprache, die Jugendlichen einleuchtet, die ihre Denk- und Ausdrucksweisen und ihre Handlungsperspektiven aufnimmt. Das ist mehr als das reformatorische »Dem Volk aufs Maul schauen«. Es geht letztlich um ein Problem, dass sich überall in der Kirche zeigt, nämlich dass sich die kirchliche und wissenschaftliche theologische Sprach- und Denkwelt von der der Gemeinden entfernt. Die Entwicklung einer Theologie für Jugendliche kann also nur eingebettet in die Entwicklung einer Gemeindetheologie sinnvoll sein. Hier gibt es noch den größten Forschungsbedarf, wie Reiss (2015, s. Anm. 33) feststellt. Theologie mit Jugendlichen ist sozusagen die Synthese: Die Theologie von Jugendlichen wird mit der Theologie für Jugendliche in einen Dialog gebracht. Man kann darin auch die Methode des Theologisierens mit Jugendlichen sehen. Das oben genannte Defizit hinsichtlich einer ausgearbeiteten Theologie für Jugendliche macht einen Dialog der beiden Dimensionen, wie ihn Reiss postuliert, nicht wirklich möglich. Hingegen ist das Theologisieren, um das es sich tatsächlich handelt, wenn man die Referenzliteratur anschaut, sehr effektiv, um eine Theologie von Jugendlichen im Dialog zu produzieren und weiterzuentwickeln. Die Klassifizierung dieser Dimensionen ist also anfechtbar. Entscheidend ist jedoch die offensichtliche und empirisch hinreichend nachgewiesene Effizienz des Theologisierens. Daher ist es im didaktisch-methodischen Fokus durchaus angemessen, »Theologisieren mit Jugendlichen« als Oberbegriff stehen zu lassen und die beschriebenen Dimensionen als analytische Kategorien zu verwenden. Das Theologisieren mit Jugendlichen ist nicht als einzelne Methode zu verstehen, sondern stellt einen didaktischen Fokus dar, der mit unterschiedlichen Lernformen und Methoden erreicht werden kann. Allen Methoden ist gemeinsam, dass sie zur Versprachlichung von (theologischen) Vorstellungen und Reflexionen 35 Z. B. Tobias Ziegler: Jesus als »unnahbarer Übermensch« oder »bester Freund«? Elementare Zugänge Jugendlicher zur Christologie als Herausforderung für Religionspädagogik und Theologie, Neukirchen-Vluyn 2006.; älter, noch nicht unter dem Begriff Jugendtheologie: Robert Schuster (Hg.): Was sie glauben. Texte von Jugendlichen, Stuttgart 1984.

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verhelfen und in einen Dialog darüber führen. Insofern verwundert es nicht, wenn man bekannte Methoden im Rahmen des Theologisierens antrifft. Man könnte das Ganze ein »Gespräch über Gott und die Welt (und mich)« nennen, allerdings wird man sehr schnell merken, dass es einer guten Strukturierung bedarf, um nicht in Belanglosigkeiten abzugleiten. Die grundlegende Struktur besteht aus Ȥ einem anregenden und motivierendem Impuls (z. B. Behauptung, Provokation, plakatives Bild, Überschrift eines Zeitungsartikels); Ȥ einer Phase der unkommentierten Meinungsäußerungen; Ȥ einer moderierten Gesprächsphase (hier ist Moderationskompetenz gefragt); Ȥ einer gegebenenfalls mediengestützten Darstellung und Systematisierung von Gedanken, Vorstellungen, Interpretationen; Ȥ einer moderierten Konfrontation mit (systematisch-)theologischen Interpretationen; Ȥ einer Phase von »Kontextualisierungen«, d. h. es werden Zusammenhänge zwischen den theologischen Vorstellungen und Aussagen der Jugendlichen mit ihrer Lebenswelt hergestellt. Freudenberger-Lötz sieht einen wichtigen Unterschied zwischen dem Theologisieren und dem fragend-entwickelnden Unterricht, die sich durchaus ähneln: »Im Unterschied zum theologischen Gespräch ist der fragend-entwickelnde Religionsunterricht nicht ergebnisoffen. Es geht um Wissensfragen. Der fragend-entwickelnde Unterricht wird so gestaltet, dass die Schülerinnen und Schüler unterstützt werden, den Weg der Antwortsuche mitzugehen, nachzuvollziehen und zu verstehen, um diesen Lösungsweg künftig selbst anwenden zu können.«36

Das Theologisieren nimmt im Unterschied dazu die persönlichen Interpretationen und Haltungen der Jugendlichen auf und »lässt diese stehen«, in dem Sinn, dass es nicht Ziel ist, sie durch andere, vielleicht traditionell-theologische zu ersetzen, sondern sie im Dialog weiter zu reflektieren und zu entwickeln. Das zeigt zugleich die bereits genannte Spannung zwischen Theologie für Jugendliche und Theologie mit Jugendlichen: Erste kann nur aus zweiter entwickelt werden und darf nicht als Adaption traditioneller theologischer Begriffe an die Sprachund Gedankenwelt der Jugendlichen missverstanden werden. Die Grundstruktur des Theologisierens mit Jugendlichen kann mittels verschiedener Medien und Methoden variiert werden. Z. B. kann man gezielt bibli36 Petra Freudenberger-Lötz: Theologische Gespräche mit Jugendlichen. Erfahrungen – Beispiele – Anleitungen. Ein Werkstattbuch für die Sekundarstufe, München 2012, 15.

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sche Texte als Impulse einsetzen, um von vornherein eine Auseinandersetzung mit der christlichen Glaubenstradition zu initiieren. Man kann einen Bibliolog37 gestalten und diesen insgesamt als Methode des Theologisierens verstehen. Möglich ist auch, über eine Bildbetrachtung oder eine Kirchenerkundung zu einer Gesprächsstruktur zu einem bestimmten Thema zu finden, z. B. anhand eines Kruzifixes über die Bedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu Christi nachzudenken. Weitere Methoden38 wären z. B. Schreibgespräche; Collagen und andere Gestaltungen, die in theologisierende Gespräche führen; verschiedene Formen der sog. Think-Pair-Share-Methode, die von Einzelarbeit zum kooperativen Lernen führt; Pro-Kontra-Diskussionen und Parlamentsspiele, um Positionen spielerisch zu vertreten und zu verteidigen. Wichtige Eckpunkte sind dabei immer: Ein didaktisch fruchtbarer Eingangsimpuls, eine kompetente Gesprächsmoderation sowie die Verknüpfung der Gesprächsinhalte mit der Lebenswelt der Jugendlichen. Generell kommt das Theologisieren dem Bedürfnis der Jugendlichen entgegen, eigene Positionen zu vertreten. Inwieweit diese dann wirklich in einen dialogischen Lernprozess überführt werden, der auch immer die theologische Deutung des verhandelten Gegenstandes provoziert und begleitet, hängt wesentlich von der Moderation ab. Daher bedarf dieser didaktische Ansatz einer guten Vorbereitung durch die Unterrichtenden.

6. Didaktische Binnendifferenzierung Mit dem Begriff der inneren bzw. Binnen-Differenzierung bezeichnet man in der Didaktik die Berücksichtigung unterschiedlicher Lern- und Bildungsvoraussetzungen und Fähigkeiten bei Schülerinnen und Schülern innerhalb einer Bildungseinrichtung, eines Bildungsganges oder einer Bildungsveranstaltung (Schulform, Ausbildungsgang, Unterricht). Im engeren Sinn ist es die Bereitstellung von unterschiedlichen didaktisch-methodischen Zugängen und Lern37 Z. B. Uta Pohl-Patalong: Bibliolog. Impulse für Gottesdienst, Gemeinde und Schule. Band I: Grundformen; Band II: Aufbauformen (zus. mit M. E. Aigner), Stuttgart 2009. Eine Kurzfassung von der Autorin findet sich unter: www.bibelwissenschaft.de/wibilex (dort Stichwort »Bibliolog«). 38 Anregungen bietet z. B. der Loccumer Pelikan, Heft 4/2012, insbesondere der Beitrag von Katharina Ochs/Nadine Schockmann/Lisa Steinbrecher: Theologische Gespräche mit Jugendlichen führen – eine Frage der Methode? Methodische Einblicke in die Forschungswerkstatt »Theologische Gespräche mit Jugendlichen« an der Universität Kassel, 187–190.

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verfahren in der Unterrichtspraxis, um den Schülerinnen und Schülern optimale Lernchancen zu geben, damit sie bestmögliche Lernergebnisse erzielen können. Da im Rahmen der Subjekt- und Schülerorientierung zur Notwendigkeit der Differenzierung bereits einiges gesagt wurde, beschränken wir uns hier auf das engere Begriffsverständnis. Angesichts feststehender Qualifikationsziele und Kompetenzbeschreibungen für die Ausbildungsberufe kann es nicht um eine Differenzierung von Ergebnissen, also zu erwerbenden Kompetenzen gehen. Diese müssen im einem bestimmten Maß erworben werden (Note »ausreichend«) und sollten optimal erreicht werden (alle Noten besser als ausreichend).39 Die Differenzierung der Ergebnisse nach Noten oder in Form von Verbalurteilen ist also zu unterscheiden von der didaktischen Binnendifferenzierung. Für die einzelnen Methoden gibt es in der Literatur viele Anregungen.40 Generell geht es zunächst um eine Organisation der Lerngruppe in solchen Sozialformen, die den Einsatz bzw. die Wahl unterschiedlicher Methoden, Medien und Aufgabenstellungen ermöglichen, z. B.: Ȥ Einzelarbeit mit quantitativ und qualitativ differenzierten Arbeitsaufträgen; Ȥ Hilfestellungen bei der Einzelarbeit (mündliche Tipps der Lehrkraft, Hilfsmaterialien wie bspw. Karteikärtchen mit weiteren Hinweisen oder Nutzung von Lexika oder des Internets bzw. weiterer Hilfsmaterialien); Ȥ Unterschiedliche Zeitvorgaben; Ȥ Zusatzaufgaben für die Einzelarbeit (z. B. Rätsel); Ȥ arbeitsteilige Gruppenarbeit oder Gruppenarbeit mit spezifisch zusammengestellten Teams (ähnliche Interessen, ähnliches Leistungsniveau, ähnliches Lernverhalten); Ȥ Stationsarbeit mit Wahlmöglichkeiten der Aufgaben, Methoden und Materialien; Ȥ interessengeleitete Projektarbeit; Ȥ freie Wahl der Sozialform bei selbstständigen bzw. geübten Schülern und Schülerinnen. Im Folgenden sollen Möglichkeiten der Binnendifferenzierung aufgezeigt werden, die insbesondere dem BRU gerecht werden. Neben den bisher genannten 39 Man kann hierbei auch von »Fundamentum« und »Additum« sprechen, so z. B. Alfred Riedl/ Andreas Schelten: Grundbegriffe der Pädagogik und Didaktik beruflicher Bildung, Stuttgart 2013. 40 Z. B.: Manfred Bönsch: Differenzierung in Schule und Unterricht, München 2004; Axel Grimm: Art. Differenzierung, innere, in: Lexikon der Berufsbildung (2015), 323 f.; Frank Müller: Methodenbuch Differenzierung: Alltäglicher Umgang mit Heterogenität 1, Schwalbach 2014 und Ideenpool Differenzierung: Alltäglicher Umgang mit Heterogenität 2, Schwalbach 2014.

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Gründen für eine didaktische Binnendifferenzierung kommen im BRU weitere hinzu. Im Wesentlichen sind das die religiöse Sozialisation der Schülerinnen und Schüler und – oft damit zusammenhängend – Vorkenntnisse und Vorerfahrungen hinsichtlich religiöser Themen und Sachverhalte. Diese beeinflussen nicht nur kognitive Zugänge zur Religion, sondern auch Einstellungen und Haltungen ihr gegenüber. Die Überlegungen zur didaktischen Binnendifferenzierung im BRU müssen wie im Fachunterricht auch im Hinblick auf die zu erreichenden Kompetenzen und Bildungsziele angestellt werden. Die konkrete Wahl von Sozialformen, Methoden und Medien ist dann in ein zweifaches Bedingungsfeld eingebettet:

Bedingungsfeld 1: Schüler/ Auszubildende Unterschiedliche – Biografie/ Sozialisation – Vorkenntnisse – Lernmotivation – Lernfähigkeit – Erfahrungen – Einstellungen

Didaktisches Entscheidungsfeld zur Binnendifferenzierung Sozialformen Methoden Medien

Bedingungsfeld 2 Rahmenbedingungen des Unterrichts – Ausbildungsgang – generelle Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung – Bildungsziele – zu erwerbende Kompetenzen

Für die konkrete Unterrichtsplanung sind nun die Rahmenbedingungen des Unterrichts sowie die unterschiedlichen Voraussetzungen seitens der Auszubildenden zu notieren und dann können Unterrichtsvarianten entwickelt werden, die hinsichtlich der Schülerklientel adäquate Arbeitsformen anbieten. Das soll an zwei Beispielen gezeigt werden.

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Beispiel 1: Lehrplan Berufsschule/Berufsfachschule Sachsen, Wahlpflicht 2: Verantwortung des Menschen in Wissenschaft und Technik.41 Angenommener Ausbildungsgang: Kfz-Mechatroniker Rahmenbedingungen des Unterrichts: BRU-Bildungsziele (lt. Lehrplan): »Das Fach Evangelische Religion trägt dazu bei, den Schülern die Orientierung in unserer pluralistischen Gesellschaft zu erleichtern, indem es ihnen anthropologische und theologische Kenntnisse auf der Grundlage der biblischen Botschaft und der evangelischen Theologie vermittelt. Das Fach befähigt die Schüler, eigene religiöse Erfahrungen und religiöse Phänomene in der Gesellschaft wahrzunehmen, zu reflektieren und vor dem Hintergrund des christlichen Glaubens zu beurteilen. So trägt es zur Identitätsfindung der Schüler bei. Es hilft ihnen, ihr persönliches, gesellschaftliches und berufliches Leben verantwortungsbewusst zu gestalten und leistet durch die Weiterentwicklung von religiöser Ausdrucksfähigkeit einen Beitrag zur sprachlichen Bildung. Das Fach Evangelische Religion fördert ethische Urteilskraft und Entscheidungsfähigkeit und bestärkt die Schüler in der Entwicklung eigener moralischer Grundhaltungen. Im Fach Evangelische Religion werden die Schüler angeleitet, die Wertvorstellungen anderer Menschen zu respektieren, unterschiedliche Einstellungen und Verhaltensweisen zu hinterfragen und die Gefahr eines ethischen Relativismus zu erkennen. Das Fach motiviert die Schüler, Verantwortung für sich selbst, für die Gesellschaft, für die Bewahrung der Schöpfung und in der Arbeitswelt zu übernehmen und sich mit der Vielschichtigkeit der Bedeutung von Arbeit auseinander zu setzen. Abgeleitet aus den Zielen und Aufgaben der Berufsschule/Berufsfachschule und dem Beitrag des Faches zur allgemeinen Bildung werden folgende allgemeine fachliche Ziele formuliert: – Vertieftes Wahrnehmen der religiösen Dimension der Wirklichkeit – Erweitern biblischer und theologischer Grundkenntnisse sowie Auseinandersetzen mit religiös geprägten Traditionen – Entwickeln von religiöser Ausdrucksfähigkeit

41 Sächsisches Staatsministerium für Kultus (Hg.): Lehrplan Berufsschule/Berufsfachschule, Evangelische Religion, Dresden 2007; http://www.schule.sachsen.de/lpdb/web/downloads/lp_bs_bfs_ evangelische_religion_2007.pdf?v2.

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– Festigen der eigenen religiösen und ethischen Position für ein verantwortliches Leben in Beruf, Gesellschaft und Kirche« (S. 13). Für die berufliche Bildung werden allgemein Fachkompetenz, Humankompetenz und Sozialkompetenz unterschieden, diese sind aber im Fachlehrplan nicht auf die Fachinhalte der Religion bezogen und müssen jeweils selbst formuliert werden, z. B. in Anlehnung an den EKD-Orientierungsrahmen Kompetenzen und Standards für den evangelischen Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen. Daher ist es sinnvoll, auch das dort verwendete Kompetenzmodell anzuwenden. Ausgewählt wird hier:42 Gegenstandsbereich V Die religiöse und ethische Dimension des Berufs. Fachkompetenz

Personale Kompetenz

Wissen

Fertigkeiten

Sozialkompetenz

Selbstständigkeit

Theologische Deutungen von Arbeit und Beruf benennen und beurteilen.

Arbeits- und berufsethische Herausforderungen vor dem Hintergrund theologischer Anthropologie kritisch beurteilen.

Arbeits- und berufsethische Handlungssituationen in Auseinandersetzung mit christlicher Ethik fachlich reflektieren und gemeinsam mit anderen an Lösungen mitwirken

In Auseinandersetzung mit Modellen und Entwürfen christlicher Lebenspraxis Aspekte beruflicher Identität entwickeln.

Auszubildende Sie bilden den eigentlichen Grund für die didaktische Differenzierung im BRU. Aufgrund von empirischen Studien43 kann man sich in Sachsen eine Lerngruppe vorstellen, die aus Schülerinnen und Schülern mit sehr unterschiedlicher religiöser Sozialisation besteht. Sie könnte etwa so aussehen: Die Mehrheit ist ohne Konfession. Wenige bezeichnen sich selbst als Atheisten, die übrigen sind »Indifferente«. Die meisten haben ein sachliches Interesse 42 EKD-Orientierungsrahmen 2018, 33, s. Anm. 21, 202. 43 Z. B. Andreas Obermann/Roland Biewald: Christliche, muslimische und konfessionslose Auszubildende im evangelischen Berufsschulreligionsunterricht in Sachsen und NRW – eine Gratwanderung zwischen Beliebigkeit und konfessioneller Engführung? Online-Veröffentlichung, bibor Bonn 2014; https://www.bibor.uni-bonn.de/bibor-veroeffentlichungen/downloads/ bru-und-pluralitaet/view.

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an Religion oder behaupten, »auch an etwas zu glauben«, möchten aber nicht »kirchlich vereinnahmt« werden. Zu provozierender Kritik neigen ab und zu zwei. Etwa ein Viertel gehört einer Kirche an, die meisten zur evangelischen Landeskirche, einzelne gehören zu einer Freikirche bzw. sind katholisch. Unter den Christen sind ein paar Auszubildende mit fundamentalistischen, überwiegend biblizistischen Anschauungen. Weitere Unterschiede, z. B. hinsichtlich des Lernverhaltens und der intellektuellen Fähigkeiten sollen vernachlässigt werden. Insgesamt kann man bei allen ein technisches Interesse voraussetzen, das mit einer Neigung zur Projektarbeit einhergeht. Folgerungen für die didaktische Binnendifferenzierung: Eine solche Zusammensetzung der Lerngruppe birgt die Chance, die Schülerinnen und Schüler miteinander ins Gespräch zu bringen und ihre jeweiligen Positionen im Dialog kritisch zu reflektieren. Für diejenigen, die weniger Sachwissen einbringen, müssen entsprechende Inputs zur Verfügung stehen. Es wäre nicht sinnvoll, die Lerngruppe aufzuteilen. Fruchtbarer ist es, an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten, in dessen Vorbereitungsphase Sachwissen eingebracht wird und Positionen dargestellt werden. Bezüglich des oben ausgewählten Kompetenzbereiches könnte ein Filmprojekt geplant werden, das die ethische Dimension eines technischen Berufes thematisiert, z. B. ein Kfz-Mechatroniker, der Autos für illegale Straßenrennen »frisiert«. Von den Auszubildenden haben in der Regel einige ein entsprechendes technisches Equipment, um Videos digital aufzunehmen und zu bearbeiten. Dadurch wird das technische Interesse als Motivation genutzt. In der Vorbereitungsphase werden differenzierte Lernangebote bereitgestellt, um die Fachkompetenz »Wissen« in Bezug auf theologische Deutungen von Arbeit und Beruf zu fördern. Zugleich werden thematische Eckpunkte für das Filmdrehbuch festgelegt. In der Erarbeitungsphase wird ein Drehbuch erstellt. Dabei werden die Argumente für die unterschiedlichen Positionen in Bezug auf die Filmhandlung herausgearbeitet, geprüft und kreativ umgesetzt. Die Differenzierung geschieht dadurch, dass die Jugendlichen eigene Positionen vertreten und umsetzen können. Außerdem könnten Auszubildende, die sich in der ersten Phase mehr Fachwissen angeeignet haben, als »Experten« auftreten und diejenigen, die bestimmte Positionen unreflektiert vertreten, insofern verunsichern, also sie zur Überprüfung ihrer Argumente anregen. In der Präsentationsphase wird der Film als Ergebnis des Lernprozesses (möglichst auch anderen) vorgeführt, sodass sich ein weiterer Diskurs anschließen kann, der in die Reflexionsphase übergeht. Hier könnten methodische Differenzie-

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rungen genutzt werden, z. B. der Rollenwechsel beim Argumentieren hinsichtlich einer bestimmten Position oder das Verfassen einer Filmkritik. In diesen Arbeitsphasen werden die oben stehenden Kompetenzen je nach dem thematischen und methodischen Schwerpunkt weiterentwickelt.

Beispiel 2: Berufsfachschule, Fachbereich: Technik/Naturwissen­ schaften, Evangelische Religionslehre (NRW)44 In den didaktisch-methodischen Leitlinien des Lehrplanes werden folgende Prinzipien formuliert: »Das Erkennen der Vielfalt der Lernvoraussetzungen und Lerninteressen ist die Grundlage für die Realisierung von Vielfalt und Differenzierung der Lernangebote. So sollen Lernbeobachtung und Beurteilung im Abgleich von Selbst- und Fremdeinschätzung zu individuellen Zielformulierungen und Lernwegplanungen führen.« Ausgewählt wird beispielhaft: Anforderungssituation 1 [Zeitrichtwert: 15 Ustd.] Selbstreflexion »Die Absolventinnen und Absolventen reflektieren eigenständig ihren Glauben und ihre bisherigen (Lebens-)Erfahrungen. Dabei berücksichtigen sie Wahrnehmungen und Denkweisen aus dem Fachbereich Technik/Naturwissenschaft. Sie setzen sich mit ihrer persönlichen Entwicklung auseinander, auch vor dem Hintergrund denkbarer Widersprüche zwischen Naturwissenschaft und Glauben, um ihren persönlichen Entwicklungsprozess zu gestalten.« ZF1 »Schülerinnen und Schüler beschreiben ihre Lebenserfahrungen und arbeiten ihre Bedeutung für die eigene Entwicklung heraus. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der religiösen evangelischen Sozialisation, auch in Bezug auf Naturwissenschaft und Technik.« (Wissen/Fertigkeiten) Neben diesen genannten Differenzierungsgrundlagen kommt im Unterrichtsfach Evangelische Religionslehre die Berücksichtigung der religiösen Sozialisation der 44 Bildungsplan zur Erprobung für die zweijährigen Bildungsgänge der Berufsfachschule, die zu beruflichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten und zum schulischen Teil der Fachhochschulreife führen (Bildungsgänge der Anlage C APO-BK), Fachbereich: Technik/Naturwissenschaften, Evangelische Religionslehre, gültig ab 1.8.2015: http://www.berufsbildung. schulministerium.nrw.de/cms/upload/_lehrplaene/c/technik_und_naturwissenschaften/hbfs_ technik_ev-rel.pdf (Zugriff am 25.10.2016).

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Schülerinnen und Schüler hinzu. Eine typische Lerngruppe in NRW könnte in etwa wie folgt zusammengesetzt sein: Die Mehrheit der Auszubildenden hat einen christlichen (evangelischen oder katholischen) Sozialisationshintergrund, aber nur wenige davon sind aktive Kirchenglieder. Einige sind konfessionslos, einige sind Muslime. Die Binnendifferenzierung im Unterricht wird dann anhand folgender Gesichtspunkte geplant werden: – religiöse Sozialisation und Zugehörigkeit zu einer Religion – Individuelles Vorwissen und Vorerfahrungen – Bezüge des Themas zum Bildungsgang des angestrebten Berufes bzw. zu den beruflichen Handlungsfeldern – Interesse am Thema Bezug nehmend auf das oben ausgewählte Zielfeld ist folgende methodische Gestaltung denkbar: Die Auszubildenden arbeiten in Teams an einer Frage zur Technikethik oder zur Medizinethik oder zur Naturwissenschaft (z. B. Intelligent Design contra Evolutionstheorie). Das wäre eine Differenzierung nach Interessen bzw. Bezug zu Ausbildungsgängen. Alternativ – oder bei größeren Lerngruppen zusätzlich – kann eine weitere Differenzierung nach der religiösen Herkunft oder dem religiösen Interesse der Jugendlichen erfolgen, z. B. christlich – muslimisch – konfessionslos. Die thematischen Impulse werden aktuellen Medienberichten entnommen oder im Internet unter dem entsprechenden Stichwort recherchiert. Wenn eine Gliederung in sechs Teams erfolgt, ist – bei entsprechender Zeit – auch die Organisation in Form von Workshops möglich, wobei ein Wechsel der Workshops stattfindet, sodass jede/r Auszubildende zwei Interessen (thematisch und religiös) verfolgen kann. Am Ende soll eine Präsentation pro Workshop stehen, in der die Arbeitsergebnisse zusammengefasst werden. Diese kann in Form eines Posters, einer Internetseite oder eines Portfolios gestaltet werden.

7. Rückschau: Geschichte didaktischer Konzeptionen des BRU In der fachdidaktischen Literatur zum RU werden immer wieder religionsdidaktische Konzeptionen beschrieben, die man schon als Klassiker bezeichnen kann, weil sie mit geschichtlichen Epochen einhergehen, in denen sie entstanden sind und ihren Höhepunkt hatten. Teils wird ausgehend von Schleiermacher bereits im 19. Jahrhundert begonnen, teils setzen die Klassiker nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein, wobei die sog. »Evangelische Unterweisung«, besser: der kerygmatische Religionsunterricht, seine Wurzeln bereits in den 1920er Jah-

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ren hatte und seine Entwicklung nur durch den Nationalsozialismus in Deutschland unterbrochen wurde. Diese religionsdidaktischen Konzeptionen sind im Kontext der jeweils vorherrschenden Theologie und Allgemeinen Pädagogik und Didaktik zu sehen. Im Hinblick auf den BRU haben sich in Korrelation dazu eigene Ansätze entwickelt, die zumeist denselben theologischen Strömungen verpflichtet sind, aber eigene Akzente durch berufspädagogische Einflüsse setzen. In der vorangehenden Ausgabe des BRU-Handbuches ist diese Entwicklung bis zur Mitte der 1990er Jahre nachgezeichnet.45 Daher soll hier nicht noch einmal ausführlich darauf eingegangen werden. Stattdessen werden schlaglichtartig wichtige Bezüge zwischen (allgemeiner) religionsdidaktischer Konzeption und BRU benannt. Das Evangelium spricht in die Situation der Berufsschüler In der Zeit der sog. Evangelischen Unterweisung, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Grundlage einer Bekenntnistheologie vorherrschte, verstand sich auch der BRU als eine Infragestellung des Menschseins vom Evangelium her. Dieses wurde im Sinne Karl Barths als »res alienum« gedeutet, als unverfügbare göttliche Anfrage und Heilszusage an den Menschen, die diesen zu einem Bekenntnis herausfordert. Ein solcher Anspruch des BRU durchdringt die berufliche Bildung insgesamt als kritische Begleitung und verstand sich nicht als Vermittlung von religiösem oder gar religionskundlichem Wissen oder berufsbezogenen Kompetenzen. Diese Konzeption setzte eine christliche Sozialisation und eine sich als christlich verstehende Gesellschaft voraus, wobei »christlich« im Sinne der Dialektischen Theologie im Unterschied zu einem Kulturprotestantismus verstanden wurde. Der beruflichen Bildung ging es neben der fachlichen Ausbildung ja auch um die Menschenbildung. Hier brachte der BRU das theologisch begründete Menschenbild als Zielvorstellung ein, wie es z. B. Karl Barth in seiner Schrift »Evangelium und Bildung«46 bereits 1938 sehr pointiert ausgeführt hatte. Mit diesem Ansatz für den BRU verbinden sich vor allem die Namen von Ernst Müller und Walter Nordmann.47

45 Gesellschaft für Religionspädagogik und dem Deutschen Katechetenverein (Hg.): Neues Handbuch Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, Neukirchen 22006, 100–116. 46 Karl Barth: Evangelium und Bildung, Zollikon/Zürich 21947. 47 Ernst Müller: Methodik der Evangelischen Unterweisung in der Berufsschule, München 1955; Walter Nordmann: Die religiöse Lage der werktätigen Jugend heute, Frankfurt a. M. 1959.

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Lebensdeutung, Problemorientierung, Situationsbezug Die Geschichte der religionsdidaktischen Konzeptionen verzeichnet danach den sog. hermeneutischen RU. Dieser entsprach dem schulischen Bildungsauftrag besser als eine stark im kirchlichen Kontext verortete Evangelische Unterweisung. Der Begriff Hermeneutik eignete sich gut als Anschlussmöglichkeit: Ging es der Schule insgesamt um Einsicht und Verstehen des Lebens, so trug der RU mit der sich auf der Grundlage der historisch-kritischen Exegese entwickelten biblischen Hermeneutik dazu bei. Die Auslegung biblischer Texte als existenzielle Deutungshilfe stand dabei im Mittelpunkt. Für den BRU spielte dieser Ansatz eine nur marginale Rolle, nämlich wenn es um die Arbeit an biblischen Texten ging, die entsprechend der Lehrplanvorgaben und des Berufs- und Lebensweltbezuges des BRU eher selten vorkam. Daher kam der BRU schneller zu dem dann folgenden Ansatz des sog. Problemorientierten RU. Problemorientierung ist schon fast ein Sammelbegriff für unterschiedliche Nuancen, aber auch für durchaus eigene weiterführende Konzeptionen geworden, z. B. thematisch-problemorientiert, schülerorientiert (wobei die Lebenswelt der Schüler im didaktischen Sinn als »Problem« fungierte), sozialisationsbegleitend; Problemorientierung wurde auch ein Ansatz innerhalb der biblischen Didaktik und konnte auf Themen der Dogmatik, der Kirchengeschichte, der Religionskunde angewendet werden. Insbesondere Horst Gloy ist hier zu nennen, der die Brücke von der Hermeneutik zur Problemorientierung schlug und bereits 1969 Überlegungen zum BRU veröffentlichte.48 Die Person und die Lebenswelt der Schüler kamen sowohl als Inhalte wie auch als didaktischer Schlüssel in den Blick. Deren Verstehenszugänge für religiöse Fragen sowie die der von der Curriculumtheorie begründete Blick auf zukunftsgerichtete Qualifikationen zur Bewältigung von Lebenssituationen bildeten die Grundlage didaktischer Überlegungen. Damit verschob sich der Schwerpunkt einer zuvor stärker auf gesellschaftliche Probleme gerichteten Themenorientierung hin zur Orientierung an der Lebenssituation der Auszubildenden. Schlüsselqualifikationen, Lernsituationen, Lernfelder und Kompetenzen Der »Orientierungsrahmen für den evangelischen Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen«49 von 1991 markiert den Stand der didaktischen Konzipierung 48 Horst Gloy: Die religiöse Ansprechbarkeit Jugendlicher als didaktisches Problem dargestellt am Beispiel des Religionsunterrichts an der Berufsschule, Hamburg 1969. 49 Herausgegeben vom Comenius-Institut, Münster 1991.

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des BRU am Anfang der 1990er Jahre. Dort wurde der in der Berufspädagogik etablierte Begriff der Schlüsselqualifikationen aufgenommen und im Zusammenhang mit den beruflichen Fächern für den BRU genutzt, indem dieser zur Vermittlung, aber auch zur kritischen Reflexion entsprechender Qualifikationen beitragen soll. In den Lehrplänen formulierte man Lernfelder, die zwischen den spezifischen Inhalten des BRU und den Erfordernissen der beruflichen Bildung vermitteln und anhand konkreter Lernsituationen abgearbeitet werden können. Die nach der Wiedervereinigung Deutschlands engagiert geführte Diskussion um den RU hatte keine nennenswerte Auswirkung auf den BRU, weil dieser in den Neuen Bundesländern anfänglich kaum im Blick war und nur ganz langsam als Bildungsaufgabe und -chance wahrgenommen wurde.50 Die konzeptionelle Weiterentwicklung des BRU geschah in denjenigen westdeutschen Institutionen, die damit bereits einschlägige Erfahrungen hatten. Neben den Religionspädagogischen Instituten der Landeskirchen sind hier die Gründung der Institute für berufsorientierte Religionspädagogik an den Universitäten Tübingen und Bonn zu nennen. Den neueren Stand der fachdidaktischen Diskussion einschließlich der diesbezüglichen Desiderate markiert z. B. der Aufsatz von Biewald und Obermann aus dem Jahr 2013.51 Die neueste Diskussion betrifft die Formulierung angemessener Bildungsstandards und Kompetenzen für den BRU, deren Stand der Orientierungsrahmen der EKD von 2018 markiert.

Weiterführende Literatur Andreas Obermann: Religion trifft Beruf – zur Didaktik des Berufsschulreligionsunterrichts, ­Münster 2018 Jörg-Peter Pahl (Hg.): Lexikon Berufsbildung. Ein Nachschalgewerk für die nicht-akademischen und akademischen Bereiche, Bielefeld 2015 (»LexBB«) Peter Schreiner/Friedrich Schweitzer (Hg.): Religiöse Bildung erforschen: Empirische Befunde und Perspektiven, Münster 2014 Bernd Schröder/Michael Wermke (Hg.): Religionsdidaktik zwischen Schulformspezifik und Inklusion. Bestandsaufnahmen und Herausforderungen, Leipzig 2013

50 S. dazu auch: Roland Biewald: Ein Fach für alle (Fälle): Berufsschulreligionsunterricht (BRU) in den ostdeutschen Bundesländern, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie, H. 3/2013, S. 229–239. 51 Roland Biewald und Andreas Obermann: Religiöse Bildung an berufsbildenden Schulen, in: Bernd Schröder/Michael Wermke (Hg.): Religionsdidaktik zwischen Schulformspezifik und Inklusion. Bestandsaufnahmen und Herausforderungen, Leipzig 2013, 195–218.

III.2 Berufsschulspezifische Themen

Andreas Obermann

1. Erwachsenwerden: Biografie und Selbstbild Berufsschülerinnen und Berufsschüler sind – vor allem im Dualen System – junge Erwachsene, d. h., sie leben mehrheitlich in der Lebensspanne zwischen 18–25 Jahren. In dieser Zeit haben junge Erwachsene bedeutende Lebensschritte und damit auch Entwicklungsaufgaben zu bewältigen. In dieser Phase bilden sich Identität und Selbstwertgefühl, Individualität und Autonomie heraus. Generell ist die Zeit des Erwachsenwerdens die große Chance, immer stärker selbstbestimmt das Eigene zu entdecken und anzunehmen, mit allen Großartigkeiten, Talenten und Erfolgen einerseits und mit den Schwächen, Defiziten und Gebrechen andererseits, denen junge Erwachsene in ihrem Leben begegnen. Gerade im Beruf sucht der junge Mensch seine Möglichkeiten, die er bei sich kennt oder die er gerade entdeckt, die ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt sind, wirksam und stimmig ausdrücken zu können. Dabei stellen sich existenzielle Fragen, die ihn mitunter in seiner Person zutiefst in Frage stellen: Wer bin ich eigentlich? Wer will ich sein? Wo komme ich her? Wo ist mein Ort in der Gesellschaft, beruflich wie privat? Worin liegt der Sinn des Lebens? Werde ich in dem Beruf, den ich erlerne, meine Ziele, Sehnsüchte und Träume verwirklichen können? Gerade während der Berufsausbildung können ethische Neuorientierungen notwendig werden, wenn die Auszubildenden zu ihren bisherigen Werthaltungen in der Berufsausbildung neue Kriterien kennenlernen und diese übernehmen sollen, obgleich diese mitunter inkompatibel zu ihren bisherigen Erfahrungen sind. Verschiedene Reaktionen sind denkbar: Zum einen können neue Wertmaßstäbe z. B. eine Unsicherheit durch eine erhöhte Erwartungshaltung (und einer einhergehenden Überforderung) hervorrufen, wenn die Auszubildenden sich und andere an ihren dann unerfüllbaren Wertidealen messen und so Negativerfahrungen erleben. Zudem kann die Zurückweisung eigener Werthaltungen zu einer Negativstimmung und ablehnenden Haltung gegenüber der Ausbildung füh-

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Konzepte und Gehalte des BRU – didaktische Aspekte

ren. Denkbar ist allerdings auch eine positive Resonanz, wenn neue Wertmaßstäbe motivierend wirken und positive Einflüsse auf das Selbstkonzept haben. In der fragilen Phase des Erwachsenenwerdens ist es bei diesen Identitätszumutungen für junge Erwachsene wichtig, dass sie nicht zu viele Versagenserfahrungen bei eigenen Vorstellungen machen, um Entwicklungsstörungen zu vermeiden. Mit dem Eintritt in die Ausbildung kann durch berufsbedingte Gefährdungen – und Krankheits- und Todeserfahrungen im privaten Umfeld – auch die Fragilität des Lebens insgesamt ins Blickfeld kommen. Auszubildende werden mit der Möglichkeit konfrontiert, dass ihre Lebensplanung mitunter nicht gelingt. Einher geht damit der Zweifel, ob sich angesichts dessen die teilweise als anstrengend empfundenen Entbehrungen, Rücksichten und Einschränkungen in der Berufsausbildung lohnen. Verstärkt wird diese Frage noch durch die Sorge, nach der Ausbildung überhaupt einen Arbeitsplatz zu finden. Im Kontext der Berufsausbildung ist damit die Weiterentwicklung hin zu einer erwachsenen Identität besonders bedeutsam, sofern es darum geht, im beruflichen Kontext die eigene Person als einmalig und unverwechselbar im neuen sozialen Umfeld wahrzunehmen, zu definieren und zu kommunizieren. Es geht darum, das Konstrukt der Identität als Selbstkonzept in den neuen Zusammenhängen weiterzuentwickeln und zu integrieren, sodass die Integrität des Selbstkonzeptes als stimmig und passend erfahrbar wird und zugleich offen ist für zukünftige Weiterentwicklungen. Das Selbstkonzept als erlebte Integrität mit sich selbst im sozialen Verband gilt es als tägliche Herausforderung zu begreifen: die Erfahrung von Kontinuität in Umbrüchen, von Konsistenz in unterschiedlichen emotionalen Zuständen oder von aktiver Eigenbestimmung im Zusammenspiel von externen Zuschreibungen bezüglich der eigenen Person durch z. B. Anerkennung. Entsprechend gehört die Entwicklung des Selbstwertes zu einer wesentlichen Aufgabe in die Zeit der Berufsausbildung in der Spannung von erworbener Berufskompetenz und betrieblicher Akzeptanz. Jeder Kompetenzzuwachs im kognitiven oder körperlichen Bereich kann nur zum Selbstwert beitragen, wenn er in eine soziale Akzeptanz eingebettet ist und als Fertigkeit daher auch in beruflichen Interaktionen immer wieder gespiegelt bzw. erfahrbar wird. Religionspädagogisch ist es hier von besonderer Bedeutung, dass neben aller Akzeptanz aufgrund eigener Aktivität den jungen Erwachsenen Zuschreibungen zuteilwerden, die sie nicht sich selbst verdanken, sondern ihnen von außen zugeschrieben werden. Diese Entwicklungen geschieht heute in einer für junge Erwachsene besonders geprägten Zeit: Einerseits wird die Welt der jungen Erwachsenen – der Generation »Vielleicht« bzw. »may be« – immer komplexer und anspruchsvoller und fordert damit immer weiter eine hohe Flexibilität und differenziertere Kompetenzen, die keinesfalls mehr ein gesamtes Berufsleben ausreichen, sondern immer

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wieder neu zu erwerben sind (lebenslanges Lernen). Dieses anstrengende Leben führt dazu, dass viele junge Erwachsene (und Jugendliche) nicht mehr schnell erwachsen werden wollen. Verstärkt wird dieser Aspekt noch durch eine insgesamt höhere Lebenserwartung und längere Berufstätigkeit, die beide den Druck des schnellen Erwachsenenwerdens mindern. Diese Tendenz von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, ihre Jugendlichkeit länger auszuleben und sich erst einmal für das Leben Zeit zu nehmen, wird verstärkt durch die gewachsenen Möglichkeiten, die sich heute bieten. Weiterhin verlagern veränderte Lebensumstände die Jugendlichkeit nach hinten, da es zum Beispiel heute kaum noch ein Problem ist, auch sexuelle Partnerschaften im Elternhaus zu gestalten und zu leben, wodurch der Druck schwindet, möglichst schnell eine eigene Wohnung zu haben. Andererseits macht die Welt als Markt fast unendlicher Möglichkeiten – unterstützt durch darüber hinausgehende Optionen in den digitalen Netzwelten – Angst und schafft Orientierungslosigkeit, die auch ein längeres Verbleiben in der vertrauten Umgebung des Elternhauses bzw. der je erlebten Erfahrungswelt jugendlicher Geborgenheit fördert. Die Lebensspanne zwischen 18–25 Jahren ist eine Phase tiefgreifender Wandlungen, die zudem von einer Neuausrichtung des Weltbezugs wie auch von der Entwicklung neuer (anderer) Modi der Weltbegegnung gegenüber der Kindheit geprägt sind. Diese mehrdimensionalen und vielfältigen Lebensoptionen und -perspektiven Jugendlicher und junger Erwachsener heute haben für den BRU eine grundlegende didaktische Bedeutung, sofern es die skizzierten Lebenswelten sind, aus denen heraus die Auszubildenden bzw. Schülerinnen und Schüler in den BRU kommen. Entsprechend ist der BRU didaktisch konsequent subjektorientiert zu konzipieren, sofern alle theologischen und berufsorientierten Themen des BRU pädagogisch angemessen und sinnvoll nur im Kontext der Lebensfragen der Auszubildenden bzw. Schülerinnen und Schüler didaktisch zu konzipieren und methodisch zu operationalisieren sind. Darüber hinaus geben die Lebensoptionen und -perspektiven Jugendlicher und junger Erwachsener selbst Inhalte und Themen für den BRU vor, sofern die Konstruktion des Selbstkonzepts und damit auch Selbstbildes in dieser biografischen Phase eine Hauptherausforderung und somit ein vornehmliches Anliegen für den BRU ist. Gerade und besonders im BRU drängt sich religionspädagogisch eine reflektierte Auseinandersetzung mit den Themen der Jugendlichen auf. Dabei haben BRU-Lehrkräfte einerseits besonders die Brüchigkeit und Fragilität der Lebensphase zwischen 18 und 25 Jahren im Blick zu behalten, während sie andererseits die Grenzen des Unterrichts wahrzunehmen haben, indem sie bei der Diagnose von psychischen Problemen bei Auszubildenden und Schülerinnen bzw. Schülern professionelle Hilfe beiziehen oder vermitteln sollen (ein Indiz für die Relevanz dieser Sensibilität sind

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gegenwärtige Überlegungen, dass Kinder- und Jugendpsychotherapeuten wie z. B. in England zukünftig auch noch für die Lebensspanne der 18–25-Jährigen zuständig sein sollen, da die Erwachsenenversorgung in dieser Lebensspanne noch nicht greift und zugleich ca. 75 % aller psychiatrischen Erkrankungen vor dem 25. Lebensjahr einsetzen).

2. Der Beruf als grundlegende Dimension des Lebens: Reflexion zum Zusammenhang von Beruf, Person, Gesellschaft und Religion 2.1 Dimensionen von Beruf und Arbeit Arbeit, Beruf und Berufung, letztere meist als eine Namensfindung Martin Luthers in Erinnerung, gehören bis heute zu den die Gesellschaft, ihre Politik und öffentliche Ordnung wie auch das Leben des Einzelnen prägenden Größen1: Für Luther war es dabei von der Rechtfertigungslehre herkommend ein antiklerikaler Zug, der ihn den Beruf als eine jedem Menschen zukommende Größe betrachten ließ: Auch die Magd oder den Melker sah er als von Gott geliebte Menschen an, deren Wirkungsbereiche unter der Zusage Gottes standen und die ihrem Tun je spezifisch ihren Ort in der Welt bzw. in der Gesellschaft gefunden hatten. Jeder Mensch habe einen nach seinen Möglichkeiten bestimmten Ort, an dem er im Dienst der Nächstenliebe seine Berufstätigkeit ausüben kann. Traditionell ist Berufung zu verstehen als die »aktive Teilhabe« eines Christenmenschen »an der vorgefundenen, alltäglichen, anschaulichen gesellschaftlichen Kooperation im Dienst am Nächsten aus Liebe zu Gott als dankbare Entsprechung zur Weisung und Zuwendung Gottes.«2 Für die heutige Diskussion um Beruf, Berufung und Arbeit und speziell auch um die Bestimmung der religionspädagogischen Bedeutung von Beruf und Arbeit bedarf es einer Klärung, was Beruf und Berufung einerseits sowie Arbeit andererseits heute besagen und wie sie zueinander in Beziehung stehen. Eine Berufung wird dabei grundsätzlich zu verstehen sein als die je persönlich-existenzielle Zustimmung zu einer Tätigkeit im Leben samt deren sozialen,

1

Vgl. zu den folgenden Überlegungen auch die ausführlicheren Ausführungen bei Andreas Obermann: Religion trifft Beruf – zur Didaktik des Berufsschulreligionsunterrichts, Münster 2018, dem Passagen überarbeitet übernommen sind. 2 So Torsten Meireis: Tätigkeit und Erfüllung. Protestantische Ethik im Umbruch der Arbeitsgesellschaft, Tübingen 2008, 408.

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finanziellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Auswirkungen auf das eigene Leben. Dabei kann die Einstellung »Berufung« religiös, intellektuell oder beliebig anders gegründet sein – konstitutiv für eine Berufung sind die positive Beziehung des Selbst zu einer Tätigkeit sowie das Einverständnis in ihre Implikationen als Basis für ein gelingendes Leben. Je nach Begründung oder Motivation kann eine Berufung selbst ohne oder mit einer je spezifischen ethischen Fokussierung belegt sein. Der Beruf hingegen meint hier eine monetär entlohnte Tätigkeit (Erwerbstätigkeit), der eine Person hauptsächlich zum Lebensunterhalt nachkommt. »Beruf« ist sozusagen eine Gattungsbezeichnung für Erwerbstätigkeiten, wobei die ursprünglich theologische Bezugnahme auf den Begriff der Berufung wie auch die theologische Konnotation für den alltäglichen Gebrauch des Begriffs Beruf nicht mehr vorauszusetzen sind. Ungeachtet dessen verleiht der Begriff »Beruf« als Bezeichnung für eine Erwerbstätigkeit dieser immer noch eine besondere Güte und Qualität, sofern diese Tätigkeit als innerlich erfüllend und als Bestandteil für ein gutes Leben angesehen wird. Eine mit »Beruf« bezeichnete Tätigkeit unterscheidet sich damit von einem gewöhnlichen »bloßen« Job, sofern dieser allein zum reinen Gelderwerb dient und dem – auch hier – Erwerbstätigen nicht unbedingt Anerkennung, Wertschätzung oder gesellschaftliche Anteilnahme eröffnet. Während der Job nur dem Gelderwerb dient und oft eine Gelegenheitsarbeit ist, bedeutet eine als Beruf bezeichnete Tätigkeit zusätzlich einen inneren Bezug der Person zur Tätigkeit, eine innere Genugtuung und Erfüllung sowie auch eine öffentliche Wertschätzung des Handelns wie auch der handelnden Person insgesamt. Gesellschaftlich ist allerdings zu betonen, dass die Begriffe Arbeit und Beruf heute ein weit größeres Konnotationsfeld haben als eine irgendwie monetär entlohnte Arbeit. Der Terminus »Arbeit« wird heute in vielen Bereichen und Tätigkeitsfeldern des Lebens erlebt und entsprechend diagnostiziert. Wie vielfältig sich das Phänomen Arbeit in seinen Facetten heute darstellt, zeigt die folgende Grafik:3

3 Die folgende Grafik stammt aus: Bericht über die menschliche Entwicklung 2015. Arbeit und menschliche Entwicklung, hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (Deutsche Ausgabe), Berlin 2015, 37.

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Konzepte und Gehalte des BRU – didaktische Aspekte

Im Blick auf die berufsorientierte Religionspädagogik und den Unterricht an berufsbildenden Schulen bietet sich für die Auszubildenden damit bezüglich der Benennung der zu erwerbenden Berufstätigkeit auch der Begriff der Arbeit an: Dieser Begriff ist nicht nur immer noch der umgangssprachlich häufigste Ausdruck für alle Arten der Erwerbsarbeit (»Ich habe Arbeit«, »Ich gehe zur Arbeit«, »Ich komme von der Arbeit« über den Arbeitsplatz, das Arbeitszimmer bis hin zum Arbeitsamt), sondern er steht auch für eine weitgehende Neutralität, was die theologische Konnotation angeht. Diese Skizze der Begriffe Beruf und Arbeit zeigt nicht nur inhaltliche Entwicklungen und Überschneidungen, sondern vor allem eine semantische Indifferenz. Diese legt es nahe, die Erwerbstätigkeit als das hinter den Begriffen »Beruf« und »Arbeit« stehende Handeln für die folgenden Darlegungen durch die idealtypische Vorstellung eines Arbeitsversprechens (s. dazu unten im fol-

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genden Abschnitt) näher zu beschreiben. Dies ist nötig, um Kriterien für die Beschreibung von »Arbeit« und »Beruf« zu entwickeln, um von da aus eine bessere hermeneutische Durchdringung des mit »Beruf« und »Arbeit« benannten Geschehens zu erreichen. Von daher ist es eine wesentliche Aufgabe des BRU, die Bedeutungen des Berufes für ein gutes Leben im privaten wie im öffentlichen Bereich wahrzunehmen und religionspädagogisch bzw. didaktisch zu reflektieren. Der BRU begleitet die jungen Erwachsenen bzw. die Auszubildenden in dieser für sie spannenden und oft schwierigen Phase der Ausbildung. Ist das Christentum eine Bildungsreligion, dann geht es neben dem Kompetenzerwerb im Religionsunterricht nicht nur nebenbei darum, die Auszubildenden für die Frage nach der Wahrheit des Lebens und nach dem guten Leben kognitiv zu aktivieren und sie dabei zu begleiten. 2.2 Arbeit und Beruf als Deutungsmuster des Lebens Was mit den Begriffen der Arbeit und des Berufs für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft idealtypisch intendiert ist, hat Thorsten Meireis mit dem Begriff des »Arbeitsversprechens« zu beschreiben versucht: Das Arbeitsversprechen ist eine idealtypische Beschreibung der sozialen Bedingungen und Implikationen der Tätigkeiten, die mit Arbeit und Beruf benannt werden. Der Begriff beschreibt eine heute verbreitete Arbeitsvorstellung, die sich nach Meireis wie folgt formulieren lässt: »Wer sich in der Arbeit engagiert – Arbeit dabei […] verstanden als diejenige gesellschaftliche, mühsame Tätigkeit im Naturkontext, durch die ein Reichtum an Gütern produziert wird –, der darf mit Wohlstand, mit Anerkennung, mit bürgerlicher Beteiligung und mit einem als sinnvoll erfahrenen Leben rechnen.«4 Dieses Modell, das sich in der frühkapitalistischen Periode entwickelte und – zumindest in Deutschland (BRD) – nach dem Zweiten Weltkrieg seine Blütezeit erlebte, kann trotz vieler Veränderungen und kritischer Ansätze auch noch heute in Grundzügen als gültig benannt werden. Schon immer – und auch während der oben genannten Blütezeit – blieb das Arbeitsversprechen jedoch für viele Menschen unerfüllt. Auch heute arbeiten immer noch viele Erwerbstätige in einem Arbeitsverhältnis, dass kein gutes Leben ermöglicht. Vor allem geringqualifizierte Menschen haben immer noch geringere Chancen, durch ihre Erwerbsarbeit in den Genuss der Versprechungen von Arbeit zu kommen. Auch hochautomatisierte Tätigkeiten mit dem Zwang zur Verrichtung von fremdbestimmten Handlungsabläufen (Arbeit 4.0 oder Indus­ trie 4.0) lassen den versprochenen Zusammenhang von Arbeit und gutem Leben 4 Meireis‚ Tätigkeit 2008, (s. o. Anm. 2), 34 f.

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vermissen. Der gleiche Mangel ist für einfache Dienstleistungen, für Teilzeit- und Projekttätigkeiten sowie für Leiharbeitsverhältnisse zu konstatieren. Andererseits ist das Arbeitsversprechen nicht allein auf die Erwerbstätigkeit begrenzt: So können auch Vollstipendien, Fürsorgetätigkeiten in der Familie oder die Kombination verschiedener ehrenamtlicher Tätigkeiten »Wertschätzung, Teilhabe, Teilnahme, ein Verhältnis zur natürlichen Umwelt und der eigenen Leiblichkeit und das Gefühl sinnvoller Lebensgestaltung transportieren.«5 Insgesamt wird zu postulieren sein, dass es bzgl. der Erwerbsarbeit – auch politisch-strukturell – nicht dazu kommen wird, dass alle Menschen in einer Erwerbstätigkeit ein gutes Leben finden werden oder dass dieses durch andere ehrenamtliche Arbeiten (oder Eigen- und Bürgerarbeiten) leistbar sein wird. Trotz kritischer Einwände gegenüber dem Arbeitsversprechen bildet dieses Versprechen immer noch wesentliche Aspekte von gegenwärtigen Arbeitsstrukturen und -bedingungen ab, die es erlauben, dieses Arbeitskonzept als Grundlage der religionspädagogischen Reflexion von Beruf/Arbeit und Religion heranzuziehen: »Das Arbeitskonzept […] bündelt in der klassischen Arbeitsgesellschaft mindestens fünf Dimensionen gesellschaftlicher Koordinationen, Deutungen und Konflikte. Sprechen wir von Arbeit, geht es vor allem um Anerkennung, materielle Teilhabe, politisch-soziale Teilnahme, um den Umgang mit der Natur und um den subjektiv empfundenen Lebenssinn, das gute Leben.«6

»Versprochen« sind dabei die Erfahrung und das Entgegenbringen von 1. Aner­ kennung, den Zugang zu 2. materieller Teilhabe und 3. politisch-sozialer Teilnahme, einen 4. nachhaltig-angemessenen Umgang mit der Natur sowie die Erfahrung eines 5. subjektiv empfundenen Lebenssinns. Die Reflexion des Arbeitsversprechens vor dem Hintergrund seiner »Versprechungen« kann als »lebensweltliches Deutungsmuster«7 verstanden werden. Interessant und deshalb hier zu erwähnen sind Analogien des Arbeitsversprechens zu Vorstellungen Jugendlicher, die diese von ihrem zukünftigen Beruf haben: So zeigen Untersuchungen des BIBB, dass für Jugendliche drei Aspekte wesentlich sind für die Auswahl eines Berufes:8 1. der Spaß am Beruf, 2. die Möglichkeit der Sicherung der Zukunft durch den Beruf und 3. das Image des 5 6 7 8

Meireis‚ Tätigkeit 2008, (s. o. Anm. 2), 522 (vgl. dazu insgesamt 521 f.). Meireis‚ Tätigkeit 2008, (s. o. Anm. 2), 225. Vgl. Meireis‚ Tätigkeit 2008, (s. o. Anm. 2), 225. Die Angaben über die Erwartungen an den Beruf bei Berufsbewerbern entstammen der 9. BIBB Bewerberbefragung aus dem Jahr 2010 (https://www.bibb.de/de/4764.php).

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betreffenden Berufs. Das heißt: Alle drei von den Jugendlichen genannten Aspekte decken sich mit dem Arbeitsversprechen: Der Spaß an der Arbeit korrespondiert der Rede vom erfüllten und guten Leben. Die Sicherung der Zukunft entspricht der sozialen Teilhabe und Teilnahme, während das Berufsimage in Bezug steht zur öffentlichen Wertschätzung bzw. Anerkennung im und durch den Beruf. Das Berufsimage ist gewissermaßen die psychologische Innenseite der äußeren Anerkennung: Denn für die Berufswahl sind bei Jugendlichen nicht allein die eigenen Fähigkeiten (Talente) und die eigenen Vorlieben entscheidend, sondern die nicht beeinflussbaren Setzungen Dritter. Jugendliche erleben mitunter eine erzwungene Berufswahl als eine Identitätszumutung. Die Wahl des Berufes stellt sie in ein Konfliktfeld der Wahl öffentlicher Setzungen, die sie durch ihre Berufswahl implizit mit wählen. Jugendliche sind zutiefst abhängig von der Fremdwahrnehmung »ihres« Berufes und können sich davon nicht frei machen. Der bessere Beruf kann demnach der sein, der unabhängig der eigenen Befähigungen das beste Ansehen vermittelt.9 In der religionspädagogischen Reflexion geht es nun darum, diese fünf Aspekte von Arbeit auf ihre Entsprechung und Angemessenheit gegenüber dem christlichen Verständnis von Arbeit im Sinne von Berufung als Dienst am Nächsten zu verstehen, zu analysieren und kritisch zu bedenken, um sie letztlich als berufsspezifische Themen zu generieren. Die fünf Aspekte von Arbeit bieten die Inhaltsaspekte von Arbeit und Beruf, auf die sich die berufsorientierte Religionspädagogik in ihren Reflexionen beziehen muss. Die fünf Aspekte bilden die Themenfelder und Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die Theologie mit ihrer Botschaft als relevant und hilfreich zum Leben erweisen muss: Wie können Theologie und Religion in der beruflichen Arbeitswelt durch eine für diese relevante Botschaft Gehör finden? Welche theologischen und religiösen Inhaltsaspekte bilden eine Schnittmenge zu beruflich relevanten Themenfeldern und eröffnen einen anderen (mitunter neuen) Zugang zum Verständnis berufsorientierter Fragen und Probleme? Welche theologischen Inhaltsaspekte fördern die wechselseitige Reflexion von Beruf und Religion und eröffnen so eine Erweiterung der umfassenden beruflichen Handlungskompetenz? Es geht um die Frage, welche Partizipationsstrukturen es für die Religion gibt im Blick auf berufliche Handlungsfelder und Ausbildungsprozesse sowie auf personenbezogene Kompetenzerwartungen an die Auszubildenden.10 Diese Fragen beschreiben eine der didaktischen Hauptaufgaben und Haupt  9 Vgl. hierzu ausführlicher Andreas Obermann: Im Beruf Leben finden. Allgemeine Bildung in der Berufsbildung – didaktische Leitlinien für einen integrativen Bildungsbegriff im Berufsschulreligionsunterricht (ARP 55), Göttingen 2013, bes. 212–216. 10 Vgl. hierzu Meireis‚ Tätigkeit 2008, (s. o. Anm. 2), 418 f.

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anliegen der berufsorientierten Religionspädagogik, nämlich die Entwicklung und Profilierung einer berufsorientierten Didaktik des BRU. Dabei ist der Bezugspunkt zur Beruflichkeit ein konstitutiver Aspekt. Die berufsorientierte Religionspädagogik knüpft hier erweiternd an Jürgen Baumert und seine Modi der Weltbegegnung an: Nach Baumert sind für eine »Grundstruktur der Allgemeinbildung« vier Modi der Weltbegegnung konstitutiv, damit die nachwachsende Generation alle notwendigen Basiskompetenzen zur Begegnung mit der Welt erwerben kann: »1. Kognitiv-instrumentelle Modellierung der Welt« (Mathematik, Naturwissenschaften), 2. »Ästhetisch-expressive Begegnung und Gestaltung« (Sprache/ Literatur, Musik/Malerei/Bildende Kunst, Physische Expression), 3. »Normativevaluative Auseinandersetzung mit Wirtschaft und Gesellschaft« (Geschichte, Ökonomie, Politik/Gesellschaft, Recht), 4. »Probleme konstitutiver R ­ ationalität« 11 (Religion, Philosophie). Für die berufsbildende Religionspädagogik ist es didaktisch geboten, die Dimension der Religion als Weltbegegnung für die berufsorientierte Religionspädagogik im Kontext der Beruflichkeit zu reflektieren: Für die religionspädagogische Perspektive innerhalb der Berufsbildung sind in didaktischer Perspektive und aus religionspädagogischem Interesse alle fünf genannten Aspekte des Arbeitsversprechens von Relevanz, sofern die Aspekte Facetten des Arbeitsund Berufslebens anzeigen, die im BRU zu kommunizieren und zu reflektieren sind, um die Ausbildung der Auszubildenden zu autonom-verantwortlichen Erwerbstätigen zu fördern und deren berufliche Handlungsbefähigung so auch zu erweitern. 2.2.1 Anerkennung durch Arbeit

Nach Axel Honneth, Kampf um Anerkennung, gibt es strukturell drei Grundmodelle von »sozialen Anerkennungsverhältnissen«12, die alle Bezüge zur Beruflichkeit aufweisen. Alle drei Anerkennungsverhältnisse finden ihre Relevanz in der Analyse der Bedeutung der Arbeit bzw. des Berufes für die persönliche Entwicklung junger Menschen in der Berufsausbildung, wie das folgende Schaubild bei Honneth zeigt:13

11 Vgl. Jürgen Baumert: Deutschland im internationalen Bildungsvergleich; in: Nelson Killius u. a. (Hg.): Die Zukunft der Bildung, Frankfurt a. M. 2002, 113; Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hg.): Expertise: Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards (»Klieme-Gutachten«), Bonn 2003. 12 Axel Honneth: Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte. Mit einem neuen Nachwort, (1994) Frankfurt a. M. 82014, 211. 13 Vgl. dazu auch Meireis‚ Tätigkeit 2008, (s. o. Anm. 2), 316 f.

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Berufsschulspezifische Themen

Struktur sozialer Anerkennungsverhältnisse Anerkennungsweise

emotionale Zuwendung

kognitive Achtung

soziale Wertschätzung

Persönlichkeitsdimension

Bedürfnis- und Affektnatur

moralische Zurechnungsfähigkeit

Fähigkeiten und Eigenschaften

Anerkennungsformen

Primärbeziehungen (Liebe, Freundschaft)

Rechtsverhältnisse (Rechte)

Wertgemeinschaft (Solidarität

Generalisierung, Materialisierung

Individualisierung, Egalisierung

Entwicklungspotential praktische Selbstbeziehung

Selbstvertrauen

Selbstachtung

Selbstschätzung

Mißachtungsformen

Mißhandlung und Vergewaltigung

Entrechtung und Ausschließung

Entwürdigung und Beleidigung

bedrohte Persönlichkeitskomponente

physische Integrität

soziale Integrität

»Ehre«, Würde

Ob Erfolg, Anerkennung, Verlust, Enttäuschung oder Niederlage – das Erleben im Beruf bestimmt eine Person und ihr Wohlbefinden durch Anerkennung nachhaltig. Wie der Berufsalltag mit seinen Aufgaben und Anforderungen den Alltag bestimmt und zugleich über den Beruf hinausgehen kann, beschreibt eine Auszubildende: »Also die Anerkennung der Bewohner bedeutet mir sehr, sehr, sehr viel. Wenn ich viel von ihnen gelobt werde, und dass sie mich auch mögen, und dass ich immer höre: ›Ja Sami, kommst du morgen wieder zu uns hoch?‹ Und das bedeutet mir wirklich viel. Damit weiß ich nämlich, dass ich meine Arbeit super mache, dass die Leute mit mir zufrieden sind. Und das ist halt so dieses perfekte Arbeitsklima, wo ich dann halt weiß, das ist meine Berufung und ich weiß, hier gehöre ich dann auch hin.«14

So schildert die junge Muslima Samira zur Frage nach der Anerkennung ihre entsprechenden Erfahrungen in ihrer Berufsausbildung. Samira besuchte 2014 das Berufskolleg im Bildungspark Essen und wollte eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin absolvieren. Ihre Anerkennung erfährt sie in einer Antwort auf ihr berufliches Wirken in einem Altenheim, d. h. als Antwort auf ihre Arbeit. In den 14 Die Äußerung tätigte die Auszubildende Samira im Rahmen eines CrossMedia-Projektes »Woran Du Dein Herz hängst« des Bonner evangelischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik (bibor) und des PTI Drübeck (www.woran-du-dein-herz-haengst.de/?tag=anerkennung).

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Konzepte und Gehalte des BRU – didaktische Aspekte

Samira im Rahmen des Projektes »Woran Du Dein Herz hängst«

ihr sicheren Strukturen ihrer Ausbildung lebt Samira in einer Wertegemeinschaft, innerhalb derer sie kognitive Achtung und vor allem ein ethisches Wohlverhalten attestiert bekommt. Reziprozität ist hier die Grundlage der Anerkennungserfahrung. Neben der Bestätigung der Qualität der geleisteten beruflichen Tätigkeit geht es Samira vor allem auch um eine persönliche Bestätigung, gemocht zu werden. Samira betont ausdrücklich, dass der berufliche Erfolg für sie eine persönliche Wertschätzung bedeutet und damit zutiefst Einfluss hat auf ihr Selbstwertgefühl – über die Arbeitszeit hinaus. Emotional erfährt sie Selbstvertrauen in und durch die Begegnungen während ihrer Arbeitszeit, woraus Selbstachtung und Selbstwertschätzung resultieren. Diese persönliche Bestätigung ist dann letztlich auch das entscheidende Kriterium dafür, dass Samira von ihrer Arbeit als einem Beruf spricht. Anerkennung ist nicht nur für die berufliche Entwicklung von jungen Erwachsenen bedeutsam, sondern auch für deren persönliche Entwicklung ein wesentlicher Bestandteil. 2.2.2 Arbeit und subjektiver Lebenssinn

Eine im Beruf erfahrene Anerkennung ist immer auch als soziales Geschehen zu begreifen, sofern der Anerkannte von einem anderen Menschen in seinem Tun und Sein – hier: im Beruf – wahrnehmbar erkannt worden ist. Anerkennung im Beruf ist ein Beziehungsgeschehen, auf das der Anerkannte hinwirken kann, das er aber nicht erzwingen kann. Anerkennung im Beruf gleicht der Aufnahme in eine Berufs- oder Arbeitsgemeinschaft und stiftet insofern ein Zusammengehörigkeitsgefühl. »Im Beruf« oder »auf der Arbeit« ist die soziale Wertschätzung ver-

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bunden mit der damit einhergehenden Achtung des Anerkannten und zugleich einer emotionalen Zuwendung, die auch latent erfolgen kann. So berichtet Felix, ein Auszubildender zum Landwirt, Folgendes: »Von meinen jetzigen Kollegen, […], da sagt der eine besonders ab und zu: ›Och, gut Lehrling, jetzt hast ja was gelernt. Bist ein guter Lehrling!‹ Das fand ich immer klasse. Und da freue ich mich immer drüber. Aber wenn’s ein Kollege sagt ist was anderes, als wenn’s der Chef sagt. Aber im alten Lehrbetrieb hatte ich – mein Chef, der konnte das immer schlecht sagen. Und dann hab’ ich das allererste mal Stall gemacht – also Stalldienst, Wochenenddienst. Alleine. Ohne dass mein Chef oder sonst wer dabei sein musste. Und dann [sagte] am Montagvormittag die Chefin: ›Mensch, Felix, ich weiß, mein Mann kann das nicht sagen, oder kann das nicht gut zeigen. Aber, hast’e gut gemacht. Wochenende hat wunderbar geklappt mit Dir. Er kann es wirklich schlecht sagen, wenn er stolz auf jemanden ist und was gut findet.‹ Aber als das mir dann gesagt wurde […], da bin ich aber mit stolz geschwellter Brust durch den Betrieb gelaufen: ›Ha. Ich kann’s doch!‹«15

Das erste Wochenende im Betrieb unter seiner alleinigen Verantwortung lässt Felix stolz über den Hof laufen. Die Ausbildung und sein Kompetenzerwerb waren erfolgreich, er hat den Praxistest bestanden. In der Erfahrung des Erfolgs von diesem Wochenende verdichtet sich für Felix die Zeit seiner Ausbildung, während sich zugleich der Raum seines zukünftigen Berufshandelns vor ihm öffnet: Alle Mühen, alle Entbehrungen der Lehre und alles Lernen haben sich gelohnt und vollenden sich in der Erfahrung des Wochenendes. Zugleich erlebt er das Wochenende als persönlichen Zuspruch in seine Fähigkeiten: Felix erfährt sich damit selbst erstmals umfassend kompetent für sein zukünftiges berufliches Handeln. Diese berufliche Anerkennung, aus der Felix unübersehbar Selbstvertrauen, Selbstachtung und Selbstschätzung schöpft, lässt sich nicht allein auf den Beruf und die Zeit des Arbeitens auf dem Hof beziehen. Die Anerkennung im Beruf ist in einer doppelten Weise untrennbar verbunden mit dem subjektiven Lebenssinn, d. h. mit der Erfahrung der Überzeugung, dass der eingeschlagene Weg erfolgsversprechend in die Zukunft führt. Das geschieht im Blick auf seine beruflichen Kompetenzen und deren Bestätigung durch seine Arbeit sowie auch durch das doppelte Lob, nämlich das seines Chefs und das von dessen Frau. Fachlich kommt Felix mit dem Lob zum Wochenende zu einem Lebensziel, das über den Berufskontext hinausweist, sofern sein Ausbildungsberuf ihm nicht nur sein 15 Vgl. hierzu das CrossMedia-Projekt (s. o. Anm. 14) unter www.woran-du-dein-herz-haengst. de/?cat=56.

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Auskommen und seinen Lebensunterhalt sichern soll, sondern nun auch sein jugendlicher Berufswunsch – und damit sein Lebensentwurf – zu einem Ziel kommen lässt. Die Berufslaufbahn und das Lebenskonzept verschränken sich und kommen hier unauflöslich zusammen. Zum anderen kommen an diesem Wochenende und der folgenden Anerkennung für Felix auch Beziehungen zu einer Art Vollendung: In dem indirekt vermittelten Lob des Chefs und dem direkt zugesprochenen Lob von dessen Frau bekommt die Beziehung des Auszubildenden Felix zu seinem Chef eine neue Qualität, sofern Felix sich persönlich wertgeschätzt nun als ausgebildet erfährt und sich erstmals auf einer Höhe mit seinen Chefs erleben kann. Der erlebte Beziehungsreichtum des Wochenendes lässt sich gut auch im Sinne Martin Bubers formulieren: In der Begegnung mit seinen Chefs wird Felix vom Lehrling zum selbstverantwortlichen Ausgebildeten, erlebt sein eigenes Ich in einem neuen Kontext und erfährt sich als vollwertiges Teammitglied im Beziehungsgefüge auf dem Hof. In der Begegnung mit den gestellten Aufgaben des Wochenendes und deren erfolgreicher Bewältigung wird Felix bewusst, dass er in den Augen des Hofteams nun anders als zuvor dazugehört. Die Anerkennung, der Erfolg und das neue Selbstbewusstsein werden Felix durch den Beruf zuteil und eröffnen ihm neue Parameter zur Konstruktion seines Selbstkonzepts im neu erworbenen Status des Ausgebildeten und damit gewissermaßen auch Erwachsenem: Gewissermaßen kommt Felix mit der Erfahrung – im wahrsten Sinne des Wortes – »aus-gebildet« zu sein als Person zu einem Zielpunkt seiner selbst anvisierten Vorstellung von sich als Persönlichkeit. Die Beschreibung des Auszubildenden, ausgehend von der Relevanz seiner Anerkennungserfahrungen im Beruf für sein Wohlbefinden und sein Selbstkonzept, ist leicht soziologisch zu deuten und weist zudem theologische Konnotationen auf (und ist insofern auch von religionsdidaktischer Relevanz): die Rede von einem erfüllten Leben, vor dem Hintergrund der Erfahrung von Erfüllung auch die Dimension der Hoffnung auf zukünftige Erfüllung, die Erkenntnis des Angewiesenseins auf Andere bzw. auf fremde Hilfe (gerade in der Anerkennung durch andere), der Aspekt der Freude und der Dankbarkeit über das erfüllte und gute Erleben, die Wahrnehmung der eigenen kognitiven und körperlichen Entwicklung sowie schließlich das Wohlbefinden bei und in der Ausübung der beruflichen Tätigkeit.16 Die genannten Aspekte weisen alle deutlich theologische Konnotationen auf bzw. lassen sich ohne Probleme theologisch deuten: Die 1. Hoffnung auch auf eine zukünftige Erfüllung im Beruf impliziert eine eschatologische Deutung, das 2. Wissen um das Angewiesensein auf Andere impliziert schöpfungstheologische Aspekte und sensibilisiert, transzendenzhafte 16 Vgl. hierzu detailliert Meireis‚ Tätigkeit 2008 (s. o. Anm. 2), 507–511.

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Erfahrungsdimensionen zuzulassen, die 3. Freude und die Dankbarkeit öffnen die Wahrnehmung von religiösen Dimensionen von Sprache und können von daher vertieft interpretiert werden und das 4. Wohlbefinden als religiöse Grundbefindlichkeit im Kontext der Gottesbeziehung ist als Nächsten- und Selbstliebe interpretierbar. So kann die Wahrnehmung der Entwicklung eigener Berufskompetenzen mithilfe theologisch-ethischer sowie anthropologisch-theologischer Interpretamente erkannt und gedeutet werden. Religionsdidaktisch eröffnet sich damit die Aufgabe, theologische Aspekte in Lebenserfahrungen und Äußerungen von Auszubildenden sinnvoll zu identifizieren und davon ausgehend ihre Erfahrungen im Beruf auch theologisch zu deuten. Aus dieser wechselseitigen Erschließung von Beruf und Religion ergibt sich religionspädagogisch die Option, berufsnahe und schülerorientierte Lernarrangements zu entwickeln, die ihrerseits das Selbstkonzept der Auszubildenden im Blick auf eine Förderung personaler Kompetenzen in den Mittelpunkt stellen.

3. Bürgerliche Partizipation und Teilhabe am öffentlichen Leben: Demokratie und soziale Struktur der Gesellschaft 3.1 D  er Beruf und die Teilhabe am öffentlichen Leben: Reflexion zur gesellschaftlichen Funktion von Arbeit für den Einzelnen Bei der Reflexion der Beruflichkeit wird reziprok deutlich: Der Beruf ist für Auszubildende die Größe und Instanz, die besonders deutlich in dieser Phase ihr ganzes Leben bestimmt und von daher selbst als Modus der Lebensgestaltung und Weltbegegnung zu reflektieren ist. Dabei wirkt sich der finanzielle Gesichtspunkt, wenn auch der Verdienst während der Ausbildung noch kein ausschweifendes Leben ermöglicht, doch entscheidend auf das Leben der Jugendlichen aus. Denn der Beruf gibt die finanziellen Möglichkeiten und Rahmenbedingungen vor, in denen Auszubildende ihr Leben gestalten können – besonders vor dem Hintergrund, dass die Ausbildungsvergütung für die meisten Jugendlichen die erste längerfristige höhere Einnahmequelle ist. Jedenfalls eröffnet der Verdienst den Jugendlichen die Teilnahme und Teilhabe an privaten und öffentlichen Events und/oder Veranstaltungen, sofern sich die Jugendlichen diese nun eher leisten können als zuvor. Weiterhin bestimmen der Beruf bzw. die Arbeit z. B. durch die vorgegebenen Arbeitspläne maßgeblich die Kontakte zu Freunden und Freundinnen, zur Familie wie auch zu Bekannten insgesamt. Soziale Kontakte werden beruflich auch dahingehend bestimmt, dass Beziehungen zu Kollegen und Kolleginnen neu geknüpft

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werden, sich teilweise ausweiten und zu Freundschaften oder Partnerschaften intensivieren, während mitunter alte Freundschaften verblassen. So wird das berufliche Umfeld zu einem der prägendsten sozialen Räume des Individuums. Weiterhin bestimmt die Arbeit bzw. der Beruf die Teilhabe und Teilnahme am öffentlichen Leben, sofern das öffentliche Ansehen eines Berufes den öffentlichen Status der betroffenen Auszubildenden wesentlich mitbestimmt. Denn mit dem Erlernen eines Berufs übernehmen die Auszubildenden automatisch auch das öffentliche Ansehen bzw. sie integrieren dieses Ansehen in ihrer Person, das dieser Beruf in einer doppelten Perspektive mit sich bringt: Zum einen wird dieses Image von außen an die Auszubildenden herangetragen und sie werden im Licht ihres Berufs gesehen und bewertet – einhergehend mit den vermeintlichen gesellschaftlichen Zwängen und Milieuerwartungen, die das Berufsimage im Blick z. B. auf das Verhalten zur Folge hat. Zum anderen hat das eigene Ansehen des erlernten Berufes bei den Jugendlichen selbst Auswirkungen auf deren Persönlichkeitsbildung und die Konstruktion des eigenen Selbstkonzepts, sofern sie sich mit der Ausbildung auch das dem Beruf eigene Image zu eigen machen (müssen). Bei einem positiven Berufsimage ist diese Imageaneignung ohne Probleme zu realisieren, wenn das Berufsimage positive Wirkungen auf das Leben insgesamt hat. Handelt es sich jedoch um ein stärker negatives Image, kommt es zum Zwang, das negative Image in das Selbstkonzept positiv zu integrieren. Im Blick auf die öffentliche Wahrnehmung des Auszubildenden wie auch auf sein eigenes öffentliches Auftreten hat das Berufsimage direkte Auswirkungen, denen sich der Auszubildende stellen muss und die sein Auftreten und seine Selbstwahrnehmung bestimmen werden. Neben diesen äußeren zeitlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bestimmt die Arbeit bzw. der Berufsalltag auch durch weiche Vorgaben und das innere Erleben die Lebensgestaltung der Auszubildenden. So kann z. B. erlebter Stress im Beruf bis in den Feierabend hineinwirken, sodass dieser dann manchmal eben keinen Raum zum Feiern gibt, weil er gedanklich – und mitunter auch körperlich – immer noch durch die Arbeit geprägt ist. Überhaupt wirken negative Erlebnisse, z. B. ein berufliches Scheitern oder Ablehnung bei Kolleginnen und Kollegen, über die reine Arbeitszeit hinaus hinein ins Privatleben, wie sich umgekehrt positive Erfahrungen, wie z. B. Anerkennung, inspirierend auf das ganze Leben auswirken. Die äußeren (Dienstpläne; Urlaubszeiten; …) wie auch die inneren (Leistungsdruck; Karriereträume; …) beruflichen Rahmenvorgaben bestimmen damit wesentlich die Lebensziele und die Realisierung der Lebensträume der Auszubildenden und damit auch die Teilhabe und Teilnahme am öffentlichen Leben. Die Beruflichkeit ist damit als eine wesentliche Größe der Lebensgestaltung und

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Weltbegegnung für die Auszubildenden zu begreifen, die entsprechend auch das Wohlbefinden (Work-Life-Balance) der Auszubildenden bestimmt. Diese Bedeutung des Berufes bzw. der Arbeit für ein gutes Leben im privaten wie im öffentlichen Bereich gilt es didaktisch wahrzunehmen und religionspädagogisch zu reflektieren. 3.2 Die Option der Teilnahme am öffentlichen Leben Die Teilhabe der Auszubildenden am öffentlichen Leben impliziert auch die Option der Teilnahme am politischen Leben der Gesellschaft, die sich den jungen Erwachsenen durch ihren Eintritt in die Berufswelt eröffnet. Diese Teilnahme bietet sich zum einen innerbetrieblich an, sofern die Auszubildenden dort im Rahmen der gesetzlich geregelten Gremien und Strukturen ihre Interessen wahrnehmen können, z. B. in der »Jugend- und Auszubildendenvertretung« in einem Betrieb mit Betriebsrat (Wahrung und Förderung von Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Entwicklung der Auszubildenden sowie zur Förderung der Integration ausländischer Jugendlicher und Auszubildender; das Mitspracherecht bei allen die Jugendlichen und Auszubildenden betreffenden Anliegen im Betrieb; Vertretung und Überwachung beispielsweise beim Kündigungsschutz). Sollten ein Betrieb kleiner sein und keinen Betriebsrat haben, besteht die Option der Wahrung eigener Rechte durch eine Kooperation z. B. mit Anwälten. Analog gibt es auch eine »Außerbetriebliche Interessenvertretung«17 für Jugendliche, die bei einem staatlichen Träger ausgebildet werden. Gleichfalls eröffnet sich den Jugendlichen ein Engagement in einer der für sie in Frage kommenden Gewerkschaften oder beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und seiner Jugendorganisation (http://jugend.dgb.de/). Neben der Interessenvertretung bieten sich den Jugendlichen hier Auseinandersetzungen mit Themenfeldern, die über die Arbeit und den Beruf hinausgehen. Der Eintritt in den Beruf weitet den Denk- und Erfahrungshorizont der Auszubildenden, weshalb sich auch deren sachliche Interessensgebiete verändern und weiterentwickeln. So ist neben einem gewerkschaftlichen Engagement auch eines in einer der politischen Parteien und deren Jugendorganisation denkbar. Weiterhin kann der Eintritt in die Berufswelt mit seinen finanziellen Möglichkeiten und persönlichen Entwicklungen den Auszubildenden einen Weg eröffnen für ein ehrenamtliches Engagement, z. B. in kirchlichen Einrichtungen, in Gruppen der Wohlfahrtsverbände sowie auch in Sportvereinen. Obgleich für viele Jugendliche dieses Engagement schon Routine ist und in ihr 17 Siehe hierzu http://www.ausbildung.info/ausserbetriebliche-interessenvertretung.

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Leben gehört, bieten die neuen Herausforderungen der Berufswelt neue Einblicke in die eigene, sich wandelnde Lebenswelt, woraus Ideen, Wünsche oder auch intrinsische und extrinsische Motivationen für ein neues Engagement entstehen können.

4 Die ethische Verantwortung im Beruf für sich selbst, für den Nächsten und für die Mitwelt 4.1 D  ie Arbeitswelt als gesellschaftliche Herausforderung – zur ethischen Verantwortung einer menschenfreundlichen Gestaltung der Arbeitswelt Die gegenwärtige Rede von »Industrie 4.0«, »Arbeit 4.0« und entsprechend auch von »Bildung 4.0« signalisiert einen grundlegenden Wandel der allgemeinen Grundlagen des Berufes wie auch der entsprechenden Herausforderungen, denen folglich auch der BRU ausgesetzt ist. Diese Entwicklung erstreckte sich über Jahrhunderte, und zwar von der reinen Agrargesellschaft von der Antike beginnend bis zur Industrialisierung mit der beginnenden Zeit der Aufklärung bis hin zur Dienstleistungsgesellschaft, die sich gegenwärtig durch die fortschreitende Digitalisierung nochmals deutlich verändert.18

18 Quelle zur Grafik www.der-bank-blog.de/wp-content/uploads/2016/10/vier-industrielle-revolutionen.png.

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Diese Entwicklung bildet den Hintergrund auch für berufsschulspezifische Themen, denen sich der BRU widmen soll und muss. Dieser Wandel der Beruflichkeit soll im Folgenden kurz skizziert werden im Blick auf seine Relevanz für die Frage, welche Funktion der Einzelne im System der Berufswelt hat, welche Rechte ihm zustehen und wie er als selbstständige und autonome Persönlichkeit sich in einem digitalisierten Wirtschaftssystem positionieren kann: Unter »Arbeit 1.0« wird die erste industrielle Revolution verstanden, als die Dampfmaschine und die Dampfkraft in die Fabrik kamen. Die ansetzende Industrialisierung, die damit verbundene Fraktionierung der Arbeitsprozesse sowie die beginnende Entwicklung einer freien Marktwirtschaft veränderten die Einstellung der Menschen zu Arbeit und Beruf. Nicht allein das Individuum, sondern der Beitrag zum allgemeinen Wohlstand prägte nun maßgeblich das Verständnis von Beruf und Arbeit. Einhergehend wurde mit der Schwächung der mittelalterlichen Ständeordnung stärker auch der Bezug des Berufes zur Charakter- und Persönlichkeitsentwicklung der Berufstätigen gesehen. Die technischen Neuerungen und die Entstehung von neuen Berufen brachten einen sozialen Wandel sowie damit einhergehend auch neue Arbeitsbedingungen mit sich: Mit der industriellen Produktion wurde ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die soziale Frage und der Zusammenhang von Arbeit und Freiheit zum Thema der Arbeiterbewegung. Unter »Arbeit 2.0« wird die zweite industrielle Revolution bezeichnet, als mit Fließbändern und einer arbeitsteiligen Struktur in den Fabriken die Massenproduktion einsetzte. Prototypisch hierfür steht die Autoindustrie in den USA mit dem Namen Henry Ford. Zugleich kam es am Ende des 19. Jahrhunderts auch zu den Anfängen des Wohlfahrtsstaats: Die Industrialisierung brachte neue soziale Probleme mit sich und warf besonders durch die Massenproduktion und die beginnende automatisierte Arbeit soziale Fragen grundsätzlich in neuer Dringlichkeit auf. Die so entstandene Verschärfung der gesellschaftlichen Probleme setzte auch die organisierte Arbeiterschaft immer mehr unter Druck, was dann die Basis bildete für die Einführung der ersten Sozialversicherungen im Deutschen Reich. Hier ist besonders die Ideenwelt von Friedrich Engels und Karl Marx zu nennen: Nach Marx wird der Arbeiter durch die Industrialisierung und der einhergehenden Entfremdung zum Anhängsel der Maschine. Seine Tätigkeit in der Fabrik wird fremdbestimmt und abstrakt. Es vollzieht sich der Übergang vom ganzheitlichen Arbeiten und einem das Individuum erfüllenden Beruf hin zu einem reinen Job. So kommt es zur Entfremdung des Menschen von seiner beruflichen Tätigkeit. Der technische Fortschritt dient mehrheitlich nicht der Erleichterung der Arbeit, sondern der intensiveren Ausbeutung der Arbeitenden, was ethische Beurteilungen provozierte. Karl Marx formuliert dies pointiert:

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»Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumption aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden Gemeingut. Die nationale Einseitigkeit und Beschränktheit wird mehr und mehr unmöglich, und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine Weltliteratur.«19

Die Kirchen und ihre Denker waren den neuen Entwicklungen in der Arbeitswelt und den damit verbundenen sozialethischen Fragen sowie gesellschaftlichen Umwälzungen nicht gewappnet. Vor allem die kirchlich-etablierten Kreise standen den sozialkritischen und den auf gesellschaftlich-hierarchischen Veränderungen abzielenden Überlegungen von Karl Marx und Friedrich Engels skeptisch gegenüber. Die Kirchen reagierten mehrheitlich ablehnend und moralisch-ethisierend auf die Forderungen nach einem Wandel der Arbeitsbedingungen, womit sie die menschenfeindliche Realität des Erwerbslebens nicht verändern konnten, in die Opposition zu denen gerieten, die einen sozialen Wandel forderten, und so eine Distanz schafften zu den arbeitenden Schichten der Bevölkerung. Erst langsam und vereinzelt kam es zur kirchlichen Reaktion in Form einer (katholischen) Soziallehre20 bzw. zu sozial-diakonischen Initiativen auf protestantischer Seite, die zumeist von Einzelpersonen initiiert wurden wie Theodor Fliedner (1800–1864) oder Hinrich Wichern (1808–1881), dem 19 Karl Marx/Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei. Geschrieben im Dezember 1847/Januar 1848. Gedruckt und als Einzelbroschüre, London im Februar/März 1848, in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Band 4, Berlin/DDR 61972 (unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1959), 459–493, hier 466. 20 Vgl. Alfons Auer: Auf dem Wege zu einer Theologie der Arbeit. Wandel der Aspekte während der letzten 150 Jahre, in: Ora et labora. Eine Theologie der Arbeit, hrsg. von Albert Biesinger/ Joachim Schmidt, Ostfildern 2010, 137–145.

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Begründer des »Rauhen Hauses« in Hamburg und der »Inneren Mission«. Nach der Erweckungszeit wurde die evangelisch-soziale Bewegung geprägt durch Persönlichkeiten wie Rudolf Tödt (1839–1887) und Friedrich Naumann (1860– 1919) bis hin zum religiösen Sozialismus eines Christoph Blumhardt (1842–1919) oder Leonhard Ragaz (1868–1945). Der skizzierte diakonisch-caritative Zweig kirchlicher Stellungnahme und Parteinahme für in der Arbeitswelt benachteiligte Bürgerinnen und Bürger wird in der Gegenwart evangelischerseits unterstützt durch amtskirchliche Initiativen wie den »Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt«21 und diverse Kampagnen und Verlautbarungen zu berufsspezifischen oder arbeitsmarktpolitischen Fragen. Hier sei beispielhaft der EKD-Text Evangelisches Bildungsverständnis in einer sich wandelnden Arbeitsgesellschaft (1991) genannt, der den Wandel der Arbeit und auch den Wert des BRU durch dessen Beitrag für die »heute notwendige[.] Bildung zum Beruf« (a. a. O. 34) benennt (siehe auch die EKD-Denkschrift Handwerk als Chance (1997), in der nach einer historischen Herleitung die sozial-ökologischen Chancen des Handwerks für das Gemeinwohl der Gesellschaft dargelegt und Forderungen für das Erreichen dieses Standards genannt werden). Auf katholischer Seite sei erinnert an die Enzyklika Laborem Exercens aus dem Jahr 1981, die sich neu über die menschliche Arbeit zum neunzigsten Jahrestag der Enzyklika RERUM NOVARUM befasst, die von den deutschen Bischöfen verfasste Pastorale Anregungen zum Problem der Arbeitslosigkeit aus dem Jahr 1982 oder Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellensituation als Sorge der Gemeinde vor Ort aus dem Jahr 1998.22 Ein Beispiel einer ökumenischen Initiative der evangelischen wie der katholischen Kirche bildet das gemeinsame Wort Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit (1997). Gegenwärtig zeigen sich beide großen Kirchen sensibel im Blick auf die anstehenden Probleme der Arbeits- und Berufswelt und liefern somit Diskussionsgrundlagen und Materialien für den BRU. Mit »Arbeit 3.0« kam die dritte industrielle Revolution mit einer Intensivierung der Automatisierung in die Fabriken, während sich der Sozialstaat nach dem Zweiten Weltkrieg konsolidierte und die Arbeitnehmerrechte auf Grundlage der sozialen Marktwirtschaft weiterentwickelte. Diese Zeit war geprägt durch ein sozialpartnerschaftliches Miteinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern und die gemeinsame Wahrnehmung betrieblicher Interessen. Seit den 1980er Jahren wurde die Produktion durch den Einsatz von Informationstechnologie und Elektronik – z. B. durch erste robotergesteuerte Produktionsstraßen – weiter automatisiert, der Anteil von Dienstleistungen nahm insgesamt stark zu – mit 21 Zum Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) vgl. http://www.kda-ekd.de. 22 Vgl. zur Deutschen Bischofskonferenz www.dbk.de.

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dem Einzug der Informationstechnologie (IT) in die öffentliche und industrielle Verwaltung – und die nationalen Märkte öffneten sich infolge der voranschreitenden Globalisierung. Die schon oben für das 19. Jahrhundert skizzierten sozialen Fragen und Kritiken an einer monetär ausgerichteten Wirtschaft und Gesellschaft sind bis heute aktuell und geben Anlass, im BRU reflektiert zu werden. Denn seit der Industrialisierung ist die Entwicklung von Beruf und Arbeit immer stärker mit einer ökonomischen Gewinnmaximierung verbunden und von dieser bestimmt. Der in Mitteleuropa fortschreitende Prozess der Abkehr von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft – jäh unterbrochen durch Kriege und deren Bedarf am grundlegend Lebensnotwendigen – ist verbunden mit einer steigenden Zahl von Arbeitslosen. Arbeit ist heute in den klassischen Industrienationen keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern oft ein Luxusgut. Die anhaltend hohe Zahl von Erwerbslosen ist zum großen Teil ein strukturelles Problem des Arbeitsmarktes, von denen auch Auszubildende betroffen sind. Denn es gibt neben den offiziellen Arbeitslosenzahlen eine hohe Dunkelziffer, sofern zu den versteckten Arbeitslosen hunderttausende Jugendliche gehören, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben und meist in Maßnahmen der Berufsschulen »geparkt« werden. Und wenn jemand eine Erwerbsarbeit gefunden hat, ist er heute immer stärker gefordert, sich selbst auf dem Markt zu vermarkten. Obgleich der Arbeitnehmer schon immer seine Fähigkeit und Zeit an den Arbeitgeber »verkaufte«, muss er sich als Person heute sehr viel mehr als ökonomisch zu verrechnende Ware präsentieren und auf dem Markt behaupten und »verkaufen«. Entsprechend ist heute schon vom »Arbeitskraftunternehmer« die Rede, der bei seiner eigenen Vermarktung zwar die Risiken eines Selbstständigen trägt, auf dem Markt jedoch als Arbeitnehmer gehandelt wird (und entsprechend abhängig ist und meist schlecht entlohnt wird). Die aus der wirtschaftlichen Not geborene Idee der Gründung von Kleinstunternehmen mit dem Namen der »Ich-AG«23 steht ebenfalls für diese Tendenz der möglichst billigen und risikoarmen Vermarktung von Arbeitskräften aus Sicht der Arbeitgeber und des Kapitals – bzw. der Abwälzung aller ökonomischen Risiken auf die Einzelperson. Jeder Job ist anzunehmen »vor dem Hintergrund eines wieder in Kraft gesetzten individualistischen Arbeitsideals, dem zufolge jeder eigenverantwortlich seinen Lebensunterhalt verdienen müsse, statt sich in einer würdelosen Fremd-Alimentation

23 Gerhard Wegner: Sein Selbst verwirklichen. Was kann Berufung heute bedeuten? In: Peter Mörbel/Otto Strecker (Hg.): Beruf und Berufung. Der Stellenwert von Luthers Berufsethos in der globalisierten Welt (Begegnungen 20), Bonn 2009, 71–104, hier 73 f.

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durch staatliche Sozialtransfers einzurichten.«24 Der Arbeitnehmer als Arbeitskraftanbieter bzw. als Arbeitskraftunternehmer wird als Jobber zur schutzlosen Ware. Die berufliche Tätigkeit wird spätestens jetzt allein zum Job: »job« war »in der englischen Seefahrersprache ursprünglich ein Klumpen Ladung, den man beliebig hin und her schieben und schubsen konnte.«25 Die Relevanz dieser arbeitsmarktpolitischen Entwicklungen mit ihren sozialen Fragen wird für den BRU noch relevanter, wenn wir die Arbeit der Zukunft in den Blick nehmen und uns damit den gegenwärtigen Entwicklungen zuwenden, die mit den Schlagworten »Arbeit 4.0« oder »Industrie 4.0« verbunden sind. Diese vierte industrielle Revolution des »Digitalen Zeitalters« ist geprägt durch digitale Transformationen, in der z. B. die Maschinen beginnen, eigenständig miteinander in cyber-physikalisch Systemen zu kommunizieren. Was wir in Zukunft von der digitalen Arbeitswelt zu erwarten haben, kann niemand mit Bestimmtheit sagen. Allerdings lassen sich doch konkrete Anhaltspunkte ausmachen: Für die vernetzte Fabrik bedeutet Digitalisierung, dass es nun möglich ist, die Produktionsprozesse in Echtzeit zu kontrollieren. Die Mitarbeiter in der Produktion, im Vertrieb und in der Logistik wissen dann immer genau, wo sich welches Produkt im Herstellungsprozess befindet, wo ein Fehler aufgetreten ist, wie lange die Fertigung noch dauert und wie lange die Transportzeit sein wird. Und die Mitarbeiter können flexibler eingesetzt werden und reagieren, Kundenfragen können präziser beantwortet werden. Die neue Entwicklungsstufe wird nicht nur neue Produkte und Dienstleistungen schaffen, sondern durch den kulturellen und gesellschaftlichen Wandel werden auch neue Erwartungen und Ansprüche an den Beruf und die Arbeit aufkommen und sich Angebot und Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen verändern. Für die Mitarbeiter heißt Digitalisierung, dass einfache Routinetätigkeiten immer mehr von Robotern übernommen werden, was gerade Auszubildenden im Blick auf ihre Chancen auf eine Arbeitsstelle Angst machen kann. Der zukünftige Mitarbeiter wird Arbeitsprozesse vornehmlich kontrollieren: »Es kommt weniger darauf an, zu schrauben, als den Produktionsprozess zu steuern«, sagt Friedhelm Esser, Direktor des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Seiner Einschätzung nach werden in Zukunft »Prozess-, System- und Problemlöse-Kompetenzen […] immer wichtiger«, womit von den Mitarbeitenden ein höheres Qualifizierungs-

24 Hermann-Josef Große Kracht: Der Mensch – ein arbeitendes Wesen? Theologisch-sozialethische Anmerkungen zur Bedeutung menschlicher Arbeit in modernen Gesellschaften, in: Ora et labora. Eine Theologie der Arbeit, hrsg. von Albert Biesinger/Joachim Schmidt, Ostfildern 2011, 185–200, hier 192; vgl. 192 f. 25 Große Kracht, Mensch (s. o. Anm. 24), 193.

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niveau gefordert sein wird.26 Und die, die dieses Qualifizierungsniveau nicht erreichen können, aus welchen Gründen auch immer, werden weiter in den Übergangssystemen geparkt werden. Und die das Qualifikationsniveau erreichen, die werden immer stärker in die cyber-physikalischen Systeme integriert werden. Die Digitalisierung droht auch in menschliche Bereiche einzudringen, was vorher unbekannt war: Warum sollte die computergesteuerte und digital-vernetzte Produktionsanlage nicht durch einen unter der Haut des Mitarbeitenden implantierten Chip direkt mit diesem kommunizieren und ihn selbstständig zur Beratung ordern können, wenn sie es für nötig hält – unabhängig der Tages- oder Nachtzeit? Der einzelne Mitarbeitende droht wieder zum kleinen Rädchen im cyber-physikalischen System zu werden. Menschen werden dem Profit und den Produktionsabläufen untergeordnet: Die Digitalisierung droht in Dimensionen des Menschseins und der Selbstbestimmung vorzudringen, in denen der Mensch droht als Mensch verloren zu gehen. 4.2 Berufliche Anforderungen und ihre ethische Bewertung – zur ethischen Verantwortung gegenüber Arbeitgebern Der BRU hat bei Auszubildenden nicht nur die Kompetenz der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für ihre eigene Person zu entwickeln, sondern auch in ihre Verantwortung gegenüber dem Arbeitgeber, dem Betrieb, der Firma und der Kundschaft einzuführen und diese praktisch weiterzuentwickeln.27 Für den BRU ergeben sich aus der ethischen Erwartungshaltung an den Auszubildenden von Seiten der Ausbildenden sowie den allgemein formulierten beruflichen Anforderungen Themenkomplexe und Problemhorizonte, die er im Unterricht mit den Auszubildenden zu erörtern und kritisch zu bewerten hat. Festgehalten und gewissermaßen kanonisiert sind diese Erwartungen an Auszubildende in dem im Jahr 2006 beschlossenen Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife. Dieser Katalog beschreibt unter dem Stichwort »Psychologische Merkmale des Arbeitsverhaltens und der Persönlichkeit« (Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife 2006) vielfältige Fertigkeiten wie z. B. »Frustrationsfähigkeit«, »Selbstständigkeit«, »Konfliktfähigkeit« oder »Kritikfähigkeit«. Allen diesen Aspekten ist gemeinsam, dass sie eigentlich als Voraussetzung der Ausbildung eine reife Persönlichkeit des Jugendlichen

26 Friedhelm Esser: Wirtschaft 4.0 braucht Bildung 4.0. Medienkompetenz von Ausbildungspersonal und Auszubildenden stärken, in: PM 48/2016 des Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Bonn 17. November 2016 (www.bibb.de/de/pressemitteilung_54914.php). 27 Vgl. zu den folgenden Überlegungen auch die ausführlicheren Ausführungen bei Obermann, Beruf, Kap. 9.3 (s. o. Anm. 9), dem einige Wendungen überarbeitet hier übernommen sind.

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markieren, wobei die Realität zeigt, dass Auszubildende diesem Kriterienkatalog kaum gerecht werden können (und viele Ausbilder wahrscheinlich auch nicht).28 Jedenfalls ist es eine vordringliche Aufgabe des BRU, diese personenbezogenen Fähigkeiten und Eigenschaften während der Ausbildung zu vertiefen und zu erweitern. Der BRU unterstützt die Entwicklung bei den Auszubildenden hin zu einer reifen Persönlichkeit durch seine subjektorientierte Reflexion ihres Lebens- und Berufsumfeldes. Die kritische Beschäftigung mit eigenen Lebenszielen im Spannungsfeld von Realität und Hoffnung angesichts der beruflichen Wirklichkeit hilft den jungen Erwachsenen bei der Entwicklung eines selbstständigen Lebensentwurfs. Dieser dient ihnen als Standpunkt und befähigt sie, ihre Lebensperspektiven gegenüber konkurrierenden Entwürfen – gegebenenfalls im Konflikt – kritisch zu sehen und argumentativ als ihren Lebensentwurf zu vertreten – auch angesichts möglicher Frustrationen des Nichtverstehens. Diese ­kreativ-kritische Auseinandersetzung mit Lebensentwürfen im persönlichen Bereich lehrt die Auszubildenden für ihr Leben verantwortliche Entscheidungen zu treffen, für diese selbstständig einzutreten und auch gegenüber widerstreitenden Entwürfen zu vertreten. Diese Befähigung im persönlichen Bereich u. a. durch die Mithilfe des BRU ist eine Voraussetzung für die Entwicklung der heute im Beruf erwarteten personalen Kompetenzen, wie sie im Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife genannt werden. Über den Kriterienkatalog hinaus erwarten die Industrie und das Handwerk vor allem Tugenden wie z. B. Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Höflichkeit oder Fleiß.29 Grundgedanken dieser Tugenden finden sich schon in den biblischen Zehn Geboten, womit sich die gewünschte ethische Orientierung als zutiefst jüdisch-christlich erweist. Entsprechend ist diese ethische Bildung ein genuiner Bestandteil der religiösen Bildung. Im Kontext dieser ethischen Bildungsprozesse wird auch die berufliche Handlungsfähigkeit der von den Betrieben und Unternehmen gewünschten soft skills – wie z. B. Kollegialität, Solidarität und Teamfähigkeit – gefordert und gefördert. Der BRU qualifiziert die Auszubildenden zur angemessenen Kommunikation innerbetrieblich mit Kolleginnen und Kollegen sowie auch außerbetrieblich z. B. im Kontakt mit der Kundschaft.

28 Zum Kriterienkatalog: www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/Veroeffent-lichungen/Aus� bildung/Kriterienkatalog-zur-Ausbildungsreife.pdf. 29 Vgl. hierzu Andreas Obermann: Religion unterrichten zwischen Kirchturm und Minarett. Perspektiven für einen dialogisch-konfessorischen Unterricht der abrahamischen Religionsgemeinschaften an berufsbildenden Schulen (Christentum und Islam im Dialog Bd. 8), Münster 2006, 62–72; bes. 70 f. sowie Isa Breitmaier: Religionsunterricht an der Berufsschule aus der Perspektive von Ausbilderinnen und Ausbildern (RbB 5), Münster 2010, 192 ff. u. 202 ff.

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Dabei darf der BRU nicht in ethischen Fragen aufgehen. Auch geht es nicht um das unreflektierte Befolgen vorgegebener (erwarteter) Verhaltensmuster, sondern um das Verstehen und das Begreifen, warum welches Verhalten in bestimmten Situationen besser ist als ein alternatives Handeln. So leistet der BRU einen wesentlichen und spezifischen Beitrag zur beruflichen Handlungsfähigkeit, sofern er ethische Weisungen im Gefolge der jesuanischen Ethik in den Kontext der Liebe stellt. Entsprechend formuliert das Doppelgebot der Liebe einen konstitutiven Grund und einen wesentlichen Bestandteil ethischen Lernens im BRU: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit allen deinen Kräften und mit allen deinen Gedanken, und: Du sollst Deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (nach Lk 10,27). Für Jesus gehören Gottesliebe und Nächstenliebe untrennbar zusammen: Glaube (Religion) führt zum Handeln. Diesen Grundgedanken jesuanischer Ethik zeigt die Goldene Regel: »Wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!« (Lk 6,31). Dabei führt die Gottesliebe die Tat der Nächstenliebe über das normale Maß hinaus, da sie das Handeln motivational bereichert, weshalb die doppelte Weisung der Liebe in ihrer wechselseitigen Wirkung als Zusammenfassung des Willens Gottes gelten kann. Das Doppelgebot zeigt so die existenzielle wie auch kognitive Beteiligung der Handelnden bei einer biblisch-theologischen Ethik. Die jesuanische Ethik zielt nicht allein auf die äußere Tat des Guten, sondern auch auf die innere Bereitschaft und Motivation des Handelnden. Die von Jesus intendierte Reflexion von ethischen Handlungsoptionen nimmt bei der Barmherzigkeit Gottes ihren Ausgang und ist von dieser zugleich getragen: »Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist« (Lk 6,36). Von der Barmherzigkeit Gottes her ist die Nächstenliebe äußere Handlung und innere Einstellung zugleich. Gutes Handeln ist im umfassenden Sinn der Barmherzigkeit zu verstehen und soll damit getragen sein von der Überzeugung, Gutes zum Wohl des Nächsten und zum Lob Gottes zu tun. Dieser Zusammenhang von Gottes- und Nächstenliebe steht dabei nicht nur im Mittelpunkt der ethischen Lernprozesse im BRU, sondern unterscheidet den Religionsunterricht (BRU) auch vom Ethikunterricht. Ethik im Religionsunterricht kommt immer vom Glauben her und stellt das konkrete Handeln – auch für den beruflichen Kontext – in das Licht des Nächsten. Auszubildende (und Erwerbstätige) sollen beispielsweise ihrem nächsten Menschen pünktlich und ehrlich begegnen, im Betrieb Verantwortung übernehmen und ihre Aufgaben möglichst hoch motiviert angehen, weil dieses Verhalten für den Nächsten und damit auch für die betrieblichen Abläufe – und nicht zuletzt auch für sie selbst – gut ist. Die Kommunikation eines ethischen Handelns zugunsten des Nächsten um Gottes Willen ist das Spezifikum des BRU und sein Mehrwert, den er in die berufliche Ausbildung einbringen kann.

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Darüber hinaus trägt der BRU zu einer berufsspezifischen ethischen Bildung bei, wenn religiöse Handlungsmaximen die Entscheidungsfindungsprozesse für ethische Urteilsfindungen bereichern, indem religiöse Aspekte zu einer erweiterten Beurteilung ethischer Sachverhalte führen. So trägt der BRU zu einer umfassenderen Fähigkeit einer ethischen Urteilsfindung z. B. in Bildungsgängen des Gesundheitswesens angesichts der Frage nach dem Tod bzw. der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod beim Abwägen der Berechtigung von lebensverlängernden medizinischen Maßnahmen bei, weil diese ethischen Fragen unmittelbare Berufsbezüge aufweisen. In heilpädagogischen Bildungsgängen wäre dies gegeben bei Fragen zu den Grenzen religiös bedingter geschlechtsspezifischer Begegnungen – z. B. bei religionsspezifischen genderbedingten Vorgaben bei der Pflege – oder in kaufmännischen Bildungsgängen durch sozialethische Aspekte zu beruflichen Themenfeldern – z. B. durch biblische oder koranische Impulse zum Zins. Die Erlangung der Kompetenz ethischer Urteilsfindung ist für angehende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine wesentliche Berufsqualifikation, sofern zukünftig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer stärker in betriebliche Entscheidungsprozesse eingebunden werden sollen.30 4.3 Von der Umwelt zur Mitwelt – zur ethischen Verantwortung für Natur und Mensch Ein wesentlicher Aspekt einer der Gegenwart verantwortlichen Wirtschaftsethik muss sich mit Fragen der Nachhaltigkeit und der Ökologie beschäftigen. Die Bewahrung des Planeten als Lebensraum der Menschheit wie auch der Natur ist ein Schlüsselproblem der Menschheit und folglich ein epochales Schlüsselthema der gegenwärtigen Politik angesichts des Klimawandels und seiner weltweiten Folgen, was logischerweise auch Folgen für eine Berufs- und Arbeitsethik in lokal-begrenzten Kontexten hat. Es darf heute keinen Auszubildenden geben, der in seiner Ausbildung nicht über berufsspezifische ethische Fragen nachgedacht und ökologisch-nachhaltige Handlungsoptionen erörtert hat. Ökologische Bildung ist eine Querschnittsaufgabe beruflicher Bildung. Die wissenschaftliche und religionspädagogische Erörterung dieses Problemfeldes innerhalb der beruflichen Bildung liegt auf der Hand, sofern die Mitwelt31 die 30 Loert de Riese-Meyer/Reinhardt Biffar: Kernelemente eines Kompetenzprofils für betriebliches Ausbildungspersonal. Pädagogische Grundlegung und Ausgestaltung im Unternehmen Henkel, Düsseldorf, in: BWP 40 (6/2011), 26–29, hier 27. 31 Der Begriff der »Mitwelt« wird hier an Stelle von »Umwelt« verwandt, da letzterer einen Anthropozentrismus konnotiert, während »Mitwelt« eine andere Beziehungsstruktur des Menschen zur Welt ausdrückt.

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Grundlage eines guten Lebens ist und zugleich Ziel sein muss, um diese gute Lebensgrundlage für sich und seine Nachkommen zu sichern. Am Anfang ihres Berufslebens und am Anfang der Gestaltung des eigenen Lebens liegt es im Interesse der Jugendlichen selbst, Verantwortung für die eigene Umwelt in der Nähe wie auch in der Ferne zu übernehmen. Dies im Religionsunterricht zu reflektieren und die Auszubildenden kognitiv zu aktivieren, um über diese Zusammenhänge von Nachhaltigkeit und eigenem Berufskonzept nachzudenken, ist eine wesentliche Aufgabe des BRU. Denn es gehört seit je her zur christlichen Verantwortung, die Mitwelt als eigene Lebenswelt zu bewahren und zu bebauen. Neben dieser mehr allgemeinen und grundlegend-anthropologischen Perspektive geht es in der beruflichen Bildung um die konkrete berufsspezifische Auseinandersetzung mit der Nachhaltigkeit als Schlüsselthema in Arbeit und Beruf. So wird für viele junge Erwachsene das Thema erst virulent durch ihren Ausbildungsberuf, sofern sie hier anders als zuvor mit der Natur und ihren Ressourcen konfrontiert werden bzw. zu tun bekommen. Dazu gehören z. B. alle holzverarbeitenden Berufe, die nachhaltig mit der Ressource Holz umgehen müssen oder auch alle wasserverbrauchenden Berufe wie z. B. die Papierindustrie. Es handelt sich dabei um jene Berufe, die einen materialen Berufsbezug aufweisen und für die religionspädagogische Lernarrangements unmittelbar einsichtig sind und gewissermaßen auf der Hand liegen. Wo die Bezüge zur Nachhaltigkeit und z. B. zum Ressourcenverbrauch nur mittelbar zu erschließen sind – und damit ein mittelbar assoziativer Berufsbezug vorliegt –, gilt es die Auszubildenden auf diese Zusammenhänge von Ökologie und Beruf hinzuweisen und die Zusammenhänge problemorientiert zu reflektieren.32 Denn in jedem Beruf stellen sich im Kontext globalisierter Handlungs-, Produktions- und Transportabläufe sowie angesichts der weltweiten Kommunikationsmöglichkeiten Fragen, die unmittelbar ökologische Auswirkungen mit sich bringen – z. B. bei Fragen eines hohen Energieeinsatzes bei Transporten von Einzelteilen beim Bau von Fahrzeugen an unterschiedlichen Betriebsstandorten oder die Frage von ökologischen Standards bei Druckerzeugnissen, die heute zumindest europaweit ausgeschrieben werden und bei denen Transportkosten nur finanziell und nicht ethisch ideell kalkuliert werden. Darüber hinaus gibt es in jedem Betrieb, ungeachtet der Größe, die Möglichkeit, Handlungsabläufe ökologisch zu optimieren und so das Thema Nachhaltigkeit in die Betriebsphilosophie bzw. in das Firmenethos einzutragen (z. B. durch eine freiwillige Zertifizierung durch ein »Öko-Audit«).33 So können 32 Zum Berufsbezug siehe ausführlich Obermann, Religion trifft Beruf (s. o. Anm. 1) sowie hier den Beitrag von Roland Biewald, III.1 Didaktische Schlüsselbegriffe, bes. 196–199. 33 Vgl. zum Öko-Audit unter www.umweltdatenbank.de/cms/lexikon/41-lexikon-o/1867-oeko-audit.html.

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Ideen zum vermehrten Einsatz moderner Kommunikationsmittel (z. B. Telefonkonferenzen) dazu dienen, zuvor getätigte Reisen überflüssig zu machen und so auch den Einsatz von Energie bei Transporten und Reisen einzusparen. Gleichermaßen ergeben sich Optionen im Blick auf den persönlichen Lebensstil in Korrespondenz zum Beruf bzw. zur Arbeit, z. B. in der Gestaltung des Weges zur Arbeit unter ökologischen Gesichtspunkten (Fahrgemeinschaften oder Jobtickets). Im Blick auf das Selbstkonzept und die Gestaltung des beruflichen wie auch des privaten Lebens kann der BRU dazu beitragen, dass sich die Auszubildenden der ökologischen Aspekte ihrer Verantwortung bewusst werden und Optionen eines eigenständigen Handelns reflektieren und umsetzen können.

5. Lebenslanges Lernen und Bildungsethos 5.1 D  ie Bedeutung von Bildung zwischen Goldgrube und Zukunftssicherung Für rohstoff- und ressourcenarme Länder wie Deutschland ist Bildung die tragende Grundlage für die Wirtschaftskraft auf dem globalen Markt und entsprechend für den Wohlstand des Landes. Bildung wird gewissermaßen zur Zukunft sichernden Ressource des Landes und seiner Bewohnerinnen und Bewohner und die Bildungspolitik entsprechend zu einem Schlüsselressort der jeweiligen Regierungen. Für Europa ist dieser Befund eindrücklich im Rahmen des »Lissabon-Prozesses« (oder Lissabon-Agenda) formuliert worden, der auf einen Sondergipfel der europäischen Staatschefs aus dem Jahre 2000 in Lissabon zurückgeht. Dort wurde festgehalten, dass Europa bis zum Jahr 2010 zum »wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt« werden sollte.34 Doch dann kam im Jahr 2008 die Wirtschaftskrise und das hohe Ziel konnte nicht eingehalten werden. So formulierte die Europäische Kommission im Jahr 2010 ein Folgeprogramm mit dem Namen »Europa 2020«. Im Zentrum von »Europa 2020« stehen drei Schwerpunkte, die das Programm aus dem Jahr 2000 inhaltlich präzisierte, fortschrieb und in einer »Vision der europäischen sozialen Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts« mündete: – »Intelligentes Wachstum – Entwicklung einer auf Wissen und Innovation gestützten Wirtschaft 34 Vgl. hierzu Europäischer Rat 23. und 24. März 2000. Lissabon Schlussfolgerungen des Vorsitzes, I.5 (http://www.europarl.europa.eu/summits/lis1_de.htm).

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– Nachhaltiges Wachstum – Förderung einer ressourcenschonenden, umweltfreundlicheren und wettbewerbsfähigeren Wirtschaft – Integratives Wachstum – Förderung einer Wirtschaft mit hoher Beschäftigung und wirtschaftlichem, sozialem und territorialem Zusammenhalt.«35

Diese zutiefst auf die Ökonomie als Kriterium ausgerichtete Bildungspolitik impliziert ein entsprechendes Bildungsverständnis, das besonders in der beruflichen Bildung den Schulalltag prägt36 und damit auch ein Thema für die Auszubildenden sein sollte. Denn die ökonomische Sichtweise und Bestimmung von Bildung birgt die Gefahr in sich, dass auch der einzelne Auszubildende allein als »homo oeconomicus« in den Blick von Bildungsbemühungen kommt und so der Mensch als ganzer und in seinen die Ökonomie übersteigenden Dimensionen kaum mehr relevant ist. Dieser Engführung eines einseitigen, weil allein ökonomischen, Zugangs zu Bildung didaktisch entgegenzuwirken – von der geisteswissenschaftlichen Pädagogik herkommend –, ist eine vornehmliche Aufgabe des BRU. Dessen ungeachtet ist die Bedeutung von Bildung für jeden Beruf und die Wirtschaft unbestritten und wird in Zukunft wahrscheinlich noch wichtiger werden. Bildungsprozesse sind heute schon lange nicht mehr mit dem Abschluss einer Berufsausbildung abgeschlossen, unabhängig ob der Abschluss universitärer oder betrieblicher Art ist. Es gibt heute kaum noch Berufe – und in Zukunft wird es noch weniger geben –, für die eine einmalige Ausbildung (oder ein Studium) für ein 30–40 Jahre dauerndes Arbeitsleben ausreicht. Vom einfachen Angestellten bis hin zur Vorstandsetage sind Fort- und Weiterbildungen zur Normalität geworden und werden entsprechend gefordert und gefördert (für die berufliche Bildung vornehmlich durch das europäische Programm »Leonardo da Vinci«). Deutlich ist dabei auch geworden, dass Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen nicht nur fachlicher Art sind, sondern zunehmend auch immer mehr persönlichkeitsbezogene Maßnahmen (Stichwort Coaching, Selbstpräsentation etc.) dazu gezählt werden. Hier zeigt sich zugleich der umfassende Anspruch, den die Berufsausbildung und damit auch der Beruf bzw. das berufliche Leben an die Auszubildenden stellt und auf den die berufliche Bildung die Auszubildenden vorbereiten will und muss. Die Größe dieser Herausforderung und deren Bewältigung bedarf auch des persönlichen Einsatzes und des Willens der Auszubildenden, um selbstverantwortlich – später auch als Berufstätige – immer 35 Aus: Europäische Kommission (Brüssel, den 3.3.2010) – KOM (2010) 2020 endgültig: Mitteilung der Kommission. Europa 2020: Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. 36 Vgl. zur Ökonomie von Bildung schon die Darstellung von Joachim Krautz: Ware Bildung. Schule und Universität unter dem Diktat der Ökonomie, München 2007.

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wieder neu Lernen als Elixier für ihr Leben wie für ihren Beruf zu verstehen und zu realisieren. Für Auszubildende wird dieser lebenslange Prozess eine Herausforderung sein und bleiben, die sich in deren Bewusstsein als große Chance verankern muss. In Zukunft wird die Güte eines Arbeitsplatzes auch daran zu messen sein, ob den Arbeitnehmern grundsätzlich Fort- und Weiterbildungen angeboten werden und inwieweit diese auch für ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten oder denen mit vermeintlichen weniger verantwortlichen Tätigkeiten im Betrieb. Denn unabhängig des Alters gilt für jeden Arbeitnehmenden, dass er die Anpassung an sich immer schneller wandelnde Arbeitsprozesse oder Lebensumstände aufgrund neuerer Entwicklungen nur bewältigen kann, wenn er diese wahrnimmt, als Herausforderung erkennt und angemessen (professionell) reagiert, wofür er Wissen und Kompetenzen erlangen muss. Lebenslanges Lernen hat für den Einzelnen auch eine große Bedeutung im Blick auf seine private Altersvorsorge. Bildung und lebenslanges Lernen haben hier auch einen monetären Aspekt, sofern Weiterbildung oft eine Beförderung mit erhöhtem Gehalt nach sich zieht, was die private Altersvorsorge erleichtert. Lebenslanges Lernen bereitet zudem auf das Alter vor, als dass Bildung die Kompetenz für eine selbstbestimmte und gesunde Lebensweise fördert, die für eine höhere Lebensqualität im Alter sorgen kann. Die Investition in Bildung ist somit eine effektive Form der Altersvorsorge. Die Forderung nach einem »Lebenslangen Lernen« reagiert auf immer neue und schnellere Veränderungen in der Berufs- und Arbeitswelt. Dabei darf nicht übersehen werden, dass das Lernen selbst auch diesen Entwicklungen unterliegt, sofern neue technologische Voraussetzungen des Lernens, wie z. B. E-Learning, Blended-Learning, onlinegestützte Lernplattformen oder frei zugängliche Lernmaterialien (OER), das Lernen selber verändern: Lernen wird zu einem Konsumgut, das allen frei zugänglich ist bzw. werden soll. So ist es häufig nicht mehr eine Frage des Geldes, ob jemand lernt oder nicht, sondern vor allem seiner Bereitschaft. Auf der anderen Seite machen die Notwendigkeit lebensbegleitender Lernprozesse und die entsprechenden nichtstaatlichen Angebote die Bildung immer mehr zu einem Wirtschaftsgut, mit dem – angefangen bei der Schülernachhilfe bis hin zu Managerkursen – sehr viel Geld verdient wird. Bildung wird selbst zu einem Wirtschaftsfaktor,37 der wiederum die Gefahr mit sich bringt, Bildung allein unter ökonomischen Gesichtspunkten anzubieten und zu gestalten. Dem BRU kommt an dieser Stelle die Aufgabe zu, Bildung im Spannungsverhältnis von notwendiger Zukunftssicherung und verführerischem Wirtschaftsgut zu thematisieren, religionspädagogisch zu analysieren und zu beurteilen, damit die 37 Vgl. hierzu wieder Krautz, Ware 2007 (s. o. Anm. 36).

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Auszubildenden für sich ein Bildungsethos entwickeln können, das ihnen die Kompetenz der selbstverantworteten Wahrnehmung von Bildungsprozessen für ihr Leben ermöglicht. 5.2 Mündigkeit zwischen Wahrheitsfrage und Wissensbetrieb – ein pädagogischer Rahmen »Wirtschaft 4.0 braucht Bildung 4.0« – so lautet eine Pressemitteilung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) aus Bonn mit folgender Forderung: »Wir müssen uns genauso intensiv dem Lehren und Lernen mit digitalen Medien sowie den sich verändernden technischen und medienpädagogischen Kompetenzen des Ausbildungspersonals und der Auszubildenden widmen.«38 Bildung soll auf den Beruf vorbereiten. Das Problem der Verzweckung von Bildung im Zusammenhang einer Spezialbildung war schon zu Wilhelm von Humboldts Zeiten aktuell. So suchte dieser schon 1809 eine Verzweckung von Bildung zu verhindern: »Es giebt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf. Jeder ist offenbar nur dann ein guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besondern Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist. Giebt ihm der Schulunterricht, was hierzu erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufes nachher sehr leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschiehet, von einem zum anderen überzugehen.«39

Humboldts Worte haben heute nichts an ihrer Relevanz verloren. Von den Imageproblemen vieler Ausbildungsberufe, den notwendigen Arbeiten am Selbstkonzept bis hin zu den Anforderungen des Kriterienkatalogs zur Ausbildungsreife sind es immer wieder die personalen Kompetenzen, die in der Ausbildung gefragt sind. In einem BRU der Zukunft gilt es deshalb die heute gebotene Kompetenzorientierung als konsequente Subjektorientierung zu verstehen, und zwar im angesprochenen Kontext als Stärkung einer mündigen Persönlichkeit der Auszubildenden. Der BRU als Schule der Persönlichkeit trägt nicht nur zur Erlangung einer umfassenden beruflichen Handlungsfähigkeit bei, sondern stärkt auch 38 Esser, Wirtschaft (s. o. Anm. 26). 39 Wilhelm von Humboldt: Bericht der Sektion des Kultus und Unterrichts an den König (1. Dezember 1809), in: Wilhelm von Humboldt: Werke in fünf Bänden, Bd. 4: Schriften zur Politik und zum Bildungswesen, hrsg. von Andreas Flitner/Klaus Giel, Darmstadt (1964) 32002 (Studienausgabe), 210–238, hier 218.

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die Auszubildenden in ihrer Persönlichkeit, wozu konstitutiv auch des Menschen Mündigkeit gehört: Mündigkeit als Aufklärung über alles, was die Selbstbestimmung des Menschen in Arbeit, Beruf und Gesellschaft zu schwächen oder zu verhindern droht. Bildung hat damit zutiefst auch mit Selbstbestimmung zu tun, was besonders für die religiöse Bildung gilt. Von daher gilt es die Entwicklung digitaler Technologien zu beobachten, wahrzunehmen, kritisch zu beurteilen und im BRU Ideen zu entwickeln, wie digitale Techniken menschenfreundlich gestaltet werden können. Es geht nicht darum, die Entwicklung aufzuhalten. Wer ehrlich zu sich selbst ist, könnte das auch kaum angesichts des je eigenen Technikkonsums. Die Entwicklung aufhalten zu wollen, wäre damit nicht nur unehrlich, sondern auch zwecklos. Aber es geht darum, wie eine selbstbestimmte Zivilgesellschaft das digitale Zeitalter – eben auch im BRU – mit­ gestalten kann. Theologisch gibt es hier viele Fragen, mit denen Christinnen und Christen diese Gestaltungsaufgabe unterstützen können – und hier setzen dann auch die religionspädagogischen Fragen im BRU an: Gibt es in einer digitalen Welt Raum für Fehler und Schuld – am Arbeitsplatz wie in der vernetzten Wohnung? Gibt es Grenzen der Arbeitszeit und Räume der Privatsphäre? Was passiert, wenn die Maschine besser ist als ich? Werde ich vom Roboter verdrängt? Wie kann die Technik dem Menschen dienen? Wie entgehen wir der Gefahr, in cyber-physikalischen Systemen unsere Selbstbestimmung, unseren Bezug zum Mitmenschen und zu Gott zu verlieren? Wäre es theologisch von Römer 12,2 her nicht geboten, anders mit der Digitalisierung und deren totalitärem Zugriff umzugehen als es uns die (Bildungs-)Industrie vormacht? Welcher Ort eignet sich für solche Metareflexion mehr als der BRU, in dem es um die Wechselwirkung von Beruf, Leben und Religion geht? M. E. ist hier die religiöse Bildung mehr denn je gefragt – mit dem Ziel der Mündigkeit, aus der dann der Widerspruch erwächst gegen alle Versuche von totalitärer Bestimmung über eine Person: sei es durch andere Menschen, durch Strukturen und Ideologien, durch Religionen oder auch durch innerbetriebliche oder gar globale Wirtschaftsstrukturen. Diese Metareflexionen können für Auszubildende ein Impuls sein, sich mit diesen Fragen selbstkritisch auseinanderzusetzen und so ein berufsorientiertes und zugleich ein gegenüber Totalitäten kritisches Bildungsethos zu entwickeln, aus dem heraus sie Kompetenzen für eine konstruktiv-kritische Mitarbeit in ihrem Betrieb entwickeln können.

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6. Themen des allgemeinbildenden RU im BRU – Akzente und Impulse Grundsätzlich können im BRU alle Themen und Fragen kommuniziert werden, die auch im »normalen« RU an Regelschulen behandelt werden. Die Auszubildenden kennen zum einen meist alle den RU mit seinem Themenportfolio und sind zum anderen im Blick auf ihre Fragen erst einmal keine anderen Menschen als zuvor in der allgemeinbildenden Schule. Genau dies ist jedoch zu bedenken: Die Auszubildenden bzw. die Lernenden in beruflichen Schulen kommen 1. mit ihren Unterrichtserfahrungen aus dem früheren Religionsunterricht in den BRU und werden diese immer als erstes in den BRU hineintragen, damit ihre früheren Themen auch im BRU erwarten und sich diese oder ähnliche gegebenenfalls wünschen, wenn sie dazu befragt werden. Dieses wahrscheinlich oft vorkommende Szenario birgt 2. die Gefahr von einer mehrfachen Beschäftigung mit gleichen bzw. verwandten Themen aufgrund von Wiederholungen, was oftmals Langeweile und Desinteresse am BRU mit sich bringt. Viele Auszubildende sind auch überrascht, überhaupt noch Religionsunterricht in der beruflichen Schule zu bekommen, denn sie haben gefühlt mit dem Religionsunterricht und oft auch mit der Religion insgesamt abgeschlossen. Jedenfalls erwarten viele Auszubildende vom BRU keine Impulse mehr für ihr Leben und ihre Arbeit bzw. ihren Beruf. Kapriziert sich der BRU damit zu sehr auf allgemeine religiöse Themen ohne einen dezidierten Berufsbezug aufzuzeigen, verliert er eines seiner wesentlichen und konstitutiven Charaktermerkmale, nämlich den Berufsbezug. Bei Berücksichtigung und unter Einbeziehung eines Berufsbezugs, sei er materialer oder kategorialer Natur, kann der BRU jedoch an Themen des vorherigen »normalen« RU anknüpfen. Dabei ist es dann die Aufgabe der BRU-Lehrkräfte, die schon bekannten Themen und Fragen im Licht der Beruflichkeit zu reflektieren und im Unterricht operationalisiert zu präsentieren. So werden auch die »alten« Themen in einem neuen Licht erscheinen bzw. eine neue Aussage bekommen, sofern sie für die Auszubildenden durch die Berufsbezüge nunmehr eine neue Aktualität erhalten und damit eine Wirklichkeit ansprechen, die den Auszubildenden zuvor unbekannt und lebensfern war (dies ist z. B. gegeben bei der Wirtschaftsethik durch berufsbezogene Innenperspektiven der Auszubildenden, im holzverarbeitenden Gewerbe durch Aspekte der Ökologie und Nachhaltigkeit oder in Berufen des Baugewerbes durch theologische Deutungen architektonischer Baustile40). Besonders kann hier für 40 Siehe beispielsweise Johan La Gro: Kirchen haben Stil. Eine Unterrichtsreihe für Auszubildende in Bauberufen, in: BRU-Magazin 55 (2011), 12–15 sowie ausführlicher zum materialen und kategorialen Berufsbezug im Handbuch unter Roland Biewald, III.1 Didaktische Schlüsselbegriffe.

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BRU-Lehrkräfte die Brille der kategorialen Berufsbezüge eine Sehhilfe sein, um die berufsorientierte Relevanz von religiösen Themen zu erkennen, religionspädagogisch zu reflektieren und dann im Unterricht didaktisch und methodisch zu operationalisieren. Das Berücksichtigen des Berufsbezugs ist in dieser hier dargelegten Linie eine Querschnittsaufgabe einer berufsbezogenen Religionspädagogik. Im BRU können unter der geschilderten Perspektive damit letztlich alle Fragen des Religionsunterrichts vorkommen. Je nach Lerngruppe kann das sogar deshalb sinnvoll sein, weil es – entgegen der oben dargestellten gegenwärtigen Situation – in Zukunft immer häufiger vorkommen kann, dass Lernende ohne religiöse Sozialisation den BRU besuchen, weil sie einfach Informationen über den christlichen Glauben suchen (so oftmals in den neuen Bundesländern schon heute). Die Berufsorientierung ist also durchaus nicht zwingend und die alleinige Perspektive für den BRU, aber doch eine das Profil des BRU konstitutiv prägende und ihn zudem attraktiv machende Dimension. Angefangen von den klassischen dogmatischen Topoi der christlichen Lehre, über die konfessionellen Gemeinsamkeiten bzw. die Unterschiede der beiden großen Kirchen bis hin zu gesellschaftlichen Themen sollen also Auszubildende bzw. Schülerinnen und Schüler die christlichen Glaubensinhalte unter berufsspezifischen Perspektiven kennenlernen können, d. h. in hermeneutisch-kritischer Fokussierung wahrnehmen, reflektieren und persönlich-existenziell bewerten lernen.41 Neben diesen mehr allgemeinen Bestimmungen gibt es an beruflichen Schulen im BRU weitere allgemeine Themen, deren didaktische Aufarbeitung und religionspädagogische Operationalisierung sich durch das Alter der Auszubildenden und den Kontext des Berufs anders darstellen als das im normalen Religionsunterricht geschehen würde: Beispielsweise sehen sich viele Auszubildende im Beruf größeren Gefahren ausgesetzt als vorher als Schüler oder Schülerinnen. Es handelt sich dabei neben spezifischen Berufsrisiken durch z. B. die Arbeit mit großen Maschinen (z. B. in der Schwerindustrie, der Landwirtschaft oder in Schreinereien) oder die Arbeit an gefährdenden Arbeitsplätzen (z. B. in der chemischen Industrie, im Gerüstbau oder im Dachdeckergewerbe) auch um die reale Erfahrung von Krankheit, Invalidität, Arbeitsunfähigkeit bei Kollegen und Kolleginnen oder gar des Verlustes eines Kollegen oder einer Kollegin durch den Tod. Neben der Verantwortung für eine Risikominimierung bzw. die Reduzierung von Gefahren, einer verantwortlichen und die Gefahren aufnehmenden Arbeitseinstellung, der Wahrnehmung und der Integration des 41 Ein Beispiel der Darlegung klassischer theologischer Topoi unter besonderer Berücksichtigung der Beruflichkeit ist das neue Schulbuch »reli plus Berufliche Schulen« (www.klett.de/produkt/ isbn/978–3-12–007104–4), das erstmals versucht, den christlichen Glauben konsequent berufs� orientiert didaktisch darzulegen.

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jeweiligen Berufsrisikos in das Selbstkonzept geht es damit inhaltlich im BRU um berufs- und altersbedingte Umgangsweisen mit Krankheit und Tod. Hier kann der BRU ein Ort sein, die Brüchigkeit des Lebens erfahrungsbezogen und berufsorientiert überhaupt erst einmal zu thematisieren und darüber hinaus Wege der Bewältigung aufzuzeigen, z. B. durch Lerneinheiten zum Umgang mit Trauer und mit Trauernden.42 Auch gesellschaftliche Fragen wie eine Gendergerechtigkeit werden sich für Auszubildende als junge Erwachsene im Milieu des Arbeitsplatzes noch einmal anders stellen als das vorher in der Regelschule der Fall gewesen ist, weshalb das Thema der Kollegialität als Spezialfall sozialen Verhaltens und praktizierter Nächstenliebe eine spezifische Herausforderung wie auch Aufgabe für den BRU zugleich ist (z. B. hinsichtlich gewaltfreier Sprache am Arbeitsplatz und auch gewaltfreier Umgangsformen insgesamt). Gelingt dem BRU dieser Spagat der Kommunikation theologischer Topoi und Themen zwischen situationsbedingter grundlegender Information und berufsbezogener Kontextualisierung (Fokussierung), trägt der BRU dezidiert zur Erlangung einer umfassenden beruflichen Handlungsfähigkeit bei und findet seinen anerkannten Platz im Reigen des berufsbezogenen Fachunterrichts und innerhalb der Berufspädagogik.

7. Rückschau: Themenschwerpunkte des BRU im Spiegel von Zeitschriften zum Berufsschulreligionsunterricht 7.1 Eine evangelische Rückschau Derzeit ist auf evangelischer Seite das »BRU-Magazin für den Religionsunterricht an beruflichen Schulen« (www.bru-magazin.de) die aktuelle Zeitschrift für BRU-Lehrkräfte und alle am BRU mitwirkenden Personenkreise und Institutionen. Das BRU-Magazin gibt es seit 1984, zuvor gab es vier Vorgängermagazine: Ȥ 1956–1973: Der Evangelische Religionslehrer an der Berufsschule Ȥ 1974–1977: Der Evangelische Religionslehrer an beruflichen Schulen Ȥ 1978–1981: Der Religionslehrer an beruflichen und allgemeinbildenden Schulen. Zeitschrift für Evangelischen Religionsunterricht in den Sekundarstufen, für Kurssystem und außerschulische Jugendarbeit

42 Vgl. hierzu Monika Marose/Natalia Verzhbovska/Ekram El Baghdadi/Kirsten Fay/Nicole Nolden: Jenseitsvorstellungen in Judentum, Christentum und Islam. Unterrichtsbausteine für berufsbildende Schulen, Göttingen 2016.

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Ȥ 1982–1983: Der Religionslehrer. Zeitschrift für Evangelischen Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen. Mit »Der Evangelische Religionslehrer an der Berufsschule« startete das Projekt einer eigenen Zeitschrift für den Berufsschulreligionsunterricht, wie zu erwarten für die Mitte der 50er Jahre ausgesprochen theologisch orientiert.43 Zu Anfang gibt es keine Themenhefte. Von sechs Artikeln des ersten Heftes behandelt nur ein Titel kein theologisches – wie z. B. Glauben und gläubig sein (1956/1) – Thema, nämlich: Die politische Verantwortung des evangelischen Christen als Möglichkeit und Aufgabe des Berufsschulreligionsunterrichts (1956/1). Die ersten Ausgaben und Jahre behielten thematisch im Blick auf die Inhalte eine deutliche Nähe zu Theologie und Kirche, z. B. durch Beiträge zur Familie (1956/2.3), zur Erziehung (1956/3), zur Jugend in der Kirchengemeinde (1956/4) oder zur Seelsorge (1956/6). Ende der 50er Jahre kommen dann erste schulspezifische Themen auf, wie z. B. Palästina im Religionsunterricht (1957/6), der Film im Religionsunterricht (1958/2) oder erstmals ein Berufsbezug im Titel: Zur Problematik des Berufs (1958/3). In den nächsten Jahren gibt es einen bunten Strauß von Themen, die alle auch im normalen RU ihren Ort hätten finden können (wie z. B. Sterilisation und Euthanasie (1961/1), Biblische Gruppenarbeiten (1961/4) oder die Frage nach dem Sinn des Lebens (1964/2)) und sich dadurch auszeichnen, dass sie die Schülerinnen und Schüler in ihrem kirchlichen Kontext wahrnehmen und ausdrücklich auch theologische Kernthemen aufnehmen (z. B. Zum Stand der neutestamentlichen Forschung (1962/2), Gott ist mitten in unserem Leben jenseitig (1962/1), Die Sprache des Glaubens (1966/1), das Thema Jesus Christus als unterrichtliche Aufgabe (1966/1) oder gar der Abdruck von Predigten (1967/5)). Zugleich fällt auf, dass der BRU in z. B. bildungspolitischer Perspektive selbst immer wieder Thema ist, z. B. durch die Darlegung von landeskirchlichen Erklärungen zum Religionsunterricht (1965/2). Die Distanz zur Kirche war damals noch Nähe zum Glauben. Deutlich wird dies z. B. auch durch eigene Gemeindehäuser für den BRU, wie das Haus der Jungen Gemeinde. Offene Tür für berufstätige Jugend in den 50er bis 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in Wuppertal.44 In der Wirkung der 68er Jahre werden mit geringer Verzögerung auch die Themen zum BRU weltoffener und kritischer, zu markieren z. B. durch Kirche und Jugend (1969/5), Wege zur Mündigkeit (1969/6), Öffentlich Wirken (1970/1) oder Glaube und Politik (1970/3). Gleichzeitig wird im Nachgang 43 Herausgegeben wurde das Heft vom Schriftenmissionsverlag Gladbeck, später wurden als Herausgeber namentlich Heinz Hunger und Otto Kraft genannt. 44 Vgl. dazu die Erinnerungen von Karl-Theo Siebel in »Jede Woche ein Kirchentag!« Der Pionier des BRU wurde 90 Jahre alt und erinnert sich …, in: BRU-Magazin 64 (2015), 48 ff.

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der 68er Jahre deutlich, dass nun auch die Existenz des Religionsunterrichts zu rechtfertigen ist (z. B. Religionsunterricht – nach wie vor gefragt! (1971/3)) und die Problemorientierung im BRU seit 1971 Einzug erhält, auch schon vor der Ölkrise mit Themen zu Umweltschutz und Ökologie (siehe Beiträge in Heft 1972/4). Berufsbezüge wurden als Gesamtperspektive der Artikel in den einzelnen Beiträgen je aufgenommen und ausgewiesen. Ohne große Umbrüche folgt 1974 das Nachfolgeheft, bis auf die Bezeichnung »berufliche Schulen« eine stringente Kontinuität zum ersten Heft,45 was sich auch thematisch widerspiegelt: Deutlich reflektiert werden hier nun neue Lehrpläne und die aufgekommene Lernzielorientierung, sofern die Notengebung (z. B. 1974/3 und 5) oder die Lernzielkontrolle (1974/6) kritisch erörtert werden. Von 1978–1981 wurde der Fokus des Heftes dann bei gleichen Herausgebern mit einer neuen Umbenennung auf allgemeinbildende Schulen erweitert: Der Religionslehrer an beruflichen und allgemeinbildenden Schulen. Zeitschrift für Evangelischen Religionsunterricht in den Sekundarstufen, für Kurssystem und außerschulische Jugendarbeit. Folge dieser weiteren Neufokussierung sind entsprechend Themen, die nach außen nur wenig berufsspezifisch sind (wie z. B. »Ich selbst«. Das Problem der Selbstartikulation von Schülern im Religionsunterricht, Religionsunterricht als Lebenshilfe (je 1978/2), Jugend 77 (1978/4), Friedenserziehung im Religionsunterricht (1979/5)) und auch vereinzelt deutlich kirchlich (Wir taufen. Eine kleine Tauflehre (1980/1)). Deutlich ist zudem, dass Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts weniger binnenkirchliche Themen vorkommen und die Jugendlichen als Personen im Jugendalter statt als Kirchgänger oder Gemeindeglieder wahrgenommen werden. Dabei dürfte auch hier der Bezug auf den Beruf als Querschnittsaufgabe bei allen Themen als Leitfrage im Hintergrund stehen. Bruchlos geht es in dieser Hinsicht mit der Nachfolgezeitschrift Der Religionslehrer. Zeitschrift für Evangelischen Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen unter den neuen Herausgebern Günther Göbler und Karl-Theo Siebel weiter: Theologische (z. B. Viel Ermutigung ging vom Abendmahl aus (1983/1)), kirchliche (z. B. Kein Maulkorb für die Kirche (1982/1)), allgemeinpädagogische (z. B. Grundfragen der Museumspädagogik (1983/1)) und vereinzelt dezidiert berufsbezogene Themen (z. B. Diskussion über Ausbildung (1982/5)) bestimmen die Hefte weiter, die Berufsorientierung wird als Querschnittsaufgabe wahrgenommen. 1984 startete dann die wieder auch im Titel eindeutig als zum Berufsschulreligionsunterricht gehörende Zeitschrift BRU – Magazin für den Berufsschul45 Als Herausgeber werden jetzt Reinhold Hedtge und Otto Krafft aufgeführt.

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religionsunterricht, jetzt herausgegeben von der Gesellschaft für Religionspädagogik Villigst e. V.46 und den Herausgebern Dieter Boge und Karl-Theo Siebel. Mit einem modernen Layout lag nun der Schwerpunkt nicht mehr in der Dokumentation bildungspolitischer Entwicklungen oder thematischer Abhandlungen, sondern in der unterrichtspraktischen Nutzung für die Leserinnen und Leser durch kopierfähige Arbeitsblätter und andere Materialien im DIN-A4-Format, die in themenbezogenen Heften (z. B. Auto (1995/22), Mythos Europa (1991/14), Kompetenzorientierung (2007/46)) religionspädagogisch, theologisch oder entwicklungspsychologisch eingeleitet und kommentiert wurden. Nach 46 Ausgaben war 2008 wieder ein Facelifting des Layouts nötig und neue inhaltliche Ausrichtung insofern, als dass nun dezidiert Themenhefte in berufsorientierter und dabei zugleich schulformspezifischer Fokussierung entstanden, sofern die Wandlungen im Arbeitsmarkt im Rahmen der Globalisierung wie auch Digitalisierung neue Schwerpunktsetzungen nötig machten (z. B. Unterrichten im Übergangssystem. Abgefahren? (2011/54), Religion und Handwerk (2011/55) oder Beruf und Identität (2015/63)). Erweitert wurde das Magazin durch ein digitales Abonnement des Magazins seit 2015 (zudem sind alle Hefte als PDF zu bestellen) sowie ein online BRU-Portal (www.bru-portal.de), das generelle und nach Bundesländern sortierte Information zum BRU präsentiert. 7.2 Eine katholische Rückschau (von Theo Sprenger) Das heutige Fachmagazin Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, kurz rabs, wurde 1969 als Beiheft zu den Katechetischen Blättern herausgegeben. Der 1966 gegründete Verband Katholischer Religionslehrer an Berufsbildenden Schulen (VKR) hatte den Deutschen Katecheten-Verein als Herausgeber und den Kösel-Verlag davon überzeugen können, eine Zeitschrift für die spezifischen Themen des berufsbildenden Religionsunterrichts anzubieten. Die Katechetischen Blätter waren die maßgebliche religionspädagogische Zeitschrift in den 60er Jahren. Es gab zu dieser Zeit noch viele Berufsschulpfarrer, aber die Zahl der Berufsschullehrer mit Katholischer Religionslehre nahm zu, die sich nicht als Katecheten – analog zur Gemeindekatechese – verstanden. Das Ringen um das Selbstverständnis und die Legitimation des Religionsunterrichts spiegelt sich in vielen Beiträgen der ersten Jahre von rabs. Schon in Heft 2/1969 berichtet Manfred Drescher von der Zusammenarbeit des VKR mit evangelischen Religionslehrerverbänden mit dem Ziel, eine Reform der Rahmenlehrpläne beider Konfes46 Nähere Informationen zur »Gesellschaft für Religionspädagogik Villigst e. V.« siehe www.bru-magazin.de/Gesellschaft/Gesellschaft.php.

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sionen abzustimmen. Der Religionsunterricht sollte fest im berufsbildenden System verankert werden, indem er mit der damaligen Berufspädagogik verknüpft wurde. Davon hing nicht zuletzt auch der Status der Religionslehrer in der Berufsschule ab. Von Anfang an gehörte zum Konzept von rabs, dass Unterrichtsmaterial abgedruckt und mit didaktischen Kommentaren versehen wurde. Auch hier wirken die ersten Themen modern: »Die reiche Kirche« informierte über den Etat der Erzdiözese Freiburg, über Kirchensteuer und Staatsverträge. Dia-Reihen zur christlichen Deutung von Tod und Sterben, Schallplatten, Tonfilme und Kurzgeschichten zu Lebensfragen, Wertevermittlung und Gesellschaftskritik spielten dabei eine zunehmende Rolle. Im Heft 2/1970 gab es unter dem Titel »Haare« eine Unterrichtsreihe über das Musical Hair(!). Neben dem Bezug zur Lebenswelt von Jugendlichen bis hin zum Thema Drogenkonsum gibt es oft binnenkirchliche Perspektiven auf den Glauben, das Beten und die Jugend. Die wissenschaftliche Seite des Religionsunterrichts betrifft in den 70er Jahren zunächst die Inhalte des neuen Rahmenlehrplans, dann die Unterrichtsmethoden und religionspädagogische Modelle sowie die Verbesserung der Lehrerausbildung beispielsweise durch einen Lehrplan für Referendare (1/1979). Ab 1977 bekam rabs ein DIN-A4-Format und einen neuen Schriftleiter: Otmar Schnurr löste Wolfgang Schulz ab. Die »Beilage« wurde zeitgleich zur Mitgliederzeitschrift des VKR erklärt. Die Rubrik Verbandsnachrichten zeichnet seitdem das Engagement des VKR nach, der unter anderem an der Gründung des Katholischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik der Uni Tübingen (KIBOR) beteiligt war. Berichte über die Berufsschulsymposien zeigen das ökumenische Bemühen um einen zeitgemäßen Religionsunterricht mit wissenschaftlichem Fundament. In den 80er Jahren spiegelt sich die Auseinandersetzung um Friedenspolitik (2/1982), Esoterik des New Age (4/1987, 2/1988) und um den angemessenen Umgang mit AIDS-Betroffenen in den Beiträgen wider (1/1988), wobei die traditionelle Lehrplanarbeit den größeren Anteil der Texte ausmachte. In den 90er Jahren erhielt rabs ein neues, aber immer noch schwarz-weißes Layout mit höherem Bildanteil. Aktuelle gesellschaftliche Fragen werden sporadisch in Unterrichtsvorhaben vorgestellt, der Religionsunterricht als Teil der beruflichen Bildung hervorgehoben. Zunehmend werden auch Aspekte aus den Sozialwissenschaften und der Psychologie aufgenommen, wenn es um Identität und religiöse sowie ethische Urteilsfähigkeit geht (z. B. 2/2000). Popsongs und Filme nehmen breiteren Raum ein. In 2003 gab der Kösel-Verlag rabs an den VKR ab, der seinem Fachmagazin eine neue Gestalt und Ausrichtung gab: ein durchgehend vierfarbiges und lese-

Berufsschulspezifische Themen

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freundliches Magazin, das man durchblättern oder gezielt nach Unterrichtsmaterial durchsuchen kann. Auch wissenschaftliche Fachartikel, meist vom KIBOR, werden ohne Fußnoten abgedruckt, sind aber im Original unter +rabs im Internet abrufbar. Es gibt Reiseberichte, Lesetipps und Unterrichtsprojekte, Interviews und Verbandsnachrichten mit Fortbildungsangeboten. Mit regelmäßig vier Seiten erprobter Kopiervorlagen hat sich seit 2003 eine ansehnliche Menge von Arbeitshilfen angesammelt. Eine weitere Auffrischung erhielt rabs im Januar 2017 mit neuem Farbspektrum, Layout und nachhaltigem FSC-Papier. Und nach 2010 kam 2017 eine zweite ökumenische Ausgabe von BRU-Magazin und rabs heraus, um das Reformationsgedenken zu würdigen (»Zugänge eröffnen. Ökumenisch Kirche sein«, BRU-­ Magazin 67/2017 / rabs 2/2017: http://www.bru-magazin.de/bru/Heft67_2017. php, Zugriff am 12.3.2018).

Weiterführende Literatur Joachim Krautz: Ware Bildung. Schule und Universität unter dem Diktat der Ökonomie, München 2007 Michael Meyer-Blanck: Unterscheiden, was zusammengehört. Zum Verhältnis von Wahrheitsfrage und Wirklichkeitsdeutung im Kontext religiöser Bildung, in: ZPT 68 (1) 2016, 7–18 Andreas Obermann: Im Beruf Leben finden. Allgemeine Bildung in der Berufsbildung – didaktische Leitlinien für einen integrativen Bildungsbegriff im Berufsschulreligionsunterricht (ARP 55), Göttingen 2013 Gerhard Wegner: Sein Selbst verwirklichen. Was kann Berufung heute bedeuten? In: Peter Mörbel/ Otto Strecker (Hg.): Beruf und Berufung. Der Stellenwert von Luthers Berufsethos in der globalisierten Welt (Begegnungen 20), Bonn 2009, 71–104 Tatjana Schnell: »Für meine Freunde könnte ich sterben.« Implizite Religiosität und die Sehnsucht nach Transzendenz, in: Jugend, Religion, Religiosität. Resultate, Probleme und Perspektiven der aktuellen Religiositätsforschung, hrsg. von Ulrich Kropač/Uto Meier/Klaus König, Regensburg 2012, 87–106

III.3 Didaktisch-methodische Herausforderungen in der Praxis

Matthias Gronover/Georg Wagensommer

1. Leistung und Benotung Der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen ist Teil des allgemeinbildenden Fächerkanons. Die Leistung in diesem Unterricht wird benotet und die Teilnahme im Zeugnis vermerkt. Als ordentliches Lehrfach ist der Religionsunterricht, wie alle anderen Unterrichtsfächer auch, dazu verpflichtet, die Kriterien seiner Leistungsbeurteilung transparent zu machen. Die Kriterien sind den Schülerinnen und Schülern und Auszubildenden am Beginn des Schuljahres offenzulegen. Zugleich ist das Verständnis des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen davon geprägt, in einem offenen und geschützten Raum über die eigene Religion zu sprechen, mitunter auch religiös zu sprechen. Sehr oft geht es in ihm um Persönlichkeitsbildung und damit um eine Dimension religiöser Bildung, die sich einer Leistungsbeurteilung verwehrt. Neben der grundsätzlichen Abwägung, inwiefern eine nach festgelegten Kriterien streng durchgeführte Notenfindung in diesem Rahmen Sinn macht, stellt sich immer auch die Frage nach der Funktion von Noten im Ausbildungsgang insgesamt und damit auch der diesbezüglichen Rolle des Religionsunterrichts. Ziel dieses Beitrags ist es, einige Kriterien der Leistungsbeurteilung aufzuzeigen und damit eine Hilfe zu bieten, mit Blick auf die jeweilige Lerngruppe Noten zu bilden. 1.1 Formen der Leistungsbeurteilung Die Formen der Leistungsbeurteilung folgen in der Regel schulischen Gewohnheiten: Neben der Bildung von mündlichen Noten über das Schuljahr verteilt sind Klassenarbeiten üblich. Für kompetenzorientierte Unterrichtsprozesse bieten sich außerdem Notationsbögen an, die es vom Lernenden individuell erfordern, den Lernprozess zu protokollieren und die in verschiedenen Kategorien Selbst-

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einschätzungen ermöglichen. Diese Einschätzungen können dann von der Lehrkraft jeweils im persönlichen Gespräch gewürdigt werden und in die Leistungsbeurteilung einfließen. Solche Notationsbögen sind auch eine gute Möglichkeit, aus der Perspektive der Lernenden Gruppenarbeiten einer individuellen Beurteilung zugänglich zu machen. Eine weitere Form der Leistungsbeurteilung ist der Test, der als angekündigter oder nicht angekündigter Test einen Teilbereich eines Themas prüft. Dabei muss dieser nicht dem üblichen Frage-Antwort-Schema folgen, sondern kann durchaus auch in der Aufforderung bestehen, beispielsweise ein Rollenspiel zur Perspektivenübernahme im interreligiösen Lernen durchzuführen. Auch für so einen Test bieten sich Notationsbögen zur Selbsteinschätzung an, die als Grundlage für eine Leistungsbeurteilung dienen können. Die Gewichtung mündlicher Noten muss den Schülerinnen und Schülern bzw. Auszubildenden am Anfang des Schuljahres mitgeteilt werden. Wenn während des Unterrichts mündliche Noten gebildet werden, müssen die Noten mit Datum protokolliert werden. Der Vorteil mündlicher Noten kann vor allem in ihrer Kontinuität liegen. Außerdem kann der Schwierigkeitsgrad der Prüfungsfragen dem Leistungsstand der Lernenden angepasst werden. Schülerinnen und Schüler oder Auszubildende, die mit der Leistungsbeurteilung in schriftlicher Form Probleme haben, können im Sinne der Chancengleichheit fair beurteilt und außerdem besondere Leistungen entsprechend gewürdigt werden. Da aber diese Form der Notengebung im sozialen Kontext geschieht, ist die Objektivität gefährdet. Letztlich beruht die Notengebung auf dem Schätzurteil der Lehrkraft. Bei dieser Form der Leistungsbeurteilung muss sich der Lehrer oder die Lehrerin sowohl seiner bzw. ihrer sozialen Rolle bewusst sein, als auch darüber, dass Sympathie und sozialer Status des zu beurteilenden Schülers oder der Schülerin die Notengebung beeinflussen können. Mündliche Noten meiden aus verschiedenen Gründen auch Extreme: sehr gute Noten werden gemieden, sehr schlechte Noten kommen noch seltener vor. In welcher Form eine Leistungsbewertung durchgeführt wird, hängt vom jeweiligen Selbstverständnis des Religionslehrers oder der Religionslehrerin ab. Dabei ist das Fach selber über den Kontext der jeweiligen Lerngruppe hinaus im kollegialen Kontext zu sehen, der mit Blick auf die Leistungsbeurteilung im Religionsunterricht eine Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen der Fachgruppe über eine Lerngruppe hinaus notwendig macht. Da die Zuteilung von Lehrdeputaten – gerade in der Berufsschule – nicht im Blick auf eine religionspädagogische Kontinuität erfolgt, kann es vorkommen, eine Klasse ein Schuljahr lang zu unterrichten. Außerdem hängt die Außenwirkung des Religionsunterrichts immer noch stark davon ab, ob die Leistungsbewertung transparent und

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für die Schülerinnen und Schüler oder Auszubildende nachvollziehbar erfolgt. Ist dies nicht der Fall, gerät das Fach schnell in den Ruf eines »Laberfaches«. Der Religionsunterricht ist versetzungserheblich, ist aber – wie andere Fächer auch – nicht versetzungsentscheidend. Deswegen ist es wichtig, dass seine Leistungsbeurteilung vergleichbar mit anderen Fächern ist. 1.2 Grenzen der Leistungsbeurteilung Unabhängig davon, ob der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen eine Leistungsbewertung nach mündlichen Noten, Tests und Klausuren vornimmt oder nicht, muss er sich dem schulischen Leistungsprinzip gegenüber positionieren. Hier wird er sicherlich eine kritische Position einnehmen, wenn es darum geht, dass Menschen über ihre Leistungen zu definieren seien. Er wird aber auch dort eine affirmative Haltung einnehmen, wo es um die Frage nach einer gerechten Lösung der Zuteilung von Privilegien geht: Es erscheint nämlich zweifellos angemessener, gemäß dem Leistungsprinzip den besseren Schülerinnen und Schülern bzw. Auszubildenden gesellschaftliche Privilegien zuzuteilen als dies beispielsweise nach Kriterien von Herkunft, Macht oder Beziehungen zu tun. Dieses schulpädagogische Argument ergibt sich aus dem gesamtgesellschaftlichen Gefüge, in dem das Leistungsprinzip gewissermaßen sicherstellt, dass nicht Vetternwirtschaft, sondern die Orientierung an transparenten Kriterien am Beginn junger Berufsbiografien steht. Aus religionspädagogischer Sicht wird man darüber hinaus beachten müssen, dass gerade vermeintlich leistungsschwächere Auszubildende oder Schülerinnen und Schüler durch ein wohlwollendes und gutes Feedback im Religionsunterricht neue Stärken an sich entdecken und in ihr Selbstkonzept integrieren können. Der Religionsunterricht hat an dieser Stelle die Aufgabe, sich selbst als defizitär erlebende Schülerinnen und Schüler oder Auszubildende zu stärken und so einen entscheidenden Teil zur Persönlichkeitsbildung beizutragen. Dies würde sich mit einer Leistungsbeurteilung, wie sie aus schulpädagogischen Begründungszusammenhängen hervorgeht, nicht vollständig decken. Denn Persönlichkeitsbildung heißt, Merkmalsbündel von Personen zu thematisieren und diese in den Blick zu nehmen, die sich einer Leistungsbewertung entziehen. Es ist ja auch für andere Fächer ein Grundsatz, nicht den Menschen zu beurteilen, sondern seine Leistungen und Werke. Darüber hinaus muss dem aus theologischer Perspektive entgegnet werden, dass der Mensch nicht durch seine Werke gerechtfertigt ist, sondern allein aus Glauben. Zugleich muss betont werden, dass die Reichgottesbotschaft dazu auffordert, das eigene Licht nicht unter den Scheffel zu stellen und dass der Glaube

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aus biblischer Perspektive durchaus zu Nächstenliebe und damit zu Werken der Liebe führt. Auch aus diesen Überlegungen heraus stellt sich die Frage, inwieweit der Religionsunterricht in seinem Selbstverständnis das Prinzip »Leistung« integriert, oder ob er nicht zu einem kritisch distanzierten Leistungsverständnis führen muss, wenn es im Sinne einer subjektorientierten religiösen Bildung gerade um die Subjekte geht und nicht um das Erfüllen fremder, anderer Ansprüche. Wägt man diese Argumente gegeneinander ab, so stellt sich die Frage nach der Stellung des Religionsunterrichts (der in der Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler und der Kolleginnen und Kollegen stark an Personen festgemacht wird) im Gesamtsystem Schule und damit auch die Frage, welche Brücken zu anderen Fächern dieser Religionsunterricht im Lernfeld oder durch verschiedene Kooperationen schafft. 1.3 Kriterien der Leistungsbeurteilung und das Selbstverständnis des notengebenden Faches Angesichts der Frage nach der Leistungsbeurteilung und Notengebung gilt es zu reflektieren, welches Selbstverständnis Religionslehrende mit Blick auf ihr Fach haben. Insofern es sich im dualen System um einen Religionsunterricht handelt, der im Unterschied zu allgemeinbildenden Bildungsgängen nicht in erster Linie auf die Allokationsfunktion der Schule abzielt, sondern mit Blick auf die religiöse Kompetenz der Schülerinnen und Schüler oder Auszubildenden vor allem den persönlichen Glauben und persönliche, religiöse Einstellungen ins Gespräch bringen will, muss er genau dies anderen gegenüber erklären können. Meistens geht es im Religionsunterricht nicht darum, durch eine Note einem Dritten die Leistung eines Auszubildenden zu bescheinigen, sondern dessen Reflexionskraft und Engagement mit Blick auf die Frage nach Gott im Unterricht zu dokumentieren. Aber: Keinesfalls darf die Leistungsbewertung mit religiösen Einstellungen in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden. Vielmehr sollte der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen ein Möglichkeitsraum sein, eigene Glaubensvorstellungen, wie auch immer diese gelagert sind, zu äußern und kritisch zu reflektieren. Dabei ist es nicht entscheidend, derselben Konfession wie die Lehrkraft anzugehören. Auch kirchliches oder gesellschaftliches Engagement darf für die Leistungsbeurteilung nicht relevant sein. Diese Bestimmung ex negativo ist gleichzeitig in Relation zur Erwartung vieler Schülerinnen und Schüler und Auszubildenden zu sehen, dass im Religionsunterricht vor allem gute Noten erteilt werden. Wo diese Erwartung nicht erfüllt wird, muss offengelegt werden, nach welchen Kriterien gearbeitet und die Leistungsbewertung vorgenommen wird.

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1.4 Merkmale individueller Leistungsbeurteilung Die Leistungsbeurteilung erfolgt im Religionsunterricht nicht allein anlassbezogen durch mündliche Prüfungen oder Klausuren. Sehr häufig wird die Leistungsbewertung lernprozessbezogen vorgenommen und erfolgt damit zu verschiedenen, über das Schuljahr verteilten Zeitpunkten. Dabei muss der Religionslehrer oder die Religionslehrerin die Funktionen der Leistungsmessung religionspädagogisch angemessen beurteilen können: Neben der Rückmeldungsfunktion geht es immer auch um Sozialisierungseffekte und jede Leistungsmessung hat auch Aspekte der Disziplinierung im Sinne eines Ansporns, im Unterricht für gute Leistungen auch honoriert zu werden. Auf die Chancengleichheit mit Blick auf die Gesamtgesellschaft wurde bereits eingegangen, wozu auch gehört, dass die Funktionen der Selektion und Allokation im Blick gehalten werden müssen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Religionsnote ausschlaggebend für Stellenzusagen sein wird. Der Religionslehrer oder die Religionslehrerin muss deshalb in der Leistungsbeurteilung stark individualisiert vorgehen und die Leistungsmessung langfristig und zielorientiert planen, um nicht zum Halbjahr oder zum Schuljahresende in Hektik zu verfallen. Da diese Planung bei der Planung des gesamten Schuljahres beginnt, ermöglicht dies die nötige Transparenz mit Blick auf die Leistungsmessung gegenüber den Schülerinnen und Schülern. Ein subjektorientierter Religionsunterricht wird die Leistungsbeurteilung in verschiedenen Anforderungsniveaus konkretisieren, sodass vor allem auch den mit Blick auf Leistung sehr heterogenen Lerngruppen in Berufskollegs oder Berufsschulen gerecht begegnet wird. Dabei bleibt die Lerngruppe der Rahmen, innerhalb dessen die Lehrkraft die individuelle Leistung gemäß des Lernfortschritts des Schülers oder der Schülerin, aber auch gemäß des Lernfortschritts im Vergleich zur Lerngruppe und mit Blick auf Maßstäbe, die sich aus dem Thema und der Sache ergeben, beurteilen kann. Dass bei mündlichen Leistungen die Quantität von der Qualität zu unterscheiden ist, gilt nicht für den Religionsunterricht. Außerdem muss die Lehrkraft sich subjektiver Fehlerquellen (aufgrund von Zusatzinformationen zu Schülerinnen und Schülern, ihrem Geschlecht und Sympathie, dem Reihenfehlerproblem usw.)1 bewusst sein.

1 Siehe hierzu auch Hans G. Wengert: Leistungsbeurteilung in der Schule, in: Gislinde Bovet/ Volker Huwendiek (Hg.): Leitfaden Schulpraxis. Pädagogik und Psychologie für den Lehrberuf, Berlin (1994) 21998, 275–303.

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1.5 Kriterien Die Erörterung macht den Religionsunterricht mit Blick auf die Leistungsmessung zu einem hochkomplexen Gefüge. Berücksichtigt man außerdem die didaktischen Entwicklungen zur Kompetenzorientierung, so wird eine stetig den Lernprozess begleitende Leistungsmessung unumgänglich sein. Kriterien sind dabei nicht eindeutig zu benennen, weil die Bildungsgänge in berufsbildenden Schulen sehr unterschiedliche Akzentsetzungen erforderlich machen. Außerdem muss beachtet werden, dass jede Leistungsbeurteilung abhängig von Thema und Struktur des Unterrichts ist, somit vom konkreten Unterrichtsgeschehen abstrahierte Beurteilungskriterien zu kurz greifen würden. Dass die gegebene Sachgemäßheit bei Beurteilungen eine Rolle spielt, scheint da noch das allgemeingültigste Kriterium zu sein. Aber wie oben beschrieben geht es immer auch darum, den Lernenden zur eigenen Stimme zu verhelfen. Sachgemäßheit sollte so gesehen im Dialog mit der Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler beziehungsweise Auszubildenden betrachtet werden, um zu plausiblen Ergebnissen zu gelangen.

2. Projektunterricht Beim Projektunterricht handelt es sich um eine »methodische Großform«2, mit der im Bewusstsein von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern mehr oder weniger fest verankerte typische Lehr- und Lernwege verbunden sind. Er ist eine Form handlungsorientierten Lernens bei der Bearbeitung konkreter praktischer Aufgabenstellungen. Als solchen zählt Gudjons ihn zu einer der neueren Unterrichtsformen.3 Projektmethoden bzw. Projektarbeiten gibt es in pädagogischen Zusammenhängen jedoch schon seit vielen Jahrhunderten und mit Fragen beruflicher Bildung sind sie eng verbunden. 2.1 P  rojektunterricht und berufliche Bildung – von den Anfängen im 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart Michael Knoll stellt in Kritische Studien zur Projektpädagogik4 die Geschichte der Projektmethode dar. Diese kann bis ins 16. Jahrhundert nach Rom bzw. ins 2 Hilbert Meyer: Unterrichtsmethoden. I: Theorieband, Berlin (1987) 162016, 115. 3 Herbert Gudjons: Pädagogisches Grundwissen, Bad Heilbrunn (1993) 92006, 251–252. 4 Michael Knoll: Dewey, Kilpatrick und »progressive« Erziehung: kritische Studien zur Projektpädagogik, Bad Heilbrunn 2011.

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18. Jahrhundert nach Frankreich zurückverfolgt werden: In Rom erlernten Architekten die Entwürfe von Kirchen, Denkmälern und Schlössern in Projekten und im Wettbewerb mit anderen. Diese Architektenausbildung wurde in einer Kunstschule unter päpstlichem Patronat vollzogen und durch die Integration von Kunst und Wissenschaft in ihrer traditionell handwerklichen Ausbildung zu einer akademischen Ausbildung zur »Baukunst« weiterentwickelt. Das heißt, ursprünglich stammt die Projektidee aus Italien und mit der »[…] zunehmenden Professionalisierung und Verschulung handwerklicher Berufe verbreitete sie sich über den ganzen Kontinent.«5 Zwei Jahrhunderte später wurde an der Pariser Akademie der Projektbegriff mit Schule und Unterricht verbunden. Ziel war es, Theorie und Praxis schüler-, wirklichkeits- und produktorientiert zu verknüpfen: Architekturstudenten hatten hier selbstständig Pläne und Entwürfe für ein größeres Bauvorhaben anzufertigen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts fand das Projektlernen Eingang in die Ingenieursausbildung. Folgt man Knoll, dann ist die Ausbildung für gewerbliche, praxisorientierte Wissenschaftsberufe die treibende Kraft bei der Entwicklung und Verbreitung der Methode. Ihren Ausgangspunkt hat sie dabei in der Akademisierung und Professionalisierung eines Berufes.6 Mitte des 19. Jahrhunderts gelangt der Projektunterricht zunächst in die Hochschullandschaft der USA und Calvin M. Woodward, selbst Hochschullehrer an der Washington University, St. Louis, Missouri, überträgt ihn in die höhere Schule. Charles R. Richards vom Teachers College der Columbia University, New York, führt ihn zu Anfang des 20. Jahrhunderts dann in die Elementarschule ein: Der gesamte Werkunterricht solle auf Projektarbeit umgestellt werden, so seine Forderung.7 Des Weiteren sind John Dewey und William H. Kilpatrick zu nennen. Dewey gilt in Deutschland als der eigentliche große Vertreter des Projektunterrichts, was nach Traub jedoch nicht eindeutig zu bestimmen sei: So habe Dewey sich zwar »[…] zur Projektmethode geäußert, aber nie eine eigenständige Theorie des Projektunterrichts hervorgebracht.«8 Der Mensch gewinnt jedoch nach Dewey Erkenntnis, indem er sich tätig mit der Welt auseinandersetzt, Erfahrungen macht. 5

Karl Frey: Die Projektmethode: »Der Weg zum bildenden Tun«, Weinheim/Basel (1982) 122012, 31. 6 Michael Knoll: Dewey, Kilpatrick und »progressive« Erziehung: kritische Studien zur Projektpädagogik, Bad Heilbrunn 2011, 21–26. Unklar ist jedoch, welche Einflüsse von diesen frühen Wurzeln für die Gegenwart ausgehen. Zudem zeigt die Unterschiedlichkeit der genannten Praxen, dass es einer einheitlichen Theorie ermangelt, auf die man sich gegenwärtig noch berufen kann. 7 Frey, Projektmethode 2012 (s. o. Anm. 5), 31–32. 8 Silke Traub: Selbstgesteuert lernen im Projekt? Anspruch an Projektunterricht und dessen Bewertung aus Sicht von Lehrenden und Lernenden, in: Zeitschrift für Pädagogik 57 (2011), 93– 113, hier 98.

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»Ein Projekt bedeutet für Dewey die tätige Auseinandersetzung mit einem Gegenstand über einen längeren Zeitraum hinweg, einem Gegenstand der von bleibendem Interesse für den Schüler und die Gesellschaft ist, der über sich hinausweist und weitergehende Probleme aufzeigt, mit dem Ziel, Erfahrungsprozesse bei den Schülern zu initiieren. Projekte müssen geplant werden, aber nicht alles ist planbar. Diesen Dualismus sieht Dewey als wichtig an und er gilt auch für den Projektunterricht.«9 Deweys Schüler Kilpatrick schließt an dessen Arbeiten an und gründet sein Projektkonzept auf Deweys Theorie der Erfahrung. 1919 veröffentlicht Kilpatrick »the project method« und in den Folgejahren beginnt sich die Unterrichtsweise im pädagogischen Raum durchzusetzen. In den verschiedenen Projektmodellen, insbesondere in jenen, die auf den Arbeiten von Kilpatrick und Dewey basieren,10 spiegeln sich Merkmale selbstgesteuerten Lernens – diese können als immanente Kriterien von Projektarbeit angesprochen werden. Eine Schwierigkeit ergibt sich allerdings aus der Polysemie des Projektbegriffs. Er wird in vielen Zusammenhängen und zum Teil auch als Synonyma verwendet – so ist die Rede von Projektmethode, Unterrichtsprojekt, Projektausbildung, Projektarbeiten, Projektwochen und anderes mehr. Auch im Feld der Berufsbildung gibt es mehrere unterschiedliche Projektbegriffe: Hier finden sich Forschungs- und Entwicklungsprojekte, Prüfungsprojekte als Teil der Abschlussprüfung und Projektmanagement im Bereich kaufmännischer Bildung. Die Forderung nach Projektkompetenz begegnet in vielen Berufsfeldern und bisweilen führen auch Modellversuche das Wort Projekt im Titel. Mit den Berufspädagogen Klaus Hahne und Ulrich Schäfer ist hier kritisch zu fragen, ob es sich dabei immer um einen pädagogischen Projektbegriff handelt. Auch sei der Begriff Projektmethode mit einer unzulänglichen Übersetzung des amerikanischen Begriffs »project method« verbunden, denn das amerikanische Wort »method« sei in seinem Begriffsumfang weiter als das deutsche Wort »Methode«, da es auch die Entscheidung über inhaltliche Elemente umfasse.11 Hahne und Schäfer favorisieren daher das Projekt als Lehr-Lern-Form in der Berufsbildung als einen allgemeinsten Begriff des pädagogischen Projekts im Bereich beruflicher Bildung. Aus pädagogischer Perspektive lässt sich auch formulieren, dass es in einem Projekt »[…] um die handelnd-lernende Bearbeitung einer konkreten Aufgaben  9 Traub, Selbstgesteuert 2011 (s. o. Anm. 8), 99. 10 Im Blick auf die berufliche Bildung siehe hierzu auch Klaus Hahne/Ulrich Schäfer: Das Projekt als Lehr-Lern-Form in der Berufsbildung in Deutschland. Eine Bibliographie für die Jahre 1956 bis 2010, Frankfurt a. M. 2011, 23. 11 Hahne/Schäfer, Bibliographie 2011 (s. o. Anm. 10), 3; siehe hierzu auch Traub, Selbstgesteuert 2011 (s. o. Anm. 8), 98.

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stellung/eines Vorhabens mit dem Schwerpunkt der Selbstplanung, Selbstverantwortung und praktischen Verwirklichung durch die SchülerInnen [geht].«12 Die Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen in Baden-Württemberg verweist zur Charakterisierung des Projektbegriffs in der berufsorientierten Pädagogik auch auf die DIN-Normreihe DIN 69901. Demnach lässt sich ein Projekt charakterisieren als einmaliges, zeitlich befristetes Vorhaben mit einem spezifischen Ziel, das durch sachliche, zeitliche, finanzielle und personelle Begrenzungen strukturiert ist. Weitere Merkmale sind eine projektorientierte Organisationsform und Komplexität der Zusammenhänge.13 Im Dualen System ist Projektunterricht sowohl für die betriebliche als auch für die schulische Ausbildungsphase von Bedeutung, werden doch aktiv erworbene Fertigkeiten und Kenntnisse länger behalten. Im Zuge der betrieblichen Phase wird dabei ein Projekt wie beispielsweise ein Werkstück, eine elektronische Schaltung oder Auftragsabwicklung von einem Einzelnen oder einer Gruppe Auszubildender selbstständig verantwortet. »In der betrieblichen Berufsbildung wird Projektarbeit aber nicht als Ersatz für andere Lernformen diskutiert, sondern als komplementäre Ergänzung einer bestehenden Lernform, nämlich des Lehrgangs.«14 Dergestalt hat projektorientierte Ausbildung zum Ziel, die ganze Persönlichkeit des Auszubildenden zu fördern: Betriebliche Projekte zielen auf die Entwicklung von Kompetenzen und auf das »Kompetenzquartett von Fach-, Methoden-, Sozialund Ich-Kompetenz.«15 So werden neben dem praxisnahen Lernen von Fertigkeiten und Kenntnissen durch die Arbeit in der Gruppe auch soziale Erfahrungen gewonnen. Neben seiner Relevanz für die betriebliche Ausbildung ist Projektunterricht auch für die Berufsschule von Bedeutung. 2.2 Neue Unterrichtskultur und veränderte Lehrerrolle Basierend auf dem Motiv »Guter Unterricht« versucht Projektunterricht Defizite herkömmlichen (Frontal-)Unterrichts zu überwinden.16 Durch die Einführung der Projektkompetenznote bzw. in Verbindung mit der Durchführung von benoteten Projekten bildet sich dieses Ansinnen in Bildungsplänen bzw. Stundentafeln ab. 12 13 14 15 16

Gudjons, Grundwissen 92006 (s. o. Anm. 3), 252. Informationen zum Thema finden sich unter http://www.din.de/de (Zugriff am 13.7.2016). Hahne/Schäfer, Bibliographie 2011 (s. o. Anm. 10), 12. Hahne/Schäfer, Bibliographie 2011 (s. o. Anm. 10), 12. Als weitere administrative Maßnahmen im Bereich beruflicher Bildung sind die handlungsorientierte Themenbearbeitung in allen Fächern, Einführung der gleichwertigen Feststellung von Schülerleistungen bzw. Einführung des Seminarkurses im beruflichen Gymnasium zu nennen.

Didaktisch-methodische Herausforderungen in der Praxis

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Damit geht das Bestreben einher, die im Fachunterricht vorherrschende einseitige Lernbeanspruchung zugunsten eines mehrdimensionalen Lernens aufzubrechen, Jugendliche zum Problemlösen, zu Selbstgestaltung und -organisation, reflektierendem Handeln und entdeckendem Lernen, aktiver Teilnahme und Motivation, interessebezogenem, sozialem und anwendungsbezogenem Lernen, eigenständiger Informationsbeschaffung und -verarbeitung in Einzel- bzw. (Klein-) Gruppenarbeit hinzuführen. Dabei wird auch eine Lernortpluralität anstatt eines Klassenzimmer-Lernens angestrebt. Merkmale des Projektunterrichts liegen im Situationsbezug und in der Lebensweltorientierung, Schülerorientierung und in dem hohen Maß an Selbstorganisation und -verantwortung, das diese handlungsorientierte Unterrichtsform fordert. Des Weiteren bedarf es einer zielgerichteten Projektplanung seitens der Lehrkraft, wobei das Projekt viele Sinne mit einbeziehen sollte. Im Fokus steht ein Lernen mit »Kopf, Herz und Hand«. Das heißt, kognitive und praktische Tätigkeiten werden miteinander kombiniert.17 Ein Schwerpunkt des Projektunterrichts liegt im sozialen Lernen – Rücksicht und Kommunikationsfähigkeit sind Voraussetzungen dieses Unterrichts, in dem mitund voneinander gelernt werden soll. Konflikte verschiedener Art wollen durch und mit den Berufsschülerinnen und -schülern gelöst und in konstruktive Arbeit überführt werden. Dies bedeutet auch, dass die Arbeits- und Lernprozesse gleichwertig neben dem Inhalt stehen. Das Ergebnis der Arbeit soll öffentlich präsentiert werden und einen Gebrauchs- oder Mitteilungswert haben. Die genannten Aspekte weisen darauf hin, dass die Lehrerrolle im Projektunterricht im Vergleich zum herkömmlichen Unterricht eine andere und ein Nachdenken über die Rollenverteilung in dieser Unterrichtsform geboten ist. Es läge ein Missverständnis vor, wenn man hier von einer Lehrer-Haltung ausginge, die für sich – mit Verweis auf die Schüler-Selbstorganisation und -verantwortung – ein weitgehendes Sich-Raushalten aus der Schülerprojektarbeit beansprucht. Vielmehr hat der Projektleiter eine profilierte Lehrerrolle inne, trägt Mitverantwortung für Interaktionen im Projektunterricht und nimmt Schülerinnen und Schüler als Subjekte des Lernprozesses ernst. Dies beinhaltet zwar eine dialogische Gestaltung der Lehrer-Schüler-Interaktion, es bedeutet aber auch, dass die Lehrkraft es unterlässt, Symmetrieversuche herzustellen! Die Jugendlichen haben ein feines Gespür für soziale Situationen und institutionell vorgegebene Rollen können nicht negiert werden.18 Vielmehr hat die Lehrkraft darauf zu achten, die qualifikationsbedingten Vorsprünge den Jugendlichen soweit zur Verfügung zu stellen, wie es ihren Bedarfen entspricht. 17 Meyer, Unterrichtsmethoden 162016 (s. o. Anm. 2), 143–144 und 236–237. 18 Meyer, Unterrichtsmethoden 162016 (s. o. Anm. 2), 143–144.

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2.3 Projektunterricht konkret Projektunterricht bietet sich in der Berufsschule sowohl in Vollzeit- als auch in Teilzeitklassen an. Dabei kann man sich an verschiedenen Phasenmodellen orientieren.19 In der Teilzeitberufsschule sind die Spezifika der Organisationsformen zu beachten; diese können konstruktiv in die Arbeit integriert werden: So können Projekte in Klassen der Teilzeitberufsschule, deren Schülerinnen und Schüler wöchentlich an ein bis zwei Tagen den Unterricht besuchen, zwar nur mit zeitlichen Unterbrechungen durchgeführt, längerfristige Absprachen mit externen Experten dafür aber leichter getroffen werden. Dabei kann auch auf die Expertise der Ausbildungsbetriebe in höherem Maße zurückgegriffen oder ein Teil der Projektarbeit gar in diese verlagert werden. Findet der Unterricht in Wochenblöcken statt, kann er wie in Vollzeitklassen geplant werden. Da für Religion wie für andere allgemeinbildende Fächer in der Regel eine Stunde in der Stundentafel vorgesehen ist, bedarf es neben einer guten zeitlichen Planung der kollegialen Abstimmung. Fächerübergreifende Projekte bieten den Vorteil höherer Stundenanzahl, einer interdisziplinären Perspektive und haben das Potenzial von allgemeinen und berufsbildenden Fächern. Beispielsweise können dann ethische (Religion), hermeneutische und kommunikative (Deutsch), geschichtliche und politische (Gemeinschaftskunde) und ökonomische (Wirtschaftskunde) Dimensionen miteinander verbunden werden. Die angestrebte Lernortpluralität kann zu einer Kooperation mit Ausbildungsbetrieben führen, zur Nutzung von deren Know-how und technischen Möglichkeiten. Die Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen in Baden-Württemberg hat eine umfassende Zusammenstellung zum Thema Projektunterricht im Bereich berufsbildender Schulen erarbeitet und Projekte aus der schulischen Praxis, wie das »Fest der Kulturen« in Klassen von Hauswirtschaftshelferinnen vorgestellt.20

19 Siehe hierzu bspw. Dieter Lenzen/Wolfgang Emer: Projektunterricht gestalten – Schule verändern, Baltmannsweiler 2005 und das Projektmanagement nach DIN, abrufbar unter http:// www.din.de/de/ (Zugriff am 13.7.2016). 20 Abrufbar über http://lehrerfortbildung-bw.de/kompetenzen/projektkompetenz/teilzeit_bsp_ hwp/bsp_fest_kulturen/ (Zugriff am 19.12.2016).

Didaktisch-methodische Herausforderungen in der Praxis

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3. Guter Religionsunterricht als Bedingung individueller Lernwege und methodischer Sicherung Die empirische Unterrichtsforschung orientiert sich nicht an der Unterscheidung von didaktischen Herausforderungen und methodischen Optionen. Mit Blick auf den Unterricht als Interaktionsgeschehen fokussiert sie ihre Forschung vielmehr auf Sicht- und Tiefenstrukturen des Unterrichts. Sichtstrukturen sind dabei all diejenigen Merkmale, die dem Unterricht seine spezielle Form geben: seine Organisation in einem bestimmten Modell, seinen Zeitrhythmus, seinen Ablauf mit spezifisch gesetzten Zäsuren (beispielsweise gegeben in einer Einstiegs-, Erarbeitungs-, Festigungs- und Transferphase), seinen Methodenwechseln und strukturgebenden Materialien (die oft mit Methodenwechseln einhergehen) sowie verschiedene Sozialformen. Tiefenstrukturen sind über Handlungen und Interaktionen zu erschließen und zeigen sich in wechselseitiger personaler Zuwendung, gelingender Aktivierung der Lernenden sowie störungspräventiver Klassenführung.21 Aus religionspädagogischer Perspektive kommen Faktoren wie Emotionen und die Verwendung einer angemessenen Sprache hinzu, wobei die beiden letztgenannten Merkmale quer zu den drei erstgenannten Dimensionen liegen.22 Die Forschung zum Religionsunterricht zeigt vor allem die hohe Kontextabhängigkeit religiösen Lernens: Für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen macht es einen Unterschied, im Dualen System eingebettet zu sein oder in sog. Vorbereitungsklassen für Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse (in Baden-Württemberg kurz VAB-O genannt) oder in Klassen mit Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz haben.23 Insofern ist die Diskussion von Kriterien zum guten Religionsunterricht immer vom konkreten Ort des Unterrichts abhängig. Deswegen wurde auch die programmatische Profilierung des Religionsunterrichts durch Konzeptionen immer wieder kritisch gesehen. Generelle Leitvorstellungen, wie sie die religionsdidaktischen Konzeptionen des letzten Jahrhunderts nahelegten, sind durch Qualitätsmerkmale bzw. religionsdidaktische

21 Kornelia Möller: Bedingungen und Effekte qualitätsvollen Unterrichtens – ein Beitrag aus fachdidaktischer Perspektive, in: Nele McElvany/Wilfried Bos/Heinz G. Holtappels/Miriam M. Gebauer/Franziska Schwabe (Hg.): Bedingungen und Effekte guten Unterrichts (Dortmunder Symposium der Empirischen Bildungsforschung 1), Münster/New York, NY 2016, 43–64. 22 Rudolf Englert/Elisabeth Hennecke/Markus Kämmerling: Innenansichten des Religionsunterrichts: Fallbeispiele – Analysen – Konsequenzen, München 2014. 23 Michael Meyer-Blanck/Andreas Obermann (Hg.): Lebensziel Hartz IV. Jugendliche ohne Ausbildungsberuf im Blickfeld bildungspolitischer und protestantischer Bildungsverantwortung (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität 3), Münster 2013.

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Strukturen abgelöst worden.24 Insofern lässt sich von einer programmatischen Konzeption des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen nicht erwarten, daraus auch tatsächliche Qualitätsmerkmale für religiöses Lernen ableiten zu können. Die Aufgabe der Religionsdidaktik, theologische Inhalte für religiöse Lehr-und Lernprozesse zu begründen und mit Blick auf die Auszubildenden mit einer reflektierten Methodik ins Gespräch zu bringen, setzt, will man die Wirksamkeit von Lernangeboten im Religionsunterricht tatsächlich erfassen, detaillierte empirische Untersuchung voraus. Das meint nicht, dass religionsdidaktische Leitfragen damit obsolet sind und keine Bedeutung für die Qualität religionsdidaktischer Umsetzungen hätten. Im Gegenteil: In der Literatur zum »guten Religionsunterricht« wird die Interdependenz von religionsdidaktischer Strukturierung und einem professionellen Reflexionsvermögen der Lehrkräfte gegenüber ihrem Unterricht immer wieder als Kriterium guten Unterrichtens genannt.25 Eine solche religionsdidaktische Strukturierung setzt die Klarheit der Ziele voraus, die eine Lehrkraft im Unterricht verfolgt und die den Schülerinnen und Schülern bzw. Auszubildenden transparent macht, welchen Schwerpunkt der Unterricht mit Blick auf die persönliche Kompetenzentwicklung legt. Daneben steht die strikte und klare Klassenführung, die den Auszubildenden eine Gewissheit gibt, was sie wo zu machen haben. Dies, die Klarheit in thematischer und kompetenzorientierter Struktur und die Transparenz der Anforderungen, soll eingebettet sein in eine gute Lernatmosphäre, in der sich der Lehrer oder die Lehrerin den einzelnen Schülerinnen und Schülern oder Auszubildenden zuwendet und sie bei Lernprozessen unterstützt. Gleichzeitig sollten diese Lernprozesse aber auch so herausfordernd sein, dass sich die Auseinandersetzung mit den gegebenen Anforderungen im Sinne eines Erkenntnisgewinns oder Kompetenzzuwachs aus Sicht der Schülerinnen und Schüler lohnt. Dass sich dabei die Schülerinnen und Schüler auf Augenhöhe begegnen und sich wechselseitig zuhören bzw. sich Gehör verschaffen, ist ein weiterer, wichtiger Faktor guten Unterrichtens. Es ist nicht nur für Religionslehrkräfte, sondern auch für Lehrer anderer Fächer mit Blick auf ihren Unterricht besonders wichtig, dass sie die Faszination für ihr Spezialgebiet ausstrahlen und damit durch ihr Vorbild Schülerinnen und Schüler bzw. Auszu24 Friedrich Schweitzer/Norbert Mette: Neuere Religionsdidaktik im Überblick, in: Jahrbuch der Reli­gions­pädagogik 18/2002, 21–40; Peter Biehl/Martin Rothgangel: Hat die Rede von Konzeptionen noch ihr Recht? Ein Briefwechsel zur jüngeren Geschichte der Religionspädagogik, in: Horst Rupp/Reinhard Wunderlich/Manfred L. Pirner (Hg.): Denk-würdige Stationen der Religionspädagogik (Festschrift Rainer Lachmann), Jena 2005, 427–442; Martin Rothgangel: Religionspädagogische Konzeptionen und didaktische Strukturen, in: Martin Rothgangel/Gottfried Adam/ Rainer Lachmann (Hg.): Religionspädagogisches Kompendium, Göttingen 2013, 73–90. 25 Helga Kohler-Spiegel: Was ist guter Religionsunterricht? Persönliche Beobachtungen und Rückblick, in: Jahrbuch der Religionspädagogik 22/2006, 249–256.

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bildende möglichst mitnehmen, dieses Fachgebiet zu entdecken. Darüber hinaus scheint es zwar selbstverständlich zu sein, dass nicht jeder Unterricht immer nur Neues bieten kann. Es ist aber dennoch wichtig, immer wieder zu betonen, dass zur Konsolidierung des Erlernten auch Zeit und Raum zur Verfügung stehen müssen. Individuelle Lernwege werden also durch ein Bündel von Qualitätsmerkmalen im Unterricht initiiert und ermöglicht. Aus den Erkenntnissen der empirischen Unterrichtsforschung hat Klaus Zierer in seiner Rezeption der Hattie-Studie diese sieben Merkmale als die »7 C«s zusammengefasst: Clarity, Control, Care, Challenge, Confer, Captivate und Consolidate sind Stichworte, anhand derer auch in religionsdidaktischer Hinsicht guter Unterricht kriteriologisch beurteilt werden kann.26 Welche Bedeutung diese Qualitätsdiskussion für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen hat, macht auch die Beobachtung deutlich, dass die oben genannten »7 C«s letztlich auf die Relevanz des Religionsunterrichts bei den Schülerinnen und Schülern und Auszubildenden abhebt. Dann geht es um die Frage, inwieweit der Religionsunterricht einen Beitrag zum privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Leben seiner Adressaten leisten kann.27 Helmke und auch Weinert haben immer wieder darauf hingewiesen, dass unterschiedliche Bildungsziele ganz unterschiedliche Lehr-Lern-Arrangements erfordern: »Jegliche Monokultur, jede Verabsolutierung eines bestimmten Unterrichtsstils ist unangemessen.«28 In der Frage nun, was guten Unterricht kennzeichnet, nennt Helmke zehn Merkmale, die als empirisch gesichert gelten dürften: (1) Effiziente Klassenführung, (2) lernförderliches Unterrichtsklima, (3) vielfältige Motivierung, (4) Strukturiertheit und Klarheit, (5) Wirkungs- und Kompetenzorientierung, (6) Schülerorientierung, Unterstützung, (7) Förderung aktiven, selbstständigen Lernens, (8) Angemessene Variation von Methoden und Sozialformen, (9) Konsolidierung, Sicherung und Intelligentes Üben und (10) Passung als Schlüsselmerkmal, das die Grundlage für Konzepte der Differenzierung und Individualisierung darstelle.29 Wissen und Kompetenzen sollen in diesem Zusammenhang aktiv von den Jugendlichen erworben werden. Vor diesem Hintergrund sind auch die Ergebnisse der PISA-Studien zu nennen: Sie 26 Klaus Zierer: Auf die Qualität des Unterrichts kommt es an, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 296 (2013), 7. 27 Matthias Gronover/Albert Biesinger: Selbstentfaltung durch Arbeit – Selbstentfaltung als Arbeit. Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen und Arbeit, in: Albert Biesinger/­Matthias ­Gronover/Friedrich Schweitzer/Joachim Ruopp/Michael Mayer-Blanck/Andreas ­Obermann (Hg.): Gott – Bildung – Arbeit: Zukunft des Berufsschulreligionsunterrichts (­ Glaube – ­Wertebildung – Interreligiosität 4), Münster 2013, 9–19. 28 Andreas Helmke: Was wissen wir über guten Unterricht? In: Pädagogik 58 (2)/2006, 43–44. 29 Ebd., 45.

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haben dazu beigetragen, die Diskussionen um die Gestaltung von Unterricht zu intensivieren. Gefordert werden Lernsituationen, »[…] in denen selbst gesteuertes und kooperatives Lernen zunächst schrittweise eingeübt und dann ausgeübt werden kann«.30 Diese Überlegungen und Forderungen finden ihren Niederschlag auch in Bildungsplänen. Die empirische Unterrichtsforschung hat sich auf drei Dimensionen guten Unterrichts verständigt. Diese drei Dimensionen durchziehen auch die »7 C«s und sind in ihrer Weite gut auf den Religionsunterricht adaptierbar. Eckart Klieme hat diese Dimensionen schon vor Jahren erstmals benannt.31 Sie zielen auf ein kompetenzorientiertes Lernen, das den Schülerinnen und Schülern in einem (1) guten Lernklima (2) die nötigen Lernimpulse gibt. Gleichzeitig muss durch die Lehrkraft (3) so viel Unterstützung gegeben werden, dass die Schülerinnen und Schüler Lernerfolge haben. Sie bestehen in einer klaren, strukturierten und vor allem auch störungspräventiven Unterrichtsführung, einer prinzipiellen Schüler- und Subjektorientierung sowie einem unterstützenden Sozialklima. Hinzu kommt die kognitive Aktivierung der Schülerinnen und Schüler, die vor allem in einer offenen und herausfordernden Aufgabenstellung und einem diskursiven Umgang mit Problemlösungsvarianten besteht.32 »Dies sind insofern wichtige Befunde als deutlich wird, dass keine besonderen Sichtstrukturen oder Unterrichtsformen nötig sind, um alle Lernenden gut zu fördern, sondern dass die Qualität der Tiefenstrukturen ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen kann, um adäquat mit einer heterogenen Klassenzusammensetzung umzugehen«.33

Die Dimensionierung durch die empirische Bildungsforschung lässt Merkmale des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen unberücksichtigt, die dennoch zentral sind. Gemeint ist hier das Prinzip der Berufsorientierung und die spezielle Profilierung der Kompetenzorientierung durch Anforderungssituationen im Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen. Beide Prinzipien lassen sich in ihrem Verhältnis zu den Sicht- und Tiefenstrukturen des Unterrichts 30 Ewald Terhart: Nach PISA. Bildungsqualität entwickeln, Hamburg 2002, 82. 31 Eckhard Klieme/Gundel Schümer/Steffen Knoll: Mathematikunterricht in der Sekundarstufe 1: »Aufgabenkultur« und Unterrichtsgestaltung im internationalen Vergleich, in: Eckhard Klieme/ Jürgen Baumert (Hg.): TIMSS – Impulse für Schule und Unterricht, Bonn 2001, 43–57. 32 Ulrich Trautwein/Mareike Kunter: Psychologie des Unterrichts, Paderborn 2013. 33 Mareike Kunter/Sylvia Ewald: Bedingungen und Effekte von Unterricht: Aktuelle Forschungsperspektiven aus der pädagogischen Psychologie, in: Nele McElvany/Wilfried Bos/Heinz G. Holtappels/Miriam M. Gebauer/Franziska Schwabe (Hg.): Bedingungen und Effekte guten Unterrichts (Dortmunder Symposium der Empirischen Bildungsforschung 1), Münster/New York, NY 2016, 9–31, hier 21.

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diskutieren (s. o.). Sichtstrukturen sind dabei alle beobachtbaren Merkmale des Unterrichts wie zum Beispiel Methoden, Sozialformen, sinnstiftende Gegenstände, aber auch das Lehrerverhalten.34 Tiefenstrukturen beziehen sich auf Emotionalität, Solidarität und – für den Religionsunterricht besonders relevant – die Ganzheitlichkeit des Unterrichts, die von Methoden zwar beeinflusst werden, nicht aber durch diese hergestellt werden können.35 Die Interdependenz von Sicht- und Tiefenstrukturen macht es deswegen kaum hilfreich, ein weiteres Methodenkompendium aufzuzeigen.36 Vielmehr kommt es aus Sicht der Lehrkraft und ihrer professionellen Kompetenz darauf an, durchgehende und den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen profilierende didaktische Prinzipien auf religionsdidaktische und damit auch methodische Gehalte hin prüfen zu können. Die Tiefenstruktur des Religionsunterrichts ist entscheidend für die individuelle Lerneffizienz und wird entscheidend durch die Begegnungsqualitäten im Unterrichtsraum geprägt. Sie beeinflusst dabei jede Ebene der Sichtstruktur, also des sichtund damit bemerkbaren unterrichtlichen Takts, den die Lehrkraft vorgibt. Bei der Tiefenstruktur spielt vor allem die kognitive Aktivierung durch den Unterricht sowie die Begleitung durch die Lehrkraft eine Rolle. Individuelle Lernwege nehmen hier ihren Ausgang. Religionsdidaktisch sind hier vor allem Anforderungssituationen, mit denen der Religionsunterricht strukturiert wird, ausschlaggebend. Sie strukturieren den Unterricht so, dass die Schülerinnen und Schüler oder Auszubildenden motiviert werden, selbstständig und eigenverantwortlich zu lernen und so neues Wissen und Können zu erwerben. Sie ermöglichen, sich mit Blick auf das eigene Leben, den Beruf oder Herausforderung in der Gesellschaft nötiges Wissen anzueignen und vollständige, zielbezogene Handlungen durchzuführen.37 Anforderungssituationen haben spezifische Merkmale: Sie führen den Auszubildenden Herausforderungen aus ihrem privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Leben vor Augen und holen damit die Lernenden dort ab, wo sie bezüglich ihrer Wissens- und Könnens-Strukturen gerade sind. Außerdem fordern Anforderungssituationen zum Handeln heraus. Gerade im Religionsunterricht stellt die Handlungsorientierung ein wichtiges Prinzip dar, das im Verbund mit der 34 Jan Woppowa: Unterrichtsmethoden, in: WiReLex 2015. 35 Ludwig Rendle (Hg.): Ganzheitliche Methoden im Religionsunterricht, München 2007. 36 Gottfried Adam/Rainer Lachmann (Hg.): Methodisches Kompendium für den Religionsunterricht. 1. Basisband, Göttingen 2010a; Gottfried Adam/Rainer Lachmann (Hg.): Methodisches Kompendium für den Religionsunterricht. 2. Aufbaukurs, Göttingen 2010b; Franz W. Niehl/ Arthur Thömmes: 212 Methoden für den Religionsunterricht, München 2014. 37 Aggi Kemmler: Bedeutung und Ausgestaltung von Anforderungssituation im Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, in: Albert Biesinger/Johannes Gather/Matthias G ­ ronover/ Aggi Kemmler (Hg.): Kompetenzorientierung im Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität 5), Münster 2014, 35–41.

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Lernfelddidaktik und den verschiedenen Kooperationen im Blick auf andere Fachbereiche Anschlussmöglichkeiten bietet.38 Dass die Auszubildenden durch eigenes Handeln religiöse Kompetenz entfalten, ist damit aber nicht Selbstzweck innerhalb der Berufsschule oder des Berufskollegs, sondern unterstützt auch die Forderung nach mehrkanaligem Lernen. Anforderungssituationen müssen darüber hinaus einen hohen Komplexitätsgrad aufweisen und so den Lernenden die Möglichkeit bieten, andere Perspektiven einzunehmen. Mit Blick auf die Tiefenstruktur des Unterrichts ist gerade letzteres ein wichtiges Kriterium, um beispielsweise auf die Herausforderungen der pluralen Gesellschaft im Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen adäquat reagieren zu können. Perspektivenübernahme ist dabei gleichwohl kein Selbstläufer, der sich allein durch eine gute Anforderungssituation einstellen würde. In einem großen Projekt hat die Tübinger Forschergruppe um Albert Biesinger und Friedrich Schweitzer nachgewiesen, dass Perspektivenübernahmen deutlich von der Möglichkeit abhängen, sie durch entsprechende Methoden einzuüben. Die Interdependenz von Tiefen- und Sichtstrukturen des Unterrichts, vom Lernklima und der methodischen Unterstützung und Begleitung der Lernenden, wird hier exemplarisch sichtbar. Zwar kann die Anforderungssituation im Sinne eines starting points und eines mitlaufenden Anfangs die Tiefenstruktur des Unterrichts entscheidend bestimmen, sie ist aber ganz entscheidend auf die religionsdidaktische Strukturierung durch entsprechende Methoden, Lernumgebungen und Materialien angewiesen. In einem Forschungsprojekt zur interreligiösen Kompetenz in der Pflegeausbildung haben die Tübinger Institute für berufsorientierte Religionspädagogik neun Unterrichtseinheiten (im Projekt »Module« genannt) entwickelt, die relevante Situationen im Berufsleben von Pflegepersonal mit Blick auf die Entfaltung ethischer und interreligiöser Kompetenzen angeboten haben. Diese Unterrichtseinheiten wurden durch die Befragung der Auszubildenden vor und nach den Modulen evaluiert (Vortest N = 773 Auszubildende, Nachtest N = 736 Auszubildende). Mit Blick auf die Perspektivenübernahme zeigte sich, dass unterschiedliche Module ganz unterschiedliche Wirkungen auf diese Fähigkeit hatten.39 In der Diskussion des Ergebnisses wird klar, dass vor allem in den Modulen, die durch interaktive Methoden wie Kugellager, Rollenspiele oder auch empathi38 Albert Biesinger/Josef Jakobi/Joachim Schmidt (Hg.): Lernfelddidaktik als Herausforderung, Norderstedt 2005. 39 Heinrich Merkt/Martin Losert: Eine empirische Studie zur Struktur interreligiöser Pflegekompetenz und zur Wirksamkeit interreligiöser Unterrichtsmodule an Alten-, Gesundheitsund Krankenpflegeschulen, in: Heinrich Merkt/Friedrich Schweitzer/Albert Biesinger (Hg.): Interreligiöse Kompetenz in der Pflege, Pädagogische Ansätze, theoretische Perspektiven und empirische Befunde (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität 7), Münster 2014, 191–246.

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sche Übungen strukturiert waren, Perspektivwechsel effektiv erlernt wurden. So wurde beispielsweise in einem Modul mit dem Titel »Der Umgang mit dem Körper – Aspekte einer interreligiös sensiblen Pflege« den Auszubildenden am eigenen Leib erfahrbar gemacht, was Scham bedeutet. »Die hier gewählte Methode einer Empathieübung schärft zunächst das Bewusstsein der Auszubildenden dafür, dass Pflegefachkräfte mit Blick auf den Umgang mit dem Körper häufig in persönliche und intime Bereiche der Patientinnen und Patienten eindringen müssen. Das im Klassenkollektiv vollzogene Hineinversetzen in eine zwar mitunter unangenehme, aber im Vergleich zu pflegerischen Alltagssituationen doch harmlose Form der ›Entblößung‹ vor anderen ermöglicht es den Auszubildenden, sich bewusst die Situation der Pflegenehmenden vor Augen zu führen«.40

Die Methode besteht in einer Fantasiereise, in der die Auszubildenden eine Körperreise vollziehen, an deren Ende jemand kommt und zu ihnen sagt: »Ich ziehe ihnen jetzt Schuhe und Socken aus und wasche ihnen die Füße.« Durch diese vergleichsweise einfache Empathieübung konnte der Perspektivwechsel effektiv gelernt werden.41 Das Erlernen des Perspektivwechsels erschien nicht abhängig von demographischen Variablen wie Geschlecht, Religion, Migrationshintergrund oder Ausbildungsjahr.42 Deutlich wird, dass individuelle Lernwege zum einen durch kognitive Aktivierung der Lernenden entscheidend veranlasst werden. Diese kognitive Aktivierung sollte sich dabei nicht allein auf die erste Stunde einer Unterrichtssequenz beziehen, sondern prinzipiell mit dem Lerngegenstand verbunden bleiben, bspw. durch eine Anforderungssituation. Es ist für die Entfaltung religiöser Kompetenz entscheidend, methodisch auch Möglichkeiten zu bieten, Erlerntes in personalen Begegnungen einzuüben und gemeinsam mit Mitauszubildenden zu diskutieren. Die Perspektivenübernahme, die dabei geschult wird, ist ein wichtiges Element auch zur Absicherung des Erlernten, das ja gerade im Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, der oft einstündig erteilt wird, weniger in lexikalischem Wissen als in Dimensionen der Persönlichkeitsbildung besteht.

40 Evelyn Krimmer: Interreligiöse Pflegekompetenz. Ein Überblick über die Möglichkeiten der methodischen Umsetzung in neuen Modulen, in: Heinrich Merkt/Friedrich Schweitzer/Albert Biesinger (Hg.): Interreligiöse Kompetenz in der Pflege. Pädagogische Ansätze, theoretische Perspektiven und empirische Befunde (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität 7), Münster 2014b, 73–88, hier 81. 41 Merkt/Losert, Studie 2014, 234. 42 Ebd., 224.

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4. Thema »Inklusion« und der unterrichtspraktische Umgang mit Heterogenität am Beispiel Inklusion Seit 2009, dem Jahr, in dem die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung von Deutschland ratifiziert wurde, wird die Debatte um Inklusion gesellschaftlich geführt und sie ist auch im Bereich der beruflichen Bildung angekommen. Dabei hat sich auch im deutschsprachigen Diskurs der Begriff Inklusion gegenüber dem Integrationsbegriff durchgesetzt; dies gründet zum einen in der Bezugnahme auf supranationale Dokumente wie die UN-Konvention einerseits und auf den englischsprachigen Fachdiskurs zu Inclusive Education andererseits.43 Zum anderen dokumentiert sich im Inklusionsbegriff ein pädagogisches Programm, das vom Programm der Integration (verstanden als »Special Needs Education«44) klar unterscheidbar ist. Folgt man der UNESCO, wird Integration durch Inklusion abgelöst: »Inclusion as we know it today has its origins in Special Education […] Special education practices were moved into the mainstream through an approach known as ›integration‹.«45 Strebt Integration eine Eingliederung in Form eines Nebeneinanders an, so beschreitet Inklusion den Weg eines gemeinsamen Lernens (»Education for All« im Sinne einer »Inclusion in Education«). In einem umfassenderen Sinne kann Inklusion verstanden werden als »gemeinsames Lernen von Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichsten Heterogenitäten.«46 Im Folgenden ist zu erläutern, welche Verbindungen zwischen Inklusion und christlicher Religion bestehen (4.1) und was mit dem Begriff Inklusion in rechtlicher und (berufs-)pädagogischer Perspektive gemeint ist (4.2). Des Weiteren werden Herausforderungen benannt, die sich für die berufliche Bildung und berufliche Schulformen im Allgemeinen (4.3) und für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen im Besonderen (4.4) ergeben. Am Beispiel Inklusion wird so auch der unterrichtspraktische Umgang mit Heterogenität deutlich. Das Thema wird damit auf der Ebene des Realisierungsdiskurses angesprochen, das heißt: Es geht um Fragen der praktischen Umsetzung von Inklusion in der

43 Tanja Sturm: Inklusion: Kritik und Herausforderung des schulischen Leistungsprinzips, in: Erziehungswissenschaft 26 (2015), 25–32, hier 27. 44 UNESCO: Guidelines for Inclusion. Ensuring Access to Education for All, 2005, 24. Abrufbar über http://unesdoc.unesco.org/images/0014/001402/140224e.pdf (Zugriff am 3.8.2016). 45 UNESCO, Guidelines 2005 (s. o. Anm. 44), 9. 46 Manfred L. Pirner: Einführung in den Thementeil ›schulartspezifische oder inklusive Religionspädagogik‹, in: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 10 (2011), 11–12, hier 11.

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Bildungsinstitution Berufliche Schule und im Kontext des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen.47 4.1 Inklusion in biblisch-theologischer Perspektive Biblische Texte verschließen sich dem Versuch, aus ihnen direkte Folgerungen für die Gestaltung des Bildungssystems einer modernen demokratischen Gesellschaft abzuleiten. In ihrem Plädoyer für mehr Bildungsgerechtigkeit weist die EKD darauf hin, dass insbesondere der Gedanke der Teilhabe auf den ersten Blick weit weg von der Lebenswelt einer ständischen und weithin auch patriarchal geprägten Lebenswelt erscheine, wie sie als Hintergrund für die biblischen Texte vorausgesetzt werden müsse. Dennoch fänden sich in der biblischen Überlieferung Impulse, die prägende Bedeutung für die Herausbildung des Ethos moderner demokratischer Gesellschaften gewonnen hätten.48 Aus christlicher Perspektive sind dabei die Gottebenbildlichkeit und die damit verbundene Menschenwürde von zentraler Bedeutung. In der Inklusionsdebatte ist Gen 1,26 f. einer der wichtigsten theologischen Bezugspunkte. Der priesterliche Schöpfungstext spricht vom Menschen im Singular und meint jeden Menschen (Gattungswesen). Das heißt, kein Mensch ist von der Gottebenbildlichkeit ausgeschlossen. Der Mensch ist von Gott, so wie er ist, nach seinem Bild geschaffen. Hierin liegt seine Würde begründet: Sie ist ein Geschenk, eine unverfügbare und unverlierbare Gabe Gottes, unabhängig von Eigenschaften oder Lebensbedingungen, kein Ergebnis von Leistung oder Verdienst. Es bedarf keiner bestimmten Eigenschaft, um Gottebenbildlichkeit nachzuweisen: Sie ist ein Beziehungsbegriff. In ihr findet sich zugleich »[…] die theologische Begründung für die Gleichheit des Menschen in allen seinen Unterschiedlichkeiten. Da der Mensch als Bild Gottes geschaffen ist, sind Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit gleich, im Sinne von gleich wertvoll.«49 Als theologisch-anthropologische Leitkategorie weist die Gottebenbildlichkeit weitere, unterschiedliche formale Bestimmungen auf, die nach Schweiker 47 Daneben gibt es Begründungsdiskurse – sie befassen sich mit der rechtlichen und ethischen Dimension von Inklusion und mit Fragen der Effektivität inklusiver Bildung. Siehe hierzu Christian Lindmeier/Bettina Lindmeier: Inklusion aus der Perspektive des rechtlichen und ethischen Begründungsdiskurses, in: Erziehungswissenschaft 26 (2015), 43–51, 43. 48 Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) (Hg.): »Niemand darf verloren gehen!«: Evangelisches Plädoyer für mehr Bildungsgerechtigkeit – Lesebuch zum Schwerpunktthema der 3. Tagung der 11. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vom 7. bis 10. November 2010 in Hannover, Münster 2010, 16. 49 Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) (Hg.): Es ist normal, verschieden zu sein. Inklusion leben in Kirche und Gesellschaft. Eine Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Gütersloh 2014a, 40.

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für eine inklusive Anthropologie und Religionspädagogik von grundlegender Bedeutung sind. Seine Überlegungen orientieren sich an protestantischer Auslegungstradition und stellen einen Zugang zu einer möglichen Deutung dar. Neben dem Verständnis vom Menschen als Gattungswesen weist er darauf hin, dass der Mensch als ganzer Mensch geschaffen ist: Er ist ungeteilt; der ganze Mensch ist Gottes Bild. Als Geschöpf Gottes ist er Repräsentant Gottes – das Verhältnis Gott-Mensch ist ein Entsprechungsverhältnis: Gott ist Schöpfer, der Mensch hinfälliges Geschöpf. Das Beziehungsverhältnis Gott–Mensch hat in der göttlichen Vielfalt (Und Gott sprach: »Lasst uns Menschen machen …«, Gen 1,26) seinen Ursprung und ist das Apriori der menschlichen Würde. Gott setzt sich vor aller menschlichen Erfahrung in Beziehung zum Menschen. Schöpfungstheologisch resultiert daraus, dass religiöse Exklusion ihrerseits ausgeschlossen ist. Der Mensch indes kann sich gegen das vorausgehende göttliche Beziehungsangebot entscheiden (schöpfungsgewollte Freiheit). Schweiker schlussfolgert daraus, dass »[…] der schöpfungstheologische Gedanke der Gottebenbildlichkeit eine hohe Versicherung gegen anthropologische Exklusion jeder Art darstellt.«50 Gottes vorbehaltloses Beziehungs-Ja der Liebe zu jedem Menschen ist der theologische Schlüssel zur Inklusion.51 4.2 Inklusion in rechtlicher und (berufs-)pädagogischer Perspektive 2006 wird von der UN-Generalversammlung die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung verabschiedet. Sie ist ein völkerrechtliches Übereinkommen und seit 26. März 2009 in Deutschland gültiges Bundesrecht. In der Konvention ist zu lesen: »Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage von Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives [engl. «inclusive», G.W.] Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen« (Art. 24,1), und »dass Menschen mit Behinderung nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungs-

50 Wolfhard Schweiker: Teilhabequalität der Gottesebenbildlichkeit. Anthropologische Erwägungen zum inklusiven Lernen, in: Thomas Schlag/Henrik Simojoki (Hg.): Mensch – Religion – Bildung. Religionspädagogik in anthropologischen Spannungsfeldern. Festschrift für Friedrich Schweitzer, Gütersloh 2014, 503–514, hier 510. 51 Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) (Hg.): Inklusion 2014a (s. o. Anm. 49), hier 42. Siehe hierzu auch Ulf Liedke: Gegebenheit – Gabe – Begabung? Systematisch-Theologische Notizen zum Diskurs über »Behinderung« und zu einer inklusiven Anthropologie für alle Menschen, in: Pastoraltheologie 98/2009, 466–482.

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system ausgeschlossen werden« (Art. 24,2 a).52 Schweiker erkennt in dieser sog. Behindertenrechtskonvention die Konkretion eines allgemeinen Menschenrechts auf Bildung, Teilhabe und Gleichbehandlung für diese Personengruppe in allen Lebensbereichen. Mit ihr verpflichte sich die Bundesrepublik Deutschland unter anderem, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen und gleiche Wahlmöglichkeiten zu gewährleisten.53 Dieses gültige Bundesrecht soll das Recht von Menschen mit Behinderung auf Bildung ohne Diskriminierung auf der Grundlage von Chancengleichheit verwirklichen. Seit der Unterzeichnung dieser UN-Konvention wird eine nachhaltige Diskussion über inklusive Bildung geführt. Dabei ist der in Art. 24 der Konvention verwendete Bildungsbegriff nicht nur auf das allgemeinbildende Schulsystem zu beziehen. Im Kontext der Forderung nach lebenslangem Lernen sind alle Institutionen mit Bildungsauftrag angesprochen. Inklusion wird so zu einer vielseitigen Herausforderung, die Bildungseinrichtungen damit konfrontiert, das Prinzip der Inklusion als pädagogische Leitperspektive umzusetzen. Inklusion konsequent voranbringen heißt, dass sich »alle Schulen auf den Weg zu einer inklusiven Schule machen«54 sollten. Im Bereich beruflicher Bildung wird nun beispielsweise über die Zukunft spezialisierter Einrichtungen wie der Berufsbildungswerke oder die Perspektive spezialisierter Ausbildungen wie der Fachpraktikerausbildung zu diskutieren sein sowie über den Stellenwert von Übergangssystemen. »Ist der Zuschnitt eigener Ausbildungsberufe unterhalb des anerkannten Ausbildungsberufs wie die Fachpraktikerausbildung nach § 66 BBiG ein Weg zu einem vollwertigen Ausbildungsabschluss bzw. qualifizierten Berufseinstieg? Oder sind diese eigenen Abschlüsse separierend und wirken sie damit echter Inklusion entgegen?«55 Zur 52 UN-Konvention: Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Dreisprachige Fassung im Bundesgesetzblatt Jg. 2008 Teil II Nr. 35. Bonn, 31.12.2008, 1436. Abrufbar über http://www.un.org/Depts/german/uebereinkommen/ar61106-dbgbl.pdf (Zugriff am 28.12.2016). 53 Wolfhard Schweiker: Aktuelle Herausforderung für Theologie und Kirche: Inklusion 2011, abrufbar über http://pfarrerverband.medio.de/pfarrerblatt/dpb_print.php?id=3004 (Zugriff am 2.3.2016). 54 Annette Scheunpflug: Inklusion und Bildung. Statement Prof. Dr. Annette Scheunpflug, Vorsitzende der Ad-hoc-Kommission »Inklusion« der EKD 2015, 1, abrufbar über http://www.ekd. de/download/150126_Statement_vorstellung_Inklusionstext_PK_OTextScheunpflug.pdf (Zugriff am 1.8.2016). Die EKD formuliert in der Orientierungshilfe auch Rahmenbedingungen für eine inklusive Schule und Herausforderungen für den Religionsunterricht. 55 Dieter Euler/Eckart Severing: Inklusion in der beruflichen Bildung Position beziehen Praxis gestalten. Umsetzungsstrategien für inklusive Ausbildung 2015, 40, abrufbar über http:// www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/inklusion-in-der-beruflichenbildung/ (Zugriff am 1.8.2016).

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Diskussion stehen damit auch Organisationsformen der Separation. Hinsichtlich dieser und weiterführender pädagogischer Diskussionen sind es vor allem zwei Subpädagogiken, die sich an diesem Diskurs beteiligen. Beide haben sich in den vergangenen Jahrzehnten unterschiedlich spezialisiert und entwickelt und stehen in einem nur bedingten Austausch miteinander: die Sonderpädagogik und die Berufspädagogik.56 Der Auftrag der Sonderpädagogik scheint klar umrissen: Sie ist in Deutschland ein Teilbereich der Pädagogik und ihr Auftrag besteht darin, an der Entwicklung von Menschen, für die ein besonderer Förderbedarf festgestellt wird, mitzuwirken und der Verbesserung ihrer individuellen und gesellschaftlichen Situation nachzugehen.57 Die Aufgaben der Berufspädagogik sind indes vielfältig und der Bildungsauftrag der Berufsschule ist in ein vielschichtiges Netzwerk eingebunden. Sie ist eine Stätte der Fortführung der Allgemeinbildung und der Erziehung und Bildung für den Beruf.58 Aus Sicht der Sonderpädagogik ist dadurch ihr »[…] eigenständiger Handlungsspielraum zur Verwirklichung inklusiver Strukturen stärker reglementiert, als dies im vorausgehenden Bildungssystem der Fall sein dürfte.«59 In beiden Bildungssystemen, im allgemeinbildenden Bereich wie auch im berufsbildenden Bereich, besteht aber alleine schon aus rechtlicher Perspektive ein politischer und gesamtgesellschaftlicher Konsens zur Umsetzung von Inklusion.60 In vielen Fällen ermangelt es jedoch an den Voraussetzungen für eine inklusive Berufsbildung. Als Ziel kann gelten, dass »[…] deutlich mehr Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine betriebliche oder vollzeitschulische Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf absolvieren als bisher. Für sie bleibt individuelle Förderung unverzichtbar. Sie soll aber innerhalb bestehender Berufsbildungsangebote stattfinden und nicht in Sondermaßnahmen oder Sondereinrichtungen.«61 Für die Umsetzung inklusiver beruflicher Bildung erfordert dies 56 Roland Stein/Stephanie Wagner/Hans-Walter Kranert: Inklusive berufliche Bildung (IBB) – ein bayerischer Modellversuch im berufsschulischen Bereich, in: Zeitschrift für Heilpädagogik 5/2015, 243–256, hier 244. 57 Friedrich W. Kron/Eiko Jürgens/Jutta Standop: Grundwissen Pädagogik, München u. a. (1988) 8 2013, 25. 58 Andreas Schelten: Schule – Werte – Religion: Berufsschulkongress am 03. Mai 2010 in Stuttgart, in: EIBOR/KIBOR (Hg.): Schule – Werte – Religion. Kongress des Evangelischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik (EIBOR) und des Katholischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik (KIBOR) am 3. Mai 2010 in Stuttgart, Norderstedt 2011, 19–27, hier 23, 27. 59 Stein/Wagner/Kranert, Modellversuch 2015, 245. 60 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hg.): Bildung in Deutschland 2016. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration, Bielefeld 2016, 71. 61 Rainer Schulz/Wolfgang Seyd: Inklusion in der beruflichen Bildung, in: Berufliche Bildung Hamburg 3/2013, 18–19, 18.

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Veränderungen auf verschiedenen Ebenen und einen Einbezug aller Akteure. Das Hamburger Institut für berufliche Bildung nennt in diesem Zusammenhang einige Eckpunkte: In der Gestaltung der Rahmenbedingungen in den Lernorten sind die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung zu achten. Es bedarf der Weiterentwicklung von Lehr- und Lernkonzepten unter besonderer Berücksichtigung des Individualisierungsprinzips, der Qualifizierung des Lehrpersonals und des Aufbaus multiprofessioneller Teams mit den nötigen Ressourcen. Geboten ist der Aufbau bzw. Umbau der Unterstützungs- und Anreizsysteme und eine Weiterentwicklung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, die Zugänge zu beruflichen Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen gewährleisten.62 Deutlich wird dabei, dass der individuelle Unterstützungsbedarf von jungen Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen nur in einem komplexen Wirkungsgefüge verschiedener Faktoren abbildbar ist63 und dass Inklusion zur Zunahme von Heterogenität in Lerngruppen führt. In gewissem Sinne gehören Inklusion und Heterogenität zusammen. 4.3 Inklusion, berufliche Bildung und berufliche Schulformen Zum Schuljahr 2014/2015 besuchen insgesamt 2.506.039 Schülerinnen und Schüler berufsbildende Schulen.64 Die Mehrheit dieser Jugendlichen ist im Dualen System: So absolvieren 2014 1.358.550 Jugendliche eine Ausbildung65 – sie sind es, die die Teilzeitberufsschule besuchen. Einen Zugang zum Dualen System erhalten sie über einen Ausbildungsplatz, dessen Vergabe den Unternehmen, das heißt Handwerk, Industrie und Dienstleistungsunternehmen, als Partnern der beruflichen Bildung vorbehalten ist. Dies wiederum bedeutet, dass die Bedingungen der Berufsschule als Partner im Dualen System durch den Lernort Betrieb bestimmt sind und Inklusion in Bereich der Teilzeitberufsschule insofern auch an entsprechende Berufsausbildungsangebote gekoppelt ist. In der Gegenwart gibt es verstärkt Initiativen, die auch junge Menschen mit Förderbedarf zur Berufsausbildung führen möchten. Hier ist das Projekt »Stark für Ausbildung« zu nennen, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, der DIHK-BildungsGmbH und der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk e. V. getragen ist. 62 63 64 65

Ebd., 18–19. Stein/Wagner/Kranert, Modellversuch 2015, 247. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hg.), Deutschland 2016, 229. Statistisches Bundesamt (Hg.): Berufliche Bildung. Fachserie 11, Reihe 3/2014, 2015, 23, abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/ BeruflicheBildung/BeruflicheBildung2110300147004.pdf?__blob=publicationFile (Zugriff am 1.12.2015).

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Es legt den Fokus auf eine bessere Integration vermeintlich leistungsschwächerer Jugendlicher ins Berufsleben. Dabei, so Sabine Hepperle vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, sei von Anfang an klar gewesen, »[…] dass hierbei die Unternehmen ›mit ins Boot‹ müssen. Im Interesse einer erfolgreichen gemeinsamen Zukunft von Auszubildenden und Betrieb muss die Bereitschaft zur Veränderung auf beiden Seiten geschaffen werden. Genau das leistet das Projekt, indem es Ausbilder dazu qualifiziert, den besonderen Förderbedarf eines Jugendlichen individuell zu erkennen und anzuerkennen, die Ausbildungsstrukturen im Unternehmen entsprechend weiterzuentwickeln und Auszubildenden Wege zur Entfaltung ihrer Potenziale zu eröffnen.«66

Das Projekt hat die Förderung der beruflichen Ausbildung zum Ziel und stellt auch einen Beitrag zur Deckung der Bedarfe von Unternehmen dar. Inwiefern es zu einem Anstieg von Ausbildungsverträgen mit Menschen mit Behinderungen und in der Folge zur Herausforderung Inklusion in der Teilzeitberufsschule und im Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen führt, bleibt abzuwarten. Die Diskussion zur Inklusion in Unternehmen bezeichnet Pahl als »sehr zaghaft«.67 Vor diesem Hintergrund ergeben sich für ihn verschiedene Berührungspunkte von Inklusionsmöglichkeiten und beruflichen Schulformen. In der Vollzeitberufsschule, die Bildungsgänge bietet, deren Träger in der Regel ausschließlich die Schule, das heißt der Staat ist, besteht eine höhere Inklusionsmöglichkeit. Eine Ausnahme bilden hier jene Schularten, die beispielsweise eine abgeschlossene Berufsausbildung vorsehen, wie dies etwa in Baden-Württemberg im Fall des einjährigen Berufskollegs zur Erlangung der Fachhochschulreife der Fall ist. Ebenso sind jene Vollzeitberufsschularten hiervon ausgenommen, die Praxisvoraussetzungen haben bzw. an die sich eine betriebliche Praxisphase anschließt, die eine vertragliche Voraussetzung zum Schulbesuch darstellt, wie es beispielsweise in Baden-Württemberg bei den zweijährigen Berufskollegs für technische Assistenten der Fall ist.68 In der Teilzeitberufsschule, deren Besuch in Abhängigkeit zu Betrieben steht, bieten sich nur geringe Inklusionsmöglich66 Sabine Hepperle: Es lohnt sich!, in: DIHK-Gesellschaft für berufliche Bildung – Organisation zur Förderung der IHK-Weiterbildung GmbH (Hg.): Dokumentation: Fachtagung Berlin, Hamburger Bahnhof, 20. November 2014, Stark für Ausbildung: Chancen ergreifen – Potenziale nutzen!, 6. 67 Jörg-Peter Pahl: Schulinterne Curricula und Inklusion, in: BRU. Magazin für den Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen 62/2014, 45–50, hier 45. 68 Die Ausbildung soll dazu befähigen, »[…] die in den Laboratorien, Instituten, Werkseinrichtungen, Prüf- und Versuchsfeldern der Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft vorkommenden technischen Arbeiten entsprechend dem beruflichen Tätigkeitsfeld des Assisten-

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keiten an. Aus institutioneller Perspektive ergeben sich im Berufsvorbereitungsjahr, im schulischen Berufsgrundbildungsjahr und im Beruflichen Gymnasium die größten Inklusionsmöglichkeiten.69 Das hohe Maß an Differenzierung der Schulformen verdeutlicht, dass es flexibler und anpassungsfähiger Curricula bedarf, die ihrerseits an individuelle Bedürfnisse angepasst werden können. Für Pahl dreht sich die momentane Debatte im Bereich beruflicher Bildung bestenfalls um schulinterne Curricula und um das Berufsfachliche und um die Frage, ob Inklusionsvorstellungen an beruflichen Schulen überhaupt einlösbar sind.70 Ungeachtet der damit verbundenen Anstrengungen ist die Inklusion behinderter Jugendlicher in etablierte Ausbildungsgänge unweigerlich an die Betriebe als Partner der dualen Ausbildung gekoppelt. 4.4 Inklusion und Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen Generell erfordert Inklusion ein hohes Maß an Flexibilität, Individualisierung und Anpassungsbereitschaft, denn die Umsetzung des gesellschaftlichen Leitbilds Inklusion »[…] erweitert die im Unterricht zu berücksichtigende Vielfalt an sozialen, emotionalen, kognitiven, sensomotorischen und sprachlichen Entwicklungsmöglichkeiten und Förderbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler.«71 Didaktische Konzepte sind dementsprechend zu ergänzen – im Blick auf eine inklusive Fachdidaktik. Allerdings gebe es weder in den Fachdidaktiken noch in der Schulpädagogik eine etablierte Tradition für die Entwicklung von fach- und allgemeindidaktischen Konzepten für inklusionsorientierten Unterricht, so das Resümee von Kahlert und Kazianka-Schübel.72 Lehrkräfte sind auch hier wichtige Akteure des sozialen Wandels und der Erfolg von Inklusion ist in hohem Maße abhängig von der Qualität ihres Unterrichts. So wird in der Literatur immer wieder darauf verwiesen, dass ein Bedarf bestehe, die Umsetzung von Inklusion in der unterrichtlichen Praxis zu thematisieren und ihn didaktisch-methodisch zu konzeptionieren.73

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ten nach Anweisung oder in begrenztem Umfeld auch selbstständig ausführen zu können.« http://www.kultusportal-bw.de/,Lde/Startseite/schulebw/BK+fuer+techn_+Assistenten (Zugriff am19.8.2016). Gegenwärtig werden zwölf Fachrichtungen angeboten. Jörg-Peter Pahl: Berufsbildende Schulen: Bestandsaufnahme und Perspektiven, Bielefeld 2007, 45. Ebd., 47. Joachim Kahlert/Eveline Kazianka-Schübel: 2.2 Inklusionsorientierter Unterricht, in U. Heimlich/J. Kahlert/R. Lelgemann/E. Fischer (Hg.): Inklusives Schulsystem. Analysen, Befunde, Empfehlungen zum bayerischen Weg, Bad Heilbrunn 2016, 37–60, hier 37. Ebd., 38. Tanja-Maria Rebbert/Isabella Wilmanns: Gemeinsamer Unterricht am Gemeinsamen Gegenstand: Das Projekt »Jugend inklusive – global engagiert«, in: Erziehungswissenschaft 24/46, 51–63, 51.

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Es geht dabei um Fragen der Gestaltungsmöglichkeiten eines inklusiven Unterrichts, respektive eines inklusiven Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen. Der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen kann hier an die von Georg Feuser entwickelte und konzipierte Allgemeine (integrative) Pädagogik und entwicklungslogische Didaktik anknüpfen. Feuser verfolgt mit seiner Konzeption den Anspruch, Menschen gemeinsam zu bilden. Seine Didaktik baut auf individualisierenden, binnendifferenzierenden und kooperativen Lernarrangements auf.74 Angesichts des leitenden Prinzips der Individualisierung ist jedoch achtsam mit interindividuellen Differenzen umzugehen: Diese dürfen nicht zur Exklusion bzw. Trennung führen. Nach Schweiker und Müller-Friese kennzeichnen darüber hinaus folgende vier didaktische Zugangsweisen eine inklusive Fachdidaktik: Ȥ Basal-perzeptive Zugangsweisen sprächen die sinnliche Wahrnehmung an. Ȥ Konkret-gegenständliche Zugangsweisen ermöglichten es Jugendlichen, ihre Welt durch eigenes Handeln und Tun zu erkunden. Ȥ Anschauliche Zugangsweisen knüpften an die Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler an, eine Vorstellung von sich selbst zu entwickeln und sich von ihrer Lebenswelt ein Bild zu machen. Ȥ Abstrakt-begriffliche Zugangsweisen ermöglichten es, die Welt mithilfe von Zeichen und Symbolen wahrzunehmen und zu erkunden.75 Kooperative Lernarrangements haben dabei ein hohes Schüleraktivierungspotenzial und eine Entlastungsfunktion für die Lehrkraft. Sie fördern darüber hinaus soziale Kompetenzen und können emotionale Bindungen stärken. Damit ziele der »[…] inklusionsfördernde Unterricht immer auch auf eine konsequente Erweiterung der Lern- und Methodenkompetenz.«76 Darüber hinaus ist es auf der Ebene der Inhalte naheliegend, Inklusion in Kirche und Gesellschaft eigens zum Thema im Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen zu machen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der konfessionelle Religionsunterricht, das konfessionell-kooperative sowie interreligiöse Lernen unter den Vorzeichen der Inklusionspädagogik neu bedacht werden müssen, was auch die EKD in ihrer Orientierungshilfe Es ist normal, verschieden zu sein betont.77 Dabei bedeutet Inklusion aus pädagogischer Sicht die Lernbedingungen so zu gestalten, »[…] dass 74 Georg Feuser: Prinzipien einer inklusiven Pädagogik, in: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft 2/2001, 25–29. 75 Wolfhard Schweiker/Anita Müller-Friese: Inklusion in Schule und Religionsunterricht – Herausforderungen und mögliche Konkretionen, in: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 10/2011, 80–84. 76 Ebd., 83. 77 Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) (Hg.), Inklusion 2014a, 116.

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jede Person in ihrer unverwechselbaren Einzigartigkeit unabhängig von allen Differenzen als vollwertiges Mitglied (full membership) wahrgenommen wird. Alle werden so gebildet und unterstützt, dass niemand aus der Gemeinschaft herausfällt.«78 Inklusion bringt die Vielfalt aller Menschen in den Blick, Verschiedenheit wird zur Norm erklärt: »Normal ist verschieden zu sein.«

5. Religionsunterricht vor dem Hintergrund religiöser Indifferenz Religiöse Pluralisierung ist eine Signatur der Gegenwart79 und ein Charakteristikum moderner, pluralistischer Gesellschaften – Preul bezeichnet diese Situation als einen »Spezialfall« des »Dauerthemas Religion in der Gesellschaft«.80 Die Wahrnehmung religiöser Vielfalt reicht allerdings weiter zurück: In The varieties of religious experience kommt William James bereits 1902 darauf zu sprechen und auf ihn geht die Formulierung von der Vielfalt religiöser Erfahrung zurück. Gleichwohl ist jene Formulierung in ihrer Reichweite – zeitbedingt – begrenzt. Für Käbisch gehört sie aber bis heute zu den stärksten Argumenten für eine pluralitätsfähige Religionspädagogik.81 In ihrer Denkschrift Religiöse Orientierung gewinnen weist die EKD Pluralitätsfähigkeit als zentrales Bildungsziel aus.82 Auszubildende und Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen, dass sie angesichts der religiös-weltanschaulichen Vielfalt Orientierung zu gewinnen vermögen, ist so zu einer neuen Grundaufgabe der Religionspädagogik geworden. Folgt man Käbisch, dann resultiert bei James die Vielfalt religiöser Erfahrung aus der Vielfalt religiöser Ausdrucks- und Verstehensformen, denen Menschen in ihren konkreten Lebenszusammenhängen begegnen. Diese Vielfalt stellt keine Variation einer »Grunderfahrung« dar, sie ist eine prinzipiell spannungsreiche Ungleichheit und Verschiedenartigkeit einer Vielzahl von Erfahrungen: 78 Wolfhard Schweiker: Theologie und die aktuelle Inklusionsdebatte in Bildungseinrichtungen und Gesellschaft, 2012, 3, abrufbar unter http://www.beb-ev.de/files/pdf/2012/dokus/lehrer/ Theologie_und_Inklusionsdebatte_Vortrag_Schweiker.pdf (Zugriff am 28.12.2016). 79 Friedrich Schweitzer: Situation und Strömungen der christlichen Religionspädagogik. Ein perspektivischer Deutungsversuch, in: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 11/2012, 19–31, hier 24. 80 Rainer Preul: So wahr mir Gott helfe! Religion in der modernen Gesellschaft, Darmstadt 2011. 81 David Käbisch: Die Vielfalt religiöser Erfahrung und die Grundlegung einer pluralitätsfähigen Religionspädagogik, in: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 7/2008, 59–65, hier 59. 82 Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) (Hg.): Religiöse Orientierung gewinnen. Evangelischer Religionsunterricht als Beitrag zu einer pluralitätsfähigen Schule. Eine Orientierungshilfe des Rates der EKD, Gütersloh 2014b, 54.

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»Diese [Vielfalt religiöser Ausdrucks- und Verstehensformen, G.W.] sind nicht als Sekundärphänomene für die eigentlich gemeinte Sache ›x‹ in den Blick zu nehmen, sondern als Voraussetzung für religiöse Erlebnisse und Erfahrungen, die mindestens so vielgestaltig sind wie die Ausdrucks- und Verstehensformen der Religionen. Für die Grundlegung einer pluralitätsfähigen Religionspädagogik ergibt sich daraus die erste Konsequenz, originale Begegnungen mit der eigenen Religion und mit fremden Religionen zu reflektieren und – soweit möglich – in situierten Lernumgebungen zu ermöglichen, ohne dabei im Fremden nur das entdecken zu wollen, was schon in der eigenen Tradition wichtig ist.«83

Aus der Praxis des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen ist bekannt, dass diese Entdeckungsreise oftmals bei der je eigenen religiösen Tradition der Schülerinnen und Schüler ansetzen muss. Mit Kumlehn muss davon ausgegangen werden, »[…] dass sich die lebensbedeutende Kraft christlicher Tradition Schülerinnen und Schülern keineswegs mehr selbstverständlich erschließt.«84 Hinzu kommt, dass hinsichtlich der pluralen Gesellschaft sich die Einsicht durchsetzt, dass Kinder und Jugendliche heute von früh auf zusammen mit anderen Kindern und Jugendlichen aufwachsen, die aus einem anderen Kulturkreis kommen, einer anderen Religion angehören oder auch keine formale Religionszugehörigkeit besitzen – regional gibt es dabei deutliche Unterschiede. Die Studie des Bonner evangelischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik und des Instituts für evangelische Theologie der TU Dresden zum Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen in der Pluralität hebt diese Unterschiede in der konfessionellen Zusammensetzung der Schülerschaft neu ins Bewusstsein: In Sachsen beispielsweise sind 80 Prozent der Jugendlichen, die die Berufsschule besuchen, konfessionslos, in Nordrhein-Westfalen hingegen gibt es einen hohen Anteil muslimischer Schülerinnen und Schüler.85 So ist Pluralität zwar zum Normalzustand im Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen geworden, allerdings ist sie regional verschieden und an sich facettenreich. So ist in Sachsen der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen oftmals der erste Kontakt, den die Jugendlichen mit Religion haben. Entsprechend hätten die Jugendlichen ein »primäres Interesse am Kennenlernen des Christentums, was als Motivation für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen in NRW weitgehend aus83 Käbisch, Vielfalt 2008, 63. 84 Martina Kumlehn: Religionsunterricht im Plural, in: Praktische Theologie. Zeitschrift für Praxis in Kirche, Gesellschaft und Kultur 50/2015, 41–51, hier 41. 85 Andreas Obermann/Roland Biewald: Christliche, muslimisch und konfessionslose Auszubildende im evangelischen Religionsunterricht in Sachsen und NRW – eine Gratwanderung zwischen Beliebigkeit und konfessioneller Engführung?, Bonn 2014, 9, 57.

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fällt.«86 Eine Schlussfolgerung hieraus lautet, dass religiöse Identitätsbildung und die Begegnung mit anderen Religionen Hand in Hand gehen sollten. 5.1 Interreligiöse Bildung als religionspädagogische Aufgabe – didaktische Konkretionen Die damit einhergehende religionspädagogische Aufgabe bezeichnet Schweitzer nicht mit interreligiösem Lernen, sondern sie muss als interreligiöse Bildung verstanden werden. Sie ist kein Spezialanliegen mit begrenzter Reichweite; vielmehr gehe es in dem Sinne um Bildung, »[…] dass von einer durchgängigen Dimension von zunächst religiöser Bildung, weiter gefasst zugleich aber auch zu einem Beitrag von Bildung überhaupt zu sprechen ist.«87 Zur Pluralitätsfähigkeit gehören bestimmte Haltungen, die Menschen dazu befähigen, Erfahrungen von und mit Pluralität zu bearbeiten. Ein Kennen und eine reflektierende Begegnung mit der eigenen Tradition, wie sie von Käbisch benannt werden, stellen einen Ausgangspunkt dar. Im Blick auf zu erwerbende Kompetenzen kann interreligiöse Bildung didaktisch wie folgt konkretisiert werden:88 Zu nennen ist zunächst der Erwerb von Wissen über andere Religionen und Weltanschauungen. Hierzu gehört auch das Wissen um die gelebte Form von Religion in Deutschland und Europa, womit viele Möglichkeiten einer schülerorientierten Zugangsweise verbunden sind. Wissen allein macht jedoch noch nicht pluralitätsfähig und so geht es des Weiteren um ein Verstehen und eine Perspektivenübernahme (s. o.). Hier sind Verstehensprozesse von Glaubensüberzeugungen und religiöser Praxisformen angesprochen, die ihre Zuspitzung in der Perspektivenübernahme finden. Es geht u. a. darum, die Welt mit den Augen des Anderen zu sehen, was auch den Blick des Anderen auf mich beinhaltet. Das heißt, es geht um eine Perspektivenübernahme sowohl im Blick auf Angehörige verschiedener Religionen als auch »[…] im Sinne der Unterscheidung zwischen Innen- und Außenperspektive.«89 Pluralitätsfähigkeit beinhaltet darüber hinaus Handlungsfähigkeit: »Die Anwendung von Wissen, Verstehen/Perspektivenübernahme in der Gestalt von 86 Ebd., 57. 87 Friedrich Schweitzer: Religiöse Orientierung gewinnen. Religionspädagogische Aufgaben in der multireligiösen Gesellschaft, in: Loccumer Pelikan 1/2015, 9–12, hier 9. Zur Verhältnisbestimmung von interreligiösem Lernen und interreligiöser Bildung siehe Friedrich Schweitzer: Interreligiöse Bildung: Religiöse Vielfalt als religionspädagogische Herausforderung und Chance, Gütersloh, 2014b, 33–36. Zur Definition von interreligiöser Bildung siehe ebd., 129–139. 88 Friedrich Schweitzer, Bildung, Neukirchen-Vluyn, 2014a, 199–201 und ders., Interreligiöse Bildung 2014b, 35–36; Orientierung 2015, 9. 89 Schweitzer, Interreligiöse Bildung 2014b, 36.

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Kommunikation, Partizipation usw.«90 Hierzu bedarf es der Sprachfähigkeit und übergreifender Fähigkeiten wie des Argumentierens und Urteilens. Hierin liegen besondere Herausforderungen, wenn man an die von Schneider-Harpprecht angesprochene abnehmende religiöse Sprachfähigkeit und Vertrautheit mit den religiösen Traditionen91 und an die Ergebnisse der Studie unter Berufsschuljugendlichen von Feige und Gennerich denkt, die »[…] eine Pluralität religiöser Semantiken bzw. Vermeidung aller Axiomatiken«92 anregen, um die Berufsschülerinnen und Berufsschüler zu erreichen. Interreligiöse Bildung beinhaltet zudem die Aspekte Haltungen und Einstellungen in einem emotionalen Sinne. Erforderlich sind bspw. Toleranz, Respekt, Anerkennung, Solidarität – sie gilt es zu unterstützen. »Erst unter dieser Voraussetzung können die genannten Fähigkeiten die angestrebte Rolle für religiöse Pluralitätsfähigkeit spielen. Das bloße Wissen über andere Religionen beispielsweise macht noch nicht pluralitätsfähig, sondern kann auch zu deren Abwertung führen. Erst durch entsprechende Haltungen werden diese Fähigkeiten gleichsam so in der Person verankert, dass sie im Dienste der Toleranz und wechselseitigen Anerkennung eingesetzt werden.«93

5.2 … didaktische Prinzipien Neben dieser didaktischen Grundlage interreligiöser Bildung gibt es didaktische Prinzipien, die wahrzunehmen der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen in der Pluralität, dessen prägendes Merkmal Heterogenität ist, gut beraten ist. Hier ist zunächst das Ausloten der religiösen Sozialisation der Jugendlichen zu nennen. Als ein Ergebnis ihrer Studie »BRU in der Pluralität« benennen Biewald und Obermann diese Schülerorientierung als wichtige Voraussetzung für eine angemessene didaktische Gestaltung und Planung des Unterrichts.94 Damit kann zugleich ein erstes Thema gesetzt sein, wenn die Jugendlichen zu Beginn des Schuljahres bzw. zu Ausbildungsbeginn dieses im Unterricht behandeln. Dabei kann über das Reflektieren des eigenen Bekenntnisses bzw. der eigenen 90 Schweitzer, Orientierung 2015, 10. 91 Christoph Schneider-Harpprecht: Religion und religiöse Bildung – eine Dimension der Gesellschaft – Thesen, in: M. Hailer/H.-B. Petermann/H. Stettberger (Hg.): Bildung – Religion – Säkularität, Heidelberg 2013, 249–252, hier 250. 92 Andreas Feige/Carsten Gennerich: Lebensorientierungen Jugendlicher. Alltagsethik, Moral und Religion in der Wahrnehmung von Berufsschülerinnen und Berufsschülern in Deutschland, Münster u. a. 2008, 189. 93 Schweitzer, Bildung 2014a, 201. 94 Obermann/Biewald, Auszubildende 2014 (s. o. Anm. 85), 27.

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religiösen bzw. areligiösen Sozialisation hinaus auch das Kennenlernen anderer Religionen auf der Ebene der Lebenswelt stattfinden. Die Jugendlichen können ihre biografischen Hintergründe miteinander ins Gespräch bringen, was Verstehens­prozesse anregen kann. Hier kann das Elementarisierungskonzept zielführend sein:95 Das Aufdecken elementarer Strukturen einer Sache und didaktische Fragen nach elementaren Zugängen, Erfahrungen, Wahrheiten und elementarer Sprache eröffnet gerade dem Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen in der Pluralität neue Möglichkeiten und Chancen. Darüber hinaus sollten die Lerngruppen in die Themenfindung mit einbezogen werden, was bei vielen Lehrkräften, so unsere Beobachtung und eigenen Erfahrungen der Unterrichtspraxis, auch geschieht. Hier bieten sich dem Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen in der Teilzeitberufsschule mehr Möglichkeiten, als dies in der Vollzeitschule der Fall ist. Dort, wo Religion zum Set der prüfungsrelevanten Fächer gehört, kann der Umgang mit dem Lehrplan weniger flexibel gestaltet werden. Für die Situation mit mehrheitlich konfessionslosen Schülerinnen und Schülern benennen Biewald und Obermann des Weiteren elementare Kurse zu Grundfragen des Christentums als wichtig:96 Die Jugendlichen brauchen grundlegende Kenntnisse über Christentum und andere Religionen, will man das Elementarisierungskonzept mit theologischen Interpretationen verbinden und interreligiöse Bildung anregen. Des Weiteren ist über erfahrungsbezogene Lernformen nachzudenken (Stichwort »Exkursion«), die die Schülerinnen und Schüler aktivieren und zum Recherchieren anregen. Religion kann hier in ihren Lebenszusammenhängen erfahrbar werden. Exemplarisch kann auch auf die Kirchenraumpädagogik verwiesen werden, die Lernende aktivieren möchte, Kirchen mit allen Sinnen zu erkunden.97 Den christlichen Glauben als sinnstiftend, wertorientierend und hilfreich für das Leben aufzuzeigen und auch erfahrbar zu machen, kann durch kognitive Zugänge ebenso geschehen wie durch emotive, erfahrungsbezogene Zugangsweisen. Die evangelische bzw. katholische Lehrkraft kann hierzu Vertreter anderer Religionen einladen, um deren Religion aus einer Innenperspektive, die sie auch für einige Schülerinnen und Schüler hat, wahrzunehmen. Damit leistet religiöse Bildung auch einen Beitrag zur Bildung überhaupt, denn authentische Begegnungen mit Vertretern von

95 Friedrich Schweitzer: Elementarisierung im Religionsunterricht. Erfahrungen, Perspektiven, Beispiele. Mit weiteren Beiträgen von Karl Ernst Nipkow, Albert Biesinger, Norbert Mette, Regine Froese, Oliver Kliss, Tobias Ziegler, Neukirchen-Vluyn (1995) 32011. 96 Obermann/Biewald, Auszubildende 2014 (s. o. Anm. 85), 31. 97 Siehe hierzu auch Christoph Bizer/Hartmut Rupp: Kleiner Kirchenführer. Mit der Bibel durch das Haus Gottes, Stuttgart 2009.

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Religionen erhöhten die Offenheit gegenüber anderen Religionen, so Krimmer.98 Damit leistet der Religionsunterricht in der beruflichen Schule einen weiteren Beitrag zu Toleranz und Pluralitätsfähigkeit. 5.3 Erträge interreligiöser Bildung Die Auseinandersetzung mit Religion, religiösen Traditionen und Religionsgemeinschaften ist gegenwärtig eine der zentralen Bildungsaufgaben. Auf der Ebene des Individuums kann interreligiöse Bildung als Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung gewertet werden. Auf der makrosozialen Ebene müssen Bemühungen um ein besseres Verständnis von Religion und Religionen als gesellschaftlich und politisch relevante Aufgabe erachtet werden. Aber auch im Blick auf ökonomische Aspekte können diese Fragen von Bedeutung sein, wenn interreligiöse Bildung einen Beitrag zu einem verständnisvolleren Miteinander zwischen Mitarbeitern mit unterschiedlicher religiöser Orientierung zu leisten vermag – von einem guten Betriebsklima profitieren die Unternehmen. In gesellschaftspolitischer Perspektive ist mit Krimmer hinzuzufügen, dass eine Gesellschaft, die relativistische Indifferenz oder fundamentalistische Orientierungen gegenüber säkularen Lebensentwürfen oder religiöser Pluralität riskiert, die Möglichkeit eines friedlichen Miteinanders der Religionen und Kulturen aufs Spiel setzt. »In diesem Sinne trägt gerade auch der Prozess der religiösen Pluralisierung dazu bei, die Daseinsberechtigung des schulischen Religionsunterrichts wieder neu plausibel zu machen.«99 Diese Feststellung gilt unseres Erachtens insbesondere für den Religionsunterricht im Bereich beruflicher Bildung: Interreligiöse und interkulturelle Kompetenz in der Ausbildung für den Elementarbereich gewinnt ebenso neu an Stellenwert, wie die interreligiöse und ethische Bildung in der Pflege oder die interreligiöse Bildung im Bereich kaufmännischer Ausbildungsgänge, um drei Berufsfelder in exemplarischer Weise zu nennen. Bei Fragen frühkindlicher Erziehung, Pflege und Betreuung kranker und alter Menschen, aber auch im Bereich des Finanzwesens (Stichwort »Islamic Banking«) kann die interreligiöse Kompetenz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht hoch genug gewürdigt werden. Die Tübinger Institute für berufsorientierte Religionspädagogik haben u. a. zu diesen drei Bereichen Forschungsprojekte implementiert und auf der didaktischen Grundlage interreligiöser Bildung (s. o.) 98 Evelin Krimmer: Optionsvermehrung als Chance und Herausforderung im christlichen Bildungskontext, in: Thomas Schlag/Henrik Simojoki (Hg.): Mensch – Religion – Bildung. Religionspädagogik in anthropologischen Spannungsfeldern. Festschrift für Friedrich Schweitzer, Gütersloh 2014a, 373–384, 375. 99 Ebd., 382.

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Unterrichtsentwürfe und Modelle entwickelt, in der Praxis erprobt und diese zusammen mit Materialien für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen veröffentlicht100 bzw. als Treatments für Interventionsstudien verwendet. In der Forschung dienen Treatments generell dazu, Wirksamkeit von Interventionen zu identifizieren – in diesem Fall handelt es sich um Unterrichtsinterventionen,101 das heißt, Unterrichtseinheiten zum Thema Interreligiosität.102 Diese Einheiten basieren auf den Komponenten »religionsbezogenes Wissen«, »religionsbezogene Perspektivenübernahme« und »religionsbezogene Einstellungen«. In diesem Sinne wird auch das didaktische Modell einer empirischen Überprüfung unterzogen. Die Herausforderungen religiös-weltanschaulicher Pluralität und interreligiöser Bildung betreffen über den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen hinaus Schule und Unterricht insgesamt und stellen überdies Anfragen an eine pluralitätsfähige Schule. Vor diesem Hintergrund wird nochmals deutlich, warum von interreligiöser Bildung zu reden ist und sie als »allgemeine Dimension einer Religionspädagogik in Theorie und Praxis«103 verstanden werden kann, die für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen in der Pluralität bedeutsam ist.

6. Multimedia und Neue Medien Neue Medien sind ein von der jeweiligen Zeit abhängiges Phänomen. So erschienen beispielsweise im Mittelalter Bild- und Votivtafeln als Neue Medien, Luther hat mit dem Erwachsenenkatechismus ebenso ein neues Medium etabliert und die heutige, voranschreitende Digitalisierung bringt Neue Medien

100 In exemplarischer Weise siehe hierzu die Studie zur Interreligiosität in der Pflegeausbildung: Heinrich Merkt/Friedrich Schweitzer/Albert Biesinger (Hg.): Interreligiöse Kompetenz in der Pflege. Pädagogische Ansätze, theoretische Perspektiven und empirische Befunde, Münster/ New York, NY 2014. 101 Friedrich Schweitzer/Georg Wagensommer/Friederike Strohm: Bildungsforschung – Wertebildung – Religion. Erste Ergebnisse der Unterrichtsinterventionsstudie »Wertebildung« des EIBOR, in: BRU. Magazin für den Religionsunterricht in Berufsbildenden Schulen, 66/2016, 36–37. 102 Darüber hinaus arbeitet das EIBOR an einer weiteren Interventionsstudie zum Thema Wertebildung, siehe Friedrich Schweitzer/Georg Wagensommer/Friederike Strohm: Religion – Interesse – moralisches Urteil. Eine Unterrichtsinterventionsstudie des EIBORs, in: BRU. Magazin für den Religionsunterricht in Berufsbildenden Schulen, 62/2014, 44 und Friedrich Schweitzer/ Georg Wagensommer/Friederike Strohm: Bildungsforschung – Wertebildung – Religion. Erste Ergebnisse der Unterrichtsinterventionsstudie »Wertebildung« des EIBOR, in: BRU. Magazin für den Religionsunterricht in Berufsbildenden Schulen, 66/2016, 36–37. 103 Schweitzer, Interreligiöse Bildung 2014b, 65.

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mit sich, die die Religionsdidaktik vor Herausforderungen stellt.104 In der Breite erscheint die Nutzung von elektronischen Publikationen und von tablet-basierten Lerngängen noch nicht im Religionsunterricht angekommen zu sein, auch wenn es dazu erste Bemühungen gibt.105 Neue Medien im heutigen Sprachgebrauch bezeichnen digitale, in der Regel mit dem Internet und über das Internet vernetzte sowie auf verschiedenen Benutzeroberflächen dargestellte und zu verarbeitende Lehr- und Lernmedien. Eine grundlegende Unterscheidung besteht zwischen Neuen Medien, die webbasiert funktionieren, und an mobile Hardware gebundene Lernumgebungen. Bei den webbasierten Neuen Medien gibt es vor allem unüberschaubar viele Informationsseiten zum Thema Religion und seinen verschiedenen Dimensionen. Religionsdidaktisch strukturierte und auf bestimmte Adressatengruppen hin durchdachte, webbasierte Angebote sind dagegen rar bzw. werden derzeit ausgearbeitet (z. B. http://webcompetent.org). Daneben gibt es elektronische Publikationen im Word- oder PDF-Format, die neben ihrer klassischen Buchform auch Bearbeitungen von Arbeitsmaterial auf Computern oder Tablets zulassen. Zu den hardwaregebundenen Systemen zählen E-Books, die über ihre Oberfläche verschiedene Informationen in Textform oder auch über zahlreiche Bilder sowie eingebundene Videos bieten. Außerdem werden hier Möglichkeiten eröffnet, konkrete Arbeitsaufträge direkt in Programm-Applikationen zu erledigen. Die Vorteile all dieser Neuen Medien sind ihre Niederschwelligkeit im Zugang zum religiösen Bildungsgang und ihr hoher Individualisierungsgrad. 6.1 Medienkompetenz Da die Nutzung von Smartphones, Tablets und des Internets wichtige Sozialisationsfaktoren sind, ist die Frage nach Neuen Medien zunehmend zu einer Frage geworden, wie anschlussfähig Medien im Religionsunterricht im Vergleich zu anderen Unterrichtsfächern sind. Dort, wo Neue Medien selbstverständlich in den Unterricht einfließen, geschieht dies in der Regel vor dem Hintergrund der vielfältigen Erlebnisse, die Schülerinnen und Schüler bzw. Auszubildende mit Neuen Medien über ihre Smartphones, die Informationsgewinnung im Internet sowie Computerspiele mitbringen. So kann sich der Religionsunterricht zum Teil darauf konzentrieren, mit Neuen Medien ein konkretes Problemfeld zu bearbeiten 104 Zusammenfassend Ilona Nord/Hanna Zipernovszky (Hg.): Religionspädagogik in einer mediatisierten Welt, Stuttgart 2017. 105 Matthias Gronover/Johannes Hammer in Zusammenarbeit mit Ch. Munz/A. Spohrer/E. Stein/C. Zügel: Deine Fahrt mit dem Tod, Stuttgart/Tübingen 2016 (IBook).

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und so religiöse Kompetenz zu schulen. In der Selbstverständlichkeit mit dem Umgang mit Neuen Medien liegt freilich auch ein Problem. Schon Kinder haben heute vor ihrem Schuleintritt einen »breiteren und intensiveren Kontakt zu unterschiedlichsten Medien […] als jemals zuvor«.106 Diese breite Basis von verschiedensten Erlebnissen mit neuen Medien kann und soll im Unterricht genutzt werden, muss aber auch in Medienkompetenz überführt werden. Der Religionsunterricht hat hier insbesondere die Aufgabe, einen reflektierten Umgang mit neuen Medien zu schulen. Dabei muss im Mittelpunkt stehen, dass Medien Wirklichkeit repräsentieren und letztlich als Zeichensysteme für das Repräsentierte stehen. Diese sog. mediale Zeichenkompetenz ist eine zentrale Komponente der Medienkompetenz. Medienkompetenz unterscheidet sich in basale und gehobene Fähigkeiten, mit Neuen Medien umzugehen. Basale Fähigkeiten werden dabei schon in der frühen Kindheit erworben und meinen so viel wie einen pragmatischen und weithin unkritischen Umgang beispielsweise mit Internetsuchmaschinen. Gehobene Fähigkeiten müssen im Jugendund Erwachsenenalter geschult werden und meinen eine funktionale Stufe der Medienkompetenz, »welche ein vertieftes Verstehen von medialen Botschaften und die Fähigkeit, sich mit ihnen kritisch auseinandersetzen, umfasst«.107 Dieses Verständnis setzt voraus, dass der Repräsentationscharakter Neuer Medien zugänglich gemacht wird. Der Religionsunterricht kann dies beispielsweise daran deutlich machen, dass die Homepage einer Kirche zum einen ihre Repräsentation darstellt, Kirche aber nur dort richtig erfahrbar wird, wo Menschen sich im Glauben zusammentun. Der Unterschied zwischen Repräsentation und Repräsentiertem wird im Religionsunterricht oft an konkreten, personalen Begegnungen festzumachen sein. Für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, der sehr oft mit jungen Erwachsenen arbeitet, ist der Zusammenhang von medialer Zeichenkompetenz und anderen bildungsrelevanten Kompetenzen interessant. Manche Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass mediale Zeichenkompetenz stark mit Intelligenz sowie mathematischen, sprachlichen und schriftsprachlichen Fähigkeiten korrelieren. Dies gilt für die frühe Kindheit und damit für die sensitive Phase für den Erwerb medialer Zeichenkompetenz. Inwieweit dies für das junge Erwachsenenalter gesagt werden kann, ist offen.108 Da die mediale Zeichenkompetenz eine basale Kompetenz der Medienkompetenz ist und im jungen Erwachsenenalter Medienkompetenz zentral für 106 Gerhild Nieding/Peter Ohler/Günter D. Rey: Lernen mit Medien, Paderborn 2015, 82. 107 Ebd., 83. 108 Ebd., 97.

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den Umgang mit Nachrichten aber auch mit der Informationsgewinnung im Internet ist, sollen diese Dimensionen hier kurz vorgestellt werden. Groeben unterscheidet sieben Dimensionen der Medienkompetenz109: Eine erste Dimension beschreibt er als mediales Bewusstsein und Medienwissen. Hier geht es um einen bewussten Umgang mit dem Unterschied zwischen Alltagsrealität und ihrer medialen Repräsentation sowie um das Wissen über Medieninhalte, ihre Wirkungen und Strukturen. Eine zweite Dimension bezieht sich auf die Rezeptionsmuster in der Begegnung mit Medien, die letztlich die Verständnisse von Filmen oder die Nutzung von E-Mail-Programmen beeinflussen. Die dritte Dimension bezieht sich auf die medienbezogene Genussfähigkeit und damit auf die Kompetenz, Medien genussvoll wahrzunehmen und ihre Ästhetik benennen zu können. Damit einher geht viertens die medienbezogene Kritikfähigkeit, die einen kritisch-analytischen Blick auf mediale Botschaften, Filme, Kurznachrichten usw. meint. Fünftens geht es in der Dimension der Mediennutzung um die Frage, nach welchen Bedürfnissen und nach welchen Handlungsroutinen Medien selektiert beziehungsweise kombiniert werden. Dabei ist die entscheidende Frage für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, welche Quellen verlässliche Informationen bieten und welche Interessen welcher Medienkanal verfolgt. Groeben benennt auch eine sechste Dimension, die auf Partizipation an Medien abzielt und die aktive Beteiligung beispielsweise über Kurznachrichtendienste oder die Gestaltung einer Homepage beschreibt. Schließlich und siebtens nennt er die Anschlusskommunikation, d. h. die Kommunikation über Medienangebote und ihre Verarbeitung, was im Religionsunterricht zentral ist, weil ein Film beispielsweise immer eine Besprechung und Reflexion erforderlich macht. 6.2 Neue Medien und selbstorganisiertes Lernen Neue Medien werden in religionsdidaktisch durchdachten Lernarrangements angeboten. Im Sinne der Kompetenzorientierung ist an berufsbildenden Schulen Handlungskompetenz auszubilden. Diese Handlungskompetenz ist in einem hohen Maße durch selbstgesteuerte Lernprozesse zu erwerben. Die Selbstorganisation der Schülerinnen und Schüler bzw. Auszubildenden wird dabei durch Phasen begleitet, in denen in einem klassischen Setting unterrichtet wird. Dieses sog. Blended-Learning folgt einer Struktur. Am Anfang steht eine Eröffnungsveranstaltung, ein so genannter Kickoff. Dieser soll die notwendige Verbindlich109 Norbert Groeben: Dimensionen der Medienkompetenz: Deskriptive und normative Aspekte, in: Norbert Groeben/Bettina Hurrelmann (Hg.): Medienkompetenz, Voraussetzungen, Dimensionen, Funktionen, Weinheim 2002, 160–197.

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keit, sich etwa mit einer bestimmten Anforderungssituation selbstorganisiert auseinanderzusetzen, schaffen, aber auch die Grundlage für die Zusammenarbeit der Schülerinnen und Schüler und der Lehrkraft sowie etwaiger Expertinnen und Experten bilden. Außerdem werden hier die Zielsetzungen sowie die Herangehensweise und die Lehr-Lern-Struktur besprochen. Denn in Blended-Learning-Prozessen kommt nach der Kickoff-Veranstaltung sehr rasch eine Phase des selbstorganisierten Lernens, die die Schülerinnen und Schüler bzw. Auszubildenden im Rahmen des Unterrichts zum Beispiel anhand der Nutzung Neuer Medien selbstständig die Anforderungssituation bearbeiten lässt. Diese Erarbeitungsphasen können im Regelunterricht stattfinden, müssen dies aber nicht. Eine Komponente des Blended-Learnings ist es, auch Workshops anzubieten, die durch externe Fachleute (Pfarrer/-innen und Priester, Synagogenvorsteher oder Imame) Raum für personale Begegnungen bieten sowie weitere Ausarbeitungsmöglichkeiten im Rahmen der Anforderungssituation aufzeigen. Workshops bieten vor allem den Raum, offene Fragen einzubringen bzw. schon erarbeitete Lösungen zu besprechen. Sie bieten damit einen zentralen Raum für die Reflexion von bisher erbrachten Lernprozessen. Blended-Learning-Prozesse schließen dann in der Regel durch eine gemeinsame Abschlusspräsentation ab. Zentral dabei ist das individuelle, selbstgesteuerte Lernen sowie – im Vorlauf – die Organisation flankierender Unterstützungssysteme (das wird im Regelfall die Lehrkraft sein, können aber auch Ansprechpartnerinnen/-partner aus den Workshops sein). Im Vordergrund von Blended-Learning-Prozessen steht das Lösen bestimmter Anforderungssituationen, auf die hin sich beispielsweise auch Wissen angeeignet wird. Hier spielen Neue Medien schon im herkömmlichen Religionsunterricht eine zentrale Rolle. Blended-Learning-Prozesse sind mit Blick auf Neue Medien zentrale didaktische Strukturierungshilfen, weil die Selbststeuerung von Lernprozessen durch Neue Medien sehr gut ergänzt werden kann.110 Neue Medien sind selbstverständlicher Sozialisationsbegleiter geworden. Das bringt mit sich, dass die Generation Religionslehrerinnen und Religionslehrer, die noch nicht mit dem Smartphone sozialisiert sind, die Symbiose von neuen Medien und Erwachsenwerden nicht am eigenen Leib erfahren haben. Umso wichtiger ist es, sich diesem Thema religionsdidaktisch zu widmen. Dabei muss ein zentrales Thema der Aufbau von Medienkompetenz sein und hierin die Betonung der Repräsentationsfunktion neuer Medien. Außerdem sollte der Religionsunterricht die besondere Qualität personaler Begegnungen bspw. im Dialog, im Rollenspiel oder im Interview mit Expertinnen und Experten ganz bewusst inszenieren. 110 John Erpenbeck/Simon Saute/Werner Sauter: E-Learning und Blended Learning. Selbstgesteuerte Lernprozesse zum Wissensaufbau und zur Qualifizierung, Wiesbaden 2005, 30–33.

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Das schließt eine selbstgesteuerte und kompetenzorientierte Arbeit mit Neuen Medien nicht aus, setzt aber einen zentralen Punkt in der individuellen, religiösen Kompetenzstruktur. Blended-Learning-Prozesse bieten sich in diesem Sinne an, zwischen der Nutzung neuer Medien und ihrer kritischen Reflexion in personalen Begegnungen zu unterscheiden.

7. Schlussbemerkung: Didaktisch-methodische Akzente des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen Der Gang durch Themen der berufsorientierten Religionsdidaktik legte den Fokus auf jene Themen, die für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen im 21. Jahrhundert von Bedeutung sind – dies geschah auch in exemplarischer Weise und im kursorischen Überblick. Die Frage nach der inhaltlichen Begründung religiösen Lernens im Bereich beruflicher Bildung wurde indes nicht in einen größeren Zusammenhang gestellt. Klar wurde, dass der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen in einem direkten Zusammenhang von gesellschaftlichen Entwicklungen, religiösem Bildungsauftrag und individueller Persönlichkeitsentwicklung betrachtet werden muss.111 In der Vergangenheit mündete eine damit verbundene Idee religiöser Bildung in religionspädagogische Konzeptionen und Modelle. Diese Konzeptionen inspirierten auch den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, konnten sich aber wohl nie in ihrer jeweiligen Reinform etablieren. In historischer Perspektive wurden diese bisweilen erst im Nachhinein erkennbar aufgrund ihrer Zielhorizonte, inhaltlichen Gehalte, Rollenverständnissen u. a. m. Im evangelischen und katholischen Bereich verlief diese Entwicklung in der Vergangenheit manchmal parallel. Die Abfolge religionspädagogischer Konzeptionen trägt den Stempel jeweils einer Generation. Joachim Kunstmann spricht hier von einem fortlaufendem religionspädagogischen Generationswechsel, der für die Gegenwart deutlich den »[…] Vorgang der Ent-Traditionalisierung [zeigt], der parallel zur allgemeinen kulturellen Entwicklung verläuft.«112 Auch der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen unterlag und unterliegt diesem Trend. Da seine Praxis allerdings aus unterschiedlichsten Gründen viel weniger wissenschaftlich begleitet wurde als 111 Reinhold Boschki/Matthias Gronover: Der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, in: Religionspädagogische Beiträge 76/2017, 7–15; Matthias Gronover: Der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen im Spannungsfeld von Subjekt, Beruf und Gesellschaft, in: Ludwig Rendle (Hg.): Religiöse Bildung in pluraler Schule. Herausforderungen – Perspektiven, München 2015, 100–109. 112 Joachim Kunstmann: Religionspädagogik, Tübingen/Basel 2004, 60.

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im allgemeinbildenden Bereich, sind Aussagen darüber schwer zu machen. Aus den vorliegenden Materialien, die Auskunft über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geben, lässt sich jedenfalls sagen, dass Subjektorientierung eine bedeutende Rolle spielte, um im Dualen System die Relevanz religiöser Bildung religionsdidaktisch sichtbar zu machen. Für die Gegenwart kann keine der als klassisch geltenden Konzeptionen als bestimmend angesehen werden – wenngleich eine Problem- und Subjektorientierung immer noch dominiert und die Berufsorientierung hinzutritt. Die Frage, was den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen zukunftsfähig macht, lässt sich jedoch nicht auf der Ebene von Konzeptionen und Modellen entscheiden. So wird der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, vor allem in den Schulen selbst, vermehrt mit der Forderung konfrontiert, einem religionskundlichen Unterricht im Klassenverband zu weichen. Andere Forderungen gehen dahin, ihn durch »Ethik für alle« zu ersetzen – eine Forderung, die gerade mit Blick auf den Unterricht im Dualen System vielen nachvollziehbar scheint. Vor diesem Hintergrund ist unseres Erachtens eine christliche Profilierung des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen unerlässlich. Auf eine solche weisen auch die kritischen Anfragen an den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen hin. Konfessionelle Elemente werden dabei eine Rolle spielen.113 Neben der notwendigen Profilierung bedarf es einer weiteren Steigerung der Unterrichtsqualität und Berücksichtigung der für die Gegenwart so wichtigen Fragen der Wertebildung, interreligiösen Lernens und Organisationsformen. Des Weiteren erweist es sich in dieser Situation als günstig, dass es von Seiten der Gesellschaft und auch aus der Perspektive von Ausbildungsbetrieben die Erwartungshaltung gibt, der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen möge zur Wertebildung und interreligiösen Bildung beitragen. Diese Erwartungshaltung trägt zu seiner Akzeptanz bzw. Relevanz aus betrieblicher und gesellschaftlicher Perspektive bei. Auch sind engagierte und mit fachlicher und pädagogischer Expertise ausgestattete Lehrkräfte für seine Akzeptanz in Kollegien und im Kanon der Fächer mit entscheidend. Die aktuelle Umfrage zum BRU in NRW legt dabei die Vermutung nahe, dass Legitimationsdebatten (noch) keine negativen

113 Matthias Gronover: Konfessionalität in religiöser Heterogenität im Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, in: Albert Biesinger/Matthias Gronover/Joachim Ruopp/Friedrich Schweitzer (Hg.): Integration durch religiöse Bildung. Perspektiven zwischen beruflicher Bildung und Religionspädagogik (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität 1), Münster 2012, 173–188.

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Auswirkungen auf die Unterrichtsbereitschaft Religionslehrender haben.114 Neben diesen Gesichtspunkten und inhaltlichen und formalen Aspekten steht und fällt der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen jedoch mit Erfahrungen und Impulsen, die er den Jugendlichen für ihr Leben und ihren Glauben zu geben vermag.115 Dabei ist der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen konstitutiv auf die Subjekt-, Schüler- und Lebensweltorientierung verwiesen.

Weiterführende Literatur Reinhold Boschki/Matthias Gronover/Monika Marose/Michael Meyer-Blanck/Hanne SchnabelHenke/Friedrich Schweitzer (Hg.): Person – Persönlichkeit – Bildung. Aufgaben und Möglichkeiten des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität 11), Münster 2017 Friedrich Schweitzer/Magda Bräuer/Reinhold Boschki (Hg.): Interreligiöses Lernen durch Perspektivenübernahme. Eine empirische Untersuchung religionsdidaktischer Ansätze (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität 10), Münster 2017 Friedrich Schweitzer/Joachim Ruopp/Georg Wagensommer: Wertebildung im Religionsunterricht. Ein empirische Untersuchung im berufsbildenden Bereich (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität 2), Münster u. a. 2012

114 Monika Marose: Wer sind die BRU-Lehrkräfte? Grundlegende Auswertung sozialer Daten und Beobachtungen zum gegenwärtigen Stellenwert des Fachs, in: Monika Marose/Michael MeyerBlanck/Andreas Obermann (Hg.): Der Berufsschulreligionsunterricht ist anders. Ergebnisse einer Umfrage unter Religionslehrkräften in NRW (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität 8), Münster 2016, 13–23, hier 20. 115 Georg Wagensommer/Claudia Märkt/Joachim Ruopp/Hanne Schnabel-Henke/Friedrich Schweitzer: Zukunftsfähiger BRU – ein Bericht aus dem EIBOR, in: Hartmut Rupp/Christoph T. Scheilke (Hg.): Bildung und Religionsunterricht. Jahrbuch für kirchliche Bildungsarbeit, Stuttgart 2011, 133–144, 143.

III.4 Schulseelsorge bzw. Religion im Schulleben – außerunterrichtliche religionsbasierte Arbeit an berufsbildenden Schulen

Birgit van Elten/Bernd Schröder

1. Grundlagen und Gründe für Schulseelsorge an berufsbildenden Schulen »Religion« in der Schule, auch in berufsbildenden Schulen, geht nicht im Erteilen oder Besuchen von Religionsunterricht auf: Lehrerinnen und Lehrer aller Fächer, Schülerinnen und Schüler aller Ausbildungsgänge, Mitarbeitende in Hausverwaltung, Reinigung u. a. m. bringen ihre Religiosität (oder auch ihre Zweifel oder gar Absage an Religion) mit in die Schule. Es gehört zu den Besonderheiten des deutschen Schulrechts, dass diese Religiositäten und auch die Religion der Religionsgemeinschaften, die für den Religionsunterricht mitverantwortlich sind, im öffentlichen Raum der Schule zum Ausdruck und »zu ihrem Recht« kommen dürfen (sog. positive Religionsfreiheit) – freilich nur so, dass dies hinter dem Vorzeichen der Freiwilligkeit geschieht und niemand zur Teilhabe an religiösen Vollzügen oder zur Zustimmung zu religiösen Überzeugungen genötigt wird (sog. negative Religionsfreiheit).1 Auf der Basis dieser Rechtslage gibt es – aus religionspädagogischer Sicht – gute Gründe, Religion im Schulleben mit Bedacht auszugestalten. Zu solchen Gründen gehört, dass Bildung auch die existenzielle Reflexion und Erprobung von Möglichkeiten, das eigene Leben zu deuten und zu gestalten, einschließen sollte (bildungstheoretische Begründung) oder auch, dass die im Unterricht thematisierten Religionen eben nicht in ihren Lehren aufgehen, sondern im Kern als Gebet und Gottesdienst, als Ethos und »gute Tat«, als Erzählung oder Symbol Gestalt gewinnen und ansichtig werden sollen (theologische Begründung). Zu den wichtigsten Gründen zählt fraglos derjenige, mit Religion im Schulleben 1

Zur Rechtslage vgl. Heinrich de Wall: ›Religion im Schulleben‹ – rechtliche Aspekte, in: Bernd Schröder (Hg.): Religion im Schulleben, Neukirchen-Vluyn 2006, 51–64. Regelungen zu Details finden sich bei Hermann Avenarius/Hans Heckel: Schulrechtskunde: ein Handbuch für Praxis, Rechtsprechung und Wissenschaft, Neuwied 2006.

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bzw. Schulseelsorge eine Lebens- und Glaubenshilfe für die Schülerinnen und Schüler anzubieten (schülerorientierte Begründung).2 Dieses Argument kann auf verschiedene Weise entfaltet werden, etwa so: Anders als der Religionsunterricht, der im Rahmen der Lehrpläne seinen Beitrag zum Erwerb berufsbezogener Kompetenzen zu leisten und in den zur Verfügung stehenden Stunden definierte Aufgaben im Rahmen der didaktischen Jahresplanung zu übernehmen hat, bietet Religion im Schulleben Raum, Zeit und Gelegenheit, um der tieferen Bedürfnisse eines Menschen gewahr zu werden, die der amerikanische Psychologe Abraham Maslow (1908–1970) identifiziert hat.3 Nach Maslow werden Verhalten und Haltung eines Menschen maßgeblich davon beeinflusst, ob seine Bedürfnisse befriedigt sind oder nicht. Die physiologischen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen mögen zumeist befriedigt werden, oft jedoch nicht das Bedürfnis nach Sicherheit oder erst recht dasjenige nach »Selbstverwirklichung« (»self-actualization«). Die Schüler/innen haben manchmal keine tragfähige Bindung zu ihren Bezugspersonen aufbauen können, oft ist das Wohnumfeld nicht das sicherste und schließlich ist ihre (berufliche) Zukunft alles andere als gesichert. Sie leben in einer unübersichtlichen und fragmentierten Welt, in der die Normen und Formen einer Religion Orientierung bieten können. Während der Religionsunterricht solche Bedürfnisse und Orientierungen lediglich thematisiert, können außerunterrichtliche Foren der Begegnung mit Glaube und Religion diese sinnenhaft erfahrbar, anschaulich und vertieft zugänglich werden lassen. Gerade an Berufsbildenden Schulen kann dies eine wichtige Ergänzung religiöser Bildung sein: Viele Schülerinnen und Schüler an BBS gehören gesellschaftlich wenig anerkannten und nicht intellektuell interessierten sozialen Gruppen an und empfinden dies auch so.4 Der christliche Glaube thematisiert einen mit den sog. Verlierern solidarischen Gott,5 dessen Grundhaltung Lehrkräfte im Unterricht repräsentieren, für den sie in außerunterrichtlichen Feldern jedoch weitaus vielfältigere Erfahrungsräume eröffnen können.

2 Bernd Schröder: Warum ›Religion im Schulleben‹? In: Schröder, Religion (s. o. Anm. 1), 11–26. 3 Abraham Maslow: Psychologie des Seins. Ein Entwurf, (München 1973) Frankfurt a. M. 1997, aufgenommen und weiterentwickelt etwa bei Marshall Rosenberg: Grundlagen der gewaltfreien Kommunikation – eine Sprache des Lebens, Paderborn 2016. 4 Vgl. Beitrag II.2 in diesem Band. 5 Dazu etwa Jürgen Moltmann: Der gekreuzigte Gott. Das Kreuz Christi als Grund und Kritik christlicher Theologie, München 1972; dazu Michael Welker (Hg.): Diskussion über Jürgen Moltmanns Buch »Der gekreuzigte Gott«, München 1979.

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2. Schulseelsorge, Schulpastoral und Religion im Schulleben – Begriffe und Deutungen Die deutschen Bischöfe formulieren in ihrer grundlegenden Stellungnahme Schulpastoral – der Dienst der Kirche an den Menschen im Handlungsfeld Schule von 1996, Schulseelsorge sei »kirchliche Diakonie im Lebensraum Schule« bzw. »Sammelbezeichnung für alle schulbezogenen kirchlichen Dienste und Angebote, die darauf abzielten, neue Beziehungen zwischen Pfarrgemeinde und Schule zu ermöglichen«: Sie lasse »helfende und heilende Zuwendung aus dem Glauben erfahren«, sie biete »Lebenshilfe aus dem Glauben« heraus, sie wolle »Erlebnis- und Erfahrungsräume für das Leben- und Glaubenlernen bereitstellen«.6 Der »Orientierungsrahmen« zur Schulseelsorge, den die Evangelische Kirche in Deutschland vorgelegt hat, beschreibt sie als »ein von der evangelischen Kirche getragenes Angebot an Menschen und Gruppen in der Schule«, das »Rat und Hilfe sowie religiös-ethische und liturgisch-spirituelle Begleitung im sinnstiftenden Horizont des christlichen Glaubens« bietet. Schulseelsorge versteht sich damit als »Teil einer sorgenden Schulgemeinschaft (›caring community‹)«.7 So sehr die kirchlichen Verlautbarungen – analoge Erläuterungen von jüdischer oder muslimischer Seite stehen noch aus – die Verankerung in der Kirche betonen, verstehen sie Schulseelsorge vom Grundsatz her zugleich als lebensraumorientierte Handlungsform, in der die Adressatenorientierung und der Kontextbezug von gestaltgebender Bedeutung sind.8 Schule ist in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus gerückt, weil sie ein immer mehr Zeit in Anspruch nehmender, für die spätere Lebensführung weichenstellender Lebens-, Lern- und Arbeitsort für Heranwachsende und junge Erwachsene geworden ist. Schulseelsorge leistet ihren spezifischen Beitrag zur Kultivierung und Humanisierung dieses Lebensraumes. Adressaten sind in erster Linie Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrende und nicht-lehrendes Personal, zudem – wenngleich an BBS sicher in geringerem Maße als an allgemeinbildenden Schulen – Eltern. Sie soll Ansprechpartnerin in Lebens- und Alltagsfragen sein und den Bedarf an Klärung solcher Fragen vor Ort wahr- und ernst nehmen. Schulseelsorge 6 Die deutschen Bischöfe: Schulpastoral – der Dienst der Kirche an den Menschen im Handlungsfeld Schule (Die deutschen Bischöfe, 16), hrsg. vom Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz, Bonn 1996, 10, 12 und 16. 7 Evangelische Kirche in Deutschland: Evangelische Schulseelsorge in der EKD. Ein Orientierungsrahmen (EKD-Texte 123), hrsg. vom Kirchenamt der EKD, Hannover 2015, hier 6. 8 Ottmar Fuchs: Die Identität der Schulpastoral im Spannungsfeld von staatlicher Bildung, kirchlicher Mission und solidarischer Gesellschaft, in: Schulpastoral an beruflichen Schulen, hrsg. von Albert Biesinger/Joachim Schmidt (Gott – Leben – Beruf Bd. 4), Tübingen 2006, 10–29, hier 28.

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ist in grundlegender Weise ein kommunikatives Geschehen – nur so kann sie, mit Guido Lames, mit den unterschiedlichen Personen und Gruppen in der Schule Verabredungen treffen, die zu primär »mystagogischen«, in den Glauben einführenden, oder zu primär »diakonischen«, die persönlichen und sozialen Lebensbedingungen verbessernden Angeboten entwickelt werden können.9 Schulseelsorge sind im weitesten Sinne alle Handlungen, die Schule als einen Ort der Selbstmitteilung Gottes betrachten. Folgende Qualitätskriterien sind dabei zu beachten: Sie hat adressaten- und situationsorientiert, kommunikativ, ökumenisch, religionssensibel und gast-freundlich, kooperativ und vernetzend, Freiwilligkeit beachtend, konzept-orientiert, systemorientiert und politisch zu sein.10 Während diesen Kriterien kaum je widersprochen werden dürfte, setzen nicht alle Konzepte der sog. Schulseelsorge so deutlich bei Kirche und Theologie an wie es das bischöfliche Papier tut. Andernorts wird etwa unterstrichen, dass nicht die Institution Kirche, sondern die Schulangehörigen selbst die maßgebliche Bestimmungsgröße von Religion im Schulleben darstellen: »christlich-religiöse Angebote zum Schulleben legitimieren sich rechtlich und sachlich vor allem daraus, dass sie den Bedürfnissen und Interessen der Schulangehörigen genügen – nicht aus den Handlungsmöglichkeiten der Institution Kirche.«11 In einem solchen schulorientierten Zugang kommen Schulangehörige, Lehrende wie Schülerinnen und Schüler, deutlicher als Akteure in den Blick, die Kirche(n) bzw. Religionsgemeinschaften als außerschulische Partner und subsidiäre Unterstützer derjenigen religiösen Praxen, die sich für, in und aus dem schulischen Leben entwickeln. Die unterschiedlichen Verständnisse spiegeln sich in gewissem Maße in den Begriffen, die für das Handlungsfeld verwendet werden: Die Rede von der Schulpastoral entstammt dem Sprachgebrauch katholischer Kirche und Theologie12 – neben der Seelsorge als zentralem Aufgabenfeld schwingt darin auch das große Gewicht der Kirche als Träger dieser Seelsorge und des Pastors als Seelsorger   9 Gundo Lames: Kirche im Kontext des Systems Schule – zum Ansatz einer Schulpastoral, in: Trierer theologische Zeitschrift 109 (2000), 295–307, hier 307. 10 Brigitte Lob: Haltungen und Qualitätskriterien, in: Angela Kaupp/Gabriele Bußmann/Brigitte Lob/Beate Thalheimer (Hg.): Handbuch Schulpastoral – für Studium und Praxis, Freiburg 2015, 98–106. 11 Schröder, Warum (s. o. Anm. 2), 21. 12 Für eine zeitgenössische Fassung dieses Begriffs und Konzeptes steht etwa Ulrich Kumher: Schulpastoral und religiöse Pluralität: ein Konzeptentwurf für die Auseinandersetzung mit religiöser Pluralität (Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge, 74), Würzburg 2008; vgl. zudem Kris­ tina Roth: Sinnhorizonte christlich gestalteter Schule: eine schulpädagogische Begründung der Schulpastoral an staatlichen Schulen, Hanburg 2013 sowie Marc Fachinger: Schulpastoral und Schulseelsorge: Begriffe und Inhalt: ein Einblick in die Arbeit deutscher Diözesen, in: WzM 68 (2016), 270–285.

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mit. Schulseelsorge ist demgegenüber in katholischen wie evangelischen Kreisen in Gebrauch; der Terminus hat sich, wohl wegen seiner Kürze und wegen des für vorrangig gehaltenen Bedarfs an Seelsorge in der Schule, weithin als terminus technicus für außerunterrichtliche religionsbasierte Arbeit in der Schule durchgesetzt.13 Den weitesten Bedeutungshof bringt demgegenüber die Rede von Religion im Schulleben ins Spiel – damit wird insbesondere die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Formen religiöser Praxis in der Schule und die Eigenständigkeit der Schule betont: Religion im Schulleben ist das Spielbein, Religionsunterricht das Standbein religiöser Bildung in der Schule.14

3. Ziele von Schulseelsorge Wie Grundlegungen und Begriffe, so lassen sich verschiedene Zielsetzungen von Schulseelsorge unterscheiden – etliche dieser Ziele sind weithin Konsens, um das Gewicht mancher Zielsetzungen für das konkrete Handeln wird gerungen: Zu allererst geht es der Schulpastoral um die Persönlichkeitsentwicklung des jungen Menschen: Sie gibt Hilfen zur Identitätsentwicklung, bietet Räume zur Selbsterfahrung und Selbstfindung an, fördert das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein junger Menschen, trägt zu Verantwortungsbewusstsein, Mut und kritischem Denken bei, ermutigt zur Auseinandersetzung mit sich selber, mit anderen und mit Gott. Sodann geht es ihr – explizit oder implizit – um die Beziehung der Einzelnen zu Gott. Im Raum der Schule kann Schulseelsorge Gott zur Sprache bringen, Gotteserfahrung und Gottesbeziehung stimulieren, und dazu einladen, sich mit dem eigenen Glauben (wieder) zu beschäftigen, Gott als Gegenüber und Glaube als etwas Befreiendes anzusprechen. So kann auch die Kirche ins Spiel kommen. Schulpastoral kann Gelegenheit geben, mit Kirche (wieder) in Kontakt zu kommen, an den Grundvollzügen der Kirche teilzuhaben, das eigene Bild von Kirche zu überprüfen. Zudem versucht Schulseelsorge, die soziale Dimension des Schullebens bzw. der Schulkultur zu fördern: Sie ermöglicht empathische, wertschätzende, kon13 Vgl. v. a. Gundo Lames: Schulseelsorge als soziales System: ein Beitrag zu ihrer praktisch-theologischen Grundlegung (Praktische Theologie heute, 49), Stuttgart 2000; Ralf Koerrenz/Michael Wermke (Hg.): Schulseelsorge: ein Handbuch, Göttingen 2008; Anna-Katharina Lienau: Schulseelsorge. System struktureller Kopplung, Leipzig 2017; und fortlaufend die Reihe »Schnittstelle Schule. Impulse evangelischer Bildungspraxis«, hrsg. vom Comenius-Insti­tut, Münster Bd. 1 (2006) ff. 14 Vgl. Schröder, Religion (s. o. Anm. 1).

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gruente Begegnung, lässt Gemeinschaft und Solidarität erleben und gibt konkrete Hilfen in herausfordernden Lebenslagen. Indirekt oder ausdrücklich lädt sie ein, das eigene Konzept menschlichen Miteinanders zu überprüfen, gesellschaftliche Entwicklungen kritisch zu betrachten und christliche Orientierungen auf ihre mögliche Relevanz für das eigene Leben zu erproben. Damit dient Schulseelsorge nicht zuletzt der Schule als Institution bzw. System: Schulseelsorge kann zur Personalentwicklung und zur Schulentwicklung beitragen, indem sie zur körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheit der Mitglieder der Schulgemeinschaft15 sowie zur Entfaltung eines bildsamen Schulprogramms beiträgt.

4. Schulseelsorger oder -seelsorgerin – Qualifikationen und Aufgaben Für die katholische Kirche gibt es von Bistum zu Bistum unterschiedliche Regelungen. (Erz-)Bischöfliche Schulen haben oft Priester als Schulseelsorger, ansonsten sind zumeist Religionslehrende »Mitbeauftragte«16 in der Schulseelsorge. Im Bistum Münster, das bei der Entwicklung dieses Arbeitsfeldes eine Vorreiterrolle einnimmt,17 werden zunehmend auch katholische Lehrerinnen und Lehrer, die nicht das Fach »Religionslehre« unterrichten, als Schulseelsorger/innen qualifiziert. Das dortige »Pastoralkolleg Schulseelsorge« tut dies mithilfe von Kursen, aber auch begleitenden Gruppensupervisionen, einem persönlichen Abschlussgespräch u. ä. m. In der evangelischen Kirche bestehen ebenfalls von Landeskirche zu Landeskirche unterschiedliche Regelungen. Während im süddeutschen Raum (Baden, Bayern, Pfalz, Württemberg), in dem Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer qua Amt auch Religionsunterricht erteilen, diese vielerorts auch die Aufgaben der Schulseelsorge wahrnehmen, verhält es sich etwa im Bereich der Hannoverschen Landeskirche gänzlich anders: Hier kommen Pastorinnen und Pastoren nur in Ausnahmefällen in Schulen zum Einsatz; so nehmen weithin Religionslehrerinnen 15 Vgl. [Rahmenkonzept] Schulpastoral im Erzbistum Köln, hrsg. vom Erzbistum Köln, Köln 2006, 4. 16 Im Erzbistum Köln etwa dürfen Frauen keine Schulseelsorgerinnen sein, sie werden auch nicht beauftragt, sondern sind »mitbeauftragt«. 17 Im »Pastoralplan für das Bistum Münster« (Münster 2012, hier 29) haben eine »aufsuchende« Pastoral und ein entwicklungsoffener Gemeindebegriff einen hohen Stellenwert: »Wir fördern eine differenzierte Seelsorge in Orientierung an den Sozial- und Lebensräumen der Menschen. Diese realisiert an den unterschiedlichen Orten, bei unterschiedlichen Gegebenheiten, in unterschiedlichen Verbindlichkeits- und Kontinuitätsgraden und richtet sich an Menschen aller sozialen Milieus.«

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und -lehrer, die häufig einen – in diesem Fall: vom Religionspädagogischen Institut Loccum veranstalteten – Qualifikationskurs Schulseelsorge erfolgreich absolviert haben, Schulseelsorge als Aufgabenfeld wahr, z. T. mit eigens dafür erteiltem Auftrag (und Deputat), zumeist aber ohne dies. Wieder anders ist es in Nordrhein-Westfalen speziell an Berufsbildenden Schulen: Insofern hier zwei Drittel der evangelischen Religionslehrerinnen und -lehrer Pfarrerinnen bzw. Pfarrer sind, nehmen diese die Aufgabe der Schulseelsorge wahr.18 Während Pfarrerinnen und Pfarrer die für Schulseelsorge erforderlichen Wissensbestände und Kompetenzen in Studium, Vikariat und ggf. anschließender pastoraler Praxis aufbauen, bieten viele Landeskirchen und Diözesen für Religionslehrende entsprechende Zertifikatskurse an.19 Nur nach Teilnahme daran können sie entsprechend beauftragt werden, nur dann unterliegt ihre Tätigkeit beispielsweise dem Schutz des Seelsorgegeheimnisses. Schulseelsorger oder-seelsorgerin in einer Schule zu sein bedeutet, im vielschichtigen und auch oft komplexen System Schule qualifizierte Orientierungshilfe anzubieten, Menschen dort zu unterstützen, wo sie solche Unterstützung anfragen: in Sinn- und Orientierungsfragen, in Werte vermittelnder Kommunikation, in Beratung und seelsorglicher Begleitung im Umgang mit Konflikten, im Eröffnen von Räumen und Zeiten der Stille und Achtsamkeit, in Angeboten, die die persönliche Spiritualität und den persönlichen Glauben stärken.20 Es bedeutet aber auch, über den Religionsunterricht hinaus ein weiteres Spektrum von Handlungsfeldern (dazu die folgenden Abschnitte) zu gestalten. In der Literatur wird oft die Emmaus-Geschichte als Beispiel für die Qualitäten und das Handeln eines Schulseelsorgers/einer Schulseelsorgerin herangezogen. Auf dem Weg bietet Jesus den Jüngern seine Gemeinschaft an (koinonia), hört ihnen zu, fragt nach, zeigt Empathie (diakonia), deutet den Jüngern die Schrift aus dem Glauben heraus (martyria) und bricht schließlich mit ihnen das Brot 18 Monika Marose/Michael Meyer-Blanck/Andreas Obermann (Hg.): »Der Berufsschulreligionsunterricht ist anders!« Ergebnisse einer Umfrage unter Religionslehrkräften in NRW (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik, Bd. 8), Münster 2016, 14. 19 Zu den Qualifikationskursen und Absolventenzahlen auf evangelischer Seite vgl. detailliert Harmjan Dam/Matthias Spenn (Hg.): Qualifizierung Schulseelsorge (Schnittstelle Schule Bd. 4), Münster 2009 sowie Harmjan Dam/Volker Elsenbast/Matthias Spenn (Hg.): Schulseelsorge in der pluralen Schule (Schnittstelle Schule Bd. 6), Münster 2014, 93–122. Zum Blick auf die Verhältnisse in der katholischen Kirche siehe Beate Thalheimer: Vom Menschen aus gedacht: Handlungsorientierung und Handlungskompetenz in Weiterbildung und Schulpastoral (Glaubenskommunikation Zeitzeichen, 40), Ostfildern 2016. 20 Gabriele Bußmann: Schulpastoral – Kirche als Partnerin der Schule im Sinne kritischer Zeitgenossenschaft, in: Biesinger/Schmidt, Schulpastoral (s. o. Anm. 7), 30–37, hier 34.

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(leiturgia).21 Jede und jeder, die bzw. der die Grundhaltungen nach Carl Rogers,22 Empathie, Wertschätzung und Kongruenz, bejaht und zu praktizieren versteht, die bzw. der zudem eine spirituelle Kompetenz mitbringt, erfüllt die Voraussetzungen für schulseelsorgliche Tätigkeit in diesem Sinne. Gabriele Bußmann fasst die erforderliche Grundhaltung so zusammen: »Was willst du, das ich dir tun soll?« Diese Frage Jesu an den Blinden (Lk 18,41) beschreibe, wie schulseelsorglich Handelnde auf die Menschen in der Schule zugehen – aus Interesse an den Menschen und im Interesse der Menschen.23

5. Beispiele für schulseelsorgliche Aktivitäten Im Laufe der letzten 25 Jahre hat sich eine beeindruckende Fülle an Angeboten und Aktivitäten entwickelt: Schulgottesdienst, Krisenseelsorge, Raum der Stille, Tage der Orientierung, Kollegiale Beratung, Meditation, Sozialpraktikum, Projekt Compassion, Stilleübungen, Gebetswerkstatt, Trauerbegleitung, Entspannungsangebote, Spiele, Besinnungszeiten im Alltag, Theater, Bibliodrama, Morgenbesinnungen, Frühschichten, Pausenbesinnungen, Bewegung und Tanz, Wallfahrt, Entlastungstage, Beratungstage, Aktionstag, Prüfungscafé, Weihnachtsgrüße international, Projekt soziales Lernen, Klick-Fotoprojekt, Entspannung vor Prüfungen, Tage für Toleranz und gegen rechte Gewalt, Trauerbuch bei Todes- und Unglücksfällen, Planspiele, Balsam für die Seele, Oasentag, Inseltag, Wüstentag, Lebenslabyrinth, Spirituelle Tankstelle vor den Prüfungen, Ferienkarte, Geisterstunde vor Pfingsten, Paschamahl, Gefühlsbarometer, Empfang der »Neuen«, Abschied der Absolventen, Adventsspirale, Frühschicht, Bibelnacht, Soziale Aktion, Gehirnjogging, Filmnachmittag, Schwarzes Brett, Gestaltung des Eingangsbereiches der Schule, Gestaltung des Klassenraumes, Gestaltung einer Wand im Klassenraum, Tage kreativer Unterbrechung, Rituale an Knotenpunkten, Gesprächsangebote, Nachtwanderung, Taufbegleitung, Adoration, Stationes, Spaziergang über einen Friedhof, Liturgische Sport-und Gebetsnacht, Nachtwallfahrt24 sowie Kontaktstunden, Schatzkiste, Hefte mit spirituellen Texten, sports and spirit, Kirche kickt, Kirche läuft, mystagogische Kirchenführung, Kirchenraumerkundung, 21 Z. B. Markus Seibt, Grundsätzliches zur Schulpastoral an beruflichen Schulen, in: Biesinger/ Schmidt, Schulpastoral (s. o. Anm. 7), 38–47. 22 Vgl. etwa Carl Rogers: Therapeut und Klient. Grundlagen der Gesprächspsychotherapie, Frankfurt  a. M. 1983 23 Gabriele Bußmann bei der Tagung der LAG Katholische Fachschulen für Sozialpädagogik in NRW zum Thema »Schulpastoral neu oder anders denken« am 18.4.2016. 24 Zusammengestellt aus Fuchs, Identität (s. o. Anm. 7), 22.

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Sozialraumerkundung, Spielfilmarbeit, Sozial- und Straßenexerzitien, Adventssingen, Gebets- und Meditationskreise, Konfliktarbeit und Mediation, Erlebnispädagogische Elemente, Gebetszeiten kreativ gestalten, Klassentage, Bet- and Breakfast, Fastenaktionen, Friedensgebete, Segensfeiern, Selfie mit Gott, Versöhnungstag, open-church-time, Projekt mit Flüchtlingen.25 Was sich im Einzelnen hinter diesen z. T. pfiffigen, sprachlich gelungenen und motivierenden Bezeichnungen verbirgt, muss natürlich mithilfe der oben genannten Qualitätskriterien vor Ort bedarfs- und ressourcenorientiert umgesetzt werden. Der Fantasie der Lehrenden und Lernenden sind dabei keine Grenzen gesetzt. Wünschenswert ist es, dass alle Beteiligten ihnen gemäße Formen gemeinsam entwickeln, beispielsweise in einem schulpastoralen Arbeitskreis. Manchmal wird die Schulseelsorgerin bzw. der Schulseelsorger aufgrund der größeren Erfahrung eigeninitiativ und situativ eine bedürfnisorientierte Maßnahme für die Adressaten anbieten wollen.

6. Modellierungen schulseelsorglicher Arbeitsfelder und wünschenswerte Qualifikationen Um das weite Feld der Möglichkeiten zu ordnen und zugleich wünschenswerte Qualifikationen derer in den Blick zu nehmen, die sich Schulseelsorge bzw. Religion im Schulleben zur Aufgabe machen, bieten sich verschiedene Modelle an: Eines der Modelle orientiert sich an den Menschen, die am Ort der Schule adressiert werden, und den Räumen, die dabei genutzt werden – es lässt sich mithilfe konzentrischer Kreise visualisieren:26

25 Zusammengestellt aus Ludwig Rendle (Hg.): Ganzheitliche Methoden in der Schulpastoral, München 2013, ergänzt durch eigene Ideen (BvE). Vgl. zudem etwa: Helmut Demmelhuber u. a. (Hg.): Wenn die Kirche zur Schule geht: kreative Ideen, Projekte und Konzepte zur Schulpastoral, München 2011; und Atemholen in der Schule: neue Impulse und Bausteine für die Schulpastoral, hrsg. vom Referat Schulpastoral, Diözese Rottenburg-Stuttgart, Rottenburg 2015. 26 Dieses Modell hat Harmjan Dam entwickelt und verschiedentlich vorgestellt – etwa in ders.: Welche Kompetenzen werden für Schulseelsorge gebraucht? In: Schröder, Religion (s. o. Anm. 1), 37–50, hier 42 sowie zuletzt ders.: Was ist evangelische Schulseelsorge? In. RpB 74/2016, 25–34.

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Konzepte und Gehalte des BRU – didaktische Aspekte

Menschen

Räume

Schwerpunkt

Innerster K.

Individuen

Flur; »zwischen Tür und Angel«

Beratung und Begleitung

Zweiter K.

Lerngruppe

Klassenzimmer

Erziehung und Bildung

Mittlerer K.

Kollegium, Schüler- u. Elternvertreter usw.

Schule

Bildung und Vernetzung

Äußerer K.

Personen im Umfeld

Umfeld

Vernetzung

Ein anderes Modell orientiert sich an Handlungsformaten und den dafür erforderlichen Wissensbeständen bzw. Kompetenzen:27 Religion im Schulleben – Handlungsformen, entfaltet im Blick auf religiöse Pluralität Unterrichtsbezogene Projekte = didaktisches Handeln

Schulgottesdienst = liturgisches Handeln

Wissensbestände und Kompetenzen

Didaktik und das für das Thema des Projektes erforderliches Fachwissen

Liturgische Kenntnisse und Handlungskompetenz, nicht zuletzt im Blick auf multireligiöse Feiern

Religiös differenzierte Angebote

Erkundung anders-religiöser Lebenswelten in Exkursionen und Projekten

Gottesdienste/Andachten/ Gebete gemäß Kirchenjahr, jüdischem Jahr, muslimischem Jahreskreis

Religiös integrative (multireligiöse) Angebote

Projekte mit religions-übergreifend kooperativem Charakter (z. B. »Religion in unserer Stadt«, »Naturwissenschaft und Glaube«)

Gottesdienste als multi-religiöse Feier zum Schulanfang, zur Schulentlassung, zu Ereignissen von schulischem Belang Raum der Stille (als multireligiös nutzbarer Raum)

27 Dieses Modell geht auf Bernd Schröder zurück (etwa in: Schröder, Warum [s. o. Anm. 2], 24 f. bzw. bezogen auf das Handeln in einer religionspluralen Schule: ders.: Religiöse Pluralität in der Schule, in: Dam u. a., Schulseelsorge [s. o. Anm. 18], 9–28, hier 26). Das folgende Schaubild ist diesem Text entlehnt.

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Schulseelsorge bzw. Religion im Schulleben

Schulseelsorge = poimenisches Handeln

Schulsozialarbeit = sozialpädagogisches Handeln

Schulnahe Jugendarbeit = freizeitpädagogisches Handeln/Jugendarbeit

Kenntnis poimenischer Theorien, Handlungskriterien und Vorgehensweisen; Kenntnis seelsorglicher Angebote am Ort (Telefonseelsorge etc.)

Kenntnis sozialpädagogischer Formate und Maximen; Vernetzung mit Trägern solcher Arbeit vor Ort

Kenntnis von Formen und Traditionen kirchlicher Jugendarbeit; Kontakt zu ökumenischen Anbietern am Ort

Seelsorge durch – wo vorhanden – christliche, muslimische, jüdische Seelsorgende

Gruppen für Schüler mit religiöser Fremdheitserfahrung als ein Angebot unter mehreren

Kinder- und Jugendarbeit in schulnahen Räumen der Religionsgemeinschaften – wiederum mit Signalen der Gastfreundschaft

Kummerkasten

Hausaufgabenhilfe

Schülercafé

Schülermentor/inn/en

Mediation

»Interkulturelle bzw. interreligiöse Seelsorge«

Mädchentreff/Jungentreff

Filmreihe (etwa mit Fokus auf religiös-kulturellen Differenzen)

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Konzepte und Gehalte des BRU – didaktische Aspekte

Ein weiterer Zugriff orientiert sich an den Kompetenzen, die Schulseelsorge auf Seiten der Schülerinnen und Schüler zu fördern vermag. Dabei kann etwa das KIBOR-Modell der religiösen Kompetenz, differenziert in Wahrnehmungs- und Deutungskompetenz, Urteils- und Entscheidungskompetenz, Verständigungskompetenz und Gestaltungskompetenz,28 das Modell der emotionalen Kompetenz nach Carolyn Saarni29 oder der sozialen Kompetenz nach Paul Caldarella30 zugrunde gelegt werden. Konkret können schulseelsorgliche Maßnahmen etwa die Kompetenz (weiter-)entwickeln, Ȥ den eigenen religiösen/weltanschaulichen Standpunkt wahrzunehmen und zu reflektieren, Ȥ Gottes-/Transzendenzerfahrungen im eigenen Leben wahrzunehmen und zu deuten, Ȥ das christliche Orientierungs- und Sinnangebot auf eine mögliche Relevanz für das eigene Leben zu hinterfragen, Ȥ die eigene Bedürftigkeit und eigene Probleme wahrzunehmen, sie mit anderen zu kommunizieren und Lösungsansätze einzuschätzen, positive Selbstbehauptung zu schulen, Ȥ mit negativen Emotionen und Stress besser umzugehen und die Fähigkeit zur emotionalen Selbstwirksamkeit zu verbessern, Ȥ Aufmerksamkeit für Anliegen Anderer zu entwickeln, diese Anliegen zu respektieren und sich mit ihnen darüber zu verständigen, Ȥ religiös bedeutsame Ausdrucks- und Gestaltungsformen mitzuvollziehen, ihre Sinnhaftigkeit für den eigenen Alltag zu beurteilen und diese ggf. im eigenen Leben situationsgerecht zu entwickeln und zu integrieren. Ohne dass Schulseelsorge damit verzweckt wird, ist doch deutlich, dass durch unterschiedliche Angebote die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler ganzheitlich gefördert werden kann, indem sie Kompetenzen (weiter-)entwickeln, die sie im privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Kontext einsetzen können.

28 Albert Biesinger/Aggi Kemmler/Joachim Schmidt: Religiöse Kompetenz – ein Definitionsangebot für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, in: Albert Biesinger u. a. (Hg.): Kompetenzorientierung im Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität, Bd. 5), Münster 2014, 19–26. 29 Carolyn Saarni: The development of emotional competence, New York, NY 1999; vgl. Saskia Bender u. a.: Kinder erziehen, bilden und betreuen. Lehrbuch für Ausbildung und Studium, Berlin 2010 (32012), 602. 30 Ellie L. Young u. a.: Positive Behavior Support in Secondary Schools: a practical guide, New York, NY 2014.

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7. Exemplarische Handlungsfelder 7.1 Religiöse Feiern, Andachten, Schulgottesdienste Bei Schulgottesdiensten und anderen religiösen Feiern im Kontext der Schule ist zu unterscheiden zwischen verschiedenen Formen, verschiedenen Anlässen, Zielgruppen, Orten, Vorbereitenden und Leitenden. Anlässe sind zunächst Feste des christlichen Jahreskreises, die im schulischen Kontext begangen werden können. Der Jahreskreis als solcher wird dadurch ins Bewusstsein gerufen und akzentuiert. Weitere Anlässe sind schulinterner Art: Beginn und Abschluss des Schuljahres sowie bestandene Prüfungen bzw. Abschlüsse einer Ausbildung, Verabschiedung von Kolleginnen oder Kollegen, u. ä. m. Sodann geben Vorkommnisse außerhalb der Schule Anlass zu liturgischen Feiern, z. B. Terroranschläge, Unglücke, Todesfälle unter Schülerinnen und Schülern. An Berufsbildenden Schulen in kirchlicher Trägerschaft wird man katholischerseits eine heilige Messe feiern, evangelischerseits ggf. einen Gottesdienst mit Abendmahl; in aller Regel wird die Praxis an (staatlichen) berufsbildenden Schulen nicht von solchen liturgischen Hochformen geprägt, vielmehr von Feiern, die in der Lage sind, Schulgemeinschaften, zu denen Angehörige unterschiedlicher Konfessionen oder Religionen gehören, anzusprechen. Dabei sind verschiedene Formate zu unterscheiden:31 Ȥ Gottesdienst mit liturgischer Gastfreundschaft: Die liturgische Feier findet in Verantwortung einer Religionsgemeinschaft, i. d. R. im Namen einer christlichen Ökumene statt; Angehörige anderer Religionen sind eingeladen und wirken punktuell, gewissermaßen in einem »Fenster« mit, etwa durch ein Grußwort, eine Lesung aus dem Koran, eine Fürbitte. Ȥ Multireligiöse Feier: An der liturgischen Feier nehmen Angehörige verschiedener Konfessionen und Religionen teil und sie wirken auch mit. Jede Konfession bzw. Religionsgemeinschaft verantwortet ihren Beitrag, sei es ein 31 Zu diesen Typen (und Gestaltungsvorschlägen) vgl. Leitlinien für multireligiöse Feiern von Christen, Juden und Muslimen. Eine Handreichung der deutschen Bischöfe (Arbeitshilfen 170), hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2003, etwa 19 f., und Kirchenamt der EKD (Hg.): Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland, Gütersloh 2000, 83 f. Vgl. zudem Landeskirchenamt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers (Hg.): Warum beten wir eigentlich nicht zusammen? Gottesdienste und religiöse Feiern im multireligiösen Schulkontext, Hannover 2007. Praktische Anregungen bieten etwa Johannes Lähnemann (Hg.): Spiritualität. Multireligiös, Berlin 2014; und Jochen Arnold u. a. (Hg.): Gottesdienste und religiöse Feiern in der Schule (gemeinsam gottesdienst gestalten, 27), Hannover 2015.

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Gebet, eine Lesung, eine Ansprache – die jeweils anderen tragen dies respektvoll mit, ohne jedoch zustimmen oder das Gesagte vollumfänglich zu eigen machen zu sollen. Auf diese Weise kann sich eine Christin im Gebet auf Christus beziehen, ein Muslim auf den Koran – ohne das Eigene zurückzustellen, aber eben auch ohne die jeweils anderen zu vereinnahmen. Ȥ Interreligiöse Feier: An der liturgischen Feier nehmen Angehörige verschiedener Konfessionen und Religionen teil; alle beteiligten Religionsgemeinschaften bereiten die Feier gemeinsam vor und verantworten alles Gesagte und Getane gemeinsam. Auf dieser Basis kommt in einer solchen Feier nur zur Sprache, was alle mittragen können, etwa in Gestalt eines Friedensgebetes oder einer Trauerfeier. Adressaten all dieser liturgischen Formen können einzelne Klassen sein, Ausbildungsjahre bzw. -stufen, Bildungsgänge oder auch bildungsgangübergreifende Gruppen, z. B. Absolventen, der Kreis der Kolleginnen und Kollegen, die gesamte Schulgemeinschaft. Auch der Ort solcher Feiern kann nach Anlass und Zielgruppe variieren: In Frage kommt der Klassenraum oder, wenn vorhanden, ein Raum der Stille, die Aula bzw. das Foyer der Schule, auch eine benachbarte Kirche. Was die Vorbereitung angeht, so kann diese von einem schulpastoralen Arbeitskreis, von einer Klasse, von einer je neu zusammengestellten Gruppe von Interessierten, von Lehrenden, vom Schulseelsorger bzw. der Schulseelsorgerin oder in Kooperation mit einer örtlichen Kirchengemeinde (bzw. deren Pfarrerin oder Pfarrer) geleistet werden. Ein Beispiel: Im Laufe ihrer Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin bereitet jede Klasse zweimal einen Schulgottesdienst vor. Dies geschieht im Rahmen des Religionsunterrichtes. Die Klasse wählt ein Thema aus, das sie beschäftigt, ich erkläre mögliche Elemente eines Gottesdienstes, die Schüler/innen suchen in arbeitsteiliger Gruppenarbeit Bibelstellen heraus und schreiben Texte, Gebete und Meditationen, überlegen sich Rollenspiele, Mitmachaktionen, gestalten Einladungsplakate und dem Thema entsprechende anschauliche Materialien und Dekoration. Letzteres geschieht oft in Zusammenarbeit mit dem Kunstlehrer/ der Kunstlehrerin. In Zusammenarbeit mit den Musik-Kolleg/innen treffen die Schüler/innen Entscheidungen für Lieder, Musik, musikalische Elemente. 7.2 Tage religiöser Orientierung/Projekt- bzw. Religiöse Schulwoche Sog. »Tage religiöser Orientierung« (TrO) sind vielerorts Bestandteil des Programms berufsbildender Schulen – am häufigsten wohl bei Schulen in kirchlicher Trägerschaft; im Land Berlin besteht Berufsschulreligionsunterricht aus-

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schließlich in Tagungsarbeit, die solchen Tagen von Zuschnitt und Inhalt recht nahe kommt.32 Tage religiöser Orientierung finden zumeist an einem Ort außerhalb der Schule statt. Sie ermöglichen persönliche Selbst- und Gruppenerfahrung sowie Erfahrungen mit gelebter Religion: Dazu gehören Angebote von Stille, Meditation, Gebet und Gottesdienst in vielen Formen, ein Morgenimpuls und ein Tagesausstieg. Diese oft niedrigschwellig gestalteten Vollzugsformen stellen für viele Teilnehmende einen Erstzugang zu spirituellen Vollzügen dar. Ein Mix aus erlebnis- und erfahrungsorientierten, kreativen und reflexiven Methoden erleichtert den Schülerinnen und Schülern den Einstieg und das Sich-Einlassen auf das religiös imprägnierte Thema. Da solche Tagungen i. d. R. als Schulveranstaltung anerkannt sind, hat die Schule in Person der Lehrenden die Verantwortung und die Aufsichtspflicht, sie organisiert den Veranstaltungsort, die An- und Abreise und kümmert sich um die Gesamtfinanzierung.33 Die Schulabteilungen der Bistümer bzw. die Religionspädagogischen Institute der Landeskirchen beraten die Lehrerenden, stellen Leitfäden und Referierende zur Verfügung und bezuschussen auf Antrag. Es hat sich als günstig herausgestellt, dass Schülerinnen und Schüler ihre Themen selber wählen können, möglichst vor Beginn der Veranstaltung, damit Referierende und Lehrende diese inhaltlich und methodisch gut vorbereiten können. Gerade in der Eingangsphase der Schulzeit an der BBS bzw. zu Beginn der Ausbildung können Tage religiöser Orientierung zur Selbstvergewisserung beitragen und für den eingeschlagenen Weg motivieren. Fragen wie: Wer bin ich? Welche Werte können für mein Leben handlungsleitend sein? Aus welchen Quellen lebe ich? Wo möchte ich hin in meinem Leben? Welche Beziehung habe ich zu mir selber, zu anderen, zu Gott? sind oft für den Erfolg in Schule und Ausbildung von erheblicher Bedeutung. Für das Modell, mit Referent/inn/en zu arbeiten, spricht, dass die Rolle von Lehrkräften immer auch Bewertungen, Benotungen und Entscheidungen über Bestehen bzw. Nichtbestehen der Ausbildung beinhalten, Schüler/innen bei TrO möglicherweise nicht komplett von diesem Umstand absehen und sich nicht im gewünschten Maße auf die Anregungen der eigenen Lehrer/inne/n und auf Gespräche mit ihnen einlassen können. Eine gute Möglichkeit kann sein, die TrO durch Kolleg/inn/en aus anderen Bildungsgängen derselben Schule durchführen zu lassen. 32 Vgl. Beitrag I.2 in diesem Band. 33 Vgl. dazu die Informationen auf der Homepage des Erzbistums Köln: https://www.erzbistumkoeln.de/kultur_und_bildung/schulen/schulpastoral/tage_religioeser_orientierung/; vgl. Martin Gädeke: Religiöse Schulwoche, in: Schröder, Religion (s. o. Anm. 1), 95–104.

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Gute Erfahrungen werden damit gemacht, dass Schüler/innen einige Elemente dieser Tage selber gestalten. Sie sind sehr motiviert, andere an ihrem Können und ihren Erfahrungen partizipieren zu lassen, und diese sind oft neugierig und lassen sich gut auf die Vorschläge ein. Beispiele für Angebote, die Schüler/innen machen: Spiele, eigene Texte und Lieder präsentieren, Tanz, Yoga und weitere achtsame körperliche Betätigungen anleiten, Fantasiereisen vortragen usw. Eine solche Form erfordert natürlich eine längere Vorbereitung, für die Unterrichtszeit zur Verfügung gestellt werden muss. Projektwochen bzw. Religiöse Schulwochen mit dem Ziel, auch die Perspektive des Glaubens ins Spiel zu bringen oder ethische oder spirituelle Kompetenzen zu fördern, sind in vielen Bildungsgängen oder Berufskollegs fester Bestandteil des Schulprogramms. Oft geht es um soziales oder caritatives Engagement. Für das in Frage stehende Zeitfenster suchen sich Schülerinnen und Schüler Projekte, für die sie sich engagieren möchten, werden dabei von Lehrenden beraten, die ihrerseits in Bildungsgangkonferenzen Vorüberlegungen angestellt haben. Dabei können gerade Religionslehrende aus ihrer Offenheit gesellschaftlichen Entwicklungen gegenüber und aus ihrer sozialen Verantwortung heraus Vorschläge für Projekte machen oder bei bereits anvisierten Projekten die weltanschauliche, religiöse oder ethische Komponente identifizieren und als Teil der Projektarbeit ins Bewusstsein rufen oder installieren. Ein Beispiel mag zur Erhellung dienen. Im Rahmen einer Projektwoche möchte eine Schüler/innengruppe der Fachschule für Sozialpädagogik sich in der Flüchtlingsarbeit stark machen. Sie nimmt Kontakt zu einer Flüchtlingseinrichtung auf, in der sich Frauen mit ihren Kindern und unbegleitete Jugendliche befinden. Wichtige Aufgaben sind die Kontaktaufnahme und Beziehungsgestaltung, die Erhebung des Bedarfs, die Recherchen über die politischen, wirtschaftlichen, sozialen Verhältnisse in den Herkunftsländern, über Familienund Kommunikationsstrukturen, über religiöse Einstellungen und Gebräuche der jeweiligen Gesellschaft usw. Als nächstes erfolgt auf der Basis dieser Analyse eine Handlungsplanung mit Zielsetzung, Beschaffung der Mittel und Materialien und Suche nach Kooperationspartnern. Im Anschluss erfolgt die Durchführung der Aktivitäten wie z. B. Kochen und andere hauswirtschaftliche Verrichtungen mit den Müttern, Spiele mit den Kindern, erlebnispädagogische Maßnahmen mit den Jugendlichen, Maßnahmen zur Nachhaltigkeit des Projektes bzw. Möglichkeiten der Fortführung. Den Abschluss der Woche bilden Evaluation, Dokumentation und Präsentation. Die gewonnenen Einsichten und Kompetenzen, die angebahnten Kontakte und Aktivitäten sollten in jedem Fall angeleitet persönlich und in der Projektgruppe reflektiert und in der Schulgemeinschaft weitergegeben werden. Deutlich

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ist der Anteil des Faches Religion, die spezifische Kompetenz der Religionslehrkraft und der Gewinn von interkulturellen Kompetenzen seitens der Schülerinnen und Schüler, wie Wahrnehmen des Fremden, Erleben der eigenen Reaktionen darauf, Deuten auf dem Hintergrund der eigenen Biografie und Sozialisation, Gestalten von Prozessen und Aktivitäten, und vielleicht sogar Feiern und Beten, wenn z. B. ein gemeinsamer spiritueller Abschluss geplant ist. 7.3 Nachbarschaft von Schule und Religionsgemeinschaft In der Regel ist es schwer, Schülerinnen und Schüler berufsbildender Schulen zu außerschulischen Kontakten und Aktivitäten zu bewegen, da sie tendenziell wegen bestimmter Abschlüsse oder Ausbildungen z. T. von weit her anreisen, zudem in vollzeitschulischen Bildungsgängen häufig nebenher in einem Job arbeiten und die Verweildauer an der BBS so kurz wie möglich halten. Daher müssen mögliche Kontakte zumeist innerhalb der Unterrichtszeit stattfinden. Gleichwohl ist es möglich und sinnvoll, Exkursionen zu und Erkundungen in örtlichen Religionsgemeinschaften anzubieten, vorzugsweise solchen, die sich in der Nähe der BBS befinden, sich vor Ort über Glaube, Leben und Arbeit zu informieren, z. B. bei Moscheeführungen und Kirchenraumerkundungen. Gegenseitige Einladungen können ausgesprochen werden; bestimmte Aktivitäten kooperativ angegangen, Räumlichkeiten gemeinsam genutzt, die Öffentlichkeit gemeinsam adressiert werden. Religionsgemeinschaften können außerschulische Kooperationspartner bei Projekten sein, z. B. in der Flüchtlingsarbeit. So erhöht sich die Selbstverständlichkeit der Begegnung mit verschiedenen Gemeinden; Haltungen der Offenheit und Wertschätzung und daraus resultierendes respektvolles Verhalten kann gefördert werden. Zu wünschen ist jedenfalls, dass Vertreter der – möglicherweise verschiedenen religiösen – Gemeinden, in deren Gebiet oder Nachbarschaft sich eine BBS befindet, die Schule aufsuchen, sich vorstellen, sich als zusätzliche Anlaufstelle präsentieren und für die Mitarbeit vor Ort werben. In den Gemeinden ist viel ehrenamtliche Arbeit zu leisten, die aufgrund der Altersstruktur der Engagierten kaum bewältigt werden kann. Vielleicht gibt es Schülerinnen und Schüler, die ein Interesse daran bzw. Kapazitäten haben, um mitzuarbeiten. Althergebrachte Strukturen in den Gemeinden könnten so aufgebrochen und modernisiert werden. Dazu könnte im christlichen Bereich ein Kontakt zwischen Pfarrgemeinderat oder Presbyterium und Fachkonferenz Religion sinnvoll sein. Viele junge Lehrende, die an den Ort der BBS gezogen sind, haben möglicherweise zunächst keinen Kontakt zu ihrer Kirchengemeinde, schulische Aufgaben nehmen zudem einen größeren Zeitraum ihres Tages ein als bei früheren Lehrer-

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generationen, sodass der Kontakt zu der Pfarrei am Ort eine Möglichkeit sein kann, außerschulisch Glaubensgemeinschaft zu erleben und ggf. mitzugestalten. Die Zugehörigkeit zu einer konkreten Gemeinschaft lässt sie in ihrer großen Religions- oder Konfessionsgemeinschaft möglicherweise noch tiefer beheimatet sein, sodass sie überzeugend und noch authentischer von ihrem Glauben Zeugnis ablegen und den Schülerinnen und Schülern einerseits klare Orientierung und andererseits Reibungsfläche bieten können.

8. Religion im Schulleben – handlungsorientierende Überlegungen Wenn in einer Schulgemeinschaft ein Schulseelsorgekonzept entwickelt werden soll, kann mit einem Brainstorming gestartet werden: Was wollen wir? Was können wir? Es können auch eine oder mehrere theoretische Überlegungen, wie sie hier vorgestellt wurden, als Grundlage herangezogen werden. Weitere Systematiken können sein: Ȥ Welchen Schwerpunkt setzen wir an unserer Schule, den diakonischen oder den mystagogischen? Welche Anhaltspunkte bietet unser Schulprogramm? Welche Zielgruppen haben wir? Was gibt uns die Adressatenorientierung vor? Ȥ In welcher Weise wollen und können wir die Grundvollzüge der kirchlichen Sendung (koinonia, diakonia, leiturgia, martyria) verwirklichen, wie können diese für uns handlungsleitend sein und welche Konkretionen beabsichtigen wir? Ȥ Welche Hinweise kann uns die Bedürfnishierarchie nach Maslow geben bzw. in biblischer Terminologie: Was wollen die Schüler, das wir ihnen tun? Ȥ Welche Kompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler sollen beachtet und gefördert werden? Wie solche Fragen und Gesichtspunkte Beachtung finden können, soll abschließend ein Beispiel zeigen: Diakonie, Koinonie wie Bedürfnisorientierung lassen sich festmachen in Unterstützung an Wendepunkten und in Krisensituationen der Schülerinnen und Schüler. Unabdingbar sind dafür verlässliche Gesprächsmöglichkeiten beispielsweise in eigens gestalteten Besprechungs- oder Schulseelsorgeräumen, vielleicht einer »AnsprechBar«. Sich Zeit nehmen, präsent sein, ernst nehmen der Anliegen, Zuhören, Nähe signalisieren, Beziehung anbieten, Raum geben, empathisch sein, Vertrauen haben, im Bewusstsein der Gegenwart Gottes da sein sind Grundhaltungen der Kollegen, die ein solches Gesprächsangebot machen. Im Sinne der personenzentrierten Gesprächsführung nach Carl Rogers ist es oft gar

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nicht sinnvoll, Lösungsvorschläge zu unterbreiten, da viele Menschen ein gutes Gespür dafür haben, welcher Weg der ihnen eigene ist. Wenn sie ihre Belastungen aussprechen und jemand ihnen zuhört und behutsam nachfragt, werden sie sich möglicherweise getröstet und gestärkt fühlen. Vielleicht ist es möglich, nach einem solchen Gespräch an einen Ort (z. B. Raum der Stille) zu gehen, um eine Verbindung zu Gott herzustellen, einen geistlichen oder literarischen Impuls zu geben, der den Faden des Gespräches wieder aufnimmt, (eine) Fürbitte(n) zu formulieren, eine Kerze anzuzünden, tröstliche Gesten zu machen, einen Segen zu sprechen. Ein Fürbittenbuch und Kerzen sind unabdingbares Inventar. Die Schulseelsorgerin oder der Schulseelsorger verdeutlicht, dass die Situation, der/die Schüler/in und auch er/sie selber in einem größeren Ganzen aufgehoben ist. Bei eigenen Erkrankungen, Erkrankungen, Pflege, Tod von Angehörigen, Beziehungsproblemen, Zweifel hinsichtlich der Ausbildung und Abbruch der Ausbildung usw. ist es u. U. mit einem Kontakt nicht getan, sondern bedarf weiterer Gespräche, Gesten, schriftlicher Anregungen, Besuche, Teilnahme an Beisetzungen und ähnlicher Handlungen. Diese diakonische Begleitung ermöglicht längerfristig u. a. folgende Kompetenzen: eigene Gefühle und Bedürfnisse wahrnehmen, unterscheiden, deuten, ihnen sprachlichen Ausdruck verleihen, das eigene Erleben akzeptieren, negative Emotionen tolerieren, aber nicht als überwältigend einstufen, sich beruhigen und entspannen können, die Intensität und Dauer von Gefühlen steuern können, Ressourcen zur Verfügung haben (z. B. die Erfahrung, dass Unterstützung vorhanden ist, oder die Erfahrung, eine schwierige Situation bewältigen zu können oder schon einmal bewältigt zu haben, Wesentliches von weniger Wesentlichem unterscheiden, eigenes Erleben und Verhalten im Kontext der eigenen Biografie sehen, sich Ziele setzen, Wege und Strategien erkennen, die dazu führen, eigene Zielsetzungen zu verfolgen, Vorhaben in die Tat umsetzen, Folgen eigener Entscheidungen abschätzen und tragen, selbstbestimmt handeln, Rituale vollführen und ihre Sinnhaftigkeit erleben, Vertrauen in sich selber und in Gott haben und viele mehr). Gerade im Bereich Diakonie sind Absprachen mit Vertrauenslehrern, Beratungslehrkräften, sozialpädagogischen Fachkräften in der Schulsozialarbeit unerlässlich, damit die Angebote nicht miteinander konkurrieren und sich vielleicht sogar widersprechen. Beim Bereich der Liturgie kommen zunächst einmal die Gottesdienste in den Blick. Nachdem Block- und Praktikumszeiten, Prüfungstermine, Klassen- und Studienfahrten, Tage religiöser Orientierung, Projektzeiträume und weitere schulinterne obligatorische Termine feststehen, kann eine Gottesdienstjahresplanung in Angriff genommen werden. Klasseninterne Gottesdienste können nach Bedarf kurzfristig veranstaltet werden, solche für den Bildungsgang und erst recht solche für alle müssen als Knotenpunkte in die Jahresleiste aufgenommen werden.

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Konzepte und Gehalte des BRU – didaktische Aspekte

In vielen BBS finden vier »große« Gottesdienste statt, zum Schuljahresbeginn, im Advent, vor den schriftlichen Prüfungen, als Abschluss des Schuljahres oder im Rahmen der Entlassfeier. Dazu könnten Angebote für Kolleginnen und Kollegen oder andere Mitarbeitende kommen, z. B. am ersten Konferenztag nach den Ferien oder bei anderen Übergängen. Aus dem Bereich der Liturgie seien hier beispielhaft einige Überlegungen zum Schuljahreseröffnungsgottesdienst dargelegt.34 Auch hier ist die Grundfrage: Was brauchen die Beteiligten an diesem Punkt des Schuljahres? Nach Helga Streffing geht es zu diesem Zeitpunkt um einen dreifachen Beziehungsaufbau. 1. Die Beziehung der Schüler/innen zu sich selber soll aufgebaut und gestärkt werden. Sie sollen einen Zugang bekommen zu ihren Sorgen, Ängsten, Belastungen, Wünschen, Hoffnungen. Das kann geschehen, indem man die »Neuen« begrüßt, ihre Gefühle thematisiert, die thematische Einführung in den Gottesdienst danach ausrichtet, die Fürbitten entsprechend formuliert, eigene, passende Texte schreiben lässt. 2. Die Beziehung zu anderen soll sich entwickeln und festigen können. Durch gemeinsames Einüben von Liedern, Singen, Musizieren, Sprechen von Gebeten, durch einen besonders gestalteten Friedensgruß können Gemeinsamkeit und Getragensein spürbar werden. 3. Die Beziehung zu Gott soll gespürt und zugelassen werden. Schülerinnen und Schüler sollen sich angenommen fühlen mit ihren Stärken und Schwächen, sollen eine Orientierung bekommen. Dies kann dadurch ermöglicht werden, dass am Beginn des Gottesdienstes gerade kein Kreuzzeichen steht, Gott noch nicht explizit vorkommt, der Gottesbezug erst im Laufe des Gottesdienstes stärker wird, sodass Schüler/innen nicht überrumpelt, vereinnahmt werden, sondern behutsam für diesen Bezug aufgeschlossen werden. Der Bereich des Glaubenszeugnisses (martyria) findet seinen Niederschlag in liturgischen Angeboten, in christlichen Werten und Sichtweisen im Fachunterricht, darin, dass in Konferenzen, Gremien und Dokumenten eindeutig Positionen der Schulseelsorge vertreten werden, in anlassbezogener Mitarbeit beim Schulprogramm, bei der Vorbereitung der Qualitätsanalyse sowie bei der äußeren Schulentwicklung (Beispiel: Soll ein weiterer AHR-Bildungsgang hinzukommen oder machen wir uns für eine Förderklasse stark?), in der Gestaltung einer Schulseelsorgewand, auf der Aktuelles aus Religion und Kirche, aus Politik und Gesellschaft mit ethischen Implikationen, aus dem Kalender- und Schuljahr dargestellt und visualisiert wird. Eine solche Fläche könnte es auch im Lehrerzimmer für die Kolleg/innen geben. Schulseelsorge soll möglichst von allen getragen werden, daher sind die Initiatoren im Gespräch mit der Schulleitung, dem Lehrer34 Dargelegt von Helga Streffing, Josef-Pieper-Berufskolleg Rheine, bei der in Anm. 23 genannten Tagung.

Schulseelsorge bzw. Religion im Schulleben

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rat, der MAV, der SV, den Klassen-, Religions-, Musik-, Beratungslehrer/innen, den Sekretärinnen und dem Hausmeister. Schulseelsorge ist keine partielle Rolle mehr, sondern eine Haltung aller Beteiligten. »Der spirituelle Raum sind heute nicht mehr die Kathedralen, sondern das Zwischenmenschliche«.35 Das Beispiel zeigt, dass Religion im Schulleben von qualifizierten und erfahrenen Schulseelsorgenden profitiert, in jedem Fall aber Aufgabe eines Teams innerhalb einer Schule ist.36 Je nach Schülerschaft und Kollegium kann die Initiative katholisch oder evangelisch basiert sein, ökumenisch37 oder multireligiös.

9. Ausblick Religion im Schulleben bzw. Schulseelsorge sind vielerorts ein Handlungsfeld, das sich bei Lehrenden wie Lernenden wachsender Beachtung, gesteigerten Engagements und erhöhter Nachfrage erfreut. Das gilt v. a. für allgemeinbildende, aber auch für berufsbildende Schulen. Praxisorientierte und konzeptionelle Literatur, die den Einstieg erleichtert, gibt es in großer Zahl – allerdings vergleichsweise selten mit Fokus auf berufsbildenden Schulen. Die hier (und anderswo) vorgetragenen Überlegungen zeigen: Es lohnt sich, das Engagement für und im Religionsunterricht (als Standbein) um Initiativen für und in Religion im Schulleben bzw. Schulseelsorge (als Spielbein) zu ergänzen – gerade auch dann, wenn Schülerinnen und Schüler keineswegs einer Konfession allein angehören, sondern verschiedene Religionen repräsentieren. So wie Religionsunterricht religionssensibel verfahren und interkonfessionelles wie interreligiöses Lernen ermöglichen kann, so bietet auch Religion im Schulleben Möglichkeiten für religions- oder konfessionsdifferenzierte wie religionsverbindende Formate, Inhalte und Begegnungen. Religionsunterricht und Schulseelsorge (im weiten Sinne) verweisen aufeinander und stärken einander – nicht um ihrer selbst, sondern um der Schülerinnen und Schüler willen, die in einer Umbruchsphase ihres Lebens darüber 35 Gabriele Bußmann am 18. April 2016 (s. o. Anm. 23). 36 Vgl. als empiriegestützte Untersuchung zur Implementierung von Schulseelsorge Lea-Kristina Behrens: Wirkungsvolle Schulseelsorge: Schule. Kirche. Person, Berlin/Münster 2015; Hilfestellung bieten zudem Hans-Martin Gutmann/Birgit Kuhlmann/Katrin Meuche: Praxisbuch Schulseelsorge, Göttingen 2014; und BRU Magazin 66 (2016): Die Seele der Schule – Schulseelsorge – Schulkultur. 37 Dazu exemplarisch: Ökumenische Schulseelsorge/Schulpastoral an beruflichen Schulen: Projektdokumentation 2013–2016, hrsg. von der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Rottenburg 2016.

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Konzepte und Gehalte des BRU – didaktische Aspekte

nachdenken, aber auch erfahren können sollen, was es heißt, ihr Leben im Licht des Evangeliums (oder einer anderen religiösen Orientierung) zu deuten und zu führen.

Weiterführende Literatur Jochen Arnold/Friedhelm Kraft/Silke Leonhard/Peter Noß-Kolbe (Hg.): Gottesdienste und religiöse Feiern in der Schule, Hannover 2015 Albert Biesinger/Joachim Schmidt (Hg.): Schulpastoral an beruflichen Schulen, Tübingen 2006 (Gott – Leben – Beruf Bd. 4) Comenius-Institut (Hg.): Schnittstelle Schule – Impulse evangelischer Bildungspraxis, Münster 2006 ff. (bisher 6 Bände) Harmjan Dam u. a.: Begegnung von Christen und Muslimen in der Schule. Eine Arbeitshilfe für gemeinsames Feiern, Göttingen 2016 Hans-Martin Gutmann/Birgit Kuhlmann/Katrin Meuche: Praxisbuch Schulseelsorge, Göttingen 2014 Angela Kaupp/Gabriele Bußmann/Brigitte Lob/Beate Thalheimer (Hg.): Handbuch Schulpastoral – für Studium und Praxis, Freiburg 2015 Ralf Koerrenz/Michael Wermke (Hg.): Schulseelsorge: ein Handbuch, Göttingen 2008

IV.

Reflexion des BRU – wissenschaftsbezogene Aspekte

IV.1 Die Berufspädagogik als Gesprächspartnerin des BRU

Detlef Buschfeld

1. Eine Zusammenfassung als Einleitung Der Beitrag justiert seinen Titel durch drei Brillen. In der ersten Annäherung wird die Ansprache »die Berufspädagogik« aus wissenschaftsdisziplinärer Sicht gedeutet mit dem Ergebnis: »Die« Berufspädagogik gibt es nicht als Gesprächspartnerin. Die zweite Brille zeigt: In berufsbildenden Schulen finden sich aber jeweils Personen, die sich zur Gruppe der Berufspädagogen zählen bzw. sich zu den beruflichen Fachrichtungen zugehörig fühlen. Aus Sicht der Praxis sind diese Menschen gemeint, wenn Gesprächspartner gesucht werden. Drittens werden die Gesprächsanlässe bzw. die Themen und Fragestellungen in den Blick genommen, über die aus struktureller Sicht dialogisch kommuniziert werden kann und wird.

2. »Die« Berufspädagogik gibt es nicht Ein aktuelles Lehrbuch »Einführung in die Berufspädagogik«1 belegt Schwierigkeiten mit dem passenden Namen für »die Berufspädagogik«. Im Titel wird von Berufspädagogik gesprochen, im Text konsequent von der Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Die Autoren ordnen sie in einem Schaubild den Erziehungswissenschaften zu, markieren dabei aber Berufs-, Wirtschafts- und Erwachsenenpädagogik als erkennbare Teilbereiche.

1

Rolf Arnold/Philipp Gonon/Hans Joachim Müller: Einführung in die Berufspädagogik, Opladen 22016.

Die Berufspädagogik als Gesprächspartnerin des BRU

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Verortung der Berufs- und Wirtschaftspädagogik nach Arnold/Gonon/Müller2

Die Abgrenzung der Berufs- und Wirtschaftspädagogik zur Erwachsenenpädagogik lässt sich an dieser Stelle eher plakativ durch den akademischen Bezugspunkt der Autoren begründen. Inhaltlich kann an der Grafik deutlich gemacht werden, dass in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik heute überwiegend über Jugendliche, junge Erwachsene oder Erwachsene als Bezugsgruppe gesprochen wird. In vielen älteren berufs- und wirtschaftspädagogischen Werken wird eher von Kindern und Jugendlichen gesprochen. Nun könnte es als relativ belanglos erscheinen, ob es nun Berufspädagogik oder Berufs- und Wirtschaftspädagogik heißt, wenn in obiger Abbildung die Vereinigungsmenge gemeint ist. Dies ist aus Sicht von z. B. der Arbeits- und Betriebspädagogik, der Agrar- oder Technikpädagogik, der Gesundheits- oder Pflegepädagogik und auch der Hauswirtschafts- oder Sozialpädagogik jedoch nicht trivial, denn diese würden aus verschiedenen Gründen nicht als Berufs- und Wirtschaftspädagogik bezeichnet werden. Würden sie mit in der Grafik genannt, müssten zudem weitere Bezugswissenschaften in das Bild aufgenommen werden. Das würde die Grafik zwar präziser, aber doch sehr viel unübersichtlicher machen hinsichtlich der Klärung der Frage, wer »die Berufspädagogik« ist. Daher gilt für diesen Beitrag: Die Bezeichnung »Berufspädagogik« wird als Sammelbegriff verwendet. Die Berufspädagogik kennzeichnet zunächst konzeptionell die in Deutschland in einem typischen Lebenslauf eines Menschen erscheinenden Problemlagen im Kontext beruflicher Orientierung, beruflicher Ausbildung und beruflicher Weiterbildung bis hin zu den Fragen des Übergangs in den Ruhestand. Berufspädagogik umfasst als Sammelbegriff dabei alle beruflichen Fachrichtungen, die von der Kultusministerkonferenz festgelegt sind. Inso2 Arnold/Gonon, Einführung (s. o. Anm. 1), 16.

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Reflexion des BRU – wissenschaftsbezogene Aspekte

fern gilt es mit Blick auf die Gegebenheit vor Ort, etwa in einer berufsbildenden Schule, zu fragen, welche berufliche Fachrichtungen sind in Bezug auf welche Zielgruppen aktiv, wenn »die Berufspädagogik« adressiert wird. In einer orientierenden Darstellung über alle Bundesländer hinweg können drei Typen berufsbildender Schulen ausgemacht werden. Berufsbildenden Schulen im ländlichen Raum sind eher als »Bündelschulen« anzutreffen. Hier arbeiten mehrere Fachrichtungen unter einem Dach. In »Schwerpunktschulen« ist nur eine Fachrichtung oder sind wenige affine Fachrichtungen vorhanden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit bieten diese dann für die Bandbreite der verschiedenen Zielgruppen in der beruflichen Fachrichtung ein sehr differenziertes Angebot. Die eher seltenen »Profilschulen« fokussieren sowohl mit Blick auf die Fachrichtung als auch auf ausgewählte Bildungsgänge, beispielsweise bestimmte Ausbildungsberufe in der Berufsschule. Gerade in Bündelschulen lohnt sich die differenzierte Frage nach dem Ansprechpartner, in Schwerpunkt- und Profilschulen ist es offensichtlicher, wer »die Berufspädagogik« als Ansprechpartner ist. Es werden jeweils Menschen sein, die z. B. Technik-, Pflege- oder Wirtschaftspädagogik und dabei einen gewissen Anteil Berufspädagogik studiert haben. Der gewisse Anteil Berufspädagogik und damit das Verbindende der Sammelbezeichnung befasst sich mit der berufsförmigen Organisation der Erwerbsarbeit in Deutschland. Der Beruf als »künstliches« Gebilde greift in allen Lebensphasen: bei Kindern und Jugendlichen etwa über eine frühe Orientierung hin zu Berufen, bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen etwa über die erste entscheidend erscheinende Wahl für oder gegen eine Ausbildung etwa im dualen System der Berufsausbildung, bei Erwachsenen mit den verschiedenen Formen der Weiter- oder Erwachsenenbildung. Das »künstliche« Gebilde wird wiederum mit pädagogischen Grundbegriffen verknüpft, z. B. in Worten wie Berufserziehung oder Berufsbildung. Die Berufspädagogik als Sammelbegriff befasst sich somit inhaltlich mit Berufserziehung oder Berufsbildung, wobei die Berufsausbildung als Teil davon wiederum ein besonderer Kulminations- und Streitpunkt ist. Die Berufspädagogik verbindet damit i. d. R. die jeweilige Klärung der Frage, wer welche erzieherischen oder bildenden Aufgaben mit welchen Zielen übernimmt oder wie diese sich beschreiben oder erklären oder verstehen lassen. Institutionell-praktische Diskussionen und begrifflich-theoretische Ansätze mit jeweils normativem Einschlag prägen entsprechend die Literatur in verschiedenen Stadien der berufsförmigen Organisation der Erwerbsarbeit. Wolf-Dietrich Greinert hebt drei Eckpfeiler der Entwicklung der Berufsbildung in Deutschland hervor: Ȥ ein stabiles korporatistisches Steuerungssystem,

Die Berufspädagogik als Gesprächspartnerin des BRU

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Ȥ ein spezifisches Sozialisationsmodell und Ȥ eine autonome, eigenständige Rechtsordnung.3 Übergreifend wird dadurch verdeutlicht, dass das künstliche Gebilde Beruf eng und wechselseitig mit Wirtschaft verflochten ist. Berufe hängen von der Wirtschaft ab genauso wie die Wirtschaft von Berufen abhängt und zwar in allen beruflichen Fachrichtungen bzw. zurechenbaren Wirtschaftsbranchen. Der erste von Greinert genannte Punkt verdeutlicht, dass Wirtschaft eben nicht allein Management und Kapital meint, sondern eine Vielfalt von Interessengruppen. Insbesondere Arbeitnehmer und Arbeitgeber verhandeln gemeinsam die Strukturen des Berufsbildungssystems in Deutschland und gestalten so Berufserziehung und Berufsbildung. Die Wirtschaft – u. a. über die Unterschiede aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerperspektiven – muss deshalb als vielschichtiger Akteur des Erziehungs- und Bildungssystems gesehen werden. Unternehmen sind in dieser Sicht Teil des Erziehungs- und Bildungssystems, so wie etwa Sportvereine, Musikschulen oder Sekundarschulen auch. Das wird im zweiten Punkt von Greinert ganz deutlich. Das spezifische Sozialisationsmodell meint das sog. duale System, in dem eben Betriebe und Berufsschulen gemeinsam die Phase der beruflichen Ausbildung gestalten. Betriebe sind nicht nur Ziel, für das erzogen oder (aus)gebildet wird, Betriebe erziehen oder bilden (aus) in diesem Sozialisationsmodell. Dabei beansprucht Berufsbildung eigene Hoheits- und Zuständigkeitsrechte bzw. stützt sich auf diese, zum Beispiel in Form des Berufsbildungsgesetzes und darin begründeter Rechte zum Erlass von Ausbildungs- oder Prüfungsordnungen. Darauf zielt der dritte bei Greinert genannte Punkt. In der Berufsbildung gibt es besondere Standards, etwa für Prüfungen. Politische und gesellschaftliche, unter anderem auch kirchliche Kräfte und Positionen ringen dabei um die »richtige« Interpretation der »sozialen Marktwirtschaft« in Deutschland.4 Von daher ist das künstliche Gebilde Beruf ebenso Teil der Wirtschafts- und Sozialpolitik wie Teil der Erziehungs- und Bildungspolitik, um die Gemengelage staatlicher Zuständigkeiten in Bundes- und Landesministerien für das künstliche Gebilde nur ganz kurz anzudeuten. Die Berufspädagogik als wissenschaftsdisziplinärer Ansprechpartner sitzt so zwischen vielen Stühlen und ihre Vertreter in den Hochschulen mal in einer Fakultät für Erziehungswissenschaften, mal in einer für Wirtschafts- und Sozial3

Wolf Dietrich Greinert: Erwerbsqualifizierung als Berufsausbildung – bleibt dies die ultimative Lösung? In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 3/2013, 11–15, hier 12. 4 Alfred Müller-Armack: Religion und Wirtschaft, Stuttgart 1959.

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Reflexion des BRU – wissenschaftsbezogene Aspekte

wissenschaften, mal in einzelnen, verschiedenen Fakultäten zugerechneten Fächern mit einer beruflichen Fachrichtung. Oder auch: Die Berufspädagogik ist in allen drei Varianten in einer Universität mit unterschiedlichen Ausstattungen und Auslastungen angesiedelt. Es geht also weit über übliche Differenzen zwischen unterschiedlichen Ansätzen in einer Disziplin hinaus, wenn gesagt wird, »die Berufspädagogik« gibt es nicht. Ihr Objekt, ihr Gestaltungsfeld und ihre Zuständigkeit, werden ganz unterschiedlich gedeutet. Ihre Entwicklung als Hochschuldisziplin verdankt die Berufspädagogik seit etwa dem Jahr 1900 der engen Verknüpfung von Berufsbildung in verschiedenen beruflichen Fachrichtungen oder dem Umstand, jeweils über geeignetes Lehrpersonal für berufliche Aus- und Weiterbildung verfügen zu wollen. Später prägt sich dies vor allem als bundeslandspezifische Form von Lehramtsstudiengängen für berufsbildende Schulen oder berufliche Fachrichtungen aus. Diese schwanken stets zwischen der fachlichen Nähe zu den Bezugsdisziplinen (etwa: »echten« Ingenieurswissenschaften, den »originären« Natur- oder Wirtschaftswissenschaften usw.) und erziehungswissenschaftlichen, berufspädagogischen oder auf die Lehrprofession bezogenen Studienanteilen. Unter diesem Blickwinkel richtet sich die im Titel des Beitrages gestellte Aufgabe auf die Frage: Was haben Berufspädagogen an berufsbildenden Schulen studiert, wie lässt sich ihre akademische Herkunft typisieren?

3. Berufspädagoginnen und Berufspädagogen gibt es schon Es ist quantitativ wie qualitativ nicht einfach, die an berufsbildenden Schulen tätigen Berufspädagoginnen und Berufspädagogen über ihre akademische Herkunft zu beschreiben. In diesem Beitrag setze ich als Standardfall ein Zwei-Fach-Lehramtsstudium mit einer beruflichen Fachrichtung an. Nach Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) sind aktuell folgende berufliche Fachrichtungen studierbar:5 Beruflichen Fachrichtungen nach KMK (2016, Beilage)5 Wirtschaft und Verwaltung

Farbtechnik, Raumgestaltung und Oberflächentechnik

Metalltechnik

Gesundheit und Körperpflege

Elektrotechnik

Ernährung und Hauswirtschaft

5 Rahmenvereinbarung über die Ausbildung und Prüfung für ein Lehramt der Sekundarstufe II (berufliche Fächer) oder für die beruflichen Schulen (Lehramtstyp 5) (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.5.1995 i. d. F. vom 6.10.2016).

Die Berufspädagogik als Gesprächspartnerin des BRU

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Beruflichen Fachrichtungen nach KMK (2016, Beilage) Bautechnik

Agrarwirtschaft

Holztechnik

Sozialpädagogik

Textiltechnik und -gestaltung

Pflege

Labortechnik/Prozesstechnik

Fahrzeugtechnik

Druck- und Medientechnik

Informationstechnik

Für sieben der beruflichen Fachrichtungen liegt eine inhaltliche-curriculare Darstellung auf KMK-Ebene vor. Diese werden aber nicht immer eins zu eins an den Hochschulstandorten übernommen. Die einzelnen Bundesländer können zudem weitere berufliche Fachrichtungen benennen. Die berufliche Fachrichtung muss mit einem anderen Fach kombiniert werden, was wiederum zu zwei Varianten führen kann, nämlich die Kombination mit einem sog. allgemeinbildenden Fach, zum Beispiel einer Fremdsprache oder Religion/Theologie oder auch Sonderpädagogik, oder die Kombination mit einer zweiten beruflichen Fachrichtung. Im Standardfall prägt die berufliche Fachrichtung mit ihrem in der Regel doppelt gestalteten Bezug zur Fachdisziplin einerseits und mindestens einem Berufsfeld bzw. einer beruflichen Praxis andererseits das Studium im Verbund mit darin enthaltenen berufspädagogischen Anteilen oder Modulen. In der Praxis dürften es insofern insbesondere beruflich-fachdidaktisch geprägte Kolleginnen und Kollegen sein, die sich als »Berufspädagogen« angesprochen fühlen. Ihre jeweiligen beruflichen Fachdidaktiken greifen den Bezug zur beruflich-betrieblichen Praxis in ihren vielfältigen Interpretationen auf. Eine auf die Berufspraxis oder auch handlungsorientiert ausgelegte Fachdidaktik dürfte vielfach die Leitidee des individuellen Unterrichts von Berufspädagogen widerspiegeln. In dieser pragmatischen Deutung sind zwei Effekte für Gesprächspartner von Bedeutung: Nämlich kann möglicherweise die eigene berufliche Praxiserfahrung überhöht werden oder die Relevanz einer nach dem Grundsatz »wer lehrt, prüft nicht« gestalteten externen beruflichen Prüfungspraxis wird als Maßstab verabsolutiert. Zugleich bietet hier die Variante des zweiten allgemeinbildenden Faches (fach-) didaktische Alternativen. Nach meinen Erfahrungen justieren z. B. Studierende der beruflichen Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften in der Kombination mit Religion je »in sich« ihre jeweiligen fachdidaktischen Grundlinien, wobei es ihnen durchaus gelingen kann, mit verschiedenen Grundlinien umzugehen. Auch für die Berufspädagoginnen und Berufspädagogen an berufsbildenden Schulen als Personen gilt also: »den Ansprechpartner« gibt es nicht. Dies gilt umso mehr, weil die Wahrscheinlichkeit groß ist, auf »Seiten- oder Quereinsteiger«

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Reflexion des BRU – wissenschaftsbezogene Aspekte

zu treffen. In diesem Fall kann typischerweise von der Annahme ausgegangen werden, dass ein hoher Anteil an fachlichem Wissen oder fachpraktischen Erfahrungen den Lebensweg der Person prägt und ein eher geringer Anteil von Lernphasen mit bildungswissenschaftlichen, theoretisch-fachdidaktischen oder berufspädagogischen Problemstellungen auszumachen sein dürfte. Von berufsbildender Schule zu berufsbildender Schule und innerhalb einer berufsbildenden Schule zwischen den einzelnen Bildungsangeboten wird sich so die Zusammensetzung der »Berufspädagogik« als Gesprächspartner sehr unterscheiden. Dabei ähnelt die Bandbreite durchaus der Bandbreite, die für die im beruflichen Religionsunterricht eingesetzten Lehrkräfte vorzufinden ist. Konsequenz ist das gegenseitige Kennenlernen als Ausgangspunkt für Gespräche. Das muss kein Smalltalk sein, sondern kann sich direkt am jeweiligen Bildungsangebot festmachen und an der Gruppe der dort Beteiligten. Offensichtlich ist dies umso schwieriger, je vielfältiger die eigenen Einsatzgebiete im Ensemble der Bildungsangebote der beruflichen Schule sind. Dennoch ist es immer denkbar und möglich, das Gespräch mindestens mit und in der Gruppe der Lehrenden eines Bildungsangebotes zu führen. Sofern die Bildungsangebote innerhalb einer berufsbildenden Schule auch organisatorische Einheiten markieren, wird häufig von dem Bildungsgang einer berufsbildenden Schule gesprochen und damit von dem Bezugspunkt für ein Gespräch. Bildungsgänge können definiert werden als abschlussbezogene, arbeitsteilig organisierte Lehr-Lernprozesse einer Gruppe von Lernenden und Lehrenden zum Erwerb beruflicher Handlungskompetenz.6

4. Bildungsgangarbeit als Bezugspunkt und Anlass für Gespräche Aus zwei Gründen fokussiere ich den Titel des Beitrages über das Gespräch »unter Lehrenden« auf ein Gespräch mit dem Bezugspunkt im Bildungsgang. (1) Bildungsgänge beziehen sich auf die Gruppe der Lernenden und Lehrenden. Damit werden Gespräche im Bildungsgang funktional. Gespräche beziehen sich auf die zu organisierenden Lehr-Lernprozesse. In einem vereinfachten Sinne drehen sich die Gespräche mit anderen Lehrenden über die Schülerinnen und Schüler.7 Die Gruppe der Lernenden ist durch zwei Merkmale bestimmt. Einer6 Detlef Buschfeld: Konditionen beruflicher Bildungsgänge, Köln 2002. 7 Mit Schülerinnen und Schüler über andere Lehrende zu sprechen ist eine andere Form von Gesprächen, die hier nicht im Fokus steht.

Die Berufspädagogik als Gesprächspartnerin des BRU

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seits durch eine Konstanz als Homogenität der abgegrenzten Schülerschaft – es geht um Schülerinnen und Schüler im Sinne von »zahnmedizinischen Fachangestellten«, »Metallbauern« oder »Schülerinnen und Schülern in der Berufsfachschule« (der Fachrichtung X) als Stereotypen. Ein solcher Stereotyp wird beispielsweise gebraucht, um sinnvoll über Unterrichtsvorhaben in der Eingangsklasse des nächsten Jahres sprechen zu können. Andererseits geht es um die wahrscheinliche Heterogenität der konkret anwesenden Schülerinnen und Schüler in den Klassen des Bildungsganges als Bedingung der Lehr-Lernprozesse. Bildungsgänge bieten so regelmäßig Gesprächsanlässe. Die Gruppe der Lehrenden besteht aus Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen, ist also eine Arbeitsgruppe mit bestimmter Aufgabe oder auch ein Team von je spezialisierten Kolleginnen und Kollegen mit gemeinsamem Auftrag. Typischerweise ist diese Gruppe in ihrem Kern über mehrere Jahre oder Jahrzehnte stabil, was nicht ausschließt, dass einzelne Mitglieder der Gruppe auch wechseln oder mit wechselnder Intensität in einem Bildungsgang arbeiten. Sowohl das intensivere Kennenlernen als auch die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Berufspädagoginnen und Berufspädagogen wird durch diese »Gruppe der Lernenden und Lehrenden« inhaltlich bestimmt. Diese Fokussierung lässt das Gespräch konkret werden und macht mögliche Unterschiede bzw. die Vielfalt berufspädagogischer Positionen über die Personen konkret sichtbar. (2) Ein mögliches Spektrum der Gespräche lässt sich über die Formulierung »Arbeitsgruppe mit bestimmter Aufgabe« umreißen. Über die normative »Deutung der Aufgabe«, die arbeitsteilig durch den Bildungsgang zu bewältigen ist, lässt sich ebenso ins Gespräch kommen, wie über die didaktisch-methodischen Ansprüche. Prüfungen und die unterschiedliche Einschätzung der Ausgestaltung der Prüfungsvorbereitung in Bildungsgängen sowie Interpretationen über das Ziel in Form von Qualifikation oder Bildung sind häufig Anlass für ein Gespräch (oder Grund dafür, nicht miteinander zu sprechen). Die definitorischen Merkmale »abschlussbezogen« und »Förderung beruflicher Handlungskompetenz« für Bildungsgänge begründen solche Diskussionen ebenfalls erst konkret. Sie hängen beide mit den genannten Eckpfeilern der Berufsbildung von Greinert zusammen bzw. gewichten diese in einer spezifischen Mischung vor Ort, die einerseits Abhängigkeit von Vorgaben bestätigt und anderseits Möglichkeiten alternativer Gestaltung zulässt. Die kurze Begründung, warum der Beitrag auf Gespräche unter Lehrenden in beruflichen Bildungsgängen fokussiert, soll nicht nahelegen, dass es auf individueller Ebene der Begegnung oder auf der Ebene der berufsbildenden Schule und anderen Bereichen keine Gesprächsanlässe gäbe. Aber Bildungsgänge sind praktisch gewendet der Ort, an dem die Rede über Unterricht, also das Gespräch mit didaktischen Argumenten, konkret geführt werden und konkret

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Reflexion des BRU – wissenschaftsbezogene Aspekte

wirken kann. Ein solches Gespräch kann praktische Konsequenzen insbesondere aufgrund der Reflexion eigener Standpunkte haben, wobei der eigene Standpunkt einer »Arbeitsgruppe« und der eigene Standpunkt in der Arbeitsgruppe gemeint ist. Auf die Person der Lehrenden bezogen kann »der Standpunkt« dabei im begrenzten Maße zwischen Bildungsgängen schwanken. So kann etwa eine geforderte »betriebliche Orientierung« des Unterrichts zwischen Unterricht in einem Bildungsgang der Ausbildungsvorbereitung und Unterricht in der dualen Ausbildung bei einer Lehrperson unterschiedlich ausgeprägt sein. Dennoch ist die mögliche persönliche Bandbreite im günstigen Falle personal definiert. Über die Vielzahl der Bildungsgänge betrachtet, dürften die Standpunkte entsprechend der Vielfalt der Interpretation von Berufspädagogik und Qualifikation und Bildung von Berufspädagoginnen und Berufspädagogen differieren bzw. müssen gefunden werden.

5. Wiederkehrende Dialoge mit Berufspädagoginnen und Berufspädagogen (1) Ein Dauerthema über Religionsunterricht an beruflichen Schulen ist die Frage, warum Religionsunterricht in beruflichen Bildungsgängen gerechtfertigt ist. Die vermeintlich einfache und klare Antwort liefert das Grundgesetz in § 7. Dieses Argument wird jedoch um den Preis eingeführt, dass Berufsschulen als öffentliche Schulen schlicht genauso als Schule betrachtet werden wie Grundschulen oder andere. Das ruft bei Berufspädagoginnen und -pädagogen, die um das Besondere des Berufs als Grundlage ihrer Pädagogik ringen, nur bedingt Zustimmung hervor. Auch führt die Antwort meist nicht zu einem Dialog, sondern eher zu Sprachlosigkeit angesichts der grundrechtlichen Antwort auf eine im Kern didaktische Frage. Dagegen bietet die Frage, was Religion mit Beruf zu tun hat, mindestens zwei mögliche didaktische Zugänge für den Dialog, in dem beide Seiten einen gemeinsamen Bezugspunkt aufgreifen können. Der erste lautet: Beruf hat etwas mit Arbeit zu tun und Arbeit etwas mit Religion. Die zweite Formulierung bezieht sich auf Moral, Sittlichkeit und Ethik und diese sind gemeinsamer Kontext für christlich geprägten Religionsunterricht in der Berufserziehung. Als einen Grund, warum der Religionsunterricht in beruflichen Schulen reserviert aufgenommen wird, nennt der Berufspädagoge Ernst Antony die Einstellung, »dass von vielen die Hauptaufgabe der Berufsschule fast ausschließlich darin gesehen« werde, »das praktische fachliche Wissen und Können, das sich die Berufsanwärter im Betrieb aneignen, theoretisch zu untermauern, zu erweitern

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und zu ergänzen«.8 Die Anhänger hätten aber nicht verstanden, dass »man den Beruf als den Anruf Gottes an den Menschen […], der durch die Arbeit seine Erfüllung finden soll«9, verstehen muss und diese als Teil der Menschenbildung.10 Ich führe dieses Zitat an, um zu belegen, dass dieser Gesprächsanlass schon eine längere Tradition hat, die sich beispielsweise auch in der Zuständigkeit der Ressorts Wirtschaft (Bund) und Kultus und Unterricht (Bundesländer) widerspiegelt.11 Am pragmatischen Ende solcher Diskussion steht die Aussage, dass ein enges Verständnis von Beruf als beruflicher Qualifizierung zu einer empfehlenswerten, aber meist nachgelagerten Erweiterung im berufsübergreifenden Fächerkanon und hier speziell des Religionsunterrichts führt. Zwischen der Aussage »Religionsunterricht ist auch wichtig« und der vergleichenden Aussage »Religionsunterricht ist genauso wichtig wie …« liegen auszulotende Unterschiede, ob beruflicher Religionsunterricht als zugehöriger Anhang oder angehöriger Bestandteil beruflichen Unterrichts gezählt wird.12 Im Berufsfeld »Wirtschaft und Verwaltung« findet sich ein anschaulicher Bezug zu dem zweiten hier angerissenen Gesprächsanlass. Denn eine typische Argumentation lautet, dass etwa die ethische und kulturelle Dimension von Beruf und Wirtschaft elementar und deshalb auch im beruflichen Religionsunterricht anzusprechen sei – etwa die Gerechtigkeit von Löhnen, die Verlässlichkeit bei Verträgen, Lug und Betrug sowie Fürsorge und Verantwortung in Chefetagen und andere Themen der Wirtschaftsethik.13 Ein solch mehrfacher Themenbezug bietet die Gelegenheit zum Gespräch im Sinne fächerübergreifenden Unterrichts. Es betrifft den Punkt der Zusammenarbeit oder des Verweisens aufeinander im Sinne einer interdisziplinären Argumentation, die auf die jeweilige Zielgruppe abgestimmt wird. Diese Argumentation gilt für Natur, Umwelt und Technik oder Mensch, Körper und Seele und andere Bezugswissenschaften der jeweiligen Berufe sicher auch. Im Unterschied zu ersten Gesprächsanlässen wird hier das Thema gemeinschaftlich erschlossen und Menschen dafür aufgeschlossen. Die gewählten Worte verdeutlichen vielleicht, dass hier damit ein bildender Anspruch   8   9 10 11 12

Ernst Antony: Die Erziehung zum Beruf, Darmstadt 21954, 92. Antony, Erziehung (s. o. Anm. 8), 93. Ich erwähne hier nur, dass ich dieser Aussage nicht zustimme. Antony, Erziehung (s. o. Anm. 8), 92. In anderer Fassung: Gehört Religion auch zum (gesellschaftlichen) Leben oder ist sie tragende Säule des gesellschaftlichen Lebens neben anderen Säulen? 13 Gerhard Minnameier (Hg.): Ethik und Beruf. Interdisziplinäre Zugänge, Darmstadt 2016; Peter F. E. Sloane: Wirtschaft, Ethik und Religion in der kaufmännischen Berufsausbildung. Eine Positionsbestimmung, in: Albert/Biesinger/Friedrich Schweitzer/Matthias Gronover/Joachim Ruopp (Hg.): Integration durch religiöse Bildung. Perspektiven zwischen beruflicher Bildung und Religionspädagogik (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität 1), Münster 2012, 47–68.

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verbunden werden soll. Inhaltlich kann zu Recht diskutiert werden, ob das bei den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung, dem Grundsatz von Treu und Glaube bei der Vertragsgestaltung oder den Regeln der Corporate Governance für Weltkonzerne im jeweiligen Bildungsgang erfolgt; jedenfalls wären solche Gespräche nicht unmittelbar der Logik des nun angerissenen Punktes der »Kompetenzorientierung« zu unterwerfen. (2) Qualifikation oder Bildung – das diskutierte Spannungsfeld wurde oben über zwei Zugänge angesprochen: Wird das Gespräch geführt hinsichtlich der Frage, wohin Religionsunterricht führen soll und wozu er im Bildungsgang beiträgt, so baut sich eine dritte Gesprächslinie auf, die die »umfassende berufliche Handlungskompetenz« etwa der Rahmenlehrpläne der Kultusministerkonferenz in den Mittelpunkt stellt. Am Beispiel der »kompetenzorientierten Bildungspläne« für alle Bildungsgänge des Berufskollegs in NRW kann dabei ein Grundproblem hervorgehoben werden: Die Ziele des Unterrichtes (in allen Fachbereichen und Fächern) sollen sich an beruflichen, gesellschaftlichen oder privaten Lebenssituationen orientieren, für die Kompetenz erworben wird und in denen sich Kompetenz zeigt. Entsprechend gliedern sich die Lehrpläne nach Anforderungssituationen als Anwendungssituation. Vielen Religionslehrerinnen und -lehrern dürfte diese Hinwendung bereits merkwürdig vorkommen, gibt es doch eine reichhaltige Erfahrung, dass Situationen zwar vielfältige und kaum vorhersehbare Auslöser für Religionsunterricht und die Bildung der Person sein können, aber doch keine »Anforderung«, auf die hin sich der Religionsunterricht ausrichten soll.14 In vielen Fällen dürften die Berufspädagoginnen und -pädagogen als Vertreter der beruflichen Bildung das genau anders sehen, weil nämlich (definierte) Anforderungen beruflicher Handlungssituationen vorhersehbar oder curricular gesetzt sind. Unterricht soll etwas nützen, Relevanz für künftige berufliche, zumindest gesellschaftliche und private Lebenssituationen haben. Die Argumentation vom Nutzen des Nutzlosen15 mag eine Möglichkeit sein, wie eine Didaktik des beruflichen Religionsunterrichtes hier reagieren kann – aber vermutlich finden sich vor Ort im Bildungsgang weitere. Es geht in dieser Fassung um die Auslegung und Rechtfertigung des Situationsprinzips der Curriculumgestaltung, 14 Volker Ladenthin: Vorschlag für einen pädagogischen Kompetenzbegriff, in: Michael MeyerBank/Andreas Obermann (Hg.): Die Religion des Berufsreligionsunterrichts. Überlegungen zur Kommunikation religiöser Themen mit Jugendlichen heute (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität 6), Münster 2015, 99–127. Siehe auch Bernd Schröder: Was ist eine religiöse Kompetenz? Überlegungen zum Beitrag der berufsorientierten Religionspädagogik zu einer umfassenden Handlungsfähigkeit, in: Meyer-Blank/Obermann, Religion, 123–139. 15 Martina Kuhmlehn: Sinnbildung und Identität im Übergang. Systematische Überlegungen zur Bedeutung von Religion an der Berufsschule, in: Meyer-Blank/Obermann, Religion (s. o. Anm. 14), 11–23, hier 22.

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zum Beispiel neben dem Wissenschafts- oder Persönlichkeitsprinzip, wie sie Lothar Reetz erläutert.16 Merkmale der Situation können im Beruf als Indikatoren für unterschiedliche Schwierigkeitsgrade genutzt werden. Im Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) finden sich diese in der Beschreibung von Niveaus über acht Stufen. Zum Beispiel wird unterschieden, ob eine Tätigkeit unter Anleitung und in einem engen und vorgegebenen Rahmen ausgeführt wird oder die Ausführung einer Tätigkeit eigenverantwortlich und unter offenen oder unbestimmten Bedingungen erfolgen muss. Es wird offensichtlich, dass sich hieran ein Dialog zwischen Vertreterinnen und Vertretern beruflichen Religionsunterrichtes und der beruflichen Fachdidaktiken entfalten muss, weil hier beruflicher Religionsunterricht nicht je Beruf einheitlich gedacht werden kann, sondern die situationsbezogene Logik der beruflichen Curricula sich auch auf beruflichen Religionsunterricht beziehen lassen muss. Dies mag ein Grund dafür sein, dass die »kompetenzorientierten Bildungspläne« in NRW (seit 2013) zu vielen kritischen Diskussionen geführt haben und wohl noch weiterführen werden.17 Der Deutsche Qualifikationsrahmen als Bezugspunkt für die curriculare Arbeit, als Bezugspunkt für Lehrplanentwicklung und als Bezugspunkt für die Frage vor Ort, wozu und worauf hin im Bildungsgang gemeinsam unterrichtet wird, bringt den Gesprächsanlass in einem Satz auf den Punkt. Es heißt auf der Internetpräsenz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Erläuterung der Niveaustufen: »Der DQR beschreibt acht Kompetenzniveaus, denen sich die Qualifikationen des deutschen Bildungssystems zuordnen lassen«.18 Kursiv betont werden die drei Begriffe verwendet, die als Zieldimension gedacht den Gesprächsbedarf zwischen beruflichem Religionsunterricht und den beruflichen Fachdidaktiken auslösen: »Etwas« beschreibt Kompetenzniveaus, denen sich Qualifikationen des deutschen Bildungssystems zuordnen lassen. Qualifikation, Kompetenz und Bildung als Ziele von Unterricht sind ein zusammenhängender und doch himmelweiter Unterschied. Das bietet reichlich Stoff für kontroverse und dennoch wertschätzende Gespräche. Wozu dient der Bildungsgang und welchen Beitrag leiste ich im Verbund der Anderen? Nun sind Diskussionen über Ziele häufig mühsam, abstrakt und scheinen endlos. Aber sie sind auch ein zentraler Grund, warum überhaupt der Dialog vor Ort im Bildungsgang gesucht werden muss. Es ist nicht zu erwarten, dass dies abschließend von den Lehrplänen her beantwortet werden kann und das ist gut so. 16 Lothar Reetz, Wirtschaftsdidaktik, Bad Heilbrunn 1984. 17 S. die Hinweise in Anm. 14. 18 S. zum DQR unter www.dqr.de/content/2315.php (Zugriff am 12.4.2017).

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Reflexion des BRU – wissenschaftsbezogene Aspekte

(3) Neben der Rede über das, worauf hin die Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, hat es eine durchaus lange Tradition in der Literatur zum beruflichen Religionsunterricht, den Dialog über Schülerinnen und Schüler zu führen. Was halten Schülerinnen und Schüler von beruflichem Religionsunterricht und wie verhalten sie sich im Religionsunterricht möglicherweise anders als im berufsbezogenen Unterricht? Die Schülerinnen und Schüler in den Blick nehmen, »für sie« (und nicht etwa für den Betrieb) da zu sein, ihnen Freiraum, Schutz und Durchatmen zu gewähren, sind typische Redewendungen, die an mich als Berufspädagogen im Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern des beruflichen Religionsunterrichtes (oder Studierenden, die es werden wollen) herangetragen werden. Auch hier kann mit Blick auf die Tradition auf Antony verwiesen werden, in der er auf eine Befragung aus dem Jahr 1948 des katholischen Priesters Hermann Dorner hinweist. Es wurden 226 Befragten sieben Fragen gestellt: »1. Hältst du den Religionsunterricht in der Gewerbeschule für notwendig oder nicht? 2. Warst du gern im Religionsunterricht? 3. Haben dich die behandelten Themen interessiert? 4. Hast du durch den Religionsunterricht eine Bereicherung für dein Leben empfangen? 5. Bist du durch den Religionsunterricht der Kirche näher gekommen? 6. Hättest du Interesse, dich freiwillig an einem Ausspracheabend über religiöse Fragen zu beteiligen? 7. Hast du besondere Wünsche?«19

Ich will nur kurz zwei Ergebnisse aufgreifen. Die zweite Frage wurde von mehr Befragten bejaht als die erste und dies wird in dem Text als Hinweis für die Bedeutung des Religionsunterrichtes als »beachtlich« gewertet.20 Die vierte Frage hat nach Meinung von Antony die Schülerinnen und Schüler überfordert. »Jugendliche dieses Alters sind zumeist nicht in der Lage festzustellen, ob sie durch irgendeinen Unterricht eine Bereicherung für ihr Leben empfangen haben«.21 Nun denn, sicher hat sich zwischen 1948 und heute das Alter der Jugendlichen in den beruflichen Schulen gewandelt – sodass diese Frage vielleicht in anderer Erhebungsform heute dennoch wiederholt gestellt werden kann. Es scheint mir eine sehr berechtigte Frage. Im Übrigen stellt sie sich für jeden beruflichen Schwerpunkt genauso. Im Grunde stellt Hermann Dorner Fragen, die für jeden 19 Ernst Antony: Die geistige Situation der heutigen Berufsschuljugend, Donauwörth 1949, hier 59. 20 Antony, Situation (s. o. Anm. 19), 59. 21 Antony, Situation (s. o. Anm. 19), 60.

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beruflichen Unterricht (und darüber hinaus) wichtig sind, beispielsweise in Frage 1 und 2. Auch heute dürfte etwa die Frage, ob Berufsschulunterricht in Lernfeldern notwendig sei, von vielen Schülerinnen und Schülern im Verhältnis zum Betrieb vermutlich mit »Nein« beantwortet werden, dennoch, so bliebe zu hoffen, könnten sie gerne zum Berufsschulunterricht gehen.22

6. Warum das Gespräch suchen? Mit dem Gesprächsanlass »Schülerinnen und Schüler« kehre ich zurück zu meinem Ausgangspunkt, den Bildungsgängen und den jeweiligen Gruppen der Lernenden und Lehrenden. Bezogen auf die Gruppe der Lehrenden gilt es in den Gesprächen zu formulieren, was je wichtig und besonders (»anders«) am eigenen Unterricht ist, zugleich was wichtig und ähnlich (»gemeinsam«) am Unterricht für die Gruppe der Schülerinnen und Schüler ist. Dies besteht nicht nur aus Vermutungen oder Wissen übereinander, sondern auch aus erlebter Kommunikation miteinander und füreinander. Im Gespräch unter Kolleginnen und Kollegen könnte im Bildungsgang eine Antwort gefunden werden, die vom Bildungsgang vertreten (ausgesprochen, verteidigt und umgesetzt) wird. Die Gruppe der Lehrenden könnte stellvertretend füreinander eintreten. Ansonsten bleibt Religion bestenfalls eine ausschließliche Angelegenheit der Vertreterinnen und Vertreter des Faches oder der Religion. Dies gilt umgekehrt für die beruflichen Fachrichtungen. Ob und inwieweit sich dieses Wunschdenken vor Ort im Bildungsgang entfalten kann, liegt an den Personen und ob und wie sie miteinander reden.

Weiterführende Literatur Reinhold Nickolaus/Günter Pätzold/Holger Reinisch/Tade Tramm (Hg.): Handbuch Berufs-und Wirtschaftspädagogik, Bad Heilbrunn 2010 Rolf Arnold/Antonius Lipsmeier (Hg.): Handbuch Berufsbildung, Opladen 22006 Jörg-Peter Pahl: Berufsschule: Annäherung an eine Theorie des Lernortes, Seelze-Velber 2004 Peter Dehnbostel: Betriebliche Bildungsarbeit. Kompetenzbasierte Aus- und Weiterbildung im Betrieb, Baltmannsweiler 22015 22 Einen guten Überblick über Studien aus Sicht von Schülerinnen und Schüler bietet Jochen Sautermeister: Religionsunterricht im Kontext berufsbildender Schulen. Eine pädagogisch-psychologische Untersuchung von Schülerinnen und Schülern zu ihrer Wahrnehmung und Einschätzung des Religionsunterrichts am Berufsschulzentrum Waiblingen, Tübingen 2006; die Sicht der Lehrenden findet sich in Monika Marose, Michael Meyer-Blanck und Andreas Obermann (Hg.): »Der Berufsschulreligionsunterricht ist anders!« Ergebnisse einer Umfrage unter Religionslehrkräften in NRW (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität 8), Münster 2016.

IV.2 Berufsbezogene Religionspädagogik

Michael Meyer-Blanck

Mit der berufsbezogenen Religionspädagogik beschäftigen sich alle Beiträge dieses Bandes. In diesem Artikel geht es um eine zusammenfassende begriffliche Klärung. Was ist eigentlich die »berufsbezogene« Religionspädagogik im Vergleich zu den anderen Sparten (schulische, gemeindliche, familiäre Religionspädagogik)? Wie ist der Stand dieser Sparte pädagogischer Theoriebildung, welche wissenschaftlichen Einrichtungen und Richtungen gibt es? Mit welchen aktuellen Problemstellungen setzt sich diese Teildisziplin auseinander? Dazu sollen zunächst 1. die Begriffe erläutert werden, bevor 2. die Geschichte und der aktuelle Stand der Diskussion geschildert werden. Schließlich wird 3. anhand von zwei Themenstellungen exemplarisch verdeutlicht, welches Profil die berufsbezogene Religionspädagogik im Gegenüber zu anderen Teilgebieten des Faches hat. Dieser Artikel stellt also weniger die Praxis des BRU und die an ihm Beteiligten in den Mittelpunkt, sondern es geht um die wissenschaftliche Theorie, die der Reflexion der Praxis des BRU, der Ausbildung für den BRU und der Rahmenbedingungen dienen soll. Die Didaktik des BRU selbst ist zwar das wichtigste, aber gleichwohl nur eines der Arbeitsgebiete in der berufsbezogenen Religionspädagogik.

1. Was ist »berufsbezogene Religionspädagogik«? Zu den Begriffen Diese religionspädagogische Sparte ist eine sehr spezifische, die nur an wenigen Orten in der Lehramtsausbildung eigens thematisiert und in der Forschung vertieft wird. Erst in letzter Zeit sind vermehrte Anstrengungen und ein Ausbau der dafür notwendigen Infrastruktur zu beobachten (s. u. unter 2.). Andererseits steht die berufsbezogene Religionspädagogik selbstverständlich im Zusammenhang der gesamten Religionspädagogik. Dabei ist von dem Stand auszugehen, wie er sich seit gut 100 Jahren in der deutschen religionspädagogischen Diskussion herausgebildet hat.

Berufsbezogene Religionspädagogik

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1.1 »Religionspädagogik« zwischen Didaktik (Pädagogik) und Theologie Die »Religionspädagogik« als Theorie des religiösen Lehrens und Lernens in der Schule entwickelte sich im Gegenüber und in Abgrenzung zur kirchlichen und gemeindlichen »Katechetik« zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Begriff »Religionspädagogik« selbst tauchte zum ersten Mal im Jahre 1889 im systematisch-theologischen Zusammenhang auf1, während die Rede von der »Katechetik« als Teildisziplin der Praktischen Theologie seit dem 19. Jahrhundert geläufig geworden war.2 Inzwischen steht »Religionspädagogik« für die Theorie des religiösen Lernens an allen Lernorten, sodass man von der schulischen, gemeindlichen und familiären Religionspädagogik spricht.3 In unserem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass sich das religiöse Lernen der Auszubildenden nicht nur in der Berufsschule vollzieht, sondern – neben der Familie und dem Freundeskreis – auch im Beruf selbst. Kindergarten, Altenpflegeeinrichtung und Krankenhaus etwa sind immer auch Orte gelebter Religion und damit auch des religiösen Lernens. Die Religionspädagogik ist eine Verbundwissenschaft. Sie hat Bezüge zur Psychologie, Soziologie, Philosophie und Politikwissenschaft. Vor allem aber steht sie in enger Verbindung zur Didaktik und zur Theologie. Beide Bezugsdisziplinen, die bildungswissenschaftliche und die fachdidaktische, sind als solche selbstverständlich und unstrittig. Diskussionen gibt es aber über die Frage, welcher der Primat zukommt. Ist die Religionspädagogik eine theologische Disziplin mit didaktischen Aspekten oder ist sie umgekehrt primär Didaktik, nur spezifiziert im Hinblick auf das Unterrichtsfach Religion? Godwin Lämmermann hat zur Verhältnisbestimmung von Theologie und Pädagogik vier Möglichkeiten benannt.4 Ausgehend von der Theologie kann man das Autarkiemodell, das Dominanzmodell, das Konvergenzmodell und das Exodusmodell unterscheiden. Im Autarkiemodell ist die Theologie autark. Didaktik wird eigentlich nicht benötigt, 1 Michael Meyer-Blanck: Kleine Geschichte der Religionspädagogik. Dargestellt anhand ihrer Klassiker, Gütersloh 2003, 10–12. 2 Michael Meyer-Blanck: Art. »Katechese/Katechetik«, in: Lexikon der Religionspädagogik, hrsg. von Norbert Mette/Folkert Rickers, Band 1, Neukirchen-Vluyn 2001, 956–961. 3 Dazu vgl. das in jeder Hinsicht umfassende Lehrbuch: Bernd Schröder: Religionspädagogik, Tübingen 2012 (Neue Theologische Grundrisse). Hier werden sowohl die Familie (430–442) als auch Kirche und Gemeinde (443–521) sowie die Schule (522–681) behandelt; schließlich finden sich auch Abschnitte zur »Religionspädagogik der Medien« sowie zur »Öffentlichen Religionspädagogik« (682–703). 4 Godwin Lämmermann: Grundriss der Religionsdidaktik, Stuttgart 1991 (PTHe 1), 77–89. Lämmermann lehnte sich mit dieser Unterscheidung an den Berner Religionspädagogen Klaus Wegenast (1929–2009) an.

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nur eine Methodik als Anwendung von Theologie. Dieses Verständnis ist eine Karikatur, denn schon die Religionspädagogik zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die Verstehensvoraussetzungen der Lernenden für essenziell erachtet. Im Dominanzmodell dient die Didaktik zur Entdeckung und Realisierung von Unterrichtsinhalten, nicht aber zur Begründung. Die Begründung erfolgt durch die dominante Theologie. Die grundlegende Zielbestimmung (Intentionen, Inhalte, Methoden und Medien) wird vor allem theologisch verantwortet. Im Konvergenzmodell werden Übereinstimmung und Widerspruch zwischen theologischen und pädagogischen Aussagen benannt. Beide Wissenschaftszugänge stehen in spannungsvoller Beziehung zueinander. Religionspädagogen urteilen nicht hierarchisch von einer der beiden Wissenschaften her, sondern komplementär. Im Exodusmodell schließlich wandert die Religionsdidaktik aus der Theologie aus. Zuerst werden die Lernziele (neuerdings: die »Kompetenzen«) bestimmt, erst dann greift man auf die Theologie zur Realisierung zurück. Das Exodusmodell kann insofern als die Umkehrung des Autarkiemodells bezeichnet werden. Die große Mehrheit der universitären Religionspädagoginnen und Religionspädagogen ordnet sich dem Konvergenzmodell zu: Man ist zugleich der Theologie und der Didaktik verpflichtet und weiß dabei um die innere Spannung beider Disziplinen. Theologie und Pädagogik können nicht aufeinander zurückgeführt werden. Die Didaktik ist – sehr abgekürzt formuliert – letztlich eine Denkweise, die auf die Vernunft setzt und die Zunahme an Einsicht in den Mittelpunkt von Lernprozessen rückt; die Theologie denkt den Menschen dagegen primär als ein glaubendes Wesen, für das es auf die Erlösung von aller Selbstbezüglichkeit zugunsten des Gottesbezuges ankommt. Die Pädagogik kann das Unvernünftige, zugespitzter: das Böse, nicht denken;5 die Theologie sieht die Freiheit des Menschen erst als erfüllt an in der Einsicht in die »schlechthinnige Abhängigkeit«,6 die die endliche Freiheit des Menschen sowohl begründet als auch begrenzt. Auch der Theologie geht es um einen mündigen und selbstverantworteten Glauben; umgekehrt kann die Pädagogik den Glauben als eine humane Ressource ansehen, um die individuelle Erfüllung und das humane Zusammenleben zu fördern. Aber der Fokus ist jeweils ein anderer. Für die Theologie ist die Vernunft Mittel zum 5 Michael Meyer-Blanck: Das Böse in der Pädagogik, in: Paul Fiddes/Jochen Schmidt (Hg.): Rhetorik des Bösen. The Rhetoric of Evil, Würzburg 2013, 219–236. 6 Zu dieser klassischen Begrifflichkeit aus Friedrich Schleiermachers Hauptwerk »Der christliche Glaube« s. Michael Meyer-Blanck: Friedrich Schleiermacher (1768–1834) und das religiöse Individuum, in: ders.: Kleine Geschichte (Anm. 1), 61–81. Abgesehen von Schleiermachers spezieller Begrifflichkeit ist auf jeden Fall die fundamentale Einsicht des biblischen Glaubens festzuhalten, dass die eigene Freiheit durch die Einsicht in das eigene Gegebensein des Lebens nicht gestört, sondern begründet und vertieft wird.

Berufsbezogene Religionspädagogik

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Zweck des Glaubens, für die Pädagogik der Glaube Mittel zum Zweck der Einsicht. Das ermöglicht große Gemeinsamkeiten. Gleichwohl dürfen die unterschiedlichen Grundorientierungen nicht übersehen werden. Dem spannungsvollen Verhältnis beider Wirklichkeitszugänge kann die Religionspädagogik nur entsprechen, wenn sie dem Konvergenz- bzw. dem Komplementaritätsmodell folgt. Eine prinzipielle bzw. eine hierarchische Verhältnisbestimmung zwischen beiden Bereichen kann es nicht geben. Die Pädagogik in Sachen Religion kann nur mit Gegensätzen und Paradoxien zureichend beschrieben werden. 1.2 Kategorialer und materialer Berufsbezug Da es sich bei jeder Religion um eine spezifische Deutung des eigenen Lebens handelt, gehört zur Religionspädagogik der Lebensbezug der Lernenden (und der Lehrenden) als konstitutiver Bestandteil. Eine wichtige – wenn auch keineswegs die einzige – Dimension des Lebens und der Religion ist der eigene Beruf. Gewiss gibt es für die grundlegenden Fragen des Menschseins daneben andere und wichtigere Relationen: die Beziehung zum eigenen Partner und zur Familie, die Verantwortung für Menschen in der Nachbarschaft und in der Welt sowie das Verhältnis zum eigenen Körper. Dennoch bestimmt gerade der Beruf wesentlich die Beziehung zu anderen und auch das Selbstverhältnis. Der Beruf ist nicht nur ein Teil des Lebens, sondern er prägt das Verhalten in allen Lebensbereichen. Vor allem trifft das auf die spätere Jugend als die Zeit der Berufsfindung zu. Die Adoleszenz, die Zeit der gesellschaftlichen Platzfindung (nach der körperlichen Reifung in der Pubertät), ist dadurch definiert, dass man in dieser Lebensphase sein Weltverhältnis eigenständig und damit neu gestaltet. Dazu gehören als wichtigste Bezugspersonen (neben den Eltern und der Herkunftsfamilie) die Freunde und der Lebenspartner. Unmittelbar danach folgen in der Bedeutung die eigene berufliche Orientierung und die Lebenseinstellung (Werte und Normen, politische und religiöse Einstellung). Diese prägen wesentlich die sich bildende Identität.7 Der amerikanische Entwicklungspsychologe Erik H. Erikson (1902–1994) hat dabei von der »Ideologie« als besonders wichtigem Element der Adoleszenz gesprochen. Der Jugendliche und junge Erwachsene schafft sich

7

Dazu s. ausführlich Heiner Keupp: Identitätsbildung und Sinnfindung im Jugendalter, in: Reinhold Boschki u. a. (Hg.): Person – Persönlichkeit – Bildung. Aufgaben und Möglichkeiten des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik Bd. 11), Münster 2017, 41–53 sowie Michael Meyer-Blanck: »Identität« als Leitbegriff des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen. Die Bedeutung von Glaube und Religion für die Bildung der beruflichen Identität, ebd., 83–93.

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Reflexion des BRU – wissenschaftsbezogene Aspekte

einen Rahmen, innerhalb dessen er seine persönlichen Relationen und die Wahrnehmungen der Welt einordnet. Nicht immer direkt aufeinander bezogen, aber auf jeden Fall zeitlich parallel vollziehen sich Berufsorientierung sowie Sinn- und damit Glaubensorientierung. Zwar ist beides in spätmodernen Gesellschaften ein lebenslanger Prozess; aber in der Adoleszenz beginnt dieser und muss dauerhaft als eigene Lebensaufgabe übernommen werden. Erstmals in dieser Phase versteht man sich selbst nicht mehr nur als Privatperson (und als Schülerin oder Schüler), sondern als Träger einer beruflichen Rolle. Das Selbst- und Weltverhältnis ist wesentlich auf diese neue Herausforderung bezogen. Damit hängt auch die Religion von Jugendlichen mit dieser neuen Rolle zusammen. Religiöse Bildung in der Adoleszenz hat immer einen Berufsbezug; wird diese staatlich durch Religionsunterricht gefördert, dann muss sie einen Berufsbezug haben. Diesen Zusammenhang kann man den kategorialen Berufsbezug nennen. Damit ist gemeint, dass die Beruflichkeit als Kategorie der eigenen Sinn- und Wertebildung nicht vernachlässigt werden darf. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich ein grundlegend anderer Begriff von »Berufsbezug« als bei der Frage nach den religiösen Inhalten und Dimensionen der Berufspraxis selbst (z. B. biblische Geschichten im Kindergarten, Begleitung von Kranken und Trauernden in Pflegeeinrichtungen, religiöse Feste und Feiertage im Betriebsablauf). Bei dieser Fragestellung – an die man lange Zeit ausschließlich gedacht hat – wird man vom materialen Berufsbezug des Religionsunterrichts sprechen. Die materiale Dimension ist nicht in allen Berufen und Lernsituationen im BRU gegeben, während die Verbindung der eigenen Lebensorientierung mit der anzueignenden Berufsrolle (»kategorialer« Berufsbezug) alle Schülerinnen und Schüler im BRU betrifft. 1.3 Ein Vier-Felder-Schema: kategorialer und materialer Berufsbezug im Religionsunterricht Im Gefolge der grundlegenden Unterscheidung zwischen dem materialen und kategorialen Aspekt lässt sich der Berufsbezug weiter differenzieren. Dann ergibt sich ein vierfaches Wahrnehmungsfeld für die unterschiedlichen Berufsbezüge der einzelnen Unterrichtsinhalte.8

8 Zu diesem Viererschema vgl. das Medienpaket von Andreas Obermann/Andreas Ziemer: Religion trifft Beruf. Die Praxis des BRU reflektieren und entwickeln, Bonn (Bonner evangelisches Institut für berufsorientierte Religionspädagogik, bibor) 2017. Dort wird das Vier-Felder-Schema in ausführlichen Videosequenzen erläutert und an praktischen Unterrichtsbeispielen erprobt.

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Berufsbezogene Religionspädagogik

Wahrnehmende Dimension

Interpretierende Dimension

Materialer Aspekt

Material-assoziativer Berufsbezug

Material-hermeneutischer Berufsbezug

Kategorialer Aspekt

Kategorial-identitätsstiftender Berufsbezug

Kategorial-transzendierender Berufsbezug

Man kann demnach sowohl innerhalb des materialen als auch innerhalb des Kategorienfeldes eine wahrnehmende von einer interpretierenden Dimension unterscheiden. Die wahrnehmende Dimension stößt auf bestimmte Phänomene wie auf religiöse Themen im Beruf oder die sich bildende Berufsidentifikation (etwa der Erzieherin oder des Altenpflegers). Die interpretierende Dimension überschreitet die Ebene der Phänomene zugunsten von religiösen Fragestellungen und Inhalten, die erst in einer vertieften pädagogischen und theologischen Analyse deutlich werden. Die interpretierende und die transzendierende Ebene strukturieren jeweils den kategorialen und den materialen Berufsbezug, sodass sich die vier zusammenhängenden Felder als Entdeckungszusammenhang benennen lassen. Selbstverständlich gibt es Überschneidungsbereiche, aber die Kategorisierung hilft jeweils zur Entdeckung von eventuell übersehenen Aspekten. 1.3.1 Material-assoziativer Berufsbezug

Diese Form des unterrichtlichen Berufsbezuges ist dann gegeben, wenn die Lernenden und Lehrenden eine direkte (»assoziative«) Verbindung zwischen einer religiösen Tradition und einer bestimmten beruflichen Praxis herstellen können. Beispiele sind die Sitte der »Kranzrede« im Zimmermannsberuf, die Erzählung von der Gastfreundschaft (etwa 1 Mose 18,1–15, der Besuch der drei Männer bei Abraham) in der Touristikbranche oder die Beispielerzählung vom »barmherzigen Samariter« (Lk 10,25–37) in Pflegeberufen. Die biblische oder religiöse Tradition ermöglicht kreative Assoziationen zur eigenen Berufspraxis. 1.3.2 Material-hermeneutischer Berufsbezug

Bei dieser Form des Berufsbezuges werden Erfahrungen am Arbeitsplatz hermeneutisch vertieft. Das geschieht mithilfe von Symbolzeichen (wie z. B. der Thematisierung der Hände in Handwerksberufen), durch die hermeneutische Erschließung beruflicher Anforderungssituationen (wie z. B. das Aufzeigen von ritualisierten Strukturen im Kundengespräch) oder das Aufweisen einer ethischen Entscheidung zwischen Freiheit und Verantwortung (etwa beim Verkauf von Pflanzenschutzmitteln und Tierfutter oder von Versicherungspolicen und bei Kreditangeboten). Es geht jeweils darum, die beruflichen Erfahrungen mithilfe religiöser Traditionen neu wahrzunehmen, zu interpretieren und herme-

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Reflexion des BRU – wissenschaftsbezogene Aspekte

neutisch zu modifizieren. So kann sich im Unterricht eine verfremdende und kreative Hermeneutik beruflicher Praxis mithilfe religiöser Aspekte entwickeln. 1.3.3 Kategorial-identitätsstiftender Berufsbezug

Hier geht es um das Verhältnis von beruflicher und persönlicher Identität, von Selbstkonzept und Berufsrolle. Beim Nachdenken über die eigene Identität werden grundlegende Fragen nach der Leistung als Mensch und der Leistung als Berufstätiger thematisiert. Zu diesem Bezug gehören Fragen wie die folgenden: Welche Lebensziele habe ich, welche Berufsziele gehören dazu und wo gibt es Spannungen zwischen beiden Orientierungen? Welche Würde habe ich als Person (»Menschenwürde«), welche Pflichten und Chancen habe ich als berufstätiger Mensch? Was bedeutet meine Identität als Mechatroniker, Erzieher, Friseurin für mein Selbstbild? Wie werde ich deswegen von anderen eingeschätzt? 1.3.4 Kategorial-transzendierender Berufsbezug

Bei diesem Bezug geht es um die Überschreitung des eigenen Wissens im Vertrauen auf ein Ganzes, Umgreifendes – auf die lebenserhaltende und lebensgestaltende Macht Gottes. Die Schülerinnen und Schüler interpretieren ihre eigenen beruflichen Handlungen durch die Unterscheidung von Immanenz und Transzendenz. Worauf setze ich mein grundlegendes Vertrauen? Was hält mein Leben? Auf wen und was verlasse ich mich? Das gilt etwa für gefahrvolle Berufe wie den des Gerüstbauers oder Kranführers. Hier geht es um das Zutrauen in Material, Sorgfalt und Kollegialität – und in alledem um das Vertrauen in Gottes Schutz und Hilfe. Kategorial und transzendierend ist der Bezug auch dann, wenn der eigene Beruf als eine Art der Kommunikation von Vertrauen und Glauben durchschaubar wird (etwa in der Erziehung und dem Vertrauen auf die positive Entwicklung oder beim Verkauf einer Versicherung, die sich ihrem Namen nach auf das ganze »Leben« beziehen kann). An diesen Beispielen wird deutlich, dass sich der material-hermeneutische und der kategorial-transzendierende Berufsbezug überschneiden. Gerade das zeigt die Leistungsfähigkeit des Vier-Felder-Schemas. Damit werden vertiefende Entdeckungen im eigenen Berufsfeld mithilfe religiöser Kategorien ermöglicht. Es geht nicht nur – und nicht einmal primär – darum, die persönliche Religiosität der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Es reicht zunächst aus, wenn das Potenzial der eigenen religiösen Tradition erschlossen wird, um berufliche Anforderungssituationen sachbezogen (material) und personenbezogen (kategorial) besser wahrnehmen und interpretieren zu können.

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1.4 Didaktik des Berufsschulreligionsunterrichts (BRU) Zu den einzelnen Aspekten didaktischer Theoriebildung gibt das vorliegende Buch detailliert Auskunft, sodass hier wenige Bemerkungen zum Verhältnis von Berufsbezug und Didaktik genügen. Die berufsbezogene Religionspädagogik ist didaktisch (unterrichtspraktisch) gesehen ein spezifischer Beitrag zur Berufsbildung wie zur Persönlichkeitsbildung. Die Religion ist weder Selbstzweck (als ginge es nur darum, Auszubildende zu guten Christen zu erziehen), noch ist sie bloßes Mittel zum Zweck (als sei die Religiosität eine bloße Ressource beruflicher Funktionen). Im BRU soll stattdessen deutlich werden, dass beruflich handelnde Menschen Individuen mit Stärken und Grenzen, Hoffnungen und Befürchtungen sind. Der christliche Glaube bietet materiale und kategoriale, wahrnehmende und interpretierende Denkformen an, um Personen und Handlungen in ihrer Verwobenheit besser wahrzunehmen. Religion ist eben keineswegs Privatsache – ebenso wenig wie das eigene Aussehen. Man nimmt alles das in seine berufliche Praxis mit. Auch der homo oeconomicus ist ein homo religiosus. Gerade weil es zur Professionalität gehört, Persönliches und Berufliches sorgfältig zu unterscheiden, ist es wichtig, beides genau wahrzunehmen. Die persönlichkeitsspezifischen Lebenseinstellungen prägen auch unsere Berufspraxis. Die eigenen ethischen und religiösen Motive können und sollen nicht beiseitegeschoben, sie müssen vielmehr bewusst gemacht und dann eigenständig verantwortet werden. Die professionelle Zurückhaltung in Sachen Religion erfordert die vorherige Erschließung, damit es nicht zur Wiederkehr des Verdrängten kommt. Religion lässt sich nicht abstellen. Sie muss vielmehr sorgfältig wahrgenommen und verantwortet gelebt werden. Der Religionsunterricht aller Schulformen hat das Ziel, kompetent im Umgang mit der eigenen und den fremden religiösen Prägungen zu werden. Kompetenz im Umgang mit Religion ist etwas anderes als die Förderung der persönlichen Religiosität – wenngleich auch diese durch Unterricht geschehen kann (und auch durchaus soll). Kompetenz im Umgang mit Religion ist aber auch etwas anderes als bloße (religionskundliche) Information – wenngleich diese im Unterricht selbstverständlich einen wichtigen Platz einnimmt. Wissen ist keine hinreichende, wohl aber eine notwendige Bedingung kompetenten Umganges mit Religion – Wissen ist nicht alles, aber ohne Wissen ist alles nichts. Kompetent im Umgang mit Religion ist man aber erst dann, wenn man das Wissen mit der eigenen und mit anderen Personen verbinden kann, wenn man religiöse Phänomene und ihre Deutungen wahrnehmen, interpretieren und kritisieren kann – einschließlich der eigenen. Die Möglichkeit der Kritik am eigenen Glauben ist die Errungenschaft der reformatorischen Unterscheidungen zwischen

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Reflexion des BRU – wissenschaftsbezogene Aspekte

dem »Gesetz« (menschliche Anforderungen und Möglichkeiten) und »Evangelium« (Befreiung von Anforderungen und Möglichkeiten durch Gott) einerseits9 und der europäischen Aufklärung andererseits. Religion kann nur dann sachgemäß als Offenbarung verstanden werden, wenn sie auch durch und durch als eine »Angelegenheit des Menschen« verstanden wird.10 1.5 Berufsbezogene Religionspädagogik als ganze Die Theorie des Unterrichtens und des unterrichtlichen Lernens ist zwar die Königsdisziplin aller Fachdidaktiken, aber keineswegs die einzige Disziplin. Es geht nicht nur darum, das Unterrichten und den Unterricht besser zu verstehen, zu planen und zu reflektieren. Zur berufsbezogenen Religionspädagogik gehören auch die Theorien zu den handelnden Personen (Lernende und Lehrende), zu den Rahmenbedingungen (Stundenplan und Schulorganisation), zum Umfeld des BRU (Handwerkskammern, Kirchen und Gemeinden) und zu den konzeptionellen Weichenstellungen (RU-Modelle wie das in Hamburg, Schulgesetze und grundgesetzliche Regelungen).11 Diese Fragestellungen der berufsbezogenen Religionspädagogik werden an anderer Stelle in diesem Buch behandelt.

2. Beruf, Religion und Schule in der Geschichte und gegenwärtige Auswirkungen Geht man sehr weit in der Geschichte zurück, dann ist die berufsbezogene Orientierung der Ursprung aller Pädagogik.12 Die mittelalterlichen Schulen waren Klosterund Klerikerschulen für den kirchlichen Bedarf an Geistlichen; aber auch Juristen und Mediziner hatten diesen Bildungsweg (mit der »Grammatik«, der lateinischen   9 Michael Meyer-Blanck: Die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium als Aufgabe des problemorientierten Religionsunterrichts, in: Differenz-Kompetenz. Religiöse Bildung in der Zeit, hrsg. von Thomas Klie/Dietrich Korsch/Ulrike Wagner-Rau, Leipzig 2012, 159–168. 10 Johann Joachim Spalding (1741–1804): Religion, eine Angelegenheit des Menschen [1797], hrsg. von Tobias Jersak/Georg Friedrich Wagner (Spalding Kritische Ausgabe [SpKA I/5)]), Tübingen 2001. 11 Michael Meyer-Blanck: Formen des Religionsunterrichts in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland, in: Religionspädagogisches Kompendium, hrsg. von Martin Rothgangel/Gottfried Adam/Rainer Lachmann, Göttingen 72012, 160–174. 12 Herwig Blankertz: Die Geschichte der Pädagogik. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart, Wetzlar 1982, 13–87. Blankertz (1927–1983) hebt hier besonders die Rolle von Industrie und »Industriosität« für die Entstehung der Pädagogik in der Aufklärungszeit hervor (56–69). Blankertz hatte vor Studium und akademischer Karriere selbst eine Ausbildung in der Textilindustrie absolviert.

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Sprache als erster der »sieben freien Künste«) zu absolvieren. Die städtischen (weltlichen) Lateinschulen etwa seit dem Jahr 1500 dienten dagegen der Vorbereitung auf weltliche Berufe, unter denen die Schriftlichkeit im Kaufmannsberuf (in der Hanse schon seit etwa 1250) eine treibende Kraft war. Luther forderte von den Städten, dass sie Schulen für den weltlichen Bedarf einrichten sollten – und damit sah er auch der Bildung der Geistlichen am besten geholfen. Damit war das Verständnis von »Beruf« zugleich säkularisiert und langfristig auf alle Menschen und ihre Tätigkeiten ausgedehnt.13 Aus der klerikalen »vocatio« wurde der säkulare »Ruf« zum Tätigsein. Das Umstürzende der Reformation war es, dass jeder weltliche Beruf der geistlichen Berufung als Mönch oder als Geistlicher soteriologisch gleichgestellt wurde; jede Tätigkeit für andere in der Welt konnte als »Berufung« verstanden werden (wobei der Begriff »Beruf« allerdings erst um 1700 aufkam).14 Der Merkantilismus des 17. Jahrhunderts forderte eine beruflich-realistische Bildung anstelle der bloßen Wortgewandtheit, und das »trivium« (der dreifache Weg) von Grammatik, Rhetorik und Dialektik galt zunehmend als »trivial«, da es nicht half, die beruflichen Anforderungen im europäischen Handel und Wandel zu meistern. In dieser Zeit des späten 17. und des 18. Jahrhunderts lassen sich auch die ersten Vorläufer der berufsorientierten Religionspädagogik identifizieren. Dabei war die Entwicklungsrichtung genau andersherum als später im 20. Jahrhundert: Es wurde damals nicht die religiöse Dimension neben der beruflichen diskutiert und um der Vollständigkeit willen hinzugefügt, sondern umgekehrt: Die Realien des Lebens und des späteren Berufes traten neben die damals selbstverständliche religiöse Bildung. Dabei entstand die – für das heutige duale System in Deutschland charakteristische – Verbindung von Berufsbildung, allgemeiner Bildung und religiöser Bildung. Im 17. und 18. Jahrhundert war man davon überzeugt, dass zum gläubigen und lebenstüchtigen Menschen Fleiß und Verantwortung gehören. Der nützliche Bürger war durch Eigenschaften gekennzeichnet, die man »Industriosität« nannte. Die rein religiösen Elementarschulen wurden darum im Sinne der beruflichen Nützlichkeit weiterentwickelt. Im »Industrieschulkonzept« um 1800 wurde die Kinderarbeit einerseits akzeptiert und zum Bestandteil der Schule, aber anderer13 Dazu vgl. Heinz Schilling: Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs. Eine Biographie, München 32014 [2012], 521–525 sowie Michael Meyer-Blanck: »Identität« als Leitbegriff des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen. Die Bedeutung von Glaube und Religion für die Bildung der beruflichen Identität, in: Reinhold Boschki u. a. (Hg.): Person – Persönlichkeit – Bildung. Aufgaben und Möglichkeiten des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik Bd. 11), Münster 2017, 83–93: 89–91. 14 Ausführlich dazu vgl. Blankertz, Geschichte (Anm. 12), 60–69.

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seits gerade so zum Ausgangspunkt von Bildungsprozessen gemacht. Der Göttinger Pastor, Professor und Schulgründer Philipp Sextro (1746–1838) formulierte dazu: »Die Hauptsache ist dabei aber nicht dasjenige, was gearbeitet und gewonnen wird, sondern wieviel intensive und extensive Kraft geweckt wird.«15 Mit zwei Gründungen von »Industrieschulen« in Hannover 1790 sollte neben dem Glauben die »Industriosität« der einfachen Bevölkerung gefördert werden. Etwa zur gleichen Zeit entstanden für das Bürgertum die ersten »Realschulen« und »Fachschulen«. Hier wurden etwa Französisch, kaufmännischer Schriftverkehr, Geometrie und Naturwissenschaften gelehrt. Der Neuhumanismus Wilhelm von Humboldts (1767–1835) bedeutete dann allerdings einen radikalen Perspektivenwechsel. Der Zusammenhang von beruflicher und allgemeiner Bildung sollte in eine hierarchische Abfolge gebracht werden: Zuerst sei der Mensch mit seinen allgemeinen Fähigkeiten zu bilden und erst danach der berufstätige Mensch. Eine zu frühe Festlegung der Bildung auf den Beruf würde zum einen das Potenzial der Menschen verschenken und sei zum anderen für die moderne Bürgergesellschaft des 19. Jahrhunderts ungeeignet. Die Flexibilitätsanforderungen moderner Gesellschaften verlangten zunächst eine möglichst umfassende Förderung aller menschlichen Fähigkeiten, sodass der junge Mensch an vielen Stellen der Gesellschaft eingesetzt werden könne. Man ist nur dann ein guter Handwerker oder Geschäftsmann, wenn man zunächst ein guter, aufgeklärter Mensch und verantwortlicher Bürger ist. Humboldt kämpfte gegen die ökonomischen Bestrebungen, die das Fachschulwesen zur bloßen Rekrutierung des eigenen Nachwuchses nutzen wollten und so nur den eigenen Interessen, aber nicht dem Gemeinwesen insgesamt dienten. Daraus entwickelte sich der Grundsatz: »Nicht Bäcker, noch Bauer, noch Gerber, noch Verfertiger von Spinnstühlen sollen gebildet werden; nur das Dasein, nur die Grundsätze derjenigen Wissenschaften, worauf alle Gewerbe, die verarbeitenden vorzüglich, beruhen, sollen die jungen Leute in den Schulen kennen lernen.«16

Das Humboldt’sche Bildungsideal sorgte dauerhaft für ein umfassendes Verständnis der beruflichen Bildung. Humboldt kritisierte eine Funktionalisierung des 15 Zitiert nach Herwig Blankertz, Geschichte (Anm. 12), 60. 16 So der Erzieher der Humboldt-Brüder Wilhelm und Alexander und spätere Staatsrat Gottlob Johann Christian Kunth (1757–1829) im Jahre 1817, zitiert nach: Andreas Obermann: Im Beruf Leben finden. Allgemeine Bildung in der Berufsbildung – didaktische Leitlinien für einen Integrativen Bildungsbegriff im Berufsschulreligionsunterricht, Göttingen 2013 (Arbeiten zur Religionspädagogik Bd. 55), 35. Dieses Buch gibt im ersten Kapitel einen instruktiven Überblick zur Geschichte von Beruf und Bildung (15–64).

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jungen Menschen; aber sein Denken war gleichzeitig stark an der langfristigen Nützlichkeit orientiert. Dadurch tendierte es gleichzeitig zu einer ethisch-moralischen Fokussierung, wie diese für die nachkantische Grundorientierung an der »Sittlichkeit« typisch war. Speziell religionsdidaktisch ergibt sich daraus bis heute eine starke ethische Akzentuierung des religiösen Lernens; das gilt selbstverständlich nicht nur für die berufsbezogene Religionspädagogik, aber doch gerade für sie. Die Berufsschule setzte sich im Kaiserreich ab 1871 durch, weil mit der rasanten Industrialisierung und Verstädterung ein bloßes Imitationslernen nicht mehr sinnvoll war. Man lernte nicht mehr nur vom Handwerksmeister, sondern auch an einem institutionalisierten außerbetrieblichen Lernort. 1923 führte Preußen die allgemeine Berufsschulpflicht (bis zum 18. Lebensjahr) ein, und das uns heute vertraute »duale System« der Berufsausbildung in Deutschland war mit dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) von 1969 gegeben.17 Der Neuhumanismus des 19. Jahrhunderts hatte sich vor allem auf die höheren Lehranstalten und die Universitäten konzentriert. Das Ideal umfassender allgemeiner Bildung wurde aber für die Handwerksberufe und die Landbevölkerung nicht erreicht. Dabei dominierten Auswendiglernen und Faktenwissen, sodass man von Volks-Bildung kaum sprechen konnte. Hier brachte das Prinzip der Arbeitsschule, wie es der Münchner Schulrat Georg Kerschensteiner (1854– 1932) propagierte und umsetzte, eine grundlegend andere Orientierung. Bei ihm stand – nach Lesen, Schreiben und Rechnen in der Grundschule – wieder die Arbeit im Mittelpunkt der Bildung. Anders jedoch als in den früheren Fachschulen (s. o.) sollte die Arbeit aber nicht der Rekrutierung von Nachwuchs für bestimmte Berufe dienen, sondern der allgemeinen Bildung und »Volkserziehung«. In gewisser Weise verknüpfte Kerschensteiner also das Arbeitsprinzip aus der Zeit vor Humboldt mit dem Humboldt’schen Bildungsideal. Arbeit wurde als umfassender Bildungsfaktor verstanden. Der Mensch ist ein arbeitendes Wesen und die berufliche Bildung darum entscheidend für seine Lebensgeschichte.18 Erinnert man sich an Erik H. Eriksons (1902–1994) Beschreibung, dass bei Lernenden der »Werksinn«, das Selbstbewusstsein, etwas tun zu können, gefördert werden soll, dann ist die praktische Tätigkeit für einen Großteil der Schülerschaft eine Gelegenheit, etwas zu schaffen, was jenseits der gymnasialen theoretischen Bildung liegt. Auch die Arbeit wirkt bildend. Dieses Prinzip hatte großen Ein17 Thomas Klie: Religionsunterricht in der Berufsschule: Verheißung vergegenwärtigen. Eine didaktisch-theologische Grundlegung, Leipzig 2000 (Arbeiten zur Praktischen Theologie 14), 30. 18 Zu Kerschensteiner vgl. Blankertz, Geschichte (Anm. 12), 201–210 sowie Renate Adrian: Die Schultheorie Georg Kerschensteiners. Eine hermeneutische Rekonstruktion ihrer Genese, Frankfurt  a. M. u. a. 1998.

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fluss auf die Volksschulen und die entstehenden Berufsschulen. Speziell religionsdidaktisch ist Kerschensteiner zwar nicht von Bedeutung; aber theologisch und pädagogisch ist der Gedanke fruchtbar, dass die Arbeit ein – in welcher Weise auch immer – bildendes Existenzial ist, mit dem sich das Menschsein bewährt und verwirklicht (1 Mose 2,15; 1 Mose 3,17–19; 2 Mose 20,9–10; Ps 90,10). Man mag die Arbeit kritisch als Mühsal, euphorisch als Selbstverwirklichungsmöglichkeit oder dialektisch als Chance und Gefahr zugleich sehen – ihr bildender und sinnbildender Charakter steht außer Frage. Viele Menschen arbeiten nicht »als« Maurer, Friseurin, Lehrer oder Erzieherin, sondern sie sagen von sich: »Ich bin Erzieherin«.

3. Zum Stand der berufsbezogenen Religionspädagogik Die Berufsschule (in Nordrhein-Westfalen trägt sie den Namen »Berufskolleg«) ist die vielfältigste und komplizierteste Schulform. Religionspädagogisch hat sie bisher vor allem unter wenigen – zumeist kirchlichen – Experten Beachtung gefunden. Erst die Gründung der neuen Forschungsinstitute KIBOR (Katholisches Institut für Berufsorientierte Religionspädagogik in Tübingen 2002), EIBOR (Evangelisches Institut für Berufsorientierte Religionspädagogik in Tübingen 2008) und bibor (Bonner Evangelisches Institut für Berufsorientierte Religionspädagogik 2010) hat den Arbeitszweig auch in den Fokus der universitären Forschung gerückt, während er bisher nahezu ausschließlich in den landeskirchlichen Religionspädagogischen Instituten (bzw. Pädagogisch-Theologischen Instituten) entwickelt worden war. Die Forschung ist also erst kürzlich neben die Ausund Fortbildung getreten.19 Es geht darum, die Arbeitsergebnisse der gesamten Religionspädagogik auch beruflich fruchtbar zu machen und vice versa. Dazu gehören 1. empirische und hermeneutische Forschungen, 2. die Profilierung und politische Sicherung des BRU in seiner konfessionellen Grundorientierung, 3. die Schaffung eines universitären Bewusstseins für die Berufsschule und den Religionsunterricht an ihr und 4. die Publikation von relevanten Arbeitsergebnissen und Impulsen für den BRU.20 19 Selbstverständlich gab es auch schon vorher einschlägige Studien, so z. B. Andreas Feige/Carsten Gennerich: Lebensorientierungen Jugendlicher. Alltagsethik, Moral und Religion in der Wahrnehmung von Berufsschülerinnen und -schülern in Deutschland, Münster u. a. 2008. Diese Studie zeichnete sich dadurch aus, dass die verwendeten Items mit den Auszubildenden entwickelt wurden. 20 Zu diesem Zweck haben die drei Institute zwei Publikationsreihen gegründet: Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik (Waxmann-Verlag Münster, 14 Bände seit 2012) sowie: RU Praktisch Berufliche Schulen (Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 6 Bände seit 2013).

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Was die Pluralität der Schülerschaft angeht, so repräsentieren die Teilnehmenden am BRU ein größeres Spektrum als alle anderen Formen von Religionsunterricht. Der BRU ist darum im Rahmen von bibor-Tagungen zu Recht als religionspädagogische »Zukunftswerkstatt« bzw. als religionspädagogisches »Laboratorium« bezeichnet worden (so u. a. von Bernhard Grümme, Ruhr-Universität Bochum). Damit ist nicht gemeint, dass die Teilnehmenden und Lehrenden als Versuchsobjekte zu gelten hätten; wohl aber sind hier offensichtlich gesellschaftliche Pluralisierungs- und Privatisierungsprozesse deutlicher wahrzunehmen als in anderen Schulformen, sodass sich experimentelle Überlegungen in besonderer Weise nahelegen. Die Notwendigkeit, die Konfessionalität des RU weiterzuentwickeln und das »Evangelische« bei den Unterrichtenden, den Unterrichtsinhalten und unterrichtlichen Prozessen sorgfältiger zu bestimmen, zeigt sich im BRU in verstärktem Maße. Der Charakter als »Laboratorium« bedeutet aber gerade nicht, dass die Grenzen verschwimmen können, sondern im Gegenteil, dass diese stärker bewusst gemacht werden müssen. Das sei an zwei Beispielen erläutert. Zum einen ist das Potenzial des evangelischen Glaubens auch für eine säkular transformierte Rede von der Rechtfertigungslehre fruchtbar zu machen. An die Stelle der Rechtfertigung durch bestimmte religiöse Praktiken (»gute Werke«) ist in der Gegenwart die Arbeit am Selbstverhältnis getreten. Schuld empfindet der Mensch der Gegenwart viel weniger beim Übertreten einer Ordnung (»Sünden«) als vielmehr beim Versäumen einer Chance zur Optimierung der eigenen Möglichkeiten. Die Sorge um die körperliche Fitness, gesunde Ernährung und Überwachung des eigenen Körpers, Selbstbeobachtung und Selbstzweifel an der eigenen Potenzialität und Attraktivität sind heutige Erscheinungsweisen dessen, was in der Reformation als der in sich selbst verkrümmte Mensch beschrieben wurde (»homo incurvatus in se ipsum«). Die Möglichkeiten der Gegenwart sollen dabei nicht als schlecht denunziert, aber unterrichtlich in ihrer Mehrdeutigkeit erschlossen werden. Nichts ist ohne Preis. Die Optimierung des eigenen Selbst kostet mindestens Zeit und psychische Energie. Die Bejahung des eigenen Selbst, obwohl es »nicht ganz geglückt« ist, beschreibt dabei den Gewinn des Rechtfertigungsglaubens. Diese Zusammenhänge strukturell durchschaubar zu lernen, das ist auch für Agnostiker, Konfessionslose, Katholiken und Muslime nützlich, ohne dass sie deswegen zum evangelischen Glauben genötigt werden müssten. Andererseits steht fest, dass jeder Mensch in jedem Moment zum Glauben an das Evangelium eingeladen wird (1 Tim 2,4). Gerade der überzeugt Glaubende weiß davon, dass der Glaube nie Besitz, sondern ein immer neuer Anfang ist. Mit dem Glauben fängt man immer neu an und man steht immer in der Gefahr, sich selbst optimieren zu wollen und daran zu scheitern.

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Reflexion des BRU – wissenschaftsbezogene Aspekte

Damit hängt zweitens zusammen, dass der christliche Religionsunterricht – auch an der Berufsschule – nur dann christlich genannt werden kann, wenn er die Lebensgeschichte Jesu bedenkt als die Geschichte der schlechthin erfüllenden, der hilfreichen und der den Menschen zu sich selbst bringenden Liebe Gottes. Wenn auch nicht ständiger Unterrichtsinhalt, so muss die Christologie doch der inhaltliche Rahmen und Maßstab allen christlichen Religionsunterrichts sein. Die Rechtfertigungslehre ist kein kluges anthropologisches Konstrukt (so gewiss sie das auch ist, denn anderenfalls wäre die Reformation nicht so erfolgreich gewesen). Aber vor allem ist die Rechtfertigungslehre die Quintessenz, die biblische Hermeneutik der Jesusgeschichte. Diese Hermeneutik besagt, dass der Glaube kein primär menschliches Produkt ist – so wenig wie die Lebensgeschichte des Mannes aus Nazareth eine zufällige Biografie ist. Das stimmt beides auch – und doch besagt die Hermeneutik des Glaubens, dass das Entscheidende damit noch nicht gesagt ist. Die biblische Hermeneutik der Jesusgeschichte, die traditionell »Christologie« genannt wird – vielleicht klingt das für viele schon zu geheimnisumwoben oder auch zu abstrakt –, bedeutet, dass in der Lebensgeschichte des Mannes aus Nazareth in allen Höhen und Tiefen nichts weniger als Gott selbst zu erkennen ist. Für den christlichen Glauben ist damit alles erschlossen (Kol 2,3), was einem klar sein muss, um das eigene Leben mit freundlichen Augen ansehen zu können, obwohl es »nicht ganz geglückt« ist. Die Christologie ist die Königsdisziplin der gesamten Theologie und damit auch der evangelischen Religionspädagogik. Noch einmal: Das muss sich nicht immer auf die Unterrichtsinhalte beziehen, wohl aber auf die Begründung des Evangelischen und auf die Selbstvergewisserung der unterrichtenden Personen. (Nota bene: Nur mit dem Mut zu dieser Differenz kann man auch damit rechnen, von Muslimen religiös für voll genommen zu werden.) Insgesamt liegt es auf der Hand und ist wissenschaftlich und politisch so gut wie unbestritten, dass die Bildungsprozesse im Zusammenhang der Berufsausbildung notwendig auch aus der Perspektive der Sinnbildung, des Menschseins und des Glaubens betrachtet werden müssen. Menschen haben ein Recht auf Religion, und die Religion lässt sich auch im Beruf nicht ignorieren oder abstellen. Berufstätige sind mehr als die Summe ihrer Funktionen – sie sind zuerst Menschen21 mit Wünschen, Hoffnungen und Ängsten. Die Berufstätigkeit hat persönliche und sachliche Bezüge22 zu religiösen Fragestellungen. Wie die Berufspädagogik insgesamt inzwischen den Menschen nicht mehr als Summe 21 Thomas Klie, Religionsunterricht (Anm. 17), 23 zitiert dazu den Spruch über dem Eingangstor einer amerikanischen Fachschule: »Hier werden nicht Menschen zu Schreinern, sondern Schreiner zu Menschen erzogen.« 22 Vgl. dazu das oben unter 1.3 zum »materialen« und zum »kategorialen« Berufsbezug Ausgeführte.

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von Fähigkeiten und Fertigkeiten in den Blick nimmt, sondern als ein unteilbares soziales und sinnbildendes Wesen mit fachübergreifenden Kompetenzen, so akzentuiert die berufsbezogene Religionspädagogik das Religiöse nicht mehr gegen die berufliche Existenz (etwa im Sinne einer schnellen und wohlfeilen Kapitalismuskritik), sondern als eine Tiefendimension von Beruf und Arbeit. Das schließt die Kritik an Arbeitsbedingungen und Produktionsmaximen nicht aus, sondern ein; aber die leitende Perspektive hat zunächst und zuerst der einzelne, sich bildende Mensch zu sein.

Weiterführende Literatur Thomas Klie: Religionsunterricht in der Berufsschule: Verheißung vergegenwärtigen. Eine didaktisch-theologische Grundlegung, Leipzig 2000 (Arbeiten zur Praktischen Theologie 14) – Eine der wenigen spezifisch didaktisch-theologischen Studien zum BRU, orientiert an »Verheißungen« als latenten Sinnstrukturen in Selbstkonzepten von Auszubildenden und an der Verheißung als theologischer Kategorie, u. a. bei Paulus (Römer 4) und Luther Bernd Schröder: Religionspädagogik, Tübingen 2012 (Neue Theologische Grundrisse) – Das zurzeit umfassendste Lehrbuch der evangelischen Religionspädagogik, allerdings ohne ein spezielles Kapitel zur berufsbezogenen Religionspädagogik Albert Biesinger/Michael Meyer-Blanck/Friedrich Schweitzer: Die Institute für berufsorientierte Religionspädagogik (bibor, EIBOR, KIBOR) – Was bedeuten die neuen Forschungseinrichtungen für die Religionspädagogik? In: ZPT65 (2013), 246–255 – Kurzer Überblick zu den Arbeitsweisen und Arbeitsprojekten der drei neuen Forschungsinstitute in Tübingen und Bonn Michael Meyer-Blanck/Andreas Obermann (Hg.): Die Religion des Berufsschulreligionsunterrichts. Überlegungen zur Kommunikation religiöser Themen mit Jugendlichen heute (Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik Bd. 6), Münster 2015 – Verschiedene Beiträge aus Religionspädagogik, Allgemeiner Pädagogik und Berufspädagogik, um das spezifisch Religiöse des BRU als Gegenstand der gemeinsamen Erschließung von Sinn in den Blick zu bekommen Andreas Obermann/Andreas Ziemer: Religion trifft Beruf. Die Praxis des BRU reflektieren und entwickeln, Bonn (Bonner evangelisches Institut für berufsorientierte Religionspädagogik, bibor) 2017. – Ein Medienpaket mit Videografien von Unterrichtsstunden mit vielfachen Instrumentarien zur Wahrnehmung und Weiterentwicklung des BRU, orientiert u. a. an der Unterscheidung des kategorialen und materialen Berufsbezuges sowie an den Kriterien für guten Unterricht nach Hilbert Meyer

V.

Berufsbezogene Religionspädagogik – interreligiöser Diskurs

V.1 Interreligiöses Lernen an berufsbildenden Schulen – Begründungen, didaktische Herausforderungen und Entwicklungen1

Andreas Obermann

1 Rahmenbedingungen interreligiösen Lernens an berufsbildenden Schulen 1.1 D  ie deutsche Gesellschaft und die Lerngruppen an beruflichen Schulen sind multireligiös-plural Der BRU in interreligiöser Perspektive ist deshalb geboten, weil die BRU-Lehrkräfte zeitgemäß evangelische/katholische Religionslehre im – in Form einer konfessionellen Kooperation – Dialog mit anderen Religionen und Weltanschauungen mit gesellschaftlicher Relevanz unterrichten sollen. Zeitgemäß bedeutet hier, die Realität der vielen Religionen auf dem Markt der religiösen, lebenskundlichen und weltanschaulichen Angebote in einem säkularen Staat wahrzunehmen und die Religionen in ihrer Vielfalt achtend zu unterrichten. Die heutige heterogene und (multi-)plurale Gesellschaft Deutschlands einerseits und die entsprechenden Lerngruppen gerade in berufsbildenden Schulen andererseits können von der christlichen berufsorientierten Religionspädagogik nicht außer Acht gelassen werden und bedürfen einer pädagogischen Reflexion. Dieser Bedarf zeigt sich auch deutlich bei einem Blick über den nationalen Tellerrand hinaus, sofern auch die Gesellschaften der Nachbarländer Deutschlands im Kontext eines zusammenwachsenden Europas wie auch der Globalisierung insgesamt immer deutlicher plural, multikulturell und multireligiös geprägt sind. Auch zielen die bildungspolitischen Initiativen der Europäischen Union zur religiösen Bildung auf eine religiöse Bildung in interkultureller bzw. interreligiöser Perspektive und legen 1

Vgl. zum Folgenden auch Andreas Obermann: Religionsunterricht interreligiös?! Didaktische Herausforderungen und Entwicklungen im Schatten monokonfessioneller Religionspädagogiken, in: Rainer Möller/Clauß Peter Sajak/Mouhanad Khorchide (Hg.): Kommunikation, Kooperation, Konflikte. Chancen und Grenzen interreligiösen Lernens. Beiträge aus evangelischer, katholischer und islamischer Perspektive, Münster 2017, 95–111.

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diese von daher als eine zeitgemäße religiöse Bildung nahe. In Deutschland sind die Zeiten einer weitgehend christlich geprägten und religiös einheitlichen Gesellschaft vorbei. Schlagartig mit der deutschen Wiedervereinigung schnellte der Anteil der Bürgerinnen und Bürger ohne Religion in die Höhe und hat heute einen Anteil von über 27 %, womit die Gruppe der Konfessionslosen mittlerweile die größte weltanschaulich-religiöse Gruppe in Deutschland ist (und auch die Anzahl der evangelischen wie katholischen Christeninnen und Christen übertrifft). Konfessionslosigkeit ist damit eine gesellschaftlich normale und zu akzeptierende Lebensform, die in keiner Weise – wie es terminologisch anklingen mag – durch ein Defizit geprägt ist. Die Lebensform »Konfessionslosigkeit« prägt durch die alltägliche Begegnung in und außerhalb der Schule heute auch jene Schülerinnen und Schüler, die religiös sozialisiert sind. Betrachten wir zudem die konfessionslosen Schülerinnen und Schüler, die am BRU teilnehmen, wird deutlich, dass der Religionspädagogik wie auch der Schülerschaft ein Blick alleine auf die Religionen nicht ausreicht und nicht mehr gerecht wird: Die Konfessionslosigkeit ist Herausforderung und Aufgabe jeder Religionspädagogik zugleich.2

2 Quelle: http://remid.de/wp-content/uploads/2017/02/Rundbrief-1_2017_14–24.pdf (Zugriff am 28.9.2017).

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Berufsbezogene Religionspädagogik – interreligiöser Diskurs

1.2 Die Auszubildenden und ihre Bedarfe an interreligiösen Bildungsprozessen Die heutigen Schülerinnen und Schüler als Auszubildende legen es als Teilmenge unserer Gesellschaft nahe, auch eine interreligiöse Ausrichtung des BRU zu entwickeln. Bei diesen jungen Erwachsenen ist die Erfahrung der Heterogenität ihrer Lebenswelten und die gleichzeitige Akzeptanz dieser Unterschiedlichkeit – und zwar nicht nur bzgl. der Religion, sondern z. B. auch im Blick auf Abstammung, kulturelle Milieus oder ästhetische Werturteile – weiter voran geschritten und damit gewissermaßen »normaler« geworden als bei früheren Generationen. Die Integration aller Menschen unabhängig von ihrer Abstammung, ihrer Hautfarbe, ihrer politischen Einstellung und auch ihrer Religion oder Weltanschauung ist eine Hauptaufgabe der Pädagogik insgesamt, was oftmals festgehalten wurde in politischen und gesellschaftlichen Erklärungen. Hier klingt die Frage Schleiermachers an, was denn die ältere Generation mit der jüngeren wolle. Diese Integration zu fördern und zu fordern ist mitunter die wichtigste Aufgabe der lehrenden Generation für die lernende Generation. Gerade deshalb ist es heute im Blick auf die jüngere Generation eine Aufgabe der Religionspädagogik insgesamt, die Interreligiosität als Integrationsfaktor in ihr didaktisches Programm aufzunehmen und zu integrieren. Dass Auszubildende die interreligiöse Weitung z. B. des Religionsunterrichts wünschen und als normal empfinden, zeigen Gruppendiskussionen, die das Bonner evangelische Institut für berufsorientierte Religionspädagogik (bibor) im Jahr 2012 durchgeführt hat.3 Das gemeinsame Lernen im BRU wird dort als Basis eines gemeinsamen religiösen Lernens eingefordert. Nehmen wir die pluralen Lerngruppen des BRU in den Blick, ist vordergründig die religiöse und weltanschauliche Heterogenität als Basis interreligiöser Lernprozesse zu konstatieren (s. o.). Ungeachtet dieses Befundes weisen die Lerngruppen in ihrer Heterogenität jedoch zugleich auch ein hohes Maß an religiösen Gemeinsamkeiten auf, sofern sich Schülerinnen und Schüler oft ungeachtet ihrer religiösen Sozialisation eine eigene Religiosität aufgebaut haben, die sich neben den religiösen Formen ihrer religiösen Institution ausgebildet haben und 3

Der BRU ist anders gut – signifikante Ergebnisse der Gruppendiskussionen in NRW, in: Christliche, muslimische und konfessionslose Auszubildende im evangelischen Berufsschulreligionsunterricht in Sachsen und NRW – eine Gratwanderung zwischen Beliebigkeit und konfessioneller Engführung? Dokumentation eines gemeinsamen Forschungsprojekts zum BRU in der Pluralität. Institut für Evangelische Theologie der TU Dresden/Bonner evangelisches Institut für berufsorientierte Religionspädagogik, hrsg. von Andreas Obermann/Roland Biewald, Bonn 2014 (Download unter: www.bibor.uni-bonn.de/bibor-veroeffentlichungen/downloads/ bru-und-pluralitaet).

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die allen Schülerinnen und Schülern gemein sind. Eine religiöse Nähe neben und trotz unterschiedlicher religiöser Einstellungen und ihrer Ausdrucksformen ist mitnichten eine neuzeitliche Entwicklung. In seiner »Geschichte antiker Religionen« schildert Jörg Rüpke4 eindrucksvoll die Heterogenität und Multireligiosität antiker Gesellschaften. Rüpke beschreibt die antiken Religionen als je spezifische fortschreitende Prozesse von Gruppenund Religionsbildungen. Er beschreibt die individuellen Erfahrungen von religiöser Kommunikation und die individuellen Vorstellungen von Göttlichem, die sich je Einzelne aneignen, ausdrücken und in unterschiedlichen sozialen Räumen mit anderen teilen. Gruppen und Traditionen sind damit nicht einfach vorgegeben, sondern Traditionen entwickeln sich aus Imaginationen oder aus konkreten Projekten von einzelnen Akteuren. Rüpke beschreibt, wie in der Antike das Leben als Einzelner – gerade auch in religiöser Hinsicht – eine Selbstverständlichkeit war: Von religiösen Funktionären bestimmte und als allgemein gültig erklärte Bekenntnisse, Rituale oder Praktiken spielten für die Allgemeinheit nur eine untergeordnete Rolle. Prägend für den Einzelnen waren vielmehr seine eigenen Mikrovorstellungen und lokalen Traditionen. Eine individuelle Religiosität ist also von der Antike an vorauszusetzen und mehr der Normalfall als die Ausnahme. So scheint es in der Antike normal gewesen zu sein, am institutionalisierten und von Religionsprofis zelebrierten Opferritus im Tempel teilzunehmen und zugleich zu Hause einen Opferaltar zu haben, der mehr den eigenen Regeln nachkommt. Wie der heutige evangelische Schüler, der Anfang der Woche doch schon mal gerne ins Horoskop guckt oder die katholische Schülerin, die mit ihren Freundinnen ihre eigenen Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod diskutiert. Während offizielle Religionsprofis und -spezialisten versuchen festzulegen, was das typisch Christliche oder das typisch Muslimische ist und nach eigenen und fremden Identitäten fragen, gibt es zugleich in weiten Teilen der Lerngruppen – wie auch in Synagogen, Kirchen und Moscheen – mannigfaltige Formen individueller Teilhabe am religiösen Leben, die sich gerade in ihrer individualisierten Ausprägung sehr deutlich von der institutionalisierten Religion unterscheiden – und doch zugleich ein breites Band gemeinsamer Vorstellungen darstellen: »Die Institutionalisierung von religiösem Handeln als ›Religionen‹ ist nicht der Normalfall, sondern die Ausnahme. Und vor allem: immer nur ein winziger Ausschnitt gelebter Religion. Viele religiöse Vorstellungen und Praktiken werden von vielen

4 Jörg Rüpke: Pantheon: Geschichte der antiken Religionen, München 2016.

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Berufsbezogene Religionspädagogik – interreligiöser Diskurs

Menschen geteilt unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. ›Interreligiöser Dialog‹ konstruiert da oft erst die Grenzen, die er dann abbauen will«5.

Nehmen wir also die Heterogenität wie auch die religiöse Gemeinsamkeit der Lerngruppen gleichermaßen wahr und ernst, folgt daraus ein dialogisch-offener BRU: Diese Freiheit individuellen Glaubens führt von der Antike über Schleiermachers »Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit« und dem »Sinn für das Unendliche« zu einem BRU heute, der nicht einlinig eine Wahrheit voraussetzt, sondern die religiöse Freiheit der Schülerinnen und Schüler und in dieser Perspektive die selbstständige Auslegung und Aneignung religiöser Traditionen und Texte »Heiliger« Schriften fördert. Jeder Schüler und jede Schülerin hat ein Recht auf eine eigene Vorstellung von Religion, auf ein eigenes Gottesbild und eine eigene Umsetzung je ihrer eigenen Vorstellungen individuell und/oder in einer nicht institutionell vorgegebenen Gemeinschaft. So betonte schon Plato (Phaidros), dass jeder Mensch das Recht und vor allem die Freiheit habe, »sich das Göttliche so zu denken, wie es seiner Seele entgegenkommt.«6 1.3 BRU-Lehrkräfte und ihr Wunsch nach interreligiösen Bildungsprozessen Die beschriebene gesellschaftliche Realität findet sich im Religionsunterricht fast aller Schulformen wieder, weshalb eine interreligiöse Dimension des Religionsunterrichts von vielen Religionslehrkräften deutlich eingefordert wird. Dies geschieht insbesondere in den Schulformen, in denen aus strukturellen und organisatorischen Gründen der Religionsunterricht im Klassenverband – und damit in nicht konfessionsidentischen Lerngruppen – erteilt wird, was in beruflichen Schulen weitgehend der Fall ist. Eine Umfrage des Bonner evangelischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik (bibor) zeigt dies deutlich:7 Auf die Frage nach den vorrangigen Zielen ihres Berufsschulreligionsunterrichts haben 95,6 % der Lehrkräfte geantwortet: »Es ist das Ziel meines BRU, die interreligiöse und interkulturelle Dialogfähigkeit meiner Schülerinnen und Schüler in beruflichen Anforderungssituationen zu fördern.« Diese der Situation der heterogenen Lerngruppen an Berufskollegs geschuldete Spitzenstellung der Interreligiosität zeigt sich auch noch deutlich an anderen prominenten Stellen 5 Jörg Rüpke: Religiöses Handeln jenseits von Religion, in: Welt und Umwelt der Bibel 1/2017, 71. 6 Volker Gerhards: Der Sinn des Sinns. Versuch über das Göttliche, München (2014) 22016, 85. 7 Vgl. zu den Ergebnissen der Studie: Monika Marose/Michael Meyer-Blanck/Andreas Obermann (Hg.): »Der BRU ist anders!« – Ergebnisse der NRW-weiten Umfrage unter Religionslehrkräften zum Berufsschulreligionsunterricht, Münster 2016.

Interreligiöses Lernen an berufsbildenden Schulen

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der Umfrage. So wurden die Lehrkräfte befragt nach Modellen der Gestaltung des BRU im Blick auf verschiedene Konfessionen bzw. Religionen. Unterschieden wurde dabei grundsätzlich zwischen Modellen ohne und Modellen mit einem Islamischen Religionsunterricht, weil dieser auch unmittelbare Auswirkungen hätte auf die schulorganisatorische Gestaltung der anderen Religionsunterrichte. Zur Auswahl standen denkbare Modelle in der Spannbreite eines je nach Religionen getrennten Unterrichts bis hin zu einem gemeinsam verantworteten oder im Fächerverbund erteilten Religionsunterrichts. Im Gesamtergebnis ist eindeutig festzuhalten, dass die BRU-Lehrkräfte einen konfessionell getrennten BRU äußerst signifikant ablehnen – die zustimmenden Antworten ergeben summiert gerade 17,7 % ohne den Islamischen RU und 19,7 % mit Islamischem RU. Korrespondierend dazu stimmen 72,0 % der Befragten für einen BRU im Klassenverband für alle, der zur Zeit gängigen Praxis in fast allen Lerngruppen im dualen System in NRW ist.

Die Einführung des Islamischen Religionsunterrichts würde diese Tendenz zwar etwas abschwächen, sie bliebe dennoch die favorisierte Form eines evangelisch verantworteten Religionsunterrichts an Berufskollegs: Immerhin noch 54,2 % der Befragten stimmen diesem Modell zu, wenn es den Islamischen Religionsunterricht an Berufskollegs in NRW geben sollte. Hierzu korrespondiert die starke Ablehnung eines Modells, bei dem der Islamische Religionsunterricht außerhalb des normalen Stundenplans erteilt werden sollte: Der Islam bzw. der Islamische Religionsunterricht soll unbedingt im Lehrangebot integriert sein wie alle anderen Religionsunterrichte auch und dort eine gleichberechtigt-kooperative Rolle

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spielen. Daraus folgt insgesamt eine signifikante Präferenz für einen alle Religionen und Konfessionen inkludierenden BRU im Klassenverband.

Im Gesamtergebnis zeigt sich ein klares Votum der evangelischen BRU-­Lehrkräfte für einen BRU in interreligiöser Perspektive mit dialogischer Ausrichtung. Damit gibt es neben den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und den Bedarfen der Schülerinnen und Schüler zumindest drei gewichtige Gründe, sich mit einer Religionspädagogik in interreligiöser Weite zu beschäftigen und nach angemessenen Wegen und Ansätzen zu suchen, diese in einem dialogischen Prozess der Religionsgemeinschaften umzusetzen. Exkurs: Ein offenes Religionsverständnis als Basis interreligiöser Lernprozesse im BRU Die Anforderungen an einen Religionsbegriff des (B)RU sind vielfältig und für die Religionsgemeinschaften weitreichend: Die Frage nach dem Religionsverständnis bestimmt die Gewichtung der eigenen materialen Inhalte wie auch die Ausrichtung einer Religionsgemeinschaft nach innen und außen. Ein dem BRU gerecht werdender Religionsbegriff muss es ermöglichen, die Inhalte des Christentums in der Ausprägung eines protestantischen und katholischen Bekenntnisses adäquat im Dialog mit jugendlichen Selbstäußerungen kommunizieren zu können, den religiös-spirituellen Erfahrungsdimensionen der Jugendlichen gerecht zu werden und die konfessionslosen und atheistischen Vorstellungen vieler Schülerinnen und

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Schüler offen in den Diskurs einbinden zu können. Ein Religionsbegriff des BRU muss offen sein für Anschauungen anderer Religionen sowie Weltanschauungen, die vorfindliche Pluralität in sein – für die Gegenwart konstitutives – Religionenverständnis integrieren und transparent mit der christlichen Religion ins Gespräch bringen können. Ein Religionsbegriff des BRU muss funktionale und materiale Aspekte von Religion in den BRU integrieren helfen. Für ein den Jugendlichen gegenüber gerecht werdendes Religionsverständnis eines modernen BRU ist es konstitutiv geboten, material religiöse Inhaltsaspekte (explizite Religiosität) unter Einbeziehung der selbstgeäußerten Lebensvorstellungen der Jugendlichen (implizite Religiosität) empathisch und sensibel in die Unterrichtsprozesse einbinden zu können. Ein Religionsbegriff für den BRU muss offen sein für eine sich im Kontext jugendlicher Lebenswelten herausbildende Religiosität (Spiritualität) und diese adäquat reflektieren (kommunizieren) können. Dabei muss ein dem BRU gerecht werdender Religionsbegriff den Jugendlichen die Option eröffnen, sich in ihrer pluralen Welt eine reflektierte religiöse (und weltanschauliche) Positionalität zu erarbeiten und so eine religiöse Orientierung zu gewinnen. Die Jugendlichen sind als Autorinnen und Autoren ihrer eigenen Religiosität ernst zu nehmen. Mit Detlef Pollack8 und Eberhard Hauschildt9 gilt es m. E. bei der Frage, was Religion ist bzw. was ein Ereignis zu einer religiösen Erfahrung macht, zwei unterschiedliche Dimensionen zu unterscheiden. Religion hat es 1. mit Transzendenz und Immanenz zu tun: Als ein Deutungssystem des Lebens mit spezifischen Interpretamenten formuliert die Religion eine andere Dimension von Leben und Welt jenseits der alltäglich erfahrbaren Wirklichkeit. Religion hat es 2. zu tun mit der Erfahrung von Kontingenz und Konsistenz im Blick auf Ereignisse, die mit den üblichen Formen der Reflexion und gängigen Erklärungsmustern nicht verstanden und in bisherige Erfahrungen eingeordnet werden können. Eine Religion bietet anlässlich über sich hinausweisender (transzendierender) Ereignisse eine Erklärung an in Form einer (hypothetischen) Alternative zu gängigen Erklärungsmustern. Es gehört zum Charakter religiöser Antworten im Spannungsfeld von Kontingenz und Konsistenz, dass sie die Kontingenz aufzuheben versucht und dabei transzendiert, d. h. auf eine – im wahrsten Sinne des Wortes – er-glaubte Ebene zu heben sucht. Wird Religion im BRU wie hier vorgeschlagen als ein Deutungssystem des Lebens verstanden, hat das Konsequenzen für die Anlage und Ausrichtung eines 8 Detlef Pollack: Was ist Religion? Probleme der Definition, in: ZfR 3 (1995), 163–190. 9 Eberhard Hauschildt: Gesucht: Ein Religionsbegriff für den BRU, in: Michael Meyer-Blanck/ Andreas Obermann (Hg.): Die Religion des Berufsschulreligionsunterrichts. Überlegungen zur Kommunikation religiöser Themen mit Jugendlichen heute (Glaube – Wertebildung – Inter­ religosität. Berufsorientierte Religionspädagogik 6), Münster 2015, 155–161.

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entsprechenden BRU, sofern dieses Verständnis von Religion vor allem Schülerinnen und Schüler mit und ohne religiöse Sozialisation und auch mit anderen Weltanschauungen zu integrieren vermag. Ein solches material offenes Religionsverständnis eröffnet eine Wahrnehmung aller Schülerinnen und Schüler jenseits materialer und/oder funktionaler religiöser Zuschreibungen. Ein so angelegter BRU kann explizite wie auch implizite religiöse Inhalte aufnehmen und wird zugleich dem Anspruch gerecht, religiöse Orientierungen im Sinne einer reflektierten Positionalität zu eröffnen. In einem solchen BRU geht es dann auch nicht primär um eine bekenntnisorientierte Vermittlung materialer Glaubensdogmen oder die Einübung kirchlicher Traditionen. Es geht dann vielmehr darum, dass die Auszubildenden im BRU die Relevanz des Themenbereichs Religion/Spiritualität/ Weltanschauung für ihr Leben wie für ihren Beruf für sich erkennen, reflektieren und gegebenenfalls auch erfahren. Der BRU eröffnet den Auszubildenden in Bildungsprozessen für sie relevante Interpretamente der Lebensdeutung, wenn sie z. B. eine Kontingenzerfahrung als über den Alltag hinausweisend deuten und so möglicherweise im Alltäglichen das Himmlische oder im Endlichen das Unendliche greifbar und erfahrbar wird. Im Sinne Schleiermachers wird so das Leben in seinen je aktuellen Kontexten zu dem Ort, in dem sich religiöse Bildung für Jugendliche vollziehen kann.

2 Didaktische Leitlinien interreligiöser Bildung im BRU 2.1 Allgemeine Leitlinien interreligiösen Lernens 2.1.1 Die pluralen Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler wahrnehmen

Die Lebenswelten der Jugendlichen sind heute eine Herausforderung für die berufsorientierte Religionspädagogik, sofern viele dieser jugendlichen Lebenswelten ohne Bezüge zu den verfassten christlichen Religionsgemeinschaften auskommen und dabei eigene Sprachmuster und Vorstellungswelten entwickelt haben, die zu der Sprache der großen Narrative der beiden christlichen Kirchen kaum mehr Bezüge aufweisen. Diese Distanz der Jugendlichen stellt eine inhaltliche Herausforderung dar: Wie können religiöse Inhaltsaspekte in einer jugendgemäßen Sprache und Syntax kommuniziert werden, sodass sie an die Lebenswelten Jugendlicher anschließen? Für die Lehrkräfte bedeutet dieser Befund die Notwendigkeit eines eigenen Lernprozesses, nämlich diese implizite Religiosität zu erkennen und wahrzunehmen. Denn die jungen Erwachsenen haben natürlich Ideen für ihr Leben, ebenso Wünsche, Sehnsüchte, Hoffnungen, Träume oder auch Ängste: Diese transkognitiven Empfindungen drücken Jugendliche

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und Erwachsene oft mit einer eigenen Semantik aus oder gestalten sie in eigenen Ritualen. Vom Phänomen her weisen die Gestaltungsformen dieser Empfindungen transzendente Aspekte und Bezüge auf. Daneben finden sich viele Auszubildende bzw. Schülerinnen und Schüler in den Lerngruppen an berufsbildenden Schulen, die einer nichtchristlichen Religion unterschiedlicher Traditionen und Konfessionen angehören und entsprechend eine religiöse Vielstimmigkeit in die Lerngruppen eintragen. Für diese Gruppe der Religiösen gilt gleichermaßen, dass sie ihre existenziellen Lebensfragen und -empfindungen auszudrücken suchen – als weitgehend religiös sozialisierte Menschen drücken sie die genannten Empfindungen auch mithilfe einer religiösen Semantik aus. Daneben befinden sich auch Jugendliche ohne religiöse Sozialisation und Bindung in den Lerngruppen an beruflichen Schulen, die ihrerseits ihre Sehnsüchte und Wünsche ohne direkten religiösen Bezug doch gleichfalls mit transzendenten Motiven auszudrücken versuchen. Die Wahrnehmung beider Semantiken, der explizit wie auch der implizit religiösen, bei allen skizzierten Personengruppen bildet die Basis für eine die religiöse Vielfalt inmitten einer wachsenden Säkularität wahrnehmende und ernstnehmende Religionspädagogik. Von didaktischer Bedeutung ist die folgende Frage auch in interreligiöser Perspektive: Wo berühren sich diese säkular wie auch religiös artikulierten Transzendenzerfahrungen mit klassischen Topoi religiöser Tradition, deren Gesten oder auch deren Symbolen in den institutionalisierten Religionsgemeinschafen? Wie können – nun aus christlicher Perspektive formuliert – existenzielle Selbstaussagen der Auszubildenden so mit religiösen Interpretamenten ins Gespräch gebracht werden, dass die Auszubildenden ihre Anschauung durch den Dialog mit der Religion verifizieren, aber auch falsifizieren, in Frage stellen oder auch einfach offen lassen können? Bildungstheoretisch und didaktisch hat der BRU jedoch sein Ziel auch dann erreicht, wenn sich ein Auszubildender reflektiert gegen eine religiöse Deutung seiner Einstellung entscheidet. 2.1.2 R  eligiöse Orientierungen finden, um zu einer reflektierten Positionalität zu gelangen

In ihren pluralen Lebenswelten brauchen Jugendliche heute eine religiöse Bildung mit einem offen-authentischen Dialog, durch den sie eine »religiöse Orientierung gewinnen«10 können. Dies kann umso besser gelingen, je besser die Fähigkeit einer interreligiösen Kommunikation ausgebildet ist und wird. Um einen reflektierten eigenen Standpunkt in der Vielstimmigkeit heutiger Pluralität gewinnen zu 10 So lautet der gleichnamige Titel der neuen EKD-Denkschrift: Religiöse Orientierung gewinnen. Evangelischer Religionsunterricht als Beitrag zu einer pluralitätsfähigen Schule Eine Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Gütersloh 2015.

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können, müssen Jugendliche die hermeneutische Kompetenz der Wahrnehmung anderer religiöser Positionen, der kritischen Stellungnahme zu fremden religiösen Einstellungen sowie der Kommunikation ihrer religiösen Meinung im Kontext anderer religiöser und weltanschaulicher Ansichten erwerben. Diese Kompetenzen sind nicht nur für die individuelle religiöse Entwicklung der Schülerinnen und Schüler von Bedeutung, sondern auch gesellschaftlich im Blick auf die Integration und das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen. Diese Kompetenzen können allerdings nicht binnenreligiös erworben werden, sondern bedürfen konstitutiv interreligiöser Lehr- und Lernprozesse. Und um diese pädagogisch und didaktisch sinnvoll erarbeiten und konzipieren zu können, bedarf es 1. eines Austausches von Experten der beteiligten Religionsgemeinschaften, was 2. auch eine Verhältnisbestimmung der Religionsgemeinschaften in theologischer, traditionsgeschichtlicher und gesellschaftlicher Perspektive nach sich zieht, was dann 3. einer Klärung des jeweiligen Selbstverständnisses der Religionsgemeinschaften in Bezug auf andere Religionen bedarf. Die letztgenannte Herausforderung ist für jede der beteiligten Religionspädagogiken deshalb die größte und weitreichendste, sofern hier Fragen und Klärungen anstehen, die jeweils das eigene Selbstverständnis betreffen. 2.2 Berufsspezifische Wege interreligiösen Lernens 2.2.1 D  ie Kompetenzorientierung als gemeinsames Bewährungsfeld aller Auszubildenden

Der gemeinsame Zielhorizont der Kompetenzorientierung für jeden BRU eröffnet die Chance gemeinsamen didaktischen Arbeitens zu Fragen einer Religionsdidaktik in verschiedenen Religionsgemeinschaften. Konkret ergeben sich hieraus folgende – alle Religionsgemeinschaften angehende – Fragehorizonte: Gemeinsam kann 1. der Frage nachgegangen werden, wie die zu erwerbenden Kompetenzen unabhängig von der Religionszugehörigkeit der Schülerinnen und Schüler im BRU didaktisch operationalisiert werden sollen bzw. können (z. B. bei der Wahrnehmungs- und Deutungskompetenz heiliger Schriften; der Fähigkeit eigene religiöse Standpunkte unter Einbeziehung der eigenen religiösen Sozialisation zu erkennen, zu reflektieren und zu kommunizieren; der Fähigkeit sich in andere religiöse Standpunkte und Überzeugungen hineinzuversetzen (Perspektivenwechsel) oder der kritischen Beurteilung von öffentlichen Positionen von Religionsgemeinschaften). Zudem kann 2. ein Austausch der BRU-Lehrkräfte – auch unterschiedlicher Religionsgemeinschaften – darüber erfolgen, welche jeweils spezifischen religiösen Inhaltsaspekte der jeweiligen Religionsgemeinschaften geeignet sind, damit die Schülerinnen und Schüler die

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erwünschten Kompetenzen erwerben können. Dieses gemeinsame didaktische Reflektieren kann zu dem Ergebnis führen, dass es analoge und struktur- oder inhaltsverwandte Inhalte der Religionsgemeinschaften gibt, die gemeinsame Lernprozesse zur Gewinnung bestimmter Kompetenzen ermöglichen – wie z. B. hermeneutische Fähigkeiten zum Verstehen heiliger Schriften. Hier könnten sich dann Überlegungen eines vernetzten Unterrichts bzw. eines verzahnten Unterrichtens ergeben. Weiterhin könnten 3. daraus Überlegungen erwachsen, wie im Kontext der Kompetenzorientierung und verwandter Inhaltsaspekte der Religionen auch Unterrichtsszenarien entwickelt werden können, die einen gemeinsamen BRU ermöglichen und die Deutungskompetenz der Schülerinnen und Schüler in interreligiöser Perspektive in besonderer Weise fördern. Für alle Schülerinnen und Schüler schafft die Kompetenzorientierung im oben dargelegten Sinn eine didaktische Basis vorerst jenseits der Inhaltsaspekte der Religionsgemeinschaften: Zunächst geraten 1. alle Schülerinnen und Schüler als Personen in ihrer Lebenswelt in den Blick. D. h. die Kompetenzen helfen, didaktisch das allen Schülerinnen und Schülern Gemeinsame für den Unterricht zu reflektieren und nicht unmittelbar Trennungen durch religiöse Zugehörigkeiten, Einstellungen, Sozialisationen oder Zuschreibungen vorzunehmen. So wird der BRU durch die Kompetenzorientierung gewissermaßen »entkonfessionalisiert« und »entreligionisiert«: Für die Schülerinnen und Schüler stehen so nicht religiöse Festschreibungen am Anfang eines kompetenzorientierten Lernprozesses, sondern eine konsequente Subjektorientierung: »Während der Begriff der Qualifikation die Perspektive der Institution beziehungsweise des Marktes widerspiegelt, geht der Begriff der Kompetenz von der Perspektive des Subjektes aus. Dies ist wichtig. Der Ausdruck Kompetenz spitzt zu: Die gleichsam ›schlummernden‹ Fähigkeiten sollen zu einer bestimmten Exzellenz in ihrer Beherrschung ausgeformt werden.«11

Die interreligiös nutzbare Weite der Kompetenzbestimmung mit ihrer Ausrichtung auf die Schülerinnen und Schüler eröffnet für diese die Option eines didaktisch wie auch pädagogisch sinnvollen interreligiösen Einstiegs in den BRU: Die gemeinsame Reflektion der Schülerinnen und Schüler in ihrer normalen – weil gewohnten – Lerngruppe über die Relevanz von Religion in Alltag und Beruf für den Kompetenzerwerb erleichtert den Schülerinnen und Schüler 11 Maße des Menschlichen: Evangelische Perspektiven zur Bildung in der Wissens- und Lerngesellschaft. Eine Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland, hrsg. vom Kirchenamt d. Evangelischen Kirche in Deutschland, Hannover 2003, 70.

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nicht nur die Einsicht der Alltagsrelevanz von Religion insgesamt, sondern legt zugleich die Basis für eine interreligiöse Verständigung unter Wahrung aller bleibend zu betonenden Unterschiede zwischen den Religionen und Konfessionen. In einer weiteren Hinsicht erweisen sich den Schülerinnen und Schülern dann 2. die religionsspezifischen Inhalte in ihrer die Religionen (Konfessionen) prägenden Funktion: Ist die grundlegende Bedeutung von Religion für die Moderne in interreligiöser Weite gelegt, erweisen sich die religionsspezifischen Inhaltsaspekte der Religionen und Konfessionen für die Schülerinnen und Schüler primär nicht als Faktoren der Trennung und Scheidung, sondern als die die Religionen typisierenden Inhalte in einem interreligiösen Bezugsrahmen: Als Wegbereiter und als Katalysatoren der Kompetenzgewinnung sind die religionsspezifischen Inhaltsaspekte des BRU für die Schülerinnen und Schüler damit auch identitätsfördernd. Die spezifischen Inhalte werden zu je spezifisch konfessorischen Inhaltsmomenten. Von der Einsicht der Relevanz von Religion für Alltag und Beruf her eröffnen die religionsspezifischen Inhaltsaspekte für die Schülerinnen und Schüler die existenzielle Dimension von Religion und damit auch des Religionsunterricht als eines ordentlichen Lehrfaches nach GG 7,3.12 2.2.2 Die Berufsorientierung als interreligiöse Lernperspektive

Wegweisend und die christlichen Kirchen didaktisch zusammenführend – sowie die islamische Religionspädagogik einladend – gestaltet sich der interreligiöse Weg auch über die Beruflichkeit: Die Reflexion materialer wie auch kategorialer Berufsbezüge im Kontext von Religion führen zu neuen Deutungen von Beruf und Beruflichkeit, die wiederum allen Religionsgemeinschaften gleichsam als Herausforderung begegnen. Die Berufsorientierung eröffnet in analoger Weise wie die Kompetenzorientierung13 einen gemeinsamen Rahmen didaktischen Fragens unabhängig von religiösen Bekenntnissen und Zuschreibungen. Auch hier kommen die religiösen Inhaltsaspekte für die den BRU vorbereitenden Lehrkräfte wie auch für die zur Reflexion aktivierten Schülerinnen und Schüler – auch zeitlich – später ins Spiel. Damit eröffnet das didaktische Feld der Beruflichkeit und der Berufsorientierung einen ausgesprochen subjektiven Zugang zu interreligiösen Lernprozessen, sofern die Reflexion der Beruflichkeit die Schülerin12 Versteht man die Kompetenzorientierung im BRU, wie hier vorgeschlagenen, zweistufig und die religionsspezifischen Inhaltsaspekte in ihrer konfessorischen Dimension zur zweiten Stufe zugehörig, dann erfahren auch die Religionslehrkräfte eine Entlastung, sofern sie in pluralen und säkular geprägten Lerngruppen nicht mehr alleine für die konfessorische (konfessionelle) Dimension des BRU verantwortlich sind. 13 S. oben unter 2.2.1.

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nen und Schüler in einem ersten Schritt unabhängig von ihren religiösen Einstellungen zusammenführt. Erst in einem zweiten Schritt werden dann durch religiöse Interpretamente zur Beruflichkeit die Reflexionen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von religiösen Inhalten der Religionen eingeleitet und können zu einer je spezifischen Profilierung der Religionen bzw. der subjektiv religiösen Positionalitäten führen.

3 Herausforderungen der berufsorientierten Religionspädagogik in interreligiöser Perspektive Die berufsorientierte Religionspädagogik muss auf die heterogene, multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft im Blick auf die von ihr gewünschten und notwendigen Bildungsprozesse reagieren. Die Reflexion der oben dargelegten gesellschaftlichen Gegebenheiten des BRU und der Gestaltungsoptionen der Kompetenzorientierung legt neue didaktische und religionspädagogische Wege für die konfessionelle Konzeption des BRU nach GG 7,3 sowie seine schulische Realisierung nahe. Wege der Realisation eines auch interreligiös ausgerichteten BRU in der postmodernen Gesellschaft müssen zum einen auf der Ebene der Leitungen der Religionsgemeinschaften stattfinden bzw. beginnen (beginnend z. B. in Fragen der konfessionellen Kooperation zwischen der Evangelischen und der Katholischen Kirche). Zum anderen ergeben sich auf der Ebene der Hochschulen, der Studienseminare und der pädagogisch-theologischen Institute in der Aus-, Fort- und Weiterbildung heutiger sowie vor allem auch zukünftiger BRU-Lehrkräfte bedeutende Handlungsfelder zur Vorbereitung und Sicherung eines pluralitätsfähigen Religionsunterrichts. Eine wesentliche und für die Zukunft konstitutive Anforderung ist die interreligiöse Kompetenz der Lehrkräfte, die deutlich über das reine Wissen um die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede der verschiedenen Religionen – und entsprechend die Vermittlung derselben – hinausgehen muss: Eine Kompetenz zwischen Religionen – inter(!) – kann nur haben, wer 1. selbst innerhalb des Gefüges einer konkreten Religion steht und selber authentisch einen Standpunkt zu vertreten in der Lage ist. Interreligiöse Bildung kann nicht in einem Lehren und Lernen über Religion stehen bleiben, sondern muss konstitutiv in das Lehren und Lernen in Religion übergehen. Interreligiöses Lernen bzw. interreligiöses Lehren ist damit eine zutiefst konfessorische Lehrtätigkeit (konfessorisch im Sinne einer reflektierten Positionalität). Weiterhin erfordert eine Kompetenz zwischen den Religionen 2. die Fähigkeit und den Willen zu einem authentischen Perspektivenwechsel, d. h. der Relativierung und Infragestellung des eigenen religiösen Standpunkts mit dem Ziel eines möglichst

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umfassenden Verständnisses der Standpunkte und Positionen der anderen Religionen und Weltanschauungen. An den klassischen Lern- und Bildungsorten wird dieser Lernprozess am besten in einem authentischen Dialog selbst möglich sein. Die Dialogkompetenz der Lehrenden wird gerade dann am besten gefördert, wenn Fortbildungen selbst dialogisch konzipiert – d. h. dialogisch von den beteiligten Religionsgemeinschaften vorbereitet und verantwortet – sind und so den Raum zum Dialog bei authentischer Begegnung eröffnen. Die Realisation solcher Kompetenzzuwächse ist vor allem auch eine Leistung des Willens: Ohne das profilierte Lehren einer von der Wichtigkeit interreligiöser Dialoge überzeugten Lehrerperson kann interreligiöses Lernen und Lehren nicht gelingen, was die Relevanz von interreligiösen Aus-, Fort- und Weiterbildungsprozessen als Weg zu einem modernen BRU in interreligiöser Weite nochmals unterstreicht.

Weiterführende Literatur Handbuch Interreligiöses Lernen, hrsg. von Peter Schreiner (u. a.), Gütersloh 2005 Obermann, Andreas, Religion unterrichten zwischen Kirchturm und Minarett (Christentum und Islam im Dialog 8), Münster 2006 Detlef Pollack: Was ist Religion? Probleme der Definition, in: ZfR 3 (1995), 163–190 Interreligiöses Lernen. Ein Lesebuch, hrsg. von Peter Schreiner/Christoph Th. Scheilke, Münster 1998 Friedrich Schweitzer: Interreligiöse Bildung. Religiöse Vielfalt als religionspädagogische Herausforderung und Chance, Neukirchen-Vluyn 2014

V.2 Ein Kommentar zum »BRU-Handbuch« aus jüdischer Sicht

Micha Brumlik

Was kann es heißen, dieses Buch »aus jüdischer Sicht« zu kommentieren? »Judentum« und damit »jüdisch« ist sowohl historisch, systematisch als auch politisch Vieles – weswegen es unerlässlich ist, die »jüdische Perspektive« des Kommentators zu klären und damit auch festzulegen. Meine Perspektive ist jedenfalls die eines Bürgers der Bundesrepublik Deutschland, eines Bürgers jüdischen Glaubens und jüdischer Ethnizität – also eines Mitglieds eines historisch in jeder Hinsicht relevanten, wenn auch numerisch sehr geringen Teils der deutschen Bevölkerung (leben doch nach allen vorliegenden Untersuchungen kaum mehr als 200.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland). Das ist – verglichen mit der drittgrößten Gruppe religiös im weitesten Sinne interessierter, in Deutschland lebender Personen, der Muslima und Muslime oder von Personen mit muslimischem Hintergrund – geradezu eine quantité negligeable. Es muss an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden, warum vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte, namentlich der im Holocaust gipfelnden Geschichte des Antisemitismus in Deutschland, die Frage nach der Stellung des Judentums in der politischen und religiösen Kultur dieses Landes eine herausragende Rolle spielen sollte. Und zwar – darum geht es bei Überlegungen zum Religionsunterricht in berufsbildenden Schulen – mit Blick auf die spezifische Struktur der solche Schulen besuchenden Schülerinnen und Schüler: »Nach vorläufigen Ergebnissen werden im Schuljahr 2016/2017 rund 11 Millionen Schülerinnen und Schüler an allgemein-bildenden und beruflichen Schulen in Deutschland unterrichtet. Dies entspricht einer leichten Zunahme von 0,3 % im Vergleich zum vorhergehenden Schuljahr. Damit ist die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler erstmals seit dem Schuljahr 2000/2001 wieder leicht angestiegen. Der Anstieg zum Vorjahr beschränkt sich dabei auf die Jungen. So stieg die Zahl der

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Schüler gegenüber dem Schuljahr 2015/2016 um 0,7 % auf 5,7 Millionen an, während die Zahl der Schülerinnen um 0,1 % auf jetzt 5,3 Millionen weiter leicht zurückging.«1

Verlässliche Zahlen zur gegenwärtigen, formellen religiösen Zugehörigkeit dieser Schülerinnen und Schüler scheinen derzeit nicht vorzuliegen, ebenso wenig wie zum Bildungsstand der Eltern. Es darf jedoch angenommen werden, dass Schülerinnen und Schüler muslimischer Herkunft in dieser Schulart gegenüber anderen Schularten deutlich überrepräsentiert sind bzw., dass in ihren Elternhäusern konservative Haltungen ebenfalls überrepräsentiert sind – anders als bei Schülerinnen und Schüler aus der sonstigen Bevölkerung, bei denen davon ausgegangen werden darf, dass aufgrund des nicht-bildungsbürgerlichen Elternhauses – zumal in den ohnehin entchristlichten ostdeutschen Bundesländern – religiöse bzw. kirchliche Einstellungen eher unterrepräsentiert sein dürften. Vor diesem Hintergrund ist vor allem zu der von Reinhold Boschki und Friedrich Schweitzer erwähnten »tragenden Bedeutung von Judentum und Christentum in der Geschichte Deutschlands und der westlichen Welt«2 Stellung zu beziehen. Boschki und Schweitzer stellen in ihrem Beitrag zu Recht fest, dass »viele der in Europa als maßgeblich angesehenen Werte und Vorstellungen historisch ohne den Einfluß besonders des Judentums und des Christentums nicht denkbar«3 seien. Damit dürfte in erster Linie die das deutsche Grundgesetz durchwaltende Formel in Artikel 1 »Die Würde des Menschen ist unantastbar« gemeint sein. Zunächst ist festzustellen, dass die diesem Gedanken entsprechende Formulierung vom »christlich-jüdischen Abendland« vergleichsweise neuen Datums ist. Einer der Ersten, die diesen Gedanken fassten, war der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, der von den drei Hügeln sprach, auf denen die europäische Zivilisation entstanden sei: Golgatha, die Akropolis und das Capitol.4 Indes: Wofür genau steht »Golgatha« – für das Judentum oder für das Christentum? Neuerdings wird in diesem Zusammenhang auf den Gedanken der Gottesebenbildlichkeit des Menschen als eine der Quellen des Gedankens der Würde des Menschen hingewiesen – ohne dass deutlich gemacht wird, wann und wo zuerst dieser Gedanke der Gottesebenbildlichkeit als Grundlage der »Würde des Menschen« entfaltet wurde. »Würde« ist ein Begriff, der in Bezug auf Menschen erstmals im Unterschied zur Würde – und das heißt Unan1

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/BildungForschungKultur/Schulen/ Schulen.html (Zugriff am 12.6.2017). 2 Reinhold Boschki/Friedrich Schweitzer: Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen, in diesem Band, 71. 3 Boschki/Schweitzer, Religionsunterricht (s. o. Anm. 2), 71/72. 4 Theodor Heuss: Reden an die Jugend, Tübingen 1956, 32.

Ein Kommentar zum »BRU-Handbuch« aus jüdischer Sicht

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tastbarkeit und Erhabenheit – Gottes erstmals in der italienischen Renaissance, im Humanismus auftaucht und dort durch die völlige menschliche Freiheit, das eigene Leben zu bestimmen, analysiert wird. »Wir haben dich«, heißt es etwa bei Pico della Mirandola (1463–1494), »[…] geschaffen, damit du als dein eigener, vollkommen frei und ehrenhalb schaltender Bildhauer und Dichter dir selbst die Form bestimmst, in der du zu leben wünschst.«5 Hier ist der intime Zusammenhang von Würde und Freiheit erstmals angesprochen. Die Philosophie der Aufklärung lässt schließlich die Bezüge auf das jüdische und christliche Erbe der Gottesebenbildlichkeit bzw. der Menschwerdung Gottes ganz hinter sich und bestimmt die menschliche Würde selbstgenügsam als jenes Prinzip, wonach Angehörige der Gattung Mensch als der Vernunft teilhaftig werdende Wesen Zwecke in sich sind. Als Zweck in sich selbst und damit Moral als eine Reihe von Verhaltensanweisungen, wonach Menschen andere Menschen niemals nur als Mittel, sondern immer auch als Zwecke zu behandeln sind. Als oberstes Prinzip der Tugendlehre weist der Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant, diesen Gedanken in der »Metaphysik der Sitten« aus.6 Es waren – bisher viel zu wenig beachtet – jüdische Autoren und Intellektuelle im Italien der Renaissance, die – u. a. auf Pico Bezug nehmend – diesen Gedanken weitertrugen.7 An dieser Stelle sind nun vom Kommentator keine didaktischen Erwägungen im engeren Sinne anzustellen, wohl aber darauf hinzuweisen, dass ein trockenes Versichern, dass Judentum und Christentum Grundlagen westlicher Werte seien, weder bei Berufs- noch bei Schülerinnen und Schülern anderer Schularten zureichend sein dürften. Wenn dieser Gedanke tatsächlich auch unterrichtlich stark gemacht werden soll, muss geklärt werden, wie diese schwierigen und komplexen Zusammenhänge jugendgerecht präsentiert werden können. Eine weitere Behauptung von Boschki/Schweitzer berührt Fragen des jüdisch-christlichen Verhältnisses und deren unterrichtlicher Umsetzung mindestens ebenso sehr. So sei aus religionspädagogischer Sicht darauf hinzuweisen, »dass Religion nicht in Ethik aufgeht, sondern dass der Glaube allen ethischen Fragen vorausliegt.«8 Das ist eine systematische Behauptung, die jedenfalls einigen jüdischen Positionen durchaus zuwiderläuft. 5 Pico della Mirandola: Über die Würde des Menschen (1496), Zürich 1988, 11; vgl. Thomas Leinkauf: Grundriss Philosophie des Humanismus und der Renaissance (1350–1600), Hamburg 2017, 129–153. 6 Immanuel Kant: Metaphysik der Sitten. Zweiter Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Tugend�lehre (1797), Frankfurt a. M. 1977, A 30. 7 Fabrizio Lelli: Biography and Autobiography in Yohanan Alemanno’s Literary Perception, in: David Ruderman/Giuseppe Veltri (Eds.): Cultural Intermediaries. Jewish Intellectuals in Early Modern Italy, Philadelphia 2004, 25–38. 8 Boschki/Schweitzer, Religionsunterricht (s. o. Anm. 2), 72.

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Exemplarisch sei auf die bereits im rabbinischen Judentum, Traktat Joma, vertretene These hingewiesen, dass der höchste jüdische Feiertag, der Jom Kippur, alle Vergehen des Menschen gegen Gott sühne, dass aber Verzeihung für Vergehen an Mitmenschen nur die Mitmenschen selbst gewähren können. Tatsächlich scheint es, als habe das rabbinische Judentum, das sich nach der Zerstörung des Tempels neu konstituierte, jede Opfertheologie weit hinter sich gelassen. Im Text der Mischna, also der im zweiten Jahrhundert christlicher Zeitrechnung von den Rabbinen verschrifteten mündlichen Lehre über den Jom Kippur heißt es lakonisch: »Übertretungen zwischen einem Menschen und Gott sühnt der Versöhnungstag, Übertretungen zwischen einem Menschen und seinem Nächsten sühnt der Versöhnungstag nur, wenn er sich mit seinem Nächsten vorher versöhnt hat.«9 Das hat den Philosophen Emmanuel Levinas (1906–1995) zu der Aussage provoziert, dass das Judentum eine »Religion für Erwachsene« sei.10 Ähnlich argumentierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts Hermann Cohen (1842–1918) in seinem nachgelassenen Werk »Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums«.11 Schließlich ist anzumerken, dass auch die protestantische Theologie in Auseinandersetzung mit Schleiermacher – namentlich Karl Barth – auf der Differenz von »Religion« und »Glaube« beharrte – bis hin zu Karl Barths Statement: »Religion ist Unglaube.«12 Aus jüdischer Perspektive wäre anzufügen, dass der hebräische Begriff dafür, nämlich »Daat«, so viel wie »Erkenntnis« bedeutet, und dass »Glaube« – jüdisch gedacht – eher »Beglaubigung« des für richtig Erkannten bedeutet – im Sinne des gottesdienstlichen »Amen«. »Amen« aber leitet sich von dem hebräischen Begriff »Emunah« ab – was ins Deutsche übersetzt so viel wie »Vertrauensgrund« bedeutet und sich auf Gottes glaubwürdige Verheißungen an das Volk Israel bezieht. Wenn es also tatsächlich um die Differenz von Ethik und Glaube/Religion geht, dann wären entsprechende, vor allem biblische, Erzählungen für »Vertrauen« zu erläutern – sei es die Opferung Isaaks, sei es die Standhaftigkeit Hiobs. Wiederum fragt sich, in welchen Altersstufen diese Themen wie angemessen präsentiert und vermittelt werden können. Vor allem: Kann – und wenn ja – wie kann im Unterricht verdeutlicht werden, dass die (hebräische) Bibel ein jüdisches Buch ist, das bis heute im Zentrum auch des synagogalen Gottesdienstes (Religion!) steht. Ohnehin ist im Unterricht auf das Bezug zu nehmen, was Berufsschülerinnen und -schüler lebensweltlich über das Judentum zu wissen meinen.   9 10 11 12

B Joma VIII 9b. Emmanuel Levinas: Schwierige Freiheit. Versuch über das Judentum, Frankfurt a. M. 1992, 21 ff. Hermann Cohen: Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, Leipzig 1919. Karl Barth: Kirchliche Dogmatik, Band I/2, Zürich 1937, § 17.

V.3 Ein Kommentar zum »BRU-Handbuch« aus muslimischer Sicht

Rabeya Müller

Unser Jahrhundert ist geprägt von Pluralität in jeder Hinsicht, sie ist ein prägendes Merkmal der kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung und umfasst längst nicht mehr nur die Gestaltung in der eigenen (religiösen) Community, sondern die reflektierte Wahrnehmung und den adäquaten Umgang mit anderen Religionen und Menschen mit einer nicht religiösen Ausrichtung. Pluralitätsfähigkeit ist eine der wichtigsten Kompetenzen, die innerhalb der Religionspädagogik vonnöten ist. In diesem Zusammenhang setzt dieses Handbuch zum Berufsschulreligionsunterricht erfreulicherweise einen wesentlichen Aspekt, der von den Herausgebern und Autorinnen und Autoren im gesamten Buch als Herausforderung und Querschnittsaufgabe wahrgenommen wird. Gerade dieser Aspekt wird auch von der islamischen Religionspädagogik als wesentlich angesehen – gerade für den Bereich von berufsbildenden Schulen, in denen die Heterogenität und Multireligiosität der Lerngruppen besonders ausgeprägt ist. Das Handbuch liefert hierfür eine ausgewogene Einführung, vor allem für interessierte Leserinnen und Leser, denen berufliche Schulen und die Zusammensetzung der Lerngruppen fremd sind (vgl. hierzu besonders Kapitel II.1). Pluralitätsfähigkeit bezieht sich bei weitem nicht nur auf die unteren Jahrgangsstufen, im Gegenteil, dort bringen Schülerinnen und Schüler oft eine wesentlich größere Diversitätsfähigkeit im Sinne eines selbstverständlichen Miteinanders mit als im jungen Erwachsenenalter, wo die Identität bereits ausgiebig ausgebildet ist. Oft sind diese Fragen nicht in einem wechselseitigen Diskurs entstanden, obwohl wir in einer multireligiösen Gesellschaft leben. Hier müssen Lehrkräfte, aber auch alle anderen Beteiligten lernen religiös sprachfähig zu sein und Kompetenzen zu erwerben, die eine Dialogfähigkeit der eigenen Religion in Bezug zu anderen setzen muss. Daher bleibt das Einbeziehen außerschulischer Institutionen, aber auch Personen, besonders auf Betriebsebene als Mitgestalterinnen und Mitgestalter, wie z. B. in Kapitel I.3 beschrieben, unerlässlich. Bei den Lehrkräften ist es mehr denn je notwendig, die Fähigkeit zu beherrschen, unterschiedliche Perspektiven auf einen Sachverhalt einnehmen zu können. Ent-

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sprechend fällt im Handbuch positiv auf, dass dieser Perspektivwechsel gewissermaßen zur Grundbedingung religionspädagogischen Wirkens überall dort eingetragen ist, wo es auch aus muslimischer Perspektive nötig und sinnvoll ist (vgl. in der Gesamtintention den Beitrag V.1 über das Interreligiöse Lernen im BRU). Die Herausforderungen ergeben sich nicht nur zwischen den Religionsgemeinschaften selbst, sondern haben sich längst auf eine Intraebene ausgedehnt, da die einzelnen religiösen Gruppen längst mehr keine jeweils homogene Gruppe darstellen. Diese Situation hat sich einmal durch die latente Zunahme rechter, antireligiöser Positionen, aber auch durch die plurale Ausbreitung unterschiedlicher Standpunkte in der jeweils eigenen Religionsgemeinschaft verstärkt. Hinzu kommen noch der Zustrom und die Präsens vieler junger Menschen in den vielerorts notwendigen IFK-Klassen (Internationale Förderklassen), die noch einmal zusätzlich eine Vielfalt an Nationalitäten und damit nationalen Ausprägungen einzelner Religionen mit einbringen. Die oft traumatisierten Jugendlichen, die sich häufig ohne Familie in einer völlig neuen und unbekannten Umgebung zurechtfinden müssen, betrachten die Religion oft als den einzigen festen Ankerpunkt. Sie sehen sich mit dem negativen Image des Islams in Europa konfrontiert und geraten pauschal unter den Verdacht in irgendeiner Weise extremistischen Strömungen anzugehören. Sie müssen neben dem neuen politischen System, in dem sie Zuflucht suchen, auch lernen, wie hier der Umgang mit unterschiedlichen religiösen Richtungen funktioniert. Gleichzeitig müssen Lehrkräfte die Fähigkeit entwickeln, die Jugendlichen ohne Haltepunkt in ihrer Irritation aufzufangen. Viele gewinnen erst hier das Zutrauen, sich religiös zu outen. Gerade junge Menschen muslimischen Glaubens wird häufig unterstellt, religiös übergriffig zu werden. Oft werden Konflikte, die in den jeweiligen Heimatländern schwelen, mit in die Klasse getragen, und sie erfordern bei den Lehrkräften nicht nur eine große Sachkenntnis, sondern auch eine ungeheure Empathie. Besonders die beruflichen Schulen stehen hier vor einer großen Herausforderung, da viele geflüchtete Schülerinnen und Schüler Internationaler Förderklassen – vor allem allein geflüchtete – schon älter sind und dann vorzugsweise in berufliche Schulen integriert werden, die ja gewissermaßen auf junge Erwachsene spezialisiert sind. Gefordert ist hier von Lehrkräften nicht nur ein sensibler Umgang mit oft traumatisierten jungen Erwachsenen, sondern auch ein dezidiertes Fachwissen »Islam« und eine grundlegende Dialogkompetenz, was folgendes Beispiel erläutern soll: So verweigerte ein junger Yezide in einer religiösen Gesprächsrunde einer solchen Klasse, nicht nur das Aussprechen des Wortes »Teufel«, gleich in welcher Sprache, sondern auch das Anhören dieses Wortes. Muslimische Mitschülerinnen und Mitschüler, die oft große Vorurteile gegenüber dem Yezidentum haben, aber auch andere Yezidinnen und Yeziden taten sich mit dieser Forderung sehr schwer.

Ein Kommentar zum »BRU-Handbuch« aus muslimischer Sicht

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Hier galt es dann einen Kompromiss zu finden und den Jugendlichen darauf vorzubereiten, dass er zwar innerhalb des Berufskollegs einen geschützten Raum annehmen kann, sich aber auf die Gesellschaft »draußen« soweit vorbereiten und stärken muss, dass er dies, trotz der religiösen Auflage der eigenen Gemeinschaft, ertragen lernt. Es bedeutete aber auch, dass die Lehrkraft entsprechende Kenntnisse über das Yezidentum haben oder sich aneignen musste und zusätzlich die politischen Probleme, die Yezidinnen und Yeziden oft in muslimisch geprägten Ländern haben, kennen musste. Die in Kapitel III.2. angesprochenen Bezüge bzw. Orientierungen aus christlicher Perspektive erhalten in den oben geschilderten Zusammenhängen nochmals eine weitere Dimension, nämlich, wenn es darum geht, auch bei nicht christlichen Jugendlichen in ihren Kontexten hinsichtlich der Lebenswelt und Praxis die Subjektorientierung zu berücksichtigen und dabei den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang nicht aus den Augen zu verlieren. Aber auch bei sehr stark konservativen Christinnen und Christen, die glauben, aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in Deutschland z. B. die Musliminnen und Muslimen endlich in die Schranken weisen zu können, die viele ihrer Glaubensgeschwister in den jeweiligen Herkunftsländern oft vermissen lassen, entwickeln sich Probleme. Andererseits versuchen die in Deutschland lebenden muslimischen Jugendlichen stets zu verdeutlichen, welcher Diskriminierung sie sich oft aufgrund ihrer Glaubenszugehörigkeit ausgesetzt sehen. Das heißt die im vorliegenden Werk angesprochene interreligiöse Perspektive muss noch erweitert werden. Dies ist umso stärker gefordert als der viel beschriebene Islamische Religionsunterricht nach § 7,3 GG in Berufskollegs bzw. berufsbildenden Schulen noch lange nicht angekommen ist. Die Schülerinnen und Schüler sind daher meist auf den christlichen Religionsunterricht angewiesen, wenn sie dieses Fach belegen wollen. Hier kommt leider, wie bereits erwähnt, das aus christlicher Perspektive verfasste Handbuch an seine konfessionellen Grenzen, die durch kirchenrechtliche Vorgaben die Religionspädagogik noch offiziell prägen. Zugleich wird in vielen Beiträgen im Buch deutlich, dass der BRU an der Basis von den Lehrkräften beider christlicher Kirchen sehr viel offener und interreligiöser verstanden, konzipiert und operationalisiert wird, als das offiziell zu hören ist. Es gilt in Zukunft also hier eine multireligiöse Diskurskompetenz zu erarbeiten, die zu einer interdisziplinären theologischen Sprach- und Handlungsfähigkeit führt. Hierbei kann nicht davon ausgegangen werden, dass z. B. muslimische Gruppierungen oder Vereine dabei eine große Hilfe wären. Der Islam in Deutschland ist immer noch geprägt von einem tradiert konservativen Denken, das für junge Menschen in geschilderten Diskussionen keine Unterstützung bietet. Andererseits liegt in dem Zuzug von Flüchtlingen, auch aus dem arabischen oder afghanischen Raum, eine große Chance, die Vielfalt islamischer Religion

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Berufsbezogene Religionspädagogik – interreligiöser Diskurs

widerzuspiegeln. Bei einer wünschenswerten Nachauflage des Handbuches sind dann hoffentlich die rechtlichen Fragen entsprechend geklärt und der Islamische Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen so flächendeckend eingeführt, dass dieses Handbuch dann auch interreligiöser, unter Einbeziehung der islamischen Religionspädagogik, verfasst sein wird. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hierbei auf der Thematik der Gerechtigkeit im interreligiösen Diskurs und deren praktischer Umsetzung. Das erfordert von den Lehrkräften neben den genannten Kompetenzen auch eine Persönlichkeitsstruktur, die von der Notwendigkeit interreligiösen Denkens und Lehrens überzeugt ist. Von muslimischer Seite besteht diesbezüglich an vielen Stellen noch ein großer Nachholbedarf. Das vorliegende Buch stellt in differenzierter und anschaulicher Weise eine Reihe von Perspektiven und Möglichkeiten dar, die bei effizienter Anwendung einen weiteren Schritt in Richtung Integration eröffnen – soweit der Begriff beidseitig betrachtet wird. An verschiedenen Schulen wurden und werden bereits Versuche unternommen, Religionsunterricht im Klassenverband stattfinden zu lassen, der auch von muslimischen Lehrkräften unterrichtet werden könnte. Die Frage, ob dieser von Anfang an gemeinsam stattfinden kann oder zunächst in religionsgebundenen Gruppen erfolgen sollte, kann allgemein im Grunde nur situationsbedingt entschieden werden. In einem Berufskolleg allerdings wäre es sogar von Vorteil, gleich zu Beginn einen gemeinsamen Unterricht zu gestalten. Dies spiegelt die Lebenswirklichkeit junger Erwachsener wider und gemeinsam kann so auch eine Diskussionskultur aufgebaut werden, die in vielerlei Hinsicht für den weiteren Lebensweg entscheidend sein kann. Außerdem kann durchaus das eigene religiöse Profil in einem solchen Unterricht geschärft werden, indem nicht nur über Gemeinsamkeiten und Unterschiede debattiert wird, sondern alle Schülerinnen und Schüler lernen, aus der eigenen religiösen Identität heraus mit den anderen gemeinsame Perspektiven zu entwickeln, auch indem sie das Interreligiöse in der eigenen Religion entdecken.

Ausblick

Warum BRU wichtig ist Roland Biewald

BRU als Begleitung Jugendlicher in einer bedeutenden Lebensphase Die überzeugendste Legitimation gewinnt der BRU von seinen Adressaten her betrachtet. Er ist ein Bildungsangebot für Jugendliche, die sich in der Phase des Übergangs von der Jugendzeit in das Erwachsenwerden und damit gleichzeitig im Übergang zur Arbeitswelt befinden. Die Jugendlichen suchen nach Orientierung, möchten sich mit Überzeugungen und Wertvorstellungen auseinandersetzen, fragen nach Modellen gelingenden Lebens um sich selbst positionieren zu können und Vorstellungen ihres zukünftigen Lebens zu entwickeln. Die Arbeitswelt, die mit ihren Herausforderungen auf sie zukommt, ist neu und bringt Unsicherheiten und Ängste mit sich. Der BRU hilft den Jugendlichen bei diesen Klärungsund Orientierungsprozessen. Das geschieht unter Einbeziehung der religiösen Dimension des Lebens auf der Grundlage von und in Auseinandersetzung mit christlicher Ethik und christlichem Glauben. In einigen Fällen, ganz besonders in den ostdeutschen Bundesländern, nehmen konfessionslose Schülerinnen und Schüler am BRU teil und beschäftigen sich erstmalig intensiver mit Fragen der Religion. Über diese Bildungsfunktion hinaus hat der BRU auch seelsorgerliche Züge. Insbesondere Schulpfarrerinnen und -pfarrer können diese Begleitung auch über den Unterricht hinaus leisten.

BRU als Brücke zwischen Kirche und Arbeitswelt/Gesellschaft Der BRU kann verschiedene Aspekte kirchlichen Handelns in der Gesellschaft exemplarisch aufzeigen und plausibel machen. Es ist ein Dienst der Kirche an der Gesellschaft, weil sie an einem Lebensort der Jugendlichen wirkt und auch mit denjenigen im Kontakt steht, die nicht Kirchenmitglieder sind. In die religions-

Warum BRU wichtig ist

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pädagogischen Diskussionen um den BRU kann sich die Kirche z. B. mit Leitlinien zur Berufsethik, Sozialethik und Wirtschaftsethik auf der Grundlage einer christlichen Anthropologie einbringen. Das in unserer pluralen Gesellschaft immer wichtiger werdende interkulturelle und interreligiöse Lernen kann durch die Praxis des ökumenischen Lernens im Sinne des Konziliaren Prozesses für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung durch kirchliche Initiativen in Kooperation mit dem BRU gefördert werden.

BRU als kritischer Begleiter der Marktwirtschaft Die Spannung zwischen der Forderung nach Funktionalität des Menschen im Arbeitsprozess und einer angemessenen Wahrnehmung der Würde des Humanum ist ein Dauerthema der beruflichen Bildung und eine Herausforderung für den BRU. In dieser Linie kann der BRU verstanden werden als das »ständige böse Gewissen« der Marktwirtschaft. Allerdings darf er sich nicht in der ständigen Rolle des Kritikers all dessen sehen, was Industrie, Handwerk und Gewerbe fordern. Leistungsanforderungen an den Menschen sind legitim. Dann wiederum ist die Marktwirtschaft das »ständige böse Gewissen« des BRU. Eine wichtige Funktion des BRU ist es, ausgehend von einer christlichen Anthropologie Grenzen aufzuzeigen, z. B. wenn in der ökonomischen Terminologie der arbeitende Mensch als »Faktor« oder »Humankapital« »verbucht« wird. Der BRU ist zusammen mit anderen Partnern in der beruflichen Bildung und Ausbildung Motor und Korrektiv, wenn es um eine menschenwürdige Einbindung des Menschen in technisierte und digitalisierte Produktions- und Vermarktungsprozesse geht. So eröffnet sich dem BRU durch die Zusammenarbeit mit seinen dualen Partnern die Chance der Entwicklung einer spezifischen religionspädagogischen Perspektive, die den Zusammenhang zwischen Religion, Glaube, Kirche und einer humanen Arbeitswelt reflektiert und zur Ausgestaltung dieser beiträgt.

BRU als Impulsgeber für eine innovative religionspädagogische Konzeptionsentwicklung Der BRU hat in seiner Geschichte einige innovative Impulse für die Religionspädagogik geliefert. Dieser Sachverhalt wurde kaum wahrgenommen und zu wenig gewürdigt. Insbesondere in der Tradition von G. Kerschensteiner und H. Gaudig wurden ein praxisverbundenes, handlungsorientiertes Lernen, die Einbeziehung der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler, die Diskussion um

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Ausblick

das Verhältnis von (humanistischer) Allgemeinbildung und (zweckbestimmter) Ausbildung sowie ökumenisches und interreligiöses Lernen frühzeitig gefordert und praktiziert. Diese Entwicklung hat aufgrund einer intensiveren Reflexion der sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auch die (allgemeine) Religionspädagogik eingeholt. Von daher ist eine verstärkte Kooperation zwischen diesen beiden Bereichen der religionspädagogischen Forschung und Lehre wünschenswert. Durch die Lehrkräfte des BRU gewinnt die Religionspädagogik aktuelle Einblicke in die wirtschaftliche Wirklichkeit der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Es erschließen sich neue Themen, wie die Arbeit als Ermöglichung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und das Berufsethos als Hilfe zur Identitätsbildung. Die Handlungsorientierung des BRU und die dialogische Begleitung der Auszubildenden im BRU bei deren lebensbiografischen Übergang ins Berufsleben eröffnen Einblicke in und Erkenntnisse über die berufliche Wirklichkeit, die in anderen Schulformen und der gemeindlichen Jugendarbeit nur rudimentär möglich sind. Besonders in berufsvorbereitenden Bildungsgängen erfährt der BRU die grundlegende humane Bedeutung von Arbeit und Bildung und kann diese Erfahrung in Gesellschaft und Kirche thematisieren.

BRU als Teil akademischer beruflicher Bildung Der BRU bedarf, um sein bildungspolitisches, religionspädagogisches und gesellschaftliches Potenzial auch zukünftig ausschöpfen zu können, einer universitären Stärkung. Er muss daher Gegenstand der religionspädagogischen Forschung und Lehre sein. Andererseits können im Rahmen des BRU durchgeführte Forschungen zur berufsorientierten Religionspädagogik für die (allgemeine) berufliche Bildung hilfreich sein und in einen förderlichen Diskurs führen. Beispielsweise wären zu nennen: Empirische Forschungen zur Bedeutung von Werteorientierung von jugendlichen Auszubildenden, zur Religiosität im Zusammenhang mit der biografischen Sozialisation, zur Bedeutung von religiösen Haltungen hinsichtlich von Selbst- und Sozialkompetenzen und zur ethischen Reflexion von Haltungen und Handlungen. Eine stärkere Kooperation zwischen berufsorientierter Religionspädagogik und Berufspädagogik ist nicht nur wünschenswert, sondern auch geboten, weil es um Jugendliche geht, die ihren Platz in der Arbeitswelt und damit in der Gesellschaft finden wollen. Die Gesellschaft ist plural, die Jugendlichen sind individuell, die Berufswelt ist komplex und hochspezialisiert. Die berufliche Bildung muss das alles im Blick haben. Der BRU ist hierfür ein geeignetes Bildungs- und Forschungsfeld, auf dem viele Aspekte zusammenlaufen.

Warum BRU wichtig ist

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BRU als Brücke zwischen europäischer Bildungspolitik und religiöser Bildung Der BRU vermittelt als »Vorreiter« Prozesse der europäischen Annäherungen im Bildungswesen in die Religionspädagogik. Da in der beruflichen Bildung die Notwendigkeit zur Abstimmung und Vergleichbarkeit von Ausbildungsgängen und -abschlüssen wegen der wachsenden und gewollten Mobilität besonders hoch ist, betreffen die Prozesse der Annäherung im (beruflichen) Bildungswesen als erstes auch den BRU. Die Diskussion um den Europäischen und den Deutschen Qualifikationsrahmen (EQR/DQR) hat gezeigt, dass über den BRU auch grundlegende Sachverhalte, wie z. B. der Stellenwert religiöser Bildung, in die Debatte eingebracht und wahrgenommen werden. Diese argumentative Auseinandersetzung schlägt eine Bresche für weitere zu erwartende Diskussionen um den RU im europäischen Kontext. Viele dieser Begründungen mögen etwas »akademisch« erscheinen. Deshalb noch einmal ein Blick auf – oder besser ein Ohr – an diejenigen, für die all die Überlegungen angestellt werden: »Ich würde mir wünschen, dass der Religionsunterricht weiterhin offen bleibt, das jeder seine Meinung teilen kann, das man über solche zwischenmenschliche Dinge redet, die auch analysiert und die auch vielleicht ein bisschen rational betrachtet. Und guckt, was stimmt, warum ist das so, warum denken die Leute so? Und ich fand auch so Persönliches gut, also ich bin halt auch ein Mensch, der gerne in der Gruppe arbeitet. Das finde ich dann interessanter. Dass man mit Leuten sich kontaktiert, zusammen irgendwelche Themen herausarbeitet und am Ende dann drüber spricht und so. Ja, das finde ich persönlich eigentlich ganz gut. Ich finde, im Religionsunterricht gibt es eben einfach auch die Möglichkeit.«1

1

Aus einem Schülerinterview im BRU eines Berufsschulzentrums in Dresden 2012.

Anhang

1. M  edien und Materialien: Schulbücher, Fachbücher und Unterrichtsmaterialien zum BRU (ev./kath.) zusammengestellt und erstellt von Christiane Edelmann

1.1 Schulbücher Schulbücher für den evangelischen BRU

Spiegelbilder. Religionsbuch für berufsbildende Schulen, Herausgeber: Paul Gerhard Andreas/Peter Bornkessel, Haan-Gruiten 2005. »Spiegelbilder« richtet sich an Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen im Allgemeinen. Der Band ist reich bebildert und widmet sich in siebzehn Kapiteln grundlegenden theologischen Fragestellungen, der Bibelkunde und der Christologie. Darüber hinaus finden sich Beiträge zu Aspekten der Wirtschaftsethik, zu Fragen zum Umweltschutz oder zu Suchterkrankungen. Damit bietet »Spiegelbilder« viel Material, das der jeweiligen Lernsituation angepasst werden kann. Jede Doppelseite bietet eine inhaltliche wie formale Einheit und schließt mit einem oder mehreren Arbeitsaufträgen ab. Die Fragen sind eher allgemein gehalten und erleichtern das Text-Leseverstehen. In »Spiegelbilder« können die Kapitel als aufeinander aufbauende Reihe oder nur in Auszügen genutzt werden. Ein konkreter Berufsbezug findet sich im ersten (und gleichzeitig als Einführung fungierenden) Kapitel, in welchem unter anderem anhand von Bibelzitaten das Spannungsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie beruflicher Tätigkeit und Freizeit behandelt wird. Evangelische Religionspädagogik für sozialpädagogische Berufe, Herausgeber: K. Peter Henn/Johan La Gro/Andreas Obermann, Köln 22015 (12011; dritte Auflage erscheint 2019). »Evangelische Religionspädagogik für sozialpädagogische Berufe« adressiert angehende Erzieherinnen und Erzieher sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Das Lehrbuch ist in vier Teile gegliedert, welche alle Aspekte der sozialpädagogischen Ausbildung berühren: »Zugänge zur religiösen Bildung«, »Grundlagen religiöser Erziehung«, »Praxisfelder religiöser Bildung« und »Religion erleben«. Die mitunter mehrere Seiten umfassenden Texte stellen sowohl

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Grundlagen und Begriffe der Religionspädagogik dar als auch konkrete berufliche Situationen wie z. B. das Nikolausfest im Kindergarten. Strukturiert werden die Kapitel zusätzlich durch Bilder, Diagramme und Übersichten. Im dritten Teil »Praxisfelder religiöser Bildung« erläutern farblich abgesetzte Infokästen den Auszubildenden, welche Kompetenzen sie in diesem Kapitel erwerben können. Nach längeren Textabschnitten oder Sinneinheiten finden sich unterschiedliche Aufgabentypen, die im Schwierigkeitsgrad divergieren und in Partner-, Gruppen- oder Einzelarbeit bearbeitet werden können. Vor allem die vielen Kapiteln beigefügten »Praxistipps« können die Auszubildenden in ihrem Ausbildungsbetrieb direkt anwenden. Evangelisch verstehen. Biblisch – kompetenzorientiert – individuell. Ein Religionsbuch für das berufliche Gymnasium, Autor: Karsten Jung, Waldshut, Haan-Gruiten 2016. »Evangelisch verstehen« wirbt bereits im Titel mit seiner besonderen Eignung für das berufliche Gymnasium. Tatsächlich finden sich neben den Texten des Autors in jedem Kapitel zahlreiche Primärtexte, deren Spannbreite von Auszügen aus Platons »Politeia« über Adam Smiths »Reichtum der Nationen« bis hin zu Briefen Dietrich Bonhoeffers reichen. Dabei liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der Textlektüre: Die mitunter mehrere Seiten umfassenden Textauszüge schließen häufig mit Arbeitsaufträgen, welche den Schülerinnen und Schülern Hilfestellung bei der Lektüre leisten. Das breite thematische Spektrum umfasst zum Beispiel neben Einheiten zu Bibelkunde und Christologie auch Kapitel zu theologischer Anthropologie und Wahrheitsmodellen/-theorien. Ein konkreter Bezug zur Beruflichkeit ist weder an der Auswahl der Texte noch der Aufgaben zu erkennen. Berufliche Bezüge müssen daher von der Lehrperson hergestellt werden, die in »Evangelisch verstehen« auf einen großen Fundus verschiedenster Primärtexte zurückgreifen kann. Bemerkenswert sind die »Kompetenzraster« zu Anfang jedes Kapitels: Die jeweils wichtigen Lernziele sind in einer Tabelle als Checkliste angeordnet und ermöglichen den Lernenden eine individuelle Leistungskontrolle. reli plus für berufliche Schulen. Evangelische Religion, erarbeitet von: Kristina Augst/Matthias Hahn/Andreas Obermann/Annike Reiß/Joachim Ruopp/Katja Stiel/ An­dreas Ziemer, Stuttgart/Leipzig 2017. »reli plus für berufliche Schulen« besticht schon beim ersten Durchblättern durch ansprechende Gestaltung und ein sehr übersichtliches Layout, das die Navigation im Buch erleichtert. Die fünfzehn Kapitel sind alle identisch aufgebaut: Auf jeweils mehreren Doppelseiten werden komplexe Fragestellungen anhand von Autorentexten, Zitaten und Abbildungen präsentiert, darauf folgen »Plus-Seiten«, wel-

Medien und Materialien

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che weiterführende Aufgaben bereitstellen. Jedes Kapitel schließt mit »Check-upSeiten«, die eine kurze inhaltliche Zusammenfassung des Kapitels enthalten sowie eine Übersicht über die im Kapitel erworbenen Kompetenzen. In »reli plus für berufliche Schulen« werden theologische Themen und Überlegungen direkt mit Aspekten verknüpft, die Auszubildende beschäftigen, etwa im Hinblick auf Fragen der Arbeitsethik. Aber auch Themen wie Mobbing am Arbeitsplatz oder Konfliktlösungsstrategien werden aufgegriffen. »reli plus für berufliche Schulen« eignet sich für den Unterreicht in verschiedensten Ausbildungsgängen, da zahlreiche Lehrberufe aus den Bereichen Wirtschaft, Pflege und Handwerk angesprochen werden. Im Anhang werden abschließend unterschiedliche Methoden zur Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit vorgestellt, die themenunabhängig genutzt werden können. Auf der Höhe der Zeit ist die Option, über die Homepage des Verlages einen Zugang zu Interviews von Auszubildenden zum Verhältnis von Religion und Beruf zu bekommen – mit reliplus Beruf liegt ein Schulbuch vor, das mehr als ein Schulbuch zwischen zwei Deckeln ist. Auch ergänzt ein Lehrerhandbuch mit weiteren Materialien das Schulbuch. Eine PDF Version des Handbuches sowie ein digitaler Lernassistent eröffnen bei diesem Unterrichtswerk moderne mit digitalen Medien gestützte Lehr-Lern-Arrangements. Schulbücher für den katholischen BRU

SinnVollSinn. Religion an Berufsschulen. Materialien für die Fachklassen des Dualen Systems und die entsprechenden Bildungsgänge, Herausgeber: Katholisches Institut für berufsorientierte Religionspädagogik/Albert Biesinger/Joachim Schmidt, Tübingen ab 2010. »SinnVollSinn« besticht bereits bei der ersten Durchsicht durch reiche Bebilderung und ein ansprechendes Layout. Jede Seite bildet eine in sich abgeschlossene Sinneinheit und eignet sich somit gut als Kopiervorlage. Es sind sechs Teilbände erhältlich zu den Themen »Leid, Tod und Auferstehung«, »Schöpfung«, »Jesus Christus«, »Schuld und Vergebung«, »Religion und Kirche« und »Gottes- und Nächstenliebe«. Dabei finden sich neben einführenden Abschnitten zu systematischer und dogmatischer Theologie zahlreiche Themen und Impulse, die Auszubildende direkt ansprechen: etwa die Vorstellung der Berufe Erzieher oder Bestatter sowie der Caritas und der Kirche als Arbeitgeber. Die kurzen Kapitel bzw. Sinneinheiten sind so aufgebaut, dass sie sich innerhalb einer 45-minütigen Schulstunde komplett bearbeiten lassen. Viele Kapitel stellen themenbezogen kurze Bibelstellen vor. »SinnVollSinn« ist mehr als ein einzelnes Schulbuch – vielmehr sind die bisher erschienenen Bände eine hilfreiche Sammlung von Schulbüchern, die jeweils didaktisch angemessen fundamentale Themen der Theologie in die Welt der Auszubildenden und die des Berufs transponiert.

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1.2 Fachbücher Wissenschaftliche Fachbücher zum BRU erscheinen vornehmlich in zwei wissenschaftlichen Reihen zweier renommierter Verlage, die beide von einer ökumenischen Herausgeberschaft getragen werden, die Ergebnisse der Forschung und des wissenschaftlichen Diskurses bündeln und so auch die jüngere Geschichte wissenschaftliche Forschung zum BRU dokumentieren. Die beim LIT-Verlag erscheinende Reihe »Religion und berufliche Bildung« einhaltet vornehmlich Monographien zu bestimmten Spezialthemen der berufsorientierten Religionspädagogik. Die Reihe hat sich in den letzten Jahren erfreulich entwickelt und bietet vor allem dadurch, dass in ihr viele Qualifikationsschriften ihren Publikationsort gefunden haben, interessierten Spezialistinnen und Spezialisten eine Fundgrube intensiver Lektüre. Religion und berufliche Bildung, hrsg. von Matthias Gronover/Klaus Kießling/Rainer Möller/Andreas Obermann, LIT-Verlag, Münster/Berlin1. Die beim Waxmann-Verlag erscheinende Reihe »Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik« dokumentiert die bundesweiten Kongresse zum BRU der drei Institute bibor, EIBOR und KIBOR, die auch gemeinsam Träger dieser damit gleichfalls ökumenisch verantworteten Reihe sind. Darüber hinaus werden in dieser Reihe die – zum Teil gemeinsam durchgeführten – Projekte der drei wissenschaftlichen Institute dokumentiert und vorgestellt. Glaube – Wertebildung – Interreligiosität. Berufsorientierte Religionspädagogik, hrsg. von Reinhold Boschki/Michael Meyer-Blanck/Friedrich Schweitzer, Waxmann-Verlag, Münster2. 1.3 Unterrichtsmaterialien: RU praktisch – Berufliche Schulen Die ökumenische Reihe »RU praktisch – Berufliche Schulen«3 beim Verlag Vandenhoeck & Ruprecht liefert kopierfähige Unterrichtsmaterialien (DIN A4) mit einer jeweils vorangestellten knappen didaktischen Einleitung in das Thema und die didaktischen Materialien. Thematisch beinhalten die Hefte alle Bereiche der 1 2

Alle Titel der Reihe finden Sie auf: http://www.lit-verlag.de/reihe/rbs. Alle Titel der Reihe finden Sie auf: https://www.waxmann.com/waxmann-reihen/?no_­cache=1&tx_ p2waxmann_pi2 %5Breihe%5D=REI100266&tx_p2waxmann_pi2 %5­Baction%5D=show&tx_ p2waxmann_pi2 %5Bcontroller%5D=Reihe&cHash=a01e6268ae13b0003fbb38c4f0397656. 3 Alle Titel der Reihe finden Sie auf: http://www.v-r.de/de/ru_praktisch_berufliche_schulen/sd598/686.

Medien und Materialien

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Beruflichen Bildung. Von den bisher erschienenen Bänden werden hier exemplarisch je einer aus evangelischer und einer aus katholischer Autorenschaft vorgestellt: Technik – Leben – Religion. Materialien für kompetenzorientierten Religionsunterricht in technischen Ausbildungsgängen, Autoren: Simone Hiller/Johannes Gather/ Matthias Gronover/Aggi Kemmler, Göttingen 2015. Die Materialsammlung ist in sechs Module unterteilt, welche alle mit einem Erläuterungskapitel beginnen. Darin wird zunächst die »Anforderungssituation« skizziert sowie das jeweilige Handlungsziel. Ferner werden die einzelnen Kopiervorlagen hinsichtlich ihrer Kompetenzorientierung, der thematischen Ausrichtung und den Handlungsschwerpunkten vorgestellt. Darauf folgt der Abschnitt »Mögliche Arbeitsaufträge im Überblick«, der zu jeder Kopiervorlage eine Auswahl an Aufgaben bietet. Diese sind mit Symbolen gekennzeichnet, welche die Eignung für verschiedene Lernniveaus anzeigen. Das ermöglicht der Lehrperson eine gute Navigation durch die Materialsammlung. Die Kopiervorlagen können sowohl aufeinander aufbauend und als ganzes Modul wie auch einzeln genutzt werden. Jenseitsvorstellungen in Judentum, Christentum und Islam. Unterrichtsbausteine für berufsbildende Schulen, Autorinnen: Monika Marose/Natalia Verzhbovska/Ekram El Baghdadi/Kirsten Fay/Nicole Nolden, Göttingen 2017. Die Materialsammlung ist in sieben Module unterteilt, welche die Themen Tod, Trauer und Jenseitsvorstellungen in den Blick nehmen, jeweils aus der Perspektive des Christentums, des Judentums und des Islam. Neben Vorlagen, die gezielt Faktenwissen aufbereiten, finden sich Modulbausteine, die zur Arbeit an intermedialen, kreativen und sehr individuellen Projekten anregen. Zur Einführung in das Konzept des Bandes dient ein Einleitungskapitel für die Lehrperson, das Ziele, Methoden und Themen kurz vorstellt. Die Kopiervorlagen können sowohl aufeinander aufbauend und als ganzes Modul wie auch einzeln genutzt werden. Weitere aktuelle Unterrichtsmaterialien werden in den religionspädagogischen Instituten der einzelnen Evangelischen Landeskirchen und der Katholischen Bistümer erstellt und jeweils vor Ort publiziert. Ȥ Eine Übersicht über die Evangelischen Religionspädagogischen und/oder Pädagogischen Institute siehe unter BRU Portal, das Portal für ev. Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen: bru-portal.de Ȥ Eine Übersicht über die Katholischen Religionspädagogischen und/oder Päda­go­gischen Institute siehe unter dem Portal der katholischen Kirche zum Religionsunterricht: rpp-katholisch.de

2. Sachregister

Das Sachregister erfasst Belegstellen im Text und darüber hinaus in den Fußnoten, sofern die entsprechenden Stichworte dort nicht lediglich im Titel eines Referenzwerkes vorkommen. Das Register wurde erstellt von Bernd Schröder. Für etwaige Versehen wird um Nachsicht gebeten.

A Adaptives Unterrichten 28 f. Akademisierung 25–28. 272 Alevit/alevitisch 35. 136 Allgemeinbildende Fächer (an BBS) 17. 25. 33. 46. 82. 96. 108. 128. 202 f. 266. 276. 335 ALPIKA 22 ALPIKA-BRU 22. 104. 112 f. Anforderungssituation 88. 105. 201 f. 220. 280–283. 303. 340. 349 f. 366. 397 Anthropologie s. Mensch Arbeit 10. 13. 19. 26. 36. 44. 51. 86. 91 f. 101. 108 f. 138. 152. 158–161. 170. 193. 196– 198. 203 f. 210. 217–219. 228–237. 239– 248. 252 f. 257–260. 263. 277–279. 323. 332. 338 f. 349. 355 f. 359. 386–388. 394 Arbeitgeber 19. 31. 48. 58. 63. 245 f. 248. 333. 393. 395 Arbeitskreis zum RU an BBS 10. 103. 106 Arbeitslosigkeit/arbeitslos 31. 53. 60. 156. 161. 245 f. Arbeitsmarkt 26. 31. 48. 52 f. 56. 60. 145 Arbeitsschule 92. 355 Aufklärung 81. 242. 252. 352. 379 Ausbildung 11–14. 18 f. 27 f. 31. 33. 43–49. 52–56. 58 f. 60. 62–64. 69. 73 f. 80. 82. 84. 86–89. 91 f. 96 f. 108 f. 121. 125 f. 127. 129. 135. 142–146. 150. 158 f. 197 f. 201 f. 208–

210. 216. 222. 225 f. 231. 234–240. 248 f. 254. 262. 272. 274. 277. 282 f. 287–291. 296. 319–321. 323. 325. 331–333. 338. 344. 355. 358. 387 f. 393 Ausbildungsbetrieb 19. 59 f. 63. 109 f. 276. 305. 394 Ausbildungsreife 159. 248 f. 256 Außerschulische Institutionen/Partner 19. 99–118. 184. 189. 260. 262. 310. 323 f. 381 Auswendiglernen/Memorieren 355 B Behinderung 135. 142 f. 171. 183. 284. 286 f. 289–292 Benotung 34 f. 266–271. 274. 321 Beruf (Definition) 35 f. Beruflichkeit 9. 158 f. 233 f. 239 f. 243. 258 f. 348. 374. 394 Berufliches Gymnasium 18. 47. 52. 62. 69 f. 135. 274. 291. 394 Berufsbezug, kategorialer und materialer 197 f. 258 f. 347–351. 358 f. 374 Berufskonzept 145. 252 Berufsorientierung s. Berufsbezug Berufsbildende Schulen (BBS) Kaufmännische 12. 52. 91. 251. 273. 298. 354 Sozial-pflegerische – Technisch-gewerbliche –

Sachregister

Berufskolleg (Begriff/Definition) 356 Berufspädagogik 13. 17. 40. 84. 91. 112. 117. 158. 183. 196. 208. 224. 260. 264. 288. 330–343. 388 Berufsschule 12. 18–20. 25. 33. 47. 50. 52 f. 58. 60 f. 65. 70. 91–94. 97. 99–102. 105–111. 116. 122. 130 f. 134. 143 f. 149. 164 f. 170. 175. 186. 188. 190. 199. 201. 217. 222 f. 246. 249. 260 f. 264. 267. 270. 274. 276. 282. 288–290. 294. 297. 332 f. 338. 340. 345. 355 f. 358 f. 395 Berufsvorbereitungsjahr 18. 102. 135. 143 f. 148. 291 Bestatter/in 13. 395 Beziehung 83. 85. 10. 125. 13. 137. 140. 152 f. 168. 170. 174. 176. 184. 229. 235 f. 239. 251. 268. 285 f. 311. 321 f. 324–326. 347 Beziehungsorientierung 83. 85. 125. 152. 168 Bibel/biblisch 9. 72. 77. 80. 123. 150. 206. 213. 249–251. 261. 269. 285. 297. 314. 320. 324. 346. 348 f. 358. 380. 393–395 Altes Testament 9 Neues Testament 9. 261 Bildung 12. 19. 27. 29. 32. 34. 37 f. 43 f. 80–82. 90–92. 99–101. 105 f. 111. 135. 145–148. 155 f. 160. 177. 181. 187. 198. 200. 202. 209 f. 217. 222. 234. 240. 242. 245. 253– 257. 266. 268. 286 f. 295. 297 f. 307. 316. 336. 338 f. 340 f. 351. 353–355. 358. 378. 386. 388 f. Bildung, ethische 121. 138. 250 f. 298 Bildung, interkulturelle 15 Bildung, interreligiöse 29. 85–89. 295–299. 305. 376 Bildung, ökologische 251 Bildung, religiöse 16. 21. 23 f. 74 f. 80. 82–86. 96. 111. 113–116. 119–124. 128. 130 f. 141. 189. 205. 249. 257. 269. 295. 297. 304 f. 348. 353. 362 f. 370 f. 389. 394 Bildungsforschung 19. 37. 59. 88. 167 f. 177. 280. 299 Bildungsgang 27 f. 46 f. 50. 52 f. 56. 60. 62. 64 f. 69. 125. 127. 135. 146–149. 156. 205. 214. 216 f. 221. 251. 266. 269. 271. 290 f. 298. 300. 307. 320–323. 325 f. 332. 336– 338. 340 f. 343. 388 f. 394 f. 397 Bildungsgerechtigkeit 29. 285 Bildungsplan 19. 58. 60. 102 f. 113 f. 174. 188. 193. 201. 274. 280. 340 f. Bildungspolitik 11. 21 f. 32 f. 37. 42. 44. 48.

399 53 f. 59. 68. 72. 99. 103. 112–114. 117. 130 f. 182. 188. 253 f. 261. 333. 362. 388 f. Bildungsstandard 37. 50. 82. 178. 224 Bildungssystem/Bildungswesen 15. 26. 29. 31. 33. 43. 64–66. 68. 70. 75. 79. 82. 90. 93. 95 f. 99. 112. 123. 128. 130. 156. 161. 285– 288. 333. 341. 389 Bildungstheorie 10 f. 24. 37. 57. 71–74. 80. 84. 178. 307. 371 Bildungsziel 101 f. 178. 200. 204. 216 f. 279. 293 Binnendifferenzierung 214–216. 219. 221 Biografie/biografisch 12. 18. 24 f. 54. 60. 83. 141. 148. 150. 156. 187 f. 197. 207. 216. 225. 227. 268. 297. 323. 325. 358. 388 Blended Learning 255. 302–304 BRU-Magazin 17. 21 f. 40. 100. 106. 112 f. 115. 179. 182. 258. 260–263. 265. 299. 327 Buddhismus 71. 128. 149. Bundesland/Bundesländer 12. 32. 35. 43. 47 f. 50. 52–54. 65. 67–70. 78 f. 93. 99–102. 116. 120. 136. 166. 201. 224. 259. 263. 332. 334 f. 339. 378. 386 Baden-Württemberg 35. 47. 53. 66. 70. 86. 100. 102. 115. 166 f. 174–176. 274. 276 f. 290 Bayern 29. 35. 47. 52. 62. 77. 101 f. 110 f. 114. 136. 145. 177. 183 f. 288. 291. 312 Berlin 15. 47. 68 f. 78 f. 86. 96. 100. 321 Brandenburg 15. 68 f. 78 f. 96. 100 Bremen 15. 68. 77. 79. 100 Hamburg 20. 47. 68. 78 f. 91. 100. 245. 352 Hessen 52. 100. 110. 115 Niedersachsen 22. 100. 108. 114 f. 182 Nordrhein-Westfalen (NRW) 20. 43. 45. 48. 50. 52–54. 57. 60. 62. 68 f. 89. 100 f. 108. 115. 136. 174. 201. 218. 220. 294. 313. 340 f. 356. 367 Rheinland-Pfalz 35. 101. 115 Saarland 115 Sachsen 165. 217 f. 294 Sachsen-Anhalt 47. 62. 68 Schleswig-Holstein 100 Thüringen 47. 68. 102 C Christentum/christlich 9–13. 16. 34. 38. 71. 77 f. 80. 83 f. 90–93. 102 f. 105–107. 114 f. 121 f. 128 f. 136. 149 f. 169. 172. 178 f. 206.

400 214 f. 218. 221 f. 231. 233. 249. 252. 259. 264. 284 f. 294. 297. 305. 308–310. 312. 317–319. 323. 326. 338. 351. 358. 362 f. 365. 368–371. 374. 378 f. 383. 386 f. 397 Christologie 358. 393 f. Classroom-Management 169 Comenius-Institut (Münster) 20. 22. 38. 104. 204. 223. 311. 328 Curriculum/curricular 48–50. 56 f. 65. 82. 102. 122. f. 128. 143. 16. 177. 191. 223. 291. 335. 340 f. D Demokratie 82. 113. 119. 239. 285 Deutsche Bischofskonferenz (DBK) 13 f. 80. 104–106. 116. 149. 245. 309. 319 Deutscher Katechetenverein 20. 22. 38. 84. 92. 138. 165 f. 189. 222 Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) 10. 25. 60. 112 f. 118. 131. 207. 341. 389 Diakonie/diakonisch 91. 172. 244 f. 309 f. 313. 324 f. Dialog 10 f. 13. 15 f. 20. 34. 37. 83. 85. 96. 102. 110 f. 114. 116 f. 168. 175. 205 f. 212–214. 219. 271. 275. 303. 330. 338–343. 362. 366. 368. 371. 376. 381 f. 388 Didaktik (allgemeine Didaktik, Fachdidaktiken) 10 f. 14. 17. 19. 21. 23. 33–35. 37–39. 45. 48. 49 f. 56–58. 62. 70. 82. 93 f. 103. 106 f. 110. 116 f. 124. 135. 141. 143. 153. 162 f. 167. 177. 192. 194. 196–224. 227. 231. 233 f. 241. 254. 259. 264. 266–306. 308. 316. 335–338. 340 f. 344–346. 351 f. 362. 370–375. 379. 395 f. Dienstleistung 26. 89. 232. 242. 245–247. 289 Digitalisierung 25 f. 154 f. 185. 192. 242 f. 247 f. 257. 263. 299. 387 Diversity 28 f. 141(–154). 162 Duales System 17. 48. 103. 201 E Ehrenamt 36. 51. 65. 232. 241. 323 Elementarisierung 26. 171. 297 f. Eltern 12. 16. 31. 54. 60 f. 86. 121. 134. 148. 152. 165. 167. 181. 184. 190. 227. 309. 316. 347. 378 Empirie 35. 37 f. 65. 85. 87–89. 95. 109 f. 117. 135. 137. 151. 153 f. 157. 162. 167. 169 f.

Anhang

173 f. 176. 182. 201. 211 f. 218. 277–283. 299. 327. 356. 388. Entkonfessionalisierung 373 Entscheidung 24. 28. 32. 57. 60–62. 64. 150. 203. 206. 216 f. 249. 251. 273. 318. 320 f. 325. 349 Entwicklungsaufgaben (junger Erwachsener) 114. 116. 134. 161. 180 f. 225 Entwicklungspsychologie 135–141. 162. 169. 180–183. 263. 347 Erfahrung 9. 12. 14. 46. 53. 64. 77. 85. 94 f. 106. 115. 117. 137. 139. 148 f. 157. 166. 170. 179. 187. 191. 198. 206. 216 f. 220 f. 224– 227. 232. 235–241. 258–260. 272–274. 286. 293–295. 297. 306. 308 f. 311. 315. 317 f. 321 f. 325. 335 f. 349. 364 f. 368–371. 388 Erwachsene, junge 27. 55 f. 75. 90. 134. 137 f. 141. 150. 154. 159. 225–227. 252. 260. 301. 309. 331. 347. 382 Erwachsenenbildung/Erwachsenenpädagogik 25. 29. 31. 330–332 Erzählung 211. 307. 349. 380 Erzieher/in 9. 13. 22. 33. 73. 86 f. 115. 201. 260. 349 f. 354. 356. 393. 395 Erziehung 15. 34. 61. 71. 81. 91. 139. 191. 261. 288. 298. 316. 332 f. 338. 350 f. 355 Erziehungswissenschaft 37. 71. 73 f. 330. 333 f. Ethik/ethisch 9. 13. 16. 70. 72 f. 84. 88 f. 94. 102. 105. 110. 113. 117. 122. 127–129. 138. 140. 150. 192 f. 198. 201. 205 f. 217–219. 221. 225. 229. 235. 239. 242–253. 258. 264. 276. 282. 285. 298. 309. 322. 326. 338 f. 349. 351. 355. 379 f. 386–388. 393 f. Ethikunterricht 16. 68. 70. 76 f. 96 f. 100. 120– 124. 179. 305 Europa/europäisch 29–32. 43 f. 50. 54. 65. 71. 81. 99. 112–114. 119–131. 246. 252–254. 263. 295. 352 f. 362. 378. 382. 389 Europäische Kommission 25. 253 f. Europäischer Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR) 32. 43 f. 60. 112. 131. 207. 389 Europäische Union 29 f. 32 f. 112. 362 Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 10 f. 18. 34. 79. 103. 106. 116. 135. 146 f. 149. 172 f. 178. 204 f. 218. 224. 245. 285– 287. 292 f. 309. 319. 371 Evangelische Unterweisung 221. 223

Sachregister

Exemplarisch 33. 35. 62. 77. 85. 88. 109. 115. 124 f. 146. 160. 282. 297 f. 304. 319. 344. 380. 386. 396 Existenziell 197 Exkursion 297. 316. 323 F Fachdidaktik (Religion) s. Religionsdidaktik Fachoberschule 45. 49. 55. 102. 136. 144. 201 Familie 23. 54. 61. 86. 134. 137. 146 f. 149. 152. 155. 158–160. 181. 232. 239. 261. 322. 345. 347. 382 Flüchtling 29. 46. 55. 61. 64. 95. 149. 315. 322 f. 383 Fortbildung (von Lehrer/inne/n) 22. 31. 103 f. 114. 116. 131. 161. 184. 187–192. 265. 274. 276. 356. 376 Fortbildungsschule 91–93 Frankreich 44. 72. 121. 272 G Gemeinwohl 13. 245 Gender 135. 143–146. 251. 260 Gesellschaft für Religionspädagogik Villigst e. V. 7 f. 14. 20. 22. 38. 40. 84. 92. 115. 138. 165 f. 189. 222. 263 Geschichte 7. 25. 35. 37. 71 f. 77. 79. 97. 122. 141. 156. 182. 187. 211. 234. 271. 344. 358. 377 f. 396 Geschichte des Berufsschulreligionsunterrichts 89–94. 221–224. 352–356. 387 Geschlecht 23. 32. 143–147. 155 f. 158. 171. 251. 270. 283 Gespräch 87. 114. 164 f. 211. 213 f. 219. 267. 269. 278. 297. 312. 314. 321. 324–326. 330. 335–343 Gestellungsvertrag 35. 69 Gewerkschaft 108–111. 241 Gewissen 76 f. 124. 387 Glaube 10. 12 f. 15. 23. 72 f. 76. 83. 106. 122. 125. 136. 139 f. 146. 149–152. 170. 174 f. 178. 187–190. 199. 206. 217. 219 f. 250. 259. 261. 264. 268 f. 295. 299. 301. 306. 308– 311. 313. 316. 322–324. 326. 346 f. 350 f. 354. 357–359. 370. 379 f. 383. 386 f. 396 Grundgesetz (GG) 15 f. 17 f. 33 f. 76–78. 93. 97. 99. 338. 352. 378 Art. 4 78 Art. 7 15. 18. 24. 33. 75–79. 100. 113. 136. 338

401 Art. 141 15. 77. 100 Gymnasium 17 f. 20. 24. 26 f. 33. 47. 52. 62. 79 f. 81. 135. 190. 291. 394 H Handlungsfeld 45. 50. 58. 199–201. 221. 233. 309 f. 313. 319–324. 327. 375 Handlungsform 316 f. Handlungskompetenz/Handlungsfähigkeit 12. 20. 84. 86–88. 100 f. 105 f. 113. 200 f. 233 f. 249 f. 256. 260. 295. 302. 316. 336 f. 340. 383 Handlungsorientierung 45. 50. 57 f. 85. 191. 199 f. 202–209. 271. 275. 281. 324. 335. 387 f. Handlungssituation 13. 200. 218. 340 Hauptschule 27. 33 Hermeneutik 152. 178. 188. 197. 223. 231. 259. 276. 349 f. 366. 358. 372 f. Heterogenität 14. 55. 69. 97. 106. 116. 141. 153. 157. 164. 172. 179. 184. 187. 210. 215. 270. 280. 284. 289. 296. 337. 362. 364–366. 375. 381 Hinduismus 71. 128 Historisch-kritische Methode 223 I Identität 15. 34. 79. 105. 136–141. 157. 173. 181 f. 186 f. 197. 217 f. 227 f. 233. 263 f. 295. 311. 347. 349 f. 353. 365. 374. 381. 384. 388 Inklusion 28 f. 55. 64. 143. 190. 284–293 Institute Bonner Institut für berufsorientierte Religionspädagogik (bibor) 10. 13. 21. 97. 103. 106. 117. 235. 294. 348. 356. 359. 364. 366. 396 Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) 50. 59. 144. 149. 247 f. 256 Comenius-Institut s. dort Evangelisches Institut für berufsorientierte Religionspädagogik (EIBOR) 10. 13. 21. 89. 97. 103. 106. 117. 282. 288. 298. 356. 359. 396 Katholisches Institut für berufsorientierte Religionspädagogik (KIBOR) 13. 21. 89. 97. 103. 115. 117. 264. 282. 288. 298. 356. 359. 395 f. Religionspädagogische Institute 22. 103 f. 189. 224. 313. 321. 356. 375. 397

402

Institute für Lehrerfort- und -weiterbildung 22 Interreligiöses Lernen (vgl. auch Bildung, interreligiöse) 327. 362–376. 388 Islam/islamisch/muslimisch 8 f. 16. 20. 23. 28. 35. 70–72. 78. 88. 96. 106–108. 117. 123. 128. 136. 148–152. 165. 177. 188. 196. 221. 235. 294. 298. 309. 316 f. 319 f. 357 f. 365. 367. 374. 377 f. 381–384 J Jude/Judentum/jüdisch 8. 16. 35. 37. 70 f. 83. 107. 128. 136. 149. 177. 249. 309. 316 f. 319. 377–380 Jugendarbeit 116. 164. 260. 262. 317 Jugendliche 9. 12. 14. 20. 24. 27. 53–57. 61–63. 68. 73. 75–77. 87. 90 f. 95 f. 102. 116. 134 f. 138 f. 140 f. 145–159. 162. 165. 180. 184 f. 206. 209–214. 219. 221. 227. 232 f. 238– 241. 248. 252. 261 f. 275. 277. 279. 288– 297. 301. 306. 322. 331 f. 342. 347 f. 368– 372. 382 f. 386. 388 Jugendliche ohne Schulabschluss 14. 27 f. K Katechetik 345 Katechismus 299 Kirche (als Gegenstand der [theologischen] Reflexion) 90. 174. 186. 212. 301. 342 Kirche (als Gebäude)/Kirchenraum 214. 297. 314. 320. 323 Kirche (als Institution) 7. 9–12. 16. 20. 22. 52. 71. 76. 80. 85. 97. 115–117. 131. 181. 187– 189. 218. 244. 261 f. 272. 292. 301. 310 f. 314 f. 323. 342. 352. 365. 386 f. 388. 395 Evangelische Kirche 22 f. 69. 79. 103–108. 120–123. 219. 245. 259. 312 f. 321. 370. 374 f. 383. 397 Katholische Kirche 23. 69. 78. 92. 103– 108. 122 f. 245. 259. 312. 370. 374 f. 383. 397 Orthodoxe Kirche 16. 23. 70. 107 f. 120– 124. 130. 136. 146. 148 f. 177 Kirchenaustritt 24. 96. 150 f. Kirchendistanz 147. 158. 261. 370 Kirchengeschichte 223 Kirchenmitgliedschaft 20. 146 f. 151. 173. 176. 219. 386 Kirchliche Schule (BBS) 68. 79. 86. 124. 319 Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt 245

Anhang

Kommunikation 15. 24. 26. 105. 112. 172. 182. 207. 249 f. 252 f. 260. 275. 296. 302. 313. 322. 340. 343. 350. 365. 371 f. Kompetenz 12. 17 f. 20. 31 f. 39. 45. 51. 57 f. 60. 74 f. 82. 84–89. 96. 100–102. 105. 109– 113. 125–127. 134 f. 157. 164 f. 167 f. 171 f. 178. 180. 186–188. 197. 200–210. 213. 215 f. 218–220. 222–224. 226. 231. 233 f. 237. 239. 247–249. 251. 255–257. 273 f. 278–283. 292. 295. 298. 300–304. 308. 313. 315 f. 318. 322–325. 336 f. 341. 351. 359. 372. 375 f. 381–384. 388. 394 Kompetenzorientierung 21. 50. 60. 82. 94. 104. 124 f. 127. 185. 198–200. 202. 263. 266. 271. 278–281. 303. 340 f. 372–375. 394. 397 Komplementäres Denken 140 f. 346 f. Konfessionelle Kooperation 70. 76. 80. 106 f. 115 f. 120. 123. 196. 292. 362. 375 Konfessionslosigkeit 21. 23. 33. 78. 96. 149– 152. 165. 221. 294. 297. 357. 363. 368. 386 Konzeption, religionsdidaktische 17. 19 f. 57. 81. 93. 196. 221–224. 276 f. 304 f. 386 f. Kooperation 10. 29. 44. 59 f. 70. 97. 117. 191. 200. 209. 228. 241. 269. 276. 282. 320. 322 f. 387 f. Korrelation(sdidaktik) 93. 222 Krankheit 142. 176. 226. 228. 259 f. 298. 325. 348. 393 Kreuz 308. 326 Kultusminister(konferenz) 10. 15 f. 25. 49. 58. 67. 101 f. 105. 199. 204. 331. 334. 340 L Lebenslanges Lernen 25. 31. 160. 207. 210. 227. 253–257. 286 f. 348 Lebensstil 23. 135. 146 f. 154. 253 Lebenswelt(orientierung) 15. 84. 94. 138. 147. 153. 185. 206. 210. 212–214. 223. 227. 232. 242. 252. 264. 275. 284. 292. 297. 316. 364. 369–373. 380. 383. 387 Lehramt Ev./Isl./Kath. Religion an berufsbildenden Schulen Ausbildung/Studium 19. 35. 108. 117. 166 f. 189–191. 334. 344. 356 Kirchliche Begleitung 104 Lehrplan 12. 19. 34. 49. 57 f. 92 f. 101. 104. 120–131. 167. 188. 199. 201 f. 204. 217. 220. 223 f. 262–264. 297. 308. 340 f.

Sachregister

Leid/Leiden 83. 87 f. 395 Leistung 18. 31. 34. 49 f. 73. 166. 168. 178. 182 f. 190. 203 f. 215. 240. 266–271. 274. 284 f. 290. 350. 387. 394 Lernen Formales 18 f. 26 f. 31. 112. 147. 155–157. 161. 207 Informelles 31. 112 f. Non-formales 112 Blended Learning s. dort E-Learning 193. 255. 303 Lernfeld 19. 21. 45. 50. 57. 85. 110. 122. 197. 199–202. 223 f. 269. 281. 343 Lernort 10. 25. 48. 52. 117. 275 f. 289. 343. 345. 355 Lernweg 31. 60. 192. 220. 271. 277. 279. 281. 283 Liturgie 325 f. M Medien 26. 39. 140. 154 f. 192 f. 213. 215 f. 248. 256. 299–304. 345 f. 348. 359. 393–397 Mensch 102. 106. 113. 117. 122 f. 129. 139–141. 153. 170. 172. 179. 198. 204. 211. 217. 222. 228. 243. 247 f. 251. 254. 256 f. 268. 272. 285 f. 293. 295. 298. 308. 315 f. 339. 346 f. 350. 352–359. 364. 366. 378 f. 381 f. 387 Menschenrechte 138. 287 Menschenwürde s. Würde Mentor/in 104. 317 Methode/Methodik 31. 82. 95. 147. 162. 165. 169. 190. 192. 196 f. 203. 207. 210. 212–216. 264. 271–277. 279. 281–283. 292. 315. 321. 346. 395. 397 Migration(serfahrung/-hintergrund) 9. 28. 72. 85. 87. 95. 135. 147–149. 171. 282 Milieu 146 f. 240. 260. 312. 364 Missio (canonica) 37. 166 Moderne/Modernisierung 36. 54. 56. 92 f. 137. 147. 253. 263 f. 285. 293. 323. 348. 354. 369. 374. 376. 395 Mündigkeit 76. 150. 176. 185. 256 f. 261. 346 Muslime/Musliminnen s. Islam N Nachbarschaft 320. 323 f. 347 Nachhaltigkeit 22. 52. 107. 125. 137. 158. 187. 232. 235. 251 f. 254. 258. 265. 287. 322 Nächstenliebe 10. 228. 250. 260. 269. 395

403 O Ökologie/ökologisch 101. 245. 251–253. 258. 262 Ökonomie/ökonomisch 54. 63. 72 f. 81. 85. 91. 101. 110 f. 117. 157. 160. 181. 234. 246. 254 f. 276. 298. 354. 387 Ökumene 7 f. 14. 76. 85. 106. 114. 116 f. 245. 264 f. 310. 317. 319. 327. 387 f. 395 f. Österreich 48. 122. 124 f. 130. 174. 176 P Pädagogik 138. 168. 177. 184. 188. 222. 227. 254. 256 f. 262. 268. 271. 273 f. 284. 287 f. 291 f. 305. 340. 344–347. 349. 352. 356. 362. 364. 372 f. 375. 387 Partnerschaft 12. 19. 2330. 33. 43. 48. 57–60. 70. 87. 99. 108 f. 119 f. 134. 152. 155. 174. 181. 227. 240. 245. 289. 291. 303. 309 f. 322. 330(–343). 347. 387. 393. 395 Performanz/performativ 93. 178. 202 Persönlichkeit 12 f. 47. 81 f. 91. 105 f. 109. 113. 129. 165. 180 f. 185. 204. 235. 238. 240. 243. 245. 248 f. 254. 256 f. 266. 268. 274. 283. 298. 304. 311. 318. 341. 351. 384 Pfarrer/in 35. 42. 69. 107. 167. 263. 303. 312 f. 320. 386 Pluralität 15 f. 20. 36. 70. 79 f. 86. 97. 116 f. 130. 154. 157. 170–173. 184. 196. 217. 275 f. 282. 293–299. 316. 357. 362. 364. 369–371. 375. 381 f. 387 f. Pluralitätsfähig(keit) 10. 79 f. 116. 171. 293– 296. 298 f. 375. 381 Polizei 89. 96. 137 Postmoderne 24. 157. 375 Praktikum 19. 58. 63. 197. 314. 325 Praxis (i. U. zur Theorie) 31. 53. 93. 95. 166. 172. 191. 237. 272. 299. 387 Problem/Problemorientierung 19. 93. 125. 162. 223. 252. 262 Produktorientierung 208 f. 272 Projekt(-unterricht) 45. 56–60. 62. 66. 122. 208. 215. 219. 232. 235. 261. 265. 271–276. 289 f. 314 f. 316. 320. 322 f. 325. 365 Psyche/psychisch 227 f. 357 Psychologie 82. 93. 135–141. 162. 169. 180– 183. 233. 248. 263 f. 308. 345 Q Qualität 16. 23. 31. 50. 61. 63–65. 74. 95. 103 f. 106. 112. 115 f. 168. 176 f. 191. 203. 208.

404 229. 238. 255. 270. 277–281. 291. 303. 305. 310. 313. 315. 326 R Realschule 27. 44. 155. 190. 354 Rechtfertigung 178. 228. 268. 357 f. Relevanz 13. 31. 33. 59. 83–85. 158. 185. 204. 227. 233 f. 238. 243. 247. 256. 259. 269. 274. 279. 281 f. 298. 305. 312. 318. 335. 340. 362. 373 f. 376 f. Religion/en 10. 15 f. 23 f. 33. 36 f. 38. 71–74. 78. 88. 92. 110. 119–124. 126–131. 147. 149–154. 182. 187. 197 f. 201. 206. 211. 216. 219. 221. 232–234. 239. 250. 257 f. 263. 276. 284. 293–298. 307 f. 310 f. 319–321. 326 f. 338. 343. 347 f. 351 f. 358. 363–366. 368–376. 379–382. 386 f. Religion im Schulleben 307–311. 316 f. 324– 327 Religiosität 10. 23. 36. 87. 135. 146. 151–154. 173 f. 179. 182 f. 188 f. 307. 350 f. 364 f. 369 f. 388 Religionsdidaktik 10. 17. 89. 93 f. 106. 109. 116 f. 157. 221–224. 238 f. 277–284. 300. 302–306. 346. 355 f. 372 Religionsfreiheit 76 f. 307 Religionsgespräch 20. 68. 79. 100 Religionskunde 16. 34. 68. 78. 120–123. 126– 130. 222 f. 305. 351 Religionslehrer/in 9. 14. 17. 74. 99. 110. 164– 193. 260–264. 267. 270. 303. 312 f. 340 Religionslehrerverband 8. 114–116 Aktionsausschuss Niedersächsischer Reli­ gionslehrerinnen und Religionslehrer 114 Arbeitsgemeinschaft evangelischer Erzieherinnen und Erzieher in Deutschland (AeeD) 22 Deutscher Katechetenverein 22. 115 Gesellschaft für Religionspädagogik e. V. s. o. Verband der katholischen Religionslehrerinnen und -lehrer an beruflichen Schulen (VKR) 8. 14. 22. 115. 117. 263 Verband evangelischer Religionslehrer an Berufsbildenden Schulen e. V. in Westfalen (VRB) 22. 115 Verband evangelischer Religionslehrerinnen und Religionslehrer an berufsbildenden Schulen im Bereich der evangelischen Kirche der Pfalz 22

Anhang



Vereinigung Evangelischer Religionslehrkräfte an Berufsbildenden Schulen in Niedersachsen (VER) 22. 115 Religionspädagogik, berufsbezogene 21. 35. 39. 344–359. 362–376 Religionspädagogisches Institut s. Institute Religionsunterricht Alevitischer 136 Islamischer 16. 20. 37. 70. 78. 88. 96. 107 f. 117. 136. 367. 383 f. Jüdischer 16. 20. 37. 70. 107. 136. 177 Orthodoxer 16. 107 f. 120–124. 136. 177 Religionsunterricht, Begründung von 24. 71–80. 84 f. 108 f. 130 f. 304. 307 f. 386– 389 Religionsunterricht, guter 13. 176–180. 277– 283 Religionsunterricht, hermeneutischer 223 Religionsunterricht, konfessionellkooperativer s. Konfessionelle Kooperation Religionswissenschaft 128 S Schlüsselqualifikation 20. 105. 110 f. 223 f. Schöpfung 13. 140 f. 152 f. 170. 198 f. 217. 238. 285 f. 387. 395 Schülerorientierung 10. 111. 135. 178. 209 f. 215. 223. 239. 275. 279. 295 f. 308 Schulbuch 22. 115. 259. 393–395 Schuld 257. 357. 395 Schulgottesdienst/Schulandacht 314. 316. 319 f. Schulpastoral 104. 116. 309–311. 314 f. 320 f. Schulpflicht 18. 47. 55. 64. 143. 355 Schulseelsorge 116. 307–312. 317 f. 324–327 Schulseelsorger/in 312–314. 320. 327 Schweiz 48. 123. 128 Sinn (des Lebens) 12 f. 15. 42. 75. 86. 109. 111. 138–140. 152 f. 178 f. 208. 225. 231 f. 236–239. 261. 297. 309. 313. 318. 356. 358 f. 366 Sonderpädagogik/Förderpädagogik 288. 335 Sonderpädagogischer Förderbedarf 143. 288 Sonntagsschule 90 f. Spiritualität/spirituell 13. 125. 141. 167. 170. 187 f. 309. 313 f. 321–323. 327. 368–370 Subjektorientierung 80. 82–84. 95. 209 f. 227. 249. 256. 269 f. 280. 305. 373. 383 Symbol(-didaktik) 93

Sachregister

T Tage religiöser Orientierung 79. 314. 320–323. 325 Technik (als Thema) 55 f. 62. 64. 160. 185. 217. 220 f. 257. 331 f. 339 Teilhabe 23. 142. 157. 206. 228. 232 f. 239– 242. 285. 287. 307. 370. 388 Teilzeitberufsschule 18. 51. 55. 67. 69. 100. 103. 134. 143 f. 276. 289 f. 297 Theologie 7. 9 f. 13. 24. 69. 71. 73. 80. 83. 107. 126. 135. 162. 166. 170. 178 f. 188. 197–199. 209–214. 217–219. 222. 227. 229 f. 233. 238 f. 250. 257 f. 260. 263. 268. 278. 285 f. 297. 307. 310. 335. 345–356. 358. 372. 380. 383. 393–395 Theologisieren mit Jugendlichen 209–214 Tod 70. 83. 125. 214. 226. 251. 259 f. 264. 314. 319. 325. 365. 395. 397 Tradition 9 f. 13. 16. 38. 44. 47. 52. 68. 72. 82 f. 91. 95 f. 130. 147. 151 f. 169 f. 179. 188. 192. 197. 213 f. 217. 228. 264. 272. 286. 291. 294–296. 298. 304. 317. 339. 342. 349 f. 358. 365 f. 370 f. 387 U Übergangssystem/Übergangsbereich 27 f. 114. 143 f. 146. 149. 156. 158. 248. 263. 287 Überlieferung 80. 206. 285 Unterrichtsausfall 68 f. Unterrichtsentwurf 114. 299 Unterrichtsmaterial (für den BRU) 88. 190. 192. 264 f. 393–397 Unterrichtsversorgung 10. 100. 103 f. 108. 114 V Verantwortung 7. 9. 29. 57. 78 f. 101. 105. 111 f. 119. 137. 156. 172. 181. 183 f. 203. 217. 237. 242–253. 259. 261. 274 f. 311. 319. 321 f. 339. 349. 353

405 Verkündigung 93. 209 Verstehen/Verständnis 10. 12 f. 15. 23. 34. 37. 74. 76. 80–84. 89 f. 112. 125. 129 f. 140 f. 191. 203. 205–207. 211 f. 213. 215. 222 f. 228. 233. 245. 249 f. 266. 286. 293–295. 298. 301 f. 318. 339. 346. 352–355. 368– 370. 373. 393 f. Vokation 37. 166. 353 Vollzeitschule (BBS) 43. 45. 52. 55 f. 61. 67. 69. 104. 154. 201. 276. 288. 290. 297. 323 W Wahrheit 231. 256. 297. 366. 394 Weiterbildung 104. 161 Weltanschauung 9 f. 15 f. 34. 70. 85. 122. 149. 206. 295. 362. 364. 369 f. 376 Weltbegegnung, Modi der 74. 227. 234. 239. 241 Wert (inkl. Werthaltungen, Wertmaßstäbe) 15. 71 f. 85 f. 95. 109 f. 120. 125. 130 f. 134. 138. 146 f. 155 f. 169. 172. 188. 206. 217. 225. 235. 245. 268. 297. 305. 313. 321. 326. 347 f. 378 f. 386. 388. 396 Wirtschaft (als gesellschaftlicher Akteur) 10. 29. 33. 48 f. 52. 55. 57 f. 92. 101. 108. 110. 116. 246. 332 f. Wirtschaft(en als Thema) 44. 129. 197 f. 234. 243. 251. 253–256. 258. 276. 339. 387. 393 Wirtschaftspädagogik 203. 310. 331 f. 343 Würde (des Menschen) 71. 77. 235. 246. 285 f. 350. 378 f. 387 Z Zeitschrift BRU Magazin s. BRU-Magazin Der Evangelische Religionslehrer an der Berufsschule 260 f. Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen (RABS) 40. 107 f. 115. 263–265

3. Die Autorinnen und Autoren

Biewald, Roland, Prof. Dr., ist Professor für Religionspädagogik am Institut für Evangelische Theologie in der Philosophischen Fakultät der TU Dresden E-Mail: [email protected] Bogedan, Claudia, Dr. rer.pol., ist Senatorin für Kinder und Bildung im Senat der Freien Hansestadt Bremen und war 2016 Präsidentin der Kultusministerkonferenz Boschki, Reinhold, Prof. Dr., ist Professor für Religionspädagogik, Kerygmatik und kirchliche Erwachsenenbildung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen und Leiter des Katholischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik (KIBOR) E-Mail: [email protected] Brumlik, Micha, Prof. Dr., war von 1981–2013 Professor für Erziehungswissenschaft an den Universitäten Heidelberg und Frankfurt a. M. E-Mail: [email protected] Buschfeld, Detlef, Dr., ist Professor für Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Universität zu Köln E-Mail: [email protected] Edelmann, Christiane, Germanistin M.A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am bibor (2015–2018) E-Mail: [email protected] Elten, Birgit, van, ist Koordinatorin für Religionspädagogik am Erzbischöflichen Berufskolleg Köln und Vorsitzende des Bundesverbandes des VKR E-Mail: [email protected]

Die Autorinnen und Autoren

407

Fachinger, Marc, Dr. theol., ist Leiter des Referates für Berufliche Schulen im Bistum Limburg und des Amtes für katholische Religionspädagogik im Bezirk Limburg E-Mail: [email protected] Fass, Henrik, M.A., ist Schulleiter des Birklehofes (Privates Internat und Gymnasium) in Breitnau und Lehrbeauftragter der Evangelischen Hochschule Freiburg E-Mail: [email protected] Gronover, Matthias, StD Dr., Lic. theol, ist stellv. Leiter des Katholischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik (KIBOR) an der Universität Tübingen und Lehrer für katholische Religion und Biologie an Gymnasien und Berufsschulen E-Mail: [email protected] Meyer-Blanck, Michael, Prof. Dr. Dr. h.c., ist Professor für Praktische Theologie und Religionspädagogik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Wilhelms-Universität Bonn und Direktor des Bonner evangelischen In­sti­ tuts für berufsorientierte Religionspädagogik (bibor) E-Mail: [email protected] Müller, Rabeya ist Leiterin des Instituts für Interreligiöse Pädagogik und Didaktik (IPD Köln) und Bildungsreferentin beim ZIF (Zentrum für Islamische Frauenforschung und Frauenförderung) E-Mail: [email protected] Obermann, Andreas, Prof. Dr., ist stellvertretender Direktor des Bonner evangelischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik (bibor) E-Mail: [email protected] Rausch, Jürgen, Dr. M.A., ist Geschäftsführer des Sozialen Arbeitskreises Lörrach (SAK Lörrach) und Lehrbeauftragter der Evangelischen Hochschule Freiburg E-Mail: [email protected] Ronge, Frank, Dr. theol., ist Leiter der Abteilung Glaube und Bildung im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn, und Sekretär der Kommission für Erziehung und Schule (VII) der Deutschen Bischofskonferenz E-Mail: [email protected]

408

Anhang

Ruopp, Joachim, StR Pfarrer, ist Dozent für berufliche Schulen und Vikarsausbildung am Pädagogisch-Theologischen Zentrum (ptz) der Evangelischen Landeskirche in Württemberg E-Mail: [email protected] Schröder, Bernd, Prof. Dr., ist Professor für Praktische Theologie und Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen E-Mail: [email protected] Schwafferts, Peter, OStD, ist seit 2012 Schulleiter des Berufskolleg Hilden – Europaschule und seit 1997 Lehrbeauftragter an der Bergischen Universität Wuppertal in den Lehrgebieten Fachdidaktik/Fachmethodik, Leistungsmessung und Schulrecht, zuvor Hauptseminarleiter am damaligen Studienseminar Wuppertal E-Mail: [email protected] Schweitzer, Friedrich, Prof. Dr. Dr. h. c., ist Professor für Praktische Theologie und Religionspädagogik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Eberhard-­ Karls-Universität Tübingen und Direktor des Evangelischen Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik (EIBOR) E-Mail: [email protected] Schwendemann, Wilhelm, Prof. Dr., ist Professor für Evangelische Theologie, Religions- und Schulpädagogik an der Evangelischen Hochschule Freiburg und derzeit Dekan des Fachbereichs II, Theologische Bildungs- und Diakoniewissenschaft E-Mail: [email protected] Sendler-Koschel, Birgit, Dr. phil., ist Oberkirchenrätin und Leiterin der Bildungsabteilung im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ­Hannover E-Mail: [email protected] Sprenger, Theo, ist Redakteur des Fachmagazins RABS und Religionslehrer am Berufskolleg Berliner Platz in Arnsberg E-Mail: [email protected] Wagensommer, Georg, PD Dr., M.A., ist Privatdozent für evangelische Theologie/ Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich II, Theologische Bildungs- und Diakoniewissenschaft, an der Evangelischen Hochschule Freiburg E-Mail: [email protected]