Regionalwirtschaft: Global denken, regional und lokal handeln [1 ed.] 9783886405367, 9783886401369

Trotz oder gerade vor dem Hintergrund des Internationalisierungs- und Globalisierungsprozesses ist eine Renaissance der

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Regionalwirtschaft: Global denken, regional und lokal handeln [1 ed.]
 9783886405367, 9783886401369

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Norbert Zdrowomyslaw/ Michael Bladt (Hrsg.)

Regionalwirtschaft Global denken, lokal und regional handeln en Wertschöpfungsketten Netzwerke Regionalisierung

Unternehmenskooperationen Un Globalisierung Vertrauenskultur

Deutscher Betriebswirte-Verlag

Regionalwirtschaft · Global denken, lokal und regional handeln

REGIONALWIRTSCHAFT Global denken, lokal und regional handeln Prof. Dr. Norbert Zdrowomyslaw/Dipl.-Betriebswirt Michael Bladt (Hrsg.) mit Praktiker-Beiträgen von Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup, Dipl.-Kaufmann Norbert Braun, Dr. Johannes Bruns, Dipl.-Soz. Wiss. Elke Dahlbeck/Dipl.-Soz. Wiss. Michaela Evans/Dr. Wolfgang Potratz, Dipl.-Volkswirt Wolfgang Dürig, Dipl.-Volkswirt Thomas Einsfelder/Dipl.-Volkswirt Peter Volkmann, Jürgen Hahn, Dipl.-Ing. und Dipl.-Gesellschaftswissenschaftler Helmut Holter, Dipl.-Ing. Tobias Koch, Dipl.-Ing. für Landtechnik Günter Krüger, Dipl.-Ing. Dieter Rittscher, Prof. Dr. Ulrich Schempp, Dipl.-Betriebswirt BA Steffen Schoch, unter Mitarbeit von Jens Bindernagel, Markus Bluhm, Bachelor in Business Informatics Thomas Jahn, Nicole Hansen, Andreas Köhn, Diplom-Betriebswirt Jens Lieckfeldt, Sebastian Purps, Diplom-Betriebswirtin Anja Rath, Nicolle Retzlaff, Stefan Jürgen Saatmann, Marko Sabo, Romek Vogel, Martin Wiener, Diplom-Betriebswirt Stefan Wilhelm

Deutscher Betriebswirte-Verlag

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Zdrowomyslaw, Norbert/Bladt, Michael Regionalwirtschaft: Global denken, lokal und regional handeln/ Norbert Zdrowomyslaw, Michael Bladt Gernsbach: Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH, 2009 ISBN 978-3-88640-136-9

© Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH, Gernsbach 2009 Umschlaggestaltung: Jörg Schumacher Satz + Druck: Stückle Druck, Ettenheim ISBN: 978-3-88640-136-9

Geleitwort Liebe Leserinnen und Leser, Mecklenburg-Vorpommern kann die Chancen der Globalisierung erfolgreich für sich nutzen, wenn es sich seiner Standortqualität im internationalen Vergleich bewusst wird. Bei allen Bemühungen, die zukunftsweisenden Weichenstellungen für die wirtschaftliche Zukunft unseres Bundeslandes zu stellen, müssen wir uns daher vor allem auch mit der Kontroverse auseinandersetzen. Dies betrifft insbesondere die Auseinandersetzung mit der Thematik, wie der Globalisierungsprozess auf regionaler Ebene positiv genutzt und vollzogen werden kann. Eine der Fragen, die sich deshalb stellt, betrifft die regionalen Akteure selbst. Wer sind sie und welche Ziele haben sie? Auf dem Feld der Globalisierung werden einige unserer wichtigsten gesellschaftlichen Konflikte – einschließlich der Auseinandersetzungen über die Grundwerte – ausgetragen. Politik, Verwaltung und Unternehmen sind Akteure und Betroffene zugleich. Viele Experten sind sich einig, dass unser Mittelstand einer der Gewinner der Globalisierung sein kann. Die für die Zielerreichung notwendige Bewusstseinsbildung und die damit verbundene wirtschaftspolitische Diskussion stellt auf regionaler Ebene eine der bedeutenden Herausforderungen gerade für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg einer Region dar. Soweit wir uns auf die neuen Rahmenbedingungen der Globalisierung angemessen einstellen, werden wir es gemeinsam mit anderen Regionen der Europäischen Union schaffen, eine starke Position im globalen Wettbewerb einzunehmen. Wenn an der Rede von den Globalisierungsgewinnern etwas dran ist, dann hat auch dies Konsequenzen für den regionalen Strukturwandel und das Regionalmanagement. Eine weitere Frage ist Bestandteil der spannenden Grundentscheidungen, die bislang alle Weltkulturen mit Blick auf ihre Wirtschaftsentwicklung treffen mussten. Sie betrifft die Einflussmöglichkeiten staatlicher Akteure und der Unternehmer im Wirtschaftleben einer Region. Wenn wir aus der Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklung etwas lernen, dann dies: Ökonomischer Erfolg setzt voraus, dass zwischen Staat und Markt ein angemessenes Gleichgewicht hergestellt wird. Gerade jetzt in Zeiten der Bankenkrise benötigen wir die „Krisenstütze“ Mittelstand. Die regionalen Banken fungieren als Unterstützung für den Mittelstand. Und die Refinanzierung, wenn die Krise abschwächt, läuft über die regionalen Unternehmen. Wir können ein angemessenes Gleichgewicht herstellen, um ökonomischen Erfolg zu gewährleisten.

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Geleitwort

Welche Leistungen aber kann der Staat mit Blick auf die Globalisierung erbringen? Wie viel Freiheit muss dem Unternehmertum eingeräumt werden? Sollte der Staat bestimmte Wirtschaftssektoren durch Anreize fördern? Dieses oft schwierig auszubalancierende Gleichgewicht zwischen Markt und Staat verändert sich natürlich mit der Zeit, und es unterscheidet sich von Region zu Region. Eine dritte Frage betrifft die erfolgreiche weltweite Positionierung unserer Wirtschaft. Hier müssen wir uns mit der These auseinandersetzen, die Handlungsmöglichkeiten einzelner Volkswirtschaften seien in einer globalisierten Welt begrenzt. Das muss aber nicht so sein. Die Herausbildung eines starken Mittelstandes ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Positionierung im globalen Wettbewerb. Ein gut vernetztes Regionalmanagement, das als Knotenpunkt der Regionalwirtschaft gilt, kann nachhaltig zum Vorteil werden. Für das erfolgreiche Management einer Region ist die Wahrnehmung dieses Aspektes unabdingbar. Zugleich stellt das Regionalmanagement große Anforderungen an die Regional- und Strukturpolitik sowie an die regionale Wirtschaftsförderung. Die Anforderungen werden in diesem Buch zur „Regionalwirtschaft“ diskutiert. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass wir immer wieder Neujustierungen auf der regionalen Ebene brauchen, um unseren „Wirtschaftsstandort Mecklenburg-Vorpommern“ im Zeitalter der Globalisierung erfolgreich positionieren zu können. „Regionalwirtschaft – Global denken, lokal und regional handeln“ gibt seinen Leserinnen und Lesern Anreize dafür, wie auch jeder einzelne von uns zu dieser erstrebenswerten Position betragen kann. Rolf Paarmann (Hauptgeschäftsführer der IHK zu Rostock)

Vorwort „Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ist ein Fortschritt, zusammen arbeiten ist ein Erfolg.“ (Henry Ford) Es besteht ein Diskussionsbedarf um die Regionalwirtschaft. Dieses Buch soll die Diskussion der regionalen Akteure fördern. Interessengegensätze dürfen nicht unter den Teppich gekehrt werden, sondern zu einem fruchtbaren Diskurs genutzt werden. Trotz oder gerade vor dem Hintergrund des Internationalisierungs- und Globalisierungsprozesses ist eine Renaissance der Region als Nährboden wirtschaftlichen Fortschritts auszumachen. Die Regionalwirtschaft und das Regionalmanagement geraten immer mehr in den Fokus von Wissenschaft, Politik und Praxis. Im Zuge der Diskussion um die „internationale Wettbewerbsfähigkeit“ oder die „Standortqualität“ von Staaten im internationalen Vergleich werden beispielsweise in Deutschland regelmäßig Studien zum Standortwettbewerb der Bundesländer präsentiert sowie Städte- und Branchenvergleiche durchgeführt. Strukturpolitik und Regionalsteuerung sind allerdings nicht nur Gegenstand wirtschaftswissenschaftlicher Untersuchungen, sondern Bestandteil von politischen Programmen und zentrales Handlungsfeld für Staat, Länder und Kommunen, Unternehmerverbände und Gewerkschaften. Bei der praktischen Umsetzung in der Region wirken noch weitere Akteure mit, wie die Agenturen für Arbeit, Industrie- und Handelskammern, kommunale und regionale Wirtschaftsfördergesellschaften, Hochschulen und Institute, Innovationszentren, Unternehmer und Bürgerinitiativen. Das Wissen um die Regionalwirtschaft wird für das Agieren in abgegrenzten Wirtschaftsräumen immer wichtiger. Kommunalpolitiker, Unternehmenslenker und Bürger sind zwar global vernetzt, aber das eigentliche Leben und Arbeiten findet maßgeblich in einer Region statt. Jedes Wirtschaften findet an einem konkreten Standort und zu einem bestimmten Zeitpunkt statt. Die Veränderung von Wirtschaftsräumen ist ein dynamischer Prozess, der von vielen Einflussfaktoren getragen wird und sich nicht über Nacht vollzieht. Der Strukturwandel Bayerns vom Agrarland zum High-Tech-Land oder die wirtschaftliche Revitalisierung eines ehemaligen Altindustriegebiets wie die des Ruhrgebiets bzw. von einzelnen Regionen hat mehrere Jahrzehnte gedauert. Wer Regionalentwicklung betreiben will, braucht auch Visionen.

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Vorwort

Bild: Das Ruhrgebiet Mitte des 19. Jahrhunderts

Quelle: Diaarchiv KVR 2001 (http://www.sendfeld.de/staatsarbeit/oberthemen/ruhrgebiet/ r1.htm)

Bild: Das Ruhrgebiet heute und morgen (Vision Ruhrstadt)

Quelle: WAZ-Archiv 2002 (http://www.sendfeld.de/staatsarbeit/oberthemen/ruhrgebiet/r1.htm)

Vorwort

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Die Weiterentwicklung von Wirtschaftsregionen stellt eine Herausforderung an die regionalen Akteure dar. Der Erfolg hängt dabei nicht unerheblich vom Verhalten und von den Aktivitäten der Akteursgruppen ab. Die Botschaft des Buches lautet deshalb auch: Zukunft gestalten – Gemeinsam und aus eigener Kraft. Es wird aufgezeigt, dass der Strukturwandel kein Naturgesetz ist und es diverse Instrumente zur Regionalsteuerung und Wirtschaftsförderung gibt. Wie sich Unternehmen, Städte, Wirtschaftsstandorte und Regionen entwickeln, ausrichten und ihre Wettbewerbsvorteile nutzen, hängt maßgeblich vom Zusammenspiel und Geschick der zentralen Entscheidungsträger ab. Die regionalen Akteursgruppen sind gut beraten, wenn sie nach der Devise vorgehen: Global denken, lokal und regional handeln. Thematisch werden in unserem Buch u.a. folgende Fragen gestellt: Welche Beziehung existiert zwischen langfristigem Wirtschaftswachstum, Strukturwandel und Entwicklung eines Wirtschaftsraums? Welche Bedeutung ist den Regionen in einer globalisierten Welt beizumessen? Welche Rolle spielen die staatliche Wirtschaftspolitik und staatliche Instanzen im Hinblick auf die Bewältigung des Strukturwandels in rückständigen Regionen? Was kennzeichnet überhaupt eine Region? Wer steuert mit welchen Instrumenten eine Region, einen Standort oder eine Stadt? Was für Aufgaben hat eine „moderne“ Wirtschaftsförderung? Welche Bedeutung haben im Rahmen der Regionalsteuerung u.a. Faktoren wie die Vertrauenskultur, die Kooperationsfähigkeit der Akteure und das Clustermanagement? In vier Kapiteln erhält der Leser Antworten auf die obigen Fragen. Systematisch und prägnant werden die zahlreichen Aspekte einer Regionalwirtschaft unter die Lupe gelegt. Die ersten drei Kapitel sind von Norbert Zdrowomyslaw und Michael Bladt unter Mitwirkung von Studierenden des Fachbereichs Wirtschaft der Fachhochschule Stralsund verfasst worden. Die Kapitel eins bis drei zielen darauf ab, Basiswissen zum Thema Regionalwirtschaft zu vermitteln. Die Darlegungen verdeutlichen, dass sich das Themenfeld um den Begriff „Region“ in den letzten Jahren stark erweitert hat und der Diskussionsbedarf groß ist. Im vierten Kapitel werden ausgewählte Teilaspekte zur Regionalwirtschaft von „Praktikern“ aus unterschiedlichen Organisationen intensiv beleuchtet und die Grundlagen der Regionalwirtschaft verschiedenartig vertieft. Es sind Wissenschaftler mit praktischem Hintergrund, in der Politik tätige Personen, Berater, Unternehmerpersönlichkeiten und Regionalentscheider.

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Vorwort

Das Buch gliedert sich in folgende vier Kapitel: Im ersten Kapitel werden die Kulturen und die weltwirtschaftlichen Entwicklungen und Verflechtungen im historischen Kontext dargestellt. Dabei wird auf die Bedeutung von Basisinnovationen und auf den Stellenwert des internationalen Handels für Wachstum und Strukturwandel von Volkswirtschaften hingewiesen und außerdem dargelegt, dass es seit Jahrhunderten Unterschiede in der Verteilung des Wohlstands gegeben hat. Skizziert wird außerdem, welche Auswirkungen auf Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit von Staaten und Regionen der Internationalisierungs- und Globalisierungsprozess mit sich gebracht hat. Schließlich wird aufgezeigt, dass der Prozess des Wirtschaftswachstums durch ein wirtschaftliches Auf und Ab geprägt gewesen ist. Wachstumszyklen, Branchen- und Unternehmenskonjunkturen sind Phänomene, die unsere Gesellschaft heute und in Zukunft begleiten werden. Im zweiten Kapitel wird die Wirtschaft als Erkenntnis- und Steuerungsobjekt unter die Lupe genommen. Der Fokus der Betrachtung liegt auf der Mesoökonomie. Diese hat Branchen, Regionen und Gruppen zum Analysegegenstand. Bei der Beschreibung und Bewertung der staatlichen Wirtschaftspolitik stehen demzufolge die sektorale und regionale Strukturpolitik im Blickpunkt. In diesem Zusammenhang wird auch auf die wirtschaftspolitischen Ziele und die wirtschaftsfördernden Instrumente und Akteure hingewiesen, d.h. auf die Gestaltung von regionalen Wirtschaftsstrukturen. Das dritte Kapitel setzt sich mit der Frage auseinander, was unter Regionalwirtschaft und Regionalmanagement verstanden werden kann sowie welche Rolle den regionalen Akteursgruppen für den Prozess der Regionalsteuerung zukommt. Im Fokus dieses Kapitels steht die praktizierende Wirtschaftspolitik, die sowohl die pragmatischen und in der Regel einzelfallbezogenen als auch die angewandte und mehr konzeptionell geprägte Regional- bzw. Strukturpolitik umfasst. Diese Politik hat also vor allem den regionalen und sektoralen Strukturwandel im Auge und ihre Umsetzung spiegelt sich maßgeblich in den Aktivitäten der regionalen sowie kommunalen Wirtschaftsförderung wider. Um eine systematische und zielorientierte Regionalsteuerung betreiben zu können, benötigen die Akteure einer Region fundierte Informationen über den Wirtschaftsstandort. Da die Kenntnis der zentralen Determinanten der Wettbewerbsfähigkeit von Regionen, Standorten und Städten für die Entwicklung von Leitbildern, Konzepten, Strategien und Maßnahmen unabdingbar ist, wird diesem Aspekt besondere Beachtung geschenkt. Nicht zuletzt vor diesem Erkenntnishintergrund wird außerdem auf die Etablierung und Professionalisierung, die Organisation, die konzeptionelle Ausrichtung sowie die Instrumente der Wirtschaftsförderung eingegangen. Herausgearbeitet werden ferner in diesem Kapitel, wie entscheidend die „weichen“ Faktoren Vertrauenskultur

Vorwort

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und positive Stimmung in einer Region für das zielorientierte und gemeinsame Handeln in einer Region sind. Das Vertrauen in Partner und die Einsicht und die Überzeugung über den Sinn und Zweck des kooperativen Handelns stellen die Basis für die erfolgreiche Bildung von Netzwerken und Kooperationen sowie ein funktionierendes Clustermanagement dar. Wichtige Elemente zur Umsetzung möglichst gemeinsam getragener Ideen und Konzepte sind dabei Informationen, Kommunikation, Koordination, Moderation und Motivation. Die Grundlage zur Schaffung einer „Win-Win-Situation“ aus Netzwerken und Kooperationen für Unternehmen und Region sind echte und gelebte Partnerschaften, die klare Ziele verfolgen, auf Informationstransparenz setzen und Kommunikationsfähigkeit beweisen. Die Botschaft dieses Kapitels lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Zukunft der Wirtschaftsregion gestalten und zwar gemeinsam und aus eigener Kraft. Im vierten Kapitel haben Wirtschaftspraktiker aus unterschiedlichen Organisationen das Wort. Die Beiträge zeigen die Vielschichtigkeit strukturpolitischer und unternehmerischer Fragestellungen in einer Regionalwirtschaft. Mit seinem Beitrag „Globalisierung und Region – Eine aphoristische Betrachtung“ legt Prof. Dr. Ulrich Schempp einen theoretischen Mantel um die Themenfelder Globalisierung und Region. Der Aufsatz belegt, dass Erklärungsansätze für bestimmte Entwicklungen einer wissenschaftlichen Fundierung bedürfen. Die Globalisierung verändert den Handlungsrahmen der Region, aber die Region ist und bleibt ein spezifisches geographisches Gebilde, das sich unter den jeweiligen besonderen Strukturbedingungen mit den neuen Herausforderungen arrangieren muss. Die Frage, was die Europäische Union konkret für die Regionen leisten kann, steht im Fokus des Beitrags der beiden Autoren von der IHK zu Rostock. Am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns zeigen Dipl.-Volkswirt Thomas Einsfelder und Dipl.-Volkswirt Peter Volkmann, Geschäftsführer der IHK zu Rostock auf, wie das Bundesland MV durch verschiedene finanzielle Hilfen der EU als Region unterstützt wurde und wird. Die EU zählt weltweit zu den Regionen mit dem höchsten Wohlstandsniveau. Dennoch besteht ein Wohlstandsgefälle sowohl zwischen als auch innerhalb der einzelnen EU-Länder und Regionen. Mit ihrer Regionalpolitik will die EU daher die territoriale, soziale und wirtschaftliche Kohäsion in der EU stärken, indem Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen verringert werden sollen. Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup setzt sich kritisch mit der bestehenden Finanzierung der Bundesländer und Regionen auseinander. Er zieht das Fazit, dass lediglich eine grundlegend veränderte Steuerpolitik in Verbindung mit einer Umverteilung der Sozialabgaben zu Lasten der Unternehmens- und Vermögenseinkommen die Finanzierung von Bundesländern und ihren Kommunen und Regionen sicher stellen kann. Ohne eine Steigerung der Einnahmen wird der Staat auf allen föderalen Ebenen zunehmend handlungsunfähiger.

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Vorwort

In seinem Beitrag „Strukturschwäche von Regionen und Förderpolitik“ setzt sich Dipl.- Volkswirt Wolfgang Dürig vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung kritisch mit den Herausforderungen an die Regional- und Wirtschaftsförderpolitik auseinander. Im Blickpunkt stehen insbesondere die Kontroversen über die Ziele und Konzepte. Denkbare Perspektiven werden vom Autor erörtert. Mit seinem Beitrag „Die Rolle und Funktion der Politik hinsichtlich einer Regionalsteuerung – Disparitäten verlangen nach regionalen Strukturen“ plädiert Helmut Holter, stell. Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Landtag Mecklenburg-Vorpommern und Mitglied der Enquete-Kommission, für eine aktive, von den regionalen Akteuren getragene Strukturpolitik. Die Beteiligung der regionalen und lokalen Akteure ist entscheidend für den Erfolg regionaler Handlungsstrategien. Die Politik schafft lediglich die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen, damit nationale und regionale Initiativen erfolgreich sein können. Abgestimmte und miteinander verzahnte regionale Strategien zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse können dabei als kleiner Beitrag zur Lösung globaler Probleme der Menschheit betrachtet werden. Dr. Johannes Bruns, Beigeordneter der Stadt Mühlhausen (Thüringen) macht mit seinen Ausführungen deutlich, welche Grenzen und vor allem aber auch welche Chancen das Instrument „Regionalmanagement“ für die Regionalentwicklung bietet. Wichtig ist dabei, realistische Erwartungen an das Regionalmanagement zu haben. Dass die Raumplanung von Regionen und die Umsetzung von Projekten nicht im rechtsfreien Raum stattfindet und die Entscheidungsprozesse von unterschiedlichen Anspruchsgruppen begleitet sind, wird im Beitrag von Dipl.Ing. Günter Krüger, Dezernent und stellvertretender Amtsleiter im Amt für Raumordnung und Landesplanung Vorpommern in Greifswald, aufgezeigt. Die Raumordnung mit ihren formellen und informellen Instrumenten wird erläutert und der Prozess des Raumordnungsverfahrens verdeutlicht. Dabei verstehen sich diese Ämter neben ihren behördlichen Aufgaben zusehends auch als Dienstleister für die Projektträger. Am Beispiel der Wirtschaftsfördergesellschaft Heilbronn-Franken GmbH verdeutlicht Diplom-Betriebswirt Steffen Schoch die Bedeutung der Gesellschaft für die Region und die Gründe und Ziele für ein regionales Marketing. Die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH wurde durch einen dynamischen Strukturwandel vor immer neue Herausforderungen gestellt. Durch die umfangreichen und erfolgreichen Aktivitäten und Maßnahmen der WHF hat die Region Heilbronn-Franken ihren Bekanntheitsgrad und damit den der Unternehmen in Baden-Württemberg, Deutschland und auch in relevanten europäischen Regionen nachhaltig und nachweislich verbessert. Welchen Stellenwert Branchen- und Regionalanalysen für regionale Akteure im Rahmen des Entscheidungsprozesses haben können, beleuchtet Dipl.Ing. Tobias Koch von der Prognos AG, Bremen. Er weist darauf hin, dass

Vorwort

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neutrale Analysen entscheidend dazu beitragen können, Fehlentwicklungen und Risiken zu vermeiden und die Wirkung und Effizienz geplanter Vorhaben und Maßnahmen zu verbessern. Mit ihrem grundlegenden Beitrag stellen die Autoren Dipl. Soz. Wiss. Elke Dahlbeck, Dipl. Soz. Wiss. Michaela Evans und Dr. Wolfgang Potratz vom Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen, klar, dass regionale Strukturpolitik, verstanden als die Gestaltung von Wandlungsprozessen in einer Region, nach wie vor eine Herausforderung für Politik, Wissenschaft und letztlich auch für die Wirtschaft selbst ist. Im Fokus ihrer Betrachtung ist die Gesundheitswirtschaft als eine der Zukunftsbranchen im „ortsnahen“ Dienstleistungsbereich. Viele Fragestellungen sind vom Grundsatz, blickt man auf andere Wirtschaftsbereiche, zunächst nicht neu. Allerdings wurde die Entwicklung und Organisation gesundheitsbezogener Leistungen und Angebote bislang primär als gesundheitspolitische Aufgabe verstanden. Die Übertragung von Steuerungs- und Entwicklungsinstrumenten traditioneller Branchen und Wirtschaftsbereiche auf die Gesundheitswirtschaft ist hingegen vielfach noch Neuland, über Chancen und Grenzen – etwa von Clusterstrategien – wenig bekannt. Klar ist jedoch, dass die Umsetzung der vielfach prognostizierten Potenziale der Gesundheitswirtschaft für Wachstum und Beschäftigung zukünftig neue Herausforderungen an die Strategiefähigkeit und -bereitschaft der Akteure stellen wird, nicht zuletzt um derzeit bestehende Innovationsblockaden zu überwinden. Jürgen Hahn, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Vorpommern, zeigt plastisch auf, dass den Sparkassen als öffentlich-rechtlichen Geldinstituten im dreigliedrigen Bankensystem Deutschlands für die regionale Entwicklung eine unverzichtbare und nachhaltige Rolle zukommt. Die Sparkassen sind das Rückgrat der Finanzierung von Klein- und Mittelbetrieben und sind der Garant einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen, insbesondere im ländlichen Raum. Dipl.-Kaufmann Norbert Braun beschreibt, wie sein Weg vom Manager zum Unternehmer verlaufen ist. Auf der Insel Riems, in der Region Vorpommern, hat er die RIEMSER AG gegründet und ist Inhaber der BBG Braun Beteiligungs GmbH. Er hat, aufbauend auf einem motivierten und loyalen Mitarbeiterstamm, eine dynamische und wachsende Unternehmensgruppe geschaffen. Als verantwortungsvoller Unternehmer engagiert er sich sozial sowie kulturell und schafft somit auch eine solide Basis für die allgemeine regionale Entwicklung rundum das Unternehmen. Einen Beitrag zu dieser nachhaltigen Unternehmensentwicklung leistete auch das Land MecklenburgVorpommern in Form der Bereitstellung von Liquidität. Dipl.-Ing. Dieter Rittscher, Geschäftsführer der Energiewerke Nord GmbH (EWN), steht für den Energie- und Industriestandort Lubmin am Bodden. Er beschreibt die Entwicklung des Standortes Lubmin von der Vision „Synergiepark Lubminer Heide“ in den Jahren 1998 bis 2000 hin zum heutigen Industrie- und Energiestandort auf dem Gelände des ehemaligen Kernkraftwerks

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Vorwort

mit den bestehenden Perspektiven, Lubmin als Energieknotenpunkt zu positionieren. Aus der Vision ist Wirklichkeit geworden. Bei der Entwicklung des Standortes und damit bei der Schaffung der Voraussetzungen für die Ansiedlung von neuen Firmen wurde die EWN GmbH sowohl von Seiten des Gesellschafters, dem Bundesfinanzministerium, als auch von anderen Bundesministerien unterstützt. Die Entwicklung des Standortes erfolgte und erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, dem Landkreis Ostvorpommern und den umliegenden Gemeinden sowie den regionalen Wirtschaftsverbänden. Mit der Ansiedlung der aus dem Kernkraftwerk ausgegliederten Firmen, neuen Unternehmen und der EWN GmbH sind inzwischen fast 2.000 Arbeitsplätze an diesem Wirtschaftsstandort geschaffen worden. Das Werk versteht sich als Lese- und Lehrbuch gleichermaßen. Es möchte die Diskussion um die Regionalwirtschaft befördern. An welchen Leserkreis wendet sich das Buch? Neben Studierenden der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften von Hochschulen aller Art sind insbesondere Praktiker in Unternehmen und sonstigen Organisationen sowie alle politisch und wirtschaftlich interessierten Personen angesprochen. Unser Dank für die kritische und konstruktive Durchsicht des Manuskripts gilt Frau Anette Burke, Dr. Bernd Rethmeier und den Kollegen Prof. Dr. Heiko Auerbach, Prof. Dr. Dirk Engel und Prof. Dr. Harald Wilde. Schließlich danken wir Frau Dipl.-Volkswirt Regina Meier und Herrn DiplomIngenieur für Forstwirtschaft Heiko von Seltmann vom Deutschen Betriebswirte-Verlag für die unkomplizierte und wohlwollende Zusammenarbeit bei der Erstellung des vorliegenden Buches. Wenn in dem Sammelwerk lediglich die männliche Form eines Wortes benutzt wird, so sind doch stets beide Geschlechter angesprochen. Ausgewählte Darstellungen im Buch können Sie in PDF-Format unter folgenden Web-Adressen abrufen: www.betriebswirte-verlag.de und www.zdrowomyslaw.fh-stralsund.de. Bei allen menschlichen Bemühungen können Irrtümer und Fehler nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Unrichtigkeiten gehen allein auf das Konto der Verfasser. Über kritische Anregungen und Vorschläge aller Art aus Theorie und Praxis würden wir uns deshalb freuen. Nun wünschen wir Ihnen viel Spaß beim Lesen und Studieren des Buches. Prof. Dr. Norbert Zdrowomyslaw [email protected]

Dipl.-Betriebswirt Michael Bladt [email protected]

Inhaltsverzeichnis Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Darstellungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

Kapitel I:

Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung . . . . . . . . .

29

1.

Menschheit und Kulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

2.

Innovationsfähigkeit und Wirtschaftswachstum . . . . . . . . . . . . . .

33

3.

Unterschiede im weltweiten Wohlstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

4.

Weltwirtschaftwirtschaftliche Handelsbeziehungen . . . . . . . . . . .

40

5.

Globalisierung und internationaler Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . .

43

6.

Regulierung der Weltwirtschaft und Wirtschaftszonen . . . . . . . . .

51

7.

Differenzierung im Prozess des Wirtschaftswachstums . . . . . . . .

55

8.

Schlüsselthesen: Von der Theorie zur Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

1.

Wirtschaft als Erkenntnis- und Steuerungsobjekt . . . . . . . . . . . . . 1.1 Erkenntnisobjekte der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Wirtschaftssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Volkswirtschaftliche Zielpyramide . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Bereiche der Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Regionalpolitik – eine Mehr-Ebenen-Politik . . . . . . 1.2.4 Europäische Wirtschafts- und Regionalpolitik . . . . .

59 60 61 63

2.

Gelder der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

3.

Finanzierungsstruktur des Bundesstaats Deutschland . . . . . . . . .

82

4.

Träger und Akteure der Regional- und Strukturpolitik . . . . . . . . .

89

5.

Entscheidungsträger in einer dynamischen Umwelt . . . . . . . . . . .

91

64 68 76

16

Inhaltsverzeichnis

6.

Theoretische Erkenntnisse – Basis für praktisches Handeln . . . . .

92

7.

Standort- und regionale Entwicklungstheorien im Überblick und ihre praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

Schlüsselthesen: Von der Theorie zur Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . .

101

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen . . . . . . . . . . .

103

1.

Region – ein mehrdeutiges Betrachtungsobjekt . . . . . . . . . . . . . .

103

2.

Regionale Wirtschaftsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105

3.

Strategisches und nachhaltiges Regionalmanagement . . . . . . . . . 3.1 Bausteine eines Regionalmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Strukturwandel gestalten – Global denken, regional und lokal handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Konzepte zur Unternehmens- und Regionalsteuerung . . . . . 3.3.1 Branchen- und unternehmensbezogene Wertschöpfungsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Auf- und Ausbau von Netzwerken und Kooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Personal- und Wissensmanagement . . . . . . . . . . . . .

111 111

8.

4.

5.

114 117 121 123 126

Wirtschaftsstandort und Wirtschaftsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Markt- und Umweltforschung – ein Erfolgsbaustein . . . . . . 4.2 Benchmarking-Studien für Länder, Regionen und Städte . . 4.3 Wirtschaftsstandort – harte und weiche Standortfaktoren . . 4.4 Branchencluster, Firmenstruktur und Besonderheiten . . . . . 4.4.1 Branchenstruktur und Branchencluster . . . . . . . . . . 4.4.2 Firmenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Besonderheiten von Regionen und Städten . . . . . . . 4.4.4 Wirtschaftsstrukturkonzept – Grundlage des Standortmarketings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Regional-, Standort- und Stadtmarketing . . . . . . . . . . . . . . .

127 129 129 130 132 133 136 139

Wirtschaftsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Begriff und Zielorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Entwicklungsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Moderne Wirtschaftsförderung – Professionalisierung und Aufgabenerweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Konzeptionelle Ausrichtung und Management der Wirtschaftsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Wirtschaftsfördereinrichtungen am Beispiel Vorpommern . 5.6 Förderinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147 147 149

140 141

150 151 155 157

Inhaltsverzeichnis

17

6.

Zukunft gestalten – Gemeinsam und aus eigener Kraft . . . . . . . . . 6.1 Erfolgsfaktor gelebte Vertrauenskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Resümee und Leitsätze für regionales Handeln . . . . . . . . . .

159 160 161

7.

Schlüsselthesen: Von der Theorie zur Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

Kapitel IV: Praktikerbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

1.

Einführung mit Schlüsselthesen der Praktiker . . . . . . . . . . . . . . . .

165

2.

Globalisierung und Region – Eine aphoristische Betrachtung von Ulrich Schempp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Nation und Region . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Region und internationale Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Region und Supranation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Region als Global Player . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Umrisse eines Modells zum regionalen Beziehungsgefüge .

166 166 167 170 171 174

3.

Was tut die Europäische Union für Regionen? von Thomas Einsfelder/Peter Volkmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Strukturfonds als Instrumente der Europäischen Regionalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Mecklenburg-Vorpommern als Zielregion europäischer Kohäsionspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Mittelhöhe und Schwerpunkte beim Einsatz der Strukturfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 ELER und Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2007–2013 (EPLR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Das neue Ziel „Territoriale Zusammenarbeit“ . . . . . . . . . . 3.7 Enterprise Europe Network als EU-gefördertes Projekt . . . 3.8 Aus der Finanzkrise in den Aufschwung? – Ein Aktionsrahmen für Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9 Struktur und Regionalpolitik der EU – ein Ausblick . . . . . . 3.10 Zum Schluss: Was die EU tut – alles zum Nutzen der Regionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Anhang 4.

180 180 182 183 186 187 188 190 190 191 193

................................................

196

Finanzierung von Bundesländern und Regionen von Heinz-J. Bontrup . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Das staatliche Finanzwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Staatsverschuldung intelligent einsetzen . . . . . . . . . . . . . . .

202 202 204 205

18

Inhaltsverzeichnis 4.4

5.

6.

7.

Eine veränderte Steuer- und Sozialabgabenpolitik ist notwendig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Steueraufkommen im Ungleichgewicht . . . . . . . . . . 4.4.2 Eine andere Steuerpolitik tut not . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Sozialabgaben umverteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Strukturschwäche von Regionen und Förderpolitik von Wolfgang Dürig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Rahmenbedingungen für Regionalpolitik . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Strukturschwäche: Gründe, Merkmale und Strategien zu deren Überwindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Typisierung von Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Gründe für regionale Disparitäten . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Die „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.4 Erfolgskontrollen von Regionalförderprogrammen zum Ausgleich von Disparitäten . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.5 Strategien zum Abbau regionaler Disparitäten . . . . . 5.4 Regionalpolitik – Kontroversen über Ziele und Konzepte der Regionalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Ausgleichs- versus Wachstumsziel . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Marktversagen – Staatsversagen . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Regionale Wirtschaftsförderung – wo ansetzen? . . . . . . . . . 5.5.1 Unternehmerische Anlässe für Standortortentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Exogenes versus endogenes Potenzial . . . . . . . . . . . 5.6 Offene Fragen an die Regionalforschung, Perspektiven der Wirtschaftsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Disparitäten verlangen nach regionalen Strukturen – Rolle und Funktion der Politik hinsichtlich einer Regionalsteuerung von Helmut Holter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regionalmanagement – eine Chance für die Regionalentwicklung? von Johannes Bruns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Mängel bei der Implementierung – oder: Was tun mit dem Regionalmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Grenzen des Regionalmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Trotz allem: Erfolge für die Regionalentwicklung . . . . . . . . 7.5 Regionalmanagement: Es kann eine wirkliche Chance für die Regionalentwicklung sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

208 208 211 213 215 215 217 220 220 221 223 227 230 234 234 236 238 238 242 244

248 262 262 264 268 271 273

Inhaltsverzeichnis 8.

9.

Vom Raumentwicklungsprogramm über das regionale Entwicklungskonzept zu Projekten von Günter Krüger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Die Raumordnung und ihre Instrumentarien . . . . . . . . . . . . 8.3 Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Das Raumordnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1 Phase 1: Die Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.2 Phase 2: Durchführungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3 Phase 3: Die landesplanerische Beurteilung . . . . . . . 8.5 Das Raumordnungsverfahren im Urteil der Projektträger . . Bedeutung, Organisation und Aufgaben einer Wirtschaftsförderung am Beispiel der Region Heilbronn-Franken von Steffen Schoch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Gründe und Ziele für ein regionales Marketing . . . . . . . . . . 9.2 Herausforderung Heilbronn-Franken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Dach und Stimme für die Region Heilbronn-Franken . . . . . 9.4 Gemeinsames Handeln für zukünftigen Erfolg . . . . . . . . . . 9.5 Unternehmen und Fachkräfte für die Chancen der Region sensibilisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.6 Selbstbewusster Dialog mit der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . 9.7 Herausragendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.8 Fazit

10. Branchen- und Regionalanalysen – Ein Instrument zur Entscheidungsunterstützung regionaler Akteure von Tobias Koch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Regionalanalyse als Grundlage zur ökonomischen Standortbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Orientierung bei Regionalanalysen durch den Prognos Zukunftsatlas 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Branchenanalysen zeigen Ursachen regionaler Entwicklungsprozesse auf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Hohe Bedeutung von Leit- und Wachstumsbranchen für Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Clusterentwicklung als neue Aufgabe der Wirtschaftsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Erfolgsfaktoren sind zentral für die regionale wirtschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

274 274 275 280 280 282 283 284 285

287 288 288 289 289 290 290 291 292

293 293 294 296 297 298 299

20

Inhaltsverzeichnis

11. Gesundheitswirtschaft und regionale Strukturpolitik: Strategiefähigkeit, Standortmanagement und Innovationsblockaden von Elke Dahlbeck, Michaela Evans, Wolfgang Potratz . . . . . . . . 11.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Gesundheitswirtschaft als sozialpolitische Herausforderung und Wachstumsmotor in Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Regionale Profilbildungen in der Gesundheitswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.2 Institutionelle Lösungen zum Innovationsmanagement in den Gesundheitsregionen . . . . . . . . . . 11.2.3 Fallstudie Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . 11.3 Innovationsblockaden in der Gesundheitswirtschaft . . . . . . 11.4 Clusterstrategien auch in der Gesundheitswirtschaft? . . . . . 11.5 Ausblick und weiterführende Forschungsfragen . . . . . . . . . 12. Bedeutung von Kreditinstituten für die Region am Beispiel der Sparkasse Vorpommern von Jürgen Hahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Öffentlicher Auftrag der Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Erfüllung des öffentlichen Auftrages und Bedeutung für die Region . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Bedeutung für den Mittelstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Bedeutung der Kooperationen für die Region . . . . . . . . . . . 12.6 Bedeutung der Gemeinwohlorientierung . . . . . . . . . . . . . . . 12.7 Sparkasse – ein Wirtschaftsförderer der Region . . . . . . . . .

301 301 304 304 308 309 315 317 319 320 320 322 322 323 324 326 327

13. Gründung und Entwicklung der RIEMSER Arzneimittel AG von Norbert Braun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1 Der Weg zur Insel Riems – vom Manager zum Unternehmer 13.2 Entwicklung heißt Wachstum: gesund und nachhaltig . . . . . 13.3 Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Entwicklung . . . . . . . . 13.4 Die Rolle der Wirtschaftsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

329 329 330 334 337

14. Energiewerke Nord und die Entwicklung des Industriestandortes Lubminer Heide von Dieter Rittscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1 Die Energiewerke Nord GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Vision „Synergiepark Lubminer Heide“ . . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Von der Vision zur Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Gute Aussichten für Lubmin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

338 338 341 343 346

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

351

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

371

Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

373

Darstellungsverzeichnis Bild: Bild: Darst. 1: Darst. 2: Darst. 3: Darst. 4: Darst. 5: Darst. 6: Darst. 7: Darst. 8: Darst. 9: Darst. 10: Darst. 11: Darst. 12: Darst. 13: Darst. 14: Darst. 15: Darst. 16: Darst. 17: Darst. 18: Darst. 19: Darst. 20: Darst. 21: Darst. 22: Darst. 23: Darst. 24: Darst. 25: Darst. 26: Darst. 27:

Das Ruhrgebiet Mitte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . 8 Das Ruhrgebiet heute und morgen (Vision Ruhrstadt). . . . 8 Zeittafel der Kulturen und Großmächte . . . . . . . . . . . . . . . 30 Hegemoniezyklen und Leitsektoren von Seemächten . . . . 31 Kondratieff-Zyklen – sogenannte lange Wellen der Wirtschaftsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Wachstum des Welt-BIP von 2000 v. Chr. bis 2000 n. Chr. (prozentuales Wachstum in fortlaufenden 100-JahresAbschnitten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Modell der volkswirtschaftlichen Güterproduktion . . . . . . 37 Verhältnis zwischen Weltbevölkerung und Konsum . . . . . 39 Der Anteil des Intra-Regional-Handels ausgewählter Regionalgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Beschleuniger der „neuen“ Globalisierungswelle . . . . . . . 45 Passat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Airbus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Vor- und Nachteile der Bundesrepublik Deutschland als Unternehmensstandort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Performance-Vergleich der Standorte . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Die wichtigsten Regionalgemeinschaften im Überblick . . 54 Säkulare Wirtschaftsentwicklung in Deutschland . . . . . . . 57 Erkenntnisobjekte – von der Betriebswirtschaft bis zur Weltwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Zielpyramide einer marktwirtschaftlich orientierten Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Wirtschaftspolitik in der Systematik der Volkswirtschaftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Kohäsionspolitik im Wandel: Ziele, Finanzinstrumente und Prioritäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Steuer- und Aufgabenverteilung in Deutschland (ohne EU) 85 Finanzausgleich sowie Geber- und Nehmer-Länder . . . . . 87 Träger regionaler und sektoraler Strukturpolitik . . . . . . . . 90 Idealtypische Denk- und Handlungsformen von Wissenschaft und Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand . . . . . . . . . . . 95 Regionale Wachstums- und Entwicklungstheorien (Auswahl) und resultierende Raumstrukturen . . . . . . . . . . 97 Wirtschaftspolitische Grundtheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Ansatzpunkte einer regionalen Entwicklungspolitik . . . . . 100 Europäische Union und Deutschlands Metropolregionen . 108

22 Darst. 28: Darst. 29: Darst. 30: Darst. 31: Darst. 32: Darst. 33: Darst. 34: Darst. 35: Darst. 36: Darst. 37: Darst. 38: Darst. 39: Darst. 40: Darst. 41: Darst. 42: Darst. 43: Darst. 44: Darst. 45: Darst. 46: Darst. 47: Darst. 48: Darst. 49: Darst. 50: Darst. 51: Darst. 52: Darst. 53: Darst. 1: Darst. 2: Darst. 3: Darst. 4: Darst. 1: Darst. 1:

Darstellungsverzeichnis Mögliche Abgrenzungen von „Wirtschaftsregionen“ in MecklenburgVorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . GRW-Fördergebiete 2007 – 2013. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bausteine für ein Regionalmanagement . . . . . . . . . . . . . . . Phasen des Entscheidungsprozesses. . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutende strategische Unternehmensführungsansätze . . Die Wertkette nach Porter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modell-Ansatz „Management und Controlling von Regionen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertschöpfungsstruktur der Branche „Maritime Wirtschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertschöpfungsstruktur der Branche Tourismuswirtschaft Networking und Ebenen der Netzwerkbildung . . . . . . . . . Kooperationen: Nutzen für Individuen, Unternehmen und Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit von Regionen . . . . . . Kriterien der Standortentscheidung auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Standortfaktoren und Zielgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regionale Verteilung wichtiger landestypischer Leitbranchen in MV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hitliste der 30 größten Arbeitgeber in Stralsund und Umland 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mögliches Erstellungsmodell eines nachhaltigen Wirtschaftsstrukturkonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wachstums- und Verfallsdynamik einer Stadt . . . . . . . . . . Bausteine des Regionalmarketings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftsförderung in einem dynamischen Umfeld . . . . Vorteile unterschiedlicher Organisationsformen der kommunalen Wirtschaftsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungsprofil – Wirtschaftsförderer . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftsförderinstitutionen in der Region Vorpommern Institutionen und Akteure der Regionalförderung . . . . . . . Maßnahmensystematik der Regionalförderung . . . . . . . . . Akteure und Einflussgrößen im regionalen System . . . . . . Region und Supply Chains . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regionale Konkurrenz an der Peripherie . . . . . . . . . . . . . . Der Kritische Punkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht über die Kausalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele und Entwicklungsstrategien EFRE und ESF in Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzierungskreislauf der deutschen Wirtschaft nach Sektoren von 1991 bis 2006 (in Mrd. €) . . . . . . . . . . . . . .

109 110 113 116 118 120 121 122 123 124 125 128 131 132 135 138 141 142 145 151 152 154 155 156 158 160 170 178 178 179 186 208

Darstellungsverzeichnis Darst. 2: Darst. 1: Darst. 2: Darst. 3: Darst. 4: Darst. 5: Darst. 1: Darst. 2: Darst. 1: Darst. 2: Darst. 3: Darst. 4: Darst. 1: Darst. 1: Darst. 2: Darst. 3: Darst. 4: Darst. 1: Darst. 1: Darst. 2: Darst. 3: Darst. 4: Darst. 1: Darst. 2: Darst. 3: Darst. 4:

Darst. 5: Darst. 6: Darst. 7: Darst. 8:

Beiträge zur Sozialversicherung (ab 2. Halbjahr 2008) . . . Abgrenzung strukturschwacher Regionen: Potenzialund Defizitanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategien zum Abbau regionaler Disparitäten – Beispiele Bruttolöhne und Gehälter in den Bundesländern . . . . . . . . Anlässe für Standortentscheidungen von Unternehmen . . Weiche Standortfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitlinien der Landesentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regionale Entwicklungs- und Beschäftigungschancen. . . Instrumentarien der Raumordnung und ihre Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Raumordnungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Planungsregion Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablaufschema eines Raumordnungsverfahrens . . . . . . . . . Die Indikatoren des Prognos Zukunftsatlas 2007 . . . . . . . Gesundheitsregionen in Deutschland im Überblick . . . . . . Typologische Einordnung von Gesundheitsregionen (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft nach Bereichen, Mecklenburg-Vorpommern und Deutschland, 2007 . . . . . Von den 100 größten Unternehmen zählen 14 zum Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-Säulen-System des Bankwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Struktur der Braun Beteiligungs GmbH . . . . . . . . . . . . . . . Die Entwicklung der RIEMSER Arzneimittel AG . . . . . . . Vier Chancen, die Firma sinnvoll zu ergänzen. . . . . . . . . . Kennzahlenübersicht der Unternehmensentwicklung der RIEMSER Arzneimittel AG der Jahre 1992 – 2005 . . . . . EWN-Standorte in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgestellte Reaktorsektionen auf dem Langzeitzwischenlager Murmansk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vision 2000 „Synergiepark Lubminer Heide“ . . . . . . . . . . Industriehafen Lubmin/Produktion der Firma LiebherrMcctec Rostock GmbH im ehemaligen Maschinenhaus/ Produktionsstätte der Firma Lubminer Korrosionsschutz GmbH/Von der Firma Modul- und Anlagenbau Lubmin GmbH gefertigtes Schiffsteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansiedlungen in Lubmin (Stand 11/2008) . . . . . . . . . . . . . WINGAS-Fernleitungsnetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Photovoltaikanlage BP Solar/Produktionsstätte von der Firma Premicon Biodiesel GmbH & Co. Lubmin KG . . . . Der EWN-Standort mit neuem Industriehafen . . . . . . . . . .

23 214 223 231 233 240 243 255 259 275 277 278 281 295 302 306 311 312 321 330 331 332 333 340 341 342

345 347 348 349 349

Abkürzungsverzeichnis € a.a.O. ABM Abs. AFTA AG ALADI ANCOM APEC Art. ASEAN Aufl. BA BASF BBC BBG BIP BMWi BNE bzw. ca. CACM CARICOM CEFTA CDU Co. Darst. DBR DDR d.h. Dipl. DM dpa Dr. EAGFL ECOWAS EDV EFRE EFTA EG

Euro am angeführten Ort Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Absatz ASEAN Free Trade Area Aktiengesellschaft Asociaciòn Latinoamericana de Integraciòn Andean Common Market Asia-Pacific Economic Coorporation Artikel Association of Southeast Asian Nations Auflage Berufsakademie Badische Anilin- & Soda-Fabrik British Broadcasting Corporation Braun Beteiligungs GmbH Bruttoinlandsprodukt Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Bruttonationaleinkommen beziehungsweise circa Central American Common Market Caribbean Community Central European Free Trade Agreement Christlich Demokratische Union Compagnie Darstellung Landkreis Doberan Deutsche Demokratische Republik das heißt Diplom Landkreis Demmin Deutsche Presse-Agentur Doktor Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für Landwirtschaft Economic Community of West African States Elektronische Datenverarbeitung Europäischer Fonds für regionale Entwicklung European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft

Abkürzungsverzeichnis EGKS ESF etc. EU EUR EURATOM e.V. EWG EWN F&E FIAF FTAA GA GATT GCC GG ggf. GmbH GRW GÜ GWB HGW HRO Hrsg. HST i.d.R. IHK IKT ILO Ing. INSM IT ital. IWA IWF J. KFZ KG KGSt km2 KMU

25

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäischer Sozialfonds et cetera Europäische Union Euro Europäische Atomgemeinschaft eingetragener Verein Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Energiewerke Nord Forschung und Entwicklung Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei Free Trade Area of the Americas Gemeinschaftsaufgabe General Agreement on Tariffs and Trade Gulf Cooperation Council Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur Landkreis Güstrow Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Hansestadt Greifswald Hansestadt Rostock Herausgeber Hansestadt Stralsund in der Regel Industrie- und Handelskammer Informations- und Kommunikationstechnologie International Labour Organization Ingenieur Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft Informationstechnologie italienisch Innovationen, Wertsteigerungen und Arbeitsplatzbeschaffung Internationaler Währungsfonds Jahr Kraftfahrzeug Kommanditgesellschaft Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement Quadratkilometer kleine und mittlere Unternehmen

26 KURV

Abkürzungsverzeichnis

Kompetenzzentrum für Unternehmens- und Regionalentwicklung Vorpommern KVR Kommunalverband Ruhrgebiet LAFTA Latin America Free Trade Association LAIA Latin American Integration Association LB Landesbank LEADER Liaison entre actions de développement de l´économie rurale LW Lange Welle der Weltwirtschaftsentwicklung LWL Landkreis Ludwigslust MedTech Medizintechnik MERCOSUR Mercado Comùn del Cono Sur Mio. Million Mrd. Milliarde MSR Mess-, Steuer- und Regelungstechnik MST Landkreis Mecklenburg-Strelitz MV Mecklenburg-Vorpommern n. Chr. nach Christus NAFTA North American Free Trade Agreement NB Neubrandenburg NKF Neue Kommunale Finanzmanagement Nr. Nummer NVP Landkreis Nordvorpommern NWM Landkreis Nordwestmecklenburg OECD Organisation for Economic Co-operation and Development o.J. ohne Jahresangabe o.V. ohne Verfasser OWL Ostwestfalen-Lippe PCH Landkreis Parchim PDF Portable Document Format PPP Public Private Partnership Prof. Professor RÜG Landkreis Rügen S. Seite SIR Salzburger Institut für Raumordnung & Wohnen SN Schwerin sog. so genannt Soz. Soziologe STeP Stralsunder Tagungen für erfolgreiche Partnerschaften StWG Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft SWOT Strengths Weaknesses Opportunities Threats TEN Transeuropäische Netze TIT Technologie- und Informationstransferstelle

Abkürzungsverzeichnis TV u.a. UER ULP UN UNCTAD UNDP UNO USA USP usw. v. Chr. Vers. vgl. v.H. Vol. VW WAZ WFG WHF WHO Wiss. WTO WWU z.B. ZDF ZIM ZIN

Television unter anderem/und andere Landkreis Uecker-Randow Unique Local Proposition United Nations United Nations Conference on Trade and Development United Nations Development Programme United Nations Organization United States of America Unique Selling Proposition und so weiter vor Christus Versicherung vergleiche vom Hundert Volumen Volkswagen Westdeutsche Allgemeine Zeitung Wirtschaftsförderungsgesellschaft Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken World Health Organization Wissenschaftler(-in) World Trade Organization Wirtschafts- und Währungsunion zum Beispiel Zweites Deutsches Fernsehen Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand Zukunftsinitiative für die Region Nordrhein-Westfalen

27

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung 1.

Menschheit und Kulturen

Die Wirtschaftsgeschichte der Menschheit reicht weit in die Vergangenheit und hat heute ein Stadium erreicht, dass vielfach aus ökonomischer Sicht durch Begriffe wie Wissensgesellschaft, Weltwirtschaft, Internationalisierung und Globalisierung charakterisiert wird. In der Ökonomie stellt sich grundsätzlich die Frage nach dem Reichtum und dem Wohlstand einer Nation oder Gesellschaft.1 Dabei bilden der Boden, die Bevölkerung und der technische Fortschritt die Grundlage jeder Wirtschaft. Für die Entwicklung und den Reichtum einer Nation sind vor allem aber auch die Arbeitsteilung2 und die Theorie des komparativen (relativen) Kostenvorteils3 verantwortlich. Der Ursprung aller außenhandelstheoretischen Erklärungsansätze war die Theorie der absoluten Kostenvorteile von Adam Smith und die der relativen Kostenvorteile von David Ricardo. Durch die Arbeitsteilung, die heute sehr weit entwickelt ist, kommt es zu einer Steigerung der Produktivität und damit auch des Wohlstands der meisten Nationen. Allein schon vor dem historischen Hintergrund der erwähnten Faktoren kann demnach der materielle Wohlstand und Lebensstandard früherer Kulturen mit heutigen Verhältnissen kaum verglichen werden. Große Kulturen haben in der Geschichte stets ihre Spuren hinterlassen, waren beispielgebend und liefern gleichzeitig Rätsel für die Forschung. Oft faszinieren noch heute vor allem die Bauwerke und handwerklichen Entwicklungen solcher großen Kulturen. Doch wie waren diese Leistungen mit den damaligen Mitteln möglich? Welche revolutionären architektonischen und technischen Ideen wurden in welcher Weise umgesetzt? Bis heute gibt es in der Wissenschaft keine abschließenden Antworten auf diese Fragen. Darstellung 1 zeigt die Kulturen der Zeitgeschichte. 1

2 3

So lautet das Werk des „Vaters der klassischen Nationalökonomie“, nämlich vom britischen Ökonom Adam Smith (1723-1790) in der deutschen Übersetzung der vollständigen Ausgabe der fünften Aufl., London 1789, von Horst Claus Recktenwald „Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen“, 3. Aufl., München 1983. Die Vorteile der Arbeitsteilung hat Adam Smith sehr plastisch am Beispiel der Nadelproduktion dargestellt. Siehe Bofinger, Peter: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, München 2003, S. 48-49. Auf den Zusammenhang zwischen (internationaler) Arbeitsteilung und freiem Außenhandel im Hinblick auf die Schaffung von sog. „komparativen Kostenvorteilen“ und damit die Herausbildung einer „Win-Win-Situation“ für zwei oder mehrere Länder zeigte der ebenfalls sehr berühmte britische Ökonom David Ricardo (1772-1823) im Jahr 1817 auf. Am Beispiel des Außenhandels zwischen Portugal und England verdeutlichte er, wieso es für England vorteilhaft war, sich auf die Herstellung von Tuch zu spezialisieren und Tuch gegen Wein aus Portugal zu importieren, während Portugal sich auf die Weinproduktion verlegte und britisches Tuch gegen Wein importierte. Siehe Bofinger, Peter: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, München 2003, S. 50.

30

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

Darst. 1: Zeittafel der Kulturen und Großmächte 3000 v. Chr.

2000 v. Chr.

1000 v. Chr.

500 v. Chr.

0

500 n. Chr.

1000 n. Chr.

1500 n. Chr.

2000 n. Chr.

Ägypten Griechenland Karthago Perser China Maya Byzantiner ital. Renaissance Azteken Großbritannien Russland Frankreich USA

Quelle: Modifiziert nach BBC – The History Channel, Download unter http://aetn.waidev5. com/egypt/staging/germany/42/index.php, Abruf am 14.07.2008, 11:30 Uhr.

Die Entwicklung von Kulturen und das Wirtschaftswachstum von Staaten ist aber keine Sache, die über Jahrzehnte oder Jahrhunderte Bestand haben muss. Der Wandel wirtschaftlicher Strukturen, das Auf und Ab von Wirtschaftszweigen, die Entwicklung von neuen Produkten und Produktionsverfahren sowie die Veränderung der Arbeitswelt sind gewissermaßen „normale“ Gegebenheiten, die weltweit seit Jahrhunderten und Jahrtausenden zu beobachten sind. So gab es weit entwickelte Kulturen und ökonomisch bedeutende Wirtschaftsmächte, z.B. das antike Griechenland, Ägypten oder die frühere Seemacht Portugal, die heute nicht mehr in der ursprünglichen Form existieren bzw. die im Rahmen der weltwirtschaftlichen Austauschbeziehungen eine relativ geringe Rolle spielen. Portugal gehört heute zu den wirtschaftlich stark rückständigen Regionen innerhalb der Europäischen Union (EU) und wird struktur- und wirtschaftspolitisch gezielt gefördert.4 Es lassen sich weitere Länder (Volkswirtschaften) benennen, die früher reich und mächtig waren, deren wirtschaftliche Situation sich jedoch im Verlauf ihrer Entwicklung beträchtlich verschlechterte, wie die Beispiele Chinas und Rußlands zeigen. Andererseits sind kleinere Länder wie Brunei, Dubai und Kuwait auf Grund ihrer Erdölvorräte innerhalb weniger Generationen zu beträchtlichem Wohlstand gelangt. Die Rahmenbedingungen und Standortvorteile von Ländern und Regionen sind eben nicht gleich. Bodenschätze, Bodenqualität, klimatische Bedingungen, Macht und Volkseinkommen waren auf der Welt immer ungleich und ungerecht verteilt, und es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sich dies grundlegend ändern wird.5 4 5

Vgl. Maier, Gunther/Tödtling, Franz: Regional- und Stadtökonomik 1. Standorttheorie und Raumstruktur, Wien 2000, S. 173-183. Vgl. Curry, Jeffrey E.: Internationale Wirtschaftszusammenhänge verstehen und geschäftlich nutzen, Köln 2000, S. 171.

31

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung Darst. 2: Hegemoniezyklen und Leitsektoren von Seemächten LW

Hegemonialmacht

1

China (Nördliches Sung)

2

China (Südliches Sung)

3

Genua

4

Venedig

5

Portugal

6

Niederlande

7

Großbritannien I

8

Großbritannien II

9

USA I

10

USA II

Leitsektor K 1 Druck und Papier K 2 Herausbildung des Binnenmarktes, Nassreis, Eisen, Papiergeld K 3 öffentliches Finanzwesen, Reform des Tributsystems K 4 Expansion des Seehandels, Kompass K 5 Champagne-Messen K 6 Schwarzmeerhandel K 7 Galeerenflotten K 8 Pfeffer K 9 Gold aus Guinea K 10 Indischer Pfeffer K 11 baltischer und atlantischer Handel K 12 Handel mit Fernost K 13 amerikanisch-asiatischer Handel (Zucker) K 14 amerikanisch-asiatischer Handel K 15 Baumwolle, Eisen K 16 Eisenbahn, Dampfmaschine K 17 Stahl, Chemie, Elektrotechnik K 18 Automobil, Flugzeug, Elektrotechnik K 19 Informationstechnik

Zeitspanne 930-990

1060-1120 1120-1190 1190-1250 1300-1355 1430-1494 1494-1540 1540-1580 1580-1640 1640-1688 1688-1740

1740-1792 1792-1850 1850-1914 1914-1973

1973-2030

Legende: LW = Lange Welle der Weltwirtschaftsentwicklung; K= Kondratieff-Zyklus Quelle: Menzel, Ulrich: Konkurrierende Weltordnungsmodelle in historischer Perspektive, in: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. (Hrsg.): Auslandsinfo 6/2004, S. 25.

Darstellung 2 gibt einen Hinweis auf Hegemonialmächte (Großmächte, See- und Handelsmächte) und 10 Hegemoniezyklen (sog. „lange Wellen“ der Wirtschaftsentwicklung nach dem Entdecker Kondratieff 6) aus historischer 6

Die Theorie der so genannten „langen Wellen“ – nach dem Entdecker auch Kondratieff-Zyklen genannt – rechnet mit langfristigen Wachstumsprozessen und -schwankungen in Zeitabschnitten von 50 bis 60 Jahren. Kondratieff, Nikolai D.: Die langen Wellen der Konjunktur, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 56, 1926.

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Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

Perspektive. Als Hegemonialmächte werden Länder definiert, die „über einen bestimmten Zeitraum im Vergleich zu anderen Großmächten über eine herausragende Position in militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht verfügen.“7 Den Hegemoniezyklen mit im Schnitt etwa 60 jähriger Dauer können mehrere kürzere „Kondratieff-Zyklen“ zugrunde liegen, die durch unterschiedliche Innovationsschübe ausgelöst werden (z.B. LW 4 durch Galeerenflotten und Pfeffereinfuhren). Folgt man den in der Literatur vorgebrachten Argumenten, so wird für den Auf- und Abstieg von Kulturen und Hegemonialmächten die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft angeführt. Dabei können es Innovationen sowohl technischer als auch institutioneller Art sein, die neue „Leitsektoren“ (Branchen) hervorrufen. Diese tragen dazu bei, dass das wirtschaftliche, militärische und politische Potenzial eines Landes im Vergleich zu den Konkurrenten zu stärken.8 Über die letzten Jahrhunderte hinweg, im Zuge der europäischen Weltordnung (Beginn Ende des 15. Jahrhunderts) und der anschließenden Entkolonialisierung sowie während und nach der Industrialisierungsphase, hatten europäische Länder eine dominierende Stellung in der Weltwirtschaft. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebten die USA einen wirtschaftlichen Aufstieg und waren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Supermacht. Im Gegensatz zu der Supermacht Sowjetunion, die bis 1989/90 nur Territorial- und Militärmacht war, ohne eine weltwirtschaftlich konkurrenzfähige Industrie vorweisen zu können, sind die USA bis heute alles – See-, Territorial-, Militär- und Weltwirtschaftsmacht. In den letzten Jahrzehnten ist zu beobachten, dass die seit dem Jahre 1000 n. Chr. im asiatischen Raum wechselnden arabisch-indisch-chinesischen Hegemonien in der Weltwirtschaft wieder stärkeres Gewicht erlangen. Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung sind der neuerliche Aufstieg Chinas und das Wiedererstarken Indiens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachvollziehbar. Aus der amerikanischen Sicht stellt die europäische Einigung und die Gründung der Europäischen Union eine Spaltung des Westens dar und wird als Herausforderung des amerikanischen Führungsanspruchs verstanden.9 Legt man die ökonomischen Daten und Potenziale der EU zugrunde (z.B. Ausbildungsstand der Bevölkerung, Anteil der Industrie- und Dienstleistungsproduktion am Welthandel), so ist diese Befürchtung des (wirtschaftlichen) Machtverlustes nicht unbegründet. Das (wirtschaftliche) Auf und Ab stellt eine stetige Herausforderung an eine Gesellschaft dar, d.h. sich zu verändern und Weichenumstellungen vorzunehmen sind nichts Ungewöhnliches. Dabei ist es völlig normal, dass sich Kräfteverhältnisse verschieben. Sich dessen bewusst zu werden und daraus 7 8 9

Menzel, Ulrich: Konkurrierende Weltordnungsmodelle in historischer Perspektive, in: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. (Hrsg.): Auslandinfo 6/2004, S. 14. Vgl. Menzel, Ulrich: Konkurrierende Weltordnungsmodelle in historischer Perspektive, in: KonradAdenauer-Stiftung e.V. (Hrsg.): Auslandinfo 6/2004, S. 17. Vgl. Menzel, Ulrich: Konkurrierende Weltordnungsmodelle in historischer Perspektive, in: KonradAdenauer-Stiftung e.V. (Hrsg.): Auslandinfo 6/2004, S. 16-23.

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

33

Konsequenzen für das eigene Tun abzuleiten, ist der Anspruch, an dem sich Entscheidungsträger messen lassen (sollten).

2.

Innovationsfähigkeit und Wirtschaftswachstum

Das Wissen der Menschheit hat im Laufe der Jahrhunderte stark zugenommen. Zunehmende Arbeitsteilung und neue Erkenntnisse und Innovationen10 haben dazu geführt, dass durch ständige Erhöhung der Produktivität und zunehmende Spezialisierung die Herstellung von Gütern weltweit beträchtlich anstieg. In den letzten 200 Jahren wuchs nicht nur das quantitative Güterangebot, sondern auch die Produktarten und -sorten sowie die Qualifikation der Güter nahmen zu bzw. änderten sich. Technischer Fortschritt und Innovationen sind unbestritten Triebfedern von ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen. Die Entstehung von Hegemonialmächten ist eng mit der Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft verknüpft. Andererseits ist festzuhalten, dass im Laufe der Jahrhunderte das Wirtschaftswachstum nicht kontinuierlich angestiegen ist, sondern sich in Auf- und Abschwüngen vollzieht. Dieses Phänomen der periodisch wiederkehrenden Unstetigkeit der säkularen Wirtschaftsentwicklung mit den vier Phasen Krise, Aufschwung, Boom und Abschwung, das als Konjunktur bzw. Konjunkturzyklus bezeichnet wird, lässt sich weltweit beobachten und hat bis heute Gültigkeit. Die zeitliche Dimension des Wachstums- und Entwicklungsprozesses werden von Wirtschaftshistorikern und Wirtschaftswissenschaftlern seit je her analysiert und beschrieben.11 Hervorzuheben sind die statistischen Befunde für die sog. langen Wellen der Wirtschaftsentwicklung, hervorgerufen durch Basisinnovationen, nachgewiesen von Nicolai D. Kondratieff (mit einer Zykluslänge von 50 bis 60 Jahren) und der Erklärungsansatz von Joseph A. Schumpeter. Letzterer stellte insbesondere den Zusammenhang zwischen Wirtschaftsschwankungen und den von „dynamischen Unternehmern“ einge-

10

11

Unter Innovationen sind alle Veränderungen (Neuerungen) zu verstehen, die in einem Unternehmen bzw. einer Organisation erstmals zur Anwendung gelangen und damit einen konkreten wirtschaftlichen und/oder sozialen Nutzen hervorrufen. Hierzu zählen Produktinnovationen, Prozess- oder Verfahrensinnovationen und Sozial- oder Personalinnnovationen. Grundsätzlich zum Thema Innovationsmanagement siehe Hauschild, Jürgen/Salomo, Sören: Innovationsmanagement, 4. Aufl., München 2007. Zur Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung siehe z.B. Arndt, Helmut: Lehrbuch der Wirtschaftsentwicklung. Die Evolutorische Wirtschaftstheorie in ihrer Bedeutung für die Wirtschafts- und Finanzpolitik, 2. Aufl., Berlin 1994, Reuter, Norbert: Wachstumseuphorie und Verteilungsrealität. Wirtschaftspolitische Leitbilder zwischen Gestern und Morgen, 2. Aufl., Marburg 2007; Schumpeter, Joseph A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung – eine Untersuchung über Unternehmensgewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, 4. Aufl., Berlin 1934.

34

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

setzten „technischen Neuerungen“ her und begründete eine wirtschaftshistorische Periodisierung der langen Wellen.12 Wie im Zusammenhang mit den Innovationszyklen (Kondratieff-Zyklen) aus Darstellung 3 ersichtlich ist, haben sich im Laufe von Jahrzehnten und Jahrhunderten die Bedürfnisse und Güter sowie die Struktur geändert, was sich u.a. anhand der Sektorenverschiebung in Deutschland und anderen Ländern nachvollziehen lässt. Für die „entwickelten“ Staaten kann als säkularer Trend die Entwicklung der Sektoren von der Agrar- über die Industrie- zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft konstatiert werden. Darst. 3: Kondratieff-Zyklen – sogenannte lange Wellen der Wirtschaftsentwicklung Konjunktur (Wertzuwachs) ca. 20 Jahre STAGNATION (Phase der Instabilität + Kreativität)

??

ca. 30 Jahre AUFSTIEG (Phase der Stabilität + Effektivität)____ ca. 50 Jahre KONJUNKTURZYKLUS

ca. 30

ca. 20

ca. 20

ca. 30

ca. 30

ca. 20

ca. 30

Übergang zur Dienstleistungs - und Informationsgesellschaft ??

ca. 20

Zeit 1800

Innovation (Ideenzuwachs)

1850

1900

Pharmaindustrie (Chinin) Lokomotive Telegraph Fotografie Elektromagnet Tiegelschmelz verfahren

Glühlampe Turbine Telefon Ottomotor Dynamit Aluminium Transformator Kunstdünger

1950

Radar TV/Radio Kernreaktion Elektronenmikroskop Katalytischer Cracker Penicillin

2000

2500

Laser ?? Robotics Mikroprozessor Gentechnologie bemannter Raumflug SI - Solarzellen

>

bedeutender technologischer Wandel

Innovationszyklen

ca. 50 Jahre

ca. 50 Jahre

ca. 50 Jahre

ca. 50 Jahre

Dampfmaschine Baumwolle

Eisenbahn Stahl

Elektrotechnik Chemie

Automobil Petrolchemie

?? Informationstechnik selbstlernende Systeme

Quelle: Zdrowomyslaw, Norbert u.a.: Unternehmen und ihre Umwelt, in: Zdrowomyslaw, Norbert (Hrsg.): Von der Gründung zur Pleite. Unternehmens-Lebenszyklus und Management der Unternehmensentwicklung, Gernsbach 2005, S. 27.

Der hohe Zuwachs an materiellem Wohlstand im Verlauf des 20. Jahrhunderts – wie nachfolgend noch aufgezeigt wird – ist auf den Trend zu vermehrter Arbeitsteilung sowie Spezialisierung und Professionalisierung zurück12

Nach Schumpeter treten Innovationen nicht kontinuierlich, sondern eher „diskontinuierlich“ auf. Einerseits zerstört Innovation lieb gewordene, eingespielte Beziehungen und ist ein destruktiver Prozess, andererseits ist sie ein Prozess der „schöpferischen Zerstörung“, da an die Stelle des Alten etwas Neues tritt.

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

35

zuführen. Es gibt heute zum einen ungleich mehr Wirtschaftsbranchen als vor hundert und mehr Jahren. Zum anderen führt die Nutzung der Vorteile der Arbeitsteilung zu einem ständigen Strukturwandel in den Volkswirtschaften. Neue Branchen entstehen, alte nehmen in ihrer Bedeutung ab und traditionelle Branchengrenzen verwischen zusehends. Im Zeitverlauf hat die Produkt- und Variantenvielfalt stark zugenommen.13 In der heutigen sog. Wohlstandsgesellschaft der entwickelten Industrieländer sind es eben nicht nur lebensnotwendige Güter die von den Konsumenten nachgefragt werden, sondern vermehrt auch sog. „Luxusgüter“. Mit der Wohlstandsentwicklung hat vor allem die Nachfrage nach der Güterart „Dienstleistung“ zugenommen. Wie hat sich aber historisch betrachtet der Wohlstand weltweit entwickelt?

3.

Unterschiede im weltweiten Wohlstand

Es war schon vor Jahrhunderten und Jahrtausenden Jahren so, dass der Reichtum auf der Welt sehr unterschiedlich und ungerecht verteilt gewesen ist. Dies hat sich nicht geändert. Nach wie vor gibt es reiche und arme Länder und reiche und arme Menschen. Die Unterschiede in den Lebensverhältnissen und dem Lebensstandard sind zum Teil enorm. In einigen Ländern und Regionen ist es an der Tagesordnung, dass Menschen verhungern, während andere Länder vergleichsweise als „Überflussgesellschaft“ bezeichnet werden können.14

13 14

Vgl. Weizsäcker, Carl Christian von: Logik der Globalisierung, Göttingen 1999, S. 13-15. Besonders in den 70er und 80er Jahren setzten sich Ökonomen mit dem Aspekt des Überflusses einerseits und den Grenzen des Wachstums andererseits kritisch auseinander. Galbraith, John Kenneth: Gesellschaft im Überfluss, München/Zürich 1963. Spätestens mit dem 1972 von Dennis H. Meadows u.a. veröffentlichten Bericht für den „Club of Rome“ sowie später mit der Studie für den amerikanischen Präsidenten „Global 2000“ wurde eindrucksvoll auf den begrenzten Lebensraum auf der Erde bei permanent wachsender Bevölkerung, auf die begrenzten natürliche Rohstoffe und die Folgen der Umweltverschmutzung hingewiesen. Meadows, Dennis, H: Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972; Meadows, Donella H./Meadows, Dennis L./Randers, Jørgen: Die neuen Grenzen des Wachstums. Die Lage der Menschheit: Bedrohung und Zukunftschancen, 7. Aufl., Stuttgart 1992.

36

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

Darst. 4: Wachstum des Welt-BIP von 2000 v. Chr. bis 2000 n. Chr. (prozentuales Wachstum in fortlaufenden 100-JahresAbschnitten)

Quelle: Bootle, Roger: Hoffnung auf Wohlstand. Chancen und Risiken der Weltwirtschaft, Hamburg 2004, S. 155.

Als (quantitativer) Leistungsmaßstab einer Volkswirtschaft oder einer Region wird traditionellerweise das Volkseinkommen oder Sozialprodukt herangezogen.15 Stark vereinfacht ist es die Umschreibung für den Geldwert der Produktion an Gütern und Dienstleistungen für den Endverbrauch während einer Periode. Relative Betrachtungen und qualitative Aspekte, wie Bewertung und Einbeziehung der Ökologie, finden in der traditionellen Berechnung des Volkseinkommens keine Berücksichtigung.16 15

16

Bei dieser Messung des Wohlstands ist zu berücksichtigen, dass „reich“ und „arm“ relative Begriffe sind, die in verschiedenen Ländern eine unterschiedliche Bedeutung haben und qualitative Aspekte des Wirtschaftswachstums (Lebensqualität) keine Berücksichtigung finden, aber auch schwer, wenn überhaupt, quantifizierbar sind. Zu relativen Formen des Wohlstands siehe Curry, Jeffrey E.: Internationale Wirtschaftszusammenhänge verstehen und geschäftlich nutzen, Köln 2000, S. 176-177. In der Politik und bei vielen Wissenschaftlern wird heute das Wirtschaftswachstum als eine Art Wunderwaffe bzw. Allheilmittel zur Lösung von Problemen angeführt. Steige das Sozialprodukt, so habe dies positive Auswirkungen auf Arbeitsmarkt, Einkommen usw. Doch der Parameter Wachstum allein gibt keinen Hinweis auf die tatsächliche Lebensqualität der Menschen. So steigt durch die Schadensbeseitigung von Naturkatastrophen das Wirtschaftswachstum, aber gleichzeitig sinkt das gesellschaftliche Vermögen. Dagegen bleiben nicht am Markt bewertete Leistungen wie Hausarbeit, ehrenamtliche Tätigkeit oder Umweltschäden unberücksichtigt. Kritische Hinweise zum Nationaleinkommen (Sozialprodukt) als Wohlstandsindikator siehe z.B. Bontrup, Heinz-J.: Volkswirtschaftslehre. Grundlagen der Mikro- und Makroökonomie, 2. Aufl., München/Wien 2004, S. 91-94; Bartling, Hartwig/Luzius, Franz: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. Einführung in die Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, 16. Aufl., München 2008, S. 163-165.

37

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

Wie Darstellung 4 modellhaft vereinfacht zeigt, hängt das Gut „Sozialprodukt“ als Output einer Volkswirtschaft von den zum Einsatz kommenden Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital ab. Darüber hinaus spielt das technisch-organisatorische Wissen eine große Rolle, wenn es darum geht die einzelnen Produktionsfaktoren zu kombinieren. Daraus ergibt sich, dass es nicht allein darauf ankommt, was kombiniert wird, sondern auch wie es kombiniert wird. Insofern kann das technisch-organisatorische Wissen, das in der besseren Kombination der Produktionsfaktoren begründet ist, als Bindeglied zwischen den Produktionsfaktoren Input und Output aufgefasst werden. Die Güterproduktion (hierzu zählen auch Dienstleistungen aller Art) einer Volkswirtschaft umfasst alle ökonomischen Aktivitäten von der Urerzeugung über die Be- und Verarbeitung bis hin zur Verteilung (Distribution, aber nicht Konsumtion) knapper Güter. Darst. 5: Modell der volkswirtschaftlichen Güterproduktion

Arbeit

Produktionsfaktoren

Boden

Kapital

(Realkapital ohne Geldkapital)

Quantität Qualität Anbau Abbau Standort Quantität Qualität

Volkswirtschaft

Universalgut „Sozialprodukt“

(technischer Fortschritt)

technisch-organisatorisches Wissen (wird bei Kombination der Produktionsfaktoren eingesetzt)

Input

Produktionsprozess

Output

Quelle: In Anlehnung an Bartling, Hartwig/Luzius, Franz: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. Einführung in die Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, 16. Aufl., München 2008, S. 21-27

38

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

Es existieren – nennen wir es mutige oder tollkühne Schätzungen – wie sich das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf der Welt von 2000 vor Christi bis 2000 nach Christi entwickelt hat. Darstellung 5 weist darauf hin, dass erst nach dem 15. Jahrhundert nach Christi die Bevölkerung die wirtschaftliche Entwicklung spürbar wahrnahm. Die Fortschritte der zurückliegenden 3.500 Jahre fast Roger Bootle wie folgt vereinfacht zusammen: „Bis 1500 n. Chr. stieg das Pro-Kopf-Einkommen wahrscheinlich um 50 Prozent. Auf den ersten Blick scheint das gar nicht so schlecht, doch gut ist es eben auch nicht, wenn man sich mehr als eine Million Jahre abmüht. Es kamen und gingen die Generationen und doch blieb alles beim Alten, und zwar so sehr, dass jemand, der Jahrhunderte später wiedergeboren worden wäre, die Lebensart und die Umgebung auf Anhieb wiedererkannt hätte. Und das, obwohl die Gesamtproduktionsleistung in dieser Zeit beträchtlich anstieg. Das Problem war nur, dass der gesamte „Fortschritt“ durch den schon beschriebenen Bevölkerungsanstieg aufgezehrt wurde.“17 Nach 1500 zog das Wachstum zwar weltweit an, vor allem in Westeuropa. Keinen merklichen Anstieg des Fortschritts gab es allerdings in Afrika und Asien. Im 19. Jahrhundert stieg das Volkseinkommen sprunghaft an und das BIP pro Kopf stieg auf mehr als das Dreifache an, im 20. Jahrhundert sogar auf mehr als das Zehnfache. Im Zeichen der Industrialisierung verzeichnete Westeuropa im 20. Jahrhundert einen bis dato noch nicht gekannten wirtschaftlichen Fortschritt.18 An dem weltweiten Wirtschaftswachstum der letzten zwei Jahrhunderte partizipierten aber keineswegs alle Länder und erst recht nicht alle Länder gleichermaßen. Bartling und Luzius fassen diesen Sachverhalt des gewaltigen Wohlstandsgefälles zwischen den Entwicklungs- und Industrieländern im 21. Jahrhundert wie folgt zusammen: „Im Jahr 2004 verfügten die Industrieländer (Länder mit über dem Weltdurchschnitt liegenden Pro-Kopf-Einkommen) über ein durchschnittliches Pro-Kopf-Sozialprodukt, das fast sechzigmal so hoch war wie das der Entwicklungsländer (Nord-Süd-Gefälle). … gibt es auf der nördlichen Erdhälfte ebenfalls ein deutliches Wohlstandsgefälle, vor allem zwischen den westlichen Industrieländern und den Transformationsstaaten. Bezieht man die Bevölkerungsanteile in die Betrachtung ein, ergibt sich, dass auf die unter 20 v.H. der Weltbevölkerung, die in 27 Ländern mit über dem Weltdurchschnitt liegenden Pro-Kopf-Einkommen leben, etwa 80 v.H. des Weltbruttonationaleinkommens entfallen. Demgegenüber stehen den Ländern mit niedrigem und mittlerem

17 18

Bootle, Roger: Hoffnung auf Wohlstand, Chancen und Risiken der Weltwirtschaft, Hamburg 2004, S. 154. Vgl. Bootle, Roger: Hoffnung auf Wohlstand, Chancen und Risiken der Weltwirtschaft, Hamburg 2004, S. 154-156.

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

39

Einkommen, die ca. 80 v. H. der Weltbevölkerung umfassen, nur etwa 20 v.H. des Weltsozialprodukts zur Verfügung.“19 Nicht nur das Pro-Kopf-Einkommen zeigt die ungleiche Verteilung des weltweiten Wohlstands, sondern auch das Verhältnis von weltweitem Privatkonsum zum Weltbevölkerungsanteil (siehe Darstellung 6) kann dieses Missverhältnis aufzeigen. Darst. 6: Verhältnis zwischen Weltbevölkerung und Konsum

Quelle: Agenda21-Treffpunkt, Download unter: http://www.agenda21-treffpunkt.de/ archiv/04/10/DWHHkonsum4c.pdf, Abruf am 16.07.2008, 14:25 Uhr.

Eine ungleiche Wohlstandsverteilung ist nicht zuletzt auch durch die unterschiedliche Verteilung der Produktionsfaktoren bedingt. Insbesondere das Vorhandensein von Kapital und technisch-organisatorischem Wissen spielt in den letzten Jahrzehnten eine entscheidende Rolle. Da die Produktionsfaktoren in den einzelnen Ländern unterschiedlich verteilt sind, ist es ökonomisch 19

Bartling, Hartwig/Luzius, Franz: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. Einführung in die Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, 16. Aufl., München 2008, S. 314-315.

40

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

sinnvoll weltwirtschaftliche Handelsbeziehungen einzugehen, um dem Streben nach Wohlstand gerecht zu werden.

4.

Weltwirtschaftwirtschaftliche Handelsbeziehungen

Die internationale wirtschaftliche Verflechtung ist seit der Entdeckung der Vorteile des Freihandels wohl bekannt und kein prinzipiell neues Phänomen.20 Die fortschreitende Arbeitsteilung führte zu einer Ausweitung von Handelsbeziehungen über Ländergrenzen hinaus und zu mehr materiellem Wohlstand. Die Wirtschaftsbeziehungen entwickelten sich mit zunehmender Mobilität weltweit. Es ist sicher richtig, dass internationale Handels- und Finanzvernetzungen auch schon Ende des 19. Jahrhunderts, also vor dem Ersten Weltkrieg, existierten und nicht einmal multi- bzw. transnationale Unternehmen neu sind. Allerdings haben die Quantität und die Qualität des Internationalisierungsprozesses in den letzten Jahrzehnten an Dynamik zugelegt. Heute haben die Begriffe „Internationalisierung“21 und „Globalisierung“22 zur Kennzeichnung der intensiven und vernetzten weltwirtschaftlichen Handelsbeziehungen sowie dem weltweiten Tausch von Waren und Dienstleistungen in der Fachliteratur, den Medien und der Bevölkerung ihren festen Platz. Wie haben sich die Handelsbeziehungen, im historischen Schnellflug betrachtet, entwickelt? Fanden zunächst die Austauschbeziehungen auf lokaler Ebene statt, so weiteten sich diese mit der Möglichkeit, Entfernungen schneller zu überwinden recht schnell auf überregionale, nationale und internationale Aktivitäten aus. Handelsbeziehungen zwischen verschiedenen Völkern und Kulturen sind schon seit der Antike bekannt. Beispielhaft seien hier der Handel im Mittelmeerraum zwischen Griechen und Phöniziern sowie zwischen Europäern und Asiaten über die Seidenstraße genannt. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die zum Teil einseitigen Handelsbeziehungen in der Kolonialphase, etwa in der Periode zwischen dem Ende des 15. und der Mitte des 20. Jahrhunderts, erheblich intensiviert. Mit dem Ende des Zweiten Welt20 21

22

Zur Internationalisierung der Wirtschaft als historisches Phänomen siehe z.B. Kutschker, Michael/ Schmid, Stefan: Internationales Management, 2. Aufl., München/Wien 2002, S. 7-210. Gelegentlich werden die Begriffe Internationalisierung und Globalisierung synonym verwendet, was allerdings nicht dem üblichen Sprachgebrauch entspricht. In der Regel werden mit dem Internationalisierungsbegriff unternehmensbezogene Aktivitäten beschrieben, wie folgender Definition zu entnehmen ist: „Das Spektrum der Betrachtung reicht von bestimmten Formen des Markteintritts, d.h. Internationalisierung verstanden als Export, Direktinvestition im Ausland oder Lizenzvergabe ins Ausland, über Fragestellungen zur Führung ausländischer Tochtergesellschaften, bis hin zur abstrakten Gleichsetzung von Internationalisierung und grenzüberschreitender Auslandstätigkeit.“ Perlitz, Manfred: Internationales Management, Stuttgart/Jena 1993, S. 7. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts war der Begriff „Globalisierung“ noch in keinem Lexikon zu finden, so ist er aus der öffentlichen Diskussion heute nicht mehr wegzudenken und wird zur Beschreibung unterschiedlicher Phänomene in den sozial-, politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Debatten verwendet. Stypa, Marta: Möglichkeiten und Grenzen der Globalisierung. Geschichte, Ideologie, Ökonomik, Saarbrücken 2006, S. 7.

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

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kriegs und der Dekolonisierung begann grundsätzlich eine Phase der Liberalisierung des Welthandels, wobei dennoch durch vielfältige unterschiedliche wirtschaftliche und politische Interessen in weiten Bereichen der Welthandel protektionistisch eingeschränkt wurde. Zum Ende des 20. und Anfang des 21. Jahrtausends hat sich nicht nur die Weltwirtschaft rasant entwickelt, sondern es hat sich auch die wirtschaftliche und politische Verflechtung der Volkswirtschaften in allen Bereichen beschleunigt. Die Vorteile des Außenhandels haben alle Länder erkannt. Es lassen sich Gewinne erzielen und neue Produkte kaufen. Der zunehmende Außenhandel führt allerdings auch zu einer Ausweitung des internationalen Wettbewerbs. Die heutige Welthandels- und Weltwirtschaftsordnung basiert auf einem Geflecht von bi- und multinationalen Verträgen und Abkommen.23 Wer tauscht welche Produkte in welchen Größenordnungen? Zwar spielen die Rohstoffe nach wie vor eine zentrale Rolle – man denke hier nur an die Förderung und den Handel mit Rohöl – aber der Wert und Austausch von Fertigprodukten im Welthandel steigt laufend. Allerdings fällt die Integration der Länder in den (freien) Welthandel unterschiedlich aus. Nach wie vor dominieren die Industrieländer im Welthandel. Der Welthandel sowie die Produktions- und Investitionsströme verlaufen größtenteils weiterhin innerhalb der drei auch als Triade bezeichneten Wirtschaftsblöcke NAFTA, ASEAN und EU. Darstellung 7 zeigt, welcher Anteil des Außenhandels bei bestimmten Wirtschaftsgemeinschaften – nach Schätzungen für das Jahr 1996 – als IntraRegional-Handel betrachtet werden kann, als derjenige zwischen Regionalgemeinschaften (siehe detaillierter Darstellung 13).

23

Vgl. Koch, Eckart: Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 3. Aufl., München 2006, S. 5-6.

42

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

Darst. 7: Der Anteil des Intra-Regional-Handels ausgewählter Regionalgemeinschaften

Quelle: Kutschker, Michael/Schmid, Stefan: Internationales Management, 2. Aufl., München/ Wien, 2002, S. 200.

Legt man die regionalen Anteile am Welthandel zugrunde, so haben sich die Anteile zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern (einschließlich der rohölexportierenden Länder und der sog. Schwellenländer) sowie den heutigen Reformstaaten in den letzten 25 Jahren kaum verschoben. „Der Anteil der Industrieländer an den weltweiten Exporten beträgt 65 % bis 70 %, während auf die Entwicklungsländer zwischen 25 % bis 30 % und die Reformstaaten 5 % bis 10 % entfallen. Hierbei liegt der Anteil des Handels zwischen den Industrieländern, der Nord-Nord-Handel, bei gut 50 % des gesamten Welthandels, der Anteil des Nord-Süd-Handels bei 33% und der des Süd-SüdHandels bei 12%.“24 Eine besondere Stellung auf dem Weltmarkt als Exportländer haben die USA und Deutschland. Obwohl Deutschland ein rohstoffarmes Land ist, kann es sich seit Jahren mit dem Titel „Exportweltmeister“ schmücken. Es gibt kaum einen Vortrag, eine Diskussionsveranstaltung, einen Zeitungsartikel und ein Politikerstatement zum Standort Deutschland, ohne dass der Begriff der „Globalisierung“ bemüht wird.

24

Koch, Eckart: Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 3. Aufl., München 2006, S. 8.

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

5.

43

Globalisierung und internationaler Wettbewerb

Der Modernisierungsprozess der Welt, der vielfach mit den Begriffen Globalisierung25 und internationale Wettbewerbsfähigkeit in Zusammenhang steht, ist ein Prozess auch der zunehmenden Verfeinerung der Arbeitsteilung und des Bemühens um einen weltweiten Freihandel (Freihandelsdoktrin).26 Allerdings bewegte sich in den letzten 200 Jahren die internationale Handelsund Wettbewerbspolitik im Spannungsfeld von Freihandelspolitik und Protektionismus.27 Die „Globalisierung“ ist aber keineswegs nur ein junges Modewort und ein nicht fassbares Phänomen, sondern der Globalisierungsprozess spiegelt sich durchaus in der Realökonomie der Volkswirtschaften wider. Als allgemeine und vielfach akzeptierte Definition wird unter der (ökonomischen) Globalisierung28 die zunehmende weltweite Vernetzung der nationalen Produkt-, Faktor- und Finanzmärkte verstanden, d.h. ihre fortschreitende Integration in die Weltwirtschaft. Dabei gelten als Globalisierungsindikatoren der Außenhandel, die Auslandsinvestitionen und die internationalen Handelsströme. Über die Entwicklungsstadien, die Triebkräfte, die Möglichkeiten und Grenzen sowie die Auswirkungen der Globalisierung wird in der Wissenschaft und Politik heftig gestritten. Die Globalisierung ist mehr als nur ein „Streitfall“.29 Der Begriff der „Globalisierung“ ist zwar noch recht jungen Datums, aber die realen Entwicklungen, die vielfach dem Wort zugeordnet werden, lassen 25

26 27 28

29

Die Literatur zum Thema Globalisierung ist mittlerweile so umfangreich, dass sie viele Regale in Bibliotheken füllt. Dass dieses Thema ein Reizthema ist und viele Facetten und Sichtweisen aufweist, ist teilweise bereits den Titeln der Bücher zu entnehmen. Im Folgenden seien hier einige ausgewählte Werke benannt: Boxberger, Gerald/Klimenta, Harald: Die 10 Globalisierungslügen. Alternativen zur Allmacht des Marktes, 3. Aufl., München 1998; Duwendag, Dieter: Globalisierung im Kreuzfeuer der Kritik. Gewinner und Verlierer – Globale Finanzmärkte – Supranationale Organisationen – JobExport, Schriften zur monetären Ökonomie 49, Baden-Baden 2006; Martin, Hans-Peter/Schumann, Harald: Die Globalisierungsfalle. Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand, Hamburg 1998; Müller, Stefan/Kornmeier, Martin: Streitfall Globalisierung, München/Wien 2001; Stiglitz, Joseph: Die Schatten der Globalisierung, Berlin 2002. Zur historischen und empirischen Situation der „Weltwirtschaft zwischen Protektionismus und Freihandel“ siehe Müller, Stefan/Kornmeier, Martin: Streitfall Globalisierung, München/Wien 2001, S. 89-137. Vgl. Koch, Eckart: Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 3. Aufl., München 2006, S. 165-196. Spätestens seit den Protesten gegen die Welthandelsorganisation (WTO) in Seattle (1999) wird in der öffentlichen Debatte sowie in den meisten Kreisen der Wirtschafts- und Politikwissenschaftler unter „Globalisierung“, zumeist ein ökonomischer sowie politischer Prozess verstanden, welcher je nach Interesse und Deutung entweder als Chance oder als Bedrohung aufgefasst wird. Vgl. Stypa, Marta: Möglichkeiten und Grenzen der Globalisierung. Geschichte, Ideologie, Ökonomik, Saarbrücken 2006, S. 7. „Kein Thema ist gegenwärtig so umkämpft wie die Globalisierung. Und es ist eine Auseinandersetzung ums Ganze: Wohin führt die Globalisierung, wie kann sie gesteuert werden? Brauchen wir ‚mehr Markt‘ oder eine Re-Regulierung der Weltwirtschaft? Wie kann die ökonomische Entwicklung gestaltet, ökologische Nachhaltigkeit gewährleistet werden? Und vor allem, was ist politisch geboten: Empire oder Global Governance? Davos oder Porto Alegre?“ steht im Editorial zum Sammelwerk Blätter für deutsche und internationale Politik (Hrsg.): Der Sound des Sachzwangs. Der Globalisierungs-Reader, 3. Aufl., Bonn/Berlin 2007.

44

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

sich durchaus schon ins 19. oder gar 18. Jahrhundert beobachten. Zwar verzeichneten bereits die Jahrhunderte in der Zeit der alten Kulturen bis 1820 Phasen intensiver Handelsströme, aber eben ohne eine internationale Preisangleichung. Vielmehr beherrschten merkantilistische und monopolistische Praktiken das damalige Welthandelsgeschehen. Vor diesem Hintergrund werden in der Literatur zwei „echte“ Globalisierungs-Jahrhunderte mit mehreren „Globalisierungswellen“ ausgemacht. Die Phase von etwa 1820 (nach den Napoleonischen Kriegen) bis 1913 und von etwa 1950 bis heute. Für die Zeit von 1870 bis 2000 werden empirisch drei „Globalisierungswellen“ unterschieden: 1870-1914, 1945-1980 und 1980-2000. Zwar bildete die Neuordnung der Weltwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg die Grundlage für die wachsende Verflechtung nationaler Güter- und Finanzmärkte, aber erst die so genannte „neue Globalisierungswelle“ (1980-2000) wird als diejenige Phase angesehen, die den Begriff „Globalisierung“ tatsächlich rechtfertigt, da die Dynamik in dieser Zeit die vorherigen Phasen deutlich übertroffen hat.30 Zahlreiche Faktoren werden in der Literatur für den sich fortschreitenden Globalisierungsprozess angeführt. Wie Darstellung 8 zeigt, werden als die wichtigsten Triebkräfte und Schrittmacher der „neuen Globalisierungswelle“ der Einsatz neuer Technologien, insbesondere der Informations- und Kommunikationstechnologien, die Liberalisierung des Außenhandels, die Globalisierung der Finanzmärkte, die Transformation der Planwirtschaften, die Marktöffnung der Dritten Welt und die Schaffung regionaler Handelszonen angesehen. Diese Beschleuniger der Globalisierung haben zu einem immensen Anwachsen der trans- bzw. multinationalen Unternehmen („Multis“, „Global Players“) geführt.31

30 31

Vgl. Duwendag, Dieter: Globalisierung im Kreuzfeuer der Kritik. Gewinner und Verlierer – Globale Finanzmärkte – Supranationale Organisationen – Job-Export, Schriften zur monetären Ökonomie 49, Baden-Baden 2006, S. 11-15. Vgl. Duwendag, Dieter: Globalisierung im Kreuzfeuer der Kritik. Gewinner und Verlierer – Globale Finanzmärkte – Supranationale Organisationen – Job-Export, Schriften zur monetären Ökonomie 49, Baden-Baden 2006, S. 15-22.

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

45

Darst. 8: Beschleuniger der „neuen“ Globalisierungswelle Außenhandelsliberalisierung Finanzmarktliberalisierung Regionale Handelszonen Transformation des Ostblocks

GlobalisierungsMultinationale

wellen in den

Unternehmen

1980er und 1990er Jahren

Marktöffnung der Dritten Welt Fortschritt der IuK-Technologien

Quelle: Modifiziert nach Duwendag, Dieter: Globalisierung im Kreuzfeuer der Kritik. Gewinner und Verlierer – Globale Finanzmärkte – Supranationale Organisationen – Job-Exporte, Schriften zur monetären Ökonomie, Baden-Baden 2006, S. 15.

Eine sichtbare Folge der Internationalisierung bzw. der Globalisierung der Wirtschaft ist, dass sich Produkte und Leistungen und deren Herstellung immer schwieriger und inzwischen nur noch ausnahmsweise einzelnen Ländern, Unternehmen oder Herstellungsorten zuordnen lassen. So setzt sich beispielsweise ein in Deutschland produziertes Auto wie der VW-Golf („Made in Germany“) aus vielen Komponenten zusammen, die aus anderen Ländern zugeliefert werden.32 Darstellung 9 zeigt exemplarisch, von welchen Firmen Volkswagen in Wolfsburg Vorprodukte zur Herstellung des Passats geliefert bekommt.

32

Die Top-Liferanten des neuen VW Golf sind aufgelistet in der Zeitschrift in: Automobil-Produktion 12/2008, S. 46-47.: o.V.: Von A bis Z: Wer liefert was?

46

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

Darst. 9: Passat Wis s ens s ta fette in der B es c haffung

Sachsenring Zwickau

VW Braunschweig Glauchau

Hilfsrahmen, Federbeine

Hinterachse motion 4-

VDO Crossen

VW Braunschweig über Sachsenring

Cockpit, Tank

JC Zwickau Komplettsitze

S chwenklager

Peguform über SAI Meerane

GKN Mosel Gelenkwellen

Türverkleidungen

BASF Lack

GilletZwickau GilletZwickau Radsystem Mosel

Abgasanlage hinten

Kompletträder

Grupo Antolin Crimmitschau

Brose Meerane Aggregateträger Tür

Hella Meerane Frontend

Formhimmel mit Ltg.

VW Bordnetze Mosel

PeguformGlauchau Glauchau Peguform

Innenraumleitungsstrang

S toßfänger vorn+hinten

DräxlmaierCrossen

KendrionGlauchau

Cockpitleitungsstrang (Lieferung JIT in JIT an VDO)

Mittelkonsole

Quelle: Volkswagen Individual GmbH

Die Kooperation von Unternehmen aus mehreren Ländern bei der Realisierung von Großprojekten, lässt sich recht plastisch an der Produktion des Airbus ablesen (siehe Darstellung 10).

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

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Darst. 10: Airbus

Quelle: Airbus Deutschland GmbH

Die Wertschöpfung der Automobilbranche und der Flugzeugindustrie, wie auch in vielen anderen Sektoren der Wirtschaft, ist wegen des beachtlichen Anteils importierter Leistungen deutlich geringer als eine Umsatzstatistik ausweisen würde.33 In einer vermeintlichen Welt der Freihandels- sowie der Liberalisierungsund Privatisierungsdoktrin wird man fast zwangsläufig mit dem Begriff der „internationalen Wettbewerbsfähigkeit“ konfrontiert. Alle Akteure befinden sich mehr oder weniger in einem verstärkten Wettbewerb. Unternehmen, Länder, Regionen und Städte sehen sich als Konkurrenten und Partner gleichermaßen. Einerseits fechten die Unternehmen einen intensiven Konkurrenzkampf 33

Der Begriff der Wertschöpfung steht im Zentrum der ökonomischen Theorie. Wertschöpfung ist die Maßgröße für die Leistungskraft von Volkswirtschaften und Unternehmen. Betriebliche Wertschöpfung = Umsatzerlöse minus Vorleistungen dritter Betriebe. Aus der Verteilungsrechnung der Wertschöpfung ergibt sich eine Aufgliederung, die u.a. folgende große Positionen enthält: Löhne, Steuern, Fremdkapitalzinsen und Gewinne. Die Wertschöpfung hat aber nicht nur eine rein ökonomische Natur, wie den Beiträgen in folgendem Buch zu entnehmen ist: Horváth, Péter (Hrsg.): Wertschöpfung braucht Werte. Wie Sinngebung zur Leistung motiviert, Stuttgart 2006.

48

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

um die Absatzmärkte aus, andererseits kooperieren sie weltweit und bilden strategische Allianzen, um Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Ähnliches ist auf der Ebene von Staaten zu beobachten. Neben multilateralen Abkommen, wie dem GATT (General Agreement on Tariffs and Trade = Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) und der Nachfolgeinstitution des GATT, der 1995 gegründeten WTO (World Trade Organisation = Welthandelsorganisation), sind regionale Handelszonen auf dem Vormarsch. Während die WTO als Institution aufgefasst werden kann, die für eine möglichst reibungslose Umsetzung der Freihandelsideologie (Wächter, Schiedsrichter und Förderer) sorgt, verfolgen die sich regional bildenden Handelszonen zwar ebenfalls das Ziel Zölle und andere Handelsbarrieren abzubauen, aber von diesen Handelsvorteilen sollen nur die jeweiligen Partner des regionalen Abkommens (Bündnisses) profitieren. Innerhalb des allgemeinen Globalisierungsprozesses lässt sich ein neuerlicher Trend zur Regionalisierung bzw. zum Regionalismus festmachen, d.h. es findet praktisch zugleich die Intensivierung regionaler Wirtschaftsbeziehungen und damit das immer engere Zusammenwachsen regionaler Gruppen von Ländern statt (z.B. Europäische Union).34 Bevor wir uns der Frage der politischen Regulierung der Weltwirtschaft und einer Bewertung der Regionalisierung (im Sinne von Bildung von Wirtschaftszonen) widmen, wird zunächst noch der Aspekt der Wettbewerbsvorteile oder der Standortqualität von Ländern kurz beleuchtet. Was verbirgt sich aber hinter dem schillernden Begriff der „internationalen Wettbewerbsfähigkeit“? Die Frage nach der internationalen Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft oder von regionalen Verbünden, die vor allem in Deutschland seit den 70er Jahren in Wissenschaft und Politik gestellt wird, umfasst eine Vielzahl (sich teilweise widersprechender) Konzepte und Ansätze sowie unterschiedliche Einschätzungen, welche Faktoren die Standortqualität eines Landes maßgeblich beeinflussen. Die sog. internationale Konkurrenzfähigkeit beschäftigt zusehends die auf die Wirtschafts- und Strukturpolitik einwirkenden Akteure. Ausdruck der Sorge auf supranationaler Ebene ist beispielsweise das von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften im Jahr 1993 veröffentlichte Weißbuch mit dem Titel „Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung“. Dieses Werk enthält eine Bestandsaufnahme der relativen Konkurrenzfähigkeit der Europäischen Union im Vergleich zu den

34

Vgl. Zum „neuen Regionalismus“ bezogen auf die Außenwirtschaft nachzulesen bei Duijm, Bernhard: Der neue Regionalismus und seine Folgen für die Außenwirtschaft, in: Der Betriebswirt 2/2006, S. 29-34 und prinzipiell zum Aspekt der Regionalisierung als Pendant zur Globalisierung siehe z.B. Bruns, Johannes: Regionale Modernisierungspolitik in Förderalismus und Zentralismus. Die Beispiele Großbritannien und Deutschland, Wiesbaden 2003; zur internationalen Integration und Regionalisierung von Handelspartnern und ausgewählten Welthandelsregionen ausführlich nachzulesen bei Koch, Eckart: Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 3. Aufl., München 2006, S. 39-70.

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

49

USA und zu Japan und Vorschläge, welche Maßnahmen zur Wiedergewinnung verlorengegangener Wettbewerbsvorteile zu ergreifen sind.35 Die Frage nach der Standortqualität und den dafür verantwortlichen Faktoren wird in der volks- sowie betriebswirtschaftlichen Literatur immer wieder gestellt und analysiert. Allerdings bestehen über die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunft des Industriestandorts Bundesrepublik Deutschland unterschiedliche Auffassungen, und vor allem darüber, welche Standortfaktoren hierfür entscheidend sind.36 Weitgehend unbestritten ist lediglich, dass die Qualität eines Standortes (Land, Region oder Stadt) maßgeblich daran zu messen sei, welche Bedeutung den einzelnen Standortfaktoren grundsätzlich für Investitionsentscheidungen den Unternehmen zukommt und schließlich bei grenzübergreifenden Investitionstätigkeiten (Direktinvestitionen). Welche Vor- und Nachteile die Bundesrepublik Deutschland (vermeintlich) als Unternehmensstandort aufweist, zeigt Darstellung 11. Darst. 11: Vor- und Nachteile der Bundesrepublik Deutschland als Unternehmensstandort Standort Bundesrepublik Deutschland Indikator für die Standortqualität: Entwicklung der Direktinvestitionen Standortvorteile

Standortnachteile

ÿhochentwickelte Infrastruktur ÿgut ausgebildete Fachkräfte ÿhoher Qualitätsstandard ÿpolitische Stabilität ÿsozialer Frieden ÿzentrale geographische Lage ÿtechnologischer Entwicklungsstand

ÿhohe Arbeitskosten ÿkürzere Arbeitszeiten ÿkürzere Betriebszeiten ÿhohe Steuerbelastung ÿstarre arbeitsrechtliche Regelungen ÿkostenintensive Umweltschutzauflagen ÿhöhere Kosten für: - Energie - Transport - Telekommunikation

Quelle: Weindl, Josef: Europäische Gemeinschaft. Institutionelles System, Binnenmarkt sowie Wirtschafts- und Währungsunion auf der Grundlage des Maastrichter Vertrages, 3. Aufl., München/Wien, 1996, S. 245.

35 36

Vgl. Reichel, Richard: Ökonomische Theorie der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften, Wiesbaden 2002, S. 11-16. Während viele Unternehmer und Unternehmerverbände über Standortnachteile klagen, heben Gewerkschaften und eine Minderheit der Wissenschaftler die Standortvorteile Deutschlands hervor. Welchen Standort ein Unternehmen letztlich auswählt, hängt nicht von einem einzigen Indikator ab, sondern ist immer auch eine strategische Entscheidung des Top-Managements.

50

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

Zur Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit, der Standortqualität sowie zu Standortschwächen und stärken der Bundesrepublik werden immer wieder – vielfach mit stark abweichenden Ergebnissen – Einschätzungen (z.B. Umfragen bei Fachleuten und Managern) bzw. Studien (unter Verwendung von quantitativen Indikatoren) vorgelegt. Wie Deutschland in seiner Standortattraktivität nach einer recht aktuellen Studie für die Jahre 2000, 2003 und 2006 im Länder-Ranking (18 Länder) eingestuft wurde, ist der Darstellung 12 zu entnehmen. Unter Zugrundelegung von 17 quantitativen Indikatoren37 kommen die Autoren der Abteilung Allianz Dresdner Economic Research zum Ergebnis, dass im Performance-Vergleich der Standorte Deutschland von Platz 5 in 2000 auf Platz 8 in 2006 zurückgefallen ist. Nach Auffassung der Autoren ist dies weder ein Grund zu Missmut noch zu Selbstzufriedenheit.38 Darst. 12: Performance-Vergleich der Standorte

Schweden Niederlande Großbritannien Kanada Deutschland Japan Frankreich USA Belgien Österreich Euro-Raum Spanien Italien Brasilien China Polen Russland Indien

Performance-Vergleich der Standorte 2000 2003 1 Schweden 1 Schweden 2 Niederlande 2 Niederlande 3 Österreich 3 Großbritannien 4 Spanien 4 Belgien 5 Belgien 5 Österreich 6 Japan 6 Frankreich 7 Großbritannien 7 Kanada 8 Frankreich 8 Deutschland 9 Deutschland 9 USA 10 Euro-Raum 10 Euro-Raum 11 USA 11 Spanien 12 Brasilien 12 Japan 13 China 13 China 14 Russland 14 Brasilien 15 Kanada 15 Russland 16 Italien 16 Italien 17 Indien 17 Indien 18 Polen 18 Polen

2006 1 2 2 4 5 6 7 8 8 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Quelle: Broyer, Claudia/Eder, Gregor/Leim, Wolfgang/Schneider, Rolf: (2007) Deutschland im internationalen Standortvergleich, Working Paper Nr. 90, Allianz Dresdner Economic Research, S. 6.

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

6.

51

Regulierung der Weltwirtschaft und Wirtschaftszonen

Die Qualität von Wirtschaftsstandorten und die wirtschaftliche Entwicklung von Staaten und Regionen hängen einerseits von den vorhandenen Ressourcen sowie andererseits von Interventionen und dem Agieren unterschiedlicher Akteure ab, die in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Geschehen eingreifen. In diesem Abschnitt werden deshalb zwei Aspekte der Regulierung beleuchtet. Zum einen die Regulierungsinstanzen sowie -bemühungen der Weltwirtschaft und zum anderen die Zugehörigkeit bzw. die Gruppierung von Ländern zu politischen und wirtschaftlichen Verbünden (Regionalgemeinschaften oder Wirtschaftszonen). 3738 Anders als in der Kolonialzeit bzw. im Imperialismus, wo eine erzwungene Arbeitsteilung (vor allem Rohstoffe gegen Fertigprodukte) vielfach nur zwischen Mutterland und Kolonien erlaubt war und stattfand, können die nunmehr völkerrechtlich souveränen Wirtschaftssubjekte der (neuen) Staaten mit jedem anderen Staat Geschäfte und Handel betreiben. Das Streben nach einer weitgehenden Aufhebung der militärisch, rechtlich und wirtschaftlich aufgezwungenen „strukturellen Gewalt“ wirft die Frage nach einer politischen Regulierung der Weltwirtschaft auf. Im Zuge der Erfahrungen beider Weltkriege und der Weltwirtschaftskrise 1929 haben die Versuche zugenommen, die Weltwirtschaft (wirtschafts-) politisch zu regulieren. Die Gründung der Vereinten Nationen (UNO = United Nations Organization) erfolgte von 41 Staaten im Jahre 1945 als zwischenstaatliche Organisation mit der Zielsetzung, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu gewähren, freundschaftliche Beziehungen zwischen den Völkern zu entwickeln und die friedliche internationale Zusammenarbeit zu fördern. Die politische und wirtschaftliche Regulierung der Weltwirtschaft haben andere Institutionen maßgeblich in die Hand genommen. Joseph Stiglitz sieht heute in dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der Welthandelsorganisation (WTO) die drei wichtigsten Institutionen, die 37

38

Leistungskraft: nominales Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, Warenausfuhr pro Kopf; Dynamik: Veränderung gegenüber dem Vorjahr der Arbeitsproduktivität, der Beschäftigung und der realen Warenausfuhr; Verfügbarkeit von Kapital, Arbeit und technologischem Wissen: Erwerbstätigenquote 15-64 J., Investitionsquote, F&E-Ausgaben in % des BIP, Patentanmeldungen je Mio. Einwohner beim Europäischen Patentamt, Akademikerquote, ausländische Dirketinvestitionen in % des BIP und Wanderungssaldo; Nachhaltigkeit der fiskalischen und ökologischen Entwicklung: Leistungsbilanzsaldo, öffentlicher Schuldenstand und öffentlicher Primärsaldo in % des BIP sowie KohlendioxidAusstoß und Primärenergieverbrauch pro BIP-Einheit. Die Indikatoren sind nicht völlig unabhängig voneinander gewählt, so dass die Aggregation zu einem Ranking methodisch kritisierbar bleibt. Die Entwicklung einer Balance Scorecard für den volkswirtschaftlichen Bereich steht noch aus. Die in die Analyse einbezogenen Länder repräsentieren insgesamt 80 % der weltwirtschaftlichen Wertschöpfung. Zum methodischen Vorgehen und den quantitativen Indikatoren siehe Broyer, Claudia/Eder, Gregor/Leim, Wolfgang/Schneider, Rolf: Deutschland im internationalen Standortvergleich, Working Paper Nr. 90, Allianz Dresdner Economic Research, 2007, S. 1-5.

52

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

die Globalisierung lenken. Daneben gibt es noch viele weitere Institutionen, die im internationalen Wirtschaftssystem eine Rolle spielen. Hierzu zählen mehrere regionale Banken, kleinere und jüngere Schwestern der Weltbank, und zahlreiche UN-Organisationen, wie das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) oder die UN-Handels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD). Der Prozess der Globalisierung wird ferner durch internationale zwischenstaatliche Institutionen moderiert, wie die Vereinten Nationen (UNO), die sich weltweit für die Wahrung des Friedens einsetzen, die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die ihr Anliegen weltweit unter „menschenwürdige Arbeitsbedingungen“ propagiert, und die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die sich besonders um die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung in der sog. Dritten Welt bemüht.39 In den erwähnten Institutionen ist die Meinung vorherrschend, dass der Markt die zentrale Regulierungsinstanz ist und kaum ein Staat, egal ob Entwicklungsland, Industrienation oder ehemals sozialistisch, sich heute dem neoliberalen und monetaristischen Wettbewerbsgedanken entziehen kann. Denn – wie es Boxberger und Klimenta formulieren – „der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank sind Institutionen, die neoliberales Denken bis in die entlegensten Winkel der Erde transportieren.“40 Zwar dominiert grundsätzlich weltweit die Ideologie der Marktgesetze, aber sobald ein Land glaubt seine Machtposition zu verlieren oder gar die Chance sieht über eine Ländergruppenbildung ökonomische und machtpolitische Vorteile zu erlangen, ist dies ein willkommener Weg, die eigene Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt zu stärken. Die Regionalisierung hat ihren Ausgangspunkt in Westeuropa mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) erfahren. Sechs Staaten Frankreich, Italien sowie die Benelux-Länder (Belgien, Niederlande und Luxemburg) schafften mit dem Vertrag von Rom 1957 die Grundlage für ein gemeinsames Europa. Ziel dieser Regionalintegration war zunächst die Einrichtung einer Zollunion, die den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie Kooperationen aller Art zwischen den Mitgliedsstaaten gegenüber nicht zugehörigen Staaten vorsah. Schrittweise wuchs die Anzahl der beigetretenen Länder, bis schließlich, mit Inkrafttreten des Vertrags von Maastrich im Jahre 1993 der Binnenmarkt nicht mehr mit der Bezeichnung Europäische Gemeinschaften (EG), sondern nun mit dem Titel Europäische Union (EU), geschaffen wurde. Die Zahl der Mitgliedsstaaten beläuft sich mittlerweile auf 27 Länder. Die EU ist heute nicht nur eine Wirtschafts- und Währungsunion, sondern trägt schon Züge einer politischen Union (in Richtung einer künftigen einheitlichen Legislative, Exekutive und Judikative). 39 40

Vgl. Stiglitz, Joseph: Die Schatten der Globalisierung, Berlin 2002, S. 24-25. Boxberger, Gerald/Klimenta, Harald: Die 10 Globalisierungslügen. Alternativen zur Allmacht des Marktes, 3. Aufl., München 1998, S. 39.

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

53

Das Beispiel EU machte Schule und spätestens ab Mitte der 1980er Jahre verstärkte sich die Tendenz zum Regionalismus. „Weltweit wurden zunehmend regionale Integrationsvorhaben begonnen bzw. wiederbelebt, in die alle wichtigen Akteure des Welthandels einbezogen sind. Dem GATT wurden zwischen 1974 und 2002 insgesamt 250 regionale Handelsvereinbarungen angezeigt, wovon etwa die Hälfte auf die Zeit nach 1995 entfällt.“41 Darstellung 13 gibt einen Überblick über die wichtigsten Regionalgemeinschaften, deren Gründungsjahr, deren Mitgliedsländer und deren Status hinsichtlich des inzwischen erreichten bzw. beabsichtigten Integrationsgrades.

41

Koch, Eckart: Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 3. Aufl., München 2006, S. 69.

54

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

Darst. 13: Die wichtigsten Regionalgemeinschaften im Überblick

Abkürzung

APEC

Gründung

Regionalgemeinschaft

Mitgliedsländer

Asia-Pacific Economic Cooperation

Australien, Chile, China, Japan, Kanada, Mexiko, Neuseeland, Papua-Neuguinea, Russland, 1989 Südkorea, Taiwan, USA sowie ASEAN-Länder

Status

Gesprächsforum Freihandelszone

ASEAN

Assosiation of South East Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, 1967 Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Asian Nations Vietnam

AFTA

ASEAN Free Trade Area Siehe ASEAN

ANCOM

Andean Common Market

CACM

Central American Common Market

Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Panama

CARICOM

Caribbean Community

Antigua und Barbuda, Bahamas, Barbados, Belize, Dominica, Grenada, Guyana, Haiti, Jamaika, Montserrat, Saint Lucia, Saint Kitts und 1973 Nevis, Saint Vincent und die Grenadinen, Surinam, Trinidad und Tobago

Freihandelszone Wirtschaftsunion

CEFTA

Central European Free Trade Agreement

Albanien, Bosnien Herzegowina, Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Serbien

1992

Freihandelszone

ECOWAS

Benin, Burkina Faso, Cape Verde, Gambia, Economic Community of Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Elfenbeinküste, West African States Liberia, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Togo

1975

Ziel gemeinsamer Markt

EFTA

European Free Trade Association

Dänemark bis 1972, Finnland bis 1995, Großbritannien bis 1972, Island, Lichtenstein, 1960 Norwegen, Österreich bis 1995, Portugal bis 1986, Schweden bis 1995, Schweiz

Freihandelszone

EU

Europäische Union

Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn, Großbritannien. Zypern

Montanunion Wirtschaftsunion mit Tendenz zur politischen Union

GCC

Gulf Cooperation Council

Bahrein, Kuweit, Oman, Katar, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate

1980

Freihandelszone

LAFTA (ALADI)

Latin America Free Trade Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Mexiko, Paraguay, Peru, Uruguay, Kolumbien, Ecuador, Association Venezuela

1961

Freihandelszone

LAIA

Latin American Integration Association

1980

Zollunion angestrebt

Bolivien Ecuador, Kolumbien

1991

Zollunion angestrebt

1969

Zollunion angestrebt

1960

Zollunion angestrebt

1951 1957

MERCOSUR

Mercado Común del Cono Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay Sur

1994

Gemeinsamer Markt

NAFTA

North American Free Trade Agreement

1994

Freihandelszone

Kanada, Mexiko, USA Vor 1994 Kanada, USA

Quelle: Modifiziert nach Kutschker, Michael/Schmid, Stefan: (2002) Internationales Management, 2. Aufl., München/Wien 2002, S. 176.

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

55

Die Existenz und die zunehmende Ländergruppenbildung stützen die These, dass die Weltwirtschaft in den letzten Jahrzehnten eher mit der Tendenz zum Regionalismus als der zur Globalisierung zu tun hat. Dabei ist nach Kutschker und Schmidt die Regionalisierung sowohl als eine Verstärkung als auch als Gegenreaktion zur Globalisierung zu interpretieren: ÿ „Regionalisierung stellt deswegen eine Verstärkung der Globalisierungstendenzen dar, weil in vielen Fällen, etwa durch Kooperations- und Integrationsabkommen, das Volumen der Außenhandelstätigkeiten (und damit verbunden auch teilweise der Direktinvestitionstätigkeiten) verstärkt werden. ÿ Regionalisierung kann als Gegengewicht zu den Globalisierungstendenzen angesehen werden, weil einzelne Länder durch ihre Kooperation bzw. ihren Zusammenschluss den mit der Globalisierung verbundenen Gefahren durch Bildung von Regionalgemeinschaften begegnen wollen.“42 Der zu beobachtende Trend der zunehmenden Regionalisierung43 „könnte eine Entwicklung beschleunigen, an deren Ende die Ablösung einer multinationalen Weltwirtschaft durch eine kleine Anzahl mehr oder weniger mächtiger Handels- und Wirtschaftsblöcke steht“ und folgendes Szenario aufweist: Die Europäische Union (EU) erweitert ihren Einflussbereich in Richtung Osten und Süden, die nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA) entwickelt sich schrittweise zu einer gesamtamerikanischen Freihandelszone (FTAA) und die wirtschaftliche Verflechtung in Südost- und Ostasien verstärkt sich weiter.44

7.

Differenzierung im Prozess des Wirtschaftswachstums

Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass das säkulare Wachstum der Weltentwicklung als äußerst differenzierter Prozess zu betrachten ist. Wirtschaftliches Wachstum vollzieht sich nicht als homogener Prozess, der alle Sektoren einer Volkswirtschaft gleichermaßen erfasst, sondern das Wachstum geht mit tief greifenden Strukturwandlungen einher. In Deutschland und zahlreichen vergleichbaren europäischen Ländern fand in den letzten zweihundert Jahren ein dramatischer sektoraler Strukturwandel statt, der 42 43

44

Kutschker, Michael/Schmid, Stefan: Internationales Management, 2. Aufl., München/Wien 2002, S. 200. Der Trend zur Stärkung regional abgegrenzter Wirtschaftskreisläufe äußert u.a. sich in der Organisation von Tauschringen und Versuchen zur Schaffung von Regionalwährungen (z.B. „Chiemgauer“). Selbst im Supermarkt zeigt sich dies in der Werbung für regionale Produkte z.B. Ostprodukte. Sowohl aus der ökonomischen als auch sozialen Nachhaltigkeit erhalten regionale Wertschöpfungsketten ein zunehmendes Gewicht. Koch, Eckart: Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 3. Aufl., München 2006, S. 69.

56

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

sich auf die Zusammensetzung der Wertschöpfung dieser Volkswirtschaften (Land- und Forstwirtschaft, Produzierendes Gewerbe und Dienstleistungen) auswirkte. Außerdem war im Rahmen des Industrialisierungsprozesses in Deutschland zu beobachten, dass zum einen einzelne Branchen und Wirtschaftszweige das Wirtschaftswachstum erheblich vorantrieben (Leitsektoren bzw. Leitbranchen), wobei andere nur mittelbar oder gar nicht dazu beitrugen. Zum anderen ist empirisch nachweisbar, dass regionale ökonomische Differenzierungen Deutschlands Entwicklung prägten.45 Bis heute ist weltweit wie auch in Deutschland das Wirtschaftswachstum sowohl über einzelne Wirtschaftssektoren, Branchen und Unternehmen als auch über Wirtschaftsregionen ungleich verteilt. „Es gibt in der Regel in einer Volkswirtschaft gleichzeitig wachsende und schrumpfende Bereiche und Regionen. Hierin drücken sich die Wirtschaftsstruktur und der Strukturwandel aus, wobei man allgemein unter einer gesamtwirtschaftlichen Struktur den Aufbau, das Gefüge einer Volkswirtschaft versteht und unter Strukturwandel die Veränderungen des inneren Aufbaus.“46 Spätestens seit der Industrialisierungsphase können wir beobachten, dass die wirtschaftliche Entwicklung von Volkswirtschaften wirtschaftlichen Schwankungen, mit unterschiedlichen zeitlichen Zuordnungen (Saisonschwankungen, Konjunkturzyklus, lange Wellen), unterworfen ist.47 Auch die wirtschaftliche und politische Vereinigung von Staaten kann offensichtlich nur sehr bedingt dem unterschiedlichen Wachstum von Regionen entgegenwirken. Bis heute weisen alle Mitgliedsstaaten der EU mehr oder weniger große Unterschiede im Entwicklungsniveau der Regionen und teilweise ein beträchtliches regionales Wohlstandsgefälle auf. Wird die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland betrachtet, so ist das Bruttoinlandsprodukt in absoluten Zuwächsen weitgehend linear gestiegen, womit sich die Zuwachsraten im Zeitablauf zunehmend verringert haben (sinkender Trend).48 In Darstellung 14 werden das Wirtschaftswachstum (Bruttoinlandsprodukt in realen Preisen) und die Arbeitslosenquote von 1951 bis 2007 gegenübergestellt sowie besondere Ereignisse und die Kanzlerperioden ausgewiesen.

45 46 47 48

Pierenkemper, Toni: Wirtschaftsgeschichte. Eine Einführung – oder: Wie wir reich wurden, München/ Wien 2005, S. 123-170. Bontrup, Heinz-J.: Volkswirtschaftslehre. Grundlagen der Mikro- und Makroökonomie, 2. Aufl., München/Wien 2004, S. 577. Zdrowomyslaw, Nobert u.a.: Unternehmen und ihre Umwelt, in: Zdrowomyslaw, Norbert (Hrsg.): Von der Pleite zur Gründung. Unternehmens-Lebenszyklus und Management der Unternehmensunterwicklung, Gernsbach 2005, S. 25-28 (21-53). Vgl. Pätzold, Jürgen/Baade, Daniel: Stabilisierungspolitik. Grundlagen der nachfrage- und angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, 7. Aufl., München 2008, S. 97-99.

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

57

Darst. 14: Säkulare Wirtschaftsentwicklung in Deutschland

Quelle: Eigene Darstellung.

Als allgemeine Erkenntnis sei festgehalten, dass die wirtschaftliche Entwicklung zwar im langfristigen Trend wächst, aber dieses Wachstum ist von einem ständigen Auf und Ab des wirtschaftlichen Geschehens gekennzeichnet. Dabei lassen sich zum einen sektorale Strukturverschiebungen ausmachen und zum anderen Branchen- und Unternehmenskonjunkturen beobachten. Es hat eine Verschiebung der Beschäftigungsanteile am Bruttosozialprodukt in den letzen Jahrzehnten und Jahrhuderten gegeben und es sind sowohl die Suburbanisierung der Beschäftigung49 als auch Reurbanisierungstendenzen zu beobachten.50 Allerdings sind von den Strukturverschiebungen und Verwerfungen Länder, Branchen, Regionen, Städte und Unternehmen im Zeitablauf und von der Intensität unterschiedlich betroffen. Man könnte auch sagen: Produkte, Unternehmen und selbst Regionen durchlaufen offensichtlich 49 50

Seitz, Helmut: Die Suburbanisierung der Beschäftigung. Eine empirische Analyse für Westdeutschland, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Vol. 215, 1996, S. 69-98. Vgl. Bade, Franz-Josef: Metropolis: quo vadis? Zur Bedeutung der Metropolen für das wirtschaftliche Wachstum, Download am 24.11.2008 http://www.raumplanung.uni-dortmund.de/rwp/20060929/ DokuRwp00/2007_Ba_FoKo_2007-02-08.pdf;

58

Kapitel I: Kulturen und Weltwirtschaftsentwicklung

einen Lebenszyklus. In den letzten Jahrhunderten ist die Umwelt komplexer und dynamischer geworden, die Diskontinuitäten haben zugenommen und die Entscheidungsprozesse sind schwieriger geworden. Angesichts dieser Wellenbewegungen im wirtschaftlichen Wachstum stellt sich fast zwangsläufig die Frage nach den Mechanismen einer Wirtschaftsordnung und nach deren Beeinflussungsmöglichkeiten, d.h. nach der Ideologie und den Instrumenten der staatlichen Wirtschaftspolitik bezogen auf Unternehmen, Branchen, Regionen, Länder sowie von Großraumwirtschaften (z.B. EU) und weltweit.

8.

Schlüsselthesen: Von der Theorie zur Praxis

Wer die Zukunft gestalten möchte, muss sich mit der Gegenwart beschäftigen und sollte dabei die Vergangenheit nicht ausblenden. Zwar wiederholt sich Geschichte nicht, aber man kann durchaus aus der Historie lernen. Folgende Schlüsselthesen lassen sich aus dem ersten Kapitel ableiten: ÿ Kulturen dominieren nicht immer. ÿ Aus der Historie lernen: Lange „Konjunkturwellen“ gibt es seit langem. ÿ Wirtschaftskrisen haben nicht überlebt. ÿ Wirtschaftliche Entwicklung braucht Innovationen. ÿ Die Dienstleistungs- und Wissensbranche wächst kontinuierlich. ÿ Weltweit hungern Millionen Menschen und wenige leisten sich viel. ÿ Internationalisierung und Globalisierung bieten Risiken und Chancen. ÿ Internationale Arbeitsteilung stellt keinen Widerspruch zu regionalen Wertschöpfungsketten dar. ÿ Lässt sich ein „Ranking“ der Wirtschafts-Standorte realistisch ermitteln? ÿ Die Bedeutung von Regionen und Branchen unterliegt einem ständigen Wandel. ÿ Mit dem Terminus „Region“ darf nicht zwangsläufig ökonomische Strukturschwäche und gesellschaftliche Rückständigkeit assoziiert werden.

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik 1.

Wirtschaft als Erkenntnis- und Steuerungsobjekt

Jeder Mensch – unabhängig von seiner Stellung in der Gesellschaft – wird auf vielfältige Weise mit dem Phänomen bzw. einem äußerst komplexen System, das allgemein die „Wirtschaft“ genannt wird, konfrontiert.51 Allgemein wird mit Wirtschaft die Art und der Ort menschlicher Tätigkeiten zur Befriedigung von Bedürfnissen mit knappen Gütern bezeichnet. Mit dem Erkenntnisobjekt „Wirtschaft“ haben sich Generationen von Ökonomen52 beschäftigt, Bücher zur Volks- und Betriebswirtschaftslehre füllen Regale in Bibliotheken und die Wirklichkeit des Wirtschaftsprozesses ist durch das Zusammenspiel vieler Wirtschaftssubjekte (Personen, Institutionen) mit unterschiedlichen Interessen und Einflussmöglichkeiten gekennzeichnet. Bezogen auf das Tätigkeitsgebiet hat sich eine Zweiteilung in die Einzelwirtschaft (Haushaltungen, Unternehmungen, Vereinigungen, Verwaltungen und Mischformen) und die Gesamtwirtschaft mit den Erkenntnisobjekten örtliche Wirtschaft, Regionalwirtschaft, Volkswirtschaft, Großraumwirtschaft und Weltwirtschaft herausgebildet.53 Jedes Gesellschaftssystem ist durch ein Beziehungsnetz zwischen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Elementen gekennzeichnet.54 Arbeiten in Gemeinschaften und Wirtschaften in arbeitsteiligen Gesellschaften und Volkswirtschaften erfordert ein Mindestmaß an Ordnung, die durch ordnende Elemente wie Tradition, Sitten, Regeln, Gesetze und Organisationen geschaffen wird. Eine Wirtschaftsordnung und deren Steuerung stellt demnach kein Naturgesetz dar, sondern ist letztlich das Ergebnis menschlichen Han51

52

53 54

Eng mit dem Begriff der Wirtschaft sind Begriffe wie Gesellschaft, Weltwirtschaft, Wirtschaftsordnung, Wirtschaftssystem, Wirtschaftsentwicklung, Konjunkturzyklus, Wirtschaftspolitik, Gesamtwirtschaft, Einzelwirtschaft, Außenwirtschaft, Bedürfnisse, Angebot, Nachfrage, Haushalte, Unternehmen, Staat, Güter, Produktion, Verteilung, ökonomisches Prinzip (Wirtschaftlichkeitsprinzip), Gewinnerzielung, Deckung von Gruppen und Allgemeinbedarf usw. verbunden. Vgl. Lexika der Volkswirtschaft wie Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik. Vgl. DIE ZEIT (Hrsg.): Die großen Ökonomen. Leben und Werk der wirtschaftswissenschaftlichen Vordenker. Eine Artikelserie der Wochenzeitschrift DIE ZEIT, Stuttgart 1994; Koesters, Paul-Heinz: Ökonomen verändern die Welt. Lehren die unser Leben bestimmen, Hamburg 1982; Piper, Nikolaus (Hrsg.): Die neuen Ökonomen. Stars, Vordenker und Macher der deutschsprachigen Wirtschaftswissenschaft, Stuttgart 1997; Weitz, Bernd O. (Hrsg.): Bedeutende Ökonomen, München/Wien 2008. Vgl. Eichhorn, Peter: Das Prinzip Wirtschaftlichkeit. Basiswissen der Betriebswirtschaftslehre, 3. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 22-34. Den Zusammenhang zwischen Wirtschaftsordnung, Wirtschaftsverfassung, Wirtschaftssystem und sozialökonomischer Umwelt verdeutlicht anschaulich Thieme, Jörg H.: Wirtschaftssysteme, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik Band 2, 9. Aufl., München 2007, S. 12. (1-52)

60

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

delns und der damit verbundenen Politiken. Die jeweilige staatlich-politische Grundordnung und speziell die Wirtschaftsordnung bilden den Rahmen für die Entfaltungsmöglichkeiten und die Grenzen der Wirtschaftspolitik.55 Sie gestaltet die Rahmenbedingungen (Ordnungspolitik) und die Steuerung der Abläufe (Wirtschaftsprozess).56 Die Erklärung und Gestaltung der wirtschaftlichen Realität kann sich dabei auf verschiedene Wirtschaftssysteme und unterschiedliche Erkenntnisobjekte der Wirtschaft beziehen.

1.1

Erkenntnisobjekte der Wirtschaft

Egal welche Erkenntnisobjekte auch immer in einer Wirtschaftsordnung betrachtet werden, so bilden die Wirtschaftssubjekte den Ausgangspunkt von weiteren Analysen und Einschätzungen. Originäres Wirtschaftssubjekt ist dabei das Individuum, sprich der Einzelmensch. Nach Peter Eichhorn können vier Basistypen von Wirtschaftssubjekten, die sich aber einer trennscharfen Zuordnung entziehen, unterschieden werden: Die Haushaltungen mit der Zielsetzung der Selbstentfaltung; die Unternehmungen mit dem Bestreben der Gewinnerzielung bzw. dem Leistungsstreben bei Kostensenkung; Vereinigungen, wie z.B. Verbände, Gewerkschaften, Kammern und Sportvereine mit dem Ziel, den Gruppenbedarf zu decken und schließlich Verwaltungen, die die Deckung des Allgemeinbedarfs im Fokus haben.57 Darstellung 15 zeigt überblicksartig die Erkenntnisobjekte der Wirtschaft im Sinne einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung. Die Betriebswirtschaft, verstanden als eine wirtschaftliche Einheit und in der Regel als Wirtschaftssubjekt bezeichnet, ist das kleinste und die Weltwirtschaft das umfassendste Betrachtungsobjekt. Dieser Abgrenzung zufolge ist beispielsweise das Werk einer Industriefirma, die Niederlassung einer Bank, das Krankenhaus eines Wohlfahrtsträgers, das Bauamt einer Stadtverwaltung oder eine Hochschule dem Erkenntnisobjekt Betriebswirtschaft zuzuordnen. Die Gesamtheit der Betriebswirtschaften in einem Gemeindegebiet, also alle privaten Unternehmen, die kommunale Wirtschaft (Gemeindeunternehmen) und öffentliche Verwaltungen, die Haushalte der Einwohner und selbst Kirchengemeinden, Vereine sowie Verbände bilden die örtliche Wirtschaft. Bei der Betrachtung der Volkswirtschaft (früher Nationalökonomie) stehen ökonomische Fragestellungen im staatlichen Rahmen bzw. innerhalb eines Staatsvolkes im Vordergrund (z.B. Bundesrepublik Deutschland). Handelt es sich um staatsübergreifende Wirtschaftsräume unter einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik der 55 56 57

Vgl. Peters, Hans-Rudolf: Wirtschaftspolitik, 3. Aufl., München/Wien 2000. Vgl. Berg, Hartmut/Cassel, Dieter/Hartwig, Karl-Hans: Theorie der Wirtschaftspolitik, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik Band 2, 9. Aufl., München 2007, S. 243368. Vgl. Eichhorn, Peter: Das Prinzip Wirtschaftlichkeit. Basiswissen der Betriebswirtschaftslehre, 3. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 106.

61

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

Mitgliedsstaaten (z.B. Vereinigung südostasiatischer Staaten ASEAN oder Europäische Union), so spricht man von einer Großraumwirtschaft. Gewissermaßen das Dach für die Einordnung ökonomischer und sonstiger Zusammenhänge und Wirkungsweisen bildet die Weltwirtschaft, die alle vorher genannten Erkenntnisobjekte mit einschließt. Darst. 15: Erkenntnisobjekte – von der Betriebswirtschaft bis zur Weltwirtschaft Weltwirtschaft ÞGlobalisierung und Internationalisierung ÞVolks- und Betriebswirtschaftsbetrachtung ÞNetzwerke, Kooperationen, Allianzen Þweltweiter Austausch von Informationen, Kapital, Dienstleistungen, Waren, Personen Þglobaler Wettbewerb um Rohstoffe, Kapital, Personal, Standorte, Transportlösungen, Produkte, Entsorgung, Lagerhaltung, Forschung, Marketing Großraumwirtschaft Þstaatsübergreifende Wirtschaftsräume unter einer Þökonomische gemeinsamen Betrachtungen eines Wirtschaftspolitik der Staates hinsichtlich: Mitgliedstaaten - Wirtschaftsordnung Þinternationale - Beziehungen zw. Erweiterung der Wirtschaftssektoren Aktivitätsspielräume und Wirtschaftszweigen von Betriebs- Gesamtbild der wirtschaften Wirtschaftsprozesse - wirtschaftspolitische Maßnahmen (Ordnungs-, Ablauf-/ Prozess-,Strukturpolitik)

Volkswirtschaft

Regionalwirtschaft Örtliche Wirtschaft Betriebswirtschaft Þwirtschaftende Einheit Þselbständiger Spielraum bei Entscheidung und Handlung ÞPlanung/Steuerung/ Kontrolle Þdauerhaft zugeordneter Faktorbestand

ÞGesamtheit der Betriebswirtschaften eines Gemeindegebietes ÞUnternehmen, Einwohner, private und öffentliche Institutionen

Þabgrenzbare Wirtschaftsräume innerhalb einer Volkswirtschaft

Quelle: Erstellt nach Eichhorn, Peter: Das Prinzip Wirtschaftlichkeit. Basiswissen der Betriebswirtschaftslehre, 3. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 25-33.

1.2

Wirtschaftssteuerung

Die Wirtschaftsordnung als Teil der Staatsordnung ist das Ergebnis einer politischen Entscheidung, die ideologisch motiviert ist. Die realen Wirtschaftsordnungen bewegen sich heute – je nach betrachtetem Land – zwischen den beiden Idealtypen „Marktwirtschaft“ und „Zentralverwaltungswirtschaft“.58 Die meisten entwickelten Staaten, dies gilt auch für die Bundesrepublik 58

Vgl. Buscher, Herbert u.a.: Wie funktioniert das? Wirtschaft heute, 4. Aufl., Mannheim u.a. 1999, S. 20-22.

62

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

Deutschland, sind der marktwirtschaftlichen Ordnung zuzurechnen. Was kennzeichnet ein solches Ordnungssystem? „Die kapitalistische Marktwirtschaft, kurz auch Marktwirtschaft genannt, beruht auf dem dezentralen Koordinationsmechanismus des Marktes und auf dem Prinzip des Privateigentums an Produktionsmitteln. Beide Elemente zusammen konstituieren ein Wirtschaftssystem, das durch Effizienz und Freiheit gekennzeichnet ist.“59 Allerdings verlässt man sich seitens der Politik nicht völlig auf die selbstregulierenden Kräfte des Marktes. Das freie Spiel der Marktkräfte führt eben nicht zu einem Marktgleichgewicht, sondern eher „Marktversagen“ kennzeichnet die Realität.60 Marktwirtschaftliche oder politisch herbeigeführte Fehlentscheidungen müssen korrigiert werden. Folgendes Zitat, vor dem Hintergrund der Betrachtung marktkonformer Industrie- und Industriestrukturpolitik, macht dies recht plastisch: „Aber der Glaube, besser die Hoffnung, die Zeit heile letztlich alles, was der Mensch anrichte, wenn mitunter auch unter Schmerzen, trügt. Die Zeichen mehren sich, dass die ,unsichtbare Hand‘ nicht in der Lage ist, den Menschen vor den Folgen seiner ,überhand‘ nehmenden irreparablen, kurzsichtigen Fehlleistungen zu bewahren. Nüchterner Realismus lehrt, die Kräfte des Marktes nicht allein durch den Abbau marktwidriger Instrumente wiederbeleben und stärken zu können. Es bedarf vielmehr auch gezielter Politik, die nicht nur den wirtschaftlichen Wettbewerb wieder reaktiviert, sondern die auch den Strukturwandel gezielt unterstützt und den Erwartungshorizont konturiert.“61

59 60

61

Baßeler, Ulrich/Heinrich, Jürgen/Utecht, Burkhard: Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, 18. Aufl., Stuttgart 2006, S. 36. Quer durch alle politischen Parteien und sonstigen Organisationen wird die Auffassung vertreten, dass eine Gesellschaft nicht völlig auf staatliche Eingriffe verzichten kann. Abweichende Meinungen existieren allerdings über den Grad der Einflussnahme. Während die überzeugten Anhänger der Marktwirtschaft und die Neoklassiker als Vertreter einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik staatliche Eingriffe in den Marktprozess allenfalls im Falle von Marktversagen (externe Effekte, Monopolisierung u.a.) legitimieren, sehen die Befürworter der nachfrageorientierten Wachstumspolitik gerade in der Erhöhung der Staatsnachfrage ein wichtiges Instrument zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Produktion und damit zur Erhöhung des Arbeitsplatzangebots. Zum Marktversagen einerseits u.a. Blankart, Charles B.: Öffentliche Finanzen in der Demokratie. Eine Einführung in die Finanzwissenschaft, 7. Aufl., München 2008; Fritsch, Michael/Wein, Thomas/Ewers, Hans-Jürgen: Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 7. Aufl., München 2007 und zur Begründung der Notwendigkeit und Umsetzung einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik siehe vor allem das jährlich herausgegebene „Memorandum“ der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. Gemper, Bodo, B.: Industrie- und Industriestrukturpolitik, in: Jenkins, Helmut W. (Hrsg.): Raumordnung und Raumordnungspolitik, München/Wien 1996, S. 224 (224-241).

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

63

In Deutschland wie auch anderen OECD-Staaten62 greift der Staat auf vielfältigste Weise in das Marktgeschehen ein. Er steuert damit viele Lebensbereiche, vor allem Bereiche, mit denen das „öffentliche“ Interesse geschützt werden soll, und prägt somit nicht unerheblich die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Durch diverse staatliche Interventionen (z.B. durch fiskalpolitische, geldpolitische und anreizorientierte Globalsteuerungsinstrumente) auf europäischer, der Bundes-, Landes- oder Kommunalebene wird in vielfältiger Weise auf Unternehmensentscheidungen eingewirkt. Es werden gesellschaftspolitische und wirtschaftspolitische Ziele formuliert und es mangelt nicht an Versuchen, Regional- und Branchenkrisen strukturpolitisch beizukommen. Welches System schließlich sich als das überlegene in der Zukunft zeigen wird, das eher demokratische System der Europäer oder das eher autokratische System der Chinesen und Russen, ist abzuwarten. Die Frage nach der Bedeutung der Wirtschaftsteuerung und die Rolle des Staates scheinen auch stark von konkreten historischen Ereignissen abzuhängen, wie die weltweite Finanzkrise 2008 wieder mal belegt. Nicht nur der Ruf nach dem Staat wird lauter, sondern es wird auch der Rettungs- bzw. Schutzschirm des Staates eingefordert. 1.2.1

Volkswirtschaftliche Zielpyramide

Eine Wirtschaft und deren Entwicklung kann erst dann adäquat gesteuert werden, wenn man sich über die Ziele im Klaren ist, die eine Volkswirtschaft angestrebt. Denn die Marschrichtung des politischen Handelns einer Wirtschaftsordnung leitet sich praktisch von den formulierten gesellschafts-, sozial- und wirtschaftspolitischen Zielen ab. Darstellung 16 zeigt schematisch die Zielpyramide für ein marktwirtschaftlich kapitalistisch ausgerichtetes Wirtschaftssystem.

62

Hier einige Beispiele für Regulierungen. Marktzutrittsregulierung: Staatliche Organe gewähren oder definieren das Recht, Leistungen zu erbringen (z.B. im Transport-, Nachrichten- und Energiebereich, als Betreiber von Kraftwerken); Preisregulierung: Staatliche Behörden kontrollieren die Preise (z.B. im Verkehrs- und Nachrichtenwesen oder im Versicherungsbereich); Mengenregulierung: Staatliche Instanzen fixieren die maximal anzubietende oder zu importierende Menge (z.B. bei Agrarproduktion); Verhaltensregulierung: Staatliche Organe setzen Standards zur Sicherung von Gesundheit und Sicherheit (z.B. am Arbeitsplatz, im Gastgewerbe, aber auch im Umweltbereich). Vgl. Kyrer, Alfred: Neue Politische Ökonomie 2005, München/Wien 2001, S. 41.

64

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

Darst. 16: Zielpyramide einer marktwirtschaftlich orientierten Volkswirtschaft Zielpyramide

Übergeordnete Ziele des Staates und Gesellschaftspolitik

Gemeinwohl Gesellschaftspolitische Ziele

Nicht operationalisierbare Ziele Freiheit

Gerechtigkeit Sicherheit

Frieden

Förderung des Volkswohlstandes Privater Sektor

Operationalisierte Ziele

(quantitatives und qualitatives) Wachstum

Stabilität

Innere Stabilität PreisniveauVollbeschäftigung stabilität

Öffentlicher Sektor

Äußere Stabilität

Ziele der Wirtschaftspolitik

Strukturziele

Infra- Markt- Außen- VerteiSektoral-Regionalstruk- struk- handels- lungsstruktur struktur tur tur struktur struktur Nachrangige Ziele der Wirtschaftspolitik

Zahlungsbilanzgleichgewicht

Quelle: Tuchtfeldt, Egon: Grundlagen der Wirtschaftspolitik, in: Issing, Otmar (Hrsg.): Allgemeine Wirtschaftspolitik, München 1982, S. 8.

Wie aus der Zielpyramide ableitbar ist, handelt es sich bei den Zielen weniger um konkrete Ziele, als vielmehr um „Vorstellungen über die politisch erwünschte Lage“. Je weiter man sich der Spitze der Zielpyramide nähert, desto mehr weisen sie „Leerformcharakter“ auf. Der Vorstellung folgend, dass alle Politik letztlich dem Gemeinwohl dienen sollte, steht als übergeordnetes Ziel der Staats- und Gesellschaftspolitik das „Gemeinwohl“. Auf der zweiten Ebene sind die gesellschafspolitischen Ziele „Freiheit“, „Gerechtigkeit“, „Sicherheit“ und „Frieden“ angesiedelt, die ebenfalls den verschiedenen Ebenen der wirtschaftspolitischen Ziele im Sinne der „Förderung des Volkswohlstandes“ übergeordnet sind. Die regionale und sektorale Strukturpolitik orientiert sich an den zwei übergeordneten Ebenen und kann gemäß der Zielpyramide den nachrangigen Zielen der Wirtschaftspolitik zugeordnet werden, allerdings mit hoher praktischer Bedeutung für die Unternehmen einer Region. 1.2.2

Bereiche der Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsförderung

Die Wirtschaftspolitik findet auf zwei Ebenen statt. Zum einen werden auf wissenschaftlicher Ebene wirtschaftspolitische Modelle und Theorien entwi-

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

65

ckelt (Erkenntnisobjekt). Zum anderen bedeutet Wirtschaftspolitik die praktische Auseinandersetzung mit Rahmenbedingungen, Gesetzen und Instrumenten zur Steuerung der Wirtschaft (Erfahrungsobjekt). Die Wirtschaftspolitik stellt ein zentrales Gebiet der Volkswirtschaftslehre dar und betrifft die Mikro-, Meso- und Makropolitik, wie Darstellung 17 verdeutlicht. Wie bereits aufgezeigt, erstreckt sich die praktische Wirtschaftspolitik auf die Durchführung von verschiedenen Maßnahmen, mit denen bestimmte ökonomische und soziale Ziele verwirklicht werden sollen. Zur Einordnung der Wirtschaftspolitik in das Wirtschaftssystem, zu den Zielsetzungen, Konzeptionen, dem Instrumentarium sowie den Möglichkeiten, Problemen und Grenzen gibt es zahlreiche und umfassende Veröffentlichungen.63

63

Vgl. Altmann, Jörn: Wirtschaftspolitik. Eine praxisorientierte Einführung, 7. Aufl., Stuttgart 2000; Issing, Otmar (Hrsg.): Allgemeine Wirtschaftspolitik, München 1982; Peters, Hans-Rudolf: Wirtschaftspolitik, 3. Aufl., München/Wien 2000.

66

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

Makroökonomie

Mesoökonomie

Mikroökonomie

Disziplin

Darst. 17: Wirtschaftspolitik in der Systematik der Volkswirtschaftslehre Ansatzpunkte

Wirtschaftstheorie Systembereiche

Sachbereiche

Mikroökonomik

Nachfragetheorie - Bedürfnis und Nutzentheorie - Einkommensverwendungs- und Konsumtheorie des Haushalts Angebotstheorie - Kostentheorie - Produktionstheorie Markt- und Preistheorie Wettbewerbstheorie Personelle Verteilungstheorie

Mesoökonomik

Sektorale Strukturtheorie - Theorie des Strukturwandels - Sektorale Entwicklungstheorie - Regulierungs- und Deregulierungstheorie Gruppen- und Interaktionstheorie - Theorie des kollektiven Handelns - Mesoökonomische Interaktionstheorie Regionale Strukturtheorie - Regionale Entwicklunsgtheorie - Infrastrukturtheorie - Umweltschutztheorie

Makroökonomik

Theorie des Wirtschaftskreislaufs und der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Konjunktur- und Beschäftigungstheorie Volkswirtschaftliche Wachstums- und Entwicklungstheorie Geld- und Währungstheorie Außenhandels- und Zahlungsbilanztheorie Funktionelle Verteilungstheorie

Haushalte Unternehmungen Märkte

Branchen Regionen Gruppen

Volkswirtschaftliche Kreislaufgrößen Gesamtwirtschaft

Wirtschaftspolitik Systembereiche

Sachbereiche

Mikropolitik

Unternehmensordungspolitik - Unternehmensverfassungspolitik - Betriebliche Mitbestimmungspolitik Unternehmensablaufpolitik - Zentrale Investitions- und Produktionsplanung - Punktuelle Eingriffe Wettbewerbspolitik Verbraucherpolitik Personelle Verteilungspolitik - Einkommenspolitik - Vermögenspolitik

Mesopolitik

Sektorale Strukturpolitik - Regulierungspolitik (spezielle Branchen- und Berufsordnung) - Indikative sektorale Strukturplanung - Strukturprozesspolitik (prozesspolitische Maßnahmen der Agrar-, Verkehrs-, Industrie-, Energie-, Forschungs- und Technologiepolitik) Regionale Strukturpolitik - Raumordnungspolitik - Industrieansiedlungspolitik - Entballungspolitik - Infrastrukturpolitik - Umweltschutzpolitik

Makropolitik

Konjunktur- und Beschäftigungspolitik - Geld- und Kreditpolitik - Antizyklische Fiskalpolitik Außenhandels- und Zahlungsbilanzpolitik Volkswirtschaftliche Wachstumsund Entwicklungspolitik Globale indikative Wirtschaftsplanung Imperative Volkswirtschaftsplanung

Quelle: Peters, Hans-Rudolf: Sektorale Strukturpolitik, 2. Aufl., München/Wien 1996, S. 27.

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

67

Die Verfolgung wirtschaftspolitischer Ziele ist keineswegs eine deutsche Erfindung, sondern in ihrem Kern ist die Schaffung ökonomischer Standardziele europa- und weltweit auszumachen. Für das wirtschaftspolitische Zielsystem der Bundesrepublik Deutschland ist dabei von zentraler definitorischer Bedeutung das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, das Stabilitätsgesetz von 1967. Es enthält in seinem Paragraph 1 einen Zielkatalog, der als Magisches Viereck bekannt ist.64 Diese im makropolitischen Systembereich angesiedelten Ziele werden schon auf der Ebene der Mesopolitik (sektorale und regionale Strukturpolitik) etwas greifbarer und auf der Ebene Mikropolitik noch handfester, da auf dieser Stufe Wirtschaftssubjekte bzw. Organisationen mehr oder weniger direkt mit Entscheidungen konfrontiert werden. Während die Ordnungspolitik (insbesondere Wettbewerbspolitik) und Konjunkturpolitik auf bestimmten Basisgesetzen fußt (GWB, StWG), existiert für die regionale und sektorale Strukturpolitik kein entsprechendes umfassendes Rahmengesetz. Lediglich für einige strukturpolitische Teilbereiche bestehen gesetzliche Grundlagen, wie beispielsweise für die regionale Wirtschaftsförderung in Form des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ von 1969. Somit bleiben die Ausformung und der Einsatz von strukturpolitischen Instrumenten dem Bereich der Exekutive überlassen. Auch wenn in der Auflistung der Politikfelder in der Darstellung 16 der Begriff „Wirtschaftsförderung“ nicht auftaucht, ist gerade diesem Aspekt der Wirtschaftssteuerung in einem vom Föderalismus gekennzeichneten Nationalstaat, wie sich die Bundesrepublik Deutschland darstellt, eine besondere Bedeutung beizumessen. Die regionale und kommunale Wirtschaftsförderung sind als Instrument der Strukturpolitik und als Steuerungsinstrument der Regionalwirtschaft zu betrachten. Wirtschaftsförderung gilt als ein zentrales Aufgabenfeld kommunaler und regionaler Politik.65 Wirtschaftsfördernde Maßnahmen können sowohl die Mikro- als auch Makroebene ansprechen, vor allem betreffen sie jedoch die Mesoebene, d.h. die regionale und sektorale Förderung. Deutschland als Föderalstaat gliedert sich in eine Hierarchie von Gebietskörperschaften, nämlich in Bund, Länder, Regierungsbezirke, Kreise 64

65

„Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, daß sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen.“ Darüber hinaus postuliert das Gesetz auch die „Verbesserung der Verteilung von Einkommen und Vermögen. Heute spielt auch noch die Ökologie bzw. der Umweltschutz, der seit dem 1. Juli 1994 in Artikel 20a des Grundgesetzes verankert ist, eine wichtige Rolle im wirtschaftspolitischen Zielsystem Deutschlands, Europas und weltweit. Das Magische Viereck ist mittlerweile von Autoren „weiterentwickelt“ worden, so dass in der Literatur auch vom Magischen Sechseck oder Magischen Vieleck gesprochen wird. Vgl. Reschl, Richard/Rogg, Walter unter Mitarbeit von Sabine Besenfelder und Harald Röthig: Kommunale Wirtschaftsförderung. Standortdialog und Standortentwicklung in Kommunen und Regionen, Sternenfels 2003.

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Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

und Gemeinden mit mehr oder weniger souveränen Organen (z.B. Entscheidung über den eigenen oder gemeinsamen Finanzhaushalt). Die Förderung von Unternehmen, Branchen und Regionen findet sich in diversen Bundesund Landesgesetzen, Verordnungen und Richtlinien dokumentiert. Dabei genießen die Regional- und Strukturförderung als rahmenbildende Steuerungsfelder zur Steigerung der Lebensqualität von Regionen und Städten heute eine besondere Beachtung der Politik.

1.2.3 Regionalpolitik – eine Mehr-Ebenen-Politik Die Regionalpolitik für die Bundesrepublik Deutschland stellt sich als eine Mehr-Ebenen-Politik dar. Seit Jahren kann bereits von einem Vier-EbenenSystem gesprochen werden: EU-Ebene, Nationalstaaten (Bund), Bundesländer und Kommunen. Die Notwendigkeit einer Politik zur Planung und Steuerung von Regionen, leitet sich daraus ab, dass Regionen in der Bundesrepublik und europaweit unterschiedliche Entwicklungsniveaus und Lebensverhältnisse aufweisen. Diesem Umstand, rückständige Regionen zu fördern, wird in diversen nationalen wie transnationalen Gesetzen Rechnung getragen, wie den Auszügen in der nachfolgenden tabellarischen Auflistung zu entnehmen ist. EG-Vertrag Artikel 158 (ex-Art. 130a) Die Gemeinschaft entwickelt und verfolgt weiterhin ihre Politik zur Stärkung ihres wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, um eine harmonische Entwicklung der Gemeinschaft als Ganzes zu fördern. Die Gemeinschaft setzt sich insbesondere zum Ziel, die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete oder Inseln, einschließlich der ländlichen Gebiete, zu verringern. Artikel 159 (ex-Art. 130b) Die Mitgliedsstaaten führen und koordinieren ihre Wirtschaftspolitik in der Weise, dass auch die in Artikel 158 genannten Ziele erreicht werden. Die Festlegung und Durchführung der Politiken und Aktionen der Gemeinschaft sowie die Errichtung des Binnenmarkts berücksichtigen die Ziele des Artikels 158 und tragen zu deren Verwirklichung bei. Die Gemeinschaft unterstützt auch diese Bemühungen durch die Politik, die sie mit Hilfe der Strukturfonds (Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft – Abteilung Ausrichtung, Europäischer Sozialfonds, Euro-

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

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päischer Fonds für regionale Entwicklung), der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzierungsinstrumente führt. Die Kommission erstattet dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen alle drei Jahre Bericht über die Fortschritte bei der Verwirklichung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und über die Art und Weise, in der die in diesem Artikel vorgesehenen Mittel hierzu beigetragen haben. Diesem Bericht werden erforderlichenfalls entsprechende Vorschläge beigefügt. Falls sich spezifische Aktionen außerhalb der Fonds und unbeschadet der im Rahmen der anderen Politiken der Gemeinschaft beschlossenen Maßnahmen als erforderlich erweisen, so können sie vom Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 251 nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen beschlossen werden. Artikel 160 (ex-Art. 130c) Aufgabe des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung ist es, durch Beteiligung an der Entwicklung und an der strukturellen Anpassung der rückständigen Gebiete und an der Umstellung der Industriegebiete mit rückläufiger Entwicklung zum Ausgleich der wichtigsten regionalen Ungleichgewichte in der Gemeinschaft beizutragen. Grundgesetz Artikel 28 (2) Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle. Artikel 30 Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt. Artikel 91a (1) Der Bund wirkt auf folgenden Gebieten bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind

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Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist (Gemeinschaftsaufgaben): 1. Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, 2. Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. (2) Durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates werden die Gemeinschaftsaufgaben sowie Einzelheiten der Koordinierung näher bestimmt. (3) Der Bund trägt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 die Hälfte der Ausgaben in jedem Land. In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 trägt der Bund mindestens die Hälfte; die Beteiligung ist für alle Länder einheitlich festzusetzen. Das Nähere regelt das Gesetz. Die Bereitstellung der Mittel bleibt der Feststellung in den Haushaltsplänen des Bundes und der Länder vorbehalten. Artikel 104a (1) Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt. (2) Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben. (3) Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, können bestimmen, dass die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden. Bestimmt das Gesetz, dass der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, wird es im Auftrage des Bundes durchgeführt. (4) Bundesgesetze, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründen und von den Ländern als eigene Angelegenheit oder nach Absatz 3 Satz 2 im Auftrag des Bundes ausgeführt werden, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates, wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind. Raumordnungsgesetz § 1 Aufgabe und Leitvorstellung der Raumordnung (2) Leitvorstellung bei der Erfüllung der Aufgabe nach Absatz 1 ist eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung führt.

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

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Dabei sind 1. die freie Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft und in der Verantwortung gegenüber künftigen Generationen zu gewährleisten, 2. die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, 3. die Standortvoraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklungen zu schaffen, 4. Gestaltungsmöglichkeiten der Raumnutzung langfristig offen zu halten, 5. die prägende Vielfalt der Teilräume zu stärken, 6. gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen herzustellen, 7. die räumlichen und strukturellen Ungleichgewichte zwischen den bis zur Herstellung der Einheit Deutschlands getrennten Gebieten auszugleichen, 8. die räumlichen Voraussetzungen für den Zusammenhalt in der Europäischen Gemeinschaft und im größeren europäischen Raum zu schaffen. § 2 Grundsätze der Raumordnung (2) Grundsätze der Raumordnung sind: 7. In Räumen, in denen die Lebensbedingungen in ihrer Gesamtheit im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt wesentlich zurückgeblieben sind oder ein solches Zurückbleiben zu befürchten ist (strukturschwache Räume), sind die Entwicklungsvoraussetzungen bevorzugt zu verbessern. Dazu gehören insbesondere ausreichende und qualifizierte Ausbildungs- und Erwerbsmöglichkeiten sowie eine Verbesserung der Umweltbedingungen und der Infrastrukturausstattung. 9. Zu einer räumlich ausgewogenen, langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstruktur sowie zu einem ausreichenden und vielfältigen Angebot an Arbeits- und Ausbildungsplätzen ist beizutragen. Zur Verbesserung der Standortbedingungen für die Wirtschaft sind in erforderlichem Umfang Flächen vorzuhalten, die wirtschaftsnahe Infrastruktur auszubauen sowie die Attraktivität der Standorte zu erhöhen. Für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen sind die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen. Rahmenplan Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ 2. Ziele und Konzeptionen der Regionalpolitik 2.1 Übergreifende Ziele

72

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

Regionalpolitik in der Bundesrepublik Deutschland ist Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik. Primäre Zielsetzung der Regionalpolitik im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ist es, dass strukturschwache Regionen durch Ausgleich ihrer Standortnachteile Anschluss an die allgemeine Wirtschaftsentwicklung halten können und regionale Entwicklungsunterschiede abgebaut werden. Darüber hinaus ergänzt die Regionalpolitik aber auch die global ausgerichtete Wachstums- und Beschäftigungspolitik und ist geeignet, ihre Wirksamkeit zu verstärken. Sie kann insbesondere dazu beitragen, in den strukturschwachen Regionen das gesamtwirtschaftliche Wachstum zu stärken, durch Schaffung von dauerhaft wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen den wachstumsnotwendigen Strukturwandel zu erleichtern und die regionalen Arbeitsmärkte zu entlasten. Der sektorale Strukturwandel belastet die regionale Entwicklung häufig so stark, dass die Regionen die erforderlichen Strukturanpassungen nicht aus eigener Kraft bewältigen können. Volkswirtschaftlich ist es dann sinnvoller, den vom sektoralen Strukturwandel besonders belasteten Regionen Regionalbeihilfen zur Umstrukturierung hin zu wettbewerbsfähigen Aktivitäten zu gewähren, statt Erhaltungssubventionen an die bedrohten Branchen oder Unternehmen zu zahlen oder protektionistische Maßnahmen zu ergreifen. Durch Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen außerhalb der Krisenbranchen und Verbesserung der regionalen Infrastrukturausstattung können der notwendige Strukturwandel erleichtert und strukturkonservierende Erhaltungsmaßnahmen für bedrohte Wirtschaftszweige vermieden werden. Die Regionalpolitik in der Bundesrepublik Deutschland ist mittel- und langfristig angelegt. Ihre Maßnahmen setzen auf der Angebotsseite der Wirtschaft an. Die Regionalpolitik stellt hierfür der Wirtschaft in den strukturschwachen Regionen ein breit gefächertes Angebot an Fördermöglichkeiten bereit. Wirtschaftsstruktur und Entwicklung der strukturschwachen Regionen bleiben somit das Resultat der Entscheidung einer Vielzahl von Unternehmen, die sich im Wettbewerb behaupten müssen. 3. Die Gemeinschaftsaufgabe als spezialisiertes Instrument zur regionalen Wirtschaftsförderung im Rahmen der Regionalpolitik 3.1 Regionalpolitische Aufgabenverteilung im föderativen System Für Regionalpolitik sind in der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 30 bzw. Artikel 28 GG primär die Länder und die kommunalen Gebietskörperschaften zuständig. Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip sollen sie regionale Strukturprobleme so weit wie möglich aus eigener Kraft lösen. Länder und Regionen müssen die für die regionale Entwicklung notwendigen Konzepte und Strategien ausarbeiten, die vorrangigen Maßnahmen verschiedener Politikbereiche aufeinander abstimmen und mit regionalen Eigenanstrengungen verknüpfen; denn die Länder und Regionen verfügen

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

73

nicht nur über die erforderliche Orts- und Problemkenntnis, sie tragen auch die politische Verantwortung für regionale bzw. lokale Entwicklungen. Auf nationaler Ebene können der Bund bzw. auf supranationaler Ebene die Europäische Union die Regionalpolitik der Länder flankierend unterstützen: – Der Bund stellt den geeigneten Handlungsrahmen für die Umstrukturierungs- und Entwicklungsaktivitäten der Länder und Regionen sicher. Mit der Gemeinschaftsaufgabe verfügen Bund und Länder über ein bewährtes Instrument, um die Regionen bei der Bewältigung ihrer Strukturprobleme zu unterstützen. Die Länder müssen ihrerseits gewährleisten, dass neben der Gemeinschaftsaufgabe bestehende Landesförderprogramme mit regionaler Zweckbestimmung die Zielsetzung der Gemeinschaftsaufgabe nicht konterkarieren. – Ergänzend kommt der Einsatz von EU-Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung zum Zuge. Allerdings kann in Deutschland erst seit den 50er Jahren von einer gezielten und systematischen Beeinflussung der ökonomischen Aktivitäten im Raum gesprochen werden, d.h. einer Raumplanung. Zu der Raumplanung werden in der Regel die Raumordnung (Raumordnungsprogramme, räumliche Leitbilder, Steuerungsprinzipien, Raumordnungsverfahren), die Landes-, Regional-, Stadt- und Bauleitplanung gezählt. Dominierten zunächst Einzelmaßnahmen (z.B. so genannte Notstandsgebiete wie das Zonenrandgebiet), so trat an die Stelle der bisherigen „Notstandspolitik“ die mittelfristige, auf bestimmte Zeit abgestimmte Raumwirtschaftspolitik (auch regionale Wirtschaftspolitik, Regionalpolitik) Ende der 60er Jahre.66 Aus dem Aktionsprogramm von Bund und Ländern ab 1969 wurde der Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ vom 1. Januar 1971 entwickelt. Instrumentell liegt heute das Schwergewicht der regionalen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in Deutschland bei der sog. Bund-LänderGemeinschaftsaufgabe (GA). Der Rahmenplan wird jährlich fortgeschrieben und als Bundesdrucksache publiziert. Aktuell gilt der 36. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ für den Zeitraum 2007 bis 2010.67 Die GA-Förderung ist auf ausgewählte, 66

67

Die Raumwirtschaftslehre, mit den Teilbereichen Raumwirtschaftstheorie und Raumwirtschaftspolitik, kann auf eine lange Historie zurückblicken. Als Klassiker der Ökonomie sind hier vor allem Smith (Grundrente, 1780) und Thünen (Standorttheorie, 1830) zu nennen. Auf Lösch (1940) geht die moderne Raumwirtschaftstheorie zurück, die von vielen Wissenschaftlern weiterentwickelt worden ist. Was unter dem Begriff der Raumwirtschaftspolitik zu fassen ist und wie diese in die Raumwirtschaftslehre grundsätzlich eingeordnet werden kann, siehe bei Velsinger, Paul/Lienenkamp, Roger: Raumwirtschaftslehre, in: Jenkins, Helmut W. (Hrsg.): Raumordnung und Raumordnungspolitik, München/Wien 1996, S. 46 (23-53) sowie allgemein zur Einführung, siehe eben erwähnten Beitrag sowie Jenkins, Helmut W.: Einführung in die Raumordnung und Raumordnungspolitik, in: Jenkins, Helmut W. (Hrsg.): Raumordnung und Raumordnungspolitik, München/Wien 1996, S. 2-22. Vgl. Deutscher Bundestag: Sechsunddreißigster Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ für den Zeitraum 2007 bis 2010, Drucksache 16/5215 vom 27.04.2007.

74

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

strukturschwache Regionen, die als GA-Fördergebiete ausgewiesen sind, beschränkt. Für die Durchführung der GA sowie anderer Förderprogramme sind ausschließlich die Länder zuständig.68 Die nationale Regionalförderung hat für die Beeinflussung der strukturellen Entwicklung Deutschlands eine beachtliche Bedeutung.69 Laut Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland sind für die regionale Wirtschaftsförderung primär die Gemeinden (Artikel 28 GG) und die Länder (Artikel 30 GG) zuständig. Eine Mitwirkung des Bundes leitet sich aus Artikel 91a GG ab, und die Verteilung der Ausgaben (Finanzen) auf Βund und Länder einschließlich gewisser Kompetenzen ergeben sich aus Artikel 104a GG. Zwar ist die Bedeutung des Einflusses der Kommunen auf der europäischen Ebene gewachsen, aber vor dem Hintergrund theoretischer und empirischer Erkenntnisse, wird von vielen Autoren eine noch weitergehende Aufwertung der Region und eine stärkere Übertragung der Verantwortung auf die kommunale Ebene im Rahmen der Regionalpolitik gefordert. Denn nicht nur die Regionen sind äußerst heterogene Gebilde, sondern zeichnen sich auch durch unterschiedliche Problemlagen aus, die einen regionsspezifischen Mix an Instrumenten voraussetzen. Deshalb sollte die ausschließliche Verantwortung für die Standortpolitik und die Wirtschaftsförderung bei den Regionen – wie

68

69

Exemplarisch für Mecklenburg-Vorpommern siehe z.B. Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz (Hrsg.): Förderfiebel. Zur Umsetzung des Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommern 2007-2013, Schwerin 2008; für das regionale Förderprogramm „Mecklenburg-Vorpommern“ nach GA siehe Deutscher Bundestag: Sechsunddreißigster Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ für den Zeitraum 2007 bis 2010, Drucksache 16/5215 vom 27.04.2007, S. 95-107; zu Instrumenten siehe Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus (Hrsg.): Förderinstrumente für die gewerbliche Wirtschaft, für das Handwerk und die freien Berufe sowie für kommunale und private Investoren in Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2008. Der Bund-Länder-Planungsausschuss der GA hat am 20. Februar 2006 die Neuabgrenzung der Fördergebiete für die Jahre 2007 bis 2013 beschlossen. Die Neuabgrenzung erfolgte auf der Grundlage der „Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007 bis 2013“ der EU-Kommission. Am 8. November 2006 hat die EU-Kommission die Fördergebietskarte für Deutschland genehmigt. Erstmals liegt der neuen Fördergebietskarte ein gesamtdeutsches Regionalindikatorenmodell zugrunde. Der Gesamtindikator setzt sich aus vier Regionalindikatoren zusammen: „Durchschnittliche Unterbeschäftigungsquote (2002-2005) 50%, Einkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten pro Kopf (2003) 40%, Infrastrukturindikator 5% und Erwerbstätigenprognose bis 2011 5%. Auf dieser Basis weist die neue Fördergebietskarte Mecklenburg-Vorpommern als Höchstfördergebiet aus. (S. 6) Siehe hierzu die Beiträge im Buch von Ridinger, Rudolf/Steinröx, Manfred (Hrsg.): Regionale Wirtschaftsförderung in der Praxis, Köln 1995.

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

75

auch immer sie abgegrenzt werden – selbst liegen.70 Ein autonomes Vorgehen und Handeln von sich zusammenschließenden und gemeinsam agierenden Kommunen setzt allerdings nach Schrumpf voraus, dass für die Kommunen Anreize gesetzt werden, sich zu Regionalverbänden zusammenzuschließen, die kommunalen Entscheider durch eine Reform des Finanzausgleichs mehr Spielräume erhalten und wieder handlungsfähig werden und schließlich die Handlungsspielräume der Kommunen bezüglich Standort- und Strukturentscheidungen klar definiert werden.71 Außer Frage steht wohl, dass ohne strukturpolitische Instrumente, die in der Bundesrepublik Deutschland seit ihrem Bestehen und verstärkt in den 90er Jahren aufgrund der deutschen Vereinigung und des erheblichen Einflusses der Europäischen Kommission zum Einsatz kommen, viele Regionen noch stärker den entwickelten Regionen hinterher hinken würden. Darüber, ob das Geld nicht hätte sinnvoller eingesetzt werden können und der Einsatz anderer Instrumente effektiver und effizienter gewesen wäre, darüber kann und wird heftig gestritten. Völlig offen ist, wie sich eine Neuausrichtung der Strukturförderung auf bestimmte Regionen in naher Zukunft auswirken könnte. Die aktuellen Diskussionen um den Länderfinanzausgleich, um die Weiterführung des Solidarpakts, um den beabsichtigten Rückzug der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ aus Westdeutschland und nicht zuletzt um die EU-Erweiterung zeigen, dass sich die Rahmenbedingungen der Strukturförderung grundlegend ändern können. Die Strukturpolitik und die Wirtschaftsförderung stehen ständig vor neuen Herausforderungen.72 Allein schon aus der Tatsache heraus, dass Deutschland Mitglied der EU ist, lassen sich Wirtschaftspolitik, Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung nicht nur aus dem nationalen Blickwinkel betrachten. Die nationale (deutsche) Wirtschafts- sowie Raumordnungs- und Regionalpolitik werden zunehmend durch die EU-Bestimmungen ergänzt und überlagert. Wie die Leitlinien der europäischen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik lauten und welche 70

71 72

„Standortpolitik gewinnt ihre Bedeutung dadurch, dass heute keine einzelne Kommune mehr in der Lage ist, die notwendigen Infrastrukturen für einen erfolgreichen Wettbewerb alleine vorzuhalten. das hierarchische Standortmuster der Raumordnungspolitik hat diesen Tatbestand seit langem akzeptiert. In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass die Städte wie Frankfurt oder Düsseldorf nicht allein im Wettbewerb auftreten können, sondern nur als Region in enger Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden bzw. Kreisen. Auf der Ebene der Regionen sind Lücken in der Infrastruktur zu schließen, gleichzeitig aber auch die Planung von Gewerbegebieten abzustimmen. Vorbildcharakter für derartige Aktivitäten könnte zum Beispiel ein reformierter Kommunalverbund Ruhrgebiet haben, der die Haushalte der Kommunen durch Synergieeffekte entlastet und von den Kommunen, besser noch von der Bevölkerung, demokratisch legitimiert wird.“ Schrumpf, Heinz: Regionale Strukturpolitik, in: Gerlach, Frank/Ziegler, Astrid (Hrsg.): Neuere Herausforderungen der Strukturpolitik, Marburg 2004, S. 115 (96-120). Vgl. Schrumpf, Heinz: Regionale Strukturpolitik, in: Gerlach, Frank/Ziegler, Astrid (Hrsg.): Neuere Herausforderungen der Strukturpolitik, Marburg 2004, S. 115 (96-120). Vgl. Gerlach, Frank/Ziegler, Astrid (Hrsg.): Neuere Herausforderungen der Strukturpolitik, Marburg 2004.

76

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

Regionalpolitik von der EU verfolgt wird, soll deshalb im Folgenden kurz skizziert werden. 1.2.4

Europäische Wirtschafts- und Regionalpolitik

Nach der „Lissabon-Strategie“, die im Jahre 2000 aus der Taufe gehoben und 2005 neu ausgerichtet wurde, soll die EU binnen eines Jahrzehnts zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt werden. Die Strukturreformen sollen dazu beitragen, dass Europa von den Chancen der Globalisierung stärker profitiert und den demografischen Wandel besser bewältigt. Die „Lissabon-Strategie“ ist ein Beispiel für die sog. „offene Methode der Koordinierung“ der Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten. Von der Umsetzung der Strukturpolitik auf europäischer und nationaler Ebene wird es unter anderem abhängen, inwieweit es gelingt, auch die rückständigen Regionen in diesen Prozess einzubinden. Wie dargelegt, ist die heutige Raumplanung sowie Wirtschafts- und Regionalpolitik nicht losgelöst von den Instanzen und Entscheidungsträgern der EU zu beurteilen. So beinhaltet das Europäische Raumentwicklungskonzept ein Leitbild für die nachhaltige Entwicklung des europäischen Territoriums, das insbesondere durch raumwirksame EU-Sektorpolitiken umgesetzt werden soll.73 Unter anderem vor diesem Hintergrund werden strukturpolitische Anreizprogramme (z.B. INTERREG IIC und III B für die Ostseeregion) initiiert sowie makro-, mikro- und beschäftigungspolitische Leitsätze für die EU-Mitgliedstaaten formuliert. Die Regional- bzw. Kohäsions- und Strukturpolitik ist einer der zentralen Politikbereiche der EU und beansprucht etwa ein Drittel der EU-Haushaltsmittel, um die Festigung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts („der Kohäsion) voranzutreiben und dabei Wachstum und Beschäftigung in den unterentwickelten Regionen zu fördern. Als Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik ist die Regionalpolitik der EU als Standortpolitik von und für Regionen zu verstehen. Eine koordinierte und geordnete Regionalpolitik ist Voraussetzung für die ausgewogene regionale Entwicklung eines Landes und bestimmter Regionen. Sie soll einen wichtigen Beitrag zur Gleichbehandlung von Regionen mit gleich gelagerten Problemen und gleicher Wirtschaftsschwäche, gegen einen ruinösen Subventionswettbewerb und zum Abbau regionaler Disparitäten leisten. In der europäischen wie in der deutschen Regionalpolitik liegt die primäre Zielsetzung auf der Unterstützung strukturschwacher Regionen, um Standortnachteile auszugleichen, den Strukturwandel zu erleichtern und den Anschluss an die allgemeine Wirtschaftsentwicklung zu befördern. Bei der Europäischen Strukturpolitik 73

Vgl. Westermann, Ralph: Die Nachhaltigkeit transnationaler EU-Raumentwicklungspolitik, Lohmar/ Köln 2007.

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

77

handelt es sich um einen sehr konkreten Politikbereich, der im Ergebnis praktische Auswirkungen hat Auf Basis des dritten Kohäsionsberichts der Europäischen Kommission 2004 und einer anschließend breiten Diskussion hat die Kommission Vorschläge für eine Neuausrichtung der Regionalpolitik in der erweiterten EU25 (heute 27 Mitgliedstaaten) für den Zeitraum 2007-2013 unterbreitet.74 Die Transparenz und Effizienz soll einerseits durch eine Reduktion der Zahl der Ziele von bisher neun, teilweise sehr speziellen Zielen, auf drei umfassende Zielkomplexe und die Finanzinstrumente von sechs auf drei (EFRE, ESF und Kohäsionsfonds) sowie durch administrative Vereinfachungen und Dezentralisierungen erreicht werden. Andererseits ist beabsichtigt, die Strukturmaßnahmen stärker auf die strategischen Ziele der EU (insbesondere Förderung einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen wissensbasierten Wirtschaft und Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze) auszurichten und auf die am stärksten benachteiligten Regionen konzentriert werden. Einen Vergleich der bisherigen und zukünftigen Ziele, die Zuordnung der Finanzinstrumente und die inhaltlichen Prioritäten im neuen System sind der Darstellung 18 zu entnehmen.

74

Vgl. Europäische Kommission (Hrsg.): Die Kohäsionspolitik 2007-2013. Erläuterungen und offizielle Texte, Leitfaden, Luxemburg Januar 2007; Europäische Kommission (Hrsg.): Die Kohäsionspolitik im Dienste von Wachstum und Beschäftigung. Strategische Leitlinien der Gemeinschaft für den Zeitraum 2007-2013, Luxemburg Oktober 2006. Die Erfolge der europäischen werden regelmäßig von der EU veröffentlicht, so z.B. Europäische Kommission (Hrsg.): Wachsende Regionen, wachsendes Europa – Vierter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, Luxemburg Mai 2007. Weitere Informationen sind hierzu unter der Inforegio-Website: http://ec.europa.eu/inforegio abrufbar.

78

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

Darst. 18: Kohäsionspolitik im Wandel: Ziele, Finanzinstrumente und Prioritäten 2000 – 2006

2007 – 2013

Ziele

Finanzinstrumente

Kohäsionsfonds (wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt)

Kohäsionsfonds Konvergenz (81,7 v.H. der Kohäsionsmittel) EFRE

allgemeine Regionale- und Kohäsionspolitik

Ziel 1 (Regionen mit Entwicklungsrückstand)

Ziele

Finanzinstrumente

Prioritäten

EFRE

• Innovation • Umwelt/ Risikoprävention • Zugänglichkeit • Infrastrukturen • Humankapital • Verwaltungskapazität

ESF

ESF EAGFL, Garantie und Ausrichtung

Kohäsionsfonds • • • •

FIAF Ziel 2 (wirtschaftliche und soziale Umstellung von bestimmten Gebieten)

EFRE

Ziel 3 (Bildungssysteme und Beschäftigungsförderung)

ESF

Regionale EFRE Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung ESF (15,8 v.H. der Kohäsionsmittel)

ESF

• Innovation • Umwelt/ Risikoprävention • Zugänglichkeit • Europäische Beschäftigungsstrategie

• regionale Ebene • nationale Ebene: Europäische Beschäftigungsstrategie

INTERREG (Aufbau grenzüberschreitender Partnerschaften)

EFRE

Europäische territoriale Zusammenarbeit (2,4 v.H. der Kohäsionsmittel)

URBAN (Erneuerung der Städte und EFRE Krisenviertel)

Verkehr (TEN) nachhaltiger Verkehr Umwelt erneuerbare Energien

EFRE

• Innovation • Umwelt/ Risikoprävention • Zugänglichkeit • Kultur, Bildung

EQUAL (Kampf gegen ESF Ungleichheiten und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt) Leader+ (Entwicklung innovativer Strategien für dauerhafte Entwicklung)

EAGFL, Ausrichtung

EAGFL, Entwicklung des ländlichen Raums und Umstrukturierung des Garantie FIAF Fischereisektors außerhalb von Ziel 1 9 Ziele

6 Instrumente 3 Ziele 2007

2008

2009

3 Instrumente

Finanzvolumen der Kohäsionspolitik

2006

2010

2011

2012

2013

2007

in Mrd. EUR

38,8

42,8

43,3

43,8

43,8

44,0

44,6

45,2

307,6

v.H. des Finanzrahmens 32,2

35,5

35,7

35,8

35,7

35,6

35,7

35,7

35,7

-2013

Quelle: Nienhaus, Volker: Europäische Integration, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik Band 2, 9. Aufl., München 2007, S. 647 (615-701).

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

79

Seitens der EU sind integrierte Leitlinien als Orientierung für die nationale Wirtschaftspolitik erarbeitet worden. Die neue Struktur der „Strategie für Wachstum und Beschäftigung“ integriert zwei Koordinierungsverfahren, die bereits seit längerem Teil des institutionellen Rahmens der EU sind: zum einen die allgemeine Koordinierung auf Basis der „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ (Art. 99 EG-Vertrag, Maastricht 1993) und die „Gemeinsame Beschäftigungsstrategie“ (Art. 128 EG-Vertrag, Europäischer Rat in Luxemburg 1997). Der nachfolgenden Auflistung sind die makro- und mikro- sowie die beschäftigungspolitischen Leitlinien75 zu entnehmen, an denen sich die Mitgliedstaaten in ihrer nationalen Politik orientieren können. Makroökonomische Leitlinien ÿ Sicherung wirtschaftlicher Stabilität im Hinblick auf nachhaltiges Wachstum ÿ Gewährleistung von wirtschaftlicher und finanzieller Nachhaltigkeit als Grundlage für mehr Arbeitsplätze ÿ Förderung einer effizienten und auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichteten Ressourcenallokation ÿ Gewährleistung eines Beitrags der Lohnentwicklung zur makroökonomischen Stabilität und zum Wachstum ÿ Förderung größerer Kohärenz zwischen makroökonomischer Politik, Strukturpolitik und Beschäftigungspolitik ÿ Verbesserung von Dynamik und Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) Mikroökonomische Leitlinien ÿ Verstärkte und effizientere Investitionen in FuE, insbesondere im Privatsektor ÿ Förderung aller Formen der Innovation ÿ Förderung der Verbreitung und effizienten Nutzung der IKT und Aufbau einer Informationsgesellschaft, an der alle teilhaben ÿ Stärkung der Wettbewerbsvorteile der industriellen Basis Europas ÿ Förderung einer nachhaltigen Ressourcen-Nutzung und Stärkung der Synergien zwischen Umweltschutz und Wachstum

75

Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.): Die „Strategie für Wachstum und Beschäftigung“ der EU – Wie strukturelle Reformen in Europa koordiniert werden, in: Schlaglichter der Wirtschaftspolitik Monatsbericht Mai 2008, S. 8 (7-13).

80

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik ÿ Ausbau und Vertiefung des Binnenmarkts, offene und wettbewerbsorientierte Gestaltung der Märkte innerhalb und außerhalb Europas und Nutzung der Vorteile der Globalisierung ÿ Wettbewerbsfreundlichere Gestaltung des Unternehmensumfelds und Förderung von Privatinitiativen durch eine bessere Rechtsetzung ÿ Förderung der unternehmerischen Kultur und KMU freundlichere Gestaltung des Wirtschaftsumfelds ÿ Ausbau, Verbesserung und Vernetzung der europäischen Infrastrukturen sowie Vollendung der prioritären grenzüberschreitenden Projekte

Beschäftigungspolitische Leitlinien ÿ Die Beschäftigungspolitik auf Vollbeschäftigung, Steigerung der Arbeitsplatzqualität und Arbeitsproduktivität und Stärkung des sozialen und territorialen Zusammenhalts ausrichten ÿ Einen lebenszyklusorientierten Ansatz in der Beschäftigungspolitik fördern ÿ Integrative Arbeitsmärkte schaffen, Arbeit attraktiver und für Arbeit Suchende – auch für benachteiligte Menschen – und Nichterwerbstätige lohnend machen ÿ Den Arbeitsmarkterfordernissen besser gerecht werden ÿ Unter gebührender Berücksichtigung der Rolle der Sozialpartner Flexibilität und Beschäftigungssicherheit in ein ausgewogenes Verhältnis bringen und die Segmentierung der Arbeitsmärkte verringern ÿ Die Entwicklung der Arbeitskosten und die Tarifverhandlungssysteme beschäftigungsfreundlicher gestalten ÿ Die Investitionen in Humankapital steigern und optimieren ÿ Die Aus- und Weiterbildungssysteme auf neue Qualifikationsanforderungen ausrichten Diese Leitlinien haben eher den Charakter einer Themensammlung als den eines Zielsystems. Die Realisierung der Kohäsionspolitik und Umsetzung von wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Zielen in den 27-EU-Staaten sowie die Durchsetzung der Interessen auf Bundes-, Landes- und Gemeinde-Ebene in Deutschland sind ohne Finanzen nicht denkbar. Wie die Finanzierungsstruktur des

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

81

Bundesstaates Deutschland unter Berücksichtigung der EU-Zugehörigkeit sich darstellt, wird deshalb im folgenden Punkt kurz aufgezeigt.

2.

Gelder der Europäischen Union

Die Europäische Union finanziert sich nicht über Steuern, sondern über sog. Eigenmittel. Defizite sind nicht erlaubt. Eigenmittel sind Finanzressourcen, die ihr von den Mitgliedsstaaten zugestanden werden. Die Ausgaben der Union (Gemeinschaftshaushalt) in Höhe von etwa 112 Mrd. Euro (2006) werden nach dem „Eigenmittel-Beschluss“ aus dem Jahr 2006 aus folgenden drei Eigenmittelquellen aufgebracht: Traditionelle Eigenmittel wie Zolleinnahmen, Zucker- und Isoglukoseabgaben und Agrarabschöpfungen, MehrwertsteuerEigenmittel (2006: 14,2%) und sog. BNE-Eigenmittel. Zur Hauptfinanzierung der EU wird von den Mitgliedstaaten ein jährlich neu festzusetzender Prozentsatz des Bruttonationaleinkommens (BNE) an die EU abgeführt. Die Ausgaben der EU verteilen sich auf die gemeinsamen Politikbereiche, z.B. Agrar-, Struktur- und Beschäftigungspolitik, die den Teil des Vertrags bilden. Wie das Haushaltsverfahren sich gestaltet, soll hier nicht weiter thematisiert werden. Fakt ist jedenfalls, dass neben dem noch darzulegenden Finanzausgleich in Deutschland (Bundes-, Länder- und Gemeindeebene) die internationale Umverteilung von Finanzressourcen innerhalb der EU für die Regional-, Struktur- und Beschäftigungspolitik einzelner Bundesländer von großer Bedeutung sind. Einerseits ist die Bundesrepublik Deutschland größter Nettozahler, andererseits fließt auch ein beachtlicher Betrag aus dem EU-Haushalt wieder an Deutschland zurück.76 Die Kohäsions- und Strukturpolitik ist einer der zentralen Politikbereiche der EU und nimmt etwa ein Drittel der Haushaltsmittel in Anspruch. Für alle EU-Mitgliedstaaten sind im Zeitraum 2007-2013 insgesamt Finanzmittel in Höhe von rund 346 Mrd. Euro (in laufenden Preisen) für die Strukturpolitik vorgesehen. Die Förderung durch die Europäischen Fonds kommt eben auch Deutschland zu Gute, das EU-Strukturfondsmittel in Höhe von rund 26,3 Mrd. Euro erhalten wird. Viele deutsche Regionen, insbesondere die neuen Bundesländer, werden mit Mitteln der EU-Strukturpolitik gefördert. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Tatsache, dass mit EU-Geldern in dieser Dimension nach 2013 nicht mehr zu rechnen ist, sind die Bundesländer und Ge-

76

Vgl. Blankart, Charles B.: Öffentliche Finanzen in der Demokratie. Eine Einführung in die Finanzwissenschaft, 7. Aufl., München 2008, S. 579-595.

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Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

meinden verstärkt gefordert, sich intensive Gedanken über den strategischen Einsatz dieser Fördermittel zu machen.77 Bei der Europäischen Strukturpolitik handelt es sich um einen sehr konkreten und lebensnahen Politikbereich, der im Ergebnis praktische Auswirkungen hat. Durch die Fördermittel wird den Menschen geholfen, Arbeit zu finden und in ihrem Land, ihrer Region, ihrem Stadtteil oder ihrem Dorf ein besseres Leben zu führen. Die Investitionstätigkeit von kleinen und mittleren Betrieben wird ebenso gefördert wie Verkehrsprojekte, z.B. Autobahnen, Flughäfen oder Qualifizierungsprojekte für Arbeitslose. In dieser Förderperiode wird auch viel Wert auf die „Verbesserung des Humankapitals“ gelegt, um vor allem die Steigerung der Wettbewerbs- und Anpassungsfähigkeit von KMU zu erreichen. Nach Ablauf der Förderperiode 2007-2013 wird die Förderung deutscher Regionen massiv zurückgehen, hiervon ist jedenfalls auszugehen. Dies wird grundsätzlich den Aktionsradius der Förderpolitik einengen. Dann stehen die nationale Regionalförderung und die kommunale Wirtschaftsförderung im Hinblick auf die Schwerpunktsetzung noch mehr als bisher im Blickpunkt der regionalen Entscheidungsträger. Die kommunale Eigenverantwortung für die Entwicklung von Wirtschaftsstandorten bzw. Regionen wird zunehmen. Wie gestalten sich aber die Finanzierungsstruktur in Deutschland und damit der grundsätzliche Handlungsrahmen für Länder und Gemeinden bezüglich der Regional- und Wirtschaftsförderung aus?

3.

Finanzierungsstruktur des Bundesstaats Deutschland

Die Wertung der Rolle des Staates ist grundsätzlich ideologisch geprägt. Somit lässt sich auch die Frage, welche Aufgaben der Staat übernehmen soll und welche privatwirtschaftlich durchgeführt werden sollen, nicht allgemeingültig beantworten. Die Höhe und Zusammensetzung der Staatsausgaben und deren Finanzierung hängen von vielen Faktoren ab. Üblicher Maßstab für die Staatstätigkeit ist die sog. Staatsquote, d.h. der Anteil der Staatsausgaben am

77

Beispielsweise erhält Mecklenburg-Vorpommern für die Periode 2007-2013 rund 2,55 Mrd. Euro von der EU. Auf der Veranstaltung der Staatskanzlei des Landes MV (Schwerin) am 4. September 2008 in Stralsund wies Dr. Rainer Kosmider, Leiter der Abteilung Europäische und auswärtige Angelegenheiten, in seiner Begrüßungs- und Einführungsrede darauf hin, dass es erstmals für MV eine „gemeinsame Landesstrategie für den Einsatz des EFRE, ESF und ELER“ gibt. Die Folien des Vortrags sind abrufbar unter http:www.europa-mv.de/docs/download/10491/Einführungsvortrag%20Dr.Kosmider. pdf

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

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Bruttoinlandsprodukt.78 Die Aktivität des Staates – zum Teil auch zwingend notwendig – spiegelt sich in vielen Bereichen der Gesellschaft wider (Infrastrukturinvestitionen, Bildung etc.). Allerdings ist in Deutschland die Meinung vorherrschend, dass zu viel Staat der Gesellschaft schadet. Die meisten Bürger sind der Auffassung, dass die öffentlichen Ausgaben viel zu hoch seien. Politische Entscheidungsträger haben die Staatsquote von 48% im Jahr 1999 auf 43,5% im Jahr 2008 gedrückt und wollen diese auf 41,5% im Jahr 2011 drücken.79 Peter Bofinger, Volkswirt und Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, spricht von einem „Jahrzehnt der Entstaatlichung“, verbunden mit negativen Konsequenzen für die zukünftige Entwicklung Deutschlands.80 Im Zuge der Orientierung der staatlichen Wirtschaftspolitik in Deutschland in Richtung „weniger Staat“ erhalten die Aktionsfelder Deregulierung, Privatisierung und Ausgliederung für Städte und Kommunen eine besondere Bedeutung. Die Privatisierung oder Teilprivatisierung beispielsweise von staatlichen Wohnungsgesellschaften oder dem öffentlichen Nahverkehr stehen vielerorts auf der Agenda, um die Haushalte zu entlasten. Ebenfalls ein großes Thema ist die Verwaltungsmodernisierung. Die Übernahme der Grundprinzipien der Betriebswirtschaftslehre sowie die Erstellung des Jahresabschlusses einer Kommunalverwaltung auf Basis der kaufmännischen Buchhaltung werden in den letzten Jahren bei den politischen Entscheidungsträgern und in der Wissenschaft intensiv diskutiert.81 In den letzten Jahren werden große Bemühungen unternommen, die föderale Struktur Deutschlands neu zu ordnen. Der gescheiterten Föderalismusreform I folgte die Etablierung der Föderalismusreform II, um die Finanzbeziehungen in Deutschland neu zu ordnen. Im März 2007 haben Bundestag und Bundesrat 78

79 80

81

Zur Messung der Staatsaktivität und der Staatsquote nach unterschiedlichen Abgrenzungskriterien sowie den Indikatoren der staatlichen Aktivität siehe z.B. Blankart, Charles B.: Öffentliche Finanzen in der Demokratie. Eine Einführung in die Finanzwissenschaft, 7. Aufl., München 2008, S. 127-139; Brümmerhoff, Dieter: Finanzwissenschaft, 8. Aufl., München/Wien 2001, S. 35-47; Altmann, Jörn: Wirtschaftspolitik, 7. Aufl., Stuttgart 2000, S. 290-296. Bofinger, Peter: Das Jahrzehnt der Entstaatlichung, in: WSI-Mitteilungen 7/2008, S. 352 (351-357). „Insgesamt gesehen hat die Entstaatlichung in Form des Ressourcenentzugs also zu erheblichen Defiziten bei den Zukunftsinvestitionen des Landes geführt, die sich früher oder später in einer mangelnden Standortqualität und einem Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit niedergeschlagen werden. Das zentrale Problem besteht dabei darin, dass sich solche negativen Entwicklungen erst mit einer großen zeitlichen Verzögerung manifestieren. Doch wenn sie ins allgemeine Bewusstsein dringen, ist der kumulierte Rückstand so groß, dass er nur sehr allmählich und unter großen Anstrengungen wieder aufgeholt werden kann.“ Bofinger, Peter: Das Jahrzehnt der Entstaatlichung, in: WSIMitteilungen 7/2008, S. 354. Fudalla, Mark/Mühlen, Manfred zur/Wöste, Christian: Doppelte Buchführung in der Kommunalverwaltung. Basiswissen für das „Neue Kommunale Finanzmanagement“ (NKF), 3. Aufl., Berlin 2007; Fudalla, Mark/Tölle, Martin/Wöste, Christian/Mühlen, Manfred zur: Bilanzierung und Jahresabschluss in der Kommunalverwaltung. Grundsätze für das „Neue Kommunale Finanzmanagement“ (NKF), Berlin 2007; Rau, Thomas: Betriebswirtschaftslehre für Städte und Gemeinden. Strategien, Personal, Organisation, 2. Aufl., München 2007; Tauberger, André: Controlling für die öffentliche Verwaltung, München/Wien 2008.

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eine gemeinsame Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ins Leben gerufen.82 Die Wirtschaftskraft und damit auch die Möglichkeit der Finanzierung öffentlicher Ausgaben der Bundesländer sind recht unterschiedlich. Dennoch sollen grundsätzlich die staatlichen Leistungen für jeden Bürger in gleichem Ausmaß zur Verfügung stehen. Die Aufgabenverteilung zwischen den Gebietskörperschaften (Bund, Länder Gemeinden) ist im Grundgesetz (GG) prinzipiell geregelt (siehe Art. 28, 30, 83, 91a und b, 104a GG). In den Art. 104a bis 115 wird das öffentliche Finanzwesen, die sog. Finanzverfassung, geregelt. Dort ist festgelegt, welche Steuern vom Bund und von den Ländern per Gesetz erhoben werden dürfen, wie sie auf Bund, Länder und Gemeinden aufzuteilen sind und wie Unterschiede im Steueraufkommen zwischen „reichen“ und „armen“ Ländern auszugleichen sind. Eine neue und verschärfte Lage hat sich nach der Herstellung der Deutschen Einheit ergeben. Die Finanzkraft der neuen Bundesländer wird für lange Zeit nicht ausreichen, um ihre Ausgaben eigenständig zu decken. Ist das Defizit bis 1994 durch den Fonds Deutsche Einheit ausgeglichen worden, so sind seit 1995 die neuen Bundesländer in den Länderfinanzausgleich einbezogen. Zur Durchführung seiner vielfältigen Aufgaben braucht der Staat – auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene – entsprechende Finanzmittel. Bund, Länder und Kommunen fordern von ihren Bürgern Steuern, damit sie ihre Aufgaben wahrnehmen können. Wie gestalten sich die Steuerstruktur und der Finanzausgleich? Das Finanzausgleichssystem ist in drei Stufen unterteilt, die horizontale Umsatzsteuerverteilung, den Länderfinanzausgleich und die Bundesergänzungszuweisungen. Generell wird bei dem mehrstufigen System des Finanzausgleichs zwischen vertikalem und horizontalem Finanzausgleich unterschieden. Im Rahmen des vertikalen Finanzausgleichs wird geregelt, welche Steuern oder Anteile an Gemeinschaftssteuern dem Gesamtstaat und welche den Bundesländern zufallen sollen. Beim horizontalen Finanzausgleich geht es um die Verteilung der den Bundesländern zustehenden Einnahmen untereinander und um den Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der einzelnen Länder. Die Grundlagen zur Berechnung des Finanzausgleichs sind mehrfach, zum letzten Mal grundsätzlich im Jahr 2001, geändert worden. Ausgangspunkt für 82

Die Vorschläge zu einer Reform öffentlicher Verschuldungsregeln reichen von einem vollständigen Verschuldungsverbot für Bund und Länder, über ausgereifte Frühwarnsysteme und (konjunkturabhängige) Schuldenbremsen bis hin zur Auflösung der Solidargemeinschaft von Bund und Ländern und der Insolvenzfähigkeit von Ländern. Fast ebenso umfangreich sind die Reformvorschläge im Hinblick auf die Einnahmekompetenz der Bundesländer. Auf der einen Seite stehen die Verfechter der These, dass ein Festhalten am Status quo eher dazu beiträgt, die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland zu sichern. Auf der anderen Seite gibt es Vertreter, die ein Zuschlagsrecht der Länder oder gar die vollständige Autonomie der Länder bei den Steuern favorisieren. Hierzu ausführlich Konrad, Kai A./Joachimsen, Beate (Hrsg.): Föderalismuskommission II: Neuordnung von Autonomie und Verantwortung, Frankfurt am Main u.a. 2008; Dokumente zur Föderalismusreform sind im Internet auffindbar unter http//www.bundestag.de/parlament/gremien/foederalismus2/index.htlm

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den Finanzausgleich stellt das Pro-Kopf-Einkommen der eigenen Steuern, der Gemeinschaftssteuern (Verbundsteuern) und der bergrechtlichen Förderabgaben sowie Teilen der Gemeindeeinnahmen eines Landes dar.83 Darst. 19: Steuer- und Aufgabenverteilung in Deutschland (ohne EU) Gemeinschaftssteuern (Verbundsteuern) Gemeinden

Länder Bund Lohn- und Einkommensteuer 15% 42,5% 42,5% Körperschaftsteuer 50% 50% Umsatzsteuer (Aufteilung des verbleibenden Aufkommens) 2,2% 50,3% 49,7%

Ausgaben

Einnahmen

Gewerbesteuer (81,8%)

Gewerbesteuer (18,2%)

Grundsteuer, kleinere eigene Steuern (u. a. Hundesteuer, Getränkesteuer, Vergnügungssteuer, Jagd- und Fischereisteuer)

Erbschaftsteuer, KFZ-Steuer Grunderwerbssteuer, Biersteuer, Spielbankabgabe

Zölle (abgeführt an EUKasse) Mineralölsteuer, Tabaksteuer, Kaffeesteuer, Versicherungssteuer

Wasser- und Energieversorgung, Müllabfuhr, Kanalisation, Sozialhilfe, Baugenehmigungen, Meldewesen

Schulen, Universitäten, Polizei, Rechtspflege, Gesundheitswesen, Kultur, Wohnungsbauförderung

Soziale Sicherung (Schwerpunkt Renten, Arbeitslosenversicherung), Verteidigung, auswärtige Angelegenheiten, Verkehrswesen, Geldwesen, Wirtschaftsförderung, Forschung / Großforschungseinrichtungen

Quelle: Zusammengestellt nach Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode, Finanzplan des Bundes 2008 bis 2012, Drucksache 16/991 vom 8.8.2008 und in Anlehnung an Blankart, Charles B.: Öffentliche Finanzen in der Demokratie. Eine Einführung in die Finanzwissenschaft, 7. Aufl., München 2008, S. 602.

Darstellung 19 zeigt überblicksartig die momentan bestehende Steuer- und Aufgabenverteilung ohne EU-Finanzierungsströme (Ertragskompetenz gemäß Art. 106 GG). Dem Bund stehen vor allem die Verbrauchsteuern (z.B. auf Mineralöl, Tabak, Branntwein, Kaffee) und die Versicherungssteuer zu, sowie die Zölle, die aber an die EU-Kasse abgeführt werden. Die Länder erheben die Erbschaft-, KFZ-, Grunderwerb-, Wett- und Biersteuer. Zu den Gemeindesteuern zählen die Grund- und Gewerbesteuer und die örtlichen Steuern, wie die Hunde- und Getränkesteuer. Die Gewerbesteuer fließt zwar den 83

Vgl. Blankart, Charles B.: Öffentliche Finanzen in der Demokratie. Eine Einführung in die Finanzwissenschaft, 7. Aufl., München 2008, S. 598-613.

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Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

Gemeinden zu, doch werden Bund und Länder zusammen mit einer etwa 18%igen Umlage beteiligt. Die ertragsreichsten Steuern, die Gemeinschaftsoder Verbundsteuern, so die Lohn- und Einkommensteuern, werden nach einem bestimmten Schlüssel verteilt: Der Bund und die Länder erhalten jeweils 42,5% und die Gemeinden 15%. Die Körperschaftsteuer wird mit jeweils 50% zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Beim Umsatz- bzw. Mehrwertsteueraufkommen erhalten, nach Vorabzügen für die Bundesagentur für Arbeit und zur Refinanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung, die Gemeinden vorab 2,2% und danach geht das verbleibende Aufkommen zu 49,7% an den Bund und zu 50,3% an die Länder. Die Verteilung der Landessteuern und des Landesanteils an den Gemeinschaftssteuern auf die einzelnen Länder richtet sich nach Art. 107 Abs. 1 GG (horizontale Steuerverteilung). Allerdings bleiben hier noch die unterschiedlichen Länderstrukturen unberücksichtigt (räumliche Ausdehnung, Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur). Der horizontale Finanzausgleich gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG stellt eine Ausgleichsregelung unter den Bundesländern dar (Länderfinanzausgleich: Geber- und Nehmer-Länder). Gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG hat der Bund ferner die Möglichkeit, aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs zu gewähren (sog. Ergänzungszuweisungen). Zum vertikalen Finanzausgleich gehört auch der kommunale Finanzausgleich, d.h. die Beziehung zwischen den einzelnen Bundesländern und „ihren“ Gemeinden. Im kommunalen Finanzausgleich ergänzt das Land aus seinen Mitteln die Einnahmen der Gemeinden, allerdings im unterschiedlichen Ausmaß, indem die Gemeinden unterschiedlich am Gemeindeanteil der Gemeinschaftssteuern beteiligt werden. Diese sog. Finanzmasse des allgemeinen Steuerverbundes wird durch allgemeine Zuweisungen (Schlüsselzuweisungen) und Bedarfszuweisungen nach Prüfung im Einzelfall verteilt. Eine weitere Ebene des Finanzausgleichs (neben den Bundes-, Länder- und Gemeindeebenen) ist – wie bereits dargelegt – die internationale Umverteilung in der Europäischen Union. Darstellung 20 verdeutlicht den Finanzausgleich mit dem Ausweis der Geber- und Nehmer-Länder.

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Darst. 20: Finanzausgleich sowie Geber- und Nehmer-Länder

Quelle: In Anlehnung an Altmann, Jörn: Wirtschaftspolitik. Eine praxisorientierte Einführung, 7. Aufl., Stuttgart 2000, S. 316-317 und Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode, Finanzplan des Bundes 2008 bis 2012, Bundesrat Drucksache 181/08 vom 14.3.2008, Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen. Zweite Verordnung zur Durchführung des Finanzausgleichsgesetzes im Ausgleichsjahr 2006, Anlage 2.

Eine Beschäftigung mit der Regionalwirtschaft und dem Regionalmanagement hat vor allem den kommunalen (vertikalen) Finanzausgleich im Fokus, der sich von den einzelnen Bundesländern zu „ihren“ Gemeinden vollzieht. Die Gemeinden sind das schwächste Glied im System des Finanzausgleichs und haben vielfach Not, ihre öffentlichen Aufgaben zu finanzieren. Während die gesetzlich bedingten Ausgaben ständig zunehmen (z.B. im Sozialbereich), stagniert der Gemeindeanteil am Steueraufkommen, und den Gemeinden stehen – im Gegensatz zu den Ländern – nur begrenzte Verschuldungsmöglichkeiten offen. Schon heute müssen lokale Vorhaben durch Mischfinanzierung

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Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

zwischen Gemeinde, Land und Bund realisiert werden. Unklar ist bis dato, wie die Pläne zur Föderalismusreform II die finanzielle Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern einschränken könnten und die damit verbundenen Konsequenzen für die Gemeinden und prinzipiell für den Sozialstaat.84 Horizontale und vertikale Finanzausgleichsmechanismen haben in der Vergangenheit die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Deutschland gefördert und insbesondere die Abkopplung wirtschaftsschwächerer Länder und Regionen verhindert. Es ist nicht auszuschließen, dass der Länderfinanzausgleich, der bisher für einen weitgehenden Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder sorgt, zur Debatte steht. Die bisherigen Vorschläge im Rahmen der Föderalismusreform II deuten auf Entscheidungen hin, die tendenziell zu einem größeren Ungleichgewicht des Wohlstandsniveaus und zu verstärkter Konkurrenz der Bundesländer führen könnten. Auch die örtliche Begrenzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit ist ein derzeit viel diskutiertes Thema an der Schnittstelle von Kommunalverfassungsrecht, öffentlichem Wirtschaftsrecht und europäischem Gemeinschaftsrecht.85 Strukturveränderungen in einer marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft sind einerseits mit Bedrohungen und andererseits mit Marktchancen für bestimmte Teilmärkte verbunden. So richten beispielsweise bereits einige Unternehmen ihre Produkt- und Marketingstrategien stärker auf den Zukunftsmarkt „Senioren“ aus. Andere Unternehmen, z.B. die arvato, Tochter des Medienkonzerns Bertelsmann, sehen in der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung einen äußerst interessanten Markt.86 Aus der Sicht der Kommunalpolitiker ist aber grundsätzlich zu prüfen, ob eine Privatisierung dem Charakter öffentlicher Güter angemessen ist. Auf die Akteure und Träger einer Region (Gemeinde) kommen in Zukunft offensichtlich neue Herausforderungen zu.

84 85 86

Vgl. Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (Hrsg.): Schulden bremsen? Sozialstaat stärken und Reichtum besteuern statt Ausgaben senken! Wirtschaftspolitische Informationen 5b/2008, Berlin August 2008. Vgl. Langner, Mirjam Vanessa: Die örtliche Begrenzung kommunaler Wirtschaftstätigkeit und die Grundfreiheiten des EG-Vertrages, Frankfurt am Main u.a. 2008. In der Bundesrepublik Deutschland sind rund 1,5 Millionen Menschen in Kommunalverwaltungen tätig mit einem Stellenvolumen von etwa 105 Euro. Von diesem Kuchen möchten im Rahmen der „Modernisierung von Verwaltungen“ private Firmen profitieren. Nach Erhebungen von arvato sind rund 20% dieser Stellen outsourcebar; das Potenzial, das Kommunen an arvato abgeben könnten, wird mit etwa 20 Milliarden Euro beziffert. Arvato stehe nach Aussagen des Vorstandsvorsitzenden Rolf Buch mit mehreren interessierten Kommunen in Kontakt. http.//www.manager-magazin.de/it/ artikel/0,2828,546359,00.htlm Als Pilot- und Anschauungsobjekt kann das Projekt „Würzburg integriert!“ gesehen werden. Die Stadt Würzburg überträgt Aufgabenbereiche, wie das Beschaffungswesen, IT-Entwicklung und Betrieb, den Zahlungsverkehr, das Abrechnungswesen sowie Leistungen des Bürgerbüros an arvato. http://www.wuerzburg.de/m_13388, S. 2.

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

4.

89

Träger und Akteure der Regional- und Strukturpolitik

In einer Gesellschaft werden nicht nur zahlreiche Interessen artikuliert, sondern man versucht, diese auch umzusetzen. Geht man davon aus, dass nahezu jede wirtschaftspolitische Maßnahme – ob gewollt oder unbeabsichtigt – verteilungspolitische Wirkungen hat, ruft sie Einzelpersonen und diverse Gruppen auf den Plan, die ihre Partialinteressen bekunden und durchzusetzen versuchen. Eine demokratische und pluralistische Gesellschaft wie die Bundesrepublik Deutschland ist bestrebt, der Meinungsvielfalt Rechnung zu tragen. Die Willensbildung und erst recht die Willensdurchsetzung in wirtschaftspolitischen Fragen ist durch einen Trägerpluralismus gekennzeichnet. Darstellung 21 verdeutlicht die relevanten Institutionen (Träger) und Akteure in Deutschland einschließlich EU in Bezug auf wirtschaftspolitische Entscheidungen.87

87

Ausführliche Darlegungen zu den Trägern der Wirtschaftpolitik finden sich bei Peters, Hans-Rudolf: Wirtschaftspolitik, 3. Aufl., München/Wien 2000, S. 59-81.

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Darst. 21: Träger regionaler und sektoraler Strukturpolitik Trägerebene

Legislative Instanzen

Primäre exekutive Instanzen

Sekundäre exekutive Instanzen

Auf Ebene der Europäischen Gemeinschaft (EG, Euratom, EGKS)

Rat der Europäischen Union

Europäische Kommission

Nachgeordnete Instanzen, u. a. Verwaltung: des Agrarfonds des Regionalfonds

Auf Bundesebene in der Bundesrepublik Deutschland

Deutscher Bundestag Ausschüsse Plenum Bundesrat Vermittlungsausschuss

Bundesregierung Bundeskanzler Bundesminister, insbesondere für: Wirtschaft Finanzen Verkehr Ernährung Landwirtschaft und Forsten Arbeit und Sozialordnung Forschung und Technologie Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Post- und Fernmeldewesen Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Nachgeordnete Bundesverwaltungen mit Entscheidungsbefugnis in ihrem Zuständigkeitsbereich, u. a.: Bundeskartellamt Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Bundesagentur für Arbeit Bundesanstalt für den Güterfernverkehr

Auf Länderebene in der Bundesrepublik Deutschland

Landtage der Bundesländer und Parlamente der Stadtstaaten

Landesregierungen Ministerpräsidenten bzw. Regierende Bürgermeister Landesminister bzw. Senatoren, insbesondere für Wirtschaft Finanzen Landwirtschaft Verkehr Arbeit Umweltschutz

Nachgeordnete Landesverwaltungen mit Entscheidungsbefugnis in Einzelfällen, u. a.: Regierungspräsidien Bezirksämter

Auf Kommunalebene in der Gemeinde-, Stadt- Gemeinde-, Stadt-, KreisBundesrepublik Deutschräte, Kreistage verwaltungen land Gemeinde-, Amts-, Stadt-, Kreisdirektoren Leiter von Ämtern, insbesondere von Bauämtern Beschaffungsämtern Planungsämter Wirtschaftsförderung

Zweckverbände der Gemeinden, Städte und Kreise mit Entscheidungsbefugnis für bestimmte Versorgungsleistungen u. a.: für Wasserversorgung für Müllabfuhr

Quelle: Peters, Hans-Rudolf: Sektorale Strukturpolitik, 2. Aufl., München/Wien 1996, S. 102.

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Die hauptsächlichen Beeinflussungskräfte bzw. Akteure im Hinblick auf regionalpolitische Entscheidungen sind die Parteien, Verbände, Gewerkschaften, (Wirtschafts-)wissenschaftler und die Medien. Jede Person oder Gruppe vertritt mehr oder weniger Partialinteressen, die man versucht, gegen das Gemeinwohl durchzusetzen. Ausdruck dessen sind auch der weit in die Politik greifende Lobbyismus und die sich in vielen Bereichen bildenden Interessengemeinschaften bzw. Zusammenschlüsse (z.B. Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Vereine). Es handelt sich um ein offenes und nicht um ein (völlig) geschlossenes politisch-ökonomisches System in der Bundesrepublik Deutschland, in dem wirtschaftspolitische Eingriffe nicht nur möglich sind, sondern, wie dargelegt, gefordert werden. In einer modernen Gesellschaft besteht eine politisch-ökonomische Interdependenz (Einflüsse der Wirtschaft auf die Politik und der Politik auf die Wirtschaft).

5.

Entscheidungsträger in einer dynamischen Umwelt

Mit der Diskussion um den Standort Deutschland und Europa im Zeitalter der Globalisierung, Hyperwettbewerb, Multimedia, Wissen, Arbeitslosigkeit und alternder Gesellschaft sind einige Megatrends benannt, die die Zukunft unserer Gesellschaft prägen werden. Mit dieser skizzierten Entwicklung sind Chancen und Risiken verbunden. Wie diese Herausforderungen gemeistert werden, hängt maßgeblich von den handelnden Menschen ab, was dabei gerne übersehen wird. Die Umweltfaktoren, mit denen sich Entscheidungsträger auseinandersetzen müssen, werden in den nächsten Jahren eher noch vielfältiger und komplexer. Dies gilt für Manager in Unternehmen wie auch für Entscheidungsträger in sonstigen Organisationen und Verwaltungen (z.B. Politiker, Landräte, Bürgermeister). Wer als Entscheider strategisch und nachhaltig handeln möchte, darf die Interessen der diversen Anspruchsgruppen (Stakeholder), die Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie mutmaßliche Zukunftsmärkte nicht aus den Augen verlieren. Die gewandelten Verhältnisse machen es immer mehr erforderlich, die Entscheidungsfindung als Prozess und Projekt der Wissenszusammenführung zu begreifen. Als einzelne Person ist man heute nicht mehr in der Lage, das erforderliche Spezialwissen unterschiedlicher Fachrichtungen (Ökonomie, Ökologie, Recht etc.) zu haben. Dritte zu Rate zu ziehen ist grundsätzlich sinnvoll. Vielfach greift man deshalb bei Entscheidungsprozessen mit großer Tragweite, wie bei der Kreisgebietsreform oder dem Bau eines Kraftwerks, auf Experten und Berater zurück (z.B. Erstellung von Gutachten, Machbarkeitsstudien, Anhörungen). Ähnlich wie das strategische Management in einer Unternehmung den Fokus auf die wichtigen Einflussfaktoren der Umwelt setzt und die Gestaltung

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Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

der Zukunft des Unternehmens im Auge hat, sollte für die Planung und Steuerung von Regionen die Zukunfts- und Nachhaltigkeitsausrichtung den Ausgangspunkt des Entscheidungsprozesses bilden. Die (erfolgreiche) politische Steuerung („Regional Governance“) von Regionen gewinnt in den letzten Jahren an Bedeutung. Wissenschaft, Politik und Wirtschaft erkennen die Notwendigkeit des Handelns und sind gefordert. In ihrem Sammelband „Regionen erfolgreich steuern“ machen die Herausgeber Adamaschek und Pröhl sowie weitere Autoren mit ihren Beiträgen deutlich, dass die Entscheidungsträger daran arbeiten müssen, von der kommunalen zur regionalen Strategie zu gelangen. Zwar verlangen die Folgen des globalen, technologischen und sozialen Wandels lokale Lösungen, gleichzeitig machen aber manche Städte und Gemeinden die Erfahrung, dass isolierte, an den Grenzen der Kommune endende Lösungen nicht erfolgversprechend sind. Als ein zentrales Instrument wird dabei für die Sicherung oder gar Verbesserung der Lebensqualität der Bürger in einer Stadt oder einer Region die Vernetzung der Akteure gesehen. Die Attraktivität von Städten und Regionen entscheidet über den Standortwettbewerb um Wohnbevölkerung, Unternehmensansiedlung oder Tourismus.88 Das Leitmotto für alle Akteure sollte sein: Global denken, regional und lokal handeln. Damit ist aber noch lange nicht klar, wie das eigentliche Objekt der Steuerung, sprich die „Region“ oder die „Wirtschaftsregion“, in der Wissenschaft und Realität definiert bzw. abgegrenzt werden. Bevor wir uns jedoch diesem Bereich widmen, soll zunächst die Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnisse für praktisches Handeln beleuchtet werden.

6.

Theoretische Erkenntnisse – Basis für praktisches Handeln

Jeder Studierende und Praktiker sollte sich sowohl vor einer überzogenen Wissenschaftsgläubigkeit wie auch vor einer Theoriefeindlichkeit hüten. Wird zugrundegelegt, dass wissenschaftliches Arbeiten in allgemeinster Form als systematisches Bemühen um die Vermehrung des Wissens definiert werden kann, so wird klar, welche Bedeutung die Technik des wissenschaftlichen Arbeitens und das Forschen für jeden Einzelnen sowie für die Entwicklung von Unternehmen, Organisationen und Regionen haben können.89 Die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung werden in Form von Theorien dargelegt. Theorien und Modelle haben den Anspruch, die Realität zu beschreiben, zu erklären, zu prognostizieren und die Nutzbarmachung der gewonnenen Erkenntnisse zu verdeutlichen. Sie bilden demzufolge in Ver88 89

Vgl. Adamaschek, Bernd/Pröhl, Marga (Hrsg.): Regionen erfolgreich steuern. Regional Governance – von der kommunalen zur regionalen Strategie, Gütersloh 2003. Vgl. Zdrowomyslaw, Norbert/Bladt, Michael (Hrsg.): Wissenschaftliches Arbeiten. Ein Erfolgsbaustein für Studium und Karriere, Gernsbach 2008.

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

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bindung mit empirischen Erkenntnissen eine wichtige Basis für zielorientiertes praktisches Handeln. Theoretische Erkenntnisse und Modellbildungen können Managemententscheidungen, dies steht außer Frage – egal ob in Unternehmen oder sonstigen Organisationen – auf ein solides Fundament stellen. Allein auf Intuition und Erfahrung sollten Entscheidungsträger in Politik, Verwaltung und Wirtschaft nicht setzen. Gerade im Zeitalter einer wissensorientierten Gesellschaft ist es fahrlässig, sich nicht wissenschaftlichen Erkenntnissen zu bedienen. Wissenschaft und Theorie stellen keinen Widerspruch zur Praxis dar. Während die Problemhandhabung in der Praxis eher situativ, agierend und gestaltungsorientiert ist, geht die Wissenschaft eher kritisch evaluierend sowie erkenntnis- und vermittlungsorientiert an Fragestellungen heran, wie Darstellung 22 zeigt. Allerdings ist es falsch, hieraus einen Widerspruch zwischen Praxis und Theorie konstruieren zu wollen. Welchen Stellenwert bedeutende Persönlichkeiten (zu Recht) der Theorie für die Praxis beimessen, mag exemplarisch folgendem Zitat entnommen werden: David Ricardo 1772-1823: „Er war ein zu großem Reichtum gelangter Börsenmakler, ein Mann der Praxis. Und er war Verfasser des abstraktesten aller Systeme der Politischen Ökonomie. David Ricardo begegnete Leuten, die ‚nur etwas für Tatsachen, nichts aber für die Theorie übrig haben‘ mit Skepsis: ‚Sie sind kaum imstande, ihre Fakten zu sortieren. Sie sind notwendigerweise leichtgläubig, weil sie kein Bezugssystem besitzen.‘ Nichts sei so praktisch, wie eine gute Theorie.“90

90

Zitiert nach Kurz, Heinz D.: Geiz der Natur, in: Die Zeit (Hrsg.): Die großen Ökonomen, Stuttgart 1994, S. 37.

94

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

Darst. 22: Idealtypische Denk- und Handlungsformen von Wissenschaft und Praxis Tendenz der Wissenschaft

Tendenz der Praxis

Zeitperspektive

mittel- bis langfristig

kurzfristig

Wertorientierung

vergangene und kommende Wertströ- aktuelle und herrschende Wertströmungen; wertdistanzierend, theoretisch mungen; wertverhaftet, praktischnormativ

Komplexitätsbewertung Komplexitätserweiterung

Komplexitätsreduzierung

Reaktionsmuster

schwache Signale

starke Signale

Problembezug

geringe persönliche Betroffenheit und Motivation; hohe Distanzierungsmöglichkeit

starke persönliche Betroffenheit und Motivation; begrenzte Distanzierungsmöglichkeit

Problemwahrnehmung

selektiv, rekonstruierend

integrativ, konstruierend

Problemhandhabung

übersituativ, reflektiv-kritisch evaluie- situativ, agierend, integrativ, rend, selektiv, erkenntnis- und vermitt- gestaltungsorientiert lungsorientiert

Quelle: Wunderer, Rolf: Betriebswirtschaftliche Führungsforschung und Führungslehre, in: Wunderer, Rolf (Hrsg.): Betriebswirtschaft als Management- und Führungslehre, 3. Aufl., Stuttgart 1995, S. 41.

In enger Verbindung zum Begriff Wissenschaft steht auch der Begriff der Forschung. Sie ist nämlich mit der Wahrheitssuche betraut. Man kann die Forschung als wissenschaftliche Tätigkeit bezeichnen, die darauf ausgerichtet ist, in methodisch-systematischer Form neue Erkenntnisse zu gewinnen und so die Wissenschaft und Praxis weiterzuentwickeln. Die Ergebnisse der Forschung spiegeln sich u.a. in Innovationen wider. Welche Bedeutung Innovationen (Neuerungen aller Art) für einzelne Unternehmen und eine Gesellschaft haben, ist aus historischer Sicht bereits dargelegt worden. Die Förderungsnotwendigkeit der Innovationsfähigkeit bzw. Unterstützung der Innovationstätigkeit der Wirtschaft durch die Politik leitet sich u.a. aus den Erkenntnissen der Wissenschaft ab. Die aktuellen Bemühungen diesbezüglich finden ihren Niederschlag im Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM). Das am 1. Juli 2008 aufgelegte Programm bietet KMU bis Ende 2013 eine verlässliche Perspektive zur Unterstützung ihrer Innovationsbemühungen. Dies erfolgt durch eine Förderung von Kooperations- und Netzwerkprojekten, die ab 2009 noch um die Förderung von Einzelprojekten ergänzt wird. Damit ist das ZIM das Basisprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie für die marktorientierte Technologieförderung der als innovativ eingestuften mittelständischen Wirtschaft in Deutschland. Unter dem Motto „Impulse für Wachstum“ soll die Innovationskraft der KMU nachhaltig unterstützt und ein Beitrag für deren Wachstum und Wettbewerbs-

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fähigkeit geleistet werden.91 Die bisherigen marktorientierten und technologieoffenen Förderprogramme für mittelständische Unternehmen sind unter dem Dach „ZIM“ zusammengelegt. Wie Darstellung 23 zeigt, soll der unterschiedliche Förderbedarf der KMU durch drei Module abgedeckt werden. Darst. 23: Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand

Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand - ZIM Modul 1: Forschungskooperationen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen

Modul 2: Unterstützung von Netzwerkmanagern

Modul 3: Einzelbetriebliche Förderung (optional ab 2009)

Neu:  Modularstruktur mit bestimmten Antragsbedingungen in allen Modulen  Ausweitung der Netzwerk- und einzelbetrieblichen Förderung auf ganz Deutschland  Förderung innovationsunterstützender Dienstleistungen  Zentrale Beratungsstelle (auch für andere FuE-Förderprogramme)

Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.): Die Technologieförderung des BMWi für den Mittelstand – von Ideen über Kooperationen zu Innovationen, in: Schlaglichter der Wirtschaftspolitik. Monatsbericht Februar 2008, S. 22.

7.

Standort- und regionale Entwicklungstheorien im Überblick und ihre praktische Bedeutung

Für die praktizierende Wirtschaftspolitik – sprich für die diversen Akteure und Entscheidungsträger in einer Region – ist die Kenntnis wichtiger Standorttheorien, regionaler Entwicklungstheorien und der Konzeptionen regionaler und sektoraler Strukturpolitik nützlich. Die wirtschaftspolitische Ausrichtung kann grob in zwei theoretische bzw. ideologische Lager unterteilt werden. Die nachfrageorientierten Keynesianer und die angebotsorientierten Neoliberalen. Laut Keynesschen Theorie hängen das Volkseinkommen und das Beschäftigungsniveau maßgeblich von der Gesamtnachfrage (Konsum- und Investitionsausgaben) ab. In Deutschland 91

Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.): Die Technologieförderung des BMWi für den Mittelstand – von Ideen über Kooperationen zu Innovationen, in: Schlaglichter der Wirtschaftspolitik. Monatsbericht Februar 2008, S. 18-23.

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wird insbesondere die nicht ausreichende Binnennachfrage als konjunkturelles und damit auch zum Teil strukturelles Problem von Regionen ausgemacht. So fehlen zur Stabilisierung der Konjunktur und Wirtschaftsstruktur vor allem staatliche Investitionsausgaben. Im Gegensatz zu den Anhängern der keynesianischen Theorie, die Wachstumsschwäche und Beschäftigungsrückgänge primär auf eine mangelnde Gesamtnachfrage zurückführen, sehen die Befürworter der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, die Neoliberalen, in der Einwirkung der staatlichen Konjunktursteuerung die wesentlichen Ursachen für ökonomische Fehlentwicklungen und volkswirtschaftliche Krisenerscheinungen. Dementsprechend sollte sich der Staat bezüglich einer Strukturpolitik auf ordnungspolitische und wettbewerbspolitische Eingriffe beschränken und Rahmenbedingungen schaffen, dass sich der Marktmechanismus frei entfalten kann. Bereits vor Jahrzehnten sind für die drei großen Sektoren der Wirtschaft, nämlich die Landwirtschaft, den Industrie- und Dienstleistungsbereich, spezielle Standorttheorien entwickelt worden.92 Vor allem die Erkenntnisse für den Industrie- und Dienstleistungsbereich spielen heute noch eine Rolle. Um regionale und strukturelle Unterschiede in Entwicklung und Wachstum von Territorien zu erklären, können diverse Theorieansätze herangezogen werden.93 Die Synthese aus Wirtschafts- und Geographieforschung wurde besonders durch den von Schätzl 94 vertretenen raumwirtschaftlichen Ansatz geprägt und ist seit den 1980er Jahren in Deutschland stark verbreitet.95 Die New Economic Geography, vor allem in Form der so genannten dynamischevolutionären Konzepte, versucht die Ansprüche des Wandels zur Wissensgesellschaft zu berücksichtigen und sieht die Ursachen räumlicher Ungleichverteilungen nicht primär in naturgegebenen Einflüssen, sondern vielmehr im wirtschaftlichen Handeln begründet. Darstellung 24 weist ausgesuchte Basistheorien der Regionalentwicklungs- und Regionalwachstumstheorie aus.

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94 95

Die Standorttheorie des primären Sektors durch Johann Heinrich von Thünen (1783-1850), die Standorttheorie des sekundären Sektors durch Alfred Weber (1868-1958) und die Standorttheorie des tertiären Sektors durch Walter Christaller (1893-1969). Zu nennen sind hier durchaus auch Theorien, die nicht direkt Erklärungen für ungleichmäßiges Wachstum und regionale Disparitäten liefern, wie der Institutionenökonomische Ansatz mit den Teilansätzen Transaktionskostenansatz, Property-Rights-Ansatz und Principal-Agent-Ansatz. Zu erwähnen sind auch die Systemtheorie und „Neue Politische Ökonomie“ (wird auch als „Ökonomische Theorie der Politik oder als „Public Choice“ bezeichnet). Vgl. Kyrer, Alfred: Neue Politische Ökonomie 2005, München/Wien 2001. Eine Übersicht zu den Modellen der Neuen Ökonomischen Geographie siehe Litzenberger, Timo: Cluster und New Economic Geography. Theoretische Konzepte, empirische Tests und Konsequenzen für Regionalpolitik in Deutschland, Frankfurt am Main u.a. 2007, S. 77. Vgl. Schätzl, Ludwig: Wirtschaftsgeographie 1 Theorie, 9. Aufl., Paderborn u.a. 2003; Schätzl, Ludwig: Wirtschaftsgeographie 2 Empirie, 3. Aufl., Paderborn u.a. 2000; Schätzl, Ludwig: Wirtschaftsgeographie 3 Politik, 3. Aufl., Paderborn u.a. 1994. Vgl. Bladt, Michael: Analyse der Wirtschaftsstrukturen und Wirtschaftsakteure der Region Vorpommern. Konzeptionelle Ausführungen zur Regionalentwicklung Vorpommerns mit Handlungsorientierung, Saarbrücken 2008, S. 8-9.

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Darst. 24: Regionale Wachstums- und Entwicklungstheorien (Auswahl) und resultierende Raumstrukturen

Quelle: Litzenberger, Timo: Cluster und New Economic Geography. Theoretische Konzepte, empirische Tests und Konsequenzen für Regionalpolitik in Deutschland, Frankfurt am Main u.a. 2007, S. 17.

Für die praktizierende regionale Strukturpolitik haben nach Peters folgende drei Entwicklungstheorien Bedeutung erlangt: ÿ Theorie raumdifferenzierender Entwicklungsfaktoren: Sie geht davon aus, dass die Region und Volkswirtschaft ökonomisch ungleich entwickelt sind und demzufolge raumdifferenzierende Entwicklungsfaktoren ausfindig gemacht werden müssen, auf denen eine regionale Strukturpolitik aufgebaut werden kann. Hierbei ist zu klären, welche Faktoren die Konzentration von Betrieben oder Wirtschaftszweigen in bestimmten Orts- und Regionstypen begünstigen oder hemmen. ÿ Theorie der Wachstumspole: Sie geht ebenso von einem sektoral und regional ungleichgewichtigen Wachstum aus. Die Empfehlung ist, zu den Ungleichgewichten gegengewichtige Zentren zu schaffen, also die „dezentrale Konzentration“ zu fördern (Industriekomplexe sowie regionale Agglomerationszentren).

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Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik ÿ Economic-base-theory: Sie geht davon aus, dass durch eine Stimulierung der „Export-Aktivitäten“ auch die Entwicklung dieser Region vorangetrieben wird. Es wird erwartet, dass die Schaffung industrieller Arbeitsplätze in fernabsatzorientierten Branchen quasi automatisch die Erweiterung des lokalen Dienstleistungsgewerbes nach sich zieht.96

Wie jede Theorie, müssen auch die oben dargelegten Erklärungsansätze sich in der Praxis überprüfen und ggf. bestätigen bzw. widerlegen lassen. Darstellung 25 gibt abschließend einen Überblick über die wirtschaftspolitischen Grundtheorien, die Standorttheorien, die Ansätze des sektoralen Sektors, die regionalen Entwicklungstheorien sowie die Konzeptionen der regionalen und der sektoralen Strukturpolitik. Darst. 25: Wirtschaftspolitische Grundtheorien Wirtschaftspolitische Grundtheorien

Neoklassik

Keynes

Standorttheorien

Theorie des primären Sektors

Theorie des sekundären Sektors

theoretische Ansätze des sektoralen Sektors

Theorie des Strukturwandels

Theorie des tertiären Sektors Theorie der optimalen Strukturflexibilität

Endogen

exogen

nachfragebedingt angebotsbedingt technologisch bedingt

ordnungspolitisch bedingt regulierungsbedingt strukturpolitisch bedingt naturbedingt ideenbedingt

regionale Entwicklungstheorien

Theorie raumdifferenzierender Entwicklungsfaktoren

Theorie der Wachstumspole

Konzeptionen der regionalen Strukturpolitik

angleichungsorientierte wachstumsorientierte regionale Strukturpolitik regionale Strukturpolitik

schwerpunktorientierte regionale Strukturpolitik

Konzeptionen der sektoralen Strukturpolitik

Konzeption indikativer Strukturplanung

Konzeption der optimalen Strukturflexibilität

Konzeption der Strukturwandel- und Anpassungsförderung

Economy-base-theory

Quelle: Peters, Hans-Rudolf: Wirtschaftspolitik, 3. Aufl., München/Wien 2000, S. 227-275. 96

Vgl. Peters, Hans-Rudolf: Wirtschaftspolitik, 3. Aufl., München/Wien 2000, S. 230-234.

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

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Welche Bedeutung haben nun aber die vorgestellten Theorieansätze für die Ausrichtung einer praktizierenden Wirtschafts- und Regionalpolitik? Nach Schrumpf ist grundsätzlich festzuhalten, dass auch durch die moderne Theorie (z.B. Polarisationsmodelle, Wachstumstheorie) die einfache neoklassische Theorie, Regionalpolitik sei per se überflüssig, nicht bestätigt wird. Es stellt sich demnach nicht die Frage ob überhaupt, sondern von wem welche Regionalpolitik betrieben wird.97 Begründungen und Ansätze für eine sektorale Strukturpolitik liefern vor allem die industrieökonomische Forschung98 sowie auch die Theorien der neuen ökonomischen Geographie99. In der Praxis ist keine eindeutige Konzeption der regionalen und sektoralen Strukturpolitik auszumachen. Die praktizierende Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland umfasst Elemente und Instrumente sowohl einer anwendungsorientierten als auch einer wachstums- und strukturorientierten Regionalkonzeption.100 Seit Jahrzehnten versuchen die Bundesrepublik Deutschland und die EU durch regionale Strukturpolitik Regionen mit ökonomischem Entwicklungsrückstand – nach Fördergebieten differenziert – gezielt zu fördern und tendenziell eine Konvergenz von Regionen zu erreichen. Dabei wurden die regionalpolitischen Konzeptionen im Zeitablauf auf allen Ebenen erheblichen Veränderungen unterzogen. Ob es sich um die infrastruktur-, technologie-, netzwerk- oder cluster- und mittelstandsorientierte Regionalpolitik oder um die Ausdifferenzierung der Instrumente handelt, existieren in der wissenschaftlichen Literatur recht unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Wirkung sie für eine Region haben. Darstellung 26 fasst überblicksartig die Varianten einer regionalen Entwicklungspolitik zusammen. Die Entwicklung und Vielzahl der Konzepte und Instrumente weisen darauf hin, „dass es heute keinen Königsweg zur Entwicklung einer Region gibt.“101

97

Vgl. Schrumpf, Heinz: Regionale Strukturpolitik, in: Gerlach, Frank/Ziegler, Astrid (Hrsg.): Neuere Herausforderungen der Strukturpolitik, Marburg 2004, S. 117 (96-120). 98 So rückt Porter dem Ansatz der Industrieökonomik folgend die Struktur der Branche in den Mittelpunkt seiner Betrachtung. Er geht von der These aus, dass die Strukturmerkmale einer Branche die Intensität und Dynamik des Wettbewerbs bestimmen und von der Intensität der Rivalität wiederum die Rentabilität einer Branche abhängt. Vgl. Porter, Michael E.: Wettbewerbsstrategie. Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten, 10. Aufl., Frankfurt am Main 1997, S. 33-69. 99 Vgl. Helmstädter, Ernst: Koreferat zum Referat Konrad Stahl, in: Gahlen, Berhandr/Hesse, Helmut/ Ramser, Hans Jürgen (Hrsg.): Standort und Region. Neue Ansätze zur Regionalökonomie, Tübingen 1995, S. 41-45. 100 Vgl. Peters, Hans-Rudolf: Wirtschaftspolitik, 3. Aufl., München/Wien 2000, S. 234-242. 101 Schrumpf, Heinz: Regionale Strukturpolitik, in: Gerlach, Frank/Ziegler, Astrid (Hrsg.): Neuere Herausforderungen der Strukturpolitik, Marburg 2004, S. 104 (96-120).

100

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

Darst. 26: Ansatzpunkte einer regionalen Entwicklungspolitik Erhöhung der regionalen Nachfrage (nachfrageorientierte Regionalpolitik) Eigene Nachfrage des Staates in der Region Induzierung privater Nachfrage in der Region - Nachfragesubventionen (mit Empfangsauflagen) - Angebotssubventionen (z.B. Kostensubventionen) - Verkaufsmengensubventionen usw.

Erhöhung des Angebotspotenzials (angebotsorientierte Regionalpolitik) Erhöhter Einsatz von Produktionsfaktoren (faktororientierte Regionalpolitik) Kapital (kapitalorientierte Regionalpolitik) - Verbesserung der produktionsnahen Infrastruktur (Verkehr, Fläche, Energieversorgung) - Subventionierung von Investitionen Arbeit (arbeitsorientierte Regionalpolitik) Größe der Bevölkerung (über Wanderungen) Æ „weiche Standortfaktoren“ Verbesserung wohnortrelevanter Faktoren wie: - haushaltsnahe Infrastruktur - gutes Wohnumfeld - gute Versorgung mit zentralen Gütern und - Subventionierung von Zuzügen

Höhe der Erwerbsquote Anzahl von Arbeitsplätzen, strukturelle Entsprechung von Arbeitsplatzangebot und – nachfrage - Einrichtung von Teilarbeitsplätzen - neue Form von Arbeitsplätzen (z.B. Telearbeit)

Höhere Produktivität (produktivitätsorientierte Regionalpolitik)

indirekt

Infrastruktur (infrastrukturorientierte Regionalpolitik) Vernetzung der regionalen Aktivitäten (netzwerkorientierte Regionalpolitik) - Clusterbildung - Regionalmanagement Vermeidung der Verletzung von restriktiven Nebenbedingungen (engpassorientierte Regionalpolitik) Aufrechterhaltung des Gleichgewichts in Energiebilanzen, Flächenbilanzen und Umweltbilanzen

direkt

Arbeit (bildungsorientierte Regionalpolitik) - Verbesserung der Aus- und Weiterbildung - Einsatz neuer Medien (z.B. E-Learning) Kapital (innovationsorientierte Regionalpolitik) Invention und Innovation - Forschungseinrichtungen - Hochschulen

Diffusion - Messen, Ausstellungen - Technologieberatungsstellen - Informationsbanken - Internetpräsentation

Quelle: Eckey, Hans-Friedrich: Regionalökonomie, Wiesbaden 2008, S. 208.

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

101

Die heutige Erkenntnis der Wissenschaft ist, dass zwar exogene Impulse nicht zu vernachlässigen sind, die Regionalförderung sich aber vor allem auf das „endogene Potenzial“ der in einer Region vorhandenen und entstehenden Betriebe sowie die Stärken und Besonderheiten konzentrieren sollte. Denn ein wichtiges Ergebnis endogener Entwicklungsstrategie lautet: Die Neuerungskraft einer Region wird u.a. von der unmittelbaren Umgebung, dem regionalen „Innovationsklima“ geprägt. Viele Untersuchungen zur Dynamik von Regionen in Europa belegen, dass einst eher strukturschwache und zurückgebliebene Regionen durch Kooperationen ihrer Klein- und Mittelbetriebe in einem vielfältigen Netzwerk einen erfolgreichen Innovationsweg einschlagen können.102

8.

Schlüsselthesen: Von der Theorie zur Praxis

Mit Begriffen wie Wissenschaft, Forschung und Theorie verbinden viele Menschen die Vorstellung, dass diese wenig mit der täglichen Realität zu tun haben. Aber gerade in unserer wissensbasierten Wirtschaft ist eine Reserviertheit gegenüber der Wissenschaft fehl am Platze. Theorien und Modelle stellen keinen Widerspruch zum praktischen Handeln dar, wie folgendes Zitat verdeutlicht: „Diejenigen, welche glauben, an der Praxis ohne Wissenschaft Gefallen zu finden, sind Schiffer, die ohne Kompass und Steuer fahren. Sie wissen nie wohin die Fahrt geht. Immer muss Praxis auf guter Theorie beruhen.“ Leonardo da Vinci (1452-1519). Bildungs- und Wissensmanagement werden in Zukunft für die Gestaltung und Steuerung von Unternehmen und Regionen noch an Bedeutung gewinnen.103 Folgende Schlüsselthesen lassen sich aus dem zweiten Kapitel ableiten: ÿ Menschen wirtschaften auf verschiedenen Ebenen: vom Haushalt bis zur weltweiten Ökonomie. ÿ Moderne Wirtschaften bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Markt und Staat. ÿ Regionalpolitik unterliegt vielfältigen rechtlichen Normen. ÿ Die EU ist ein mächtiger Akteur von transnationaler bis regionaler Wirtschaftspolitik. ÿ Die komplizierte staatliche Finanzstruktur passt (nicht nur) in Deutschland auf keinen Bierdeckel. 102 Vgl. Hahne, Ulf: Neuere Entwicklungen in der Regionalförderung, in: Ridinger, Rudolf/Steinröx, Manfred (Hrsg.): Regionale Wirtschaftsförderung in der Praxis, Köln 1995, S. 23 (8-30). 103 Hanft, Anke: Bildungs- und Wissensmanagement, München 2008.

102

Kapitel II: Wirtschaft und Wirtschaftspolitik

ÿ Viele Kräfte mischen mit in der Regionalpolitik – zum Vorteil der Regionen? ÿ Wissenschaft und Praxis: zwei Kulturen, ein Ziel. ÿ Unterschiedliche Theorien bieten unterschiedliche Ansatzpunkte. ÿ Der Region wächst zusehends die Rolle eines Hoffnungsträgers zu. ÿ Ideen zur Erschließung lokaler und regionaler Wirtschaftskreisläufe sind mehr als nur eine Modeerscheinung.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen 1.

Region – ein mehrdeutiges Betrachtungsobjekt

In der Wirtschaftsgeographie und Ökonomie wird man regelmäßig mit den Begriffen Raum, Region, Territorium und Standort konfrontiert. Während der physikalische Begriff des „Raums“ ein relativ neutraler und wertfreier Begriff ist, handelt es sich beim Territorium um einen Raumausschnitt, der Machtverhältnisse, konkrete Regeln und Befugnisse zum Ausdruck bringt. Ein Beispiel für ein Territorium ist der Nationalstaat, der die äußere Grenze einer Volkswirtschaft bildet und diese ggf. durch Gewalt, Konflikt oder sogar Krieg „verteidigt“. Ein anderes Beispiel für eine Art von Territorium mit unterschiedlichen Rechten und Befugnissen ist das Territorium eines Unternehmens (z.B. der Chemie-Konzern BASF als Verbundstandort mit einer Fläche von etwa 7 km2 Fläche, einem ausgebauten Straßen-, Schienen- und Pipeline-Netz und zahlreichen Gebäuden). Im Unterschied zu Territorien sind Regionen ein „künstliches Konstrukt“, die – aus der Sicht der Wirtschaftsgeographie – vor allem analytischen und planerischen Zwecken dienen und auch eine zeitliche Dimension haben.104 Anhand der obigen Begriffsdeutungen und Abgrenzungen wird schon klar, dass es die Region als feststehenden Begriff nicht gibt. Wie bei vielen anderen Begriffen handelt es sich auch bei der „Region“ um ein mehrdeutiges Betrachtungsobjekt, das immer wieder Anlass zu Missverständnissen gibt; vor allen dann, wenn man meint, diesen Begriff auf ein eindeutig bestimmbares Territorium anwenden zu können. In der wissenschaftlichen Literatur wie auch in der alltäglichen Diskussion wird sehr vieles als Region bezeichnet. Nur grob abgrenzbare „Gegenden“, „Gebiete“, „Räume“ oder „Standorte“ ebenso wie politisch-administrative Gebietseinheiten, kleine Raumeinheiten innerhalb eines Staates oder Zusammenfassungen von lokalen Verwaltungsgebieten oder auch „Weltregionen“, die aus mehreren Staaten oder gar Kontinenten bestehen, werden letztlich mit dem Begriff Region belegt.105 In der Umgangssprache wird unter dem Begriff „Region“ i.d.R. ein persönlicher Erfahrungsraum verstanden. Diese Vielfalt in der Begriffsdeutung ist schon 104 Zur Differenzierung der Begriffe Raum, Region, Territorium und Standort als „Positionale Raumkonzepte“ siehe Bathelt, Harald/Glückler, Johannes: Wirtschaftsgeographie. Ökonomische Beziehungen in räumlicher Perspektive, Stuttgart 2002, S. 44-48. 105 Zur Auseinandersetzung mit dem Begriff „Region“ siehe z.B. Benz, Arthur/Fürst, Dietrich: Region – Regional Governance – Regionalentwicklung, in: Adamaschek, Bernd/Pröhl, Marga (Hrsg.): Regionen erfolgreich steuern. Regional Governance – von der kommunalen zur regionalen Strategie, Gütersloh 2003, S. 15-18 (11-66); Eckey, Hans-Friedrich: Regionalökonomie, Wiesbaden 2008, S. 90-105.

104

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

deshalb nachvollziehbar, wenn zugrundegelegt wird, dass naturbedingte oder historisch gewachsene Regionen in der Regel nicht so gegliedert sind, dass sie regionalpolitischen Zielvorstellungen entsprechen. Vergegenwärtigt man sich, dass in der Politik und Wirtschaftspraxis viele Begriffe mit dem Wortstamm „Region“ zur Beschreibung und Erklärung von ökonomischen Verhältnissen und Prozessen herangezogen werden, ist die Verständigung der Akteure einer Region darüber, was im konkreten Fall als Region zu verstehen ist, von zentraler Bedeutung für die praktizierende Wirtschaftsförderung. So gibt es viele Begriffe mit dem Wortstamm „Region“, z.B. Regionalwirtschaft, Regionalentwicklung, Regionalförderung, Regionalmonitoring, Regionalcontrolling, Regionalsteuerung und Regionalmanagement, mit denen die Akteure einer Region recht unterschiedliche Vorstellungen verbinden. Was ist aber nun eine Region oder was macht eine Region, oder enger gefasst, eine Wirtschaftsregion, aus? Nach Maier, Tödtling und Trippl kann der Begriff „Region“ grundsätzlich drei sehr verschiedene Arten von räumlichen Gebilden bezeichnen, nämlich subnationale (z.B. Ruhrgebiet), supranationale (z.B. Skandinavien) und transnationale Territorien (z.B. „Kommunalgemeinschaft Euroregion Pomerania e.V.“, die Teile Deutschlands und Polens umfasst). An dieser Unterscheidung wird bereits ersichtlich, dass der Begriff „Region“ sehr unscharf ist und sich die Frage stellt, wie Regionen sinnvollerweise definiert und voneinander abgegrenzt werden sollen. Denkbare Kriterien für eine analytische Regionsabgrenzung sind u.a. das Homogenitätskriterium (z.B. Gebietseinheiten mit sehr ähnlichen Strukturen und Indikatoren: etwa Arbeitslosenquoten) und das Funktionalitätskriterium (z.B. Zusammenfassen von Gebietseinheiten, die miteinander nach bestimmten Indikatoren besonders eng in Verbindung stehen: etwa Pendler, die zur Arbeit in die Kernstadt kommen). Die normative Bildung von Regionen erfolgt vor dem Hintergrund politisch-institutioneller Grenzen. In der Realität ist eine Kombination der drei Varianten durchaus häufig vorzufinden.106 An dieser Stelle ist es angebracht, im Sinne einer Handlungsorientierung festzuhalten, dass die Wahl des Regionalisierungskriteriums und der für die Abgrenzung verwendeten Charakteristika sich aus der zu untersuchenden Problemstellung bzw. der Zweckorientierung ergeben sollte. Richtet sich der Fokus auf ökonomische Aspekte von Regionen, so wird von Wirtschaftsräumen, Regionalwirtschaften oder Wirtschaftsstandorten gesprochen.

106 Vgl. Thierstein, Alain/Walser, Manfred: Die nachhaltige Region. Ein Handlungsmodell, Bern/Stuttgart/Wien 2000, S. 62.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

2.

105

Regionale Wirtschaftsräume

So wie es sehr verschiedene Erklärungsmodelle für die regionale Entwicklung als Zusammenspiel von Wirtschaft, Region und Gesellschaft gibt, wandelt sich auch die theoretische Sicht bezüglich der Beschreibung und der Erklärung von Regionalwirtschaften, d.h. die Analyse und Bewertung der bestehenden bzw. sich bildenden Wechselbeziehungen der (wirtschaftlichen) Aktivitäten der Menschen in einem spezifischen Raum (natürliche Gegebenheiten und Attraktivität) findet unter der Berücksichtigung sich veränderter Rahmenbedingungen statt.107 Die Komplexität der Regionalökonomie108 sowie das Wesen einer Regionalwirtschaft lassen sich mit Hilfe einer Definition nur sehr unvollständig abbilden. Orientiert man sich zunächst an der nachfolgenden Definition Peter Eichhorns, so erhält man eine erste handlungsorientierte Vorstellung darüber, was auf einer sehr allgemeinen gehaltenen Abstraktionsstufe unter einer Regionalwirtschaft oder einer Wirtschaftsregion verstanden werden kann. „Unter Regionalwirtschaft subsumiert man abgrenzbare Wirtschaftsräume innerhalb einer Volkswirtschaft. Sie entstehen durch abstrakte Zusammenfassung von Betriebswirtschaften in kleineren Regionen (auf der Ebene von benachbarten Gemeinden und Landkreisen), mittleren Regionen (auf der Ebene von Kammer- und Regierungsbezirken sowie Landschaftsverbänden) und größeren Regionen (auf der Ebene der Bundesländer). Typische Beispiele sind Ballungsgebiete einerseits, strukturschwache Regionen andererseits. Wie bei der örtlichen Wirtschaft gehen bei der regionalen Wirtschaft einzelund gesamtwirtschaftliche Aspekte ineinander über. Die verschiedenen Wirtschaftssubjekte suchen Stärken der Region zu nutzen und etwaige Schwächen abzuwehren. Mit der Regionalwirtschaft als Erkenntnisobjekt beschäftigt sich sowohl die Betriebswirtschaftslehre, soweit regionale Daten und Fakten für das eigene Wirtschaften bedeutsam sind, als auch die Volkswirtschaftslehre, um regionalpolitische oder andere wirtschaftspolitische Aussagen zu treffen. Aus ökonomischer Sicht interessieren hier vor allem zentralörtliche Funktionen von Städten, Tendenzen zur überörtlicher Zusammenarbeit und interlokaler Mobilität, Fragen im Hinblick auf Entwicklungsachsen, Migrationen, Landesentwicklung, Raumordnung, Energie- und Wasserversorgung, Verkehrsverbünde, Wirtschaftsförderung, Industrieansiedlungen, Konversionen (im Sinne des Wandels von militärischer zur ziviler Nutzung), Infrastrukturprojekte, Entsorgung und Umweltschutz.“109 107 Vgl. Thierstein, Alain/Walser, Manfred: Die nachhaltige Region. Ein Handlungsmodell, Bern/Stuttgart/Wien 2000, S. 64. 108 Vgl. Eckey, Hans-Friedrich: Regionalökonomie, Wiesbaden 2008; Gahlen, Bernhard/Hesse, Helmut/ Ramser, Hans Jürgen (Hrsg.): Standort und Region. Neue Ansätze der Regionalökonomik, Tübingen 1995. 109 Eichhorn, Peter: Das Prinzip Wirtschaftlichkeit. Basiswissen der Betriebswirtschaftslehr, 3. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 29.

106

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Die Abgrenzung von Wirtschaftsräumen im Rahmen einer durch regionalen, nationalen und internationalen Wettbewerb geprägten Wirtschaft wird heute nicht nur nach Gebietskörperschafts- und Verwaltungsebenen durchgeführt, sondern erfolgt vielfach vor dem Hintergrund der Realisierung gemeinsamer Interessen und Ziele regionaler Anspruchsgruppen. Exemplarisch seien hier einige Beispiele angeführt, die eine Abgrenzung von Wirtschaftsräumen bzw. Wirtschaftsstandorten nach unterschiedlichen Zweckausrichtungen verdeutlichen. ÿ Die Europäische Union (zurzeit mit 27 dazugehörigen Staaten) als Wirtschaftsregion, die sich als eine Wirtschaftsunion mit einem gemeinsamen Binnenmarkt versteht (siehe Darstellung 27). ÿ Der Wirtschaftsstandort Bundesrepublik Deutschland, der 16 Bundesländer umfasst, weist 11 Metropolregionen auf110, die u.a. auf der Ebene des Regionalmarketings gemeinsam agieren. D.h., eine solche Region zeichnet sich durch Kooperationen und gute Vernetzung ihrer Potenziale der Kerne und des engeren metropolitanen Verflechtungsraumes aus. Gemeinsam kann die nationale und internationale Bedeutung einer Metropolregion als Gesamtregion gesteigert werden. Beispielsweise gehören zur Metropolregion Stuttgart u.a. die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken, die zu den dynamischsten Regionen in Baden-Württemberg zählt. Die Vermarktung diese Region erfolgt maßgeblich durch die die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH Gesellschaft für Marketing, regionale Wirtschaftsförderung und Tourismus. An den Metropolregionen wird klar, dass selbst wirtschaftsstarke Städte und Metropolen die Vorteile kooperativen Handelns erkannt haben und den Verbund des Umlandes nutzen, um gemeinsam als Wirtschaftsregion aufzutreten (siehe Darstellung 27). ÿ Innerhalb eines Bundeslandes – hier das Beispiel MecklenburgVorpommern – lassen sich unterschiedliche Grenzziehungen von Regionen ausmachen, die historisch, verwaltungstechnisch oder ökonomisch legitimiert sind. Schaut man in einem Atlas auf die 110 Im Wesentlichen handelt es sich bei einer Metropolregion um einen hochverdichteten städtischen Ballungsraum mit mindestens 1 Million Einwohnern. Es sind räumliche und funktionale Wirtschaftsstandorte, deren herausragende Funktionen über internationale Grenzen hinweg ausstrahlen und die wesentliche Motoren der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung sind. In Deutschland wurden durch die Ministerkonferenz für Raumordnung 1997 und 2005 folgende 11 Wirtschaftsräume als Metropolregion ausgewiesen: Hamburg, München, Nürnberg, Stuttgart, Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Rhein-Neckar, Bremen-Oldenburg im Nordosten, Hannover-BraunschweigGöttingen, Halle-Leipzig-Sachsendreieck und Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg. Während der engere metropolitane Verflechtungsraum die Gebiete umfasst, die innerhalb einer Stunde im motorisierten Individualverkehr vom Kern aus erreicht werden können, berücksichtigt der weitere metropolitane Verflechtungsraum die großräumige Verkehrs- und Pendlerverflechtungsintensitäten der Gemeinden in die Metropolenkerne. Insofern sind beide Abgrenzungen eher analytisch begründet und nicht mit den räumlichen Abgrenzungen identisch, die sich die elf Metropolregionen selbst geben.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

107

Landkarte von MV, so fällt auf, dass zwar geographisch gesehen der Landkreis Demmin dem Gebiet Vorpommern zugerechnet wird, aber Demmin verwaltungstechnisch nicht zur Planungsregion Vorpommern gehört, sondern zur Planungsregion Mecklenburgische Seenplatte. Die 12 Landkreise und 6 kreisfreien Städte sind vier Planungsregionen zugeordnet: Westmecklenburg, Mittleres Mecklenburg/Rostock, Vorpommern und Mecklenburgische Seenplatte. Beispielsweise gehören zur Planungsregion Vorpommern die Landkreise Nordvorpommern, Ostvorpommern, Rügen und Uecker-Randow als auch die kreisfreien Hansestädte Greifswald und Stralsund. Greifswald und Stralsund bilden dabei ein sog. Oberzentrum. Die drei IHK-Kammerbezirke haben wiederum andere Landkreise und kreisfreie Städte wie die vier Planungsregionen in ihrem Verwaltungs- und Betreuungsbereich (siehe Darstellung 28). ÿ Darstellung 29 zeigt die regionale Aufteilung der Bundesrepublik nach Fördergebieten im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ 2007-2013 (GRW). Das Bundesgebiet wird (36. Rahmenplan GRW) in 270 regionale Arbeitsmärkte (Arbeitsmarktregionen) unterteilt, von denen 204 in West- und 66 in Ostdeutschland liegen.111 ÿ Zusammenarbeit über kommunale Grenzen hinaus: Beispielsweise sieht das ZIN-Verfahren (Zukunftsinitiative für die Region NordrheinWestfalen) die Schaffung einer regionalen Ebene vor, in deren Rahmen benachbarte Kommunen kooperieren. Die neue Ebene ist allerdings keine neue Verwaltungsebene, sondern nur ein Forum für die regionale Zusammenarbeit von benachbarten Kommunen, um Projekte gemeinsam zu stemmen. Die Abgrenzung der Regionen wird den Gemeinden selbst überlassen; es existieren hierzu keine Vorgaben der Landesregierung. Insgesamt haben sich 54 Kreise und kreisfreie Städte in NRW zu 15 Regionen zusammengeschlossen.112 Vergleichbare Kooperationsanstrengungen können auch in Kommunen anderer Bundesländer ausgemacht werden, um im Wettbewerb der Regionen bestehen zu können. Hier sei ein entsprechendes Beispiel für das Bemühen um ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn aus der Planungsregion Vorpommern angeführt. Grundsätzlich und noch verstärkt angesichts 111 Vgl. Eckey, Hans-Friedrich: Regionalökonomie, Wiesbaden 2008, S. 243-245. Darstellungen zu den Fördergebieten der EU Strukturfonds, der GRW-Fördergebiete und der Arbeitsmarktregionen findet man in: Deutscher Bundestag: Sechsunddreißigster Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ für den Zeitraum 2007 bis 2010, Drucksache 16/5215 vom 27.04.2007. 112 Vgl. Waniek, Roland W.: Organisation der Wirtschaftsförderung. Regionalisierung der Strukturpolitik – Erfahrungen aus der „Zukunftsinitiative für die Regionen Nordrhein-Westfalens“ (ZIN), in: Ridinger, Rudolf/Steinröx, Manfred (Hrsg.): Regionale Wirtschaftsförderung in der Praxis, Köln 1995, S. 183-184.

108

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen einer bevorstehenden Gebietsreform setzt der Landrat Nordvorpommerns Ralf Drescher voll auf kooperatives Denken und Handeln, wie folgendes Zitat belegt: „Eine wichtige Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Landkreis Nordvorpommern und der Hansestadt Stralsund ist, dass Oberbürgermeister Dr. Alexander Badrow und ich in freundschaftlicher Atmosphäre offen und ehrlich miteinander reden können. Auch zu meiner Amtskollegin Kerstin Kassner habe ich einen guten Draht“, erklärt Drescher. „Ein aktuelles Projekt soll der Neubau einer gemeinsamen Regionalstelle sein. Außerdem wird mit einem gemeinsamen Kataster und Vermessungsamt (HST und NVP) eine EDV-Schnittstelle zu Rügen vorbereitet.“113

ÿ Grenz- oder staatenübergreifende Zusammenarbeit: Als Beispiele seien hier die „Kommunalgemeinschaft Euroregion Pomerania e.V.“ (Gebiete an der Ostsee Deutschlands und Polens) und die „Europaregion Tirol“ (umfasst Teile Österreichs und Italiens) angeführt. Partner von Regionen, die von einem staatlichen Hoheitsgebiet abweichende Gebietseinteilungen darstellen, arbeiten auf unterschiedlichen Feldern zusammen (z.B. gemeinsame Marketingkonzepte, gemeinsame Projektanträge).

Darst. 27: Europäische Union und Deutschlands Metropolregionen

Quelle: IHK (dpa) und Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH 113 Stralsunder Blitz am Sonntag vom 9. November 2008, S. 1.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen Darst. 28: Mögliche Abgrenzungen von „Wirtschaftsregionen“ in Mecklenburg-Vorpommern

Quelle: Eigene Darstellung

109

110

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Darst. 29: GRW-Fördergebiete 2007 - 2013

Quelle: Deutscher Bundestag: Sechsunddreißigster Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ für den Zeitraum 2007 bis 2010, Drucksache 16/5215 vom 27.04.2007.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

111

Im Sinne eines abgegrenzten Wirtschaftsraums (Region) stellt letztlich die Wirtschaft das Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt dar. Wie auch obige Beispiele für mögliche Abgrenzungen von Regionen aufgezeigt haben, wird heute davon ausgegangen, dass die räumliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung eines Wirtschaftsraums das Resultat der Aktivitäten der Wirtschaftssubjekte, also der regionalen Akteure, ist. Damit drängen sich u.a. die Fragen auf, welche Strukturen die jeweils zu betrachtende Region kennzeichnen und welche nachhaltigen Konzepte zur Gestaltung von Regionen und Unternehmen die Wissenschaft und die Praxis anbieten.

3.

Strategisches und nachhaltiges Regionalmanagement

Die zukunftsorientierte Gestaltung von Regionen braucht ein strategisches und nachhaltiges Regionalmanagement. Welche Bausteine es gibt, welche Einflüsse bei der Gestaltung des Strukturwandels zu beachten sind und welche Konzepte zur Unternehmens- und Regionalsteuerung herangezogen werden können, wird im Folgenden dargelegt.

3.1

Bausteine eines Regionalmanagements

Die Dynamik der Umweltänderungen hat zugenommen und die zu lösenden regionalpolitischen Probleme sind komplexer geworden. Daraus erwachsen neue Anforderungen an die Akteure einer Region. Gleichermaßen wie für Unternehmen muss deshalb auch für Regionen ein strategisches und nachhaltiges Regionalmanagement angestrebt werden. Dabei wird die Regionalpolitik zentraler Instanzen zunehmend durch Konzepte ersetzt, die von den Akteursgruppen in der Region selbst entwickelt und umgesetzt werden (eigenverantwortliche Regionalentwicklung), oder wie es Eckey formuliert: „die Regionalpolitik für die Region weicht einer Regionalpolitik der Region.“114 Wird zugrundegelegt, dass sich Regionen im Wettbewerb erfolgreich positionieren wollen, besteht eine gewisse Analogie zur strategischen und zielorientierten Steuerung von Unternehmen. Strategisches Management bedeutet, dass eine disziplinübergreifende, ganzheitlich-vernetzte und zukunftsorientierte Ausrichtung im Denken und Handeln bei Entscheidungsträgern gefragt ist.115 Somit stellt die strategische Situationsanalyse, d.h. die systematische und zweckorientierte Bestandsaufnahme von Herausforderungen der Umwelt und Anforderungen an die Unternehmung die erste und zentrale Aufgabe des 114 Eckey, Hans-Friedrich: Regionalökonomie, Wiesbaden 2008, S. 192. 115 Vgl. Bea, Franz Xaver/Haas, Jürgen: Strategisches Management, 3. Aufl., Stuttgart 2001; Wildemann, Horst: Strategische Führung in Unternehmen – Auf dem Weg zur Spitzenleistung, München 2008.

112

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

strategischen Managements dar. Die Situationsanalyse mit der Beschaffung und Auswertung von Informationen bietet nämlich die Basis, Stärken und Schwächen des Unternehmens gegenüber seinen Wettbewerbern zu erkennen und daraus unter Berücksichtigung der Umweltbedingungen Chancen und Risiken für das Unternehmen abzuleiten. In Anlehnung an den Begriff Unternehmensmanagement wird zur Beschreibung des ziel- und zweckorientierten Managementprozesses von Wirtschaftsräumen vielfach der Begriff Regionalmanagement verwendet. Zur Kennzeichnung komplexer Steuerungsstrukturen in Regionen hat sich, in Anlehnung an die Bezeichnung „Corporate Governance“, der für die innere Führung eines Unternehmens bzw. die Unternehmensverfassung steht, auch der Begriff „Regional Governance“ etabliert.116 Zwar besteht keine vollkommene Analogie zwischen Unternehmens- und Regionalmanagement, aber auch regionales Management braucht Visionen und realistische Leitbilder, die sich nach und nach in Strategien niederschlagen und zu nachhaltigen Strukturen führen („structure follows strategy“). Es gilt zunächst strategische Erfolgsfaktoren der betrachteten Region zu identifizieren. Ferner sollte im Rahmen des Regionalmanagements großer Wert auf kommunikative Aspekte und die Netzwerkbildung gelegt werden.117 Als zentrale Bausteine für ein funktionierendes Regionalmanagement sind, wie Darstellung 30 verdeutlicht, die „Gesamtregionale Entwicklungsplanung“, das „Regionalmarketing“ und die „Regionalen Akteure“ zu betrachten. Im Rahmen des praktizierenden Regionalmanagements spielen das Regionalmarketing, das Standort- und das Stadtmarketing eine wichtige Rolle, wie noch zu zeigen sein wird.

116 Vgl. Benz, Arthur/Fürst, Dietrich: Region – Regional Governance – Regionalentwicklung, in: Adamaschek, Bernd/Pröhl, Marga (Hrsg.): Regionen erfolgreich steuern. Regional Governance – von der kommunalen zur regionalen Strategie, Gütersloh 2003, S. 11-66. 117 Vgl. Jekel, Thomas: Regionalmanagement und Regionalmarketing – Theoretische Grundlagen kommunikativer Regionalplanung, SIR-Schriftenreihe, Band 18, Salzburg 1998.

113

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen Darst. 30: Bausteine für ein Regionalmanagement Regionalmanagement Koordination, Mediation, Moderation, Initiation Regionalmarketing

Gesamtregionale Entwicklungsplanung - Stärken-/Schwächen- und Gefahren-/Chancenanalyse - Regionales Entwicklungskonzept (u.a. Regionales Raumordnungsprogramm Vorpommern, Regionales Raumentwicklungsprogramm Vorpommern, Regionales Entwicklungskonzept Vorpommern) - Masterpläne (Gesundheit)

Regionale Akteure

- Standortmarketing - Stadtmarketing

Binnenmarketing

Außenmarketing

Außerregionale Nachfrage

Klassische Institutionen Unternehmen Bürgerinitiativen Betroffenenvertreter

Wirtschaftsfördereinrichtungen

Quelle: Modifiziert nach Kyrer, Alfred: Neue Politische Ökonomie 2005, S. 130.

Die Forderung einer nachhaltigen Raum- bzw. Regionalentwicklung (sustainable development)118 lässt sich u.a. den Berichten der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung (z.B. Brundtland-Bericht von 1987) entnehmen, wird am Indikatorenkatalog des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung erkennbar und findet sich auch im Zielsystem der regionalen Strukturpolitik wieder.119 Die Ebene der Gesetzgebung und der internationalen Verträge sorgt für die notwendigen Rahmenbedingungen, womit die Nachhaltigkeit auf einem normativen Konzept der Regionalentwicklung aufbaut. Die lokale Ebene ist dagegen das richtige Umfeld, um eine Verwirklichung von Prinzipien der Nachhaltigkeit in vielen Alltagsbereichen zu unterstützen.120 Das Konzept der nachhaltigen Regionalentwicklung stellt eine Herausforderung für Wissenschaft, Politik und Akteursgruppen einer Region gleichermaßen dar.121 118 Vgl. Thierstein, Alain/Walser, Manfred: Die nachhaltige Region. Ein Handlungsmodell, Bern/Stuttgart/Wien 2000. 119 Vgl. Eckey, Hans-Friedrich: Regionalökonomie, Wiesbaden 2008, S. 183f. 120 Vgl. Thierstein, Alain/Walser, Manfred: Die nachhaltige Region. Ein Handlungsmodell, Bern/Stuttgart/Wien 2000, S. 78. 121 Vgl. Spehl, Harald: Nachhaltige Regionalentwicklung – ein neuer Ansatz für das Europa der Regionen, in: Gahlen, Bernhard/Hesse, Helmut/Ramser, Hans Jürgen (Hrsg.): Standort und Region. Neue Ansätze der Regionalökonomik, Tübingen 1995, S. 305-330; Lindloff, Karsten/Schneider, Lothar: Handbuch Nachhaltige Regionale Entwicklung. Kooperations- und Vernetzungsprozesse in Region, Landkreis, Stadt und Gemeinde, Dortmund 2001.

114

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Das Ziel der Nachhaltigkeit kann allgemein als die Art des Wirtschaftens definiert werden, bei welcher die Befriedigung der Bedürfnisse der heute lebenden Generationen nicht zulasten zukünftiger Generationen gehen darf. Allerdings hängt die Zukunft einer Region oder Stadt nicht von einem einzigen Faktor ab. Um eine nachhaltige Entwicklung, d.h. mit sozial-kultureller, ökologischer und ökonomischer Ausrichtung erfolgreich zu gestalten, bedarf u.a. der Entwicklung einer gemeinsamen Vision und ferner einer Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bürger und weiterer Akteursgruppen einer Region (sog. „Stakeholder“-Orientierung). Mit dieser Orientierung wird die unternehmerische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft angesprochen, die in der Literatur im Wesentlichen unter dem Begriff „Corporate Responsibility“ diskutiert wird.122 Unternehmen sollten heute nicht nur vom Ziel der Profitmaximierung getrieben sein, sondern sich auch ihrer sozialen und regionalen Verantwortung bewusst sein. Es ist aber sicherlich nicht nachteilig, wenn die Akteure einer Region sich ein regionalverantwortliches Handeln auf ihre Fahnen schreiben und diese Philosophie auch leben. Allerdings lässt sich der Nutzen bzw. Wert von Corporate Sozial Responsibility, Corporate Citizenship oder Corporate Regional Responsibility für die Wettbewerbsfähigkeit eines Wirtschaftsstandorts nur schwer fassen, geschweige denn direkt messen.

3.2

Strukturwandel gestalten – Global denken, regional und lokal handeln

Nicht nur Unternehmen, sondern auch Regionen unterliegen einem ständigen Wandel, so dass von einem „Lebenszyklus einer Region“ in Analogie zum Produktlebenszyklus gesprochen werden kann. Wer den Strukturwandel gestalten, d.h. Unternehmen, Städte, Wirtschaftsstandorte und Regionen entwickeln will, ist gut beraten, wenn er nach der Devise vorgeht: Global denken, regional und lokal handeln.123 Regionalentwicklung und Regionalsteuerung konzentrieren sich zwar auf die eigentlichen Handlungsfelder, d.h. auf die Aufgaben in der Region und auf die Koordinierung der regionalen Akteure. Bei der Diskussion um Ziele, Strategien und Aktivitäten darf aber keinesfalls der Wandel der Rahmenbedingungen in Deutschland, in Europa und weltweit außer Acht gelassen 122 Zu diesen und anderen Unternehmensführungskonzepten siehe z.B. Füser, Karsten: Modernes Management. Business Reengineering, Benchmarking, Wertorientiertes Management und viele andere Methoden, München 2007; Kappeller, Wolfgang/Mittenhuber, Regina: Management-Konzepte von A-Z. Bewährte Strategien für den Erfolg Ihres Unternehmens, Wiesbaden 2003; Müller, Susanne Gesa (Hrsg.): Der Mensch im Mittelpunkt. Beschäftigungsorientierte Unternehmensstrategien und Mitbestimmung, Frankfurt am Main 2003. 123 Vgl. Kanter, Rosabeth Moss: Global Denken – lokal handeln – Weltklasse erreichen. Wegeweisende Konzepte für Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik, Wien 2000.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

115

werden. Die rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und technologischen Umweltbedingungen für kommunales oder regionales Handeln unterliegen einem ständigen Wandel. Der gesellschaftliche Wandel in Deutschland, z.B. die Veränderungsprozesse im Zusammenhang mit dem Beitritt der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik Deutschland, und die „Megatrends“124 wie Europäisierung und Globalisierung, demografische Entwicklung, Informations- und Wissensgesellschaft mit der Tendenz zum Lebenslangen Lernen, veränderte Wertesysteme sind als Herausforderungen und Chance zu begreifen. Vor allem darf bei Planungen und Aktivitäten nicht die Beantwortung der Frage nach den Zukunftsmärkten und Wachstums- oder sog. Leitbranchen fehlen. Forschungsinstitute und Beratungsfirmen sehen als wachsende Märkte bzw. Branchen u.a. folgende: Logistik, Umwelt, Erneuerbare Energien, Biotechnologie, Tourismus, Kultur, Gesundheit. Als Zukunftsmärkte werden vor allem personenbezogene Dienstleistungen mit der Orientierung an den unmittelbaren Lebensbedürfnissen der Menschen ausgemacht. Also Produkte und Dienstleistungen, die darauf zielen, die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Menschen deutlich zu verbessern. Die Service-Angebote des neuen Dienstleistungsbereichs als Branchen- und Wohlfahrts-Mix werden unter dem Label „Dienstleistungen für mehr Lebensqualität“ zusammengefasst und als sich herausbildende „Boombranche Lebensqualität“ bezeichnet. Jedes Unternehmen oder jeder potenzieller Investor in einer Region stellt sich die Frage: Was ist mein Zukunftsmarkt, in dem ich Wertschöpfung generieren kann? Die diversen Determinanten der Umwelt bilden demzufolge nicht nur für Unternehmen den äußeren Rahmen bzw. Orientierungsgrößen für Strategien, Konzepte, Instrumente und Maßnahmen, sondern ebenso für die Regionalund Wirtschaftsförderung. Die Umweltanalyse in Verbindung mit der Unternehmensanalyse sollte Ausgangspunkt jedes Entscheidungsprozesses bilden. Zwar ist jede Stadt, Gemeinde und Region zunächst einmal einzigartig. Sie stellen aber keine für sich geschlossenen Gebilde dar, sondern sind offene, im regionalen, nationalen und internationalen Wettbewerb stehende Systeme. Ähnlich wie das strategische Management in Unternehmen auf die Gestaltung der Organisation und seiner Beziehungen zur Umwelt ausgerichtet ist, muss auch bei der Planung und Vermarktung von Regionen, Standorten und Städten die Zukunfts- und Nachhaltigkeitsausrichtung den Ausgangspunkt des Entscheidungsprozesses bilden. Der Managementprozess im Bereich des öffentlichen Sektors unterscheidet sich nicht grundsätzlich von dem in der privaten Wirtschaft. Darstellung 31 zeigt (schematisch) die Phasen, die einen Entscheidungsprozess maßgeblich kennzeichnen. Der hier vorgestellte Prozess der Entscheidungsfindung umfasst fünf Phasen, die nach einem zeitli124 Der Begriff Megatrends wurde popularisiert durch John Naisbitt; Naisbitt, John: Megatrends. 10 Perspektiven, die unser Leben verändern werden, Gütersloh o.J.; Naisbitt, John/Aburdene, Patricia: Megatrends des Arbeitsplatzes. Von Infrastrukturen zur Lebensqualität, Bayreuth 1985. Naisbitt konkretisiert das häufig geforderte Finden „schwacher Signale“.

116

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

chen Ablauf gegliedert sind und von Mittel- wie auch von Zielentscheidungen durchlaufen werden. Führen (also gestalten, lenken und entwickeln) bedeutet vielfach, eine Auswahl zwischen mehreren Möglichkeiten oder Alternativen zu treffen, also Entscheidungen (Problemlösung). Sowohl die Ziel- als auch Mittelentscheidungen durchlaufen dabei verschiedene Phasen. Wichtig allerdings ist es sich immer vor Augen zu halten, dass dieser Prozess letztlich lediglich ein hilfreiches Schema darstellt. Darst. 31: Phasen des Entscheidungsprozesses Unternehmensanalyse Umweltanalyse (Stärken-/Schwächen-Analyse) (Chancen-/Risiken-Analyse)

Zielvorgabe

unternehmensinterne und externe Anspruchs- und Interessengruppen

(1) Anreg- • Erkennen des Problems • Feststellen der Ausgangslage ungsund der Umweltbedingungen phase • Ursachenanalyse zur Klärung und Präzisierung offener Fragen und der möglichen Absichten

(2) Suchphase

• Bestimmung der konkreten (Plan-) Ziele bzw. Entscheidungskriterien • Suchen und Ausarbeiten von alternativen Lösungsmöglichkeiten • Ermittlung und Beurteilung der Konsequenzen alternativer Lösungen im Hinblick auf Entscheidungskriterien (Ziele und Umweltdaten)

(3) Entschei-• Beurteilen der Lösungsmöglichkeiten dungs- • Rangordnung der Lösungen und Wahl der günstigsten Lösung phase

Planaufstellung (Entscheidungsvorbereitung)

(Personal-) Planung = Willensbildung

Planverabschiebung Vorgabeinformation (Soll)

(4) Realisie- • Vorgabe der Soll-Werte rungs- • Umsetzen in Maßnahmen und Handlungsvorschriften phase • koordinieren, strukturieren, führen • Gestaltung, Implementierung

Durchsetzung

(5) Kontroll-• Ausführungskontrolle • Ermittlung und Analyse der phase Ergebnisse (Ergebnisbewertung)

Kontrolle Rückinformation

Willensdurchführung

(Ist)

Quelle: Zdrowomyslaw, Norbert (Hrsg.): Personalcontrolling. Der Mensch im Mittelpunkt. Erfahrungsberichte, Funktionen und Instrumente, Gernsbach 2007, S. 95.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

117

Eine zentrale Aufgabe im Rahmen des strategischen Regionalmanagements besteht darin, Ziele für ein Bundesland, bestimmte Regionen, Standorte und Städte zu formulieren und festzusetzen. Im Rahmen eines strategisch ausgerichteten Regionalmanagements haben die Gewinnung und Verarbeitung von akteursrelevanten Informationen eine Schlüsselfunktion. Der Informationsbedarf von Bürgern, Politikern, Managern, Investoren, Touristen, Kunden u.a. wird nur befriedigt, wenn die bereitgestellten Daten und Fakten einen Zweck erfüllen. Sie müssen gut aufbereitet und empfängerorientiert präsentiert werden. Im Kern muss jede Entwicklungsstrategie von Regionen und Städten auf den vorhandenen „harten“ und „weichen“ Standortfaktoren, den Strukturen, den Besonderheiten und Potenzialen aufbauen und diese permanent verbessern und strategisch sowie nachhaltig entwickeln. Strategisches und nachhaltiges Regionalmanagement fußt auf mindestens zwei Säulen. Erfolgreiches Regionalmanagement125 basiert zum einem auf der Kenntnis der Strukturen und den Verhältnissen einer Region (z.B. dem Wissen um Stärken- und Schwächen) und zum anderen hängt es maßgeblich vom Willen und der Fähigkeit der unterschiedlichen Akteursgruppen ab, gemeinsam getragene Visionen, Ziele und Strategien zu realisieren. Welche Konzepte für die Gestaltung eines regionalen und sektoralen Strukturwandels bieten sich an?

3.3

Konzepte zur Unternehmens- und Regionalsteuerung

Die strategische Steuerung von Regionen und Unternehmen in einer globalisierten Wirtschaft benötigt Visionen und geeignete Instrumente. Patentrezepte für die langfristige Planung und Entwicklung, ob einer Volkswirtschaft oder eines Unternehmens, gibt es nicht. Allerdings stehen mittlerweile strategische Unternehmensführungs-Ansätze in der Diskussion, die dazu beitragen sollen, die zunehmenden Umweltturbulenzen bzw. Diskontinuitäten (z.B. deutsche Wiedervereinigung, Öffnung osteuropäischer Märkte, beschleunigter Wandel der Werte und Einstellungen) besser steuern zu können. Es gibt eine Vielzahl von Managementtheorien für Entscheidungsträger von Regionen und Unternehmen. Darstellung 32 verdeutlicht modellhaft die drei bedeutenden strategischen Unternehmensführungs-Ansätze im historischen Kontext und den Stellenwert der netzwerkbasierten Sichtweise auf den Wettbewerb. Netzwerke und Kooperationen sind als Konzepte zur Wertsteigerung und zum Wachstum von Unternehmen und Regionen zu begreifen. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass Wertsteigerungen in Unternehmen zunehmend von immateriellen Ressourcen abhängen, wird die Netzwerkkompe125 Vgl. Bladt, Michael: Analyse der Wirtschaftsstrukturen und Wirtschaftsakteure der Region Vorpommern. Konzeptionelle Ausführungen zur Regionalentwicklung Vorpommerns mit Handlungsorientierung, Saarbrücken 2008, S. 94-114.

118

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

tenz als strategischer Erfolgsfaktor immer wichtiger.126 Der Aspekt des „Wertes“ – wenn auch mit unterschiedlichen Gewichtungen und Ausrichtungen – ist bei allen drei Ansätzen Gegenstand der Betrachtung. Unternehmen und Regionen schaffen Werte. Der volks- und betriebswirtschaftliche Begriff einer Wertentstehung ist die so genannte Wertschöpfung. Nur wer Werte schafft, kann diese auch verteilen. Darst. 32: Bedeutende strategische Unternehmensführungsansätze Welt Deutschland Regionen/Städte

wertsteigerungsorientierte Strategie-Ansätze (Rappaport 90 Jahre)

netzwerkorientierte Sichtweise

strategische UnternehmensführungsAnsätze

produkt-/marktorientierte Strategie-Ansätze (Porter 70 Jahre)

auf den Wettbewerb

ressourcenorientierte Strategie-Ansätze (Hamel/Prahalad 80 Jahre)

lokal/regional national global/international

Quelle: Zdrowomyslaw, Norbert/Bladt, Michael/Jahn, Thomas/Sabo, Marko: Vorpommern im Aufwind. Branchen im Fokus, Regionaler Planungsverband Vorpommern (Hrsg.), Greifswald 2007, S. 5. 126 Vgl. Roß, Andreas: Wertsteigerung durch Netzwerkkompetenz, Köln 2006; Milberg, Joachim/Schuh, Günther (Hrsg.): Erfolg in Netzwerken, Berlin u.a. 2002.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

119

Porter als Begründer und Vordenker der Branchen-Clusterforschung, der Wettbewerbsbetrachtung und Wertschöpfungskettenanalyse von Unternehmen ist im Hinblick auf Konzepte zur Steuerung von Regionen in besonderer Weise hervorzuheben.127 Durch seine Arbeiten wurde der Grundstein der dynamischen Marktorientierung mit Blick auf die Wettbewerbsvorteile gelegt. Zentrale Instrumente sind hierbei die Branchenstruktur- und Wertschöpfungskettenanalyse sowie generische Wettbewerbsstrategien. Porter geht von der These aus, dass die Strukturmerkmale einer Branche die Intensität und die Dynamik des Wettbewerbs bestimmen und von diesen wiederum die Rentabilität abhängig ist. Es wird ersichtlich, dass sich unternehmerischer und regionaler Erfolg maßgeblich durch die Anpassungsfähigkeit an Umfeldbedingungen definiert. Die Darstellung 33 verdeutlicht schematisch die Akteure und Stufen der Wertschöpfungsentstehung in Unternehmen. Das Portersche Konzept der Wertschöpfungskette stellt ein Diagnoseinstrument zur systematischen „Durchleuchtung“ einer Organisation oder von strategischen Geschäftsfeldern dar. Unter Zugrundelegung der am Markt erzielten Erlöse (des „Gesamtwertes“) wird das Unternehmen als Kette wertsteigernder Aktivitäten dargestellt. Die Differenz der zwischen dem Gesamtwert und den (symbolisch) aneinander gereihten Kosten der Wertschöpfung ergibt die erzielte Gewinnspanne.

127 Vgl. Porter, Michael E.: Wettbewerbsstrategie. Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten, 10. Aufl., Frankfurt am Main 1997; Porter, Michael E.: Nationale Wettbewerbsvorteile. Erfolgreich konkurrieren am Weltmarkt, Wien 1993.

120

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Darst. 33: Die Wertkette nach Porter

Wertkette

Lieferanten-

des

Wertketten

Unternehmens

AbnehmerWertketten

Unterstützende Aktivitäten

Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft Personalwirtschaft Technologieentwicklung Beschaffung Eingangs-

Operationen

logistik (Bereitstellung

(Leistungserstel-

von Produktions-

lung durch Kom-

faktoren)

Marketing/

Ausgangs-

Vertrieb

logistik (DistributionsMix)

Kundendienst/ Service

bination von Produktionsfaktoren)

Primäre Aktivitäten

Quelle: Czenskowsky, Torsten/Schünemann, Gerhard/Zdrowomyslaw, Norbert: Grundzüge des Controlling. Lehrbuch der Controlling-Konzepte und -Instrumente, 2. Aufl., Gernsbach 2004, S. 37.

In der Wirtschaftspraxis von Organisationen haben Controlling-Konzeptionen zur Unterstützung des strategischen Managements einen festen Platz. Ausgehend von dieser Erkenntnis stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Controlling-Gedanke für die Entwicklung von Regionen haben kann. Darstellung 34 macht deutlich, dass ein „Management und Controlling“ von Regionen vor allem drei Elemente im Fokus haben sollte: die Wertschöpfungskettenanalyse, die Netzwerke und Kooperationen sowie das Personalmanagement (Weiterentwicklung der Humanpotenziale einer Region). Das Zusammenspiel der drei Elemente des von Zdrowomyslaw und Bladt entwickelten Modells soll im Folgenden kurz aufgezeigt werden.128

128 Vgl. Bladt, Michael: Analyse der Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftsakteure der Region Vorpommern. Konzeptionelle Ausführungen zur Regionalentwicklung Vorpommerns mit Handlungsorientierungen, Saarbrücken 2008, S. 101-117.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

121

Darst. 34: Modell-Ansatz „Management und Controlling von Regionen“ Personalmanagement ÞArbeitsmarktpolitik

Netzwerke und Kooperationen Þpersonenbezogene Ebene Þsach- und interessenbezogene Ebene

Þunternehmensspezifische Personalpolitik

Management und Controlling von Regionen

Analyse von Wertschöpfungsketten ÞInformationen, Strukturen, Mengen und Werte ÞVerflechtungen von Branchen und Unternehmen

Quelle: Bladt, Michael: Analyse der Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftsakteure der Region Vorpommern. Konzeptionelle Ausführungen zur Regionalentwicklung Vorpommerns mit Handlungsorientierungen, Saarbrücken 2008, S. 102.

3.3.1

Branchen- und unternehmensbezogene Wertschöpfungsanalysen

Wichtige Diagnoseinstrumente zur Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftsstandorten und Unternehmen stellen die Branchenstruktur- und Wertschöpfungskettenanalyse dar. Durch die Tatsache, dass die traditionellen Grenzen von Industrien bzw. Branchen aufweichen, sich verschieben, mit anderen Bereichen verschmelzen und sich in neuer Form darstellen, ist es fast ein Muss, sich mit den vernetzten Strukturen auseinanderzusetzen. Den heutigen Marktverhältnissen ist es geschuldet, dass den Konsumenten zusehends Komplett- bzw. Systemlösungen angeboten werden (Alles aus einer Hand – z.B. All inclusive Reisen, Gesundheitszentrum, Komplettbau-Unternehmen und vernetzte Lösungen der IT-Branche). Die Darstellung und Analyse der Wertschöpfungsstruktur einer Region, einer Branche (siehe die Darstellung 35 Maritime Wirtschaft und die Darstellung 36 Tourismuswirtschaft) und von Unternehmen können die Entscheidungsträger von Organisationen im Rahmen des Managementprozesses maßgeblich unterstützen. Wertschöpfungskettenübersichten sind hilfreich, Innovationspotenziale und Wachstumskerne von Regionen zu identifizieren. Gegebenenfalls können durch sie auch neue

122

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Zielmärkte „entdeckt“ und mögliche „Wertschöpfungspartnerschaften“ erkannt werden. Die Betrachtung einer unternehmensbezogenen Logistik- bzw. Wertschöpfungskette regt zu Fragen an: In welchen Bereichen, Funktionen und Geschäftsfeldern sind Optimierungen und Kostenersparnisse möglich? Welche Zulieferer haben wir und welche kommen als Wertschöpfungspartner aus der Region und aus anderen Regionen noch in Frage? Damit ist auch die nächste Stufe zum Cluster- und Netzwerkmanagement in Sicht. Darst. 35: Wertschöpfungsstruktur der Branche „Maritime Wirtschaft“ unt er ne hm en sn ah e D ien st leis t un gen Versicherer

Schiff- und Bootsbau

M A R I T I M E W I R T S C H A F T

Banken

Werften

Forschung und Lehre

Zulieferer

Prozesse der Wertschöpfung

Energiewirtschaft

Einkauf/Beschaffung

E

Verarbeitung

N

Offshoretechnik Marine Umweltschutztechnik Meerestechnik

Meeresforschungstechnik Unterwassertechnik Maritimes Bau-/Ingenieurwesen

Verpackung

Aquakultur/Fischerei Informations- und Leitsysteme

Fischerei

Fischfang

Transport Distribution

Seeverkehr & Hafenwirtschaft

Marinas Strandtourismus Beherbergungswesen Maritimer Tourismus

Beratung sonst. produktnahe DL

Gesundheitstourismus

R

Großhandel Einzelhandel

B R A U C H E R

Schifffahrt

Maritime Veranstaltungen

E

Fachhandel

Waren-/Terminbörsen Planung

V

Direktvertrieb

F& E

Makler/Agenten Hafenlogistik

Markt

Lagerung

Fischzucht

Reedereien

D

Veredelung

Abfallbeseitigung, Entsorgung, Rückbau

Aktivtourismus

Quelle: Zdrowomyslaw, Norbert/Bladt, Michael/Jahn, Thomas/Sabo, Marko: Vorpommern im Aufwind. Branchen im Fokus, Regionaler Planungsverband Vorpommern (Hrsg.), Greifswald 2007, S. 12.

123

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Darst. 36: Wertschöpfungsstruktur der Branche Tourismuswirtschaft Vorleistungs- und Zuliefergewerbe Tourismusinformationsanbieter

Handwerk

Unternehmensdienstleister

Beherbergung

Gastronomie

Einzelhandel

Hotel

Restaurant

Nahrungsmittel

Gasthof

Bar

Bekleidung

Pension

Diskotheken

Gebrauchsgut

Jugendherberge

Lieferservice

Verlagsware

EintagesTourismus

Vorsorge- und Rehaklinik

Souvenir Freizeit- und Sportgut

Ferienhaus, -wohnung

MehrtagesTourismus

Logistik/ Transport

Luxusgut

Erholungs-, Ferienund Schulungsheim

Freizeit/ Unterhaltung Strand, Baden usw. Land, Bauernhof Wandern,RadFahren, Reiten, Golfen Kultur, Museum, Theater, Kino Freizeit-/ Erlebnispark

Einzelhandel

Großhandel

sonstige DL

Senioren

Transport Vermietung und Verleih Beratung, Coaching

Jugend

Familien

Tagung, Kongresse Gesundheit und Wellness Seniorenresidenzen

Paare

Singles

Wasserunterkunft Mobilitätseingeschränkte

Campingplatz

Hafen und Logistik

Banken und Versicherungen

Forschung und Lehre

E N D V E R B R A U C H E R

Maritime Wirtschaft

Nachbarbranchen des Tourismus

Quelle: Zdrowomyslaw, Norbert/Bladt, Michael/Jahn, Thomas/Sabo, Marko: Vorpommern im Aufwind. Branchen im Fokus, Regionaler Planungsverband Vorpommern (Hrsg.), Greifswald 2007, S. 16.

3.3.2

Auf- und Ausbau von Netzwerken und Kooperationen

Das Management und die Bildung von Netzwerken werden über die EU und sonstige Förderprogramme finanziell unterstützt. Dies ist sicherlich nicht der einzige Grund, warum Politiker und „Wirtschaftslenker“ in der Netzwerk- und Clusterbildung einen Erfolgsfaktor für Regionen und Unternehmen sehen. Die Zukunft gehört Netzwerken und Kooperationen; so ist die Einschätzung vieler Politiker, Wissenschaftler und Wirtschaftspraktiker.129 Das Motto „gemeinsam sind wir stark“, hat gerade in Zeiten einer globalisierten und von 129 Die Literatur zur Netzwerkökonomie ist mittlerweile sehr umfangreich und vielschichtig. Becker, Thomas/ Dammer, Ingo/Howaldt, Jürgen/Loose, Achim (Hrsg.): Netzwerkmanagement. Mit Kooperationen zum Unternehmenserfolg, Berlin/Heidelberg 2005; Corsten, Hans (Hrsg.): Unternehmensnetzwerke. Formen unternehmensübergreifender Zusammenarbeit, München 2001; Lindloff, Karsten/ Schneider, Lothar (Hrsg.): Handbuch nachhaltige Entwicklung. Kooperations- und Vernetzungsprozesse in Region, Landkreis, Stadt und Gemeinde, Dortmund 2001; Scheler, Uwe: Erfolgsfaktor Networking. Mit Beziehungsintelligenz die richtigen Kontakte knüpfen, pflegen und nutzen, Frankfurt am Main 2000; Zentes, Joachim/Swoboda, Bernhard/Morschett, Dirk (Hrsg.): Kooperationen, Allianzen und Netzwerke. Grundlagen – Ansätze – Perspektiven, Wiesbaden 2003.

124

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

intensivem Wettbewerb geprägten Wirtschaft eine herausragende Bedeutung. Der Kunde verlangt nach „Rundum-sorglos-Angeboten“, größere Aufträge – dies gilt vor allem für mittelständische Unternehmen – lassen sich in Partnerschaften eher an Land ziehen und kleine Kommunen schaffen nur in Kooperation größere Projekte (z.B. Bau einer Stadthalle) zu schultern. Kooperatives Verhalten und Netzwerkbildung sind auf unterschiedlichen Ebenen denkbar. Insbesondere für mittelständische Unternehmen ist das Eingehen von Kooperationen und die Schaffung von Netzwerken eine Chance, gegenüber Großunternehmen Nachteile zu kompensieren und Vorteile zu aktivieren.130 Darstellung 37 verdeutlicht die Schaffung von regionalen bis hin zu unternehmerischen Produktions- und Dienstleistungsnetzwerken. Darst. 37: Networking und Ebenen der Netzwerkbildung Leistungsnetzbetrieb III. Ebene: - regionale Produktions- und - Kompetenzzellen-basierte Dienstleistungsnetz - auftragsbezogene Vernetzung Leistungsnetzauflösung und Impulse Leistungsnetzbildung zur Kompetenzentwicklung II. Ebene: - regionale - Kompetenzzellen-basierte - institutionalisierte Vernetzung (Cluster )

Kompetenznetz Kompetenznetzbildung

I. Ebene: - regionale - infrastrukturelle - mentale Vernetzung

Impulse zur regionalen Entwicklung und Kompetenzansiedlung

Regionales Netz

Networking ist: eine systematische Form der Beziehungspflege mit Freunden, Bekannten, Geschäftspartnern und Förderern. Quelle: Nach Müller, Egon/Riedel, Ralph: Stabilisierung und Nachhaltigkeit in Netzwerken, in: Initiative für Beschäftigung OWL e.V./Universität Bielefeld/Survey GmbH & Co. KG/ Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Netzwerk 2006. Forschungsthemen, Schwerpunktbranchen, praktisches Know-how, Bielefeld 2006, S. 22.

130 Vgl. Dörsam, Pia/Icks, Annette: Vom Einzelunternehmen zum regionalen Netzwerk: Eine Option für mittelständische Unternehmen, Schriften zur Mittelstandsforschung 75, Stuttgart 1997.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

125

Einfach ist es allerdings nicht, stabile Partnerschaften zu entwickeln. Losgelöst von der Intensität und Stabilität, gilt es vor allem drei Spannungsfelder zu managen: Vertrauen > < Kontrolle Autonomie > < Abhängigkeit Kooperation > < Konkurrenz Zur erfolgreichen Umsetzung von kooperativen Organisationsformen kann das 6-K-Modell herangezogen werden: Kommunikation, Kontakte, Kompetenzen, Konsens, Kooperation und Kundenerfolge. Ob und in welcher Form Netzwerkarbeit geleistet und Kooperationen gelebt werden, hängt letztlich von den jeweiligen individuellen Zielen und Erwartungen der Entscheidungsträger in Organisationen ab. Als unternehmerische Zielsetzungen können Kostensenkung (z.B. Produktions-, Koordinations- und Transaktionskosten), Zeitreduktion (z.B. Entwicklungszeit), Qualitätsverbesserung und Flexibilitätssteigerung genannt werden. Bei Netzwerken und Kooperationen, gleich welcher Art, geht es letztlich darum, einen Nutzen für alle Partner zu schaffen, sprich eine Win-Win-Situation zu erzeugen. Darstellung 38 zeigt schematisch den Nutzen von Organisationsentwicklung in Unternehmensnetzwerken bzw. Kooperationen für Individuum, Unternehmen und Netzwerk. Darst. 38: Kooperationen: Nutzen für Individuen, Unternehmen und Netzwerke

Quelle: Lilie, Oliver: Organisationsentwicklung als Managementaufgabe in Unternehmensnetzwerken, in: Initiative für Beschäftigte OWL e.V., Universität Bielefeld, Survey GmbH & Co. KG, Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Unternehmensnetzwerke. Fragen der Forschung und Erfahrungen der Praxis, Bielefeld 2004, S. 48.

126 3.3.3

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen Personal- und Wissensmanagement

Der Trend zur zunehmenden Wissenschaftsgesellschaft und der demografische Wandel stellen Herausforderungen für Gesellschaften, Regionen und insbesondere auch für Unternehmen dar. Die Arbeitskräfteverfügbarkeit in quantitativer und qualitativer Hinsicht hat einen Einfluss auf den Erhalt und die Expansion von Unternehmen und die nachhaltige Entwicklung einer Region. Denn die Fähigkeiten, Fertigkeiten und das Wissen, sprich die berufliche Handlungskompetenz, von Mitarbeitern bilden die Basis für Innovationen, Fortschritt und Wachstum. Bildung ist die beste und wertvollste Investition in die Zukunft. Der Mensch als Wissens- und Produktionsfaktor rückt in der Politik der Europäischen Union, wie den strategischen Leitlinien der Beschäftigungspolitik zu entnehmen ist, und bei den Führungskräften in den Unternehmen zusehends in den Fokus der Betrachtung.131 Es wächst die Erkenntnis, dass der Mensch – trotz hoher Arbeitslosenquoten in vielen Regionen – bereits heute und erst recht in Zukunft einen Engpassfaktor für die Entwicklung und das Wachstum von Standorten und Unternehmen darstellen wird. Viele Betriebe, insbesondere auch in Ostdeutschland, sind bereits heute mit dem Problem des „Lehrlings-, Fach- und Führungskräftemangels“ konfrontiert.132 Die Wettbewerbsfähigkeit einer Region sowie eines Unternehmens hängt vor allem von qualifizierten und motivierten Mitarbeitern ab und diese tragen maßgeblich zum Erfolg von Organisationen bei. Bildung bestimmt die Standortqualität einer Region nachhaltig.133 Gerade in einem rohstoffarmen Land, wie es die Bundesrepublik Deutschland ist, stellt insbesondere das Potenzial des sog. „Humankapitals“ eine zentrale Größe für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung dar. Die Existenz jeder Organisation (Unternehmen, Institutionen, etc.) ist ohne die nicht ohne weiteres austauschbare Ressource „Mensch“ nicht denkbar. Der Mensch ist Leistungs-, Wertschöpfungs-, Erfolgs-, Kosten- und Risikofaktor gleichermaßen. Personalmanagement und Personalcontrolling134 sind aber nicht nur Aufgabenbereiche der Unternehmen. Die Entwicklung des „Humankapitals“ liegt sowohl in der Verantwortung der Unternehmen als auch bei der Gesellschaft (Staat).135 Aktive Arbeitsmarktpolitik ist gefragt und die Organisationen 131 Zdrowomyslaw, Norbert/Bladt, Michael: Engpassfaktor Personal – Personalmanagement ist gefragt, in: Vorpommern-Magazin 10/2008, S. 28. 132 Zdrowomyslaw, Norbert/Bladt, Michael/Jahn, Thomas/Sabo, Marko: Vorpommern im Aufwind. Branchen im Fokus, Regionaler Planungsverband Vorpommern (Hrsg.), Greifswald 2007; S. 25-30. 133 Vgl. Zdrowomyslaw, Norbert/Bladt, Michael/Jahn, Thomas/Sabo, Marko: Vorpommern im Aufwind. Branchen im Fokus, Regionaler Planungsverband Vorpommern (Hrsg.), Greifswald 2007; S. 20-31. 134 Vgl. Zdrowomyslaw, Norbert (Hrsg.): Personalcontrolling. Der Mensch im Mittelpunkt. Erfahrungsberichte, Funktionen und Instrumente, Gernsbach 2007. 135 Vgl. Zdrowomyslaw, Norbert/Bruns, Johannes/Schimpfermann, Christian: Personalentwicklung. Eine gesellschaftspolitische und unternehmerische Verantwortung Teil 1 und Teil 2, in: Der Betriebswirt 3/2006, S. 28-34 und Der Betriebswirt 4/2006, S. 27-32.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

127

müssen sich intensiver als bisher mit der Personalpolitik und möglichen Personalstrategien beschäftigen. Soll Bildung tatsächlich zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor einer Region und der in ihr agierenden Unternehmen werden, müssen sich die verantwortlichen Akteure u.a. mit folgenden Aspekten beschäftigen: demografischer Wandel, berufliche Ausbildung, Weiterbildung, Lebenslanges Lernen und Wissensmanagement. Unter anderem muss verstärkt über das „Alternsmanagement“136 sowie über mögliche Kooperationen und Wertschöpfungsnetzwerke in der Weiter- und Fortbildung137 nachgedacht werden.

4.

Wirtschaftsstandort und Wirtschaftsstruktur

Gleichermaßen wie zum Begriff Region existieren auch zum Standortbegriff diverse Abgrenzungen und Deutungen. Auch zu den Aspekten der Beeinflussung der Standortwahl und des Standortmarketings gibt es verschiedene Sichtweisen.138 Unbestritten ist allerdings, dass die Kenntnis über den Wirtschaftsstandort, die Wirtschaftsstruktur und die Standortfaktoren eines Raumes den Ausgangspunkt für eine effektive und effiziente Wirtschaftsförderung bilden. Die Determinanten der Wettbewerbsfähigkeit von Regionen, Standorten und Städten sind vielschichtig, wie Darstellung 39 verdeutlicht.

136 Vgl. Busch, Rolf (Hrsg.): Alternsmanagement im Betrieb. Ältere Arbeitnehmer – zwischen Frühverrentung und Verlängerung der Lebensarbeitszeit, München/Mering 2004; Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e.V. (Hrsg.): Demografische Analyse und Strategieentwicklung in Unternehmen, Köln 2005; Zdrowomyslaw, Norbert u.a.: Personalpolitik in Zeiten des demografischen Wandels, Sonderdruck, Der Betriebswirt, Gernsbach 2005. 137 Vgl. Voigtländer, Christine: Dynamische kundenorientierte Wertschöpfungsnetzwerke in der Weiterund Fortbildung, Lohmar/Köln 2008. 138 Vgl. Kotler, Philip/Haider, Donald/Rein, Irving: Standort-Marketing. Wie Städte, Regionen und Länder gezielt Investitionen, Industrien und Tourismus anziehen, Düsseldorf u.a. 1994; Schiele, Holger: Der Standortfaktor. Wie Unternehmen durch regionale Cluster ihre Produktivität und Innovationskraft steigern, Weinheim 2003; Schnurrenberger, Bernd: Standortwahl und Standortmarketing. Beeinflussung der Standortwahl internationaler Unternehmen durch professionelles Standortmarketing der Regionen, Berlin 2000;

128

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Darst. 39: Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit von Regionen Infrastruktur Materielle Infrastruktur - Verkehr (Straße, Schiene, Luft, Wasser) - Ver- und Entsorgung - Versorgung (Wasser, Energie) - Entsorgung (Abwasser, Abfall) - Aus- und Weiterbildung - Schulwesen - Hochschulen - Weiterbildungseinrichtungen - Forschung und Entwicklung - von Unternehmen - von öffentlichen Einrichtungen - Telekommunikation - Industrie und Gewerbeflächen/ - Büro und Ladenflächen - quantitativ - qualitativ - Innovationszentren (u.a. Technologie- und Gründerzentren) Institutionelle Infrastruktur - Leistungsfähigkeit der Verwaltung (incl. Rechtsprechung) - Public Private Partnership - Gesprächskreise Verwaltung und Wirtschaft (= „Vernetzung der regionalen Akteure“) - Beratungsstellen - Technologieberatung - Gründerseminare - Behördenführer - Subventionsberater - Regionale Produkt und Abfallbörsen - Öffentliche Fördermittel (Investitionszulagen, verbilligte Kredite) Personelle Infrastruktur - Leistungsbereitschaft, Flexibilität und Motivation - Bereitschaft zu unternehmerischem Handeln - Einstellung zu wirtschaftlichem Handeln (=„wirtschaftsfreundliches Klima“) - Geistige und technische Fähigkeiten („Know how“) - Anzahl und Bildungsniveau (= Humankapital) der Erwerbstätigen - Innovative Milieus - Beschäftigungs- und Arbeitsplatzqualität (Teilzeit, befr. Beschäftigungen, durchschn. Beschäftigungsdauer) - regionale/lokale Beschäftigungs- und Arbeitslosenquoten nach Alter, Geschlecht usw.

naturräumliches Potenzial Lage und Erreichbarkeit - Zentralität und Lage innerhalb einer Volkswirtschaft - Entfernung zum nächsten Oberzentrum bzw. Verdichtungsraum - erreichbare Bevölkerung in x Stunden Fahrzeit Umweltqualität - Landschaftsbild - Güte der Umweltmedien - Wasser - Boden - Luft - Klima Vorhandensein von Rohstoffen Wirtschaftsstruktur und Besonderheiten - Sektoralstruktur - Betriebsgrößenstruktur - Unternehmenslandschaft (Selbstständigenquote, Unternehmensgründungsrate, Gründungsrate von Kleinunternehmen, Überlebenswahrscheinlichkeit von U-Gründungen nach 5 Jahren) - Autonomiegrad (Einzel- oder Mutterunternehmen; Zweigbetriebe) - Vernetzung regionaler Betriebe (Clusterbildung) - Attraktivitäten und Besonderheiten - Bruttowertschöpfung - Kaufkraft der Region Siedlungsstruktur Leistungsfähigkeit der regionalen Zentren (Wachstumspole) - Einwohnerzahl - Dienstleistungsangebot (Güte der haushaltsorientierten Infrastruktur) - Schulwesen - Kultur - Gesundheitswesen - Sport und Freizeiteinrichtungen - private Dienstleistungen (Handel, Banken, Gastronomie usw.) - Zentralörtliche Funktion Vernetzung der Zentren - intraregional - interregional Verdichtungsgrad Entwicklungsachsen

Quelle: In Anlehnung an Eckey, Hans-Friedrich: Regionalökonomie, Wiesbaden 2008, S. 107.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

4.1

129

Markt- und Umweltforschung – ein Erfolgsbaustein

Um eine strategie- und entwicklungsorientierte Regionalpolitik und Wirtschaftsförderung betreiben zu können, ist es erforderlich, die Wirtschaftsstruktur, die Standortfaktoren und die Besonderheiten (Attraktivitäten, Einzigartigkeiten) der eigenen Region zu kennen. Das heißt Markt- und Umweltforschung (gemeint: Umgebung des Unternehmens nicht nur in ökologischer Sicht) sind für erfolgreiches Agieren unabdingbar.139 Denn in einer dynamischen Umwelt wird es immer wichtiger, rechtzeitig die richtigen Informationen einzuholen und vorausschauend zu handeln. Entscheider in einer Region sind auf zweckorientiertes Wissen angewiesen, sprich Informationen. Denn die Entwicklung und der Wohlstand einer Region hängen nicht nur vom politischen Gespür, sondern maßgeblich auch von der Fähigkeit der regionalen Akteursgruppen ab, sich rechtzeitig und zielorientiert auf die Bedürfnisse der Menschen und die Märkte der Zukunft einzurichten.

4.2

Benchmarking-Studien für Länder, Regionen und Städte

Länder, Regionen und Städte stehen national und international im Wettbewerb. Nicht nur von Führungskräften der Unternehmen, sondern auch von Entscheidungsträgern in Regionen und Städten werden u.a. folgende Fragen gestellt: Was machen die anders als wir? Und warum sind sie erfolgreicher als wir. Was können wir von anderen lernen bzw. übernehmen? Vergleichende Betrachtungen und Rankings sind heutzutage allgegenwärtig. Benchmarking, d.h. der kontinuierliche und systematische Prozess, um Produkte, Dienstleistungen und Arbeitsprozesse von Unternehmen, aber eben auch von Ländern, Regionen und Städten zu beurteilen und zu verbessern, hat Hochkonjunktur.140 Um Disparitäten im regionalen Bereich zu erkennen und von anderen „erfolgreichen“ Regionen zu lernen, ist es sinnvoll Benchmarking-Studien heranzuziehen. Mehr oder weniger werden regelmäßig von diversen Institutionen Studien erstellt, die Städte, Regionen oder Bundesländer in ihrer Entwicklung im Vergleich beurteilen und entsprechende Ranglisten veröffentlichen. Dabei werden die Ist-Situation beleuchtet und gelegentlich auch Prognosen für die Zukunft aufgestellt. Beispielsweise können für das Bundesland Mecklenburg139 Vgl. Allgemein zur Marktforschung siehe Hammann, Peter/Erichson, Bernd: Marktforschung, 4. Aufl., Stuttgart 2000; Hüttner, Manfred: Grundzüge der Marktforschung, 5. Aufl., München/Wien 1997; zur Recherche von Wirtschaftsinformation siehe Goemann-Singer, Alja/Graschi, Petra/Weissenberger, Rita: Recherchehandbuch Wirtschaftsinformationen. Vorgehen, Quellen und Praxisbeispiele, 2. Aufl., Berlin/Heildelberg/New York 2004; zu empirischen Analysen siehe Atteslander, Peter: Methoden der empirischen Sozialforschung, 12. Aufl., Berlin 2008. 140 Zu Vergleichen in der Ökonomie siehe Zdrowomyslaw, Norbert/Kasch, Robert: Betriebsvergleiche und Benchmarking für die Managementpraxis. Unternehmensanalyse, Unternehmenstransparenz und Motivation durch Kenn- und Vergleichsgrößen, München/Wien 2002.

130

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Vorpommern neben Befragungsergebnissen und statistischen Erhebungen regionaler Institutionen (Statistisches Landesamt, Ministerien des Landes, Nord LB, Industrie- und Handelskammer etc.) auch Studien von überregionalen Institutionen herangezogen werden, um die Situation und Entwicklung von Städten, Wirtschaftsstandorten, Landkreisen und Regionen einzuschätzen. Exemplarisch sei auf die Veröffentlichungen der Bertelsmann-Stiftung („Die Bundesländer im Standortwettbewerb“), der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (Das bundesweite Regionalranking der „INSM“, erstellt vom Institut der deutschen Wirtschaft), der Prognos AG in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt („Zukunftsatlas“) und die der Gemeinschaftsinitiative von McKinsey, Stern, ZDF und WEB.DE („Perspektive Deutschland“) hingewiesen.141 Die aus solchen Studien gewonnenen Erkenntnisse stellen erste nützliche Orientierungsgrößen für die Entscheidungsträger in einer Region dar. Gleichwohl ist eine kritische Distanz vonnöten, um nicht aus jedem Befund auf eine Umsetzungsreife der Erkenntnisse zu schließen. In der Regel sind die Studienergebnisse interpretationsbedürftig.

4.3

Wirtschaftsstandort – harte und weiche Standortfaktoren

Zum Begriff „Standort“ bietet die Literatur unterschiedliche Definitionen und Typisierungen an.142 Welche Faktoren bzw. Faktorausstattungen (Produktionsfaktoren) bei Ländern, Staaten und Regionen gegeben sein sollten, um im Wettbewerb bestehen zu können, ist u.a. von Porter in seinen Werken herausgearbeitet worden.143 Allgemein kann unter einen Wirtschaftsstandort ein räumliches Zentrum der zwischen Betriebswirtschaft und Umwelt bestehenden Beziehungen verstanden werden. Enger gefasst und mit der Brille der Raum- und Regional- sowie Stadtplanung betrachtet, spricht man auch in diesem Zusammenhang von Gewerbegebieten bzw. Industriestandorten, die Investoren „schmackhaft“ gemacht werden sollen. Darstellung 40 weist auf die Kriterien bzw. Einflussfaktoren der Standortentscheidung auf unterschiedlichen Ebenen hin.

141 Die Dokumentation wichtiger Benchmarking-Studien für Deutschland und seine Regionen ist zu finden in dem Buch von Bladt, Michael: Analyse der Wirtschaftsstrukturen und Wirtschaftsakteure der Region Vorpommern. Konzeptionelle Ausführungen zur Regionalentwicklung Vorpommerns mit Handlungsorientierung, Saarbrücken 2008, S. 27-49. 142 Vgl. Bankhofer, Udo: Industrielles Standortmanagement. Aufgabenbereiche, Entwicklungstendenzen und problemorientierte Lösungsansätze, Wiesbaden 2001, S. 12-16. 143 Vgl. Porter, Michael E.: Wettbewerbsstrategie. Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten, 10. Aufl., Frankfurt am Main 1997, S. 97-99.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

131

Darst. 40: Kriterien der Standortentscheidung auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen Räumliche Ebene Land

Region

Stadt / Kommune

Grundstück Betrieblicher Standort

Kriterien Steuern, politische und wirtschaftliche Stabilität, Gewerkschaften, Inflation, Wachstum, Bundesförderungen Charakteristika der Arbeitskräfte, Löhne, Gewerkschaften, Verbände, Marktzugang und Dynamik, großräumige Lage, Wirtschaftsstruktur, Lieferanten, Dienstleistungen, Regionalförderungen Verkehrsanschließung (Flug, Bahn, Auto, Schiff), Quantität und Qualität der Arbeitskräfte, spezifische Infrastruktur (Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Innovationszentren), regionale und lokale Wirtschaftspolitik und Förderung, Lebensqualität Infrastrukturelle Erschließung, Größe, Preis, Umweltsituation Standort für Betriebe im Ganzen. Betrachtung von „harten“ und „weichen“ Standortfaktoren

Quelle: Modifiziert nach Maier, Gunther/Tödtling, Franz: Regional- und Stadtökonomik 1. Standorttheorie und Raumstruktur, 4. Aufl., Wien/New York 2006, S. 33.

Die Standortwahl eines Unternehmens bzw. Betriebes (Betriebsgründung, -erweiterung oder -verlagerung) zählt in der Betriebswirtschaftslehre zu den wichtigen konstitutiven Entscheidungen. Die Standortentscheidung ist immer unternehmensindividuell ausgerichtet, d.h. an der Unternehmenspolitik und den vom Management verfolgten Zielen und Strategien.144 Aus der Sicht der Wirtschaftsförderung stellen sich u.a. die Fragen, wie die Attraktivität eines Standortes für Investoren und ansässige Unternehmen verdeutlicht werden kann und wie der unternehmerische Prozess der Standortentscheidung beeinflusst werden kann. Um schließlich Marketing für Regi144 Die Fragen und Aspekte der Standortentscheidung werden vielfach in den Standardwerken der Betriebswirtschaftslehre behandelt: Bea, Franz Xaver/Fiedl, Birgit /Schweizer, Marcell (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Band 1 Grundfragen, Stuttgart, 9. Aufl., Stuttgart 2006; Thommen, Jean-Paul/Achleitner, Ann-Kristin: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Umfassende Einführung aus managementorientierter Sicht, 5. Aufl., Wiesbaden 2006; Wöhe, Günter/Döring, Ulrich: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 23. Aufl., München 2008. Ferner gibt es zahlreiche Bücher und Artikel, die sich mit der Standortfrage aus unterschiedlichen Blickrichtungen beschäftigen: Kinkel, Steffen: Erfolgsfaktor Standortplanung. In- und ausländische Standorte richtig bewerten, Berlin/ Heidelberg 2004; Schiele, Holger: Der Standortfaktor. Wie Unternehmen durch regionale Cluster ihre Produktivität und Innovationskraft steigern. Mit einem Vorwort von Lothar Späth, Weinheim 2003; Schimpfermann, Christian: Theorie und Praxis der Raum- und Standortlehre sowie der angewandten Strukturpolitik. Erfolgsfaktoren von Regionen und Städten sowie unternehmerische Standortentscheidungsprozesse unter Berücksichtigung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Diplomarbeit, Stralsund 2006.

132

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

onen, Standorte und Städte mit einer Orientierung auf Zielgruppen betreiben zu können, ist es notwendig, die „harten“ und „weichen“ Standortfaktoren zu kennen. Darstellung 41 gibt einen Überblick über Standortfaktoren und mögliche Zielgruppen. Darst. 41: Standortfaktoren und Zielgruppen

Quelle: Eigene Darstellung

4.4

Branchencluster, Firmenstruktur und Besonderheiten

Um eine realistische Einschätzung eines Wirtschaftsstandorts zu erhalten und tragfähige Wirtschaftsstruktur- und Regionalmarketingkonzepte zu entwickeln, bedarf es der empfängerorientierten Aufbereitung von zahlreichen Daten. Zur Bewertung der Wirtschaftsstruktur ist es wichtig, detailliert die Branchen- und Firmenstruktur zu untersuchen (Tiefenanalyse durchführen) sowie die „vermarktungsfähigen“ Besonderheiten herauszuarbeiten.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen 4.4.1

133

Branchenstruktur und Branchencluster

Bereits im ersten Kapitel ist die Bedeutung von Innovationszyklen und von Leitbranchen für die wirtschaftliche Entwicklung von Staaten und Regionen aufgezeigt worden. Welche Leit- und Wachstumsbranchen in Deutschland145 heute anzutreffen sind und welche ökonomische Bedeutung ihnen beizumessen ist, wird u.a. von der Prognos AG untersucht. Informationen über eine Branche sind für Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und vor allem auch für Wirtschaftsförderer als Dienstleister sehr wichtig. Dem Ansatz der Industrieökonomik folgend geht es bei der sog. Branchenstrukturanalyse um die Strukturmerkmale, die die Dynamik und Intensität des Wettbewerbs einer Branche bestimmen. Zur Bestimmung der Wettbewerbsintensität einer Branche sind dabei fünf zentrale Wettbewerbsbzw. Triebkräfte zu analysieren: Lieferanten, Abnehmer, Ersatzprodukte, neue Anbieter und Wettbewerber. Auch wenn Wissenschaft und Praxis sich über die sog. Leuchtturmtheorie, d.h. die Ausstrahlungseffekte einer Metropole bzw. Metropolregion auf schwächere angrenzende Regionen nicht einig sind, ist kaum zu bestreiten, dass die Anhäufung bzw. Zusammenführung von Betrieben aus den gleichen, ähnlichen und sich ergänzenden Branchen in einer Region (geographische Konzentration) zu Wertschöpfungspartnerschaften, Logistik- und Synergieeffekten sowie „Win-Win-Situationen“ führen kann. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung über Art und Bedeutung von Clustern146 intensiv geführt wird und die praktische Bedeutung von regionalen Clustern hoch ist. In der Literatur werden Beispiele aus unterschiedlichen Regionen und Ländern angeführt, wie Unternehmen durch regionale Cluster ihre Produktivität und Innovationskraft stei-

145 Zu den Leitbranchen zählen: Automobilbau, Elektrotechnik, Maschinenbau, MedTech, MSR, Optik, Metallindustrie, Chemische Industrie, Kunststoffindustrie, Forschung & Entwicklung und Papier-, Druck- und Verlagswesen. Zu den Wachstumsbranchen zählen: Automobilbau, sonstiger Fahrzeugbau, IT/Software, Logistik, Forschung & Entwicklung, unternehmensnahe Dienstleistungen und Recycling. Leitbranchen sind jene Branchen, die in Deutschland stärker spezialisiert sind als in der EU. Der Beschäftigungsanteil in den Leitbranchen liegt rund 43 % über dem EU-25-Durchschnitt. Wachstumsbranchen sind jene Branchen, die positive Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung verzeichnen und schneller wachsen als im EU-25-Durchschnitt. Vgl.: Steden, Philip/Koch, Tobias: Starke Branchen – Starke Regionen. Prognos-Zukunftsatlas 2006 – Zukunftsperspektive Mecklenburg-Vorpommern. Sonderauswertung der Ergebnisse für Mecklenburg-Vorpommern im Auftrag der TLG Immobilien GmbH, Berlin 01.06.2006, S. 17-18. 146 Einen Überblick hierüber liefert Bladt, Michael: Analyse der Wirtschaftsstrukturen und Wirtschaftsakteure der Region Vorpommern. Konzeptionelle Ausführungen zur Regionalentwicklung Vorpommerns mit Handlungsorientierung, Saarbrücken 2008, S. 14-16.

134

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

gern.147 Allerdings dürfen von Clustern keine Wunderdinge erwartet werden und erfolgreiche Unternehmen sind nicht zwingend in Zusammenhang mit Clusterregionen in Verbindung zu bringen.148 Zwar gab es schon vorher die Debatte um sog. Agglomerationsvorteile, aber erst mit dem Konzept der Industriecluster – 1990 von Michael Porter ins Leben gerufen – hat sich der Begriff Cluster durchgesetzt und ist gewissermaßen zum Modethema geworden. Kaum ein anderes theoretisches Konzept ist von der Wirtschaftspolitik so stark aufgenommen worden. Branchencluster entstehen nicht über Nacht. Gleiches gilt auch für den Strukturwandel von Bundesländern (Freistaat Bayern: Vom Agrarland zum High-Tech-Land; Ruhrgebiet: Wirtschaftliche Revitalisierung eines ehemaligen Altindustriegebiets) bzw. von einzelnen Regionen, der sich über viele Jahre vollzieht. Für Ostdeutschland lässt sich die Aussage treffen: es sind kaum ausgeprägte Clusterbildungen auszumachen. Dies dokumentieren beispielsweise auch Studien zu Branchenportfolios sowie Clusterdarstellungen für Mecklenburg-Vorpommern (u.a. NordLB, Prognos AG).149 Allerdings gibt es durchaus Branchen mit Clusterpotenzialen und einer gewissen Vernetzung (z.B. Maritime Allianz Ostseeregion MV, BioCon Valley). Darstellung 42 zeigt die regionale Verteilung der wichtigen landestypischen Leitbranchen in Mecklenburg-Vorpommern.

147 Vgl. Bruch-Krumbein, Waltraud/Hochmuth, Elke: Cluster und Clusterpolitik. Begriffliche Grundlagen und empirische Fallbeispiele aus Ostdeutschland, Marburg 2000; Litzenberger, Timo: Cluster und die New Economic Geography. Theoretische Konzepte, empirische Tests und Konsequenzen für Regionalpolitik in Deutschland, Köln 2006; Twele, Cord/Lesch, Matthias/Bull, Andreas: Innovative Regionalentwicklung, Innovationsnetzwerke, Corporate) Venture Capital und Venture-Capital-Fonds, Lohmar-Köln 2005. 148 „Es ist festzustellen, dass Industriecluster in einer Reihe von Branchen vorkommen und Hidden Champions in diesen Branchen zu solchen Clustern gehören. Eindeutige Schlussfolgerungen für die Strategie einzelner Unternehmen lassen sich aus diesem Befund nicht ziehen. Wir vermuten, dass die Clusterzugehörigkeit für die Entstehung und den Erfolg eines Teils der Hidden Champions ursächlich war. Für die meisten Hidden Champions ist das Clusterkonzept irrelevant, denn sie gehören keinem Cluster an.“ Simon, Hermann: Hidden Champions des 21. Jahrhunderts. Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer, Frankfurt am Main/New York 2007, S. 288. 149 Norddeutsche Landesbank Regionalwirtschaft (Hrsg.): Der Mittelstand in Mecklenburg Vorpommern. Ergebnisse einer schriftlichen Befragung mittelständischer Betriebe in Mecklenburg Vorpommern, Hannover 2005, Download: http://www.nordlb/de/economics/regionalwirtschaft/pdf/Broschuere_ Mittelstand_ MecPom.pdf, Abruf am 9. Januar 2007; Prognos AG (Hrsg.): Zukunftsatlas 2006. Branchen im Fokus, Download: http://www.prognos.com/zukunftsatlas/pdf_06/p_zukunftsatlas_2006.pdf, Abruf am 13. Dezember 2006.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

135

Darst. 42: Regionale Verteilung wichtiger landestypischer Leitbranchen in MV

Quelle: Steden, Philip/Koch, Tobias: Starke Branchen – Starke Regionen. PrognosZukunftsatlas 2006 – Zukunftsperspektive Mecklenburg-Vorpommern. Sonderauswertung der Ergebnisse für Mecklenburg-Vorpommern im Auftrag der TLG Immobilien GmbH, Berlin 01.06.2006, S. 26.

Traditionelle Wirtschaftsbereiche in MV sind das Ernährungsgewerbe, der Schiffbau, die Herstellung von Metallerzeugnissen und die Rohstoffgewinnung. Zu den wirtschaftlichen Zukunftsbranchen zählen aus heutiger Sicht: maritime Verbundwirtschaft, Hafenwirtschaft, Biotechnologie, Tourismus, Gesundheitswirtschaft, Medizin- und Umwelttechnik, Holzwirtschaft, personen- und unternehmensnahe Dienstleistungen, Bildungswesen, moderne Informations- und Kommunikationstechnologien sowie regenerative Energien. Netzwerk- und Clusterbildung brauchen eine ökonomische und politische Basis sowie einige Jahre des Reifens, bevor die „Leuchttürme“ (Unternehmen, Branchen) genug Ausstrahlungskraft entwickeln, um auch das Umfeld zu befruchten. Mit der Schaffung von Clustern sollen die wirtschaftlichen Eigenkräfte einer Region gestärkt werden. Das Konzept der Cluster lässt sich wie folgt kennzeichnen: „Ein neuer und innovativer Ansatz in der Wirtschaftsförderung ist das Instrument der Bildung von Clustern. Mit Clustern wird der Versuch unternommen, in, für und zwischen bestimmten – vor allem, aber nicht nur tech-

136

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

nologieorientierten – Branchen, Schwerpunkte zu setzen. Das Konzept der Cluster ist in gewisser Weise die intelligente Weiterentwicklung des Ansatzes der Standortgemeinschaften. Cluster verweisen darüber hinaus noch auf zwei weitere konzeptionelle Ansätze: gemeint sind alle Arten von Netzwerken und die Bedeutung von Wertschöpfungszusammenhängen. Clusterbildung ist ein Instrument sowohl der Wirtschaftsförderung als auch der Strukturpolitik.“150 In enger Verbindung und als Ergänzung zum Konzept der Cluster sind die Kompetenz- und Innovationszentren zu sehen, die ebenfalls ein sehr wichtiges Instrument der Wirtschaftsförderung darstellen. Kompetenzzentren können in unterschiedlicher Organisationsform Gestalt annehmen und verschiedene Aufgaben wahrnehmen. Ein wesentliches Kennzeichen solcher Kompetenzzentren ist, dass sie die optimale Vernetzung zwischen den Unternehmen untereinander sowie den Akteuren einer Region anstreben und dies in enger Kooperation mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen geschieht.151 Es gibt kein klares Muster über die Rolle der Hochschulen im Rahmen des Wissenstransfers zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Welche Aufgaben sie im Innovationsprozess einer Region wahrnehmen, hängt maßgeblich von den Personen ab, die in einer Hochschule wirken.152 Die Hochschulen können in diesem Prozess insbesondere die Analyse-, Moderations- und Unterstützungsfunktion wahrnehmen.153 Das Innovationsmanagement sollte aber auch als wesentliche Aufgabe in den Unternehmen selbst gesehen werden.154 4.4.2

Firmenstruktur

Zur Beurteilung der Wirtschaftsstruktur eines Wirtschaftsstandorts und um mögliche Netzwerkpartner sowie Ansätze einer Branchenclusterbildung zu erkennen, können neben einer Tiefenanalysen der Branchenstruktur vor allem auch eine systematische Analyse von Firmen und die Erstellung von Unternehmenshitlisten sehr hilfreich sein. In der Regel handelt es sich allerdings bei den „offiziellen“ Veröffentlichungen (z.B. des Statistischen Landesamtes, des Wirtschaftsministeriums, der IHK, von Verbänden) eher um komprimierte 150 Reschl, Richard/Rogg, Walter: Kommunale Wirtschaftsförderung. Standortdialog und Standortentwicklung in Kommunen und Regionen, Sternenfels 2003, S. 62. 151 Vgl. Siebenhaar, Klaus (Hrsg.): Wissenschaft und Wirtschaft im Dialog. 2. Forum Hochschulmarketing der freien Universität Berlin, Wiesbaden 2008. 152 Vgl. Fritsch, Michael/Henning, Tobias/Slavtchev, Viktor/Steigenberger, Norbert: Hochschulen, Innovation, Region. Wissenstransfer im räumlichen Kontext, Berlin 2007. 153 Beispiel Fachhochschule Stralsund. Zum einen gibt es an der FH Stralsund die Informations- und Technologietransferstelle und zum anderen das regelmäßig stattfindende Lehrprojekt „STeP“ (Stralsunder Tagungen erfolgreicher Partnerschaften). Ferner werden Drittmittelprojekte umgesetzt (wie IWA und KURV), die den Fokus haben, als Kompetenzzentrum für Unternehmens- und Regionalentwicklung in Vorpommern zu wirken. Siehe unter www.step.fh-stralsund.de und www.zdrowomyslaw.fh-stralsund.de 154 Vgl. Hauschildt, Jürgen/Salomo, Sören; Innovationsmanagement, 4. Aufl., München 2007.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

137

und anonymisierte Daten, aus denen zwar gerade noch grob die Firmenstruktur (anteilig nach Rechtsform, Wirtschaftszweigen etc.) in einem Land bzw. für bestimmte Regionen ablesbar ist. Für tiefere Analysen und zur Ableitung möglicher Strategien für Unternehmen und regionale Akteursgruppen eignen sich diese Daten aber nur bedingt. Mit der systematischen Erfassung und Zusammenstellung von Unternehmens-Hitlisten, beispielsweise über die 100 größten Firmen bzw. Arbeitgeber einer mittelgroßen Stadt (z.B. Hansestadt Stralsund mit rund 59.000 Einwohnern), erhält der Analyst oder Entscheider gleich einen wesentlich konkreteren Einblick in die Firmen- und Branchenstruktur eines Wirtschaftsstandorts. Nicht nur für Kommunalpolitiker und Wirtschaftsförderer, sondern vor allem auch für kreative und innovative Unternehmer sowie potenzielle Investoren kann eine solche Liste von Nutzen sein. Was der Einzelne letztlich aus den Informationen für Erkenntnisse zieht, bleibt ihm überlassen. Um einen ersten Eindruck über Wertschöpfungsbereiche und sowie über mögliche Wertschöpfungspartnerschaften zu bekommen, sind Firmendarstellungen alle mal nützlich. Darstellung 43 weist die 30 größten Arbeitgeber der Hansestadt Stralsund und dem direkt angrenzenden Umland aus.155

155 Die Hitliste über die 65 größten Arbeitgeber ist im folgenden Zeitschriftenartikel nachlesbar. Zdrowomyslaw, Norbert/Bladt, Michael/Romek, Vogel: Vorpommern im Aufwind. Unsere Region als interessantes Forschungsobjekt von Studierenden erkannt, in: Zeitung am Strelasund vom 1. September 2008, S. 6.

138

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Darst. 43: Hitliste der 30 größten Arbeitgeber in Stralsund und Umland 2008 Firma/Institution 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30.

Marinetechnikschule (MTS) 1) Volkswerft Stralsund GmbH Hanse Klinikum Stralsund GmbH Deutsche Rentenversicherung Bund Stadtverwaltung Stralsund (Stadtwerke Stralsund GmbH) 2) Stralsunder Innovation Consult GmbH 3) Sparkasse Vorpommern 4) arvato direct services WFB Werkstatt für Behinderte Stralsund gGmbH Spiegelblank Glas- u. Gebäudereinigung GmbH 5) Nordmann Gastronomie Management GmbH (Standort Stralsund) Telegate (Call Center) Wohlfahrtseinrichtung der Hansestadt Stralsund GmbH Ärztegemeinschaft Frankenwall Fachhochschule Stralsund 6) Berufsförderungswerk Stralsund GmbH 7) Entwickl.- und Betriebsgesellschaft Hanse-Dom mbH & Co. KG 8) Ostseestaal GmbH Weiße Flotte GmbH Agentur für Arbeit Stralsund 9) Autohaus Boris Becker GmbH & Co. KG (Standort Stralsund) Mumme Personaldienstleistungen GmbH (Standort Stralsund) Theater Vorpommern GmbH (Standort Stralsund) CITTI Märkte GmbH & Co KG (Standort Stralsund) Pommersche Volksbank 5) Hestia Pflege- und Heimeinrichtung GmbH Allrein Unternehmensgruppe 5) AWO-Soziale Dienste Vorpommern gGmbH Textilpflege Stralsund GmbH & Co. KG SWSD Stralsunder Wach- und Sicherheitsdienst GmbH

Anzahl Beschäftigte 2.450 1.300 1.300 1.251 896 688 664 630 396 370 341 250 243 240 230 226 210 196 184 181 160 160 156 140 133 131 121 120 120 120

Branche Bundeswehr Maritime Wirtschaft: Schiffbau Dienstleistung: Gesundheit öffentlicher Sektor öffentlicher Sektor Beschäftigungsgesellschaft Dienstleistung: Banken und Vers. Dienstleistung: Call Center Dienstleistung: Soziales Dienstleistung Ernährung/Gastronomie Dienstleistung: Call Center öffentlicher Sektor Dienstleistung: Gesundheit öffentlicher Sektor öffentlicher Sektor Dienstleistung: Tourismus Metallverarbeitung Maritime Wirtschaft: Schifffahrt öffentlicher Sektor Handel: KFZ Dienstleistung: Personal Dienstleistung: Kultur Handel Dienstleistung: Banken und Vers. Dienstleistung: Gesundheit Dienstleistung Dienstleistung: Soziales Dienstleistung Dienstleistung: Sicherheit

Quellen: Angaben der Firmen und Institutionen und des Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur Stralsund. Anmerkungen: Stand 31.12.2007 bzw. aktuelle Angaben. Auswertung nach verfügbaren Daten ohne Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit. In der Regel Beschäftigungsangaben: Voll- und Zeitarbeitskräfte. Bei Gastronomie/Hotellerie: nur Festanstellungen ohne Saisonkräfte. Legende: 1) Ausbildung von ca. 1100 Soldaten in über 200 verschieden Lehrgängen vom Matrosen bis zum Stabsoffizier. Parallel dazu werden ca. 600 Rekruten aus ganz Deutschland für Ihre erste Verwendung in der Marine qualifiziert. Dafür stehen ihnen ca. 350 erfahrene Soldaten als Ausbilder und Ansprechpartner zur Seite. Weitere ca. 120 zivile Mitarbeiter tragen in unterschiedlichsten Funktionen zum Gelingen des Ausbildungsauftrages bei. 2) Zur Holdinggesellschaft (Konzern) Stadtwerke Stralsund GmbH gehören die Firmen SWS Energie GmbH, SWS Telnet GmbH, REWA- Regionale Wasser- und Abwassergesellschaft mbH, Nahverkehr Stralsund GmbH und die SWS Seehafen Stralsund GmbH. 3) Beschäftigungsgesellschaft: 187 Beschäftigte in ABM, 7 Beschäftigte in SAM, 31 sonstige geförderte Beschäftigte, 458 Ein-Euro-Jobber, 5 geringfügig Beschäftigte; 4) Davon 33 Auszubildende und 65 Beschäftigte am Standort Stralsund; 5) beinhalten die Beschäftigten auch an anderen Standorten. 6) 200 Festangestellte und 30 Projektmitarbeiter; 7) 195 Mitarbeiter BFW GmbH und 31 Mitarbeiter in der Integrationstochtergesellschaft; 8) einschließlich Ozeaneum; 9) ARGE Stralsund 98 MA (64 unbefristet + 34 befristet) und in der ARGE NVP 83 MA (68 unbefristet + 15 befristet).

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen 4.4.3

139

Besonderheiten von Regionen und Städten

Dass Länder, Regionen und Städte sich unterschiedlich entwickeln, ist nichts Neues. Es gibt arme und reiche Regionen sowie arme und reiche Menschen und attraktive oder weniger attraktive Dörfer oder Städte. Was macht aber eine Region, einen Wirtschaftsstandort oder eine Stadt attraktiv? Als Beispiel sei hier die Stadt Stralsund betrachtet, die Hanse-, Weltkulturerbe-, Hafen- und Hochschulstandort gleichermaßen ist. Wie bereits aufgezeigt, können nicht nur Produkte, sondern eben auch Regionen und Städte vermarktet werden. Hierbei bietet sich die Wettbewerbsstrategie der (Produkt-)Differenzierung nach Porter an. Bei dieser Strategie geht es darum, dass eine Stadt sich durch unverwechselbare Anbietereigenschaften auszeichnet und bei den „Kunden“ hohe Wertschätzung genießt, wobei in diesem Zusammenhang von einem Unique Selling Proposition (USP) gesprochen wird. Mit dem Blick auf Standorte und Regionen spricht man in diesem Zusammenhang Unique Local Proposition (ULP).156 Es ist also Ausschau nach „Produkten“ zu halten, die Eigenschaften (Besonderheiten) aufweisen, die es anderswo nicht zu haben bzw. zu sehen gibt. Was unterscheidet unsere Stadt von anderen? Was sind unsere Alleinstellungsmerkmale? Im konkreten Fall einer Stadt wie Stralsund reicht es aus, wenn z.B. Touristen oder Residenz suchende Senioren die Stadt als einzigartig, unverwechselbar oder besonders wahrnehmen und den Angeboten und Leistungen im Vergleich zu anderen Städten höherwertige Merkmale zuschreiben. Konzeptionelles Ziel ist demzufolge, Wettbewerbsvorteile zu erlangen durch eine geeignete USP-Strategie, also ein „Nutzenversprechen“ für bestimmte Zielgruppen zu transportieren. Die zur Bewerbung in Frage kommenden „Besonderheiten“ müssen dabei nicht zwingend der Stadt direkt zuzuordnen sein. Die Besonderheiten können sich auf die Natur, Gebäude, Persönlichkeiten oder andere Dinge und Leistungen beziehen. Was macht die Stadt Stralsund und deren Umfeld attraktiv? Im Folgenden seien einige Beispiele aufgelistet, die es wert sind im Rahmen der Entwicklung der Konzeption eines Stadtmarketings der Hansestadt Stralsund in einen Kompetenzwürfel (Kompetenzen, Zielgruppen und Ziele) aufgenommen zu werden. ÿ Einzigartige Landschaft mit Bodden- und Ostseeküsten prägt das Landschaftsbild um Stralsund; eine Region zum Wohlfühlen und zum Energie auftanken. ÿ Andernorts kaum vorkommende Tierarten (z.B. Kraniche, Störche, Fisch- und Seeadler). ÿ Tor zu Deutschlands größter Insel Rügen sowie der Dichter- und Künstler-Insel Hiddensee. 156 Vgl. Meyer, Jörn-Axel: Regionalmarketing. Grundlagen, Konzepte, Anwendung, München 1999, S. 117.

140

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

ÿ Die Rügenbrücke, längste Brücke Deutschlands als Verbindung zur Urlaubsinsel Rügen. ÿ Weltkulturerbe-Stadt mit besonderen Gebäuden und Attraktionen einer Hanse- und Hafenstadt. ÿ Meeresmuseum und Ozeaneum, die als Besuchermagnete bundesweit einzigartig sind. ÿ Eine der attraktivsten Städte Ostdeutschlands, maritim ausgerichtet und mit einem Wohlfühlerlebnis der Extraklasse. Bei der strategischen Vermarktung von „Besonderheiten“ sollte grundsätzlich nicht außer Acht gelassen werden, dass eine funktionierende Netzwerkregion in der Regel für alle Beteiligten einen Vorteil mit sich bringt. Wenn beispielsweise die Hansestadt Stralsund aufgrund seiner Attraktivität einen Investor gewinnt und prosperiert, profitiert letztlich auch das Umland vom Wachstum der Stadt und umgekehrt. Unabhängig von den im Rahmen einer Strategie eingesetzten Instrumente und Maßnahmen gilt der Marketinggrundsatz „Tue Gutes und rede darüber“. 4.4.4

Wirtschaftsstrukturkonzept – Grundlage des Standortmarketings

Die Kenntnis der Wirtschaftsstruktur bildet eine wesentliche Basis für die strategische Planung und die Organisation wirtschaftsfördernder Aktivitäten wie auch für das alltägliche unternehmerische Handeln. Außerdem stellt ein Wirtschaftsstrukturkonzept die empirisch-analytische Grundlage für ein systematisch angelegtes und qualifiziertes Standortmarketing dar. Aufbauend auf den sozio-ökonomischen Daten (z.B. Branchen- und Betriebsgrößenstruktur, Unternehmenslandschaft, Vernetzung regionaler Betriebe, materielle und personelle Infrastruktur) ist die Ist-Situation zu erfassen und unter Zugrundelegung der Leitbilder, Ziele und Strategien von Stadt und Region ein Zukunftsbild (Szenario) zu entwerfen. Wie sollen die Hansestadt Stralsund und die Region Vorpommern 2030 aufgestellt sein? Mit der Entwicklung eines nachhaltigen Wirtschaftsstrukturkonzepts werden das Fundament sowie wesentliche Eckpfeiler für eine stärker sachbezogene Kommunalpolitik gelegt. Allerdings sollte der Zeit- und Ressourcenaufwand für die Erstellung eines nachhaltigen Wirtschaftsstrukturkonzepts nicht unterschätzt werden, wie Darstellung 44 zeigt. Gleichzeitig existieren fundierte Informationen zur Wirtschaftsstruktur, die für das Standortmarketing herangezogen werden können und die Beantwortung von bestimmten Fragen etwas einfacher machen. Welche Projekte und Maßnahmen tragen zur Stärkung der ökonomischen und kulturellen Basis des Standorts bei? Welche potenziellen Investoren müssen vorrangig angesprochen werden?

141

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen Darst. 44: Mögliches Erstellungsmodell eines nachhaltigen Wirtschaftsstrukturkonzepts Planungsphasen Monate 1

3

2

4

1. Phase

5

6

7

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9

10 11

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21 22 ...

Festlegung von Zielen und der Organisation

Im Vorfeld 2. Phase 1.-3. Mon.

Recherchen zur Ausgangssituation

3. Phase

4. Phase

5. Phase

2.-6. Mon.

6.-8. Mon.

9.-18.Mon.

Kontaktaufnahme Ideenfindung und und Vernetzung der Zielsetzung für ein Mitwirkenden Wirtschaftskonzept Sammlung, Bündelung und Filterung von Informationen

Zwischenbilanz und Schwerpunkte für weiteres Vorgehen festlegen Aufbereitung der Informationen zur Erstellen eines Grobkonzeptes (sozioökonomische Daten und Standortfaktoren)

6. Phase

7. Phase

17.-20. Mon.

Ab 20. Mon.

Erstes Grobkonzept vorstellen und überarbeiten

Die festgelegten Maßnahmen vorbereiten und umsetzen

Konzept für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung der Stadt oder des Wirtschaftstandortes verabschieden

Quelle: Eigene Darstellung.

4.5

Regional-, Standort- und Stadtmarketing

Heute werden Regionen und Wirtschaftsstandorte als Unternehmen oder Produkte betrachtet, deren Identität und Wert aufgebaut und vermarktet werden müssen. Bekanntheit und Image einer Wirtschaftsregion entscheiden nicht unerheblich über den Erfolg von Standorten und Städten. Regionalmarketing mit den Teildisziplinen Kommunalmarketing (Konzentration auf öffentliche Institutionen), Standortmarketing (Konzentration auf die Investoren als Zielgruppe) und Stadtmarketing (Konzentration auf Stadt und Innenstadt) hat in der praktizierenden Wirtschaftspolitik Hochkonjunktur.157 Denn ein Standort, der es versäumt, sich erfolgreich im Wettbewerb zu platzieren, riskiert wirtschaftliche Stagnation oder gar den Niedergang. Vor diesem Hintergrund ist beispielsweise klar, dass die Entwicklung der Städte, nicht nur der großstädtischen Agglomerationen, Gegenstand der Forschung wurde.158 Hat beispielsweise eine Stadt günstige Standortfaktoren, können diese zur Dynamik des 157 Vgl. Meyer, Jörn-Axel: Regionalmarketing. Grundlagen, Konzepte, Anwendung, München 1999, S. 21. 158 Vgl. Krätke, Stefan: Stadt, Raum, Ökonomie. Einführung in aktuelle Problemfelder der Stadtökonomie und Wirtschaftsgeographie, Basel/Boston/Berlin 1995.

142

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Wachstums beitragen. Verliert der Standort an Attraktivität, so werden Kräfte freigesetzt, die recht schnell zum Verfall einer Stadt führen können. Darstellung 45 verdeutlicht die „Dynamik des Wachstums“ und die „Dynamik des Verfalls“. Darst. 45: Wachstums- und Verfallsdynamik einer Stadt Dynamik des Zerfalls

Dynamik des Wachstums Der Standort ist attraktiv

Der Standort verliert an Attraktivität

1. Ansiedlung neuer Industrie- und Dienstleistungsbranchen 2. großes Angebot an Arbeitsplätzen 3. attraktive Lebensqualität

1. 2. 3. 4. 5.

Zustrom von Neueinwohnern und Besuchern

Zustrom von neuen Betrieben und Investoren

Große Betriebe stagnieren oder wandern ab. Die wirtschaftliche Rezession macht sich bemerkbar. Die Arbeitslosigkeit steigt. Die Infrastruktur bricht zusammen. Das Haushaltsdefizit der Stadt wächst.

Abwandern der Einwohner

Tourismus und Tagungsgeschäft ziehen sich zurück

Abwanderung der Betriebe

steigende Immobilienpreise, belastete Infrastruktur, steigender sozialer Bedarf

Die Banken verschärfen ihre Kreditpolitik, steigende Konkurse, steigende Kriminalität, steigender sozialer Bedarf. Die Stadt verliert an Ansehen.

Erhöhte Steuereinnahmen

Die Regierung erhöht die Steuern.

Quelle: Nach Kotler, Philip/Haider, Donald/Rein, Irving: Standort-Marketing. Wie Städte, Regionen und Länder gezielt Investitionen, Industrien und Tourismus anziehen, Düsseldorf u.a. 1994, S. 18 u. 21.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts steht die „kommunale Landschaft“ der Städte, Gemeinden und Landkreise vor großen Herausforderungen. Wer Regionen, Wirtschaftsstandorte oder Städte aktiv gestalten will, muss sich mit dem Aspekt des „Marketings“ näher beschäftigen. Zusätzlich zur Public-MarketingLiteratur159 gibt es mittlerweile zahlreiche Bücher und Artikel, die das Regio-

159 Vgl. Zum Marketing grundsätzlich, zum Public Marketing und Marketing für Nonprofit-Organisationen siehe u.a. Becker, Jochen: Marketing-Konzeption. Grundlagen des ziel-strategischen und operativen Marketing-Managements, 8. Aufl., München 2006; Bruhn, Manfred: Marketing für Nonprofit-Organisationen. Grundlagen – Konzepte – Instrumente, Stuttgart 2005; Hohn, Stefanie: Public Marketing. Marketing-Management für den öffentlichen Sektor, 2. Aufl., Wiesbaden 2008; Kotler, Philip/Keller, Kevin Lane/Bliemel, Friedhelm: Marketing-Management. Strategien für wertschaffendes Handeln, 12. Aufl., München u.a. 2007.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

143

nal-, Standort- und Stadtmarketing zum Thema haben.160 Kommunales Marketing bzw. Marketing in der Wirtschaftsförderung ist dabei als ein Instrument zur Standortwerbung und Öffentlichkeitsarbeit nach innen und außen zu sehen. Kein Standort ist gleich, und es gibt keine einfachen Allheilmittel oder Patentrezepte für die Entwicklung von Städten oder Regionen. Konzeptionelles Vorgehen ist zwar auch keine Garantie für einen Erfolg, aber die Wahrscheinlichkeit steigt, Lösungsansätze für Standortprobleme zu generieren. Strategisches Marketing für Standorte verlangt eine Planung, die dafür Sorge trägt, mit deren Umsetzung die Bedürfnisse der Bevölkerung und bestimmter Zielgruppen befriedigt werden, wie folgendes Zitat verdeutlicht: „Das Schicksal eines Standortes hängt letztlich von der Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor ab – Teamarbeit der Regierungseinheiten, Wirtschaftsunternehmen, privater und staatlicher Verbände und Marketingorganisationen. Im Gegensatz zum rein kommerziellen oder Produktmarketing erfordert das Standort-Marketing die aktive Unterstützung privater und öffentlicher Institutionen, Interessenverbände und Bürger. Das Potenzial eines Standortes wird weniger durch seine geographische Lage, sein Klima oder seine natürlichen Ressourcen bestimmt als durch menschlichen Willen, Fähigkeiten, Energien, Werte und Organisationen. Damit ein Standort erfolgreich wird, muss er die folgenden fundamentalen Aufgaben erfüllen: 1. analysieren, was im breiteren Umfeld geschieht; 2. die Bedürfnisse, Wünsche und das Verhalten seiner Zielgruppen verstehen; 3. eine realistische Zukunftsvision des Standortes entwerfen; 4. einen Handlungsplan erarbeiten, der diese Visionen realisiert; 5. in jeder Phase den bereits erzielten Fortschritt auswerten.“161 Die Erkenntnis, wir müssen etwas für unseren Standort tun, reicht nicht aus. Mehr oder weniger „blinder“ Aktionismus sollte vermieden werden. Marketingstrategien und Marketingmaßnahmen sind systematisch zu entwickeln. Darstellung 46 zeigt die Bausteine des Regionalmarketings. Regionalmarketing sollte dabei jedoch nicht als einmaliger, sondern kontinuierlicher Prozess aufgefasst werden, der durch ein Monitoring (laufende Beobachtung) zu stützen ist und deren Resultate einer regelmäßigen Überprüfung zu unter160 Vgl. Balderjahn, Ingo: Marketing für Regionen. Ein Konzept für die neuen Bundesländer? Vortragsreihe Nr. 5, Universität Potsdam 1995; Birk, Florian/Grabow, Busso/Hollbach-Gröming, B. (Hrsg.): Difu-Beiträge zur Stadtforschung. Stadtmarketing – Status quo und Perspektiven, Berlin 2006; Funke, Ursula: Vom Stadtmarketing zur Stadtkonzeption, 2. Aufl., Stuttgart 1997; Hochstadt, Stefan: Stadtentwicklung mit Stadtmanagement, Wiesbaden, 2005; Jourdan, Rudolf: Professionelles Marketing für Stadt, Gemeinde und Landkreis, Sternenfels 2004; Mauer, Urban: Erfolgsfaktoren des Stadtmarketing, Frankfurt am Main 2003; Wiechula, Angela: Stadtmarketing im Kontext eines Public Management. Kundenorientierung in der kommunalen Leistungserbringung, dargestellt am Beispiel der Stadt Potsdam, Stuttgart 2000; Simon, M: Kommunales Marketing: Theoretische Einordnung und praktische Umsetzungsmöglichkeiten, dargestellt am Beispiel der Stadt Augsburg, Augsburg 1995. 161 Kotler, Philip/Haider, Donald/Rein, Irving: Standort-Marketing. Wie Städte, Regionen und Länder gezielt Investitionen, Industrien und Tourismus anziehen, Düsseldorf u.a. 1994, S. 36.

144

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

ziehen sind.162 Die Einbeziehung von Experten (ggf. auch von Beratern) und die wissenschaftliche Begleitung eines solchen Prozesses können zur Entstehung und Etablierung eines tragfähigen Marketingkonzepts beitragen.

162 Vgl. Meyer, Jörn-Axel/Dallmann, Nicolas (Hrsg.): Erfolgskontrolle im Standort- und Regionalmarketing. Nutzen für den Mittelstand? Reader zur Tagung in Berlin am 08. April 2005.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

145

Darst. 46: Bausteine des Regionalmarketings Anschubphase

Konzept

- Aktivierung von Interessengruppen - Landratsbeschluss, Stadtratbeschluss - Verständigung über die Mitglieder der Arbeitsgruppe und ggf. Fragebogen der Imageanalyse

Situationsanalyse Umfeldanalyse

Standortanalyse

- Gesamtwirtschaftliche Entwicklungen - Zielgruppen (Touristen, Investoren, Hersteller, Unternehmenssitze neue Bewohner, Exporteure) - Wettbewerber

-

Strukturanalyse/Standortbeurteilung Aktivitätenrevision Servicequalität Image

Konkretisierung

Ist-Profil/SWOT-Analyse (Stärken/Schwächen, Chancen/Gefahren)

Zieldefinition - Leitbild für die zukünftige Regionalpolitik (Visionen und strategische Ziele) - Marketingziele - Marketingfaktoren (Infrastruktur, Menschen, Image & Lebensqualität und Attraktionen)

Strategieentwicklung - Zielgruppenauswahl - Positionierung im Standortwettbewerb - Handlungsfelder des Regional-, Standort- und Stadtmarketings

Realisierung

Projektkatalog -

Wirtschaftsförderung Tourismus Bildung Kultur etc.

Umsetzung - Aktivitäts- und Zeitplanung - Finanzplanung, Ressourcenplanung - personelle Verantwortlichkeiten

Controlling -

Monitoring Erfolgskontrolle (Projektfortschritt, Zielerreichung) Follow-up (Ergebnisse, Konsequenzen) Abweichungsanalyse

Quelle: Modifiziert nach Bertram, Michael: Marketing für Städte und Regionen – Modeerscheinung oder Schlüssel zur dauerhaften Entwicklung, in: Beyer, Rolf/ Kuron, Irene (Hrsg.): Stadt- und Regionalmarketing – Irrweg oder Stein der Weisen? Material zur angewandten Geographie Band 29, Bonn 1995, S. 32.

146

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Als Beispiel für eine enge Zusammenarbeit und einen vorhandenen Informations- und Wissenstransfer zwischen Hochschule, Verwaltung und Wirtschaft sei hier exemplarisch die Hansestadt Stralsund angeführt. Zum einen gibt es an der Fachhochschule Stralsund die Technologie- und Informationstransferstelle (TIT) und zum anderen werden im Rahmen des Lehrprojekts Stralsunder Tagungen erfolgreicher Partnerschaften – kurz STeP genannt – von den Wirtschaftsprofessoren Heiko Auerbach und Norbert Zdrowomyslaw geleiteten Dachprojekts, unterstützt durch Mitarbeiter von TIT, regelmäßig relevante Themenfelder der Regionalwirtschaft von Studierenden in Kooperation mit Akteuren der Region wissenschaftlich bearbeitet. An diesen Veranstaltungen nehmen Studierende, Vertreter der Stralsunder Mittelstandsvereinigung e.V. und Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing der Hansestadt Stralsund teil.163 Das Thema des im Wintersemester 2008 und Sommersemester 2009 laufenden STeP-Lehrprojekts ist: Entwicklung eines Rahmenkonzepts für das Stadtmarketing der Hansestadt Stralsund. Zum Stand des Stadtmarketings und deren konzeptionelle Entwicklung folgendes Zitat einen ersten Eindruck vermittelt. „Unter wissenschaftlicher Begleitung des Marketingexperten Heiko Auerbach und durch den Input der im Projekt mitwirkenden Vertreter des SMV (Stralsunder Mittelstandsvereinigung, d. V.) und der Wirtschaftsförderung sollen die Studierenden ein tragfähiges Rahmenkonzept für das Stadtmarketing der Hansestadt entwickeln. Die Einflussfaktoren der Wettbewerbsfähigkeit von Regionen, Standorten und Städten sind bekanntlich vielfältig. Die Zukunft eines Wirtschaftsstandorts hängt nicht von einem einzigen Faktor ab. Marketingaktivitäten hat es im kommunalen Bereich schon immer gegeben, doch waren sie in der Vergangenheit nicht immer aufeinander abgestimmt. Akteure der Stadt und Region sind sich darüber einig, dass eine Stadtkonzeption allen Anspruchsgruppen von Nutzen sein kann. Eine Stadtkonzeption umfasst alle wesentlichen Aspekte einer Stadt: ihre Einbindung in die Region und das Gesellschaftssystem, ihre politischen Entscheidungen, ihre Vision für die Zukunft, ihre Ziele, Strategien und Maßnahmen für die einzelnen Aktivitätenfelder. Mittlerweile existiert zwar für die Hansestadt Stralsund eine Leitbild-Broschüre, aber eine systematisch-angelegte Situationsanalyse der Stadt und der Umweltbedingungen als Grundlage für ein Standmarketing-Konzept steht noch aus. Welche Rahmenbedingungen, Standortfaktoren, Besonderheiten, Zielgruppen usw. es zu erfassen und zu analysieren gilt, wird vom Team der Studierenden aufbereitet. Das Stadtmarketing als wichtiger Teil einer Stadtkonzeption ist ein permanenter, gemeinsamer, offener Lernprozess und eine wichtige Investition in die Zukunft einer Region. Offensichtlich ist, dass beispielsweise das Meeresmuseum mit dem Ozeaneum geeignete Vermarktungsobjekte der Hansestadt Stralsund sind. Gleichermaßen ist aber auch zu 163 Weitere Informationen siehe www.step.fh-stralsund.de sowie www.zdrowomyslaw.fh-stralsund.de

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

147

untersuchen, in welchem Maße die Rügenbrücke oder der Ostseeflughafen Stralsund-Barth als wichtige Infrastrukturobjekte die Vermarktung von Stralsund und der Region Vorpommern unterstützen können. Das übergeordnete Ziel eines Regionalmarketings ist, die Leistungsangebote der Städte mit den Leistungsangeboten der Landkreise in Vorpommern besser am Bedarf der diversen Zielgruppen auszurichten, die knapper werdenden Ressourcen effizienter einzusetzen und die Bürger und sonstigen Akteure der Region stärker am gesamten Prozess zu beteiligen.“164 Die eine Seite der Medaille ist die Entwicklung von Konzepten und die andere deren Umsetzung. Wer organisiert und gestaltet letztlich die Marketing-Aktivitäten? Regional-, Standort- und Stadtmarketing sind zwar als eine Gemeinschaftsaufgabe der Akteursgruppen zu begreifen, die zentrale Koordinationsfunktion sollte aber maßgeblich der kommunalen Wirtschaftsförderung obliegen.

5.

Wirtschaftsförderung

Wie bei vielen Begriffen handelt es sich auch bei der „Wirtschaftsförderung“ um ein schillerndes Wort mit zahlreichen Facetten und kann sowohl institutionell, personell als auch aufgabenorientiert betrachtet werden. Welche Rolle Wirtschaftsfördereinrichtungen für eine Regionalentwicklung haben, soll im Folgenden näher betrachtet werden.

5.1

Begriff und Zielorientierung

Wie der Begriff der Wirtschaftsförderung schon zum Ausdruck bringt, umfasst sie mehr als nur die Unternehmensförderung. Allgemein kann eine regionale und kommunale Wirtschaftsförderung als Instrument der regionalen und sektoralen Strukturpolitik aufgefasst werden.165 Eine regionale und kommunale Wirtschaftsförderung ist der nachhaltigen Entwicklung einer Region und ihren Anspruchsgruppen verpflichtet. Sie muss dem Anspruch der Versorgungssicherheit und ökologischen Verträglichkeit unter Berücksichtigung 164 Zdrowomyslaw, Norbert/Bladt, Michael: Marketing-Know-how für Region und Stadt. Erfolgsfaktor Kommunikation zwischen Wissenschaft und Wirtschaftspraxis, in: Vorpommern-Magazin 11/2008, S. 30. 165 Die Organisation der Wirtschaftsförderung geht in die Richtung „Regionalisierung der Struktur- und Regionalpolitik“. In der praktizierenden Strukturpolitik hat dabei Nordrhein-Westfalen mit der im Jahre 1987 ins Leben gerufenen „Zukunftsinitiative für die Montan-Region“ (ZIM) und mit ihrer Nachfolgerin, der „Zukunftsinitiative für die Region Nordrhein-Westfalens“ (ZIN) von 1989, in Deutschland eine Vorreiterrolle übernommen. Vgl. Waniek, Roland W.: Organisation der Wirtschaftsförderung. Regionalisierung der Strukturpolitik – Erfahrungen aus der „Zukunftsinitiative für die Regionen Nordrhein-Westfalens“ (ZIN), in: Ridinger, Rudolf/Steinröx, Manfred (Hrsg.): Regionale Wirtschaftsförderung in der Praxis, Köln 1995, S. 178-200.

148

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

einer volks- und nicht nur betriebswirtschaftlichen Rationalität Rechnung tragen. Bei allen Bemühungen und Tendenzen auch die kommunalen Verwaltungen als „Dienstleistungsunternehmen“ oder als Bestandteil des „Konzerns Stadt“ zu begreifen und dort wirtschaftliches Denken stärker zu etablieren, darf nicht verkannt werden, dass entsprechende wirtschaftsfördernde Einrichtungen vor allem auch dem Gemeinwohl verpflichtet sind.166 Mit kommunaler Wirtschaftsförderung ist der Bereich der Wirtschaftsförderung angesprochen, der – unabhängig von der jeweiligen Rechtsform – auf der Ebene der Städte, Gemeinden oder Landkreise angesiedelt ist. Als zentrale Aufgabe bzw. allgemeiner Leitsatz für die kommunale Wirtschaftsförderung kann formuliert werden: Die kommunalen und regionalen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliches Handeln sind so zu beeinflussen, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Menschen in einer Kommune oder Region sich positiv entwickeln können. Wird dieser Leitsatz konkretisiert, so ergeben sich nach Reschl und Rogg vor allem vier Zielsetzungen für die kommunale Wirtschaftsförderung. Sie soll dazu beitragen ÿ die vorhandenen Arbeitsplätz zu sichern und – wenn möglich – neue zu schaffen, ÿ die Finanzkraft der Kommunen zu stärken, ÿ die ansässigen Unternehmen durch konsequente Bestandspflege krisenfester zu machen ÿ und den kommunalen bzw. regionalen Standort im Wettbewerb der Regionen zu stärken.167 Bereits aus dieser Auflistung wird erkennbar, dass die meisten Kommunen diesen Aufgaben nur noch bedingt gewachsen sind. Heute sind interkommunale Abstimmungen und regionale Kooperationen gefragt, will man den Herausforderungen des Strukturwandels trotzen und die vielfältigen Aufgaben in einer Kommune bewältigen. Wie sich der Wandel von der „traditionellen“ zur „modernen“ Wirtschaftsförderung vollzogen hat, soll im Folgenden skizziert werden.

166 Gegenüber privaten Unternehmen sind drei unterschiedliche Sachverhalte hervorzuheben, nämlich Behördenfunktion, Politische Steuerung und Gemeinwohlorientierung. Letztere kann wie folgt charakterisiert werden: „Für Kommunen ’reicht es nicht aus, Leistungen zu erzeugen, sondern (sie müssen) Wirkungen im Sinne des Gemeinwohls erzielen. Die Kommune als politisches Gemeinwesen ist ihren Einwohnern für die Durchsetzung öffentlicher Zwecke verantwortlich: Interessenausgleich, gerechter Zugang zu bestimmten Grundleistungen, Schutz der Schwachen, gesunde Lebensbedingungen‘ sind dafür Schlagworte.“ Reschl, Richard/Rogg, Walter: Kommunale Wirtschaftsförderung. Standortdialog und Standortentwicklung in Kommunen und Regionen, Sternenfels 2003, S. 41. 167 Vgl. Reschl, Richard/Rogg, Walter: Kommunale Wirtschaftsförderung. Standortdialog und Standortentwicklung in Kommunen und Regionen, Sternenfels 2003, S. 10.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

5.2

149

Entwicklungsphasen

Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bis heute hat sich die Wirtschaftsförderung in ihren Aufgaben stark verändert. Der Wandel vollzog sich vom Aufbau einer kommunalen Selbstverwaltung, über die Bereitstellung von Gewerbeflächen und wirtschaftsnaher Infrastruktur bis hin zur systematischen Etablierung und Professionalisierung. In zeitlicher Abfolge lassen sich nach Reschl und Rogg anhand der bundesrepublikanischen Entwicklung folgende Phasen unterscheiden: ÿ 1950 bis Ende der 1960er Jahre: Aufbau von kommunalen Selbstverwaltungen mit Aufgaben wie Aufräumarbeiten in den kriegsbeschädigten Städten, Unterbringung von Flüchtlingen, Reparaturarbeiten an Wohn- und Industriegebäuden. ÿ In den 70er Jahren: Wirtschaftskrisen mit massiven Strukturumbrüchen (z.B. im Ruhrgebiet) brachten die Kommunen dazu, Wirtschaftsförderung als eigenständige Aufgabe zu begreifen. Neben der Gewerbeflächenpolitik wird nun auch die Bestandspflege bereits ansässiger Unternehmen als Aufgabe gesehen. ÿ In den 1980er Jahren: Nicht nur krisengebeutelte Regionen, sondern auch die Großstädte und größeren Kreisstädte etablieren systematisch eine Wirtschaftsförderung. ÿ Ab den 1990er Jahren: Systematischer Ausbau der Wirtschaftsförderung und Professionalisierung. Zum Teil erfolgt der Auf- und Ausbau auf Basis von Gutachten (z.B. Gutachten der KGSt mit dem Titel „Organisation der Wirtschaftsförderung des Jahres 1990). Kommunale Wirtschaftsförderer sind heute auf der Ebene der Städte, Gemeinden und Landkreise tätig. Regionale Wirtschaftsförderer, die auf der übergeordneten Ebene der Region wirksam werden, gehören inzwischen zur Selbstverständlichkeit. Bei den wirtschaftsfördernden Einrichtungen im kommunalen und regionalen Bereich handelt es sich inzwischen um ein weitgehend professionalisiertes, d.h. auch mit eigenem Personal ausgestattetes Arbeitsfeld. Vielerorts wird die Wirtschaftsförderung zur „Chefsache“ erklärt.168 Auch wenn die Tätigkeitsfelder sich erweitert haben, bleibt die Wirtschaftsförderung im Kern eine öffentliche Aufgabe.169 168 Beispielsweise warben alle Kandidaten, die sich im Mai 2008 zur Oberbürgermeisterwahl in der Hansestadt Stralsund stellten, mit der Aussage, dass sie die Wirtschaftsförderung als eine zentrale Aufgabe betrachten, um die Stadt voranzubringen. Auch der CDU-Kandidat für den Landratsposten in Nordvorpommern, Ralf Drescher, betonte in seinem Wahlkampf 2008 die Wirtschaftsförderung und erklärte sie zur „Chefsache“. Als neu gewählter Landrat kann er seine Vorstellungen in die Tat umsetzen. Gleiches gilt für den in 2008 neu gewählten Oberbürgermeister Dr. Alexander Badrow. 169 Vgl. Reschl, Richard/Rogg, Walter: Kommunale Wirtschaftsförderung. Standortdialog und Standortentwicklung in Kommunen und Regionen, Sternenfels 2003, S. 11-16.

150

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

5.3

Moderne Wirtschaftsförderung – Professionalisierung und Aufgabenerweiterung

Die Historie sowie empirische Daten legen den Schluss nahe, dass eine moderne örtliche oder regionale Wirtschaftsförderung heute in der Mehrzahl der Fälle darin bestehen muss, den Unternehmensbestand zu pflegen und zu entwickeln, d.h. seine Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Reschl und Rogg bringen den Wandel der traditionellen Wirtschaftsförderung zur integrierten Standortpolitik auf folgende plastische Aussage: „Am griffigsten kann man diese neue Ausrichtung der Wirtschaftsförderung mit dem Begriff ’Standortdialog und Standortentwicklung‘ charakterisieren.“170 Die „moderne“ Wirtschaftsförderung in einem dynamischen Umfeld, wie Darstellung 47 verdeutlicht, beschränkt sich nicht auf die Ansiedlungsanwerbung und Flächenbereitstellung. Zwar gilt es im Rahmen einer kommunalen und regionalen Wirtschaftsförderung die lokalen und standortspezifischen Faktoren zu berücksichtigen, aber es lassen sich durchaus übergeordnete gemeinsame Perspektiven ausmachen und neue Aufgabenfelder auflisten, die Wirtschaftsförderungen kennzeichnen können. Hierzu sind u.a. die Relevanz der Branchenpflege und -entwicklung (Clusterbildung) sowie Unternehmensbestandspflege, ausreichendes Engagement im Bereich der Existenzgründungen, die Verbesserung der Standortqualität (Vermarktung von harten und weichen Standortfaktoren) und die Initiierung von Kooperationen als zentrale Strategie und Schaffung von Netzwerken, um alle Akteuren in einen Innovationsprozess einzubinden. Unter stärkerer Beachtung von Trends in der Umwelt und von Entwicklungen auf der europäischen Ebene kommt den Wirtschaftsförderern heute eine aktive Rolle im Prozess der Regional-, Standort-, Stadt-, Branchen- und Unternehmensentwicklung sowie im Rahmen der Mittelstandsförderung und „Entwicklung des Humanpotenzials“ zu.171

170 Reschl, Richard/Rogg, Walter: Kommunale Wirtschaftsförderung. Standortdialog und Standortentwicklung in Kommunen und Regionen, Sternenfels 2003, S. 16. 171 Vgl. Beyer, Joachim: Kommunale Wirtschaftsförderung zwischen Neuansiedlung und Bestandsentwicklung, in: Kost, Horst (Hrsg.): Wir retten was zu retten ist. Arbeitsplatzerhalt durch Belegschaftsinitiativen, Marburg 2004, S. 21-43.

151

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen Darst. 47: Wirtschaftsförderung in einem dynamischen Umfeld traditionell

Wirtschaftsförderung

Ansiedlungsanwerbung

Schaffung einer systematischen Informationsbasis

Existenzgründung

Abbau regionaler Disparitäten/lokaler Ökonomien

innovative Milieus

Bestandspflege eigenständiges Kompetenzprofil Flächenbereitstellung/ -entwicklung

modern

Flächenrecycling Standortqualität/ -marketing

Innovations- und Technologiepolitik Cluster, lokale Netzwerke, Kooperationen… Unterstützung der Entwicklung des Humanpotenzials

Verbesserung (weicher) Standortfaktoren

Quelle: Modifiziert nach Kost, Klaus: Belegschaften als Frühwarnsysteme, in: Kost, Klaus (Hrsg.): Wir retten, was zu retten ist. Arbeitsplatzerhalt durch Belegschaftsinitiativen, Marburg 2004, S. 76.

5.4

Konzeptionelle Ausrichtung und Management der Wirtschaftsförderung

In der Wirtschaftspraxis ist gelegentlich eine gewisse Abneigung gegenüber der Wissenschaft auszumachen. Vielfach – zumindest scheint es so – setzen Unternehmer auf ihre Intuition und halten offensichtlich nur bedingt etwas von theoretischen Erkenntnissen und wissenschaftlichen Empfehlungen. Auch in der Praxis der Wirtschaftsförderung bekommt man als externer Beobachter den Eindruck, dass oftmals aktionistisch vorgegangen wird, nach der Devise: Man muss nur wollen, dann geht es auch. Also wird vielfach situations- und erfahrungsmäßig gehandelt, ohne ausreichende konzeptionelle Grundlagen für die Wirtschaftsförderung als echte Dienstleistungsstelle erarbeitet zu haben. Bei der Konzeption der regionalen und kommunalen Wirtschaftsförderung172 sollten die rechtlichen Grundlagen (z.B. Bundesbaugesetz, Raumordnungsgesetz, Europäisches Wettbewerbsrecht) sowie die Erfassung und Analyse des Umfeldes und der Akteure nicht fehlen. Den Kern jeder Wirtschaftsförderung bildet jedoch die Schaffung einer systematischen Daten172 Zur Organisations- und Rechtsform sowie zur Ausrichtung der Wirtschaftsförderung siehe Reschl, Richard/Rogg, Walter: Kommunale Wirtschaftsförderung. Standortdialog und Standortentwicklung in Kommunen und Regionen, Sternenfels 2003, S. 23-43.

152

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

und Informationsbasis. Nur mit gut aufbereiteten Informationen kann eine Wirtschaftsfördereinrichtung zielgruppenorientiert sowie effektiv und effizient ihre Arbeit verrichten. Jegliches Konzept – dies gilt auch für das Funktionieren einer Wirtschaftsfördereinrichtung – benötigt für die Umsetzung entsprechende Ressourcen; vor allem Finanzen, Personal und Zeit. Bei der Gründung und Etablierung kann grundsätzlich zwischen Ämterlösungen und privatrechtlichen Organisationsformen unterschieden werden. Es gibt zahlreiche Varianten der Organisationsformen der (kommunalen) Wirtschaftsförderung. Patentrezepte liegen nicht vor. Über die Frage der Organisations- und Rechtsform – eigenes Amt oder GmbH – kann lange und ideologisch diskutiert werden. Darstellung 48 zeigt die spezifischen Vorteile der Ämterlösung und der „ausgelagerten“ Lösung. Viel entscheidender ist, dass diese Einrichtung – ob alleine oder in Kooperation mit anderen wirtschaftsfördernden Einrichtungen – das breite Aufgabenfeld der Regional- und Wirtschaftsförderung wahrnehmen kann und die Nähe gegenüber der kommunalen Politik gewährleistet ist. Darst. 48: Vorteile unterschiedlicher Organisationsformen der kommunalen Wirtschaftsförderung verwaltungsintern als Amt ■ gute Einbindung in verwaltungsinterne Abläufe ■ leichte Kommunikation mit anderen Ämtern ■ starker Einfluss bei Wahrnehmung der Interessen der Wirtschaft innerhalb der Gemeindeverwaltung

ausgelagert auf eine Gesellschaft ■ stärkere Akzeptanz bei den Unternehmen ■ höhere Flexibilität bei Entscheidungen und Personalplanung ■ leichtere Einbeziehung Dritter in Planungs- und Entscheidungsprozesse Zusätzlich bei Public-Private-Partnership ■ Erweiterung der finanziellen Basis ■ besserer Informationsfluss von Seiten der Unternehmen in Richtung auf die Wirtschaftsförderung ■ höhere Kompetenz bei Entscheidungen ■ noch stärkere Akzeptanz der Entscheidungen der Wirtschaftsförderung in den Unternehmen

Quelle: Eckey, Hans-Friedrich: Regionalökonomie, Wiesbaden 2008, S. 261.

Egal welche Organisations- oder Rechtsform gewählt werden, darf der Stellenbedarf im Rahmen der kommunalen und regionalen Wirtschaftsförderung

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

153

nicht unterschätzt werden. In der Regel ist die Ausstattung mit Personal heftig umstritten. Ein „Einzelkämpfer“ als Wirtschaftsförderer steht letztlich auf verlorenem Posten und kann mittel- und langfristig wenig bewegen. Allein die Wirtschaftsförderung zur „Chefsache“ zu erklären, reicht nicht aus. Um die bereits erwähnten vielfältigen Aufgaben qualifiziert sowie ziel- und empfängerorientiert zu bewältigen, ist die Wirtschaftsförderung auf professionelles Management angewiesen. Neben unterschiedlichem spezifischen Fachund Methodenwissen sind von den Mitarbeitern zunehmend soziale und kommunikative Fähigkeiten (z.B. Moderationsfunktion) gefragt. Vor allem stellt die Wirtschaftsförderung heute eine wissensbasierte Dienstleistung dar, so dass das Wissensmanagement (Grundlagen-, Fakten-, Akteurs- und Erfahrungswissen) einen unverzichtbaren Bestandteil jeder Konzeption einer Wirtschaftsfördereinrichtung sein sollte. Die neuen Aufgabenfelder und die Rolle der wirtschaftsfördernden Einrichtungen – Initiator, Unterstützer und Moderator zu sein – setzen auch beim Wirtschaftsförderer spezifisches Wissen und Fähigkeiten voraus, wie das „Anforderungsprofil“ in Darstellung 49 zeigt. Die Ausbildung oder das Berufsbild „Wirtschaftsförderer“ gibt es nicht. In solchen Einrichtungen sind heute Menschen mit ganz unterschiedlicher Ausbildung tätig, wie Volks- und Betriebswirte, Verwaltungsfachleute, Geographen oder Sozialwissenschaftler. Wie den bisherigen Ausführungen und der Darstellung „Anforderungsprofil“ für Wirtschaftsförderer zu entnehmen ist, sind in der Wirtschaftsförderung eher Generalisten als Spezialisten gefordert und auch anzutreffen. In der Praxis der Etablierung und Professionalisierung einer Wirtschaftsförderung sollte jedoch weniger darauf geschaut werden, dass eine Person alle Anforderungen auf sich vereint. Vielmehr sind organisatorische Ansätze zu schaffen, die die Teamfähigkeit und die Projekt- sowie kooperative Lösungskompetenz erhöhen können, damit die Ergebnisse und Erfolge der Wirtschaftsförderungseinrichtung hohe Akzeptanz bei den Akteursgruppen erfahren.

154

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Darst. 49: Anforderungsprofil – Wirtschaftsförderer





¶ ¶

¶ ¶

Quelle: Reschl, Richard/Rogg, Walter: Kommunale Wirtschaftsförderung. Standortdialog und Standortentwicklung in Kommunen und Regionen, Sternenfels 2003, S. 27.

Der Wirtschaftsförderer kann nicht – und sollte auch nicht – für alle Bereiche Spezialwissen mitbringen. Er sollte vielmehr ein prozessorientiertes Überblickswissen haben und die Fähigkeit besitzen, Probleme und Interessen zu erkennen, Lösungsvorschläge zu generieren und Veränderungsstrategien zu initiieren und zu moderieren. Vor allem muss er in der Lage sein, mit Innovationszentren aller Art (Gewerbezentrum, Gründerzentrum, Technologiezentrum, Forschungspark), den Hochschulen, der Industrie- und Handelskammer, den Verbänden, den Gewerkschaften und sonstigen relevanten Akteursgruppen zu kommunizieren und für den notwendigen Wissenstransfer zu sorgen. Man könnte auch sagen, im Rahmen der praktizierenden Wirtschaftsförderung sind zusehends die Aspekte Kooperationsbereitschaft und Netzwerkkompetenz gefragt. Für die meisten Kommunen ist heute insbesondere auch die interkommunale Zusammenarbeit ein zentrales Thema. Für die Wirtschaftsförderung können folgende relevante Formen von Kooperationen (freiwillige, selbstbestimmte Partnerschaften) unterschieden werden: ÿ Kooperationen zwischen Kommunen (sog. interkommunale Kooperationen); ÿ Kooperationen zwischen Regionen (sog. interregionale Kooperationen);

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

155

ÿ Kooperationen zwischen Kommunen und der privaten Wirtschaft zur Realisierung von Projekten (sog. Public-Private-Partnership-Ansatz / PPP).173

5.5

Wirtschaftsfördereinrichtungen am Beispiel Vorpommern

Oberstes Ziel wirtschaftsfördernder Maßnahmen ist die Stärkung der regionalen und unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit. Wer sind aber die „Wirtschaftsförderer“ der Region Vorpommern? Zweifelsohne zählen hierzu die regionalen und kommunalen Wirtschaftsfördereinrichtungen, aber eben nicht nur. Darstellung 50 weist wichtige wirtschaftsfördernde und unterstützende Institutionen (hier die Hochschulen und die ATI Küste GmbH) aus. Darst. 50: Wirtschaftsförderinstitutionen in der Region Vorpommern Þ Amt für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing der Hansestadt Stralsund Þ Stralsunder Innovations- und Gründerzentrum Þ Die Region Vorpommern e.V.

ÞAmt für Wirtschaft und Kultur des Landkreises Rügen

ÞWirtschaftsförderung des Landkreises NVP Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald ÞAmt für Wirtschaftsförderung, Tourismus, Kultur und Verkehr des Landkreises Ostvorpommern

ÞWirtschaftsfördergesellschaft Vorpommern mbH ÞTechnologiezentrum Fördergesellschaft mbH Vorpommern ÞAmt für Raumordnung und Landesplanung Vorpommern ÞAmt für Wirtschaft und Finanzen der HGW

ÞFörder- und Entwicklungsgesellschaft Uecker-Region mbH

Quelle: Eigene Darstellung

173 Vgl. Reschl, Richard/Rogg, Walter: Kommunale Wirtschaftsförderung. Standortdialog und Standortentwicklung in Kommunen und Regionen, Sternenfels 2003, S. 31. Zum PPP grundsätzlich und ausführlich: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/Deutscher Sparkassen und Giroverband (Hrsg.): PPP-Handbuch. Leitfaden für Öffentlich-Private-Partnerschaften, Berlin 2008.

156

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Mal davon abgesehen, dass wirtschaftsfördernde Aktivitäten schon ihren ersten Ausgangspunkt bei der EU haben und diverse Einrichtungen des Landes MV (z.B. Abteilungen des Wirtschaftsministeriums, Landesförderinstitut, Gesellschaft für Struktur- und Arbeitsmarktentwicklung u.ä. „Clearingstellen“) auf die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Vorpommern und deren Ausrichtung Einfluss nehmen, sind bei der Planung und Umsetzung raumwirtschaftlicher Gestaltung sowie wirtschaftsfördernder Maßnahmen verschiedene Akteure beteiligt. Die Darstellung 51 gibt einen – wenn auch unvollständigen – Überblick über die am Prozess der Regionalförderung stark beteiligten bzw. hierfür verantwortlichen Institutionen und Akteursgruppen. Darst. 51: Institutionen und Akteure der Regionalförderung Wirtschaftsfördernde Maßnahmen durch: ÿ Europäische Union (Förderprogramme und Politiken) ÿ Landesministerien (Vorgaben, Richtlinien, Einsatz von Fördermitteln) ÿ Landrat, Oberbürgermeister, Verwaltung der Landkreise und Städte ÿ Raum- und Stadtplanung (z.B. Amt für Raumordnung und Landesplanung und Regionaler Planungsverband Vorpommern) ÿ Regionale und kommunale Wirtschaftsförderung (WFG-Vorpommern, Verwaltungseinrichtungen der Landkreise und Städte u.a.) ÿ Agenturen für Arbeit ÿ Standort- und Stadtmarketingeinrichtungen (branchen- und sektorenübergreifend) ÿ Interessenvertretungen der Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Quelle: Eigene Darstellung

Wichtig für eine erfolgreiche Regional- und Unternehmensentwicklung ist letztlich, dass die unterschiedlichen wirtschaftsfördernden Institutionen der Region Vorpommern ihre Kompetenzen bündeln und das gemeinsame Ziel „Stärkung der Region Vorpommern“ verfolgen. Es gibt in letzter Zeit einige positive Signale, dass die Kommunalpolitiker im Verbund die Region voran bringen möchten. Stellvertretend sei hierfür die inhaltliche Positionierung von Ralf Drescher, dem Landrat von Nordvorpommern, zitiert: Sehr geehrte Damen und Herren, als Fraktionsvorsitzender meiner Partei im Kreistag Nordvorpommerns hatte ich lange vor 2002 für die Gründung einer gemeinsamen Wirtschaftsfördergesellschaft in der Region geworben. Als Landrat des Landkreises Nordvorpom-

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

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mern werbe ich heute für die Erweiterung unserer WFG um die Landkreise Rügen und Uecker-Randow sowie die Hansestadt Stralsund. Keine Stadt und kein Landkreis in der Planungsregion Vorpommern haben – bei objektiver Betrachtung – für sich alleine die allumfassende Infrastruktur, die Kraft und die Mittel, um auf nationalem und insbesondere dem internationalen Parkett wirksam um Investoren zu werben. Die Region Vorpommern aber – mit einer starken gemeinsamen Wirtschaftsfördergesellschaft – sollte dazu in der Lage sein. Es wäre kurzsichtig, würden unsere Kommunen im Wettbewerb um zusätzliche Arbeitsplätze neben oder gar gegeneinander antreten. Unsere Zukunft liegt in der Neuansiedlung von Betrieben in unserer attraktiven Region UND in der Stärkung hiesiger Unternehmen. Zu einer (aus Sicht der Wirtschaft) attraktiven Region gehört auch ein unternehmerfreundliches Klima auf allen Ebenen. Der Landkreis Nordvorpommern trägt seinen Teil dazu bei. Durch eine Konzentration der Wirtschaftsförderung als Stabstelle beim Landrat wurde der wirtschaftlichen Entwicklung in Nordvorpommern eine hohe Priorität eingeräumt. In meinem Landkreis werden der enge Kontakt der kreislichen Wirtschaftsförderung zu unseren bestehenden Unternehmen und die Ansiedlung neuer Unternehmen – zusammen mit der Wirtschaftsfördergesellschaft Vorpommern – als zukunftsträchtige Strategie für die Region Vorpommern angesehen.“174 Ralf Drescher Landrat Landkreis Nordvorpommern Gemeinsames Vorgehen sowie Netzwerke und Kooperationen in der Wirtschaft und Politik spielen für die Regionalförderung eine ebenso große Rolle wie der nachhaltige Wissens- und Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft (Albert Einstein: „Es gibt nichts Praktischeres, als ein gute Theorie“). Wissenschaft bedeutet keineswegs Elfenbeinturmwissen zu produzieren, sondern sollte eher die Praxis durch neue anwendbare Erkenntnisse beflügeln. In einem System regionaler Wirtschaftsförderung obliegt, wie bereits erwähnt, den Hochschulakteuren vor allem die Analyse-, Moderationsund Unterstützungsfunktion.

5.6

Förderinstrumente

Sind schon die Aufgabenfelder einer Wirtschaftsförderung vielfältig, so sind die Instrumente und erst recht die Förderprogramme der Regional- und Unternehmensförderung zahlreich und selbst für einen Kenner der Materie nur schwer zu durchdringen. Aus der Vielzahl möglicher Maßnahmen im Rahmen 174 Wirtschaftsfördergesellschaft Vorpommern (Hrsg.): WFG Telegramm, 2. Ausgabe 2008.

158

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

der Regionalförderung sind die wichtigsten überblicksartig in der Darstellung 52 zusammengefasst. Darst. 52: Maßnahmensystematik der Regionalförderung Regionalförderung Direkte Fördermittel ¾ Staatliche Investitionsförderung Investitions- und Darlehenszuschüsse, Zinsverbilligung, Risikokapitalhilfe, Forschungs- und Technologienförderung ¾ Kommunale Anreize Grundstückspreise, Miet-/Pachtpreise, kommunale Steuern, kommunale Abgaben, Stundungen Indirekte Maßnahmen ¾ Flächenvorsorge Liegenschaftspolitik, Bauleitplanung, Altlastensanierung ¾ Infrastrukturpolitik Verkehrsanbindung, wirtschaftsnahe Infrastruktur (Ver- und Entsorgung, Telekommunikation), haushaltsnahe Infrastruktur (Wohnungsangebot, Einzelhandelsversorgung, Bildungsangebot, Kultur, Sport) ¾ Qualifizierung und Beschäftigung Regional abgestimmte Qualifizierungsangebote und Maßnahmen, überbetriebliche Ausbildungszentren ¾ Beratung Betriebsberatung, Förderinformationen, Kommunikationsangebote (Fachmessen, Gesprächsforen, etc.), Technologientransfer ¾ Standortmarketing, Imagebildung Standortwerbung, Standortdatenbanken und -informationen, Imagekampagnen ¾ Kooperatives Regionshandeln Abgestimmte Liegenschafts- und Flächennutzungspolitik, regionales Marketing, regionale Entwicklungsagenturen ¾ Öffentlichkeitsarbeit Standortbeobachtung und –analyse, Versorgung der ansässigen Wirtschaft mit Informationen (geplante städtische Maßnahmen, Förderprogramme, Datenbanken), Bildung von Gesprächskreisen zur Stärkung regionaler Netzwerke, Versorgung der nichtortsansässigen Wirtschaft mit Informationen (Vertrieb von Standortinformationen, Beteiligungen an Ausstellungen, zielorientierte Ansprache von potenziellen Investoren)

Quelle: Nach Hahne, Ulf: Neuere Entwicklungen in der Regionalförderung, in: Ridinger, Rudolf/Steinröx, Manfred (Hrsg.): Regionale Wirtschaftsförderung in der Praxis, Köln 1995, S. 18 und Eckey, Hans-Friedrich: Regionalökonomie, Wiesbaden 2008, S. 259.

Sieht man einmal von der direkten Infrastrukturförderung (Straßen usw.) ab, so stellt die Wirtschaftsförderung zu einem erheblichen Teil Unternehmensförderung dar. In Deutschland können Unternehmen aus unterschiedlichen Fördertöpfen mit unterschiedlichen Zielen gefördert werden. Dabei setzt die Wirtschaftsförderung mit ihren Instrumenten an den jeweiligen Standortbedingungen an, mit dem Ziel, die harten und weichen Standortfaktoren positiv zu beeinflussen. In vielen Fällen haben die Förderprogramme eine spezifische Mittelstandorientierung bzw. sind direkt auf Klein- und Mittelbetriebe ausgerichtet (Mittelstandförderung). Auch wenn die Programmkulisse kaum überschaubar ist und man gar von einem „Förderdschungel“ sprechen kann,

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

159

lassen sich folgende wesentliche Förderfelder der regionalen Wirtschaftsförderung ausmachen: ÿ Maßnahmen zur Investitionsförderung, ÿ Maßnahmen zur Sensibilisierung und Förderung von Existenzgründungen, ÿ Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapitalbasis, ÿ Maßnahmen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation, ÿ Maßnahmen zur Förderung von Auslandsaktivitäten und Erhöhung der Exporte, ÿ Förderung von weichen Instrumenten (wie Beratung und Krisenbewältigung) ÿ und Förderung von Instrumenten zur Vernetzung (z.B. Clusterbildung)175 Es existiert ein Instrumentenbündel, auf dem die Wirtschaftsförderung ihre Aktivitäten aufsetzen kann, um die Region und die Unternehmen zu unterstützen. Geld und Ressourcen sind aber nur die eine Seite der Medaille. Der Erfolg einer Regionalentwicklung hängt auch maßgeblich von der Einstellung, dem Verhalten und dem Handeln der Menschen ab, vor allem dem der Entscheidungsträger einer Region.

6.

Zukunft gestalten – Gemeinsam und aus eigener Kraft

Wer die eigene Region gestalten will, muss sich der Herausforderungen der Umwelt sowie der Stärken und Potenziale seines Wirtschaftsstandorts bewusst werden und dafür sorgen, dass ein regionales „Wir-Gefühl“ erzeugt wird. Die Kommunalentscheider in Mecklenburg-Vorpommern und bundesweit haben einige Herausforderungen zu meistern. Hierzu zählen u.a. eine sich ändernde EU-Förderkulisse, ein Auslaufen des Solidarpakts, die Diskussion um den Länderfinanzausgleich, Bestrebungen eine Kreisgebietsreform in MV umzusetzen, das Vorantreiben der Umstellung des kommunalen Rechnungswesens auf die doppelte Buchführung und nicht zuletzt die Auswirkungen des demografischen Wandels. Eine gelebte Vertrauenskultur und eine hohe Bereitschaft zur Bildung von Netzwerken und Kooperationen sind dabei wesentliche Eckpfeiler, um eine Region mit vereinten Kräften voranzubringen. 175 Vgl. Ziegler, Astrid: Aufbau Ost und die Rolle der Förderpolitik, herausgegeben von der OttoBrenner-Stiftung, Arbeitsheft Nr. 43, Frankfurt am Main 2005, S. 12-26.

160

6.1

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

Erfolgsfaktor gelebte Vertrauenskultur

Das Entwickeln von Konzepten, das Setzen von Zielen und die Formulierung von Strategien bilden die Basis für fundierte Entscheidungen. Alle Überlegungen zur Entwicklung eines Wirtschaftsstandorts verpuffen jedoch schnell, wenn die relevanten Entscheidungsträger der Region nicht gemeinsam an einem Strang in dieselbe Richtung ziehen. Die Bereitschaft und Fähigkeit Netzwerke und Kooperationen einzugehen, ist der erste wichtige Schritt, erfolgversprechende Aktivitäten in und für die Region in Gang zu setzen. Deshalb sind die Abkehr vom Kirchturmdenken und der Aufbau einer Vertrauenskultur die zentralen Elemente, um die unterschiedlichen Akteure zusammenzubringen. Eine Kooperation erfolgreich anzupacken, setzt bei den Beteiligten die Einsicht und Überzeugung über den Sinn und Zweck solchen Schrittes voraus. Dazu bedarf es oftmals eins Anstoßes „von außen“, sei es nun ideeller oder finanziell-materieller Art. Auf der Basis einer gelebten Vertrauenskultur und einer hohen Kooperationsbereitschaft fällt es den regionalen Akteuren wesentlich einfacher, gemeinsame Ziele zu erkennen und zu verfolgen. Ob es zu einer nachhaltigen Regional- und Standortentwicklung kommt, hängt dabei maßgeblich vom Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteursgruppen ab und wie sie auf die Einflussgrößen einwirken (Darstellung 53). Darst. 53: Akteure und Einflussgrößen im regionalen System Akteure

Einflussgrößen

Bevölkerung Ministerien Wettbewerbsvorteile

Arbeitgeberverbände Gewerkschaften Handwerkskammer Stadt- und Kommunalverwaltung Wirtschaftsförderer / Regionalmanagement Branchenverbände und -vereine Hochschulen Sonstige Bildungsträger Unternehmen Investoren

Quelle: Eigene Darstellung.

Kunden

Regional- und Standortentwicklung

Industrie- und Handelskammer

Standortfaktoren Innovationen Branchencluster Netzwerke/Kooperationen Regional- und Stadtmarketing

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

161

Stimmen die „weichen“ Faktoren positive Stimmung, gelebte Vertrauensbasis und Kooperationsbereitschaft bei den Entscheidungsträgern einer Region, so wird die folgende Devise auch eher mit Leben erfüllt: Zukunft gestalten – gemeinsam und aus eigener Kraft! Für die Steuerung von Prozessen in einer Region sind Informationen, Kommunikation, Koordination, Moderation und Motivation wichtige, wenn nicht sogar die entscheidenden, Standbeine zur Umsetzung möglichst gemeinsam getragener Ideen und Konzepte. Die Grundlage zur Schaffung einer „Win-WinSituation“ aus Netzwerken und Kooperationen für Unternehmen und Region sind echte Partnerschaften, die klare Ziele verfolgen, auf Informationstransparenz setzen und Kommunikationsfähigkeit beweisen. Zum gemeinsamen Handeln kommt es am schnellsten und effektivsten dann, wenn zwischen den Beteiligten „die Chemie stimmt“. Stabile und starke Verbünde aus lokalen Akteuren der Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft fördern die Bildung von Netzwerken und Kooperationen zum Nutzen der Region. Von einer funktionierenden Netzwerkregion haben alle Beteiligten einen Vorteil. Zur „Win-Win-Situation“ gehört auch, die unterschiedlichen Interessen der beteiligten Akteure sinnvoll auszubalancieren. Die Partner sollten sich vom Grundsatz leiten lassen, dass man nur gemeinsam stark ist. Das Motto sollte lauten: „Wo die Großen fusionieren, müssen die Kleinen kooperieren“.

6.2

Resümee und Leitsätze für regionales Handeln

Die Entstehung und Entwicklung von attraktiven und lebenswerten Regionen und günstigen Standorten für Unternehmen sind auf vielfältige Ursachen zurückzuführen und deren Erfolg wird durch diverse Faktoren beeinflusst. Räumliche bzw. regionale Disparitäten, d.h. regionale Entwicklungsunterschiede, hat es sowohl in Deutschland wie auch weltweit gegeben und wird es auch in Zukunft geben. Allerdings sind Wirtschaftsstandorte heute nicht mehr nur der äußere Rahmen für wirtschaftliche Aktivitäten, sondern sie sind durchaus vergleichbar mit Produkten und Leistungen, deren Identität, Attraktivität und Wert aufgebaut und vermarktet werden müssen. Allerdings dürfen Regionen und Städte nicht mit gewinnorientierten Unternehmen gleichgesetzt werden, da gleichrangig auch die Interessen des Gemeinwohls zu beachten sind. Regional-, Struktur- und Standortpolitik können nicht rein Investoren orientiert sein, sondern müssen die Interessen aller Regionalakteure berücksichtigen und auf eine Win-Win-Situation hinarbeiten. Bladt empfiehlt als Orientierung für eine durchdachte und systematische Regionalplanung folgende Leitsätze zu beachten: ÿ Wer die Zukunft erobern möchte, muss zuerst die Vergangenheit bewältigen und die Gegenwart beherrschen (Situationsanalyse).

162

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

ÿ Wer um die Richtung weiß und die Wege kennt, kommt immer sicher ans Ziel (Leitbild, Strategie). ÿ Ziele müssen klare Orientierungspunkte setzen, für jedermann verständlich und eindeutig nachvollziehbar und messbar sein (Operationalisierung von Zielen). ÿ Nur wer das Umfeld kennt und richtig einschätzt, findet darin das geeignete unternehmerische Betätigungsfeld (Wissensbilanz, SWOTAnalyse, Benchmarking, Rankings). ÿ Transparent gemachte Chancen und Risiken erleichtern die Entscheidungsfindung und schützen vor bösen Überraschungen (Erarbeitung von Analysen, z.B. Wertschöpfungskettenanalysen). Treffe Entscheidungen möglichst auf einer stichhaltigen Informationsbasis. ÿ Planung ist das Entwerfen einer systematischen und zielorientierten Ordnung und damit Grundlage für das wirkungsvolle Handeln (Projektmanagement). ÿ Aufbau und Inhalt einer Konzeption werden durch Verwendung einer Checkliste wesentlich verbessert (Instrumenteneinsatz). ÿ Kommunikation ist das Nervensystem einer Organisation und verbindet alle im Organismus tätigen Zellen (Struktur, Führung). ÿ Visionen und Ideen werden erst dann zu erfolgreichen Konzepten und Produkten, wenn das Umfeld stimmt und eine professionelle Umsetzung stattfindet (Wirtschaftsförderung bzw. sonstige Kompetenzzentren). ÿ Die Teamorganisation lebt aus dem Grundsatz „Gemeinsamkeit macht stark“ (Kooperationen, Netzwerke, Cluster). ÿ Eine Konzeption ist nur so gut, wie der gemeinsam erarbeitete Inhalt und der vorhandene Wille zur erfolgreichen Umsetzung (Vertrauenskultur, Win-Win-Situation). ÿ Glaubwürdigkeit des Regionalmarketings muss gegeben sein – „Zeige dein wahres Gesicht“. ÿ Mut zum Teilen – Keine Neidgefühle bei Erfolgen des Umlands. ÿ Aktivitäten bedürfen Ressourcen.

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

163

ÿ Aus einem Konzept wird erfolgreiche Wirklichkeit, wenn sich alle Akteure motiviert an der Umsetzung beteiligen (Personalmanagement, Networking, „WIR SIND STARK“).176 Abschließend lässt sich festhalten, dass Regionen derzeit eine Renaissance erleben und ein Widerspruch zwischen Globalisierung und Regionalisierung prinzipiell nicht vorhanden ist. Allerdings stellt die integrierte Strukturpolitik seit Jahrzehnten eine Herausforderung für Politik, Wirtschaft und Kommunen dar.177 Die Regionalsteuerung obliegt in erster Linie den Akteuren vor Ort. In diesem Prozess kommt der Wirtschaftsförderung eine besonders aktive Rolle zu. Patentlösungen und Garantien gibt es jedoch nicht und wird es nicht geben, um Wirtschaftsstandorte zu blühenden Oasen zu entwickeln. Es existiert aber durchaus ein solider Instrumentenkasten auf den zurückgegriffen werden kann, um wirtschaftsfördernde Maßnahmen in Gang zu setzen und eine Region nach vorne zu bringen. Bei allen Diskussionen um die Entwicklung von Städten und Regionen darf aber nicht der Faktor Zeit vernachlässigt werden. Gut Ding will Weile haben. Auch Bayern hat sich nicht innerhalb von wenigen Jahren von einem Agrarland zum High-Tech-Land gemausert.

7.

Schlüsselthesen: Von der Theorie zur Praxis „Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen – denn Zukunft kann man bauen.“ Antoine de Saint-Exupéry (1900-1944), Autor von der „Kleine Prinz“ „Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare. Für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte. Für die Tapferen ist sie die Chance.“ Victor Hugo, französischer Dichter (1802-1885)

Die Globalisierung der Ökonomie und die Verfügbarkeit der Internettechnologie haben tiefgreifende Auswirkungen auf das Denken über die Zukunft von Städten und Regionen. Die Digitaltechnik hat die Welt zum „globalen Dorf“ gemacht. Wo die Zukunftschancen im Detail liegen, lässt sich wissenschaft176 In Anlehnung an Bladt, Michael: Analyse der Wirtschaftsstrukturen und Wirtschaftsakteure der Region Vorpommern. Konzeptionelle Ausführungen zur Regionalentwicklung Vorpommerns mit Handlungsorientierung, Saarbrücken 2008, S. 120. 177 Vgl. Klepsch, Thomas/Legrand, Hans-Josef/Sanne, Axel: Integrierte Strukturpolitik. Eine Herausforderung für Politik, Wirtschaft und Kommunen, Köln 1994.

164

Kapitel III: Wirtschaftsregion und Akteursgruppen

lich nicht beantworten. Die Suche nach dem Neuen müssen vor allem wagemutige Unternehmer und risikobereite Kapitalgeber in ihre Hand nehmen. Wer sich themenbezogen mit der Vergangenheit und theoretischen Ansätzen auseinandersetzt, hat damit zwar noch kein Patentrezept, um eine Regionalwirtschaft ins Blühen zu bringen. Aber er erhält möglicherweise brauchbare und umsetzbare Anregungen, den Herausforderungen der Zukunft besser zu begegnen. Für das praktische Handeln der Akteure ist vor allem wichtig, sich inhaltlich auszutauschen und aus der Erfahrung anderer zu lernen. Was kann ich übernehmen und was kann ich besser machen? Folgende Schlüsselthesen lassen sich aus dem dritten Kapitel ableiten: ÿ Es gibt viele Wege zur Abgrenzung von Regionen. ÿ Fast ganz Deutschland ein Fördergebiet? Auf die Details kommt es an! ÿ Warum wir Regionalmanagement brauchen. ÿ Global denken, aber zugleich lokal und regional handeln. ÿ Strategisches Ziel regionalen Wirtschaftens ist die Wertschöpfung. ÿ Mittel zur Zielerreichung sind Netzwerkbildung und Kooperationen. ÿ Künftiger Engpassfaktor ist menschliches Wissen. ÿ Wirtschaftsstandorte müssen ihre Stärken und Schwächen einkalkulieren. ÿ Leitbranchen identifizieren und fördern! ÿ Regionalmarketing baut auf den spezifischen Stärken und Besonderheiten auf. ÿ Wirtschaftsförderung wird zunehmend auch Kompetenzentwicklung. ÿ Wirtschaftsförderung – ein „Dschungel“ unterschiedlicher Institutionen und Instrumente? ÿ Oft ist Vertrauen besser als Kontrolle.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge 1.

Einführung mit Schlüsselthesen der Praktiker

Zwar können strukturpolitische Fragestellungen nur zum geringen Teil auf nationaler Ebene beantwortet werden, aber die Tatsache, dass jedes Geschäft lokal abgeschlossen wird, verweist auf den lokalen bzw. regionalen Ansatzpunkt von Strukturpolitik. Regionalentwicklung ist zum einen Gegenstand wirtschaftswissenschaftlicher Untersuchungen, zum anderen Bestandteil von politischen Programmen und zentrales Handlungsfeld für Staat, Länder und Kommunen, Unternehmerverbände und Gewerkschaften. Bei der praktischen Umsetzung von Aktivitäten an Wirtschaftsstandorten erweitert sich der Kreis der Akteure. Agenturen für Arbeit, Industrie- und Handelskammern, kommunale und regionale Wirtschaftsförderungsgesellschaften, wissenschaftliche Einrichtungen, Bürgerinitiativen etc. sind mehr oder weniger am Prozess der Regionalsteuerung beteiligt. Regionale Akteure müssen sich mit dem Problemfeld auseinandersetzen, dass die Differenzierungen zwischen verschiedenen Regionen in den jeweiligen Bundesländern zunehmen. Für Ostdeutschland wird vielfach folgendes Bild gekennzeichnet: Entvölkerte, abgehängte Regionen ohne reale Entwicklungsperspektiven und Städte sowie Gemeinden mit stark schrumpfenden Einwohnerzahlen, leer stehende Häuser und überdimensionale Einrichtungen der Infrastruktur, die vor immensen Schwierigkeiten stehen, die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge wahrzunehmen. Regionalwirtschaftliche Probleme und die Suche nach Lösungen werden auch in den nächsten Jahren die Entscheidungsträger einer Region beschäftigen. Die Vielzahl denkbarer Fragestellungen, die in Zusammenhang mit dem Thema „Regionalwirtschaft“ gebracht werden können, zwangen die Herausgeber zur Begrenzung und Auswahl von Praktikerbeiträgen. Die Reihenfolge der Artikel ist so platziert, dass zunächst die eher allgemeinen und umfassenden Beiträge aufgenommen werden und abschließend die eher konkreten oder praxisbezogenen Beiträge folgen. Unter Zugrundelegung der Autorenbeiträge des vierten Kapitels lassen sich folgende Schlüsselthesen formulieren: 1. Regionen bleiben wichtig trotz Globalisierung. 2. Deshalb: auch die EU fördert regionale Wirtschaftskreisläufe. 3. Von nix kommt nix: Regionalpolitik muss finanzierbar bleiben bzw. werden! 4. Widersprüchliche Entwicklung von Regionen – eine Herausforderung für Bürger und Staat.

166

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

5. Politik schafft die Rahmenbedingungen, die Akteure vor Ort müssen die Regionalstrategien umsetzen. 6. Regionalentwicklung – ein Konzept, dass noch konkretisiert werden muss. 7. Raumordnung als Rahmen regionaler Nachhaltigkeit. 8. Was kann man vom Vorbild „Heilbronn-Franken“ lernen? 9. Regionale Entwicklung braucht fundierte Daten als Basis. 10. Gesundheitswirtschaft – eine Leit- und Boombranche für MV. 11. Kreditinstitute als Unterstützer und Förderer regionaler Entwicklung. 12. Ein Beispiel der Unternehmensentwicklung in der Gesundheitswirtschaft. 13. Sensibilität ist wichtig: Niemand darf regionale Entwicklung durch kurzfristiges Gewinnstreben zerstören.

2.

Globalisierung und Region – Eine aphoristische Betrachtung

Ulrich Schempp: Professor für Volkswirtschaft und International Business an der Fachhochschule Stralsund

2.1

Nation und Region

Vor knapp zweihundert Jahren hat David Ricardo verdeutlicht, wie sinnvoll es für alle Seiten sein kann, wenn man internationalen Handel treibt.178 Damals stand der Warenhandel von Nationen im Vordergrund. Später haben Heckscher und Ohlin gezeigt, dass die Spezialisierung der Länder in der Güterproduktion sich an ihren Ausstattungen mit Produktionsfaktoren orientieren sollte. Und immer noch stand die Betrachtung von Staaten, von politischen Gebilden im Vordergrund. Aber der Titel des Buches von Ohlin aus dem Jahre 1933 führt auch den Begriff „Interregional“ im Titel.179 Jedoch war die Regionalökonomie lange Zeit eine spezielle Sonderdisziplin der Volkswirtschaftslehre, eine unter anderen. Der deutsche Ökonom August Lösch war mit seinem 1943 erschienenen Buch „Die räumliche Ordnung der Wirtschaft“180 seiner Zeit weit voraus, wie der Titel erahnen lässt. 178 Ricardo, David: The Principles of Political Economy and Taxation, 1817 erstmals erschienen. 179 Ohlin, Bertil: Interregional and International Trade, Cambridge 1933. 180 Lösch, August: Die räumliche Ordnung der Wirtschaft, 3. unveränderte Aufl., Stuttgart 1962.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

167

In der allerneuesten Zeit haben dann Porter181 und Krugman182 das Augenmerk darauf gelenkt, dass Wirtschaft eigentlich gar nicht ohne das Raumelement verstanden werden kann und auch nicht unbedingt immer Nationen, sondern vielfach Regionen das Betrachtungsobjekt der Zunft sein sollten. Denn erfolgreiche Cluster-Regionen halten sich nicht an nationale politische Grenzen, sondern folgen anderen, oft grenzüberschreitenden Regeln. Ob nun solche Regionen flächenmäßig kleiner oder größer als Nationen sind, ist unerheblich und hängt von den jeweiligen Vergleichsbeispielen ab; natürlich ist Luxemburg als Staat kleiner als der große Industriecluster in Nordwestamerika. Aus politischer Sicht werden Regionen gerne mit politischen Grenzen identifiziert, was seine Ursache logischerweise in der regionsspezifischen Wirtschaftspolitik haben kann. In der Theorie hat man zunächst Regionen wie Nationen durch eine sehr nach innen gerichtete Brille betrachtet, was seine Ursache in lokaler und regionaler Organisation aufgrund von (heute sagen wir dazu) logistischen Hemmnissen und produktionsspezifischen Bedingungen hatte. Die Region war ein ziemlich geschlossener Wirtschaftskreislauf, es wurde regional eingekauft und verkauft. Dies war rasch Geschichte, je mehr die Produktions- und Transporttechnologie fort schritt und Markterweiterung anstand. Die Exportbasislehre hat dort ihren Ursprung und geht vom traditionellen Weltbild des Außenhandels aus: Überwiegend Fertigprodukte, in der Region erzeugt, werden exportiert in andere Länder oder Regionen und der monetäre Rückfluss beschert der Region Wohlstand, einer Region die ansonsten noch „in sich“ gekehrt ist.183 Auch diese Sicht der Dinge hatte bald ein leicht verständliches Ende, weil regionale Geschlossenheit und Export nur solange zusammen passen, als es wenige Regionen gibt, die sich so verhalten. Werden aufgrund aktiver Markterweiterungsstrategien von Firmen mehr und mehr Regionen Exporteure, dann müssen logischerweise über kurz oder lang mehr und mehr Exporteure gleichzeitig auch Importeure werden, da die Welt als geschlossenes System betrachtet werden muss. Die Regionen werden offener, miteinander verbundener, voneinander abhängiger. Das ist unsere heutige Erkenntnis mit Blick auf die Nationen und natürlich auch die Regionen als Subsysteme der Nationen: In der globalen Verflechtung schwinden Autonomiespielräume.

2.2

Region und internationale Wirtschaft

Globalisierung ist aber auch kein unumkehrbarer Prozess, wie wir aus der jüngeren Geschichte wissen. Das beliebte Zitat aus der Satiriker-Feder von 181 Porter, Michael E.: Nationale Wettbewerbsvorteile, München 1991. 182 Krugman, Paul: Geography and Trade, Cambridge (Mass.) 1991. 183 Zur Exportbasislehre siehe Lauschmann, Elisabeth: Grundlagen einer Theorie der Regionalpolitik, Hannover 1973, S. 179 ff.

168

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Kurt Tucholsky aus dem Jahre 1931 „Was die Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten“184 mag darauf hindeuten, dass von den Menschen damals auch gefühlt wurde, was die Wissenschaft belegt: Vor den beiden Weltkriegen war gemessen an verschiedenen Indikatoren die weltweite Integration ähnlich weit fortgeschritten wie in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik. Phasen tiefer Integration des internationalen Raumes sind also schmerzliche Desintegrationsphasen gefolgt, um dann in eine erneute Restrukturierung der zwischenzeitlich unterbrochenen Bindeglieder zu münden. Die internationalen politischen Umwälzungen und die Expansion der sogenannten BRIC-Staaten geben diesen weltweiten Interaktionen heutzutage natürlich besondere Schubkraft, vor allem auch aufgrund der dahinter stehenden Bevölkerungspotenziale. Dennoch ist keineswegs klar, wo der zukünftige Weg angesichts des härter werdenden Kampfes um die Ressourcen dieser Welt, insbesondere der Energienutzung hingeht. Auch der „Rückzug“ in (kalte) Kriege, abgeschottete Märkte und Isolation ist nicht ausgeschlossen, auch wenn dies nicht gerade als eine vielversprechende Langzeitstrategie erscheint. Globalisierung hat viele Facetten und ist auch keineswegs eine „gottgemachte“ Erscheinung. Hocheffiziente Produktionstechnologien rufen nach ständig größeren Absatzmärkten, um ihre Kostenvorteile ausspielen zu können. Produktion benötigt Inputs, die zum Teil im Inland gar nicht beziehungsweise nicht in dieser Form verfügbar sind oder nur sehr teuer zu beziehen wären. Absatz und Beschaffung rufen also nach Marktöffnung und global sourcing. Dieses globalisierte Ein- und Verkaufswesen hat noch eine besondere Dimension durch die intendierte Konzentration von Firmen auf ihre Kernkompetenzen und in der Folge zahlreicher Outsourcing-Prozesse erhalten. Die moderne Geschäftswelt, das moderne Business, als international organisierte Wertschöpfungskette, als Hintereinanderschaltung und integrative Verkettung von Prozessen verschiedenartigster beteiligter Firmen – oft als Supply Chain bezeichnet – ist organisatorischer Ausdruck dieser Notwendigkeiten und Tendenzen.185 Längst ist der werktätige Mensch als das „hilflose“ Rädchen im Getriebe großer Industriebetriebe ergänzt durch verkettete Firmen, jede für sich ein bescheidenes Kettenglied in einer weltweiten Versorgungsmaschinerie. Und längst ist man sich bewusst, dass einzelne Firmen nur so gut sein können wie die Partner, mit denen diese weltweit zusammen arbeiten. So ist zum firmeninternen Produktionssteuerungs- und Logistikprozess zunehmend der firmenübergreifende weitweite Logistikprozess als zeit-räumliche Optimierungsaufgabe internationalen bzw. globalen Charakters in den Vordergrund getreten. Internationale Wettbewerbsvorteile im Verständnis von Porter entstehen dabei oftmals im regionalen Verbund, aber niemals ohne die Erfüllung von 184 Tucholsky, Kurt: Panter, Tiger & Co, Hamburg 1977, S. 161. 185 Arndt, Holger: Supply Chain Management, Wiesbaden 2006.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

169

Vorbedingungen. Eine davon ist unter anderem der weltweite Zugang zu Technologie, Märkten, und Know how. So gesehen ist der nationale und erst recht der regionale Markt für Firmen aus dem einen oder anderem Grund rasch zu eng, aber eine gute „Brutstätte“ kann die Region trotzdem sehr wohl sein. Erfolgreiche Cluster sind räumliche Konzentrationen von Betrieben, die sich durch ihre Nähe gegenseitig befruchten, sozusagen gegenseitig positive externe Effekte abstrahlen, um so Synergien u.a. durch Informationsflüsse, Kostensenkungen und kollektive Engagements zu erzeugen. Diese regional konzentrierte Energie im ökonomischen Sinne muss insofern geschickt in internationale Schaltkreise eingeleitet werden, braucht die Spannung der internationalen Lerngemeinschaft zur Höherentwicklung. Und deshalb gilt auch hier die Feststellung, dass die Welt mehr ist als die einfache Summe ihrer Regionen. Wie gut eine einzelne Region platziert ist im internationalen Kontext hängt entscheidend davon ab, wie gekonnt und wie zahlreich Firmen der Region in erfolgreichen weltumspannenden Supply Chains integriert sind! Die geographisch umrissene Region ist also durchzogen von organisatorischen Partikeln (J) großangelegter Firmeninfrastrukturen. Kettenglieder der internationalen Betriebswirtschaft verbinden die Region in vielfältiger Weise mit dem International Business, was letztlich genau besehen ein Interregional Business mit weltumspannender Dimension ist.

170

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Darst. 1: Region und Supply Chains

Region w

Region y

Region x

Region A

Region C

Region z Region B

Quelle: Eigene Darstellung.

So ist es zu verstehen, wenn behauptet wird, Standorte und die Anforderungen an sie würden aus internationalen und globalen Netzen und Ketten abgeleitet im Sinne einer Optimierung von komplexen weiträumigen Prozessen.186 Und diese komplexen Prozesse funktionieren nur auf Basis der beteiligten Firmennetzwerke und ihrem geographischen Rahmen, dem Netzwerk der Regionen.

2.3

Region und Supranation

Wurde eingangs der Bogen von der Nation zur Region gespannt, so muss er mit besonderem Blick auf Europa nun wieder zurück gespannt werden von den Regionen auf deren Einbindung in mehr und mehr übernationale Konstruktionen: Europa bestimmt das Geldwesen, Europa bestimmt die Außenzölle und die Handelsschranken gegenüber Dritträumen, Europa ist eine Gestaltungsoption jenseits von Staaten und Regionen auf einer hochaggregierten Ebene. 186 Vgl. zum Beispiel: Maritime Allianz Ostseeregion, Strategische Entwicklungsrichtlinien, Rostock 2001 (Papier, präsentiert am 13.9.2001 auf dem Außenwirtschaftstag in Rostock), S. 9.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

171

So wird es durchaus relevant für die Beziehungen von Regionen und die dort lokalisierten Firmen, zu welchen Verbünden jene Staaten gehören, denen die jeweiligen Regionen zuzurechnen sind. Denn Firmen als Teile von Versorgungsketten mit Standorten im EU-Raum haben Vorteile im Umgang miteinander verglichen mit EU-externen Lokationen. Dasselbe mag in bescheidenerem Maß auch für Standorte innerhalb anderer solcher Gemeinschaften wie z.B. NAFTA, APEC, MERCOSUR oder ASEAN gelten. Die in Darstellung 1 erfassten Verflechtungen kennen also unterschiedliche Schattierungen je nach Zugehörigkeit der verschiedenen Regionen zu Präferenzgebieten. Auch so gesehen verliert die Nation als Referenzobjekt an Bedeutung, wenn nationale Grenzen an Bedeutung verlieren. Regionen sind Standorte international verflochtener Firmenverbünde, gehören ihrerseits aber zu profilprägenden Raumverbünden, die von nationalen und wenigstens in Europa zunehmend supranationalen politischen Strukturen überlagert sind. Paradoxerweise fallen gerade mit Blick auf die Europäische Union also wichtige Entscheidungen an immer „höherer“ Stelle, die politische Kompetenz für die Rahmengestaltung wandert immer weiter weg von der Region / den Regionen, obwohl wirtschaftlich gesehen die Regionen entscheidende Keimzelle zu sein scheinen und historisch gesehen der Ursprung der ganzen Entwicklung waren. Denn einst waren es die mächtigen Städte Europas, die den politischen und ökonomischen Prozess dominierten. Daraus entwickelten sich dann peu à peu die Nationalstaaten und recht gemächlich gegen den Widerstand der „Regionsfürsten“ die nationalen Märkte187 …. und heutzutage die internationalen Märkte bis hin zur Globalisierung mit einer Neudefinition der Rolle der Regionen.

2.4

Region als Global Player

Doch gerade in den Regionen und Nationen regt sich Unbehagen ob der von „außen“ dominierten, eben aus den internationalen und globalen Notwendigkeiten abgeleiteten Einflüssen und Entwicklungslinien. An dieser Stelle wird klar, wie nahe Quantenphysik und Regionalökonomie beieinander liegen! Der deterministische Rahmen unserer traditionellen ökonomischen Analyse wird mehr und mehr zu einem aus Sicht der einzelnen Region stochastischen Prozess, dominiert vom mehr oder weniger zufälligen Zusammentreffen externer Einflussfaktoren, von natürlichen Preisschocks, Naturkatastrophen, neuen Wettbewerbern, Restrukturierungen von Supply Chains, aggressiven Marktstrategien von Ländern, Regionen und Konzernen bis hin zum globalen Puzzle von Finanzkrisen. 187 Vgl. Braudel, Fernand: Aufbruch zur Weltwirtschaft, Sozialgeschichte des 15.–18. Jahrhunderts, München 1986.

172

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Die gefühlte Beeinflussbarkeit und Kontrollierbarkeit des Geschehens nimmt ab. Aber so wie im mikrophysikalischen Denken einzelne Quanten gleichzeitig an verschiedenen Stellen im Raum anzutreffen sein können, genau so können Firmen, Euros oder Regionen in verschiedenen Sphären verschiedene Rollen spielen und an verschiedenen Stellen im ökonomischen Gefüge gleichzeitig anzutreffen sein. War es vielleicht früher in einer mehr unizentrischen oder bizentrischen Struktur die Werftindustrie, die das Profil und die Rolle einer Region wie zum Beispiel Vorpommern neben der Landwirtschaft ausgemacht hat, so mag die Werftindustrie heute nur noch eine bescheidenere Rolle im Rahmen des regionalen Wirtschaftsgeschehens einnehmen. Dafür bilden z.B. logistische Aktivitäten zu Land und Wasser, die Wellness-Szene, Tourismusattraktion und (Bio)Landwirtschaft gepaart mit einzelnen Produktionskernen und einem ausgefeilten Bildungssystem ein facettenreiches Spektrum sozioökonomischer Tätigkeit. Das Bild ist bunter geworden, das Puzzle nicht mehr so einfach zu fügen, die Welt erscheint unübersichtlicher. Diese multizentrische Region ist Player auf verschiedenen Spielwiesen geworden, jede einzelne dieser Spielwiesen folgt ihren eigenen „Gesetzen“, die aus überregionalen, übernationalen, globalen Maßstäben abgeleitet werden. Alltäglich in diesem Rollenspiel gestaltend und anpassend, aktiv wie passiv mitzuwirken ist die eine Dimension regionalen Handelns. Die zweite Dimension ergibt sich aus dem Streben nach innerer Balance, der Verdichtung zu Synergiepolen, der Höherentwicklung durch Kräftebündelung im Sinne der oben genannten Cluster. Um es zu konkretisieren: Bestand die Kunst früher darin, eine erfolgreiche Exportbasis (z.B. den Schiffbau) mit guten Fachkräften und vollen Auftragsbüchern auszustatten, um Absatz und Arbeitsplätze zu sichern sowie Wohlstand zu importieren, so besteht nun die neuzeitliche Aufgabe darin, in zahlreichen Rollen als Teilchen interregionaler und internationaler Vermarktungsgemeinschaften gleichzeitig erfolgreich zu operieren und die Dynamik der Märkte für sich durch flexible Haltung zu nutzen. Das Denken aus der Region heraus in die Welt hat sich modifiziert zu einem Denken aus der Welt herein in die Region und wieder zurück in die Welt, einem Denken, in dem die Region mehr den Charakter eines Durchgangsbahnhofes hat – mit hoffentlich vielen Gleisen und zahlreichen hochfrequentierten Verbindungen. Diese Verkettungspluralität hat Vorteile, mindert sie doch die Abhängigkeit von einem oder wenigen Standbeinen, die – brechen sie weg – zu einem ausgeprägten Kollaps führen können. Die Diversifikation nimmt zu, und natürlich auch die Zahl der Einflüsse und Gefahren, aber ebenso die Zahl der Optionen und Chancen.188 188 Vgl. zu dieser alten Diskussion des Diversifikationsarguments im Rahmen der Theorie optimaler Währungsräume z.B.: Tower, Edward/Willet, Thomas D.: The Theory of Optimum Currency Areas and Exchange Rate Flexibility, Special Papers in International Economics No. 11, Princeton 1976.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

173

Im Destinationsreigen großer Tourismusanbieter vertreten zu sein, als wichtiger Komponentenlieferant im Schiffbau aktiv, und führend unter den Wellness- und Bio-Regionen bei gleichzeitiger logistischer Drehscheibenfunktion zwischen Ost und West, Süd und Nord zu fungieren bedeutet, Wertschöpfungsprozesse der verschiedensten Art in mannigfaltigen Kooperationssystemen mit einer großen Zahl von Partnern zu gestalten. Das heißt aber auch, den Prozesscharakter der zunehmend vernetzten Welt zu verstehen, das dynamische Element als Chance zu begreifen, den FlowCharakter dieser Güterwelt mit Optimierungshaltung zu begleiten, und starke strategische Partnerschaften zu suchen, international, und damit natürlich in den Regionen und den Firmenverbünden der Welt. Und während früher die Region als Abschussrampe für die Exportrakete verstanden wurde, funktioniert sie heutzutage eher als Durchlauferhitzer der nationalen und internationalen Versorgungsströme und der zunehmende Güterfluss in allen Richtungen lässt gleichzeitig die Bedeutung von Logistik und Transportinfrastruktur rasant wachsen. Versteht man Region im oben genannten Sinne als räumlichen Wirtschaftsstandort in einem globalen Puzzle, dann nimmt der aktive politische Gestaltungsbedarf zur regionalen Optimierung erhebliche Bedeutung ein. Die Lehren von Porter wollen nun gute Beachtung finden! Regionen müssen zum einen lernen, dass sie selbst Objekt des modernen Marketing sind und zum anderen versuchen, durch die Wertschöpfungs-Brillen ihrer Firmen zu schauen. Sie brauchen eine Positionierung, müssen ein gewisses Image ausstrahlen und sollten ihren USP hervorkehren! Das kann mit der nötigen Modifikation entlang der allgemeinen Regeln geschehen, wie sie von der Standardliteratur gegeben werden.189 Ziel muss es sein, die Attraktivität des Standortes aus ihrer Lagebesonderheit und den existierenden Grundstrukturen und Stärken heraus weiter zu entwickeln. Dass das keinesfalls den Aufbau eines „Gemischtwarenhandels“ bedeuten sollte, betont Porter sehr deutlich. „Das ist weit besser, als eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Firmen anzuspornen, Zulieferbetriebe oder Vertriebszentren an einem Ort zu errichten, den sie nie weiterentwickeln oder aufwerten werden.“190 Kluge Positionierung baut auf die vorhandenen Potenziale und versucht sie geschickt zu ergänzen und auszubauen. Um nicht fehl zu gehen macht es Sinn, zu stützen, was nie falsch sein kann: Die Innovationsfähigkeit selbst, die ihrerseits als Magnet auf Firmen wirkt. Demzufolge kommt der Förderung von Bildung, Forschung und Infrastruktur besondere Bedeutung zu: Hochschulen, Forschungslabore und -institute, Informationsvernetzung und Verkehrswesen. Eine flexible Handhabung der regionalpolitischen Rahmenbedingungen und eine konsistente Kommunikation nach außen tun ein Übriges. Das 189 Beispielhaft sei hier auf Marketing-Management von Philip Kotler verwiesen. 190 Porter, Michael E.: Nationale Wettbewerbsvorteile, München 1991,S 675.

174

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

zu gestalten ist Aufgabe des Regionalmanagements, dem andere Beiträge dieses Bandes gewidmet sind.

2.5

Umrisse eines Modells zum regionalen Beziehungsgefüge

Zur Grobstrukturierung einiger wichtiger Zusammenhänge im regionalen Kontext und zur Verdeutlichung einiger regionaler Stellschrauben wird ein einfaches Modell verwendet und rein gedanklich durchgespielt, ohne es hier mathematisch zu spezifizieren. Es existiert erst in einer ersten vorsichtigen Annäherung und versucht, einige der oben angesprochenen Aspekte zu integrieren und in einen breiteren Kontext zu stellen. Eine grafische Strukturübersicht der Beziehungen findet sich im Anhang. Es sei angenommen, die Pro-Kopf-Wertschöpfung y einer Region sei abhängig von der Unternehmensdichte u, der Forschungsintensität f (z.B. gemessen am Anteil der Forscher an der gesamten Arbeitnehmerschaft), der Außenhandelsquote a und der vorhandenen Infrastruktur im weiten Sinne s sowie der verfügbaren Workforce b als Ausdruck des Bevölkerungspotenzials, die/ das einem natürlichen Pfad folgen kann, aber im Wesentlichen von der Attraktion der Region beeinflusst wird. Dann kann man schreiben

[1]

y = y(u , f , a , s , b ) +++++

In allen Fällen hängt die Wertschöpfung in positiver Weise von den jeweiligen Einflussgrößen ab: Zunehmende Firmendichte und zunehmende Forschungsintensität wirken im synergetischen Sinne positiv auf den wirtschaftlichen Erfolg, das Ganze wird unterstützt durch die internationale Antriebsfeder, repräsentiert durch die Außenhandelseinbettung. Steigt die Außenhandelsquote wirkt das Synergie verstärkend und umgekehrt. Agglomeration wirkt selbstverstärkend; deshalb wird die Firmendichte als positiv abhängig vom „Dichteerfolg“ Wertschöpfung angesehen:

[2]

u = u( y) +

Die Infrastruktur im harten Sinne (wie z.B. das Straßen- und Schienennetz) ist Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Wirtschaftsprozess und für Firmenansiedlungen. Die Infrastruktur im weichen Sinne (z.B. das Schulsystem) zieht ebenso Firmen an, ist aber auch verantwortlich für Qualität der Workforce überhaupt und damit für deren Leistungsfähigkeit. So gibt es in [1] sicherlich einige implizite Funktionalzusammenhänge wie z.B. die Tatsache,

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

175

dass die regionale Bildungsqualität der Arbeitnehmerschaft auf Firmenansiedlung positiv wirkt, ebenso vermutlich auf die Forschungsintensität. Sie sind im Modell, so wie es jetzt gefasst ist, nicht direkt sichtbar. Auf der anderen Seite steht die Region als Lebensmittelpunkt von Mensch und Familie. Die Workforce b einer Region wird deshalb wesentlich mitbestimmt von der Lebensqualität q in der Region verglichen mit anderen. In Regionen mit sich verschlechternder Lebensqualität findet eine Abwanderung, also eine Abstimmung gegen die Region mit den Füssen statt, und umgekehrt. Also setzen wir an, wobei ein * die jeweilige Veränderung der Größe in der Zeit symbolisiert:

[3]

b* = b * (q *) +

Man mag sich beispielsweise diese Gleichung in Differenzenschreibweise vorstellen als

[3a]

Δbt = α(qt - q t-1)

wobei α (>0) der umweltspezifische Reaktionskoeffizient der Workforce ist. Sinkt die Umweltqualität unter das Vorjahresniveau (qt < qt-1) wird die Workforce c.p. entsprechend α auch schrumpfen. Weiter sei für die Lebensqualität q angenommen:

[4]

q = q( y, w, s ) + + +

Gleichung [4] präzisiert, wovon Lebensqualität im positiven Sinne abhängt. Das ist zum einen das Verdienstniveau, repräsentiert durch die Wertschöpfung. Ohne Zweifel ist für den einzelnen Menschen neben seinem Einkommensniveau, ebenso wie für die Industrie, die vorhandene Infrastruktur ein wichtiges Entscheidungskriterium. Hinzu kommt allerdings der Umwelteinfluss (w), Umwelt verstanden im natürlichen wie im sozialen Sinne. Sehr stark emissionsbelastete Regionen wirken abschreckend, Regionen mit hoher Konzentration von Mensch und Wirtschaft erzeugen einen abschreckenden Dichtestress (überbelegte Kitas, Staus, volle Züge, Knappheit an Wohnraum,…). Gutes Verdienstniveau, gute Umweltqualität und gute Infrastruktur sind also Anziehungsmomente und vice versa. Firmensynergien mögen also wirtschaftlich effizient sein, sie sind aber nicht unbedingt auch optimal aus Sicht von Mensch und Gesellschaft. Schon diese simplen Zusammenhänge zeigen etliche Problematiken auf, denen sich das regionale Management stellen muss. Wirtschaftlich sehr erfolgreiche Regionen mit hoher Firmendichte und -synergetik wirken im Sinne

176

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

des materiellen Lebensstandards auf eine attraktive Einstufung der Region bei den Menschen hin, allerdings bedeuten viele Firmen und Interaktionen einen hohen Dichtestress und – je nach Branche unterschiedlich – hohe Emissionen und damit schlechte Umweltqualität im natürlichen Sinn. Industrielle Komplexe sind logischerweise von den luftbelastenden Gefahren mehr betroffen als Servicekomplexe. Den Dichtestress beinhalten sie aber beide. Dies wird in der einzigen inversen Relation des Modells abgebildet:

[5]

w = w(u) –

So entsteht eine „Gratwanderung“. Je nach Umfang und Gewichtung dieser Umweltprobleme hat das Einkommensniveau ein Gegengewicht durch die Mobilität zuzugs- bzw. wegzugsbereiter Menschen. Es ist nicht klar, ob sich die Region nicht längerfristig selbst der Arbeitskräfte als Wachstumsfaktor beraubt, wenn sie das Schwergewicht der Entwicklung verhältnismäßig einseitig auf die Wertschöpfungsseite legt. Würde man durch massive Agglomerationspolitik rückläufige Lebensqualität erzeugen, könnte das gemäß [3] Abwanderungseffekte implizieren, was auf längere Sicht die Wertschöpfungsund weitere Ansiedlungsprozesse erschweren würde. Vielleicht könnte man unter solchen Umständen die Auswirkungen einer Abwanderungstendenz durch bessere regionale Ausbildungsmaßnahmen und eine qualitative Verbesserung der verbleibenden Arbeitsqualität zumindest übergangsweise ausgleichen. Vermutlich wäre es aber schlauer, die regionale Forschung in Richtung Emissionsreduzierung zu orientieren und im Sinne des EU-Emissionsrechtehandels zu versuchen, regionale Lebensqualität und Klimaschutz zu vereinbaren, ohne Wertschöpfungsverluste hinnehmen zu müssen. Damit wäre eine wichtige Aufgabe des regionalen Managements, Wertschöpfungsprozesse mit umweltschonender Technologieführerschaft zu propagieren, allerdings ist hierfür der politische Handlungsraum beschränkt. Die gezielte regionale Forschungsunterstützung ist aber ein möglicher Hebel. So zeigen also die Modellvorstellungen, dass es auch im regionalen Handlungsraum gewisse Hebel gibt, um unliebsamen Entwicklungen entgegen zu wirken. Regionale Qualifizierungsmaßnahmen zählen hierzu. Inwieweit dies nötig ist hängt zunächst einmal davon ab, wie der sich selbst verstärkende Agglomerationsdrall tatsächlich zur Verschlechterung der Umweltbedingungen führt: Kommen mehr Serviceanbieter in die Region, muss sich die produktionsspezifische Emission keineswegs erhöhen. Aber selbst wenn mehr Industriekomplexe hinzutreten, hängt es vom eingesetzten Technologiestandard ab, und der ist wie oben schon angesprochen beeinflussbar. Der Dichtestress wird indes in jedem Falle zunehmen und unter Umständen auch die zunehmende natürliche Umweltbelastung durch den Individu-

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

177

alverkehr, was aber beides beispielsweise durch bessere und mehr Nahverkehrsangebote als Teil der Infrastruktur unterlaufen werden kann. Wieder ist Wertschöpfungswachstum nicht zwingend mit merklich schlechteren Umweltbedingungen verbunden, kann aber! Im letztgenannten Fall ist dann für die weiteren Folgerungen ausschlaggebend, wie sensibel die Menschen in der Region darauf reagieren, dass die Umweltqualität nachlässt beziehungsweise inwieweit die möglicherweise besseren Verdienstchancen darüber hinweg zu trösten vermögen; dann wäre α in [3a] unbedeutend und es läge eine konfliktlose „heile“ Welt vor, in der das Einkommen die Nutzenfunktion der Menschen dominiert. Das kann allerdings dann nicht mehr funktionieren, wenn beispielsweise keinerlei Wohnraum mehr verfügbar ist und der möglicherweise tröstende Einkommenserfolg aufgrund fehlender „Bleibe“ gar nicht mehr (nachhaltig) gesichert ist. Hier gibt es also „natürliche“ Grenzen. An dieser Stelle der Argumentation ist es im Einklang mit den eingangs erwähnten Erkenntnissen von Porter und Krugman sinnvoll, eine unausgesprochene Annahme des Modells, nämlich die der Homogenität des regionalen Raumes bzw. der Punktkonzentration, aufzugeben. Dann eröffnet sich eine neue Version der Thünen’schen Ringe191, hier nicht auf Produktionsstandorte in Abhängigkeit von Transportkosten um das Zentrum bezogen, sondern auf Wohnstandorte der arbeitenden Menschen und ihrer Familien um den Cluster herum. Erfahrungsgemäß ziehen die Menschen nach und nach immer weiter in die „Außenbezirke“ der Zentren und dann der Großregion, um dort zu wohnen, wenn in den mehr zentralen Zonen kein adäquater Wohnraum mehr erhältlich und/oder dortige Umweltbelastungen zu hoch erscheinen. Damit gewinnt das tägliche Pendeln an Bedeutung und damit wächst die Rolle der Straßen- und Schieneninfrastruktur, nicht nur im Nahbereich. Die für das Funktionieren der Region unabdingbaren Arbeitskräfte sind raumverteilt und mobil, was zum einen die regionalwirtschaftliche Bedeutung der Pendlerpauschale erkennen lässt. Auf der anderen Seite bedeutet das im Gegensatz zum Ausgangsgrundmodell noch keinen Verlust an Workforce durch schlechte Rahmenbedingungen, da das „Raumventil“ dies abfängt. Man könnte also meinen, wenn die Infrastruktur einigermaßen stimmt, seien die Wegzugsverluste von Menschen für die Region durch schlechte Umweltbedingungen vernachlässigbar. Man sollte dann allerdings an die Endlichkeit des regionalen Raumes denken!

191 von Thünen, Johann Heinrich: Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie, Hamburg 1826. Vgl. Hierzu auch Lösch, August: Die räumliche Ordnung der Wirtschaft, 3. unveränderte Aufl., Stuttgart 1962.

178

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Darst. 2: Regionale Konkurrenz an der Peripherie

Quelle: Eigene Darstellung.

In den Überlappungsbereichen mit anderen Regionen kann es eine erhebliche Konkurrenz der Regionen um die Pendler geben, zumindest dort, wo die Verkehrsinfrastruktur eine gewisse Indifferenz nach verschiedenen Richtungen erlaubt. Dies betont erneut die große Bedeutung der Verkehrsinfrastruktur bis in die äußerste Peripherie der Region. Die Dynamik des Modells ist also bestimmt durch die sich selbst verstärkende Einkommens-Unternehmens-Spirale, solange die Einkommensabhängigkeit der Lebensqualität positive Beschäftigungseffekte dominiert. Sollte allerdings die Umweltqualität ein negatives Übergewicht durch „Übersiedelung“ bilden, kann die Dynamik umkippen und der Prozess rückwärts laufen, falls Abwanderungseffekte die wirtschaftliche Entwicklung umkehren. Darst. 3: Der Kritische Punkt y

t

Quelle: Eigene Darstellung.

179

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Ob, und wenn ja wann dieser Punkt erreicht wird hängt von der Beschaffenheit und den Koeffizienten der verwendeten Funktionen ab, die hierzu spezifiziert werden müssten, sowie von der Tragweite des „Raumventils“. Ausgeschlossen sind solche Umkehrprozesse nicht, aber es steht zu vermuten, dass sie in der Realität sehr lange durch Ausweicheffekte im Raum aufgefangen werden können; sie sind jedoch vermutlich um so wahrscheinlicher, je räumlich kleiner Regionen sind und je mehr sie eingebettet in ein wettbewerbliches Umfeld von anderen starken Konkurrenzregionen sind. Die Überlegungen wurden bislang anhand einer Region mit positiver Agglomerationstendenz durchgespielt, können aber natürlich genau so gut umgekehrt angewendet werden. Eine unter Abwanderungsdruck stehende Region mit unterdurchschnittlicher Firmendichte und einer ebensolchen Wertschöpfungssituation wird es schwer haben, den Prozess umzukehren, weil alleine eine gute Umweltqualität im marktwirtschaftlich-kapitalistischen System noch lange keine Überlebenschance für die einzelnen Menschen generiert. Selbst bei guter Infrastrukturausstattung ist eine Umkehr bestenfalls dann zu erwarten, wenn es gelingt, eine hohe Forschungsdichte und eine gute Außenhandelseinbettung zu erreichen, was aber seinerseits nur funktionieren kann, wenn es im Zusammenwirken mit genügend Firmenpotenzial auftritt. Dieses zu erzeugen ist also zentral, aber gleichermaßen alles andere als einfach. Anhang Die logische Grundstruktur des Modells als Grafik Darst. 4: Übersicht über die Kausalitäten

u

f

a

b

s y

w

q Quelle: Eigene Darstellung.

Hinweis: Die durchgehenden Pfeile signalisieren einen gleichgerichteten Zusammenhang, gestrichelter Pfeil steht für inverse Relation.

180

3.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Was tut die Europäische Union für Regionen?

Thomas Einsfelder/Peter Volkmann: IHK zu Rostock

3.1

Einleitung

Die Europäische Union (EU) zählt weltweit zu den Regionen mit dem höchsten Wohlstandsniveau. Dennoch besteht ein Wohlstandsgefälle sowohl zwischen als auch innerhalb der einzelnen EU-Länder und Regionen. Nachdem über Jahrzehnte die meisten Finanzmittel der Europäischen Union (EU) in die Landwirtschaft geflossen sind, etabliert sich zunehmend die EU-Regionalpolitik als wichtigster und finanziell bald bedeutendster Politikbereich der EU. Ziel der Regionalpolitik ist es, den im weltweiten Kontext erforderlichen wirtschaftlichen Wandel zu beschleunigen und gleichzeitig die großen Ungleichgewichte in der Wirtschaftsleistung und den Lebensbedingungen in und zwischen den europäischen Regionen auszugleichen. Diese Politik ist nicht nur Ausdruck der europäischen Solidarität. Sie trägt maßgeblich zur Stabilität innerhalb der EU bei und soll letztlich höhere Kosten vermeiden, die mit der nachträglichen Bewältigung weit größerer Ungleichgewichte verbunden wären. Mit ihrer Regionalpolitik will die EU daher die territoriale, soziale und wirtschaftliche „Kohäsion“ in der EU stärken, indem Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen verringert werden sollen. Die Europäische Union gibt inzwischen mehr als ein Drittel ihrer Haushaltsmittel für die EU-Kohäsionspolitik aus. In der laufenden siebenjährigen Förderperiode 2007-2013 sind das 347 Mrd. Euro. Als eine Region wurde und wird das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern durch verschiedene finanzielle Hilfen der EU unterstützt. Was die EU konkret für die Regionen leisten kann, behandelt der Beitrag am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns, das an der Strukturfondsförderung der Europäischen Union in der laufenden Förderperiode mit einem Mittelumfang von ca. 2,55 Mrd. Euro partizipiert. Regionale Ungleichheiten können auf langfristige Benachteiligungen aufgrund geografischer Lage oder auf soziale und wirtschaftliche Umbrüche, z.B. aus „Altlasten“ ehemaliger Planwirtschaften zurückgehen. Diese zeigen sich häufig in geringer Wirtschaftskraft, höherer Arbeitslosigkeit und unzureichender Infrastruktur. Mit der Schaffung des Binnenmarktes wollte die heutige EU ursprünglich den Abbau von Entwicklungsunterschieden zwischen den einzelnen europäischen Regionen herbeiführen. Doch dieser Ansatz alleine konnte zunehmende Ungleichgewichte in der Entwicklung und im Lebensstandard unter den Mitgliedsstaaten nicht ausgleichen. Anhaltende Ungleichgewichte, die sich in Folge von Strukturschwächen im Pro-Kopf-Einkommen oder in der Arbeitslosenrate zeigen, deuten daraufhin, dass Marktmechanismen alleine es

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

181

nicht vermögen, einen Ausgleich zu schaffen. Da zudem Wirtschaftszentren aufgrund ihres endogenen Wachstumspotenzials den schwächeren Regionen „weiter davon laufen“ würden, reagierte die EU daher mit einem weiteren Politikbereich – der europäischen Regionalpolitik. Mit dieser soll schwächeren Regionen geholfen werden, Nachteile zu überwinden und an die höher entwickelten Regionen anzuschließen. Ziel ist es, einen selbsttragenden Aufschwung in Gang zu setzen und schwächere Regionen in die Lage zu versetzten, zunehmend aus eigener Kraft ihren Entwicklungsrückstand aufzuholen. Diese politisch gewollte und begründete Intervention soll letztlich dazu führen, dass die überregionale Wettbewerbsfähigkeit durch Produktivitätssteigerungen oder die Einführung neuer Technologien und Produkte verbessert wird. Dazu kommen die Mittel der EU in Kombination mit eigenen regionalen Finanzhilfen der Mitgliedstaaten (in Deutschland Bund und Länder) zum Einsatz: EU-Strukturfonds werden durch nationale Finanzmittel ergänzt oder stärken selbst nationale Programme, wie z.B. die sog. Gemeinschaftsaufgabe, die auch in Mecklenburg-Vorpommern das Hauptinstrument der Wirtschaftsförderung darstellt (Förderung betrieblicher und kommunaler Investitionsvorhaben, die der Verbesserung der Wirtschaftsstruktur dienen). In der Förderperiode 2000 – 2006 verfolgte die EU mit ihrer Regionalpolitik drei Ziele: ÿ Ziel 1: Entwicklung und strukturelle Anpassung von Regionen mit Entwicklungsrückstand (Regionen, deren BIP/Kopf unter 75 % des europäischen Durchschnitts liegt – hierzu gehört auch MecklenburgVorpommern) ÿ Ziel 2: Wirtschaftliche und soziale Umstellung von Regionen mit besonderen Strukturproblemen (soweit nicht Ziel-1-Region) ÿ Ziel 3: Entwicklung der Humanressourcen durch Modernisierung von Bildungs- und Ausbildungssystemen sowie Förderung von Beschäftigung Die EU hat die Erweiterung zu einer Neuausrichtung und Umstrukturierung ihrer Regionalpolitik genutzt. Im Zeitraum 2007 bis 2013 werden Regionalausgaben 36 % des EU-Haushalts ausmachen. Dies entspricht Ausgaben in Höhe von knapp 350 Milliarden Euro über einen Zeitraum von sieben Jahren. Im Rahmen der neuen Kohäsionspolitik werden insbesondere drei Ziele verfolgt: Konvergenz, Wettbewerbsfähigkeit und Zusammenarbeit. Der Großteil der Regionalausgaben geht an die Regionen, deren BIP unter 75 % des EU Durchschnitts liegt, um zur Verbesserung ihrer Infrastrukturen beizutragen sowie die Entwicklung ihres Wirtschaftspotenzials und ihrer Humanressourcen zu unterstützen. Das betrifft 17 der 27 EU-Länder. Andererseits können alle 27 Mitgliedstaaten Anträge auf finanzielle Unterstützung stellen, um Innovation und Forschung, nachhaltige Entwicklung und die betriebliche

182

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Ausbildung in ihren weniger entwickelten Regionen zu fördern. Ein kleinerer Teil der Mittel geht an grenzübergreifende und interregionale Kooperationsprojekte. Mit der Erweiterung der EU in 2004 bestand in der Regionalpolitik Handlungsbedarf, diese neu auszurichten. Die neuen Mitglieder in Mittel- und Osteuropa wären nach alter Lesart Ziel-1-Regionen gewesen und hätten wegen ihrer geringen Wirtschaftskraft das durchschnittliche BIP soweit gesenkt, das einige Regionen – mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zumindest einzelne Regionen in Mecklenburg-Vorpommern – nach dem alten EU-Gebietsstand (EU15) aus der Förderung herausgefallen wären. Daher wurden für die Förderperiode 2007 – 2013 zum Einsatz der EU-Strukturfonds neue Ziele definiert: ÿ Konvergenz (wie bisher für Regionen, deren BIP/Kopf unter 75 % des europäischen Durchschnitts liegt – hierzu gehört weiterhin auch Mecklenburg-Vorpommern) ÿ Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (alle Regionen der EU, soweit nicht unter dem Ziel Konvergenz) ÿ Europäische territoriale Zusammenarbeit (Förderung der grenzüberschreitenden, transnationalen, interregionalen Zusammenarbeit zwischen den europäischen Regionen, Entwicklung gemeinsamer Strategien/Lösungen für Städte oder Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung/des Umweltmanagements in Land- und Küstenregionen)

3.2

Strukturfonds als Instrumente der Europäischen Regionalpolitik

Instrumente der europäischen Regionalpolitik, an denen auch MecklenburgVorpommern partizipiert, sind die Strukturfonds sowie der Kohäsionsfonds. Die Fonds ermöglichen Zuschüsse zu verschiedenen Projekten, ebenso können sie anteilig zur Ausreichung von Darlehen oder Bürgschaften eingesetzt werden. Für die Wirtschaftsförderung sind insbesondere der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sowie der Europäische Sozialfonds (ESF) relevant. Der EFRE beteiligt sich an Infrastrukturinvestitionen (z.B. Ausbau/Errichtung von Gewerbegebieten), betrieblichen Investitionen (z.B. Neuansiedlungen oder Schaffung von Arbeitsplätzen), der Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen einschließlich Existenzgründungen oder Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. Gleichfalls werden auch Gemeinschaftsinitiativen der EU, z.B. die Verbesserung der grenzübergreifenden, transnationalen und interregionalen Zusammenarbeit (INTERREG) aus dem EFRE mitfinanziert. Der ESF bildet das Kernelement für die Unterstützung

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

183

der gemeinschaftlichen Sozialpolitik, hier insbesondere die Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer an sich verändernde Arbeitsmärkte (z.B. durch Weiterbildungsmaßnahmen) oder Aktivitäten zur Vermeidung und Bekämpfung von Arbeitslosigkeit (z.B. Maßnahmen zur Eingliederung von Arbeitslosen und benachteiligten Gruppen). Der Kohäsionsfonds unterstützt besonders benachteiligte Regionen (BSP unter 90 % des Gemeinschaftsdurchschnitts) bei der Durchführung von Umwelt- und Infrastrukturprojekten (kommt in Deutschland nicht zur Anwendung). Die Ausrichtung der Regionalpolitik in Deutschland, also der Einsatz und die Verwendung der Strukturfondsmittel, muss mit der EU abgestimmt und – um Wettbewerbsverzerrungen soweit möglich zu vermeiden – durch diese genehmigt werden. In diesem Kontext stimmen in Deutschland Bund und Länder Oberziele ab, die Länder selbst erstellen gesondert „Operationelle Programme“; ausgehend von regionalen Unterschieden und Besonderheiten legt jedes Bundesland konkrete Förderziele vor. An der Erarbeitung der operationellen Programme in den Regionen sind verschiedene Verbände und Institutionen beteiligt. In Mecklenburg-Vorpommern begleitet die „Gemeinsame Verwaltungsbehörde“ (bei der Staatskanzlei angesiedelt) unter Einbeziehung aller beteiligten Ressorts der Landesregierung die Einrichtung der erforderlichen Begleitungs-, Prüf- und Kontrollmechanismen und delegiert die Umsetzung der Programme an die einzelnen zwischengeschalteten Stellen in den jeweils zuständigen Ressorts. Gleichzeitig bindet die Gemeinsame Verwaltungsbehörde die Wirtschafts- und Sozialpartner im Rahmen des sog. Begleitausschusses in die Arbeiten ein und gewährleistet die frühzeitige Berücksichtigung der verschiedenen gesellschaftlichen Interessen. Eine (und nur eine) Stimme in diesem Gremium hat auch die sog. „Wirtschaftsbank“, die aus der Vereinigung der Unternehmensverbände sowie den Handwerks- und Industrie- und Handelskammern in Mecklenburg-Vorpommern besteht.

3.3

Mecklenburg-Vorpommern als Zielregion europäischer Kohäsionspolitik

Mecklenburg hat am aktuellen Rand (2006 bis 2008) hinsichtlich der Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Abbau der Arbeitslosigkeit und der Entwicklung der Einkommen insgesamt beachtliche Fortschritte gemacht. Insbesondere das Verarbeitende Gewerbe und die Tourismusbranche konnten ein beachtliches Wirtschaftswachstum aufweisen und damit auch weiter schrumpfende Bereiche, insbesondere Bauwirtschaft und den öffentlichen Sektor, ausgleichen. Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nahm in diesem Zeitraum zu, so dass Im September 2008 der

184

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

niedrigste Stand in der Zahl der Arbeitslosen seit der Wiedervereinigung verzeichnet werden konnte. Gleichwohl befindet sich das Land anhaltend in einem Strukturwandel: die Entwicklung kann zwar (bezogen auf Veränderungsraten) zufriedenstellen, das absolute Niveau ist jedoch – verglichen mit anderen Bundesländern – in der Gesamtschau nach wie vor unterdurchschnittlich. Die Wirtschaftskraft ist nach wie vor zu gering, die immer noch zu hohe Arbeitslosigkeit zu beseitigen und das Land wirtschaftlich und haushalterisch unabhängiger zu machen. Ebenso ist die Wirtschaftsstruktur insgesamt noch nicht tragfähig, so dass auch im Einkommensniveau Verbesserungen nur langfristig zu erwarten sind. Und die demografische Entwicklung führt durch Alterung und Abwanderung zu einer weiteren Verringerung des Potenzials der Erwerbspersonen – deutliche Signale sind hier schon heute sichtbar. Mecklenburg-Vorpommern findet daher aufgrund seines Entwicklungsstandes besondere Berücksichtigung in der europäischen Regionalpolitik, die neben den Anliegen der neu beigetretenen Staaten auch die der neuen Bundesländer in berücksichtigt. Obwohl sich die Wirtschaftslage MecklenburgVorpommerns in den zurückliegenden Jahren verbessert hat, bestehen aber immer noch große sozioökonomische Herausforderungen. So sind im gesamtdeutschen Vergleich der ökonomischen Indikatoren wie Bruttoinlandsprodukt, Arbeitslosigkeit und Beschäftigungswachstum deutliche Rückstände erkennbar. Der Aufholprozess des Landes gegenüber westlichen Bundesländern hatte sich in den vergangenen Jahren verlangsamt und ist teilweise sogar zum Stillstand gekommen. Disparitäten zwischen Ost und West werden dadurch verfestigt. Die Abwanderung der jungen Bevölkerung dauert an und die Exportquote des Landes ist immer noch niedrig. Insgesamt besteht der strukturpolitische Handlungsbedarf für das Land und seine Regionen auch weiterhin in unveränderter Intensität. Die Europäische Union unterstützt MecklenburgVorpommern in seinem wirtschaftlichen Transformationsprozess vor allem durch den Einsatz ihrer Strukturfonds. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, die Wirtschaftspolitik des Landes nach 1990 während des schwierigen Transformationsprozesses von einer zentral verwalteten Wirtschaft zu einer Marktwirtschaft erfolgreich zu begleiten. So stieg das Bruttoinlandsprodukt von 7.500 Euro pro Kopf im Jahr 1991 auf 20.300 Euro pro Kopf im Jahr 2007 an. Nach aktuellen Berechnungen liegt das Bruttoinlandsprodukt des Landes im EU-27-Vergleich bei 78,3%. Die Strukturfonds unterstützen das Land Mecklenburg-Vorpommern sowohl bei der Ansiedlung von Unternehmen in Form von Unternehmensinvestitionen als durch Infrastrukturinvestitionen. Das Verarbeitende Gewerbe konnte – auch mit Hilfe der Strukturfondsförderung – das Wachstum der Vorjahre steigern und im Jahr 2007 den Rückgang in der Bauindustrie und anderen Branchen erstmals vollständig kompensieren. Die Strukturfonds leisteten in den zurückliegenden Jahren einen wichtigen Beitrag für die Bekämpfung

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

185

der Arbeitslosigkeit, die von 22,1% im Jahr 2005 auf 15,1% im Januar 2008 zurückging. Mecklenburg-Vorpommern ist aufgrund seiner Entwicklungsrückstände im Vergleich zum EU-Durchschnitt in der Förderperiode 2007-2013 als sogenannte Konvergenzregion eingestuft worden und befindet sich damit in der höchsten Förderstufe der Europäischen Union und kann insbesondere die Strukturfonds EFRE, ESF und ELER nutzen. Der EFRE zielt schwerpunktmäßig auf wachstumsfördernde Verbesserungen der Standortbedingungen. Hierzu fördert der EFRE vor allem zukunftsgerichtete Investitionen in den Bereichen Forschung, technologische Entwicklung und Innovation, gewerbliche Wirtschaft sowie öffentliche Infrastruktur. Der ESF begleitet diese Zukunftsinvestitionen durch eine strukturentwickelnde, wachstums- und beschäftigungsorientierte Strategie mit einer Konzentration auf die Humanressourcenentwicklung. Der ELER unterstützt den ländlichen Raum bei der Bewältigung der Herausforderungen des wirtschaftlichen Strukturwandels. Naturgemäß folgt der Einsatz, d.h. die Setzung von Schwerpunkten, der verfügbaren Finanzmittel politischen Zielstellungen, die sich in MecklenburgVorpommern im Wesentlichen in der Mittelverteilung/-verwendung in der konkreten Ausgestaltung und Umsetzung der vom Land „angebotenen“ Förderprogramme zeigt. Hinsichtlich der Zahl der Programme besteht eine mehr oder weniger gute „Übersichtlichkeit“ (siehe Anhang), die landespolitischen Zielstellungen, aber auch dem Regelwerk der EU geschuldet ist. Die seit 2006 in Mecklenburg-Vorpommern regierende Koalition aus SPD und CDU hat sich auf das wirtschaftspolitische Ziel „Wirtschaft stärken, Wachstum fördern und damit dauerhafte Arbeitsplätze auf dem ersten (regulären) Arbeitsmarkt schaffen und sichern“ verständigt. Auch heute bildet die Förderung aus den europäischen Strukturfonds dabei eine wesentliche Grundlage der Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung in Mecklenburg-Vorpommern. Für den Einsatz von EFRE, ESF und ELER hat die Landesregierung zu Recht eine abgestimmte Strategie im Sinne eines integrierten Einsatzes festgelegt. Insbesondere wurden EFRE und ESF – auch organisatorisch – im Sinne der wirtschaftspolitischen Zielstellung ausgerichtet und miteinander verbunden.

186

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Darst. 1: Ziele und Entwicklungsstrategien EFRE und ESF in Mecklenburg-Vorpommern EU-Förderperiode 2007 – 2013: Ziele und Entwicklungsstrategien EFRE und ESF in Mecklenburg-Vorpommern Oberziel

Steigerung der Wirtschaftskraft sowie Schaffung und Sicherung dauerhafter Arbeitsplätze durch nachhaltiges Wachstum Entwicklung geStärkung der untersellschaftlicher nehmerischen Wissens- und Wettbewerbs- und InnovationsAnpassungsfähigkeit potenziale

Verbesserung des Arbeitsmarktzugangs und der sozialen Integration

Förderung von Verbesserung Anpassungsfähigkeit, Innovation, FuE, der InvestitiBildung Wettbewerbsfähigonsrahmenkeit, insb. von KMU Verbesserung bedingungen Humankapital

Zugang und soziale Eingliederung Benachteiligter

Dynamisches Regionale Umfeld für Strategische Standortqualität Investitionen Ziele und Anzieund Beschäfhungskraft tigung

Spezifische Ziele

Querschnittsziele

Entwicklung/ Ausbau Infrastruktur für nachhaltiges Wachstum

Chancengleichheit von Frauen und Männern Schutz der Umwelt und nachhaltige Entwicklung Bewältigung der demografischen Herausforderungen Entwicklungschancen durch transnationale und interregionale Kooperation

Quelle: Zusammengestellt nach: Ministerium für Wirtschaft, Tourismus und Arbeit Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.): Wirtschaftsbericht 2008 des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Mehr Wirtschaft, Mehr Arbeit, Mehr Einkommen, Schwerin 2008.

3.4

Mittelhöhe und Schwerpunkte beim Einsatz der Strukturfonds

Die operationellen Programme Mecklenburg-Vorpommerns des EFRE und des ESF sowie das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum (EPLR) wurden im September 2007 von der Europäischen Kommission genehmigt. Mecklenburg-Vorpommern werden im Rahmen dieser Programme in der vierten Förderperiode Mittel in einer Gesamthöhe von 2,552 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Damit stehen dem Land gegenüber der letzten Förderperiode Finanzmittel in annähernd vergleichbarem Umfang zur Verfügung. Mit den Europäischen Strukturfonds begegnet die Europäische Union in MecklenburgVorpommern den zentralen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen, die insbesondere mit den Stichworten Arbeitslosigkeit – Abwanderung – Wertschöpfungslücke bei finanziell enger werdender Situation gekennzeichnet werden können. Angesichts dieser Herausforderungen werden die Strukturfondsmittel gezielt für eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik verwendet, die auf Wachstum, Innovation und Beschäftigung setzt. Damit will

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

187

die EU den Unternehmen ermöglichen, neue Arbeitsplätze zu schaffen bzw. bestehende im Wettbewerb zu sichern. Das gilt für vorhandene Unternehmen, die wachsen, aber auch für neue Unternehmen, die sich im Land ansiedeln oder neu gründen. Dabei wird dort angesetzt, wo bereits Stärken im Land vorhanden sind oder Potenziale für eine positive wirtschaftliche Entwicklung ausgebaut werden können.

3.5

ELER und Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2007 – 2013 (EPLR)

Mecklenburg-Vorpommern ist überwiegend ländlich strukturiert. Fast die Hälfte der Bevölkerung lebt in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern. Wachstumspole, die auf umliegenden Regionen ausstrahlen könnten, sind – abgesehen von den größeren Städten – eher die Ausnahme, denn die Regel. Vor diesem Hintergrund ist der ländliche Raum mit besonderen Anforderungen konfrontiert. Der neu geschaffene Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) bietet die Gelegenheit, den damit verbundenen Problemen wirksam zu begegnen und die Entwicklung des ländlichen Raumes im Einklang mit der Gesamtstrategie der EU weiter voranzubringen, insbesondere durch die Umsetzung der neuen Agrarpolitik. Der ELER ersetzt den bisherigen Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds EAGFL. Für die Entwicklung des ländlichen Raumes wendet die EU inzwischen ca. ein Viertel der insgesamt für die Agrarpolitik zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel auf. Nach der ELER-Verordnung gilt Mecklenburg-Vorpommern flächendeckend als Konvergenzregion. Das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommern 2007 – 2013 wird daher grundsätzlich flächendeckend in Mecklenburg-Vorpommern angeboten. Die Förderung des ELER konzentriert sich auf drei Hauptbereiche: die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Land- und Forstwirtschaft; Verbesserung der Landschaft und Umwelt; Lebensqualität im ländlichen Raum und Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft (s. Anhang zu den vorgesehenen Förderinstrumenten). Mecklenburg-Vorpommern erhält aus dem ELER von 2007 bis 2013 Fördermittel in Höhe von rund 882 Millionen Euro, was ca. 34% der insgesamt zugewiesenen EU-Fonds ausmacht. In der neuen Programmperiode 2007 – 2013 steht den Mitgliedstaaten der EU für die ländliche Entwicklungspolitik zudem die sogenannte zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik als breites Spektrum von Maßnahmen zur Entwicklung der ländlichen Räume zur Verfügung. Der neue Rechtsrahmen bietet bessere Möglichkeiten, Wachstum und Beschäftigung in ländlichen Räumen durch gezielte Maßnahmen zu fördern und zugleich die Nachhaltigkeit zu verbessern. Um die festgelegten Prioritäten erreichen zu können, sind die Einzelmaßnahmen in thematischen Achsen gruppiert: Verbesserung der

188

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft; Förderung des Landmanagements und Verbesserung der Umwelt; Verbesserung der Lebensqualität und Förderung der Diversifizierung der wirtschaftlichen Tätigkeiten.

3.6

Das neue Ziel „Territoriale Zusammenarbeit“

Das bereits in der Vergangenheit existierende Programm der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (INTERREG) wird in der Förderperiode 2007-2013 im Rahmen des Ziels „Europäische territoriale Zusammenarbeit“ weitergeführt. Das Ziel hat drei Ausrichtungen: Ausrichtung A fördert die grenzübergreifende Zusammenarbeit durch lokale gemeinsame Initiativen, Ausrichtung B („transnationale Zusammenarbeit“) fördert Aktionen zur integrierten räumlichen Entwicklung größerer Räume (z.B. Ostseeraum), und die „interregionale Zusammenarbeit“ (Ausrichtung C) fördert europaweit Vernetzung und Erfahrungsaustausch. Aus Gründen der Wiedererkennung kann die Bezeichnung INTERREG auch weiterhin verwendet werden. Insgesamt ist INTERREG in der Programmperiode 2007-2013 finanziell besser ausgestattet als bisher; zwischen den drei o. g. Ausrichtungen hat sich das Budget zugunsten der transnationalen Zusammenarbeit verschoben. Für das gesamte Programm stehen 132,8 Mio. Euro an EFRE-Mitteln (Anteil Mecklenburg-Vorpommern: 48,88 Mio. Euro EFRE-Mittel) zur Verfügung. Im Dezember 2007 genehmigte die Europäische Kommission ein auch und gerade für Mecklenburg-Vorpommern interessantes Kooperationsprogramm zwischen Dänemark, Estland, Deutschland, Lettland, Litauen, Polen, Finnland und Schweden unter Beteiligung von Belarus, Norwegen und der Russischen Föderation (vergleichbare Programme bestehen auch für andere europäische Regionen, z.B. Mittelmeerraum). Das Programm erstreckt sich über den Zeitraum 2007-2013 und trägt die Bezeichnung „Programm für den Ostseeraum 2007-2013“. Das Programm wird mit EU-Mitteln u.a. dem EFRE finanziert. Das Gesamtbudget des Programms beträgt 293 Mio. EUR, wobei sich die EUUnterstützung auf etwa 231 Mio. EUR beläuft.Das „Ostseeprogramm“ will eine nachhaltige Entwicklung, die Wettbewerbsfähigkeit und den territorialen Zusammenhalt des Ostseeraumes stärken und verfolgt dazu die nachfolgenden Prioritäten: ÿ Innovationsförderung im Ostseeraum: Schwerpunkt dieser Priorität sind Kerninnovationen im Bereich Naturwissenschaft und Technik sowie nicht-technische Innovationen. ÿ Verbesserung der internen und externen Erreichbarkeit: Schwerpunkt liegt hier auf der Förderung und Bereitstellung gemeinsamer transnationaler Lösungen in den Bereichen Verkehr und Informationsund Kommunikationstechnologie (IKT).

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

189

ÿ Management der Ostsee als gemeinsame Ressource: diese Priorität unterstützt Maßnahmen, die darauf abzielen, die Umweltverschmutzung im Bereich der Meeresumwelt zu begrenzen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Sicherheit des Seeverkehrs. Darüber hinaus fördert diese Priorität die nachhaltige wirtschaftliche Nutzung offener Meeresgebiete mithilfe der besten verfügbaren Techniken und Praktiken. Besondere Beachtung findet die integrierte Entwicklung von Offshore- und Küstengebieten im Ostseeraum im Kontext des Klimawandels. ÿ Förderung attraktiver und wettbewerbsfähiger Städte und Regionen: Diese Priorität fördert die Zusammenarbeit zwischen Ballungsräumen, Städten und ländlichen Gebieten, um ihre Attraktivität für Bürger und Investoren zu steigern. Seit März 2008 können innerhalb festgelegter Antragszeiträume (sog. „Calls for proposals“) Projektanträge eingereicht werden. Nach dem ersten „Call“ wird deutlich, dass die EU gegenüber der Vergangenheit – zu Recht – höhere Maßstäbe an die Qualität der eingereichten Vorschläge anlegt: von 110 eingereichten Projekten sind in der ersten Runde nur 24 angenommen worden. Gleichfalls im Dezember 2007 billigte die Europäische Kommission für den Zeitraum 2007-2013 ein operationelles Programm für die grenzübergreifende Zusammenarbeit im südlichen Ostseeraum. Das Programmgebiet umfasst ein großes Territorium an Grenzregionen zwischen insgesamt fünf EUMitgliedstaaten: begünstigt sind die dänische Insel Bornholm, ausgewählte Küstengebiete/-regionen in Litauen, Polen, Schweden sowie in Deutschland die Kreise und kreisfreien Städte an der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern. Aber auch andere Regionen in den Ländern, die an die Fördergebiete angrenzen, können ebenfalls teilnehmen und eine anteilige Förderung erhalten. Das Programm ist mit einem Gesamtetat von rund 75 Mio. EUR ausgestattet. Mecklenburg-Vorpommern ist hier Programmpartner. Das neue Großprogramm hat ein Gesamtvolumen von 60,7 Mio. Euro EFRE-Mitteln (Anteil Mecklenburg-Vorpommern: 8,625 Mio. Euro).Übergeordnetes Ziel des Programms ist die Förderung der nachhaltigen Entwicklung im südlichen Ostseeraum. Das Programm legt den Akzent vor allem auf die folgenden Prioritäten: ÿ Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit: Ziele dieser Priorität sind Initiierung von Maßnahmen zur Integration von Wirtschaft und Arbeitsmarkt in der Region, Kooperation im Bereich Fach- und Hochschulausbildung, Austausch von Wissen und Know-how im öffentlichen und privaten Sektor sowie bessere Verkehrsanbindungen. ÿ Attraktivität und Gemeinsame Identität: Ziel dieser Prioritätsachse sind die Unterstützung beim Umgang mit Umweltgefahren sowie

190

Kapitel IV: Praktikerbeiträge Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Nutzung der natürlichen Rohstoffquellen und des kulturellen Erbes, mit besonderem Augenmerk auf der Tourismusindustrie, der Erschließung regenerativer Energiequellen, Energieeinsparungen sowie lokaler Initiativen zum Austausch auf der Ebene der Bürger.

3.7

Enterprise Europe Network als EU-gefördertes Projekt

Zu Beginn des Jahres 2008 hat die Europäische Kommission eine neues, europaweites Netzwerk, Enterprise Europe Network (EEN), mit dem Ziel ins Leben gerufen, die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu stärken, z.B. durch Heranführung an das Forschungsrahmenprogramm der EU. Insgesamt arbeiten in diesem Netzwerk über 600 Partnerorganisationen in mehr als 40 Ländern eng zusammen. EEN informiert und berät über innovationsorientierte Entwicklungen, Initiativen und Programme der EU und hilft Unternehmen bei der Suche nach Geschäftsund Technologiepartnern. In Mecklenburg-Vorpommern ist das EEN aus dem ehemaligen Euro Info Centre sowie dem Innovation Relay Centre in Form eines Konsortiums hervorgegangen und hat seine Arbeit im Mai 2008 aufgenommen. Die Beteiligung von Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern an spezifischen EU-Programmen fällt insgesamt unbefriedigend aus. Die Ursachen hierfür dürften in der unterdurchschnittlichen Unternehmensgröße sowie der häufig anzutreffenden mangelnden Erfahrung in internationaler Kooperation liegen. Auch dürfte die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Unternehmen in Projektkonsortien noch Entwicklungspotenziale bieten. Das EEN will und soll hier unterstützend tätig werden und eine messbare Verbesserung der Situation bewirken. Hier ist eine zielgruppengerechte Ansprache gefragt, die anhand der verfügbaren Potenziale auf geeignete Programme und EU-Aktivitäten orientiert.

3.8

Aus der Finanzkrise in den Aufschwung? – Ein Aktionsrahmen für Europa

Die bislang schwerste Krise der internationalen Finanzmärkte stellt Europa aktuell vor große Herausforderungen. Bereits jetzt zeichnet sich in der gesamten Wirtschaft ein deutlicher Konjunkturrückgang ab, der öffentliche Haushalte, Unternehmen und Arbeitsplätze trifft. Die Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft werden voraussichtlich mittelfristig zu einer geringeren Wachstumsrate führen und das Wachstum in den Jahren 2009 und 2010 deut-

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

191

lich hemmen. Voraussichtlich wird die Arbeitslosigkeit steigen, die Nachfrage sinken und die Finanzlage der öffentlichen Hand weiter belasten. Abzuwarten bleibt derzeit, in welchem Ausmaß auch Mecklenburg-Vorpommern betroffen sein wird. Ausgehend von der Wirtschaftsstruktur und der Einbindung in die internationale Arbeitsteilung spricht heute jedoch vieles dafür, dass negative Effekte auf wenige Branchen bzw. Wirtschaftszweige begrenzt sein werden. Insbesondere ist – wie in Deutschland insgesamt – aktuell keine flächendeckende Kreditklemme ersichtlich, wenngleich sich die Finanzierungsbedingungen freilich weiter verschlechtert haben. Zur Überwindung der Krise hat die EU im November 2008 ein (befristetes) europäisches Konjunkturprogramm mit vielfältigen möglichen Maßnahmen vorgeschlagen, die den Mitgliedsstaaten und den Regionen helfen sollen, die Folgen des Wirtschaftsabschwungs in der Welt und in Europa zu bewältigen. So hat die EU-Kommission beispielsweise den Beihilferahmen zeitlich befristet aufgestockt, um schnell einer möglichen Kreditklemme entgegen zu wirken und eine ausreichende Kreditvergabe an die Unternehmen sicherzustellen. Unternehmen, die krisenbedingt mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen haben, können durch begrenzte Zuwendungen unterstützt werden (staatliche Kreditbürgschaften mit günstigeren Prämien, subventionierte Kredite insbesondere zur Herstellung umweltfreundlicher Produkte, Risikokapitalbeihilfen bis zu 2,5 Mio. EUR). Bei Andauern der Krise ist eine Verlängerung der Maßnahmen nach Prüfung durch die EU-Kommission möglich. Wie die von der EU vorgeschlagenen Maßnahmen in Deutschland umgesetzt werden, ist derzeit nur schwer abschätzbar. Einzelne Vorschläge sind in die aktuelle politische Diskussion eingeflossen – auf die Umsetzung und die Ergebnisse darf man sicher gespannt sein.

3.9

Struktur und Regionalpolitik der EU – ein Ausblick

Mit der Vorlage des 4. Kohäsionsberichts durch die Europäische Kommission im Mai 2007 hat bereits die Debatte über die Ausgestaltung der EU-Kohäsionspolitik nach 2013 begonnen. Der Kohäsionsbericht enthält eine Reihe von Fragen, zu denen ein öffentliches Konsultationsverfahren stattgefunden hat. Konkrete Aussagen der Europäischen Kommission zur Zukunft der Kohäsionspolitik sind zwar erst im nächsten Kohäsionsbericht 2010 zu erwarten. Allerdings besteht für Mecklenburg-Vorpommern wie für die anderen deutschen Länder die Notwendigkeit, ihre Interessen rechtzeitig in die beginnende Erörterung einzubringen. Dies gilt um so mehr, als durch die EU-Erweiterung um Rumänien und Bulgarien Mecklenburg-Vorpommern wie alle ostdeutschen Länder über dem derzeit gültigen Ziel-1-Schwellenwert von 75% des durchschnittlichen EU-BIP pro Kopf, bezogen auf die EU-27, liegen.

192

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Die letzte Erweiterung hat also – ähnlich wie die Erweiterung auf EU-25 – Mecklenburg-Vorpommern und die anderen ostdeutschen Länder statistisch reicher gemacht. Durch eventuelle künftige Erweiterungen der EU könnte dieser statistische Effekt noch verschärft werden. Die Ausgestaltung der künftigen Förderung und eventueller Anschluss- oder Übergangsregelungen bei Wegfall des Ziel-1-Status ist also von wesentlichem Interesse für das Land. Vor dem Hintergrund der aktuellen globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ist die Zukunft der wirtschaftlichen Entwicklung ungewiss. Die EU beginnt daher die Politiken der Gemeinschaft daraufhin zu prüfen, wie sie auf die Herausforderungen der europäischen Regionen in den nächsten Jahren anzupassen sind. Der Prozess über die künftige Ausgestaltung der Regional- bzw. Strukturpolitik erfolgt auch vor dem Hintergrund der Haushaltsüberprüfung (vollständige, weitreichende Überprüfung sämtlicher der EU-Ausgaben). In diesem Zusammenhang werden neue politische Herausforderungen identifiziert, die die künftigen Maßnahmen der Union entscheidend beeinflussen könnten. Herausforderungen mit besonderer Relevanz für die europäischen Regionen sieht die EU insbesondere in vier Feldern: 1. Auswirkungen der Globalisierung: die Öffnung neuer Märkte schafft umfangreiche neue Chancen, wird aber gleichzeitig die Fähigkeit Europas auf den Prüfstand stellen, sich weiter an strukturelle Veränderungen anzupassen und die Folgen dieses Wandels zu bewältigen, 2. der demografische Wandel wird die Alters- und Beschäftigungsstruktur verändern, 3. die Auswirkungen des Klimawandels, 4. Sichere, nachhaltige und wettbewerbsfähige Energieversorgung als eine der wichtigsten Herausforderungen. Die EU hat den Diskussionsprozess zu den Auswirkungen dieser Herausforderungen auf die europäischen Regionen in einem Zeitrahmen bis 2020 gestartet. Da auch Mecklenburg-Vorpommern hiervon betroffen ist/sein wird, erscheint es vor dem Hintergrund sich bietender Chancen, aber auch abzeichnender Risiken, notwendig, die weitere Diskussion auf europäischer Ebene aufmerksam zu verfolgen und mitzugestalten. Die europäische Regionalpolitik wird auch weiterhin auf die Solidarität zwischen den europäischen Völkern setzen. Die Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts durch Abbau der regionalen Entwicklungsunterschiede ist ein grundlegendes, im Vertrag festgelegtes Ziel der EU. Die kohäsionspolitischen Investitionen konzentrieren sich zwar auf ärmere Regionen, damit diese schneller den Anschluss an den EU-Durchschnitt finden. Jedoch haben sie auch spürbare Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit aller Regionen und auf die Lebensbedingungen ihrer Bewohner.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

193

Globalisierung, Klimawandel, Überalterung der Bevölkerung, externe Einwanderung oder die Notwendigkeit einer nachhaltigen Energieversorgung sind Herausforderungen für ganz Europa, die keine Rücksicht auf nationale, institutionelle oder politische Grenzen nehmen. Der strategische Mehrwert der Kohäsionspolitik geht über Wachstum und Beschäftigung hinaus. Sie bietet grundsätzlich das Potenzial, gemeinsame Herausforderungen in Chancen zu verwandeln. Dies zeigt sich an den abertausend Projekten der EU, der Mitgliedstaaten und der Regionen.

3.10

Zum Schluss: Was die EU tut – alles zum Nutzen der Regionen?

Das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern lässt den Schluss zu, dass die Strukturpolitik der EU grundsätzlich positive Wirkungen im Sinne des Abbaus von Entwicklungsrückständen ermöglichen kann. Allerdings – auch dies zeigt Mecklenburg-Vorpommern – ist eine verlässliche Wirkungseinschätzung mit hohen Unsicherheiten behaftet: „natürlicher“ Strukturwandel und exogene Effekte, v.a. konjunkturelle Einflüsse, können die Wirkungen der EU-Regionalpolitik verstärken – oder eben auch reduzieren. Zudem besteht die Gefahr, dass Mittel auf längere Sicht „verbrannt“ werden, in dem geförderte Marktteilnehmer aus dem Wettbewerb ausscheiden. Zudem können potenziell die Zielstellungen „Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft“ und „Abbau von Arbeitslosigkeit“ sich gegenseitig konterkarieren: notwendige und gewollte Produktivitätsfortschritte und Veränderungen der Wirtschaftsstruktur können dazu führen, dass bestehende Arbeitsplätze abgebaut werden (müssen), alternative Beschäftigungsmöglichkeiten aber noch nicht bestehen. Mit der Lissabon-Strategie – d.h. dem Ziel, bis 2010 der weltweit wettbewerbsfähigste wissensbasierte Wirtschaftsraum zu werden – hatte die EU die Weichen auf Reformen für mehr Wachstum und Beschäftigung gestellt. Der Einfluss der EU auf die ökonomischen Rahmenbedingungen in den Mitgliedsstaaten nimmt aber stetig zu. Die EU entscheidet damit maßgeblich über die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen mit – zugestanden häufig zu deren Vorteil. Andererseits wird das Bekenntnis zu mehr Wachstum und Beschäftigung in der Praxis oft konterkariert: durch unternehmensfeindliche Markteingriffe, verbraucher-, sozial- und umweltschutzpolitischen Aktionismus sowie wettbewerbshemmende und häufig überzogene Regulierungen. Auch die konkrete Umsetzung der EU-Klimaschutzziele kann die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen einschränken – gerade in der aktuellen Situation infolge der Finanzkrise. Priorität der EU-Wirtschaftspolitik muss die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sein. Dies geht in erster Linie durch verbesserte Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln. Subventionen für nicht

194

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

mehr wettbewerbsfähige Sektoren oder Unternehmen, reduzierte Mehrwertsteuersätze für arbeitsintensive Produktion sind abzulehnen. Und bei aller Bedeutung des Themas „Klimapolitik“: die Formel „Mehr Umwelt gleich mehr Beschäftigung“ greift zu kurz. Eine „Grüne Industrie“ alleine wird die Wirtschaft nicht tragen können. Zudem dürfen Umwelt- und Klimaschutzauflagen der EU keine Nachteile gegenüber globalen Wettbewerbern schaffen. Hauptziel der EU-Strukturpolitik ist die Verringerung der Unterschiede im regionalen Entwicklungsstand. Im Zeitraum 2007-2013 leistet die EU-Strukturpolitik erstmals erhebliche Beiträge zugunsten der Lissabon-Strategie im Sinne Wachstum und Beschäftigung zu generieren. Dadurch erhalten aber nicht nur die strukturschwächsten, sondern auch wirtschaftsstarke Regionen Fördermittel. Dies führt in der Praxis zu einer „Verzettelung“ der EU-Strukturpolitik, die nicht mehr konsequent auf Wachstum benachteiligter Regionen ausgerichtet ist. Die EU hat sich zudem immer mehr strukturpolitische Kompetenzen angeeignet und damit das Subsidiaritätsprinzip ausgehöhlt. So sind den Regionen relativ starre und bürokratische Vorgaben für die Verwendung der EU-StrukturfondsmitteI gesetzt. Die EU-Strukturpolitik dominiert inzwischen die nationale Regionalpolitik, und läuft dabei Gefahr, sich in der Erfüllung zu vieler Querschnittziele, wie z.B. Chancengleichheit und Umweltschutz zu verstricken. Die EU-Strukturpolitik kann deshalb eine „nationale Reformpolitik“ nicht ersetzen, gleichwohl aber flankieren, wenn sie konsequent wachstums- und beschäftigungsorientiert ausgerichtet wird. Zielführend ist sicher die Förderung „europäischer Ansätze“: die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist ein wichtiger Katalysator für die EUIntegration. Daher sollte die EU-weite Zusammenarbeit durch Strukturfördermittel weiter gestärkt werden. Und richtig ist auch, die Vergabe regionaler Unternehmensbeihilfen weiterhin zentral zu kontrollieren, da nur so ein Förderwettlauf unterbunden und Wettbewerbsverzerrungen im EU-Binnenmarkt wirkungsvoll reduziert werden können. In diesem Zusammenhang sollte eine noch konsequentere Umstellung von Beihilfen im Sinne verlorener Zuschüsse auf eine Darlehens- und Bürgschaftsfinanzierung bei Unternehmensinvestitionen erfolgen. Fachkräftemangel und demografischer Wandel sind wachsende Herausforderungen für die Unternehmen in Europa. Die Antworten auf diese Entwicklung müssen im Wesentlichen die Mitgliedstaaten der EU aber selbst finden. Auch in Mecklenburg-Vorpommern zeichnet sich ein zunehmender Fachkräftemangel ab, auf den – auch gemeinsam mit Bund und anderen Bundesländern – reagiert werden muss. Länder wie Schweden und Großbritannien, die ihren Arbeitsmarkt gegenüber den 2004 beigetretenen osteuropäischen EU-Mitgliedern sofort öffneten, haben von diesem Schritt profitiert. Deutschland sollte daher nicht nur Akademikern, sondern allen Arbeitnehmern aus den beigetretenen EU-Mitgliedstaaten spätestens ab 2009 vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit gewähren.

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195

Der EU-Haushalt ist – neben der Gesetzgebung – das zentrale Instrument Europas zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung. Der derzeitige EUHaushalt spiegelt allerdings nur unzureichend die aktuellen Herausforderungen wider. In der aktuellen Finanzplanung 2007 – 2013 dominieren die Ausgaben für Landwirtschaft und Strukturhilfen. Zukunftsorientierte „Investitionen“ in Bereiche wie Forschung, Entwicklung und Innovation fallen derzeit in den Finanzansätzen deutlich zurück.

196

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Anhang: Förderinstrumente in Mecklenburg-Vorpommern im Förderzeitraum 2007 – 2013 ... (bestehende bzw. in Planung/Umsetzung befindliche Richtlinien o.ä.) … im Bereich des EFRE Prioritätsachse 1: Förderung von Innovation, Forschung und Entwicklung, Bildung Spezifisches Ziel 1.1: Erhöhung der technologischen Leistungsfähigkeit und Innovationskraft des Unternehmenssektors 1.1.1 Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation in Unternehmen 1.1.2 Förderung von technologieorientierten Unternehmensansiedlungen und -investitionen Spezifisches Ziel 1.2: Ausbau infrastruktureller Potenzialfaktoren für Bildung, Forschung und Technologietransfer 1.2.1 Förderung von wirtschaftsnahen Forschungsvorhaben 1.2.2 Förderung von Forschungskompetenzen an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen 1.2.2.1 Wissenschaftliche Geräte 1.2.2.2 Hochschulbau 1.2.3 Förderung von beruflichen Bildungsstätten 1.2.4 Förderung des E-Government Spezifisches Ziel 1.3.: Unterstützung von Innovationen zur Schonung natürlicher Ressourcen 1.3.1 Förderung innovativer Klimaschutzprojekte Prioritätsachse 2: Steigerung der Wettbewerbs- und Anpassungsfähigkeit insbesondere von KMU Spezifisches Ziel 2.1.: Unterstützung zukunftsgerichteter Investitionen 2.1.1 Förderung produktiver Investitionen (GA) 2.1.2.1 Förderung von Unternehmen durch revolvierende Darlehensfonds – GA-Ergänzungsdarlehen 2.1.2.2 Förderung von Unternehmen durch revolvierende Darlehensfonds – Kleindarlehensprogramm Prioritätsachse 3: Verbesserung der Investitionsrahmenbedingungen insbesondere von KMU Spezifisches Ziel 3.1.: Stärkung unternehmerischer Potenziale 3.1.1 Förderung unternehmens- und standortbewerbender Maßnahmen 3.1.1.1 Messen und Ausstellungen 3.1.1.2 Werbemaßnahmen zur Förderung des Tourismus 3.1.1.3 M-V Marketing 3.1.2 Förderung der Gesundheitswirtschaft

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

197

3.1.2.1 Koordinierung der Gesundheitswirtschaft 3.1.2.2 Maßnahmen der Gesundheitswirtschaft Spezifisches Ziel 3.2.: Bedarfsorientierte Verbesserung der wirtschaftsnahen Infrastruktur 3.2.1 Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur 3.2.1.1 Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur – GA Förderung 3.2.1.2 Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur (ohne GA) Spezifisches Ziel 3.3.: Ausbau und Verbesserung der Infrastruktur für nachhaltiges Wachstum 3.3.1 Förderung der Abwasserbeseitigung Prioritätsachse 4.: Entwicklung und Ausbau der Infrastruktur für nachhaltiges Wachstum Spezifisches Ziel 4.1.: Verbesserung Verkehrsinfrastruktur und Erhöhung der Mobilität 4.1.1 Förderung der Verkehrsinfrastruktur und Mobilität 4.1.2 Förderung der Seehafeninfrastruktur Spezifisches Ziel 4.2.: Aktivierung städtischer Lebens- und Wirtschaftsräume 4.2.1 Förderung der nachhaltigen Stadtentwicklung

… im Bereich des ESF Priorität A: Steigerung der Anpassungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit von Beschäftigten und Unternehmen Spezifisches Ziel A.1: Erhöhung des Qualifikationsniveaus der Beschäftigten und der Leistungsfähigkeit der Unternehmen A.1.1 Berufliche Weiterbildung von Arbeitnehmern und Unternehmern; inkl. Schlüsselqualifikationen A.1.2 Aktionsprogramme berufliche Weiterbildung von Arbeitnehmern und Unternehmern; inkl. Schlüsselqualifikationen A.1.3 Förderung von Fortbildungsmaßnahmen im Rahmen der Verwaltungsstrukturreform A.1.4 Beratung von Unternehmen und Unternehmern im Zusammenhang mit der Schaffung neuer und der Sicherung bestehender Arbeitsplätze (Unternehmensberatung) A.1.4.1 Beratung von Unternehmen und Unternehmern im Zusammenhang mit der Schaffung neuer und der Sicherung bestehender Arbeitsplätze (Kammerberatung/Fachverbände) A.1.5 Unternehmensbezogene Netzwerkförderung A.1.6 Förderung von Strukturentwicklungsmaßnahmen mit dem LRH A.1.7 Förderung von FuE-Projekten junger Forscher A.1.8 Förderung der Kompetenzentwicklung in Unternehmen Spezifisches Ziel A.2: Stärkung des Unternehmergeistes A.2.1 Förderung des Unternehmergeistes (inkl. Schülerfirmen) A.2.2 Förderung von Unternehmensgründungen durch Gründungsstipendien

198

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Spezifisches Ziel A.3: Verbesserung der Vereinbarkeit von Arbeits- und Familien-/ Privatleben A.3.1 Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie Priorität B: Verbesserung des Humankapitals Spezifisches Ziel B.1: Stärkung der Basis- und Schlüsselqualifikationen B.1.1.1 Verbesserung der schulischen Ausbildung B.1.1.2 Verbesserung der schulischen Ausbildung - produktives Lernen B.1.2 Förderung der Schulsozialarbeit B.1.3 Schulergänzende Angebote (z. B. Schule Plus, Jugend forscht, Genlabor, Erfindergeist, TEO) B.1.4 Projekte der Berufsfrühorientierung (BFO) B.1.5 Förderung des freiwilligen ökologischen Jahres B.1.6. Förderung der Systeme des lebenslangen Lernens B.1.6.1 Weiterbildungsdatenbank B.1.7 Projekte gegen Fremdenfeindlichkeit (arbeitsweltbezogene Projekte) B.1.8 Projekte zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt (Klassenfahrten) Spezifisches Ziel B.2: Erhöhung der Leistungsfähigkeit und der Wirtschaftsnähe der Berufsausbildung B.2.1 Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung Landwirtschaft B.2.2.1 Berufliche Erstausbildung (außerbetrieblich und überbetrieblich) – Ausbildungsprogramm Ost B.2.2.2 Berufliche Erstausbildung (außerbetrieblich und überbetrieblich) – Landesergänzungsprogramme B.2.2.3 Berufliche Erstausbildung (außerbetrieblich und überbetrieblich) – überbetriebliche Lehrlingsunterweisung B.2.2.4 Berufliche Erstausbildung (außerbetrieblich und überbetrieblich) – Verbundausbildung B.2.3 Berufliche Erstausbildung (vollzeitschulische Berufsausbildung i. R. v. Lehrstellensonderprogrammen) Spezifisches Ziel B.3: Unterstützung von Innovationen durch Entwicklung des Humanpotenzials in der Forschung und durch bessere Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft B.3.1 Landesgraduiertenförderprogramm B.3.2 Verwertung von Forschungsergebnissen; einschl. Patentanmeldungen und -verwertungen B.3.3 Netzwerktätigkeit zwischen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen B.3.4 FuE-Förderung für Institutionen, die nicht gewerbliche Wirtschaft sind, insb. Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

199

Priorität C: Verbesserung des Zugangs zu Beschäftigung sowie der sozialen Eingliederung von benachteiligten Personen Spezifisches Ziel C.1: Arbeitslosen Frauen und Männern den Zugang zur Erwerbstätigkeit erleichtern C.1.1 Qualifizierung und Coaching für Existenzgründer C.1.2 Mikro-Darlehen für Existenzgründungen zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit C.1.3 Qualifizierung für Arbeitslose in Sonderfällen (z. B. Gesundheitsfachberufe, arbeitslose Akademiker über 50 und Nicht-Leistungsempfänger) Spezifisches Ziel C.2: Erhöhung und Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit von besonderen Zielgruppen C.2.1 Förderung – Jugendberufshilfe (Produktionsschulen) C.2.2 Förderung der Jugendsozialarbeit C.2.3 Förderung von Integrationsprojekten; Beratung und Betreuung von Migranten; Sprachschulungen und berufliche Anpassungsqualifizierungen C.2.4 Förderung von Kleinprojekten C.2.5 Förderung der Qualifizierung von Strafgefangenen und Probanden der Bewährungshilfe C.2.6 Förderung der Qualifizierung von Maßregelvollzugspatienten Spezifisches Ziel C.3: Abbau der geschlechtsspezifischen horizontalen und vertikalen Segregation am Arbeitsmarkt C.3.1 Qualifizierung zur Verbesserung der Chancengleichheit, inkl. Aktionsprogramme C.3.2 Förderung von Studien und Analysen zur Chancengleichheit C.3.3 Verbesserung d. Zugangs zu Beschäftigung für Frauen u. Sensibilisierung für Gleichstellung am Arbeitsmarkt (inkl. Kooperationsprogramm Studentinnen u. Wissenschaftlerinnen für die Wirtschaft)

… im Bereich des ELER 1. Schwerpunkt: Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft 1.1 Förderung der Kenntnisse und Stärkung des Humankapitals 1.1.1 Berufsbildungs- und Informationsmaßnahmen in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft 1.2 Umstrukturierung und Weiterentwicklung des Sachkapitals sowie Innovationsförderung 1.2.1 Agrarinvestitionsförderungsprogramm 1.2.2 Marktstrukturverbesserung einschließlich: – Investitionen – Tätigkeit von Zusammenschlüssen – Vermarktungskonzeptionen 1.2.3 Erhöhung der Wertschöpfung forstwirtschaftlicher Erzeugnisse 1.2.4 Zusammenarbeit bei Innovationen in der Forst- und Holzwirtschaft

200 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.2.8

Kapitel IV: Praktikerbeiträge Zusammenarbeit bei Innovationen in der Land- und Ernährungswirtschaft Flurbereinigung Leistungsvergabe an Dritte (FNO) Ländliche Infrastruktur außerhalb FNO-Gebieten

2. Schwerpunkt: Verbesserung der Umwelt und der Landschaft 2.1 Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen 2.1.1 Ausgleichszulage 2.1.2 Vertragsnaturschutz auf Grünlandflächen 2.1.3 Kontrollierte Integrierte Obst- und Gemüseproduktion 2.1.4 Ökologische Anbauverfahren 2.1.5 Erosionsmindernde Produktionsverfahren im Ackerfutterbau 2.1.6 Nichtproduktive Investitionen zur Einhaltung von Verpflichtungen im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen 2.1.7 Nichtproduktive Investitionen zur Wertsteigerung von NATURA 2000-Gebieten oder anderer mit hohem Naturwert 2.2. Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung bewaldeter Flächen 2.2.1 Waldumweltmaßnahmen zur Erhöhung der ökologischen Stabilität der Wälder 2.2.2 Waldbrandvorsorgemaßnahmen zur Erhaltung von Waldflächen 2.2.3 Nichtproduktive Investitionen zum Ausbau der Erholungsstruktur im Wald 3. Schwerpunkt: Lebensqualität im ländlichen Raum und Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft 3.1 Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft 3.1.1 Investitionen landwirtschaftlicher Unternehmen zur Diversifizierung 3.1.2 Unternehmensgründung und -entwicklung 3.1.3 Förderung der touristischen Infrastruktur 3.1.4 Förderung der touristischen Infrastruktur 3.1.5 Wirtschaftsnahe, touristische Infrastruktur 3.2 Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum 3.2.1 Abwasseranlagen 3.2.2 Kleinkläranlagen 3.2.3 Aufbau von Dienstleistungseinrichtungen: – Kindertageseinrichtungen und Schulen, – Anschluss von Objekten an Netze zur Nutzung regional erzeugter regenerativer Energien 3.2.4 Aufbau von Dienstleistungseinrichtungen: Sportstätten 3.2.5 Dorferneuerung und -entwicklung (ohne ELER) 3.2.6 Bewirtschaftungspläne und Sensibilisierungsmaßnahmen in NATURA 2000 -Gebieten 3.2.7 Naturnahe Gewässerentwicklung und Feuchtlebensräume 3.2.8 Naturnahe Gewässerentwicklung, insbes. Standgewässer 3.2.9 Nachhaltige Entwicklung von Lebensräumen (Arten- und Moorschutz) 3.2.10 Landschaftspflegeprojekte

Kapitel IV: Praktikerbeiträge 3.2.11 3.2.12 3.2.13 3.2.14 3.2.15 3.2.16

201

Erhaltung Schlösser, Parks und Gutsanlagen Erhaltung ländlicher Kulturdenkmale Schutzpflanzungen LEADER-Maßnahmen schwerpunktübergreifend LEADER-Management Technische Hilfe

Quelle: Zusammengestellt nach Unterlagen der Ministerpräsident Staatskanzlei MecklenburgVorpommern Gemeinsame Verwaltungsbehörde – Verwaltungsbehörden für den EFRE, ESF und ELER

Quellen/weiterführende Informationen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.): Nationaler Strategischer Rahmenplan (NSRP) für den Einsatz der EU-Strukturfonds in der Bundesrepublik Deutschland 2007-2013, Abruf unter: http://www.bmwi.de/ BMWi/Navigation/Service/publikationen,did=202410.html Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK): Europapolitische Positionen 2008/2009 (Entwurfsfassung vom September 2008, unveröffentlicht). Europäische Kommission: Mitteilungen der Kommission: Kohäsionspolitik. In die Realwirtschaft investieren (KOM (2008) 876/3. Europäische Kommission: Mitteilungen der Kommission: Europäisches Konjunkturprogramm (KOM (2008) 800 endgültig). Europäische Kommission: Mitteilungen der Kommission: Aus der Finanzkrise in den Aufschwung. Ein Aktionsrahmen für Europa (KOM (2008) 706 endgültig). Europäische Kommission: Arbeitspapier: Regionen 2020 – Bewertung der künftigen Herausforderungen für die EU-Regionen ( SEK (2008) 2868 endgültig. Europäische Kommission (Hrsg.): INTERREG Programme, Abruf unter: http://ec.europa.eu/regional_policy/interreg3/index_de.htm Europäische Kommission (Hrsg.): Informationsblätter zu allen Förderregionen und operationellen Programmen in Europa, Abruf unter: http://ec.europa. eu/regional_policy/atlas2007/index_en.htm Europäische Kommission (Hrsg.): Kohäsionsfonds, Abruf unter: http:// ec.europa.eu/regional_policy/funds/procf/cf_de.htm

202

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Europäische Kommission (Hrsg.): Die Verordnungen zu den EU-Strukturfonds, Abruf unter: http://ec.europa.eu/regional_policy/sources/docoffic/official/regulation/newregl0713_de.htm Holzwart, Holger: Der rechtliche Rahmen für die Verwaltung und Finanzierung der gemeinschaftlichen Strukturfonds am Beispiel des EFRE, Berlin 2003. Schöndorf-Haubold, Bettina: Die Strukturfonds der Europäischen Gemeinschaft, München 2005. Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern: Europaseite der Landesregierung, Abruf unter: http://www.europa-mv.de/start.htm Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern: Europabericht der Landesregierung M-V 2007/2008, Abruf unter: http://www.regierung-mv.de/cms2/Regierungsportal_prod/Regierungsportal/de/stk/Themen/Europaeische_und_auswaertige_Angelegenheiten/Europa_und_Mecklenburg-Vorpommern/index. jsp?&publikid=1235 Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern: Die europäische Regionalpolitik in Mecklenburg-Vorpommern (2004). Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern: Wirtschaftsberichte für die Jahre 2004, 2006 und 2008

4.

Finanzierung von Bundesländern und Regionen

Heinz-J. Bontrup: Professor für Wirtschaftswissenschaft mit dem Schwerpunkt Arbeitsökonomie an der Fachhochschule Gelsenkirchen

4.1

Einleitung

Zunächst eine Vorbemerkung: Wesentlich für die Steuerfinanzierung ist auf Grund der föderalen bundesdeutschen Finanzverfassung der Bund. Hieraus leitet sich die Steuerfinanzierung der Bundesländer und ihrer Kommunen (Regionen) ab. Wichtig ist dabei auch die Finanzierung über die gesetzlichen Sozialabgaben. Und eine zweite Vorbemerkung ist zu machen: Den Titel des Buches „Regionalwirtschaft. Global denken, lokal und regional handeln“ aufgreifend, ist eine regionalwirtschaftliche Betrachtung ohne den Staat zu berücksichtigen nicht vorstellbar. Ohne ihn funktionieren weder eine Volksnoch eine Regionalwirtschaft. Private Unternehmen und auch private Haushalte unterliegen in marktwirtschaftlichen Ordnungssystemen vielfältigen Rationalitätsfallen. Was einzelwirtschaftlich rational ist, wie das Streben nach

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

203

möglichst hohen Kapitalrenditen und privaten Nutzenmaximierungen, ist gesamtwirtschaftlich eine „Falle“ mit kontraproduktiven Ergebnissen. Senken alle Unternehmen zur Erhöhung ihrer Gewinne die Personalkosten, so kommt es auf makroökonomischer Ebene zu einer Umverteilung mit Nachfrageausfällen, die auch nicht durch erhöhte gewinngetriebene Investitionen kompensiert werden. Oder sparen alle privaten Haushalte, so kann ein einzelner Haushalt damit zwar seine Budgets verbessern, alle können es aber nicht. Wo Sparer sind, müssen auch immer Schuldner sein. Auch liegt Marktversagen vor (siehe hier nur die vielfältigen externen Effekte wie z.B. Umweltverschmutzungen) und das Wettbewerbsprinzip garantiert keine machtfreie Wirtschaft. Im Gegenteil, fast überall ist Missbrauch von Marktmacht zu beobachten. Und auch zyklisch auftretende Wirtschaftskrisen sowie strukturelle wirtschaftliche Veränderungsprozesse verlangen nach staatlicher Aussteuerung. Um all dies – neben den allgemeinen hoheitlichen Staatsaufgaben – bewältigen und aussteuern zu können, brauchen die öffentlichen Hände Steuereinnahmen und Sozialabgaben. Und sie brauchen – gerade im regionalwirtschaftlichen Duktus eines Regionalmanagements – auch öffentliche Unternehmen, die sich in die private Wirtschaft – auch als öffentliche Gegenmacht – einmischen. Die in der Vergangenheit massiv vollzogene Privatisierung staatlicher Unternehmen in den Bereichen der Post-, Verkehrs- und Energiedienstleistungen oder auch im Gesundheitswesen als Folge einer weltweit um sich greifenden Liberalisierung ist deshalb ökonomisch und sozial kontraproduktiv. Die Privatisierung schwächt wirtschaftlich die Regionen, nimmt den Akteuren vor Ort wichtige Möglichkeiten der Einflussnahme und sorgt für gigantische Umverteilungen zu Gunsten des privatwirtschaftlichen Kapitals.192 Arbeitsplatzabbau, Einkommenskürzungen bei den Beschäftigten und schlechtere Versorgungsqualitäten bei erhöhten Preisen stehen zum Teil extreme Gewinnsteigerungen gegenüber. Darunter leiden nachhaltig die regionalen Wirtschaftskreisläufe. Trotz seiner vielfältigen Aufgaben und der sich immer mehr manifestierenden negativen Privatisierungsergebnisse wird aber nach wie vor der Staat auf allen föderalen Ebenen (Bund, Bundesländer und Kommunen) diskreditiert. Insbesondere Neoliberale193 – die alles den Marktgesetzen überlassen wollen – behaupten unnachlässlich, der Staat sei ein „bürokratisches Monster“ und ein „Steuerleviathan“ zu gleich. Daher müsse es dringend zu einer „Entstaatlichung“ der Gesellschaft, vor allen Dingen zu einer Demontage des verfassungsrechtlich garantierten Sozialstaats, kommen. Die Staatsquote sei mit 44

192 Vgl. Brandt, Torsten/Schulten, Thorsten/Sterkel, Gabriele/Wiedemuth, Jörg (Hrsg.): Europa im Ausverkauf. Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und ihre Folgen für die Tarifpolitik, Hamburg 2008. 193 Neoliberale Politik zielt auf die Demontage des Sozialstaats und die Schwächung der Gewerkschaften, damit die Marktmechanismen ungehindert im Interesse des Kapitals wirken können.

204

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

v.H. (2007) viel zu hoch.194 Bis 2011 soll sie laut Planungen der amtierenden Bundesregierung (CDU/CSU/SPD) auf 41,5 Prozent abgesenkt werden. Die private Wirtschaft würde ansonsten durch die „staatliche Beanspruchung“ geradezu „stranguliert“ und damit in ihrem Entwicklungspotential behindert. Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, schreibt hierzu in kritischer Anmerkung: „Die nur in Deutschland festzustellende Entmachtung des Staates ist vor allem auf ein gestörtes Staatsverständnis in weiten Teilen der Bevölkerung zurückzuführen. Der Staat wird in den Medien überwiegend als Antagonist seiner Bürger dargestellt und dementsprechend in der breiten Öffentlichkeit so auch wahrgenommen. In diesem staatsfeindlichen Umfeld fällt es der Politik extrem schwer, die Notwendigkeit einer angemessenen Ressourcenausstattung in der Öffentlichkeit zu vertreten. Und es fehlt unter diesen Voraussetzungen auch an der Bereitschaft, dem Staat zusätzliche Kompetenzen zu geben, um ihm eine aktive, gestaltende Rolle zu ermöglichen. So gesehen ist es nicht überraschend, dass die Wirtschaftspolitik in diesem Jahrzehnt eine überwiegend passive Rolle eingenommen hat. Sie hat sich im Wesentlichen darauf konzentriert, den Staat zurückzubauen.“195 Vor diesem gesamten Hintergrund soll im Folgenden – nach einer kurzen Beschreibung des in der Verfassung (Grundgesetz) festgelegten staatlichen Finanzwesens (hier sei auch auf die Darstellungen unter Punkt 3 „Finanzierungsstruktur des Bundesstaates Deutschland“ im Buch verwiesen) – die mögliche Finanzierung von Bundesländern und Regionen in Abhängigkeit von Steuern, Sozialabgaben und Staatsverschuldung aufgezeigt werden.

4.2

Das staatliche Finanzwesen

In den Artikeln 104a bis 115 Grundgesetz (GG) ist das gesamte staatliche Finanzwesen verfassungsrechtlich geregelt. Der Grundsatz lautet hier, dass sowohl der Zentralstaat (Bund) als auch die Gliedstaaten (Bundesländer) sowie die dort ansässigen Kommunen „finanziell handlungsfähig“ und „eigenständig“ sein müssen, um ihre öffentlichen Aufgaben erfüllen zu können. Und der Bund hat gemäß Art. 72 Abs. 2, S. 3 GG für die „Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ im gesamten Bundesgebiet zu sorgen. Auf Grund des föderalen Staatsaufbaus in Deutschland sind dabei die Bund-Länder-Finanzbeziehungen im Rahmen eines horizontalen Finanz194 1998 betrug die Staatsquote noch 48 Prozent. Im internationalen Vergleich ist Deutschland bei der Staatsquote nur im Mittelfeld angesiedelt. 2007 lag der deutsche Wert um 2,5 Prozentpunkte unter dem EU-27-Durchschnitt und fast 10 Prozentpunkte unter der Staatsquote von Frankreich oder Schweden. Und für die Beschäftigung im öffentlichen Dienst gibt Deutschland mit knapp 7 v.H. von allen 27 EU-Ländern relativ zur Wirtschaftsleistung sogar am wenigsten aus. Der EU-Durchschnitt liegt hier bei fast 10 Prozent, Frankreich kommt auf 13 und Schweden auf über 15 Prozent. 195 Bofinger, Peter: Das Jahrzehnt der Entstaatlichung, in: WSI-Mitteilungen, Heft 7/2008, S. 351.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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ausgleichs (Art. 107 Abs. 2, S. 1 GG) und eines vertikalen Finanzausgleichs (Art. 107 Abs. 2, S. 3 GG) zu beachten. Beim horizontalen Finanzausgleich werden Steuermittel „wirtschaftlich starker Bundesländer“ zugunsten „wirtschaftlich schwacher Länder“ abgeschöpft. Im Endeffekt soll dabei die Finanzkraft der „Nehmerländer“ dem Durchschnittsniveau aller Bundesländer angepasst werden. Beim vertikalen Finanzausgleich kann der Bund aus seinen Mitteln zusätzlich Leistungsschwache Länder durch Bundesergänzungszuweisungen unterstützen und damit die Finanzkraft anheben. Wer für die Steuergesetzgebung zuständig ist (Art. 105 GG) und wie weit die Staatsverschuldung (Art. 115 GG) gehen darf, ist ebenfalls im Grundgesetz geregelt. Im Art. 106 GG wird die wichtige Frage der Verteilung des Steueraufkommens geregelt. So steht beispielsweise den Bundesländern ausschließlich das Aufkommen aus der Vermögen-, Erbschaft- und der Kraftfahrzeugsteuer zu. Das Steueraufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern als Gemeinschaftssteuern zu. Auch die Kommunen erhalten seit 1998 einen Anteil an dem Aufkommen der Umsatzsteuer. Er wird von den Bundesländern auf der Grundlage eines Orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssels an ihre Kommunen weitergeleitet. Das Aufkommen der Grundsteuer und der Gewerbsteuer steht dabei genauso wie örtlich erhobene Verbrauch- und Aufwandsteuern ausschließlich den Kommunen oder nach Maßgabe der jeweiligen Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Kommunen wird nach Art. 106 GG das Recht eingeräumt, autonom Hebesätze für die Grundsteuer und Gewerbsteuer festzulegen. Die gesamte Konstruktion des staatlichen Finanzwesens macht deutlich, dass die Bundesländer und ihre Kommunen kaum ausschließliche Befugnisse für den Erlass von Steuergesetzen haben. Sie verfügen zwar über eine gewisse originäre Steuerhoheit, in der Praxis verbleiben ihnen jedoch nur Kompetenzen bezüglich weniger ertragreicher örtlicher Steuerarten. Einnahmen der Bundesländer und der Kommunen sind damit allgemein abhängig von der grundsätzlichen Ausrichtung der Steuerpolitik, die wesentlich eine bundesstaatliche Aufgabe ist.

4.3

Staatsverschuldung intelligent einsetzen

Sind die Steuereinnahmen zur Finanzierung der Staatsaufgaben zu gering, so müssen sich die öffentlichen Hände verschulden. Dabei ist in den letzten Jahren verstärkt die Staatsverschuldung auf die Anklagebank gesetzt und als das Grundübel der öffentlichen Finanzpolitik verteufelt worden. Die Verschuldung des Staates sei schon allein aus Gründen einer „Generationengerechtigkeit“ nicht akzeptabel. Wir könnten den nachfolgenden Generationen

206

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

nicht so viele Schulden hinterlassen. Die Staatshaushalte seien daher dringend zu konsolidieren. Die überwiegende Ablehnung der Staatsverschuldung hat zwei zu kritisierende Gründe: Zum einen zeigt sich hier besonders der Verlust des gesamtwirtschaftlichen Denkens. Statt die strategische Rolle des Staates in der Gesamtwirtschaft zu erfassen, wird dieser mit dem einzelwirtschaftlichen Akteur – vor allem dem privaten Haushalt – in eins gesetzt. Zum anderen offenbart sich in der Staatsschuldenphobie ein neoliberales Staatsverständnis. Der Staat wird auf die Rolle des Kostgängers der Privatwirtschaft reduziert. Dass jedoch die Privatwirtschaft ohne einen handlungsfähigen Staat nicht überlebensfähig ist, wird nicht gesehen. Als abenteuerlich sind daher auch die Forderungen der Föderalismuskommission II im Hinblick auf eine „Schuldenbremse“ einzuordnen. Die konservative Mehrheit der Kommission fordert hier allen Ernstes ein verfassungsrechtlich verankertes Verbot einer Schuldenaufnahme der öffentlichen Hände. Die Bundesregierung geht nicht ganz so weit. Sie will aber auch eine Begrenzung der strukturellen Neuverschuldung auf 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts mit der Aufteilung 0,35 Prozent Bund und 0,15 Prozent Bundesländer. Bei der konjunkturellen Verschuldungskomponente soll es zu einer strikten symmetrischen Ausrichtung kommen. Die im Konjunkturabschwung gemachten zusätzlichen Schulden müssen im Aufschwung wieder zurückgeführt werden. Möglichst sollten hier sogar Überschüsse erzielt werden. Eine Ausnahmeklausel ist vorgesehen, um beispielsweise bei Naturkatastrophen handlungsfähig zu bleiben. Außerdem soll die Neuverschuldung um Erlöse aus Vermögensveräußerungen des Staates (Privatisierungserlöse) reduziert werden. Käme es auch nur zu dieser insgesamt von der Bundesregierung vorgeschlagenen Regelung, so würde damit die „goldene Deckungsregel“ (Art. 115 GG) abgeschafft, nach der die öffentliche Neuverschuldung nur durch das Ausmaß der staatlichen Investitionen begrenzt wird und darüber hinaus bei einer „Störung des gesamtwirtschaftliches Gleichgewichts“ bis heute eine zusätzliche Staatsverschuldung noch möglich ist. Auch bliebe in Summe die Regelung der Bundesregierung hinter der europäischen Höchstgrenze von 3 Prozent Nettoneuverschuldung bezogen aufs Bruttoinlandsprodukt zurück. Richtig wäre dagegen die Beibehaltung der jetzigen Regelung. Das Ausmaß der Staatsverschuldung darf an keine doktrinäre Grenze gebunden werden, sondern muss sich der jeweiligen konjunkturellen Lage anpassen. Dies gilt seit dem Wegfall der nationalen Geldpolitik auf Grund der Euro-Einführung umso mehr. Die Nationalstaaten haben zur konjunkturellen Stabilisierung, aber auch zur Aussteuerung von langfristigen Wachstumsphasen, nur noch das Instrument der Finanzpolitik, die die Kreditnachfrage (Verschuldung) zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben einsetzen muss, um so die binnenwirtschaftliche Nachfrage zu stärken. Gegen erkennbare Risiken der Konjunktur muss der Staat

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

207

eine expansive Finanzpolitik mit einem antizyklischen Ausgabenprogramm durchsetzen. Trotzdem scheint eine rationale Diskussion über die Notwendigkeit einer Staatsverschuldung in Deutschland so gut wie nicht mehr möglich zu sein. Dies liegt sicher auch an der bisher aufgelaufenen Höhe der Verschuldung, die übrigens erst seit 1991 durch die fahrlässige (falsche) Finanzierung der Wiedervereinigung und der seit dem völlig verfehlten Steuerpolitik sowie einer von 2001 bis 2005 andauernden Wachstumsschwäche stark angestiegen ist. 1991 lag die Staatsverschuldung lediglich bei 595 Mrd. Euro. Dies entsprach bezogen aufs Bruttoinlandsprodukt einer Verschuldungsquote von 38,8 Prozent. Bis Ende 2007 stieg dann die Verschuldung auf rund 1.500 Mrd. Euro (61,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts). Davon entfielen 938 Mrd. Euro (62,5 Prozent) auf den Bund, 483 Mrd. Euro auf die Länder (32,2 Prozent) und 79 Mrd. Euro auf die Kommunen (5,3 Prozent). 2007 waren etwa 67 Mrd. Euro an Zinszahlungen aufzubringen. Diese absorbierten über 10 v.H. der gesamten staatlichen Ausgaben und standen damit nicht mehr für eine staatliche (konsumtive oder investive) Leistungserbringung zur Verfügung. In einigen besonders hoch verschuldeten Bundesländern sind mittlerweile sogar ein Viertel der Einnahmen zur Finanzierung der Zinsausgaben notwendig. Wenn aber Staatsschulden zur sinnvollen Finanzierung von öffentlichen Investitionen (dazu zählen neben Infrastruktur-, und Umweltschutz- auch Bildungsinvestitionen) genutzt werden – dies ist eine wichtige allokative Staatsfunktion –, die zu mehr Wachstum führen, bedeuten sie auch keine höhere Belastung, wenn die Zinsen aus dem zusätzlich erhöhten Einkommen getragen werden können. Dies zeigt vom Ergebnis her, das Staatsverschuldung ein Verteilungsproblem und kein Generationenproblem impliziert. Denn wo der Staat Schuldner ist und Zinsen zahlen muss, gibt es auch Gläubiger, die diese Zinsen als Erträge für sich vereinnahmen. Einer Staatsschuld (Verbindlichkeit) steht immer in exakt gleicher Höhe ein privates Vermögen (Forderung) gegenüber. Nicht nur die Verbindlichkeiten gehen demnach auf die nächste Generation über, sondern auch die Forderung wird auf die nächste Generation übertragen bzw. vererbt. Ohne Schulden gibt es in einer Volkswirtschaft keine Ersparnisse. Diese sind aber in der bundesdeutschen Volkswirtschaft mit über 10 Prozent bezogen auf das verfügbare Einkommen extrem hoch. Auch die Geldvermögensbildung der privaten Haushalte (vgl. Darst. 1), die völlig disproportional über die einzelnen Haushalte verteilt ist, zeigt dabei deutlich, das ohne die Kreditaufnahme der Unternehmen, des Auslands und insbesondere des Staates die Überschüsse der privaten Haushalte in Höhe von jahresdurchschnittlich 87,7 Mrd. Euro von 1991 bis 2006 (für 2007 liegen die Daten noch nicht vor) möglich gewesen wären.

208

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Darst. 1: Finanzierungskreislauf der deutschen Wirtschaft nach Sektoren von 1991 bis 2006 (in Mrd. €) Jahr

∑ JD

Private Haushalte1)

Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften

Finanzielle Sektoren

Staat

Ausland 2)

1.404,4

- 563,9

199,2

- 812,6

227,1

87,7

- 35,2

12,5

- 50,8

14,2

1) Einschl. private Organisationen ohne Erwerbszweck und Einzelunternehmen, 2) Ein positiver Finanzierungssaldo des Auslands ist dabei Ausdruck einer positiven Leistungsbilanz , die einen Kapitalexport impliziert. JD (Jahresdurchschnittswerte) Quelle: Diverse Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, eigene Berechnungen.

Dadurch liegt ein massiver Druck auf den Staatssektor, durch Kreditaufnahme die Ersparnisse (Geldvermögensbildung) der privaten Haushalte in die Finanzierung öffentlicher Ausgaben bzw. Aufgaben zu transformieren. Soll es zu einer solchen Transformation nicht kommen, so muss der Staat dafür Sorge tragen, dass die Geldvermögensbildung bei den privaten Haushalten nicht die oben aufgezeigten Größenordnungen erreicht. Der Staat muss dann durch eine entsprechende gerechte Steuerpolitik (siehe Punkt 4.4) das Geld von den vermögenden privaten Haushalten abschöpfen, statt es sich bei ihnen zu leihen und noch Zinsen darauf zu zahlen. Diese Zinszahlungen steigen sogar, kommt es für Vermögende zu Steuersenkungen, die sich nur über zusätzliche Staatsschulden finanzieren lassen. Dabei sind die Vermögenden sogar doppelter Profiteur. Neben den Zinsgewinnen tragen sie dann auch durch die Steuersenkungen noch weniger zur Finanzierung von öffentlichen Aufgaben bei.

4.4

Eine veränderte Steuer- und Sozialabgabenpolitik ist notwendig

4.4.1

Steueraufkommen im Ungleichgewicht

Immer wieder ist es offensichtlich populär, umfangreiche Steuersenkungen zu fordern. Gleichzeitig wünscht sich die überwiegende Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen eine gute staatliche Infrastruktur, beste Bildungseinrichtungen, ein funktionierendes Rechtssystem und einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst. Auch soll der Staat einen starken Umweltschutz garantieren und durch eine regionale und kommunale Wirtschaftsförderung die wirtschaftliche Entwicklung forcieren. Ebenso werden soziale Leistungen erwartet und

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

209

selbstverständlich soll der Staat bei ausbrechenden Wirtschaftskrisen (ob konjunkturell oder strukturell veranlasst), auch bei einem Marktversagen, in die Bresche springen. Die hierdurch insgesamt veranlassten Staatsausgaben will man aber paradoxerweise nicht tragen. Natürlich müssen die Staatsausgaben einer ständigen wirtschaftlichen Effizienzkontrolle unterzogen werden und auch staatliche Bürokratie gehört auf den Prüfstand. Wer aber immer wieder den „schlanken Staat“ einfordert, muss wissen, dass er damit sowohl ein ökonomisches als auch ein soziales Ergebnis herbeiführt, das kontraproduktiv ist und letztlich womöglich die politische Stabilität des Landes gefährdet. Untersucht man das gesamte Steueraufkommen bezogen auf die gesamtwirtschaftliche Leistung (Bruttoinlandsprodukt) seit der Wiedervereinigung, so stellt man einen stetigen Rückgang fest. 2006 lag die Steuerquote nur noch bei 22 Prozent und die Sozialabgabenquote bei 13,7 Prozent. Im Vergleich betrugen die Steuerquote in Schweden 37,3 Prozent und die Sozialabgabenquote 12,8 Prozent. In Frankreich – unserem größten Außenhandelspartner – lagen die Vergleichsquoten bei 28,1 und 16,4 Prozent.196 Wer demnach in Deutschland von zu hohen Steuer- und Abgabenbelastungen redet, weis nicht worüber er spricht. Allein die finanziellen Auswirkungen der jüngsten völlig verfehlten Steuerpolitik sind erschreckend. So kam es in den Jahren 2000 bis 2007 in Summe zu Steuerausfällen beim Bund, den Bundesländern und den Kommunen in Höhe von 241,6 Mrd. Euro. 2008 werden noch einmal rund 37,6 Mrd. Euro hinzukommen. In Summe betrugen dann die Steuerausfälle zwischen 2000 und 2008 insgesamt 279,2 Mrd. Euro. Der Bund hatte davon 128,0 Mrd. Euro zu verkraften und die Bundesländer 133,9 Mrd. Euro. Die Kommunen trugen den Rest in Höhe von 17,3 Mrd. Euro.197 In Anbetracht dieser Steuerausfälle – auch dem nur geringen Wirtschaftswachstum geschuldet – wundern hier nur zwei exemplarisch herausgegriffene wichtige staatliche Ressourcenausstattungen nicht, deren Entwicklung tief negativ ist: Erstens die in Deutschland extrem niedrigen staatlichen Ausgaben für Infrastrukturinvestitionen, die bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt mit 1,6 Prozent im Jahr 2007 auf dem zweitletzten Platz der EU-27-Länder lagen.198 Und zweitens die staatlichen Bildungsausgaben mit einem Wert von 4,3 Prozent bezogen aufs Bruttoinlandsprodukt, womit Deutschland im Jahr 2004 (neuere Daten liegen noch nicht vor) auf den viertletzten Platz aller EU-27-Länder landete.199 Steuersenkungen werden überwiegend bei den direkten Steuern gefordert. Hier soll es zu einer Entlastung der „gesellschaftlichen Leistungsträger“ bei den Einkommens-, Gewinn-, Kapital- und Vermögens- bzw. Erbschaftssteuern kommen. Die indirekten Verbrauchsteuern wie Umsatz-, Mineralöl-, 196 Vgl. OECD, Revenue Statistics 2007. 197 Vgl. ver.di (Hrsg.): Schulden bremsen? Sozialstaat stärken und Reichtum besteuern statt Ausgaben senken!, in: Wirtschaftspolitische Informationen 5/2008, S. 5. 198 Der EU-27-Durchschnitt liegt dagegen bei 2,6 Prozent. 199 Vgl. Bofinger, Peter: Das Jahrzehnt der Entstaatlichung, a.a.O., S. 353.

210

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Tabak- oder Versicherungssteuern werden dagegen immer mehr erhöht.200 Dies ist eine bewusst herbeigeführte ungerechte Steuerpolitik. Die indirekten Steuern belasten nämlich vor allen diejenigen, die ihr Einkommen vollständig konsumieren müssen und demnach nicht sparen können, also die unteren und mittleren Einkommensbezieher als auch die RentnerInnen und BezieherInnen von Sozialeinkommen. Bezogen auf das gesamte Steueraufkommen machen die indirekten Steuern mittlerweile 50 Prozent aus, und die Tendenz ist steigend. Aber auch die Verteilung innerhalb der Steuerlast ist im Ungleichgewicht. „Der Anteil der Steuern, die vor allem die Bezieher mittlerer und niedriger Einkommen aufbringen, ist in den vergangenen Jahrzehnten ständig gewachsen. So machten die so genannten Massensteuern – vor allem Lohn-, Umsatz- und Mineralölsteuer – 1960 knapp 38 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus. 2006 waren es jedoch bereits 70 Prozent. Der Anteil aller Gewinnsteuern sank im gleichen Zeitraum von 35 auf 20 Prozent.“201 Durch die jüngste Unternehmenssteuerreform 2008 und die Abgeltungssteuer bei Kapitaleinkünften ab 2009 wird der Anteil der Gewinnsteuern noch weiter zurückgehen. Hier wird dann auch das immer wieder vorgebrachte Scheinargument, die „Reichen würden die meisten Steuern zahlen“, als zynisch entlarvt. Der Anteil der Lohnund Einkommensteuer am gesamten Steueraufkommen machte auf Grund der gerade auf Basis des Jahres 2004 vom Statistischen Bundesamt veröffentlichen Daten nur rund 34 Prozent aus, d.h. das reiche Viertel der Steuerpflichtigen trug dann mit seiner Lohn- und Einkommensteuer auch nur 27 Prozent zum gesamten Steueraufkommen bei und nicht wie fälschlicherweise über die Medien suggeriert mit fast 80 Prozent. Nimmt man außerdem zur Kenntnis, dass das obere Drittel der Einkommenspyramide im Jahr 2004 rund 80 Prozent des gesamten Markteinkommens auf sich vereinte, so wird deutlich, wie unsolidarisch unser Steuersystem in der Verteilungsfrage ist. Die reiche Schicht wird keineswegs proportional zu ihren Einkünften belastet. Hinzu kommt noch, dass die Besserverdiener auch in die Sozialversicherung (siehe Punkt 4.4.3) relativ zu ihrem Einkommen weniger einzahlen als die Durchschnittsverdiener. Wenn sie überhaupt Beiträge zu den gesetzlichen Sozialversicherungen leisten, dann nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Würden vor diesem Hintergrund die Steuern zukünftig noch mehr abgesenkt und damit der staatliche Ressourcenentzug weiter erhöht, und gleichzeitig die Aufkommenserhebung noch ungerechter gestaltet, so muss es notwendigerweise, soll die Staatsverschuldung nicht steigen, zu einer Kürzung der Staatsausgaben kommen. Wenn man hier an die Sozialausgaben denkt, zündelt man am sozialen Frieden im Land, der schon heute aufs ärgste stra200 Die Umsatzsteuer lag 2007 als größte Steuerart bei 169,6 Mrd. Euro. Bezogen auf das gesamte Steueraufkommen in Höhe von 493,8 Mrd. Euro waren dies 34,3 Prozent. Durch die Steuersatzerhöhung von 16 auf 19 Prozent ab dem 1. Januar 2007 stieg das Aufkommen um 15,6 Prozent. 201 Böcklerimpuls 12/2008, S. 3.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

211

paziert ist. Es würde zu weiteren Deformationen kommen. Eine noch stärkere Schrumpfung der Mittelschicht und eine gleichzeitig wachsende Segmentierung in Arm und Reich wären die Folge. Aber auch losgelöst vom Sozialstaatsdenken können auch die anderen staatlichen Aufgabenbereiche – man denke hier nur an die öffentliche Infrastruktur und Bildung sowie an die völlig unterschiedliche Wirtschaftskraft der Bundesländer und Kommunen – keine weiteren Kürzungen bei den Steuern mehr verkraften. Dies würde die wichtige gesellschaftspolitische Erhaltung eines Wohlfahrtsstaates und auch die staatliche Handlungsfähigkeit zur Aussteuerung privatwirtschaftlicher Prozesse sowie Interventionsmöglichkeiten bei Wirtschaftskrisen und einem (auch strukturellen) Marktversagen gefährden. Soll deshalb eine staatliche Erosion nicht eintreten, so muss ein solidarischer Weg der Steuer- und Abgabenerhöhung und einer gerechteren Lastenverteilung gegangen werden. Nur so kann auch die Staatsverschuldung in Grenzen gehalten und eine weitere Privatisierung staatlichen Vermögens gestoppt werden. 4.4.2

Eine andere Steuerpolitik tut not

Steuer- und abgabenpolitisch wäre eine differenzierte Erhöhung der staatlichen Einnahmen von Nöten. Dazu gehört im Einzelnen: ÿ Beim Tarifverlauf der progressiven Einkommensteuer müsste der Spitzensteuersatz ab einem zu versteuernden Einkommen von 60.000 Euro/120.000 Euro (Alleinstehende/Verheiratete) von heute 42 Prozent auf 48 Prozent angehoben werden, plus 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag auf 48 Prozent, also auf 50,64 Prozent. Der nicht zu besteuernde Grundfreibetrag sollte auf 8.000 Euro für Alleinstehende fixiert werden. Vom Eingangssteuersatz (15 Prozent) könnte dann der Grenzsteuersatz linear bis zum Spitzensteuersatz von 50 Prozent steigen. Das Ehegattensplitting ist abzuschaffen. ÿ Zur Unternehmensbesteuerung: Der Körperschaftsteuersatz muss von 15 Prozent auf 30 Prozent angehoben werden. Zusammen mit der Gemeindewirtschaftsteuer (siehe nächsten Punkt) ergibt sich dadurch eine Besteuerung der Gewinne von Kapitalgesellschaften von rund 48 Prozent plus Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent. Das entspricht dem Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer, der für Personengesellschaften in der Regel in Ansatz zu bringen ist. Hierdurch kommt es im Ergebnis zu einer synthetischen Besteuerung zwischen Kapital- und Personengesellschaften. Gleichzeitig wird bei der Berücksichtigung von Verlustvorträgen eine Mindestbesteuerung von 60 Prozent des laufenden Gewinns eingeführt und die Möglichkeit der

212

Kapitel IV: Praktikerbeiträge Verrechnung von Verlustvorträgen auf dem laufenden Gewinn auf zwei Jahre begrenzt.

ÿ Alle Unternehmen profitieren von den Leistungen der Kommunen. Deshalb unterliegen auch die Selbständigen und Freiberufler einer einzuführenden Gemeindewirtschaftssteuer, die die heutige Gewerbesteuer ersetzt. Die Steuerbasis ist die Nettowertschöpfung aller Unternehmen (Arbeitsentgelte, Zinsen, Mieten/Pachten/Lizenz- und Leasinggebühren sowie Gewinne). Ihre Höhe ergibt sich aus einer für alle Unternehmen einheitlichen Steuermesszahl von 3 Prozent, die auf den zu versteuernden Ertrag bezogen wird. Auf den Steuermessbetrag wiederum wird der durch die Gemeinden in eigener Autonomie festgelegte Hebesatz angewendet. Um im Konkurrenzkampf der Kommunen („Bürgermeisterkonkurrenz“) einen Steuersenkungswettbewerb zu begrenzen, darf der Hebesatz bei allen Kommunen 200 Prozent nicht unterschreiten. ÿ Die Kapitaleinkünfte sind vorab wie bisher wieder mit 30 Prozent und in der jeweiligen Jahressteuererklärung mit dem individuellen Grenzsteuersatz zu versteuern. Die Steuerfreigrenze sollte bei 5.000 Euro/10.000 Euro (Alleinstehende/Verheiratete) liegen. ÿ Die zurzeit ruhende Vermögensteuer muss dringend reaktiviert werden. Dies verlangt schon die hohe Vermögenskonzentration in Deutschland.202 Entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 muss die Bevorteilung des Immobilienvermögens (einschließlich Grund und Boden) gegenüber dem Geldvermögen infolge der – verglichen mit den Marktwerten teils unter der Hälfte liegenden – Einheitswerte aufgehoben werden. Dazu ist anstelle dieser Einheitswerte eine marktnahe Bewertung der Immobilien sowie von Grund und Boden – etwa 80 Prozent des Verkehrswertes – sicherzustellen. Der Steuersatz auf das gesamte zu veranlagende Vermögen sollte 1,5 Prozent betragen, bei einem Freibetrag von 500.000 Euro für eine Familie mit 4 Personen (Ehepaar 300.000 Euro, je Kind 100.000 Euro). ÿ Die Erbschaftsteuern sind drastisch zu erhöhen. 150 bis 250 Mrd. Euro werden pro Jahr vererbt oder verschenkt. Das in Deutschland zurzeit vorliegende Jahresvolumen von rund 4 Mrd. Euro müsste im Verhältnis zur heutigen Gesetzgebung entsprechend auf rund 10 Mrd. Euro gesteigert werden. Für Steuergeschenke an Firmenerben gibt es keinerlei Gründe. Es ist kein Fall bekannt, bei dem ein Betrieb wegen 202 Rund zwei Drittel der bundesdeutschen Bevölkerung verfügt über kein oder nur ein sehr geringes Vermögen. Andererseits verfügen die wohlhabendsten zehn Prozent der privaten Haushalte mittlerweile über fast 60 Prozent der gesamten Vermögensbestände in Deutschland. Allein die 300 reichsten Deutschen steigerten 2007 ihre Vermögen um 80 Mrd. Euro auf insgesamt 475 Mrd. Euro (Frankfurter Rundschau vom 4. September 2008, S. 4).

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

213

Erbschaftsteuerzahlungen schließen musste. In Deutschland betragen die Erbschaftsteuern bezogen aufs Bruttoinlandsprodukt mal gerade 0,18 Prozent. In Frankreich sind es beispielsweise 0,52 Prozent. ÿ Auf die Agenda einer gerechten Steuerpolitik gehört auch die Wiedereinführung einer Börsenumsatz- sowie einer Devisenumsatzsteuer („Tobinsteuer“). Das Aufkommen aus der Börsenumsatzsteuer steht für die Finanzierung nationaler Staatsaufgaben zur Verfügung, während die Einnahmen aus der Devisentransaktionsteuer als Finanzierungshilfen für die ärmsten Länder der Welt genutzt werden sollten. Außerdem muss die Steuerpolitik durch eine rigorose Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, Steuerflucht und -hinterziehung sowie Steuerverlagerung in Off-Shore-Zentren ergänzt werden – und das heißt auch, die Steuerverwaltungen mit wesentlich mehr Personal auszustatten. Die in diesem Kontext von der Deutschen Steuergewerkschaft auf jährlich 70 Mrd. Euro geschätzten Steuerausfälle sind ein gesellschaftspolitischer Skandal, den die herrschende Politik duldet. 4.4.3

Sozialabgaben umverteilen

Der Staat benötigt neben den Steuereinnahmen auch Sozialabgaben zur sozialen Absicherung der Bürger und Bürgerinnen. Hierzu zählen die Sozialversicherungen (Renten-, Kranken-, Pflege- Arbeitslosen- und Unfallversicherung) mit ihren Beitragssätzen und Höchstbeiträgen (vgl. Darst. 2). Diese werden bis auf die Unfallversicherung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern paritätisch finanziert.203 Die paritätische Finanzierung wurde allerdings mit der sog. Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung sowohl bei der Rente (siehe „Riesterrente“) als auch bei der Krankenversicherung (Arbeitnehmer zahlen hier bei weggefallenen gesetzlichen Leistungen privat dazu und außerdem finanzieren sie 0,9 Prozentpunkte des Beitragssatzes allein) zu einem beträchtlichen Teil aufgehoben.

203 Das Aufkommen zur gesetzlichen Unfallversicherung betrug 2006 knapp 12,5 Mrd. Euro.

214

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Darst. 2: Beiträge zur Sozialversicherung (ab 2. Halbjahr 2008) Rente Krankheit Pflege Arbeitslosigkeit Gesamt Beitragssätze in Prozent vom Bruttolohn/-gehalt (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil zusammen) 19,9 15,5 1,95 2,8 40,15 Beitragsbemessungsgrenzen in Euro/Monat (West) 5.400 3.675 3.675 5.400 (Ost) 4.550 3.675 3.675 4.550 Höchstbeiträge in Euro/Monat (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil zusammen) (West) 1.074,6 569,63 71,66 151,20 1.867,09 (Ost) 905,45

569,63

71,66

127,40

1.674,14

Quelle: Innungskrankenkasse (IKK) Nord, im Internet unter http://www.ikk-nord.de/index. php?active_id=554 Stand: 09.01.2008

Im Zuge einer politisch gewollten Senkung der Lohnnebenkosten wurden so insgesamt in der Vergangenheit die Arbeitnehmer belastet und die Unternehmer entlastet. Hiermit muss Schluss gemacht werden. Eine Umverteilung zu Lasten der Unternehmer und Kapitaleigentümer ist überfällig. Dies auch vor dem Hintergrund einer seit Anfang der 1980er Jahre um rund 11 Prozentpunkte gesunkenen gesamtwirtschaftlichen Lohnquote. Diese lag 2007 (inkl. der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung) nur noch bei 64,7 Prozent. Daher sind im Bereich der Sozialabgaben die folgenden Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und der ArbeitnehmerInnen einzuleiten: ÿ Rente: Der Staat leistet hier zu den beitragsfinanzierten gesetzlichen Renten mittlerweile einen jährlichen Zuschuss in Höhe von knapp 74 Mrd. Euro. Zur Entlastung der Staatsausgaben sind 35 Mrd. Euro dieses Zuschusses aus der Summe der Unternehmens- und Vermögenseinkommen – diese betrugen 2007 gut 643 Mrd. Euro – zu finanzieren. Außerdem zahlen zukünftig alle gemäß ihrer individuellen Leistungsfähigkeit in die Rentenkasse ein. Die Beitragsbemessungsgrenze wird aufgehoben und sämtliche Einkunftsarten in Ansatz gebracht. Die Teilprivatisierung der Rente („Riester-Rente“) wird storniert. Dadurch kann die staatliche Subventionierung in Milliardenhöhe zurückgenommen und das gesetzliche Renteneintrittsalter wieder auf 63 Jahre festgelegt werden. ÿ Krankenversicherung: Die zum 1. Januar eingeleitete Reform mit einem „Gesundheitsfonds“ ist nicht zielführend. Alternativ dazu ist die private Krankenversicherung abzuschaffen. Dadurch würden 8,5 Millionen

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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Vollversicherte und gut 18 Millionen Zusatzversicherte in die gesetzliche Krankenversicherung überführt. Die Beitragsbemessungsgrenze ist von 3.600 Euro auf 5.000 Euro Bruttomonatseinkommen anzuheben und die Pharmaindustrie hat mit jährlich 1 Mrd. Euro aus ihren versteuerten Gewinnen zur Entlastung der Krankenversicherung beizutragen. Die Beitragssätze sind außerdem wieder voll paritätisch zu finanzieren und die Leistungskürzungen aus der Agenda 2010 sind rückgängig zu machen. ÿ Pflegeversicherung: Die Beitragsbemessungsgrenze ist hier entsprechend der Krankenversicherung auf 5.000 Euro anzuheben. ÿ Arbeitslosenversicherung: Da Unternehmer weitgehend verantwortlich für Entlassungen ihrer abhängig Beschäftigten sind, ist auch die Arbeitslosenversicherung ausschließlich von den Arbeitgebern zu finanzieren. Außerdem sind die Beitragsbemessungsgrenzen auf 6.000 Euro (Westdeutschland) und 5.000 Euro (Ostdeutschland) zu erhöhen. Nur durch die aufgezeigte grundlegend veränderte Steuerpolitik in Verbindung mit einer Umverteilung der Sozialabgaben zu Lasten der Unternehmens- und Vermögenseinkommen ist zukünftig auch die Finanzierung von Bundesländern und ihren Kommunen und Regionen sichergestellt. Ohne eine Steigerung der Einnahmen wird der Staat ansonsten auf allen föderalen Ebenen zunehmend handlungsunfähiger – nicht nur im Hinblick auf den Erhalt eines Wohlfahrtstaates.

5.

Strukturschwäche von Regionen und Förderpolitik

Wolfgang Dürig: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung Essen204

5.1

Einleitung

Die Lektüre des Wirtschaftsteils der Tagespresse dieser Tage ist geeignet, den Leser immer wieder aufs Neue in tiefen Pessimismus zu stürzen. Nahezu täglich tauchen Schreckensmeldungen auf: Arbeitsplätze werden in großem Umfang abgebaut, Werke werden für immer geschlossen, Traditionsunternehmen an unbekannte Investorengruppen verkauft. Fusionen von Unternehmen werden wegen der damit verbundenen Synergieeffekte als Beitrag zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit publizistisch schmackhaft gemacht, doch für viele der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steht erst einmal der 204 Ich danke Dirk Engel und Norbert Zdrowomyslaw für wertvolle Hinweise und Kommentare zu diesem Beitrag.

216

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Verlust des Arbeitsplatzes an. Konjunkturelle Belebungen erweisen sich immer häufiger als kurzzeitige Strohfeuer. Zugleich zeigen großformatige Fotos in den Zeitungen strahlende Vorstandsvorsitzende, die wieder einmal eine zweistellige Wachstumsrate des Gewinns ihres Unternehmens zu verkünden haben. Manager, die mit Millionenabfindungen aus dem Amt scheiden, obwohl sie in ihrer Amtszeit eine eher klägliche Bilanz vorzuweisen haben. Angesichts dieser Widersprüchlichkeiten beginnen viele Menschen hierzulande an der Wirtschaftsordnung zu zweifeln, manche sogar zu verzweifeln. Das Soziale und Gerechte der „sozialen Marktwirtschaft“ droht zu verkümmern.205 Viele Bürger beurteilen verständlicherweise die wirtschaftliche Lage in erster Linie aus der Perspektive ihres räumlichen Umfeldes. Sie fühlen sich dort wohl, wo ihr Auskommen gesichert ist und sie eine Perspektive für sich und ihre Familie sehen. Dies hängt nicht nur aber im Wesentlichen von den Erwerbsmöglichkeiten ab. Diese bestimmen sich aus der Quantität und Qualität der verfügbaren Arbeitsplätze öffentlicher und privater Arbeitgeber sowie aus den Möglichkeiten einer selbstständigen Betätigung. Doch wovon hängt eigentlich in einer Region Art und Umfang der wirtschaftlichen Aktivität ab? Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit eine Region prosperiert? Bis zu welchem Grad sind die Rahmenbedingungen gestaltbar? Welche Faktoren machen eine Region attraktiv? Last not least – welche Möglichkeiten hat die Kommunalpolitik im Allgemeinen und die Wirtschaftsförderung im Besonderen, Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung einer Region zu nehmen? Kann aus einer strukturschwachen Region eine strukturstarke Region werden? Welche Möglichkeiten und Grenzen der politischen Gestaltbarkeit existieren generell? Der folgende Beitrag möchte einige Schlaglichter auf diese und weitere Fragen werfen.206 Hierzu wird nach der Einleitung zunächst ein kursorischer Blick auf die veränderten Rahmenbedingungen geworfen, denen sich die Regionalpolitik heute gegenübergestellt sieht. Im dritten Gliederungspunkt werden die Gründe für das Auftreten regionaler Disparitäten sowie den Strategien zu deren Überwindung diskutiert. Eine besondere Aufmerksamkeit wird dem Begriff „strukturschwache Region“ zuteil. Er ist inzwischen so selbstverständlich in den Sprachgebrauch eingegangen, so dass es sich lohnt einige Gedanken darauf zu verwenden, wie er definiert wird und was er eigentlich im205 Nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Juni 2008 hatten 38 Prozent der Befragten „keine gute Meinung“ von der deutschen Wirtschaftsordnung – und nur noch 31 Prozent „eine gute Meinung“. Noch zu Jahresbeginn hatten sich 39 Prozent der Befragten optimistisch über die Soziale Marktwirtschaft geäußert (Pessimisten: 27 Prozent). Besonders hoch ist der Meinungsverfall in Westdeutschland. Zum ersten Mal haben mehr Menschen (35 Prozent) eine schlechte als eine gute Meinung (34 Prozent) von ihrer Wirtschaftsordnung. Vgl. o.V. (2008), Soziale Marktwirtschaft verliert rasant an Zustimmung. „Wirtschaftswoche“ vom 07.06.2008. 206 Auch wenn es nicht der Nomenklatur entspricht, wird in diesem Beitrag nicht explizit zwischen Regionalpolitik, regionaler Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsförderpolitik unterschieden. Es geht allgemein um alle Maßnahmen die geeignet sind, regionale Disparitäten zu überwinden und Grundlagen für Prosperität in den Regionen zu schaffen.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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pliziert. Am Beispiel der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur soll gezeigt werden, wie in der Praxis strukturschwache Regionen abgegrenzt und typisiert werden. Unter dem Stichwort Erfolgskontrolle wird dann der Frage nachgegangen, ob sich Erfolge der bisher praktizierten Regionalpolitik identifizieren lassen und welche strategischen Alternativen zum Abbau regionaler Disparitäten zur Verfügung stehen. Der vierte Gliederungspunkt widmet sich den grundlegenden Kontroversen über Ziele und Konzepte der Regionalpolitik. Anknüpfungspunkt sind hier die ordnungspolitischen Diskussionspole „Ausgleichs- versus Wachstumsziel“ und „Marktversagen bzw. Staatsversagen“, mit denen Interventionen der Regionalpolitik entweder abgelehnt oder begründet werden. Im fünften Gliederungspunkt wird die Frage nach den Ansatzpunkten für eine regionale Wirtschaftsförderung gestellt, die sich sowohl dem Ausgleichsziel verpflichtet fühlt, aber zugleich auch das regionale Wachstum stärken möchte. Ausgangspunkt sind die Motive oder Anlässe für Unternehmen, Entscheidungen über Unternehmensstandorte zu treffen. Für die Wirtschaftsförderung werden zwei Felder näher beleuchtet, nämlich die Bestandssicherung von Unternehmen und die Ansiedlung neuer Unternehmen. Hier sind – wenn überhaupt – die Gestaltungsräume der regionalen Wirtschaftspolitik, um Erwerbsmöglichkeiten zu erhalten bzw. zu schaffen. Im letzten Abschnitt sollen die vorangegangen Überlegungen zusammengeführt und auf die Frage, welche Ansätze der Wirtschafts- und Regionalförderung erfolgversprechend in strukturschwachen Regionen eingesetzt werden können, eingegangen werden. Hier sind – um das gleich vorneweg zu erwähnen – keine abschließenden Antworten zu erwarten. Vielmehr müssen viele Fragen unbeantwortet bleiben, weil die Wissenschaft trotz vieler Forschungsbemühungen die Zusammenhänge nach wie vor nur unzureichend versteht. Es besteht jedoch angesichts der Herausforderungen eine gewisse Evidenz für eine Reihe von Eckpunkten, wie eine zukunftsorientierte Regional- bzw. Wirtschaftsförderung aussehen könnte.

5.2

Rahmenbedingungen für Regionalpolitik

Regionalpolitik ist Standortpolitik von Regionen und für Regionen. Sie ist Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik.207 Die allgemeinen Trends der wirtschaftlichen Entwicklung wie Internationalisierung, Globalisierung, demographischer Wandel, technologischer Fortschritt und alle anderen als prägend für die Entwicklung angesehenen Vorgänge wirken sich sowohl positiv wie negativ in den einzelnen Regionen aus. Die Rahmenbedingungen für Regio207 So formuliert es das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie auf seiner Internetseite. Download unter: http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Wirtschaft/Wirtschaftspolitik/regionalpolitik.html Stand: 20.10.2008

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Kapitel IV: Praktikerbeiträge

nalpolitik ändern sich somit als Teil des wirtschaftlichen und sozialen Strukturwandels.208 Wirtschaftliche Strukturen unterliegen in einer offenen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung einem permanenten Wandel, in dessen Folge einzelne Wirtschaftszweige an Bedeutung gewinnen und andere verlieren. Der Strukturwandel bezeichnet hierbei die wirtschaftlichen und sozialen Vorgänge, bei denen sich die Bestandteile und Elemente, die Kompetenzen und Fertigkeiten sowie die Zusammenhänge der Bestandteile und die Infrastruktur einer Region verändern.209 Die Suche nach der Erklärung der Ursachen und Effekte des Strukturwandels ist keineswegs abgeschlossen und stellt vielmehr ein fortlaufendes, wichtiges Forschungsfeld der Wirtschaftswissenschaften dar. Als wesentliche Faktoren des Strukturwandels werden auf der Nachfrageseite systematische Änderungen der Einkommensverausgabung bei wachsendem Wohlstand angesehen (Wandlungen der Güternachfrage, Geschmacksänderungen). Auf der Angebotsseite beeinflussen unter anderem der technische Fortschritt, Änderungen des Produktionsfaktorenangebots, aber auch die Intensität der politischen Regulierung (z.B. Änderungen des Rechts-, Steuer- oder Sozialversicherungssystems, Wettbewerbsrecht, Umweltauflagen) die strukturelle Zusammensetzung der Wirtschaft.210 Bedeutsam ist, dass die Wandlungen des inneren Gefüges einer Volkswirtschaft nicht nur Begleiterscheinung des ökonomischen Entwicklungsprozesses ist, sondern in der Regel auch eine Voraussetzung des Wirtschaftswachstums.211 Im Prozess des Strukturwandels können nicht nur Branchen, sondern auch Regionen einen Aufstieg aber auch einen Abstieg in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung vollziehen. Die Politik setzt die Rahmenbedingungen, unter denen sich dieser Wandel vollzieht. Sie kann versuchen, die sozialen Folgen des Wandels z.B. durch Subventionen abzufedern, sie kann aber auch progressiv das Entstehen neuer Wirtschaftsstrukturen fördern. Klassisches Beispiel hierfür ist das Ruhrgebiet. Seit Beginn der Kohlekrise im Jahr 1958 befindet das Ruhrgebiet sich in einer anhaltenden Umstrukturierungsphase mit großen wirtschaftlichen Anpassungsschwierigkeiten. Die hier einst dominante Montanindustrie ist auf dem Rückzug. Die Politik hat in dieser Region massiv eingegriffen. Jahrzehntelange gezielte staatliche Subventionen konnten den Strukturwandel im Ruhrge208 An dieser Stelle können nur wenige Schlaglichter auf diese komplexen Zusammenhänge geworfen werden. Somit ist die Darstellung unvollständig, möglicherweise auch zu holzschnittartig. Ihre Relevanz für die Regionalpolitik sollte jedoch unbestritten sein. 209 Vgl. Dispan, J./Grammel, R./Iwer, Stieler, S./Stieler, F.: Strukturwandel und regionale Kooperation. Arbeitsorientierte Strukturpolitik in der Region Stuttgart, Marburg 2002. 210 Vgl. aus ordnungspolitischer Sicht Rasmussen, T.: Sektoraler Wandel und staatlicher Interventionismus, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaften, H. 1, Bd. 33, 1982, S. 123 ff. sowie Koch, L. T.: Entwicklungsoffene versus strukturkonservierende Wirtschaftspolitik – Das empirische Beispiel zweier konträrer Politikkonzeptionen, in: Zeitschrift f. Wirtschaftspolitik, Jg. 45, H. 3, 1996, S. 377 - 396. 211 Vgl. Juen, Chr.: Die Theorie des sektoralen Strukturwandels. Konzeptionelle Grundlegungen, Probleme und neuere theoretische Ansätze zur Erklärung des sektoralen Strukturwandels, Bern/Frankfurt am Main 1983 sowie Peters, H-R.: Wirtschaftspolitik, 3. Aufl., München 2000, S 242ff.

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biet allerdings nicht aufhalten. Sie verhinderten vielmehr das Entstehen neuer, moderner Wirtschaftszweige.212 Im Zuge einer zunehmenden internationalen Verflechtung wirtschaftlicher und sozialer Prozesse erwächst der Eindruck, dass es immer schwieriger wird, die tiefgreifenden Veränderungen für das ökonomische und soziale Zusammenleben der Weltgesellschaft in den Griff zu bekommen. Nationale, soziokulturelle und ökonomischen Grenzen verschwimmen, ehemals fremde Lebenswelten finden über Medien, handelbare Güter und direkten Kontakt der Menschen zu anderen Kulturkreisen Eingang in unseren Alltag. Die technikbedingte Internationalisierung unternehmerischen Handelns und marktlicher Interaktion erhöht den Einfluss globalen Geschehens auf individuelle – und damit auch regional relevante – Entscheidungen.213 Eine Regionalpolitik, die sich vor allem als Standortpolitik versteht, gerät angesichts der wachsenden Kapitalmobilität in Schwierigkeiten, nachhaltige und dauerhafte Strukturen in den Regionen zu schaffen. Der globale Wettbewerb verbunden mit einer in den letzten Jahrzehnten zunehmenden Liberalisierung des Kapital- und Warenverkehrs hat den Druck auf die Unternehmen erhöht, die Produktionskosten zu senken. Diese Entwicklung war für Verbraucher (niedrige Preise) und Aktienmärkte (hohe Renditen) mit bemerkenswerten Vorteilen verbunden, jedoch die Beschäftigten, das soziale Gefüge und die Umwelt hatten das Nachsehen.214 Auf der Suche nach Preisvorteilen (vor allem bei den Lohnkosten) relativierten sich im Entscheidungskalkül der Unternehmen die Stärken traditioneller Standorte. Das Schlagwort der „footloose industry“, also der nicht an bestimmte Standorte gebunden Industrie, kam auf. Es handelt sich vor allem um Produzenten von Massenprodukten, bei denen durch die Ansiedlung an einem Standort keine Transportkostenvorteile entstehen. Auch die Bedeutung von qualifizierten Arbeitskräfte oder Führungsvorteile sind in nicht standortgebundenen Industrien von geringer Bedeutung bei der Standortwahl. In den letzten Jahren gab es in der Bundesrepublik zahlreiche Fälle von Standortverlagerungen nach Mittelosteuropa, die vor allem durch Lohnkostenvorteile motiviert waren (z.B. Nokia Werke Bochum, die nach Rumänien umgesiedelt sind).215 Doch auch das Ausweichen von staatlichen Regulierungen (z.B. im

212 Allerdings kann auch die kontrafaktische Frage, was mit der Region geschehen wäre, wenn es diese Subventionen nicht gegeben hätte, nicht sicher beantwortet werden. 213 Vgl. Koch, L.T.: Wirtschaftspolitik im Wandel, München 2001. 214 Vgl. Reich, R.: Superkapitalismus. Wie die Wirtschaft unsere Demokratie untergräbt, Frankfurt am Main 2007. 215 Hans-Werner Sinn prägte in diesem Zusammenhang das viel kritisierte Schlagwort von der Basarökonomie. Vgl. Sinn, H-W.: Ist Deutschland noch zu retten?, Berlin 2005. Kritisch hierzu: Horn, G./ Behncke, S.: Deutschland ist keine Basarökonomie, in DIW-Wochenbericht 40, 2004, S. 583 - 589; sowie Hickel, R.: Kampfbegriff Basarökonomie, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 12, 2004, S. 1513 - 1515.

220

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Umweltschutz) hat Unternehmen zu Standortverlagerungen veranlasst.216 Für die Regionalpolitik bedeutete dies vielfach, sich dem Wettbewerb der Regionen stellen zu müssen. Verglichen sich bisher die Bundesländer, Städte und Gemeinde in Deutschland nur untereinander, kommt jetzt der Vergleich zu benachbarten Regionen im europäischen Ausland oder gar weltweit hinzu. Welche Möglichkeiten hat in diesem Kontext eine nationalstaatliche Regionalpolitik mit EU-Vorgaben? Im nächsten Abschnitt soll zunächst die Frage nach der Typisierung von Regionen aufgegriffen werden. Sie ist grundlegend für jegliche Form der Abgrenzung von Fördergebieten mit denen die Politik Einfluss auf den regionalen, strukturellen Wandel nehmen möchte. Anschließend soll am Beispiel der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ dargestellt werden, wie die Unterscheidung in strukturstarke bzw. strukturschwache Regionen praktisch vorgenommen wird.

5.3

Strukturschwäche: Gründe, Merkmale und Strategien zu deren Überwindung

5.3.1

Typisierung von Regionen

Regionen sind zunächst einmal geographisch abgegrenzte Räume. Ihre Namen verweisen auf geologische Charakteristika (Bergisches Land, Mecklenburger Seenplatte etc.). Sie kennzeichnen natürliche Gegebenheiten, die freilich auch immer mit wirtschaftlichen Standortfaktoren verbunden sind. Wo Wasser ist, wird häufig auch Schiffbau oder Schifffahrt betrieben. In bergischen Regionen finden sich mitunter Rohstoffe, die für die wirtschaftliche Entwicklung nützlich sein können. Unterschiedliche Regionen haben unterschiedliche Potenziale und Stärken – aufgrund ihrer Raumstruktur und geographischen Lage erfüllen sie auch unterschiedliche Funktionen. Sie können unter verschiedenen Obergriffen subsumiert werden, wie z.B. Naturraum, Wirtschaftsraum, Planungsraum, administrativer Raum etc.217 Unter dem Aspekt der Wirtschaftsförderung geht es um ökonomische und verwaltungstechnisches Merkmale eines Raumes. Eine zentrale Frage der politischen Regionalwissenschaft ist in diesem Zusammenhang die Abgrenzung und Klassifizierung von Wirtschaftsräumen. Dies ist keineswegs eine triviale Frage, weil hier unter anderem die Grundlegung für die Bewertung und damit auch für die Art der Förderpolitik erfolgt. Um eine Förderregion festlegen zu 216 Weniger medienwirksam waren die Fälle, in denen Unternehmen reumütig zurückgekehrt sind, weil sie einseitig die Lohnkosten im Blick hatten und die übrigen Faktoren (Logistik, kulturelle Unterschiede etc.) unterschätzt haben. 217 Vgl. Boustedt, O.: Grundriss der empirischen Regionalforschung. Teil I: Raumstrukturen. Taschenbücher zur Raumplanung Bd. 4, Hannover 1975, S. 76f. Grundlegend hierzu auch: Lauschmann, E.: Grundlagen einer Theorie der Regionalpolitik, 3. Aufl., Taschenbücher zur Raumplanung, Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Hannover 1976.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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können bedarf es möglichst exakter, d.h. in der Regel messbarer Kriterien, mit denen eine Region charakterisiert werden kann. In Frage kommen beispielsweise Kennzahlen zur Wertschöpfung, zur Arbeitslosigkeit, zur Sektorstruktur, zur infrastrukturellen Ausstattung etc.. Mehrere Probleme tauchen auf: ÿ Welche und wie viel Kriterien sind heranzuziehen? ÿ Wie sind die einzelnen Kriterien zu gewichten? ÿ Mit welcher zusammenfassenden Kennzahl lassen sich Regionen in einer Rangliste abbilden, um Prioritäten der Förderung festlegen zu können? ÿ Ab welchen Rang ist eine Region förderwürdig oder nicht? (Abschneidegrenze) ÿ Last not least besteht angesichts der vielfältigen Verflechtungen von Regionen das Problem einer trennscharfen Abgrenzung (Pendlerverflechtungen, Arbeitsmarktregionen). 218 Sinn dieser Übung ist es, regionale Disparitäten offen zu legen. Die Unterschiede zwischen den Raumeinheiten sollen anhand zuverlässiger Indikatoren ermittelt werden. Damit werden zwar regionale Diskrepanzen sichtbar, sie werden jedoch durch eine Typisierung nicht erklärt. 5.3.2

Gründe für regionale Disparitäten

Zentrale Ausgangspunkte für die Regionalökonomie sind die unausgeglichenen Raumstrukturen und Raumungleichgewichte. Die Unausgeglichenheit der Raumstrukturen in einer oder mehreren Regionen wird als räumliche Disparität bezeichnet. Unterschiedlich können z. B. die räumliche Verteilung der Rohstoffe, Industrien, Bevölkerung und Städte sein. Die Folgen solcher Disparitäten können regionale Wohlfahrtsunterschiede, regionale Unterschiede der Erwerbsmöglichkeiten oder regionale Arbeitslosigkeit sein. Auch die wirtschaftlichen Aktivitäten sind in Art und Konzentration ungleich. Auf verschiedenen räumlichen Maßstabsebenen können dabei die Ungleichheiten wirken. Sie können in der Bundesrepublik Deutschland z. B. als Nord-Südoder Ost-West-Unterschied auftreten. Genauso bestehen auch Disparitäten zwischen Stadt und Land in Industrie- oder Entwicklungsländer. Weltweit treten beispielsweise Zentrums-Peripherie-Gegensätze in Erscheinung. Alles in allem sind weltweit Ballungs- und Entleerungsprozesse in unterschiedlichen räumlichen Dimensionen zu beobachten. 218 Vgl. hierzu die erstmals von Paul Klemmer vorgenommene trennscharfe Abgrenzung von Arbeitsmärkten (sog. Klemmer-Regionen). Klemmer, P.: Probleme einer arbeitskräfterelevanten Typisierung von Regionen. Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft, Bochum 1974 sowie Fürst, D./Klemmer, P./Zimmermann, K.: Regionale Wirtschaftspolitik, Düsseldorf 1976, S. 14f.

222

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Die Entstehung und Entwicklung von räumlichen Disparitäten kann auf das unterschiedliche Wachstum der regionalen Produktionsfaktorenbestände, der regionalen Produktivität sowie der Nachfrage nach regionalen Produkten zurückgeführt werden.219 Die hauptsächlichen Ursachen der Ungleichheiten sind periphere Lage, niedriges Qualifikationsniveau der Bevölkerung, unzureichende infrastrukturelle Ausstattung und eine ungünstige strukturelle Ausrichtung der regionalen Wirtschaft auf jene Branchen, die sich durch eine rückläufige Marktnachfrage, geringer Wertschöpfung je Beschäftigten und geringer Wettbewerbsfähigkeit im globalen Maßstab auszeichnen. Neben den relativ rückständigen Gebieten, gibt es aber auch Regionen, die einst wohlhabend waren und nun immense wirtschaftliche Probleme haben. Betroffen sind vor allem Gebiete mit Industrien, die in Europa vom Niedergang gekennzeichnet sind wie Kohlenbergbau, Textilindustrie, Stahlindustrie und Schiffbau oder Länder in Transformationsprozessen wie die neuen Bundesländer oder die osteuropäischen Staaten. Altindustrielle Regionen sind vielfach durch wenige, zumeist sehr große und spezialisierte Betriebe in Branchen mit unterdurchschnittlichem Wachstum charakterisiert. Als weiteres ist häufig kennzeichnend, dass ihre Produkte eher am Ende eines Produktlebenszyklus einzuordnen sind. Hierdurch kommt es zu Arbeitslosigkeit bzw. zur Abwanderung vor allem von Facharbeitskräften. Hohe Umweltbelastungen und ein schlechter Zustand des Sachkapitals ergänzen das Bild einer niedergehenden Region. Diese Faktoren lähmen die Fähigkeit, die Strukturkrise als Herausforderung anzunehmen und sich dem Negativtrend entgegen zu stemmen. Hinter diesen Entwicklungen werden vielfach ein Trend der Deindustrialisierung und der Übergang zu einer wissensgestützten Dienstleistungsökonomie gesehen.220 Welche Rolle eine vor allem von Dienstleistungen geprägte Wirtschaft überhaupt spielen kann, ist umstritten. Untersuchungen haben gezeigt, dass einige Dienstleistungsbereiche (z.B. Beratung, FuE-Dienstleister) eng mit industriellen Wertschöpfungsprozessen verknüpft sind (sogenannte industrienahe Dienstleistungen). Andere hingegen wie Tourismus, Life Science können dagegen relativ unabhängig von der industriellen Basis in der Region prosperieren. Die Ansiedlung dieser Branchen bedarf an sich nur eines, eine hohe Attraktivität des Standortes für Freizeitaktivitäten.

219 Vgl. Rossi, A.: Der wirtschaftliche Strukturwandel und die Regionen. Am Beispiel der Schweiz und der angrenzenden Länder, Institut für Orts-, Regional- und Landesplanung an der ETH Zürich, Zürich 1995 sowie Krugman, P.: Development, Geography, and Economic Theory (Ohlin Lectures), Cambridge (USA) 1997. 220 Pelzer, G.: Deindustrialisierung in Deutschland: Eine empirische Analyse und eine sektorale Simulationsstudie für den Zeitraum von 1995 bis 2006, Hamburg 2008.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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Darst. 1: Abgrenzung strukturschwacher Regionen: Potenzial- und Defizitanalyse Entwicklungspotenzial

Entwicklungsbedürftigkeit (Engpässe)

ÿ Bruttoinlandsprodukt je Einwohner ÿ Investitionsquote ÿ Exportquote Industrie ÿ Einwohnerzahl ÿ Erwerbstätigenzahl ÿ Anteil Hochqualifizierte ÿ Anteil F&E -Personal ÿ Studentendichte ÿ Verkehrslage/Erreichbarkeit ÿ Infrastrukturindikator ÿ Technische und Innovationsberatung ÿ Dienstleistungsbesatz

ÿ Landwirtschaftsbesatz ÿ Industriekonzentration ÿ Unternehmensbesatz/Größenstrukturen ÿ Entlassungen ÿ Arbeitslosenquote ÿ Kurzarbeiterquote ÿ Frauenarbeitslosigkeit ÿ Bevölkerungsentwicklung ÿ Altenanteil ÿ Außenwanderungssaldo ÿ Umweltbelastung

Quelle: Eigene Zusammenstellung in Anlehnung an Boustedt, O. (1975).

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung spricht von einer gespaltenen Entwicklung von wachsenden und schrumpfenden Regionen in Deutschland. Um diese Disparitäten feststellen zu können, werden in der Regel im Rahmen einer Potenzial- und Defizitanalyse repräsentative Kennziffern für Regionen ausgewählt und empirisch ermittelt. Häufig werden die in der (keineswegs abschließenden) Darstellung 1 aufgeführten Indikatoren herangezogen, die kardinale Aussagen ermöglichen, in der Regel quantitative Indikatoren mit ökonomischem Bezug. Räumliche Disparitäten werden hier verstanden als Abweichung bestimmter bedeutsam erachteter Merkmale von einem gedachten Referenzniveau. Ein ausgefeiltes Instrumentarium zur Abgrenzung von Förderregionen kommt in der Bundesrepublik im Rahmen der Umsetzung der „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ zur Anwendung. An diesem Beispiel soll im Folgenden dargestellt werden, wie praktisch verfahren wird, Regionen in strukturstark bzw. strukturschwach zu unterscheiden. 5.3.3

Die „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“

In der „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (vgl. blaues Feld) werden durch umfängliche Gutachten die Arbeits-

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Kapitel IV: Praktikerbeiträge

marktregionen in Deutschland empirisch erfasst und aufbereitet. Diese Daten dienen dann als Grundlage für die Festlegung der Förderkulisse im Rahmenplan.221 Die Neuabgrenzung für den Zeitraum 2007 bis 2013 wurde im Jahre 2006 vorgenommen. Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW)222 Regionale Wirtschaftsförderung ist nach Artikel 30 des Grundgesetzes Ländersache. Nach Artikel 91a Grundgesetz wirkt der Bund im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ an der Rahmenplanung und der Finanzierung mit. Die Durchführung der GA-Fördermaßnahmen ist allein Sache der Länder. Die „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ist im Grundgesetz verankert und ein zentrales Element der Regionalpolitik. Dieses Instrument geht zurück auf einen Bundestagsbeschluss aus dem Jahre 1953, wo es zunächst um Hilfestellung für Sanierungsgebiete ging. 1959 wurde das Konzept einer Wirtschaftsförderung nach dem „Gießkannenprinzip“ durch das Zentrale-Orte-Programm ersetzt, d.h. es wurde fortan eine punktuell geordnete Förderung nach Schwerpunkten vorgenommen. Eine Aufwertung der Regionalpolitik erfuhr die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur 1968, als das Bundesministerium für Wirtschaft Vorschläge zur Intensivierung und Koordinierung der regionalen Strukturpolitik erarbeitete, die 1969 ihren Ausdruck im Investitionszulagengesetz und im Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ fanden. Dieser Schritt bedeute den Übergang von „zinsvergünstigten Kredite“ auf Zulagen bzw. Zuschüsse für Investitionen. Mit dem Gesetz über die GRW wurde ein Planungsausschuss eingerichtet, der einen „Rahmenplan“ entwickelt, in dem die einzelnen Fördergebiete und Fördermaßnahmen festgelegt werden. Inzwischen haben die Rahmenpläne üblicherweise eine Laufzeit von drei bzw. vier Jahren. Der Rahmenplan regelt die Voraussetzungen, Art und Intensität der Förderung. Er enthält die regionalen Förderprogramme der Länder, die Festlegung der Fördergebiete, der Fördermittel und der Förderschwerpunkte. Von 2004 bis Ende 2006 konnten die neuen Bundesländer und Berlin Bewilligungen aus der GRW in Höhe von rund 5,3 Mrd. € erhalten. Auf die alten Bundesländer entfielen Bewilligungen in Höhe von 802,3 Millionen € 221 Vgl. Koller, M./Schiebel, W./Schwengler, B.: Neuberechnung der Regionalindikatoren zur Neuabgrenzung der Fördergebiete (Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur). Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg 2000; Schwengler, B./Haag, G./Binder, J., Neuabgrenzung des deutschen Regionalfördergebietes 2007 bis 2013. Endbericht. Gutachten im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe (GA) „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. (IABGutachten), Nürnberg 2006. 222 Vgl. hierzu ausführlich Eberstein, H. H./Karl, H.: Handbuch der regionalen Wirtschaftsförderung, Loseblattsammlung, 59. Erg.-Lieferung, Köln 2007.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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(36. Rahmenplan, BT-Drucksache 16/5215; 8f). Im gesamtdeutschen Ranking der strukturschwachen Regionen, die als Grundlage für die Fördergebiete 2007 bis 2013 ausgewiesen sind, ist Ostdeutschland in Gänze (mit Ausnahme Berlins) als „strukturschwächste Regionen“ eingestuft.223 In Westdeutschland richtet sich die Verteilung der Fördermittel nach der Stellung in der Rangliste, wobei allerdings nach Vorgabe der Europäischen Kommission die Regionen zusammen nur 11% der gesamtdeutschen Bevölkerung umfassen dürfen. Dies hat zur Folge, dass lediglich 29 Arbeitsmarktregionen (gegenüber 41 in der vorangegangen Periode) in Westdeutschland als strukturschwache Regionen ausgewiesen sind. Die Rangfolge der strukturschwachen Regionen ergibt sich aus einem Gesamtindikator, der sich aus multiplikativ verknüpften Einzelindikatoren zusammensetzt. Mit dem höchsten Gewicht (90%) geht der Arbeitsmarktindikator in die Berechnung ein. Hierzu werden regionale Arbeitslosenquoten im mehrjährigen Durchschnitt (50%) sowie als Einkommensindikator der durchschnittliche Bruttojahreslohn je Beschäftigten (40%) herangezogen. Als weiteres Merkmal dient der Infrastrukturindikator vom Bundesamt für Bauwesen und eine Arbeitsplatzprognose, die von der Universität Dortmund (Prof. Dr. F.-J. Bade) erstellt wird (10%). Die ausgewählten Indikatoren werden einzeln gewichtet, standardisiert und zu einem Gesamtindikator multiplikativ verknüpft. Anschließend wird entsprechend der EU-Vorgabe die Abschneidegrenze dort festgelegt, wo die Arbeitsmarktregionen den Anteil von 11% der Gesamtbevölkerung überschreiten. Die Art der Festlegung von strukturschwachen Regionen, wie sie in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ vorgenommen wird, ist sicherlich durchdacht und wird sorgfältig durchgeführt. Allerdings verbleibt dennoch der Eindruck einer gewissen Willkür, wenn durch die EU festgelegt wird, dass in den Fördergebieten maximal 11% der Einwohner der Gesamtbevölkerung leben dürfen. Warum 11% und nicht 5% oder 15%? Diese Abschneidegrenze trägt den Charakter eines politisch irgendwie zäh ausgehandelten Kompromisses, regionalökonomische Aspekte spielen hier offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Bei aller Feinsinnigkeit dieser Indikatorberechnung ergeben sich allerdings in bestimmten Fällen auch Probleme. So können strukturschwache Gebiete mit relativ hohem Arbeitseinkommen bei zugleich hoher Arbeitslosigkeit (wie z.B. das Ruhrgebiet als altindustrielle Region) aus der Förderung herausfallen, während strukturstarke Regionen mit niedrigem Arbeitseinkommen und niedriger Arbeitslosigkeit (wohlhabende ländliche Region mit zahlreichen Rent-

223 Schwengler, B.: Regionale Strukturpolitik – Neues Ranking für deutsche Fördergebiete. IAB-Kurzbericht Nr. 17/2006; Nürnberg 2006.

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nern, wie z.B. Bad Reichenhall) als förderbedürftig eingestuft werden.224 Hier sind gegebenenfalls Feinjustierungen erforderlich. Die Fördergebiete werden wie folgt unterteilt:225 ÿ Fördergebiete mit ausgeprägtem Entwicklungsrückstand mit Genehmigung nach dem EG-Vertrag (A-Fördergebiete), ÿ Fördergebiete mit schwerwiegenden Strukturproblemen mit Genehmigung nach EG-Vertrag (C-Fördergebiete), ÿ Fördergebiete mit schwerwiegenden Strukturproblemen, in denen GA-Mittel auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 70/2001 der Kommission über die Anwendung der Art. 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen auf „Deminimis“-Beihilfen gewährt werden können (D-Fördergebiete). 226 ÿ Daneben sind Gebiete festgelegt, um förderbedingte Spannungen zwischen Gebieten mit hoher Förderpräferenz und Gebieten ohne Förderung abzubauen, in denen keine GA-Mittel gewährt werden (E-Gebiete). Antragsberechtigt sind prinzipiell Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, die in den ausgewiesenen Fördergebieten Investitionen vornehmen wollen und für die Umsetzung Unterstützung benötigen. Ein Investitionsvorhaben kann gefördert werden, wenn es geeignet ist, durch Schaffung von zusätzlichen Einkommensquellen das Gesamteinkommen in dem jeweiligen Wirtschaftsraum unmittelbar und auf Dauer spürbar zu erhöhen (Primäreffekt).227 Diese Voraussetzungen können dann als erfüllt angesehen werden, wenn in der zu fördernden Betriebsstätte überwiegend (d.h. zu mehr als 50 Prozent des Umsatzes) Güter hergestellt oder Leistungen erbracht werden, die ihrer Art nach regelmäßig überregional abgesetzt werden (Exportbasis-Konzept). Als überregional ist in der Regel ein Absatz außerhalb eines Radius von 50 km von der Gemeinde, in der die Betriebsstätte liegt, anzusehen. Zu den förderfähigen Investitionen zählen: 228 ÿ Errichtung einer neuen Betriebsstätte, ÿ Erweiterung einer bestehenden Betriebsstätte, 224 Schwengler, B.: Neuabgrenzung der Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ab 2007, in: Informationen zur Raumentwicklung, H. 9, 2006,:S 538. 225 Deutscher Bundestag 2007: 36. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, Bundestagsdrucksache 16/5215; Teil II Zf. 1.1.1. 226 Eine De-minimis-Beihilfe ist auf Grund ihres Volumens bei der EU nicht genehmigungspflichtig, kann jedoch von der Kommission kontrolliert werden. 227 Vgl. Deutscher Bundestag 2007: 36. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, Bundestagsdrucksache 16/5215; Teil II-A, Ziffer 2.1 228 Vgl. Deutscher Bundestag 2007: 36. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, Bundestagsdrucksache 16/5215; Teil II-A, Ziffer 2.3.1.

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ÿ Diversifizierung der Produktion einer Betriebsstätte in neue, zusätzliche Produkte, ÿ grundlegende Änderung des Gesamtproduktionsverfahrens einer bestehenden Betriebsstätte, ÿ Übernahme einer stillgelegten oder von Stilllegung bedrohten Betriebsstätte unter Marktbedingungen durch einen unabhängigen Investor. Mit den Investitionsvorhaben müssen in den Fördergebieten neue Dauerarbeitsplätze geschaffen oder vorhandene gesichert werden. Für eine Überwachungszeit von mindestens fünf Jahren nach Abschluss des Investitionsvorhabens müssen die Arbeitsplätze tatsächlich besetzt oder zumindest auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft angeboten werden.229 Im Rahmenplan sind die Bedingungen, unter denen eine Förderung gewährt werden kann, detailliert ausgearbeitet. Diese „Präzisierungen“ einzelner Fördertatbestände sind von Rahmenplan zu Rahmenplan immer zahlreicher geworden. Es zeigt sich, dass Grundsatzregeln in Förderprogrammen sich nur bis zu einem bestimmten Grad aufrecht erhalten lassen. Je länger ein Programm wirksam ist, desto mehr Ausnahmebestimmungen fließen in das Regelwerk ein (Teilzeitarbeitsplätze, Saisonarbeitsplätze etc.). Damit werden nicht nur das Programm komplizierter, sondern auch die Antrags- und Prüfprozeduren aufwändiger. 5.3.4

Erfolgskontrollen von Regionalförderprogrammen zum Ausgleich von Disparitäten

In den Rahmenplänen zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ berichten alle Bundesländer über die Umsetzung des Programms in ihrem Zuständigkeitsbereich. So wird ausgeführt, dass mit den Fördermitteln in Westdeutschland von Anfang 2004 bis Ende 2006 ein Investitionsvolumen von rd. 4,3 Mrd. € angestoßen wurde. Hiervon entfielen ca. 528,6 Mio. € auf 1.529 Projekte der gewerblichen Wirtschaft. Dadurch sollen ca. 18.200 zusätzliche Dauerarbeitsplätze geschaffen (davon 4.530 Frauenarbeitsplätze) und rd. 29.720 Dauerarbeitsplätze (davon 1.120 Frauenarbeitsplätze) gesichert worden sein. Rund 273,7 Mio. € wurden für 148 Projekte der wirtschaftsnahen Infrastruktur mit einem Investitionsvolumen von 543,6 Mio. Euro eingesetzt. In den neuen Bundesländern und Berlin wurden Bewilligungen im Umfang von rd. 5,3 Mrd. € erteilt. Hiervon entfielen rd. 4,1 Mrd. € auf 6.523 Projekte der gewerblichen Wirtschaft. Dadurch wurde ein Investitionsvolumen von rd. 22,7 Mrd. € angestoßen. Hiermit sollen rd. 229 Vgl. Deutscher Bundestag 2007: 36. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, Bundestagsdrucksache 16/5215; Teil II,-A Ziffer 2.2.

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Kapitel IV: Praktikerbeiträge

76.900 zusätzliche Dauerarbeitsplätze geschaffen (davon ca. 23.350 für Frauen) und rd. 183.400 Dauerarbeitsplätze (davon ca. 51.750 Frauenarbeitsplätze) gesichert worden sein. Rund 1,2 Mrd. Euro wurden für 1.066 Projekte der wirtschaftsnahen Infrastruktur mit einem Investitionsvolumen von 1,64 Mrd. Euro eingesetzt.230 Das hier eingesetzt Mittelvolumen an Regionalförderung ist ebenso beachtlich wie die Zahl ermittelter Arbeitsplätze. Doch es verbleiben Fragen zu der Wirksamkeit. So ist doch völlig unklar, ob die Investitionen nicht auch ohne GA-Förderung stattgefunden hätten. Schaut man sich die Veränderungen in der Förderkulisse der Rahmenpläne an, so gibt es erwartungsgemäß Regionen, die offenbar stets und immer Fördergebiete sind und solche, die niemals in den Genuss der Förderung kommen. Interessant ist die Gruppe der „Wechslerregionen“, also solcher, die aus der Förderung herausgefallen sind bzw. jene, die hinzugekommen sind. So sind in der aktuellen Liste in Westdeutschland nur noch 29 Arbeitsmarktregionen verzeichnet, während es in der vorangegangenen Förderperiode 41 waren. Nun könnte man zu dem Schluss kommen, dass dies ein Ausweis des Erfolges der Regionalpolitik sei und 12 Regionen nun nicht mehr der Förderung bedürften, weil aus ihnen, wenn nicht strukturstarke, so doch strukturstabile Regionen geworden sind. Doch das ist zweifellos nicht der Fall. Die sorgfältig austarierten Indikatoren spielen hier nur eine untergeordnete Rolle. Neben der von der EU festgelegten Grenze der Einwohner in den Fördergebieten diktiert die Lage des Staatshaushaltes das Ausmaß der Förderung. Ein wichtiges Ziel der Gemeinschaftsaufgabe ist es, die Wirtschaftsstruktur in den Empfängerregionen zu stärken, um strukturschwache Regionen durch Ausgleich ihrer Standortnachteile Anschluss an die allgemeine Wirtschaftsentwicklung zu ermöglichen und regionale Entwicklungsunterschiede abzubauen.231 Dahinter steht der Gedanke, dass die Maßnahmen dazu beitragen werden, über kurz oder lang aus strukturschwachen Regionen wenn nicht strukturstarke, so doch strukturstabile Regionen zu machen. Es ist nicht bekannt, ob es einer Region durch die Gemeinschaftsaufgabe bisher gelungen ist, dieses Ziel zu erreichen. Dies würde nämlich voraussetzen, dass man das Entwicklungsziel einer Region viel präziser fasst. Außerdem wäre zu überprüfen, ob der Anspruch eingehalten werden kann, vor allem solche Investitionen zu fördern, die nachhaltig die Wirtschaftsstruktur einer Region stärken. Die von den Ländern veröffentlichte Bilanz der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen ist kritisch zu hinterfragen. Vor allem stellt sich die Frage der Dauerhaftigkeit der über Investitionszulagen geförderten Beschäftigungsverhältnisse sowie die Frage, ob die Jobs nicht auch ohne Förderung (wenn auch an einem anderen Standort) entstanden wären. 230 Vgl. Deutscher Bundestag 2007: 36. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, Bundestagsdrucksache 16/5215; Teil I – Allgemeines, Ziffer 2.2. 231 Deutscher Bundestag 2007: 36. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, Bundestagsdrucksache 16/5215; Teil I – Allgemeines, Abschnitt 2.1.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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Einzelne Länder berichten über die Widerrufung von Fördermittelzusagen in solchen Fällen, wo das zugesagte Investitionsvolumen nicht realisiert wurde oder die versprochenen Arbeitsplätze nicht zustande gekommen sind. Die Regeln sind eindeutig und scharf, jedoch werden sie durch eine Fülle von Ausnahmen ausgehöhlt. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten für die Unternehmen, durch geschickte Argumentation sich der Verpflichtung bzw. der Rückzahlungspflicht zu entziehen. So kommt eine Rückforderung nicht in Betracht, wenn der Zuwendungsempfänger glaubhaft macht, dass die Nichterreichung der Fördervoraussetzungen auf Umständen beruht, die er nicht zu vertreten hat und die er nicht vorhersehen konnte. Auf Rückforderungen kann auch dann verzichtet werden, wenn marktstrukturelle Veränderungen eingetreten sind oder wenn Arbeitsplätze nicht mit geeigneten Arbeitskräften besetzt werden konnten. Längst nicht alle Länder berichten im Rahmenplan, wie viele Verwendungsnachweise sie überprüft, beanstandet und widerrufen haben. Auch mit der Bekanntgabe der Höhe der Rückforderungen sind die Länder zurückhaltend.232 Es fehlt nach wie vor an aussagekräftigen Untersuchungen regionalpolitischer Programme, die dem aktuellen Stand der Evaluierungsforschung entsprechen.233 Ein schlichtes Monitoring – so wie es im Rahmenplan von den Ländern durchgeführt wird – reicht da nicht aus.234 Will man die Wirkungen regionalpolitischer Interventionen erfassen, so muss detaillierter und gründlicher den Effekten der Förderung nachgegangen werden. Damit einhergehen muss die Forderung, Ziele und Indikatoren für die Regionen zu definieren, damit in einer überschaubaren Zeitspanne Erfolge oder Misserfolge sichtbar werden. Hierbei geht es nicht nur darum, Mitnahmeeffekte aufzudecken, sondern die Regionalpolitik kann aus Evaluierungen lernen, ob die eingesetzten Mittel die angestrebten Wirkungen entfalten. Idealkonzept zur Überwindung von regionalen Disparitäten stehen nicht zur Verfügung. Gemäß den politischen Vorgaben müssen Prioritäten gesetzt werden, in welche Form man mit welchen Defiziten umgehen will. Es kann jedoch nicht dabei bleiben, aus versorgungsorientierter Perspektive Regionen zu Dauerempfängern von Fördermitteln zu machen. Eine aktivierende Regionalpolitik muss hinzutreten.

232 Vgl. Deutscher Bundestag 2007: 36. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, Bundestagsdrucksache 16/5215; Teil III. Regionale Förderprogramme 57ff. 233 Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Urbanistik aus dem Jahre 2004 für die Regionalförderung in Ostdeutschland. Vgl. Meyer-Künzel, M./Roch, I./Leimbrock, H./Wiechmann, Th./John, R.: Der Aufbau Ost als Gegenstand der Forschung. Untersuchungsergebnisse seit 1990, Heft 12, Berlin 2004. 234 Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollen übernimmt für die GRW die statistische Aufbereitung und Plausibilitätsprüfung der Bewilligungen und Verwendungsnachweise. Dies ist jedoch keine Kausal- und Wirkungsanalyse.

230 5.3.5

Kapitel IV: Praktikerbeiträge Strategien zum Abbau regionaler Disparitäten

Regionale Disparitäten neigen dazu, negativ verstärkend zu wirken. Die soziale Abwertung einer Region verschlechtert die ohnehin ungünstige Ausgangssituation noch mehr. Dies betrifft vor allem die Chancen der jüngeren Einwohner, die dort Schwierigkeiten haben, eine gute schulisches Ausbildung zu bekommen, die Probleme haben, eine Lehrstelle zu finden, die in einem sozialen Umkreis groß werden, der ihnen vor allem Hoffnungslosigkeit signalisiert. Es ist vor allem die Gefahr der Kumulation sozialer Probleme in bestimmten Regionen, welche die Politik zu Interventionen veranlasst. Wenn die allgemeine Wirtschaftspolitik nicht ausreicht, dann müssen spezifische Politikansätze her, die gezielt an jenen Stellen ansetzen, wo die Probleme am größten sind. Prinzipiell bieten sich zwei Ansatzpunkte an: eine defensive und auf Linderung abzielende Politik, die vor allem einen relativen Ausgleich im Wohlstandsgefälle zwischen den Regionen anstrebt (Versorgungsorientierte Regionalpolitik) und eine offensive, d.h. auf Schaffung von wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstrukturen abzielende Politik (Produktionsorientierte Regionalpolitik). Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, können aber auch problematische Folgewirkungen haben. Mit einer produktionsorientierten Regionalpolitik wird angestrebt, Anreize für privatwirtschaftliche Investitionen zu schaffen. In der Darstellung 2 werden beispielhaft Ansatzpunkte dieser Strategie dargestellt. So kann der Staat Finanzmittel bereitstellen, um Privaten einen Anreiz zu geben, in neue oder bestehende Arbeitsstätten zu investieren. Dieser Ansatz wird z.B. in der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur verfolgt. Weiterhin kann der Staat dafür Sorge tragen, dass Ausbildungsstätten geschaffen werden, in denen Menschen ausgebildet werden, die anschließend ihr Wissen produktiv in den Arbeitsstätten der Region einbringen. Weiterhin kann die öffentliche Hand in Infrastruktureinrichtungen (Hafenausbau, Gleisanschluss, Bau regionaler Flughäfen etc.) investieren, um die Region als Unternehmensstandort attraktiv zu machen. Existenzgründer können zur Selbstständigkeit durch Zuschüsse und Beratung ermutigt werden. Es ist ohne weiteres möglich, die Liste der in Frage kommenden staatlichen Maßnahmen zu verlängern. Doch immer handelt der Staat mit dem Risiko, dass seine Bemühungen ins Leere laufen. Bei der Förderung eines bestimmten Industrieunternehmens kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden, ob und wie lange das Unternehmen durch die Unterstützung am Markt wird bestehen können. Auch ist nicht sicher, ob die geförderte Investition zu einer verstärkten Nachfrage nach Produkten gerade dieses Unternehmens führt. Damit ist auch unsicher, ob die durch die Förderung geschaffenen oder gesicherten Arbeitsplätze zumindest für ein paar Jahre werden bestehen bleiben. Der Staat kann sich nicht anmaßen, den Gang der wirtschaftlichen Entwicklung besser einschätzen zu können, als die Unternehmen selbst. Politische Interventionen sind in

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

231

der Regel (nicht nur im regionalpolitischen Zusammenhang) ein Trial and Error Verfahren. Doch dies wird nur selten zugegeben. Es wäre daher sinnvoll, alle staatlichen Zuwendungen in Höhe und Dauer der Gewährung zu begrenzen. Eine Dauersubventionierung läuft Gefahr, Fehlallokationen zu bewirken, die auf längere Sicht der Region eher schaden als nutzen. Auch sollten regionalpolitische Fördermaßnahmen engmaschiger kontrolliert und überprüft werden. Mitnahmeeffekte sind nie gänzlich auszuschließen, doch man sollte alles dransetzen, die Zahl dieser Fälle möglichst gering zu halten. Darst. 2: Strategien zum Abbau regionaler Disparitäten – Beispiele Produktionsorientierte Regionalpolitik - Industriebezogene Förderpolitik zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze (Gründungsförderung, Umstrukturierungsförderung etc.) - Staatliche Investition in betriebliche Ausbildungsstätten - Einrichtung regionaler Aktionsprogramme zur Auffächerung monostrukturierte Industriegebiete - GRW - Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur/ Investitionszulagen - Konzentration der Förderung im Sinne räumlicher Schwerpunktbildungen

Versorgungsorientierte Regionalpolitik - Versorgung der Bevölkerung als prioritäres Ziel der Raumordnung - Menschengerechte Umwelt - Ausgeglichener Funktionsraum als Gegenmodell zur Tendenz zur funktionsräumlichen Arbeitsteilung ‡ Verringerung der sozialen Kosten - Festlegung regionaler Mindeststandards (Mindestversorgung) und Sollwerte - Mindestmaß an Lebensqualität ‡ Wohnungsangebot, Erwerbsmöglichkeiten, Erreichbarkeit der öffentlichen Infrastruktur

Zentrale Orte Konzept/Programm Wachstumspole – oberzentrales punktaxiales Netz „aktive Sanierung“ Quelle: Miosga, M.: Raumentwicklung. Mimeo. Internet: http://www.raumplanung.arch. tu-muechen.de/ – Eigene Abänderungen und Ergänzungen, München 2004.

Wenden wir uns dem zweiten Ansatz zu, der hier als versorgungsorientierte Regionalpolitik beschrieben wird. Eine solche Politik hat vor allem die soziale Versorgung der Bevölkerung im Blick. Die Strukturschwäche einer

232

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Region soll nicht zu Lasten der Einwohner gehen. Ihr Lebensstandard sollte gesichert und ein Abgleiten vom Landesdurchschnitt durch Sozialleistungen verhindert werden. Aus diesem Grunde werden Programm aufgelegt, mit denen Begegnungsstätten, Jugendtreffpunkte, Beschäftigungsinitiativen usw. finanziell gefördert werden. Außerdem sollen regionale Mindeststandards (Ausstattung mit Schulen, Kindergärten, Bildungsstätten, Freizeiteinrichtungen etc.) dafür Sorge tragen, dass die Bevölkerung nicht dadurch über Gebühr Nachteile erleiden muss, weil sie in einer strukturschwachen Region lebt. Diese Maßnahmen sind zweifellos begründet und sind angesichts der regionalen Disparitäten zwischen den Bundesländern zwingend notwendig. Darstellung 3 zeigt, welche starke Kluft zwischen den ostdeutschen und westdeutschen Bundesländern bei den Löhnen und Gehältern nahezu zwei Jahrzehnte nach der Vereinigung weiterhin besteht.235 Die Einkommenssituation ist ein Indikator, der signalisiert, dass von einem regionalen Ausgleich der Erwerbschancen keine Rede sein kann. Eine zukunftsorientierte Regionalpolitik muss also sowohl auf der Nachfrageseite (im Sinne von Existenzsicherung der Einwohner) als auch auf der Angebotsseite (Rahmenbedingungen, Existenzgründungen, Infrastruktur, Bildungsstätten etc.) ansetzen. Doch hier kommt es auf zielgerichtete Maßnahmen an, die die größte Hebelwirkung haben. Versorgungsorientierte und produktionsorientierte Regionalpolitik sind somit nicht als unvereinbare Gegensätze aufzufassen, sondern als gegenseitige Ergänzung.

235 Vgl. Dustmann, Chr./Ludsteck, J./Schönberg, U.: Revisiting the German Wage Structure, IZA Discussion Paper No. 2685, März 2007 sowie Bosch, G./Kalina, Th./Weinkopf, C: Niedriglohnbeschäftigte auf der Verliererseite, in: WSI-Mitteilungen 60, 2008, S. 423 - 430.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge Darst. 3:

233

Bruttolöhne und Gehälter in den Bundesländern

Quelle: o.V.: In Thüringen sind die Löhne am niedrigsten. Bericht über eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). In: Spiegel-online: http://www.spiegel.de/ wirtschaft/0,1518,576994,00.html – Stand: 08.09.2008.

Eine reine versorgungsorientierte Politik kann nicht die Lösung der regionalen Probleme sein, weder in den neuen Bundesländern noch in den altindustriellen Regionen Westdeutschlands. Eine Dynamisierung regionalwirtschaftlicher Aktivität und damit Attraktivität setzt ein kombiniertes und fein dosiertes Maßnahmenbündel voraus, das vor allem an den vorhandenen Stärken ansetzt. Die Regionalpolitik müsste daher nicht nur über statistische Kennzahlen die relative Schwäche einer Region zum Gesamtdurchschnitt ermitteln, sondern auch die Stärken identifizieren, auf der eine aktive Regionalpolitik aufsetzen kann. Zu einer Schwächenanalyse muss also eine Stärkenanalyse hinzukommen. Selbst wenn auf dem ersten Blick eine Region ungünstige Voraussetzungen aufweist, so hat sie irgendwo doch vielleicht einen komparativen Vorteil gegenüber anderen, den sie entdecken und „ausspielen“ muss (z.B. im Tourismus). Mitunter ist ein gezielter Förderimpuls wirksamer als ein breit angelegtes Förderprogramm. Dahinter steckt der Gedanke der Multiplikatorwirkung von regionalpolitischen Maßnahmen. Es gibt einen direkten Impuls – z.B. die im neu angesiedelten Unternehmen beschäftigten Arbeitskräfte – und es gibt verschiedene Folgeeffekte in der Region. Diese haben beispielsweise etwas mit Einkommensverausgabung durch die Beschäftigten, mit Vorleistungs- und

234

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Investitionsgüternachfrage des Unternehmens und mit der Weiterverarbeitung zu tun. All diese Folgeeffekte sind im Prinzip „regionale Multiplikatoreffekte“. Man misst sie in Beschäftigtenzahlen, Einkommen oder Bruttowertschöpfung.236 Eine wirksame Regionalförderung muss bestrebt sein, derartige Multiplikatoreffekte anzustoßen.

5.4

Regionalpolitik – Kontroversen über Ziele und Konzepte der Regionalpolitik

5.4.1

Ausgleichs- versus Wachstumsziel

Bereits in der Diskussion über versorgungsorientierte und produktionsorientierte Regionalpolitik klang an, dass hier „Weltbilder“ der Regionalökonomen aufeinandertreffen. Eine ähnliche Kontroverse hat sich in den letzten Jahren um die Frage entwickelt, ob die Regionalpolitik eher dem Ausgleichs- oder dem Wachstumsziel dienen solle. Ausgelöst wurde die Diskussion durch die Empfehlung der „Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“, in Artikel 72 Abs. 2 den Satz 3 zu streichen, welcher dem Bund die Aufgabe der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in den Regionen der Bundesrepublik überträgt. Eine exponierte Position nimmt in dieser Frage Rommelspacher ein.237 Er stellt in Frage, ob angesichts der tiefgreifenden Wandlungen in Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Pluralisierung der Lebenslagen und Individualisierung die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen tatsächlich eine zeitgemäße Zielvorstellung ist. Die moderne hoch produktive, deregulierte und globalisierte Wirtschaft hat Chancen und Risiken zunehmend auf das Individuum verlagert. Der Markt bestimmt nicht nur über Angebot und Nachfrage von Waren sondern auch über den sozialen und wirtschaftlichen Status jedes Einzelnen. Die Kluft zwischen Arm und Reich – so wird es eindrucksvoll

236 Es gibt unterschiedliche Methoden, mit denen man die regionalen Multiplikatoreffekte abschätzen kann; alle Methoden basieren auf mehr oder weniger komplizierten Rechenmodellen. Prinzipiell können alle diese Berechnung nur Näherungs- bzw. Schätzwerte ermitteln, da nicht alle Variablen erfasst werden können. 237 Vgl. Rommelspacher, Th.: Die „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ ist nicht mehr zeitgemäß. Eine Diskussion über Mindeststandards ist notwendig, Kommunalpolitische Infothek der HeinrichBöll-Stiftung im Internet unter: http://www.kommunale-info.de/index.html?/infothek/2320.asp – Stand: 2004 sowie die Entgegnung hierauf von Eichstedt-Bohlig, F.: Wer den Anspruch nicht hat, wird die Realität nicht verbessern. Pro/Contra „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“, Kommunalpolitische Infothek der Heinrich-Böll-Stiftung im Internet unter http://www.kommunale-info.de/ index.html?/infothek/2404.asp – Stand: 2004.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

235

auch vom Armutsbericht der Bundesregierung dokumentiert - wird größer.238 Damit einher gehen scharfe soziale Ausgrenzungen. Die Disparitäten haben zugenommen und somit auch die bipolare Entwicklung von Wachstum und Schrumpfung in den Regionen. Der Staat – so Rommelspacher – sei heutzutage immer weniger in der Lage für fast alle Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung eine staatlich gesicherte Daseinsvorsorge auf hohem Niveau bereit zu stellen. Länder und Kommunen haben nach dieser Meinung keine Chance, Prozesse der Entleerung und des Niedergangs zu stoppen. Ihnen fehlt das Geld und angesichts fehlender politischer Mehrheit möglicherweise auch die Legitimation für intensive staatliche Eingriffe, die notwendig wären, um das Ziel gleichwertige Lebensverhältnisse erreichen zu können. Nach Rommelspacher wird das Gleichwertigkeitsziel ohnehin nur noch aus Gründen der „political Correctness“ aufrecht erhalten. Die Stadt Leipzig hat bereits „Gebiete ohne Entwicklungspriorität“ ausgewiesen, was im Klartext heißt, dass dorthin keine öffentlichen Gelder mehr fließen sollen. Somit wurde zumindest hier bereits das Gleichwertigkeitsziel aufgegeben.239 Ehrlicher sei es, offen über die Frage der Mindeststandards zu diskutieren, die als Grundausstattung benachteiligter Räume anzustreben sind. In diese Richtung geht auch die Umstellung der Förderung auf so genannte „Leuchttürme“. Als Regionen mit wesentlich besserem Potenzial werden die Räume z.B. um Chemnitz, Dresden, Erfurt, Jena, Leipzig und Rostock sowie der Speckgürtel um Berlin angesehen. Die Erwartung dahinter ist, dass das Wachstum dieser „Leuchttürmen“ auf die umliegenden strukturschwächeren Regionen ausstrahlen wird. Es findet eine Konzentration der Fördermittel auf solche Städte und Regionen statt, die zumeist ohnehin schon eine positive Bilanz aufzuweisen haben. Die Probleme des Prinzips der "Leuchtturmförderung" ergeben sich bisher aus dem Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes, insbesondere gegen die Aufgabe des Bundes zur „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ nach Art. 72 Abs. 2 GG. Eine Streichung dieses Satzes aus dem Grundgesetz, wie es die „Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ diskutiert hat, würde tendenziell strukturschwächere Regionen weiter benachteiligen. Die mittlerweile historische Aussage des damals frisch gewählten Bundespräsidenten Horst Köhler, die Unterschiede in den Lebensverhältnissen zwischen Ost und West müssten sich nicht zwingend angleichen: „Wer sie einebnen will, zementiert den Subven238 Vgl. Bundesministerium für Soziales und Arbeit: Lebenslagen in Deutschland. Der 3. Armutsbericht der Bundesregierung, im Internet unter: http://www.bmas.de . Nach diesem Bericht gelten 13 Prozent der Menschen in der Bundesrepublik als arm, weitere 13 Prozent der Gesamtbevölkerung werden durch Sozialtransfers vor dem Abrutschen in Armut bewahrt. Im Zehnjahresvergleich wird ein deutlicher Anstieg festgestellt. 239 Vgl. Rommelspacher, Th.: Die „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ ist nicht mehr zeitgemäß. Eine Diskussion über Mindeststandards ist notwendig, Kommunalpolitische Infothek der HeinrichBöll-Stiftung im Internet unter: http://www.kommunale-info.de/index.html?/infothek/2320.asp – Stand: 2004.

236

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

tionsstaat und legt der jungen Generation eine untragbare Schuldenlast auf“, kennzeichnet die Abwendung von dem Gleichwertigkeitsziel.240 Die Regionalentwicklung würde hier den Marktkräften anheim gestellt, wo doch ohne weiteres einsehbar ist, dass zahlreiche Regionen nicht aus eigener Kraft zu prosperierenden Regionen werden können. Die Vertreter einer auf Ausgleich ausgerichteten Regionalpolitik berufen sich dagegen auf das Grundgesetz. So finden sich in der Verfassung die Leitvorstellung der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ und die Vorstellung von einem Finanzausgleich, der die Steuerkraftunterschiede der Länder fast vollständig nivellieren soll. Hier setzt auch das Raumordnungsgesetz von 1965 an, welches „gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen“ postuliert. Auch im Rechtskommentar zu diesem Gesetz heißt es: „Bliebe die räumliche Entwicklung sich selbst überlassen, müsste dies zu erheblichen Belastungen und Verschiebungen in der Erwerbs- und Infrastruktur der Bundesrepublik führen, die soziale Benachteiligungen und ungleiche Behandlung nach sich zögen“.241 Eine passive Sanierung von strukturschwachen Regionen wäre ein Verstoß gegen das Sozialstaatsgebot. Die Aufgabe des gestalterischen Anspruchs des Staates zugunsten der Marktkräfte würde gleichbedeutend sein mit der Aufgabe sozialer Staatsziele.242 Diese Position findet sich in der Tendenz auch im Positionspapier der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL). Die ARL plädiert dafür, Gleichwertigkeit als Politikauftrag im föderalen Sozialstaat beizubehalten. Allerdings sollte das Ziel neu interpretiert werden und zwar nicht im Sinne einer Nivellierung raumstruktureller Entwicklungsbedingungen, sondern als Chancengleichheit zur Teilhabe an wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Ein solcher Ansatz würde auch der Vielfalt räumlicher Entwicklungsmuster entsprechen.243 5.4.2

Marktversagen – Staatsversagen

In der neoklassischen Theorie der Volkswirtschaftslehre kommt es durch den Preismechanismus in einem modellhaft angenommenen vollkommenen Markt zu einem Marktgleichgewicht, das zu einer effizienten Ressourcenallokation führt. Sie definiert eine Marktsituation dann als Marktversagen, wenn die Allokation durch Abweichungen vom vollkommenen Markt nicht optimal ist. Marktversagen geht also mit der Verschwendung bzw. dem Brachliegen 240 Köhler, H.: Interview mit dem Magazin Focus Heft 38/2004. 241 Cholewa, W. u.a.:, Raumordnungsgesetz und Landesplanungsgesetze. Kommentar zum ROG, 3. Aufl., Stuttgart 1994, S. 19. 242 Vgl. Hahne, U.: Zur Neuinterpretation des Gleichwertigkeitsziels. Raumforschung und Raumordnung 4, 2005, S. 257 - 265. 243 Akademie für Raumforschung und Landesplanung: Gleichwertige Lebensverhältnisse: eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe neu interpretieren!, Positionspapier Nr. 69, Hannover 2006.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

237

gesellschaftlich knapper Ressourcen einher. Der Begriff Marktversagen bezeichnet eine Marktsituation, in der es dem Markt nicht gelingt, die Ressourcen effizient oder in der gewünschten Weise zuzuteilen.244 Liberale Marktökonomen betrachten einen staatlichen Eingriff erst dann als gerechtfertigt, wenn ein solches Marktversagen nachgewiesen ist. Die Übertragung dieser modellhaften Betrachtung auf die praktische Politik führt jedoch zwangsläufig zu Konflikten, weil der Staat sein Optimum anders definiert als die Theorie. Es ist zwischenzeitlich unbestritten, dass der Staat marktliche Prozesse durch Setzung von entsprechenden Rahmenbedingungen vielfach erst ermöglicht. Dies tut er z.B. durch das Verhindern der Bildung von Monopolen oder Kartellen, durch Festsetzung von Preisen, durch Internalisierung externer Effekte, also Einbeziehen der Kosten bei den Verursachern, z. B. durch Steuern sowie durch weitere Gebote und Verbote. Auf der Gegenseite darf nicht aus den Augen verloren werden, dass es auch ein Staatsversagen gibt. Wäre der Staat in der Lage, Marktversagen zu beheben und effizientere Ergebnisse zu erzielen, wäre dies eine Rechtfertigung für staatliche Wirtschaftspolitik. Daran gibt es jedoch aus einer Reihe von Gründen Zweifel. Staatliche Eingriffe in den Marktprozess verursachen Kosten, sofern die entsprechenden Informationen überhaupt beschaffbar sind (Kosten der Informationsbeschaffung und -verarbeitung; Sach- und Personalkosten, Subventionen, Kontrollkosten). Das Wissen über Wirkungszusammenhänge ist begrenzt und schränkt den Mitteleinsatz ein. Die Analyse des Marktversagens und der geforderte Mitteleinsatz sind geprägt vom Eigeninteresse der verantwortlichen Politiker und der ihnen dienenden Administration. Diese Interessen sind mit denen der Allgemeinheit selten deckungsgleich. Hinzu kommt, dass die möglichen Mittel deswegen nicht einsetzbar sind, weil rechtliche oder finanzielle Restriktionen oder internationale Verpflichtungen sie nicht zulassen. Staatliche Eingriffe rechtfertigen sich erst dann, wenn sie — bei gegebenem Marktversagen — zu besseren Ergebnissen führen.245 Im Kern geht es um die Grundfrage ob die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt, wie die wirtschaftliche Entwicklung auch im räumlichen Kontext durch Markt und Wettbewerb bestmöglich gesteuert wird und ob dieser Prozess zu sozial akzeptablen Ergebnissen führt. Ist man der Ansicht, dass dies dem Markt nur unvollkommen gelingt, dann ist es konsequent, nicht nur staatliche Rahmensetzungen, sondern staatliche Eingriffe zur Verbesserung der Allokation und Verteilung und damit auch eine quantitativ interventionistische Regionalpolitik zu fordern.246 244 Vgl. Fritsch, M./Wein, Th./Ewers, H.-J.: Marktversagen und Wirtschaftspolitik: mikroökonomische Grundlagen staatlichen Handelns, 7. Aufl., München 2007. 245 Vgl. Heise, A: Einführung in die Wirtschaftspolitik. Grundlagen, Institutionen, Paradigmen. München 2005. 246 Vgl. Spehl, H.: Nachhaltige Regionalentwicklung – ein neuer Ansatz für das Europa der Regionen, in: Gahlen, B./Hesse, H./Ramser, H. J. (Hrsg.), Standort und Region. Neue Ansätze zur Regionalökonomik, Wirtschaftswissenschaftliches Seminar Ottobeuren, Bd. 24. Tübingen 1995, S. 307 - 323.

238

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Diese ordnungspolitische Diskussion, welche in starkem Maße die politischen Debatten über Ziele, Instrumente und Erfolge der Regionalpolitik prägt, leitet über zur Frage der praktischen Umsetzung. Dies soll im Folgenden an zwei Kernfragen der regionalen Wirtschaftsförderung thematisiert werden: Wie kann die Wirtschaftsförderung Einfluss nehmen auf die Standortwahlentscheidung von Unternehmen? Welche Strategien stehen zur Verfügung? Hierzu ist zunächst ein Blick auf die eigentlichen Anlässe zu werfen, die dazu führen, dass Unternehmen über die Frage des Standorts eine Entscheidung zu treffen haben. Eine Wirtschaftsförderung wird dann erfolgreich sein, wenn sie passgenaue Angebote und Anreize für Unternehmen in einem solchen Entscheidungsprozess bereitstellen kann.

5.5

Regionale Wirtschaftsförderung – wo ansetzen?

5.5.1

Unternehmerische Anlässe für Standortortentscheidungen

Regionale Wirtschaftsstrukturen ändern sich unter anderem durch Gründungen, Schließungen, Umsiedlungen, Schrumpfungen oder Expansionen von Unternehmen. Je nach Größe und Umfang der Veränderungen kann dies mehr oder minder starken Einfluss auf die Erwerbschancen in einer Region nehmen. Es versteht sich von selbst, dass diese Vorgänge für das Wirken einer effizienten Wirtschaftsförderung von größter Bedeutung sind. Welche typischen Situationen führen dazu, dass Unternehmer und Manager sich Gedanken über den Standort ihres Unternehmens machen? Die erste Standortentscheidung wird bei der Gründung getroffen. Die auf diese Entscheidung einwirkenden Faktoren hängen eng von dem Zweck des Unternehmens ab. Zu nennen sind hier Rohstoffabhängigkeit, Verfügbarkeit von Facharbeitskräften, Transportwege, Nähe zu Kunden und vieles mehr. Bei Dienstleistungsunternehmen spielen häufig soziale Kontakte eine Rolle. Nicht unberücksichtigt bleiben sollten auch Aspekte, die überhaupt nichts mit ökonomischen Überlegungen zu tun haben, sondern vor allem persönliche Präferenzen der Entscheidungsträger widerspiegeln (familiäre Bindungen, regionale Verwurzelung etc.). Viele dieser Faktoren sind unbeeinflussbar. Regionalpolitik kann hier vor allem durch Gründungsförderung (finanziell, aber auch vereinfachte Anmeldungen etc.) und eine entsprechende Infrastrukturausstattung Anreize schaffen. Unter den Gründungen sind solche zu unterscheiden, die von Personen aus der Region vorgenommen werden und solchen, die „von außerhalb“ hinzustoßen und sich in der Region niederlassen. Beide Fälle sind für die Wirtschaftsförderung von hohem Interesse. Zeigt ein Unternehmen Interesse an einer Region, kann dies aus verschiedenen Motiven erfolgen: Verbesserung der bisherigen Standortbedingungen, Markterschließung, Zugang zum Know-how in

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

239

der Region ansässiger Forschungsstätten und verschiedene mehr. Wirtschaftsförderer haben sich eine Zeitlang vor allem um die Anwerbung von Unternehmen aus anderen Regionen bemüht, weil man von diesen neue Impulse (Innovation, Kontakte etc.) erwartete. Dies ist nachvollziehbar und kann sich für eine Region durchaus als Gewinn erweisen. Doch der Wettbewerb um nicht unbedingt regionsgebundene Unternehmen kann sich auch als Nachteil erweisen, insbesondere dann, wenn deren Standortentscheidung in starkem Maße von der Höhe der Förderung beeinflusst wird. Es gibt zahlreiche Beispiel, wo Regionen systematisch im Wettbewerb gegeneinander ausgespielt wurden. Zu bedenken ist jedoch, dass die einmalige Förderung bei einer Investitionsentscheidung nicht ausschlaggebend sein kann, wenn das Unternehmen tatsächlich eine dauerhafte Heimat sucht. Für die Standortentscheidung von seriösen Unternehmen sind erwartete Absatz- und Zulieferbeziehungen, Lohnkosten, Verkehrsanbindung sowie Rohstoff- und Energiekosten viel wichtiger als eine einmalige Bezuschussung einer Ansiedlungsentscheidung. Vielfach kann es daher lohnender sein, sich auf die Potenziale in der eigenen Region zu besinnen. Wirtschaftsförderung kann hier durch Gründungskongresse, durch Betriebsbörsen, durch Informationsveranstaltungen den Menschen die Augen für die Chancen im eigenen Umfeld öffnen. Inzwischen liegen zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Gründerpotenziale und „nascent entrepreneur“ vor.247 Das Kernproblem der Wirtschaftsund Regionalförderung besteht darin, jene Personen zu identifizieren, die sich mit dem Gedanken der Selbstständigkeit befassen. Nur dann, wenn eine Person als potenzielle Gründerin oder potenzieller Gründer erkennbar ist, können auch Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen greifen. Ein weiterer Anlass für Unternehmensleitungen, sich mit der Frage des Standortes zu befassen entsteht dann, wenn ein Unternehmen wächst und daran denken muss, seine Kapazitäten zu erweitern. Auch hier handelt es sich aus Sicht der Wirtschaftsförderung um einen Fall der „Bestandspflege“. Die Wirtschaftsförderung muss mit dieser Problemstellung des Unternehmens frühzeitig konfrontiert sein, damit es wirksam und zugunsten der Region eingreifen kann. Die Hilfe kann z.B. in dem Angebot eines Alternativstandortes in der Region liegen, auch Umsiedlungshilfen können aktiviert werden.

247 Vgl. Welter, F.: Hunting the Heffalump? Searching for Nascent Entrepreneurship in (German) Micro Data. RWI: Mitteilungen, Quarterly 54/55 (3-4), 2006, S 249 - 266 sowie Welter, F./Bergmann, H. (2002), “Nascent Entrepreneurs” in Deutschland, in Schmude, J./Leiner, R. (Hrsg.), Unternehmensgründungen – Interdisziplinäre Beiträge zum Entrepreneurship Research. Heidelberg 2002, S 33 – 62.

240

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Darst. 4: Anlässe für Standortentscheidungen von Unternehmen Joint-Ventures, Fusionen, Übernahmen Veränderungen in der Verkehrslage öffentliche Auflagen öffentliche Förderprogramme Wechselkursänderungen Internationale Handelshemmnisse Europäischer Binnenmarkt Änderungen der Beschaffungstruktur Erschließung von neuen Absatzmärkten Sicherung von bestehenden Absatzmärkten Änderungen im Kapzitätsbedarf Kostensituation von Standorten technologische Entwicklungen Änderungen in der Produktiomnstiefe Änderungen im Produktionsprogramm

0,0

10,0

20,0

30,0

40,0

Distributionsbereich

50,0

60,0

70,0

80,0

Produktionsbereich

Quelle: Bankhofer, U.: Industrielles Standortmanagement, Wiesbaden 2001, S. 100, (Mehrfachnennungen waren möglich).

Die Frage des Standortes kann auch dann angesprochen sein, wenn es um die Einschränkung von Produktionskapazitäten geht. Ein „Kleinsetzen“ kann mit dem Umzug in kleinere Gebäude verbunden sein. Auch hier kann eine Wirtschaftsförderung unterstützend wirken. Ähnlich ist die Situation bei Neuorganisationen, Fusionen oder Unternehmensteilungen. Soll verhindert werden, dass Unternehmen oder Teile davon in andere Regionen „abwandern“, so können das Instrumentarium der Wirtschaftsförderung und ein geschicktes „Standortmanagement“ hier viel bewirken. In diesem Zusammenhang sorgte in den letzten Jahren der Exodus deutscher Unternehmen in das Ausland für viel Aufregung. Mit den Begriffen „Offshoring“ oder „Basarökonomie“ wurde ein Vorgang beschrieben, wonach aufgrund der ungünstigen Rahmenbedingungen (Lohnkosten, Regulierung) eine Vielzahl von deutschen Industrieunternehmen ihren Standort vor allem in das mittelosteuropäische Ausland verlagern würde und damit hierzulande

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

241

eine Vielzahl von Arbeitsplätzen verlorenginge.248 Tatsächlich haben insbesondere in den neunziger Jahren zahlreiche produzierende Unternehmen einen Standortwechsel vorzugsweise nach Ungarn, Polen, Rumänien oder Tschechien vorgenommen. Viele davon haben diesen Schritt unternommen, weil sie mit ihrem Standortwechsel sich den wachsenden mittelosteuropäischen Markt erschließen wollten. Bei anderen stand im Vordergrund, die Lohnkosten zu senken. Von der Gruppe der letzteren sind zwischenzeitlich viele wieder reumütig nach Deutschland zurückgekehrt. Sie haben die Nachteile der Standortverlagerung unterschätzt. Unternehmerische Standortentscheidungen dieser Art sind kaum von Einrichtungen der Wirtschaftsförderung umzukehren. Sie folgen einem vermeintlichen Trend, weil sie befürchten ansonsten den Anschluss zu verpassen oder im Wettbewerb zu unterliegen. Standortbedingungen und Standortentscheidungen sind vielfach theoretisch als auch empirisch untersucht worden.249 Die Anlässe von Standortentscheidungen von Unternehmen wurde differenziert nach Distributions- und Produktionsbereich auch von Bankhofer (2001) untersucht. In einer Unternehmensbefragung kam der Autor zu folgenden Ergebnissen (vgl. Darstellung 4): 71,7% der betrachteten Unternehmen wurden zu einer Standortentscheidung durch die Kostensituation im Produktionsbereich veranlasst. Weitere wichtige Anlässe sind die Erschließung von neuen Absatzmärkten, Unternehmenskooperationen und -zusammenschlüsse, Änderungen im Kapazitätsbedarf sowie die Sicherung bestehender Arbeitsplätze. Bei Standortentscheidungen im Distributionsbereich ragen die Anlässe „Erschließung neuer Absatzmärkte“, „Joint-Ventures, Fusionen, Übernahmen“ und „Sicherung von bestehenden Absatzmärkten“. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass öffentliche Förderprogramm sowohl im Produktionsbereich als auch im Distributionsbereich hinsichtlich ihrer Bedeutung für Standortentscheidungen an 7. Stelle von 15 Kriterien liegen. Somit haben Förderprogramme durchaus ihren Einfluss auf Standortentscheidungen, allerdings ist ihr Gewicht deutlich geringer als die zentralen Anlässe. Nicht alle dieser Anlässe bieten der Wirtschaftsförderung die Möglichkeit, auf die Standortentscheidung Einfluss zu nehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um Zweigniederlassungen oder Tochterunternehmen größerer Konzerne handelt. Dort werden die Entscheidungen in den Konzernzentralen getroffen, wobei nur in begrenztem, Umfang regionale Aspekte ausschlaggebend sind. Mitunter ist selbst die Rentabilität einer Betriebsstätte nicht entscheidend (vgl. Lehrbeispiel Nokia in Bochum). Die Möglichkeiten

248 Vgl. Lo, V./Hauser, C./Stiebale, J./Engel, D./Kohlberger, K.: Internationalisierung des Mittelstandes, in: KfW, Creditreform, IfM, RWI, ZEW (Hrsg.), Den Aufschwung festigen – Beschäftigung und Investitionen weiter vorantreiben. Mittelstandsmonitor 2007 – Jährlicher Bericht zu Konjunktur- und Strukturfragen kleiner und mittlerer Unternehmen, Frankfurt a. M.: 95-155. 249 Vgl. hierzu u.a. Bankhofer, U.: Industrielles Standortmanagement, Wiesbaden 2001.

242

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

einer Einflussnahme auf Standortentscheidungen von Unternehmen sind daher begrenzt.250 5.5.2

Exogenes versus endogenes Potenzial

Unter dem Aspekt der Gründung wurde bereits im vorangegangenen Abschnitt unterschieden zwischen Unternehmen aus der Region und solchen von außerhalb. Beide Fälle sind von der Wirtschaftsförderung unterschiedlich zu behandelt, es stehen in der Regel auch unterschiedliche Fördermaßnahmen zur Verfügung. Dennoch handelt es sich keineswegs um sich gegenseitig ausschließende Strategien. Eine Region sollte stets bemüht sein, seine Attraktivität als Standort für Unternehmen zu pflegen und zu entwickeln. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass sich das Profil von Regionen nur begrenzt den Wünschen und Erfordernissen aller Unternehmen anpassen lässt. Die regionale Wirtschaftsförderung ist also gehalten, aus einer Stärken- und Schwächen-Analyse abzuleiten, welche Wirtschaftszweige prinzipiell sich mit den vorhandenen Ressourcen und Stärken am besten kombinieren lassen. Unternehmensansiedlungen von außerhalb sollten in das regionale Profil hineinpassen. Bei den Zusagen von Fördermitteln ist sorgfältig und kritisch abzuwägen, ob das ansiedlungswillige Unternehmen auf Dauer eine Bereicherung der Region sein wird. Dies ist zweifellos nicht mit letztendlicher Sicherheit vorherzusagen, doch die Art und Weise, wie Unternehmen um Fördermittel nachsuchen, lassen häufig Rückschlüsse darüber zu, welche Faktoren ihre Entscheidung stark beeinflussen. Nicht jede Unternehmensansiedlung „von außen“ erweist sich für die Region als profitabel. Unter diesem Gesichtspunkt sind direkte Förderzusagen für ansiedlungswillige Unternehmen eher kritisch zu betrachten, denn vielfach werden damit die „falschen“ Unternehmen angezogen oder der Zuschuss wird mitgenommen, ohne dass davon die Standortentscheidung tatsächlich beeinflusst wird. Das zweite große Aktionsfeld der Wirtschaftsförderung ist die Pflege des vorhandenen Unternehmensbestandes. Getreu der Maxime, dass Regionalpolitik vor allem Gestaltung der Standortbedingungen für Unternehmen bedeutet, kommt es entscheidend darauf an, wie intensiv die Wirtschaftsförderung in die Diskussionen der örtlichen Wirtschaft eingebunden ist und um deren Problemlagen weiß. Regionalkonferenzen oder runde Tische haben sich dann als geeignete Instrumente der Regionalplanung erwiesen, wenn sie regelmäßig stattfinden und gut strukturiert moderiert werden sowie streng auf das Ziel ausgerichtet sind, konstruktive Lösungen anzustreben. Die regelmä250 Vgl. Leppin, K: Lehren aus der regionalen Wirtschaftsförderung in Brandenburg: von Rennauots, chips und Zigarren, in: Gesellschaft für Regionalforschung (Hrsg.), Seminarbericht 46. Heidelberg/ Wien 2003.

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ßige Kontaktpflege zu den ortsansässigen Firmen und allen weiteren Akteuren ist ein wichtiger Baustein für eine Regionalpolitik, die das endogene Potenzial in der Region aktivieren möchte. Bereits in den neunziger Jahren erregte die Diskussion über „weiche Standortfaktoren“ die Gemüter.251 Bis dahin galt es als Stand des Wissens, dass Unternehmen sich bei der Standortwahl von rationalen und „harten“ Faktoren leiten lassen. Harte Standortfaktoren waren messbare Größen, die unmittelbar etwas mit der Rentabilität und Effizienz des geplanten Unternehmens zu tun hatten (Grundstückspreise, Verkehrserschließung, Hebesätze der Gemeinden Löhne, etc.). Weiche Standortfaktoren betreffen z.B. Kulturangebot, Freizeitmöglichkeiten und Bildungsangebote, die vordergründig nicht unmittelbar mit dem Unternehmenszweck verbunden sind. Diese Faktoren haben jedoch insbesondere bei der Anwerbung hoch qualifizierter Mitarbeiter eine wachsende Bedeutung (vgl. Darstellung 5). Darst. 5: weiche Standortfaktoren

Weiche Standortfaktoren Institutionelle Standortfaktoren - Forschungs- & Entwicklungseinrichtungen - Bürokratie - Kooperationsbereitschaft der Behörden

Unternehmensbezogene Faktoren - Wirtschaftsklima am Standort - Image des Standortes und der Region (Standortprestige) - Konkurrenz bzw. Fühlungsvorteile (Beziehungsgeflecht, Agglomeration)

Politische Verhältnisse - Etablierung von Demokratie - Rechtsstaatlichkeit - Menschenrechtsachtung

Personenbezogene Standortfaktoren - Wohnumfeld, Mentalität der ansässigen Bevölkerung - Umweltqualität - Medizinische Versorgung - Fürsorgeeinrichtungen - Bildungsangebot - Erholungs-, Kultur- und Freizeitangebot - Einkaufsmöglichkeiten - Wohnmöglichkeiten - Vergnügungsmöglichkeiten

Quelle: Grabow, B./ Henckel, D./Hollbach-Gröming: Weiche Standortfaktoren, Schriften des Deutschen Instituts für Urbanistik, Bd. 89, Stuttgart 1995. 251 Vgl. Grabow, B./Henckel, D./Hollbach-Grömig, B.: Weiche Standortfaktoren. Schriften des Deutschen Instituts für Urbanistik Bd. 89, Stuttgart 1995.

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Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Die Pflege des Unternehmensbestandes sollte das vorrangige Anliegen der Wirtschaftsförderung sein. Die ortsansässigen Unternehmen sind das wirtschaftliche Fundament, auf das die Regionalpolitik aufsetzen sollte. Hier ist das sogenannte endogene Potenzial zu finden, also jene Kräfte, die sich mit der Region verbunden fühlen und an einer wachsenden wirtschaftlichen Prosperität interessiert sind. Eine besondere Rolle spielen die mittelständischen Unternehmen, die für die Region nicht nur Versorgungsfunktion wahrnehmen, sondern als Zulieferer, Installateur, Reparateur und Dienstleister die Bindeglieder der regionalen Wertschöpfungskette sind. Die kleinen und mittleren Unternehmen des Mittelstandes erfüllen zudem wichtige Beschäftigungs- und Ausbildungsfunktionen. Über die Lehrlingsausbildung tragen sie zum Aufbau und Erhalt des Humankapitalstocks einer Region bei. Eine große Zahl Selbstständiger engagiert sich zudem in den sozialen Einrichtungen und politischen Gremien der Region. Eine bedeutende Rolle übernehmen auch die Bildungsstätten angefangen vom Kinderhort bis zur Universität. Hier wird der nach Meinung vieler der entscheidende Rohstoff für die zukünftige wirtschaftliche und soziale Entwicklung geformt: das Humankapital, also jenes Wissen, das die Menschen zur produktiven und gesellschaftlichen Teilhabe benötigen. Bildung ist ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor, der sowohl für ansässige Unternehmen, als auch für jene, die sich in der Region ansiedeln wollen, eine große Bedeutung hat. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat Wachstumsfelder und Wachstumsbranchen identifiziert, die nach Meinung der Landesregierung am besten zum Land passen: „Maritime Wirtschaft“, Gesundheitswirtschaft, Landwirtschaft, Life Science, Umwelttechnik und Informationstechnologie. Doch auf Landesebene können diese Felder nicht entwickelt werden, dies muss vor Ort in den Regionen geschehen. Hier müssen die Humanressourcen und die regionale Innovationsstrategien entwickelt und umgesetzt werden. Dazu gehören die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten, das Lernen von anderen Regionen, die Unterstützung von Kooperationen und Netzwerkbildung, die Entwicklung einer angepassten Infrastruktur, die Förderung von Forschungsund Entwicklungskompetenzen, die Sicherstellung von Wissenstransfers und Good Governance der Regionalverwaltung.

5.6

Offene Fragen an die Regionalforschung, Perspektiven der Wirtschaftsförderung

Wie einleitend zu diesem Beitrag ausgeführt kann es angesichts der Komplexität des Themas hier nicht darum gehen, das gesamte Spektrum der Regionalökonomik abzuhandeln. Schon gar nicht war es Absicht, Lösungen für die

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vielen offenen Fragen zu finden. Ziel der Ausführung war es vielmehr, Schlaglichter auf die vielfältigen Facetten der aktuellen regionalpolitischen Diskussion zu werfen. Sie dienen als Anregung zu weitergehenden Diskussion. Die Regionalentwicklung hat sich gleich auf mehreren Feldern folgenden Herausforderungen zu stellen:252 ÿ dem demographischen Wandel, ÿ dem sektoralen Strukturwandel, ÿ dem Wandel unternehmerischer Orientierungen, ÿ der Innovationsorientierung, ÿ der Qualifikationsorientierung ÿ der Internationalisierung und Verschärfung des Standortwettbewerbs, ÿ den veränderten Handlungsspielräumen öffentlicher Haushalte sowie ÿ den sozialen und ökonomischen Ungleichgewichten zwischen den Regionen. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung strebt nach eigenem Bekunden mit seiner Raumordnungspolitik die Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Teilräumen Deutschlands an. Diese Aufgabe folgt aus dem Grundgesetz und muss den tief greifenden Veränderungen gerecht werden, denen unsere Gesellschaft unterliegt. Die Herausforderungen sind Gegenstand von grundlegenden, ordnungspolitischen Diskussionen, die sich auf die Frage zuspitzen, wie viel staatlich gestaltende Regionalpolitik ist hinreichend und bis zu welchem Grad kann die Regionalentwicklung den Marktkräften überlassen bleiben. Sowohl die Bevölkerungszahl (Schrumpfung statt Wachstum), die innere Zusammensetzung (mehr ältere Menschen, mehr im Ausland Geborene) und auch die räumliche Verteilung (Zersiedlung, NordSüd- und Ost-West-Wanderung) stellen völlig neue Anpassungsaufgaben. Die vorangegangenen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass jegliche einseitige Festlegung (Markt oder Staat) für die regionalpolitischen Handlungsspielräume eher nachteilig als vorteilhaft ist. Die Herausforderungen, denen sich die Regionen zu stellen haben, sind komplex und erfordern ein Mix aus marktwirtschaftlichen und staatlichen Lösungen. Die Wissenschaft kann in vielen Punkten helfen, doch sie muss zugeben, dass sie viele aufgeworfene Fragen nicht (oder bisher nicht) beantworten kann. Dies betrifft insbesondere die Kausalanalyse, d.h. die Messung und Bewertung der Wirkung regionalpolitischer Eingriffe auf die Regionalentwicklung. In der Regionalökonomie ist die Frage nach den Effekten politischer Interventionen 252 In Anlehnung an Jung, H.-U.: Herausforderungen für die regionale Entwicklungspolitik in Niedersachsen. Vortrag am 6.10.2003 anl. der Regionalplanertagung für Mitarbeiter der Landesplanungsbehörden, Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung NIW, Hannover 2003.

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keineswegs abschließend geklärt. Die Vielzahl der hier zusammenwirkenden Faktoren lässt sich auch mit komplizierten Regionalmodellen nicht erschließen. Hier stellen sich weiterhin ungelöste Probleme, die mit nachfolgenden Stichworten nur angedeutet werden können: ÿ Schätzungen regionalspezifischer Inputs, ÿ Substitution privater Aktivität durch staatliche Aktivität, ÿ Verdrängungseffekte (geförderte Unternehmen verdrängen nichtgeförderte Unternehmen), ÿ Mitnahmeeffekte, ÿ Wirkung von Förderungen auf die private Kapitalbildung, ÿ Beschäftigungseffekte (insbesondere hinsichtlich ihrer sozialen Wertigkeit und Dauerhaftigkeit), ÿ Abschätzung der Effekte von lokalen Infrastrukturmaßnahmen, ÿ Multiplikatoreffekte. Da die Regionalpolitik aufgerufen ist, regionale Disparitäten auszugleichen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein Wohlstandswachstum in den Regionen ermöglichen, muss sie sich unter Anerkennung des damit verbundenen Risikos von Fehlinvestitionen im „trial and error“ Verfahren den Problemstellungen nähern. Dies impliziert ein Vorgehen, das in sehr viel stärkerem Maße als zuvor die regionsspezifischen Belange berücksichtigt. Es gilt daher, die Regionen vor allem finanziell so auszustatten, dass sie eine Regionalpolitik verfolgen können, die ihrer Situation am besten entspricht. Eine solche Ausrichtung schafft Raum für lokale Initiativen und Projekte. Es spricht viel dafür, dass die Zukunft der Regionalpolitik in der dezentralen Erarbeitung und Umsetzung von regionalen Entwicklungskonzepten liegt. Die Kernfragen der Regionalforschung sind komplexer und vielfältiger geworden. Der Wandel in den Regionen hat Ergebnisse hervorgebracht, die von den klassischen Vorstellungen regionaler Entwicklungsprozesse abweichen. Pauschale und mit Regelungen überfrachtete bundesweite Regionalprogramme stoßen aus diesem Grunde zunehmend an ihre Grenzen. Perspektiven liegen heute stärker in der regionalen Netzwerkbildung sowie in der Initiierung und Finanzierung von lokalen und regionalen Projekten. Gleichwohl liegt auch dort vieles im Verborgenen. Nicht jede Netzwerkinitiative bzw. Vernetzung der Akteure wird unterm Strich ein Erfolg werden. Es gilt auch hier das Prinzip des trial and error, wenn nicht unnötig Ressourcen gebunden werden sollen. Auf jeden Fall bedürfen benachteiligte Regionen Zugriff auf finanzielle Ressourcen, mit denen sie den wechselnden Problemschwerpunkten ebenso Rechnung tragen können wie der aktiven, gestaltenden Regionalpolitik.

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Zu einer zukunftsfähigen Förderpolitik gehören unter anderem:253 ÿ Erarbeitung, Umsetzung und Überprüfung von regionalen Entwicklungskonzepten, ÿ Strategie- und Zielorientierung (quantitative und qualitative Ziele), ÿ Problemorientierung: Ausrichtung auf regionsspezifische Potenziale und Engpässe, ÿ Starke Handlungs- und Projektorientierung, ÿ Solide Projektentwicklung, ÿ Umsetzung und Management von Projekten, ÿ Controlling und flexible Projektsteuerung, ÿ Aufbauen auf bisherigen Erfahrungen der Akteure, ÿ Ernsthafte Evaluierung regionalpolitischer Programme und Projekte, ÿ Weiterentwicklung vorhandener Initiativen und Institutionen, ÿ Netzwerk regionaler Akteure, ÿ Einbeziehung der regionalen Unternehmen in Planung und Umsetzung. Zwingende Voraussetzung einer solchermaßen konzipierten Regionalpolitik ist eine funktionierende Partizipation der relevanten Akteure (Bevölkerung, Unternehmen, Verwaltung, Politik). Das bedeutet, dass sich angesichts begrenzter finanzieller Ressourcen regionale Planungspolitik zur Kommunikationspolitik wandeln muss. Nicht das Geld allein ist entscheidend, ob eine Region sich den genannten Herausforderungen stellt, sondern die Einsicht der Akteure, eigenverantwortlich an der Zukunft ihrer Region mitzuwirken. Die regionalpolitischen Akteure sind mehr denn je gefordert, sich nicht auf das politische Wechselspiel von Regionalförderprogrammen zu verlassen. Der Umfang der gegenwärtigen Förderung der Regionen in Ostdeutschland wird nicht dauerhaft aufrecht erhalten: zum weil einen die Mittel fehlen und zum anderen weil sich in den nicht geförderten Regionen zunehmend Widerstand formiert. Eine grundlegende Reform des Finanzsystems wird seit Jahrzehnten gefordert, doch eine zufriedenstellende (d.h. weitgehend auf eigenen Einnahmequellen beruhende) Lösung für Kreise und Gemeinden ist nicht in Sicht.

253 Vgl. Jung, H.-U.: Herausforderungen für die regionale Entwicklungspolitik in Niedersachen, Tagung der Regionalplaner der Landesplanungsbehörden Niedersachsens am 09.10.2003 in Braunschweig, Hannover 2003.

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Kapitel IV: Praktikerbeiträge

6.

Disparitäten verlangen nach regionalen Strukturen – Rolle und Funktion der Politik hinsichtlich einer Regionalsteuerung

Helmut Holter: stellv. Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Landtag Mecklenburg-Vorpommern und Mitglied der EnqueteKommission, Minister für Arbeit, Bau und Landesentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern 1998 – 2006 „Keines der großen Probleme, vor denen die Menschheit im 21. Jahrhundert steht, kann mit dem Gegensatz rechts oder links gelöst werden.“ (Eric Hobsbawm: englischer Historiker)

In Deutschland wird die politische Diskussion mit den herkömmlich vorherrschenden Klischees geführt. Zwischen rechts und links, zwischen marktradikal und staatsdominant. Die jeweiligen Vorschläge und Konzepte werden selten auf ihren Gehalt geprüft, sondern mit Blick auf den Absender in Bausch und Bogen verteufelt: Neoliberale würden einen starken Staat und seine Intervention in die Wirtschaft ablehnen. Linke setzten auf einen omnipräsenten Staat und hätten von der Wirtschaft nun gar keine Ahnung. Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 lehrt, dass diese Denk- und Diskussionsmuster überholt sind. Die Entwicklung ist von zunehmenden Disparitäten zwischen den Regionen auf der Erde geprägt. Die Finanz-, Wirtschafts- und Klimakrise trifft alle Staaten. Armut, Hunger und Krankheiten generieren Wanderungen von

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großem Ausmaß. Ethnische, religiöse und andere regionale Konflikte lenken von den wahren Krisenursachen ab. Das gute Beispiel von nebenan kann ein Beitrag zur Überwindung der Menschheitsprobleme sein. Aber erst die Summe der guten Beispiele aller Nachbarn auf der Erde kann die Lösung bringen. Die globalen Probleme der Menschheit sind nur global lösbar. Es geht um das Überleben von Flora und Fauna auf der Erde, es geht um den Fortbestand der Erde an sich. Es geht in diesem Zusammenhang auch um das Überleben der Gattung Mensch. Wir müssen anders produzieren, verteilen und verbrauchen. Wir brauchen eine neue Solidarität zwischen den Völkern und Regionen, eine Solidarität, die auf wirtschaftliche und soziale Entwicklung in der Heimat setzt, die auf Maximalprofit und damit auf Ausbeutung der Ressourcen, einschließlich der Menschen, verzichtet. Ziel muss es sein, dass sich jeder und jede frei entwickeln kann. Im wiedervereinten Deutschland streben wir gleichwertige Lebensverhältnisse an. Es ist ein Gebot der Stunde, gleichwertige Lebensverhältnisse auf der gesamten Erde zu schaffen. Weltumspannende Lösungen sind nur durch abgestimmte und miteinander verzahnte regionale Strategien erreichbar. Das soziale und wirtschaftliche Gefälle in der Europäischen Union (EU) ist mit der Erweiterung größer geworden. Entwicklungsunterschiede treten deutlich zutage. Die EU verfolgt mit der Politik des sozialen und territorialen Zusammenhalts das Ziel, diese Disparitäten zu überwinden. Den schwach und schwächer entwickelten Regionen wird mit politischen und finanziellen Maßnahmen unter die Arme gegriffen, um sie an die starken europäischen Länder heranzuführen. Die globalen Prozesse zeigen auch in der EU ihre Wirkung. Mit ihrer europäischen Strategie, untersetzt durch nationalstaatliche und regionale Maßnahmen, stellen sich die Mitgliedsstaaten dem internationalen Wettbewerb. Sie wollen nicht nur die eigenen Disparitäten überwinden, sondern insgesamt ihre internationale Position ausbauen. Dies ist undenkbar ohne Handlungsempfehlungen und Maßnahmen, die alle Mitgliedsstaaten in nationales Recht und politische Programme umsetzen. Politische Programme verpflichten zu nationalen und regionalen Handlungsstrategien. Die Politik schafft die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen, damit nationale und regionale Initiativen erfolgreich sein können. Am 30. Juni 2006 verabschiedete die Ministerkonferenz für Raumordnung „Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland“. Damit bestimmten sie die Entwicklungsrichtung für Städte und Regionen. Die drei Leitbilder „Wachstum und Innovation“, „Daseinsvorsorge sichern“ und „Ressourcen bewahren, Kulturlandschaften gestalten“ greifen wichtige wirtschaftliche, soziale und ökologische Problemstellungen auf und bestimmen die Aufgabenschwerpunkte für Planungsentscheidungen, Investitionen und Maßnahmen in Bund und Ländern.

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Die Leitbilder: ÿ stärken Städte und Metropolregionen als Motoren von Wachstum und Innovation, ÿ sichern die Entwicklung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land, ÿ unterstützen die Regionen bei der Bewältigung der Auswirkungen des demografischen Wandels, ÿ befördern das Miteinander der Regionen, von Stadt und Land, ihre Potenziale zu erkennen, zu bündeln, zu vernetzen sowie gemeinsam partnerschaftliche Verantwortung zu entwickeln und ÿ verfolgen die Vereinbarkeit von Schutz, Nutzung und Gestaltung vielfältiger Landschaften.254 Diese wichtigen Impulse müssen in einem regionalen und lokalen Dialog mit konkreten Maßnahmen untersetzt werden. Entscheidend ist dabei eine breite Beteiligung aller gesellschaftlich relevanten Gruppen, besser jeder Frau und jedes Mannes, zu erreichen. Die Beteiligung der regionalen und lokalen Akteure ist entscheidend für den Erfolg regionaler Handlungsstrategien. Seit der Wiedervereinigung stellen sich die Menschen in MecklenburgVorpommern die Frage, was notwendig ist für eine selbst tragende Entwicklung und die Überwindung der regionalen Defizite. So entstand die Idee, eine Partei übergreifende Zukunftswerkstatt mit Persönlichkeiten aus der ganzen Bundesrepublik ins Leben zu rufen. Ziel war es, Visionen und Strategien für Mecklenburg-Vorpommern zu entwerfen. Ausgehend von einem nachhaltigen und reflexiven Politikstil wurde über Legislatur- und Amtsperioden hinaus gedacht, immer hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Perspektiven des Landes und seiner Regionen im Blick. Die Ergebnisse von 11 Denkwerkstätten255 lassen sich wie folgt verallgemeinern und zusammenfassen: 1. Eine funktionierende Demokratie braucht eine Vision von einem besseren Weg in die Zukunft. Im heutigen politischen Alltagsgeschäft dominiert das „Prinzip Zufall“. Nachhaltigkeit sollte nicht nur in der Umweltpolitik angestrebt, vielmehr in allen Politikbereichen zum bestimmenden Prinzip werden. Dem „Prinzip Zufall“ ist das „Prinzip Nachhaltigkeit“ entgegenzusetzen. 2. Mecklenburg-Vorpommern braucht „Etwas Eigenes“. Um die Identität, das Selbstbewusstsein und das Marketing zu verbessern, braucht das Land Alleinstellungsmerkmale: 254 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) im Internet unter http://www. bmvbs.de/Raumentwicklung-,1501.965566/Neue-Leitbilder-der-Raumentwic.htm - Stand: 2008. 255 Vgl. http://www.denkwerkstatt-mv.de/

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- vom anerkannten Tourismusland zum Gesundheitsland Nr.1 - ein Land des lebenslangen Lernens (vom Kindergarten über die Ganztagsschulen, dem Abitur nach Klasse 12, exzellenten Universitäten und Hochschulen sowie berufsbegleitender Qualifizierung bis zu Angeboten für Seniorinnen und Senioren) - Mecklenburg-Vorpommern als Vorreiter bei einer modernen schlanken Verwaltung und weitgreifenden Gebietsreform - Gründerland Das Landesraumentwicklungsprogramm folgte u.a. diesen Empfehlungen. Vorbehalts- und Vorranggebiete sichern die naturräumliche Ausstattung und die wirtschaftliche Entwicklung. Die Straffung des zentralörtlichen Systems ist eine Antwort auf die demografischen Herausforderungen. Generell gaben Raumordnung und Landesplanung Anstöße und Anregungen für die Verwaltungs- und Kreisgebietsreform. 3. Die Vorteile der EU-Osterweiterung werden überwiegen und Mecklenburg-Vorpommern wird deren enorme Chancen nutzen können. Dazu muss sich das Land offensiv auf die Erweiterung vorbereiten. Bund und EU müssen mit einem Aktionsprogramm Nachteile der Grenzregionen ausgleichen. Notwendig sind eine Markterweiterungsbzw. Markterschließungsstrategie, gemeinsame deutsch-polnische Projekte in beiden Ländern und grenzübergreifend. Besonders die Region mit der höchsten Arbeitslosigkeit in Deutschland wird durch den Gewinn an Zentralität in der EU und von dem Zentrum Szczecin profitieren. Verschiedene Expertenkommissionen wie für den Arbeitsmarkt, die Regionalentwicklung und die Umwelt liefern Beispiele für das gemeinsame Vorgehen Mecklenburg-Vorpommerns und Westpommerns. Die Ostseeagentur in Mecklenburg-Vorpommern garantiert eine enge Zusammenarbeit mit der polnischen Seite. 4. Der Aufbau Ost braucht neuen Mut und einen neuen Aufbruch. Enttäuschung, ja Resignation kennzeichnen das Stimmungsbild. Ausgehend von einer Analyse bedarf es regionaler Konzepte, die die Stärken stärken und die Schwächen schwächen. An einer Investitions- und Innovationsoffensive führt kein Weg vorbei. Die Akteure vor Ort müssen gestärkt werden. Ein Themenwechsel ist angezeigt: ÿ von der klassischen Transformations- und Vereinigungspolitik zur Reform- und Innovationspolitik ÿ von Struktur erhaltenden Maßnahmen zu Struktur gestaltenden Initiativen

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- Wiedergewinnung des Vorrangs politischer Verantwortung und Entscheidung vor der Logik der Märkte - Erschließung neuer Quellen einer nachhaltigen Entwicklung und Beschäftigung - Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit als Gesellschaftsprinzip - Gleichberechtigte Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger nicht zuletzt durch neue Wege zur Stärkung der politischen Öffentlichkeit, gesellschaftlicher Demokratie und der zivilen Gesellschaft Das „Innovationsprojekt Ost – eine Initiative für Arbeit, Ansiedlungen und Aufträge“ entstand u.a. auf der Grundlage der in der Denkwerkstatt 2020 geführten Diskussion. 5. Innovationen in der Beschäftigungspolitik sind notwendig, um an dem Ziel der Vollbeschäftigung festhalten zu können. Dazu sind strukturpolitische und regionale Strategien mit den Möglichkeiten der Arbeitsmarktförderung zu verbinden. Aus Steuermitteln finanzierte Beschäftigung kann der Erwerbsarbeit neue Horizonte eröffnen. Ein neuer Sektor zwischen Markt und Staat kann vielen Arbeitslosen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien ein Leben in Würde ermöglichen. Voraussetzung ist allerdings die Bereitschaft der Menschen sich ständig weiterzubilden. Die Unternehmen und das Land tragen gemeinsam die Verantwortung, dass diese Lernbereitschaft realisiert werden kann. In Mecklenburg-Vorpommern finden diese und weitere Empfehlungen ihren Niederschlag im Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm (ASP). 6. Abwanderung und Langzeitarbeitslosigkeit führen zu Wissens- und Qualifikationsverlusten. Branchen- und berufsspezifisch besteht heute schon ein Fachkräftebedarf bzw. wird ein Mangel an geeigneten Spezialisten entstehen. Eine Qualifizierungsoffensive kann diesem bestehenden und sich entwickelnden Defizit begegnen. Die Unternehmen sind aufgefordert, den Qualifizierungsbedarf für das eigene Unternehmen zu bestimmen. Mit niedrigen Löhnen werden für gut ausgebildete Fachkräfte keine Anreize geschaffen, im Land zu bleiben bzw. nach Mecklenburg-Vorpommern zu kommen. Eine Grundvoraussetzung sind gesetzliche Mindestlöhne. Damit haben andere europäische Staaten gute Erfahrungen gemacht, ein Abbau von Beschäftigung war nicht zu verzeichnen. Für Jugendliche mit fehlenden Voraussetzungen für einen beruflichen Einstieg sind gesonderte Maßnahmen erforderlich. Mecklenburg-Vorpommern hat Aktionsprogramme im Rahmen der Qualifizierungsoffensive gestartet, Programme für Frauen und Männer, die in den

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Beruf zurückkehren wollen, aufgelegt und fördert Produktionsschulen nach dänischem Vorbild. 7. Die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Wirtschaft muss in Netzwerken münden, um kreative Ideen der Professoren und Studierenden in Mecklenburg-Vorpommern zur Serienproduktion zu führen. Wir brauchen den Ausbau der Gründerlehre und mehr Existenzgründungen aus Hochschulen. Viele gute Beispiele beweisen, dass dieser Weg Erfolg hat: z.B. in den Technologiefeldern Biotechnologie/Medizintechnik/ Gesundheitswirtschaft (BioCon Valley® GmbH als Partner in Scan Balt, dem Biotechnologie-Netzwerk in der Ostseeregion), Informations- und Kommunikationstechnologie (IT-Initiative Mecklenburg-Vorpommern e.V.), Telekommunikation (Telemarketing Initiative MecklenburgVorpommern e.V.), Schiffbau, maritime Zulieferer (Maritime Allianz Ostseeregion e.V.), Präzisionsmaschinenbau (Nukeus e.V.), Kunststoffindustrie (Kunststoffkompetenzzentrum Westmecklenburg), Plasmatechnologie (BalticNet – Plasma-Tec - grenzüberschreitendes Netzwerk), Lasertechnologie (NILA – Netzwerk innovativer Laseranwendungen), Wasserstofftechnologie (WasserstofftechnologieInitiative Mecklenburg-Vorpommern e.V.). Auf Initiative von Mecklenburg-Vorpommern können ab 2007 aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) Netzwerke gefördert werden. 8. Mecklenburg-Vorpommern – ein unternehmerisches Land. Das ist eine Einladung an die hier lebenden Menschen sich selbst als Unternehmerin und Unternehmer zu engagieren. Eine Einladung an nationale und internationale Investoren, sich in Mecklenburg-Vorpommern anzusiedeln. Eine Einladung an die Ostseeanrainerstaaten, Mecklenburg-Vorpommern als Drehscheibe in Europa zu nutzen. Mit der Existenzgründerinitiative „Einfach anfangen“ wirbt das Land für eine neue Gründerzeit, für mehr Unternehmergeist und für ein besseres Image der Unternehmerinnen und Unternehmer. Mit der Standortoffensive werden die planerischen und baurechtlichen Voraussetzungen (einschließlich aller Ausgleichsmaßnahmen) für Industrieansiedlungen geschaffen. Die Agentur „mv4you“ hält Kontakt zu abgewanderten Fachleuten und vermittelt Stellen in Mecklenburg-Vorpommern an auswärtige Spezialisten. Mit dem Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern256 hat die Landesregierung 2005 eine querschnittsorientierte und fachübergreifende raumbezogene Rahmenplanung für die nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung des Landes vorgelegt (siehe diesbezüglich auch den Beitrag von Günter Krüger in diesem Buch). 12 Leitlinien zeigen die Schwerpunkte einer nachhaltigen Landesentwicklung auf (siehe Darstellung 1). Das Programm 256 Ministerium für Arbeit, Bau und Landesentwicklung: Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2005

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zielt auf einen harmonischen Dreiklang von Wirtschaft und Beschäftigung, von Natur- und Umweltschutz und von einer Entwicklung, die auf gleichwertige Lebensverhältnisse setzt. Dabei wird auf der Grundlage der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ausgangsbedingungen der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen Priorität eingeräumt. Mit dem Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern sind die veränderten Rahmenbedingungen seit In-Kraft-Treten des Ersten Landesraumordnungsprogramms 1993 berücksichtigt worden. Hervorzuheben sind die immer stärker werdenden bilateralen und transnationalen Verflechtungen im Ostseeraum, die Auswirkungen des demografischen Wandels und die Folgen der Stadt-Umland-Wanderungen. Diese und weitere Herausforderungen aufgreifend, zeigt das Programm Wege auf, um die Risiken für die Entwicklung des Landes zu minimieren, insbesondere jedoch, um die Chancen und Potenziale zu nutzen. Die im Programm formulierten Erfordernisse der Raumordnung und Landesentwicklung sind insbesondere für Planungsträger verbindlich. Als Leitbild der Landesentwicklung richtet es sich an alle öffentlichen und privaten Einrichtungen, an private Initiativen, an das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern. In einem noch breiteren Beteiligungsverfahren als bisher üblich wurden neben öffentlichen Stellen und Trägern öffentlicher Belange auch jeder Frau und jedem Mann Gelegenheit gegeben, sich in die Erstellung des Programms einzubringen. Die aus den Stellungnahmen und Diskussionsrunden gewonnenen Erkenntnisse haben nach Abwägung Eingang in das Programm gefunden. So wurden die Transparenz und die Akzeptanz des Programms erhöht, um auf diesem Weg die aufgezeigten Handlungsoptionen bis ins Jahr 2020 Wirklichkeit werden zu lassen. Mit Verkündung des Landesraumentwicklungsprogramms MecklenburgVorpommern sind die vier Planungsregionen aufgefordert, ihre regionalen Entwicklungsstrategien zu erarbeiten und zu diskutieren. Nomen est omen. Mit den Entwicklungsprogrammen wird in der Tat der Schritt von einer mehr oder weniger statischen Betrachtung der bestehenden (Raum-)Ordnung zur Ausschöpfung der endogenen und exogenen Potenziale für die Überwindung der Strukturschwäche und der Entwicklungsunterschiede der Regionen in Mecklenburg-Vorpommern gegangen. Disparitäten verlangen nach solchen regionalen Strategien, die regionale Akteure aktivieren und überregionale Akteure animieren. Politik kann Initiator, Koordinator und Moderator sein. Sie ist gut beraten, sich als Prozess- und Netzwerkmanager zu verstehen.

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Darst. 1: Leitlinien der Landesentwicklung 2.1 Entwicklung von Mecklenburg-Vorpommern zu einer weltoffenen, europäischen Region im Ostseeraum Die Entwicklung des Landes soll der fortschreitenden Integration Europas und seiner Bindegliedfunktion im wirtschaftlich prosperierenden Ostseeraum Rechnung tragen. Überregionale, grenzübergreifende und transnationale Kooperationen werden gefestigt und weiter ausgebaut. Vorhaben werden so gestaltet, dass sie einerseits einen Beitrag zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse für Frauen und Männer in Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu nationalen und europäischen Regionen leisten, andererseits aber auch dazu beitragen, die landesinternen Entwicklungsunterschiede abzubauen. 2.2 Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Mecklenburg-Vorpommern Die Stärkung der Wirtschaftskraft im Lande und damit wirtschaftliches Wachstum ist die wichtigste Voraussetzung für mehr Beschäftigung und selbst erwirtschaftetes Einkommen. Die Rahmenbedingungen des Wirtschaftsstandortes Mecklenburg-Vorpommern sind weiter zu verbessern, um den Unternehmen im Land das zu bieten, was sie für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen brauchen: Unternehmensfinanzierung für Investition und Wachstum, ein qualifiziertes und flexibles Arbeitskräfteangebot, eine leistungsfähige Infrastruktur, innovationsfördernde Maßnahmen und Netzwerke, die Standortoffensive und die Unterstützung von Existenzgründungen sowie eine wirtschaftsfreundliche Verwaltung und wettbewerbsfähige Standortkosten. 2.3 Schaffung von Lebens- und Arbeitsperspektiven, insbesondere für junge Menschen und junge Familien Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Lebensbedingungen werden weiter verbessert, um so Frauen und Männern aller Generationen, insbesondere jedoch jungen Menschen, Perspektiven für eine Zukunft in Mecklenburg-Vorpommern zu bieten. Vorhaben müssen darauf ausgerichtet sein, das Potenzial älterer Menschen zu nutzen und darauf, die Abwanderung, vor allem gut ausgebildeter und bildungsbefähigter junger Menschen zu vermeiden. Dazu zählen auch die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Eltern. „Kreative Köpfe“ sollen insbesondere durch die Schaffung attraktiver Bildungs-, Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen im Lande gehalten bzw. von außen ins Land geholt werden. Der hohe Freizeit- und Tourismuswert des Landes muss sich auch in einem entsprechend hohen Wohn- und Arbeitsplatzwert widerspiegeln.

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2.4 Ausbau des Bildungs-, Kultur-, Wissenschafts- und Forschungssowie Technologiestandortes Mecklenburg-Vorpommern Kulturelle Vielfalt sowie Wissen und die Fähigkeit, dies anzuwenden und in marktfähige Leistungen umzusetzen, sind wichtige Standortvorteile im Wettbewerb der Regionen. Quantität, Qualität, Vielfalt und regionale Verteilung der Humanressourcen werden zum strategischen Entwicklungspotenzial. Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen müssen so ausgestaltet sein, dass sie im europäischen Wettbewerb bestehen können. Die Entwicklung zu einem attraktiven Technologie- und Forschungsstandort im Ostseeraum wird unterstützt durch eine zukunftsorientierte Ausrichtung der Forschungsthemen der Hochschulen auf wirtschaftliche Anwendung, Angebotserweiterungen bei Forschungseinrichtungen, den bedarfsgerechten Auf- und Ausbau einer leistungsfähigen Technologieinfrastruktur sowie die Verstärkung der Technologie- und Innovationsförderung. 2.5 Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere zur Anbindung an den nationalen und europäischen Raum Notwendig ist die qualitative Verbesserung der inneren Verkehrserschließung einschließlich Sicherung und Ausbau des Öffentlichen Personenverkehrs. Insbesondere ist die weitere Verbesserung der Erreichbarkeiten im Bereich der Achsen Wismar-Schwerin-Magdeburg, Kopenhagen/GedserRostock-Berlin, Malmö/Trelleborg-Sassnitz-Stralsund-Berlin sowie im Bereich der Achsen Stettin-Rostock-Lübeck (Teil der Via Hanseatica) und Stettin-Neubrandenburg-Schwerin-Hamburg erforderlich, ebenso wie der weitere Ausbau leistungsfähiger Anbindungen im Luft- und Seeverkehr u. a. in die baltischen Staaten, nach Russland und Finnland. 2.6 Stärkung des Agrarlandes Mecklenburg-Vorpommern Die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe und der Nahrungsmittel herstellenden Unternehmen ist weiter zu stärken. Im Bereich der landwirtschaftlichen Erzeugung sollen die Marktchancen der ökologisch wie extensiv wirtschaftenden Betriebe, auch in Zusammenhang mit gesundheitsorientiertem Tourismus, berücksichtigt werden. Die Standortvoraussetzungen für Veredelungsbetriebe sind weiter zu verbessern, um bestehende Unternehmen zu stärken und weitere Ansiedlungen zu befördern. Bei Abwägungsentscheidungen und Ermessensspielräumen ist der weiteren Ansiedlung und Entwicklung bestehender Standorte der Tierproduktion ein besonderes Gewicht beizumessen.

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2.7 Sicherung und behutsame Nutzung der hervorragenden Naturraumausstattung Der Charakter des Landes ist geprägt durch die hohe Qualität seiner Naturgüter, die artenreiche Tier und Pflanzenwelt und seine besonderen Landschaftsformen, wie Küsten, Bodden und Seenlandschaft. Dies gilt es zu erhalten, zu entwickeln und schonend durch Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sowie für Freizeit, Erholung und Tourismus zu nutzen. 2.8 Profilierung des Tourismus- und Gesundheitslandes, des Freizeitund Erholungsraumes Mecklenburg-Vorpommern Die Rahmenbedingungen für die Tourismus- und Gesundheitswirtschaft sind sowohl unter Nutzung der Potenziale der Naturraumausstattung als auch der aus Forschung und Technologie weiter zu verbessern, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Damit wird auch der Bedeutung des Freizeit und Erholungsraumes für alle Bevölkerungsgruppen als weicher Standortfaktor Rechnung getragen. 2.9 Erhaltung, Nutzung und Vermarktung der kulturellen und historischen Potenziale des Landes, Sicherung einer hohen Baukultur sowie Gestaltung einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung Die hervorragenden kulturellen und historischen Potenziale sind zu erhalten, sinnvoll zu nutzen und als weiche Standortfaktoren bei der Vermarktung zu berücksichtigen. Im Umgang mit dem baulichen Erbe sowie bei Vorhaben des Städtebaus, der Dorferneuerung, der Landschaftsplanung und beim Neubau und der Sanierung ist eine hohe Baukultur zu sichern. Eine zukunftsfähige Stadtentwicklung wird insbesondere durch eine behutsame Stadterneuerung, einen integrativen Stadtumbau und eine soziale Stadtpolitik gestaltet. 2.10 Entwicklung des Landes über sein Netz von Städten, Hand in Hand mit leistungsfähigen Verwaltungsstrukturen Aufgrund des Gebotes eines effizienten Einsatzes knapper öffentlicher Finanzmittel sowie vor dem Hintergrund des Bevölkerungsrückgangs ist es erforderlich, öffentliche Investitionen und Fördermittel, soweit zweckmäßig, in geeigneten Zentren zu bündeln, um die hieraus resultierenden Synergieeffekte zur vollen Wirksamkeit bringen zu können. Diese Zentren können sich so zu regionalen Wachstumspolen entwickeln, von denen auch Impulse auf das Umland ausgehen. Ein Schritt, der dazu beiträgt, das Land zukunftsfähig zu machen, ist die Herausbildung leistungsfähiger Verwaltungsstrukturen mit weniger Bürokratie, mehr Bürgernähe und kostengünstiger Aufgabenerledigung.

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Kapitel IV: Praktikerbeiträge

2.11 Stärkung der Zukunftsfähigkeit der Ländlichen Räume Die Bedeutung und Attraktivität der ländlich geprägten Gebiete, die in weiten Teilen des Landes vorherrschend sind, muss gesichert werden. Die Entwicklung der ländlich geprägten Gebiete ist entsprechend ihrer jeweiligen Potenziale und Erfordernisse zu unterstützen. Dabei sind Entwicklungsvorhaben so zu gestalten, dass sie auf die Erhaltung und Stärkung einer tragfähigen Sozialstruktur abzielen und auf die Wiederherstellung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unter Schaffung von Arbeitsplätzen ausgerichtet sind. Einer infrastrukturellen Grundversorgung in Ländlichen Räumen, unter Berücksichtigung der konkreten Lebenssituationen von Frauen und Männern, ist weiterhin Rechnung zu tragen. 2.12 Sicherung und Nutzung der Potenziale des Küstenmeeres Die technische Entwicklung sowie die zunehmenden Verflechtungen im Ostseeraum führen zur weiteren Intensivierung bestehender Nutzungen im Küstenmeer. Völlig neue Nutzungsansprüche wie z. B. Windenergieparks kommen hinzu. Hier müssen konkurrierende Raumnutzungsansprüche aufeinander abgestimmt werden, um neue Konflikte zu vermeiden und bestehende Gegensätze im Sinne einer effektiven Erhaltung und Nutzung des Küstenmeeres abzubauen. Diesen neuen Anforderungen wird auch im Rahmen des Integrierten Küstenzonenmanagements (IKZM), das den gesamten Küstenraum umfasst, also sowohl die Land- als auch die Seeseite mit einbezieht, Rechnung zu tragen sein. Quelle: Auszug aus dem Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern

Mit dem Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern (ASP M-V) ging die Landesregierung 2001 neue Wege. Sie verband regionale Entwicklungskonzepte im Land mit den Möglichkeiten der Arbeitsmarktförderung. Deshalb war die Regionalisierung von Fördermaßnahmen folgerichtig. Im ASP M-V heißt es: „Die Arbeitsmarktpolitik des Landes zielt auf den Abbau der Arbeitslosigkeit. Unterstützt wird die Schaffung von neuen, existenzsichernden, bestandsfähigen Arbeitsplätzen und die Sicherung bestehender Arbeitsplätze. Dabei orientiert sich die Arbeitsmarktpolitik an regionalen Entwicklungskonzepten und hilft den regionalen Akteuren bei der Entwicklung neuer Kompetenzen. Soziales Engagement soll ebenso unterstützt werden wie eine an Nachhaltigkeit orientierte Wirtschaftspolitik. Beschritten werden neue Wege in der Arbeitsmarktpolitik, wie der Einstieg in den öffentlichen Beschäftigungssektor. In diesem Zusammenhang werden auch gemeinwohlorientierte Förderprojekte im Non-Profit-Bereich gefördert … Damit leistet die Arbeitsmarktpolitik des

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

259

Landes ihren Beitrag, die vorhandenen Potenziale für mehr Beschäftigung, mehr Wohlstand und mehr soziale Gerechtigkeit in Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln.“257 Darst. 2: Regionale Entwicklungs- und Beschäftigungschancen ÿ Erschließung neuer Produktionsfelder und Erweiterung der Marktanteile für die maritime Wirtschaft, einschließlich der damit verbundenen notwendigen industrienahen Dienstleistungen, ÿ Entwicklung von Hochtechnologieunternehmen, insbesondere im Umfeld der Universitäten und Fachhochschulen, ÿ Entwicklung des ganzjährigen Tourismus und der Tourismus unterstützenden öffentlichen und privaten Dienstleistungen sowie der touristischen Infrastruktur, Verbindung touristischer Angebote mit der Gesundheitsindustrie, ÿ Ausweitung der Wertschöpfung im ländlichen Raum durch die Förderung von Anbau, Veredelung und Vermarktung nachwachsender Rohstoffe, Erhöhung der Qualität der landestypischen Nahrungsmittelprodukte, Schutz und Erhaltung der Landschafts- und Umweltressourcen, Entwicklung der Öko-Verbundwirtschaft u.a.m., ÿ Entwicklung der personennahen Dienstleistungen und der wachsenden Nachfrage im sozialen Bereich (Gesundheits- und Reha-Wesen, Bau altersgerechten Wohnraumes, ÖPNV, Weiterbildung, Sport und Erholung, Verbesserung des Wohnumfeldes, Service- und Beratungsleistungen für alle Lebensbereiche in Wohnortnähe), ÿ gleichmäßige und ausgewogene Entwicklung der Grenzregionen durch Ausbau der Infrastruktur, insbesondere für den Handel mit den mittelund osteuropäischen Ländern sowie die Dienstleistungen entlang der Landesgrenze. Quelle: Auszug aus dem Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm MecklenburgVorpommern

Im ASP M-V wurden sowohl Chancen für die regionale Entwicklung als auch für neue Existenz sichernde Arbeitsplätze aufgezeigt (siehe Darstellung 2). Die wirtschaftliche Basis sollte gestärkt und ausgebaut werden. Innovation 257 Ministerium für Arbeit, Bau und Landesentwicklung: Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2001.

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Kapitel IV: Praktikerbeiträge

statt Niedriglohn war dabei einer der Leitgedanken. Vielfältige Maßnahmen für das lebenslange Lernen stärkten die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsbereitschaft der Unternehmen. Die Förderung von Existenzgründern hat erfolgreich zur Schaffung von Arbeitsplätzen beigetragen. Die Existenzgründungsförderung besteht aus vier Säulen: Neben der Existenzgründungsbeihilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Anfangsphase ist der zweite Schwerpunkt die Betreuung und Qualifizierung. Gefördert wurden Bildungsmaßnahmen zur Vorbereitung auf die Existenzgründung sowie eine Betreuung von bis zu fünf Jahren nach der Gründung zur Sicherung des Unternehmens. Die dritte Säule ist die Förderung des Unternehmergeistes im Land. Diese hat das Klima für Unternehmen und das Bild des Unternehmers verbessert. Durch die breit angelegte Kampagne „Einfach anfangen“ wurde Frauen und Männern Mut für den Schritt in die Selbstständigkeit gemacht. An den Universitäten und Hochschulen werden Studierende auf eine berufliche Selbstständigkeit vorbereitet.258 Mit dem ASP M-V wurden in Mecklenburg-Vorpommern neue Wege für soziale Projekte gegangen. Die auf das Gemeinwohl orientierten Projekte (GAP) sollten nicht nur eine soziale Funktion haben. Sie leisteten auch einen Beitrag zur Strukturentwicklung in den Regionen des Landes. Die damit einhergehende Regionalisierung der Arbeitsmarktpolitik baut auf Kompetenz vor Ort. Die Umsetzung des ASP wird in starkem Maße durch einen Programmbeirat auf Landesebene und vier regionale Beiräte auf der Ebene der Planungsregionen begleitet. Die Beiräte entwickeln in ihrem Verantwortungsbereich Schwerpunkte der arbeitsmarktpolitischen Interventionen im Rahmen des ASP M-V. Den Regionalbeiräten obliegt die Votierung der Förderung von Gemeinwohlorientierten Arbeitsförderprojekten, der Förderung der Organisationen für Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklung sowie der Förderung von Integrationsprojekten. Welche regionalen Akteure am Entscheidungsprozess beteiligt sind, ist folgender Auflistung zu entnehmen: Stimmberechtigte Mitglieder der Beiräte auf der Ebene der Planungsregionen (ASP-Regionalbeiräte) jeweils zwei regionale Vertreter/Vertreterinnen ÿ des Deutschen Gewerkschaftsbundes, ÿ der Vereinigung der Unternehmensverbände, ÿ sowie jeweils ein regionaler Vertreter/eine regionale Vertreterin ÿ des Planungsverbandes, 258 Die Selbstständigenquote stieg seit Ende der 90er Jahre von 7 auf 9,7 Prozent im Jahre 2005. Mit 118 Gewerbeanmeldungen je 10.000 Einwohner belegte das Land einen Spitzenplatz unter den Ostländern und lag sogar knapp über dem Bundesdurchschnitt (116). Nahezu zwei Drittel der geförderten Existenzgründer sind auch nach fünf Jahren noch am Markt.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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ÿ jedes Landkreises und jeder kreisfreien Stadt, ÿ des Städte- und Gemeindetages, ÿ der Arbeitsverwaltung, ÿ des Erwerbslosenbeirates, ÿ des Landesfrauenrates, ÿ der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten. ÿ Mitglieder der Beiräte ohne Stimmrecht sind jeweils ein Vertreter / eine Vertreterin ÿ Des Ministeriums für Arbeit, Bau und Landesentwicklung, ÿ der Industrie- und Handelskammer, ÿ der Handwerkskammer, ÿ der Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege259 So wurde die Verantwortung der regionalen und lokalen Ebene durch deren ständige Beteiligung an der Ausrichtung des Programms gestärkt. Mit der Regionalisierung werden Arbeitsmarktpolitik und Strukturpolitik miteinander verzahnt sowie effizienter, transparenter und bürgernaher gestaltet. Mit dem Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm (ASP M-V) wurde ein Programm geschaffen, das sich – konsequenter als seine Vorgänger – direkt an den Beschäftigungspolitischen Leitlinien der Europäischen Union orientiert. Außerdem wird die Regionalisierung der Arbeitsmarktpolitik konsequent umgesetzt, so dass die Landkreise, Städte, Sozialpartner und Arbeitsverwaltungen in Regionalbeiräten vor Ort ein Mitsprache- und Entscheidungsrecht haben. Diese konsequente Form der Regionalisierung der Arbeitsmarktpolitik machte das Land bei der EU zum Referenzmodell für eine erfolgreiche Umsetzung des Europäischen Sozialfonds (ESF). „Und damit etwas funktioniert, braucht man Allianzen über alle Gruppen und Lager hinweg. Staat, Gesellschaft, Individuen, Wirtschaft müssen zur Lösung der Zukunftsprobleme synchronisiert werden. Das ist die eigentliche Kärrner-Arbeit des Zukunfts-Politikers.“ (Matthias Horx: Trend- und Zukunftsforscher)

259 Vgl. Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern

262

7.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Regionalmanagement – eine Chance für die Regionalentwicklung?

Johannes Bruns: Beigeordneter der Stadt Mühlhausen

7.1

Einleitung

Mit dem Bedeutungsgewinn der Regionen für die ökonomische Entwicklung hat sich auch ein Perspektivwandel bei den lokalen und regionalen Akteuren vollzogen. Stand die Schaffung bzw. die strategische Ausrichtung einer regionalen Wirtschaftsförderungs- und Strukturpolitik noch in den 1980er Jahren für viele Landräte und Bürgermeister nur selten auf der politischen Tagesordnung, hat sich dies in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich verändert. Allenortens sind Wirtschaftsfördereinrichtungen entstanden – wahlweise als Fachbereiche innerhalb der Kommunalverwaltung oder als eigene privatwirtschaftlich gegründete Gesellschaften. Gleichzeitig fanden mit dieser Gründungswelle auch Begriffe Eingang in das Vokabular der Akteure vor Ort, die – in vielen wissenschaftlichen Publikationen theoretisch vorbereitet und verbreitet – zu Modebegriffen stilisiert wurden. Vokabeln wie endogenes Potenzial, Leitbild und vor allem Netzwerk und Cluster haben Konjunktur, werden zur Maxime der regionalen Politik und prägen letztendlich die Ausrichtung der regionalen Wirtschaftsförderung. Vielfach aber bleibt die Wirklichkeit hinter dem Anspruch zurück: „Netzwerke“ mit all ihren positiven Implikationen sind in der praktischen Umsetzung häufig konturlos und erschöpfen sich im Intermediären – insbesondere dann, wenn sie öffentlich gefördert werden. Drastischer zeigt sich die oftmals „symbolhafte“ regionale Wirtschaftsförderung in der Forderung nach der Schaffung von Clustern. Legt man die Cluster-Definition von M. Porter zugrunde, dann lassen sich einige Cluster finden – die bekanntesten sind wohl das SiliconValley bei San Francisco, die Biotechnologie in Boston und München oder das Dritte Italien mit der Möbelund Bekleidungsindustrie. Cluster sind an Voraussetzungen gebunden: Sie weisen meistens einen Entwicklungspfad auf, sind durch gemeinsame Ziele und räumliche Nähe der Akteure gekennzeichnet, die wiederum im Rahmen einer „Innovationskultur“ miteinander kooperieren. Eine Prämisse wird bei der Verwendung des Cluster-Begriffs gerne vergessen: Cluster sind durch das Vorhandensein einer kritischen Masse an Unternehmen charakterisiert.260 Allein schon aus diesem Grund scheint es wenig plausibel, Cluster in struktur-

260 Vgl. Porter, Michael E.: Unternehmen können von regionaler Vernetzung profitieren – Trotz Globalisierung liegen viele langfristige Wettbewerbsvorteile direkt vor der Haustür, in Harvard Business, 1999, S. 51 - 63.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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schwachen Regionen vorzufinden oder – wenn man alle Voraussetzung hinzuzieht – aus dem Nichts zu schaffen. Und dann war ja noch etwas – ein Begriff, an den hohe Erwartungen geknüpft werden: Das Regionalmanagement. Genau dieses soll die Regionalentwicklung vorantreiben, indem es Netzwerke und Innovationscluster aufbaut sowie regionale Wachstumspotenziale mobilisiert etc.261 Die Anfänge des Regionalmanagements lassen sich auf die Erkenntnis in der Regionalplanung zurückführen, nach der Projekte mit regionalem Bezug oftmals nicht über die Konzeptphase hinausgekommen sind. Dieses Umsetzungsdefizit soll nun das Regionalmanagement abmildern oder gar beseitigen; es soll – so die Vorstellung – zum verlängerten Arm der Regionalplanung werden. Tatsächlich lassen sich etliche Beispiele erfolgreicher Regionalmanagements finden. Regionalmanagements in Bayern und Österreich zeigen beachtliche Ergebnisse auf, die in unterschiedlicher Weise zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region beigetragen haben. Diese Erfahrungen und Erkenntnisse waren es, die dazu geführt haben, dass das Instrument Regionalmanagement in den Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftstruktur“ aufgenommen wurde. Seit 2001 konnten sich Landkreise und Planungsverbände strukturschwacher Regionen um die Förderung aus der Gemeinschaftsaufgabe für die Dauer von zunächst drei Jahren bewerben. In Mecklenburg-Vorpommern wurden im Jahr 2002 auf der Ebene der vier Regionalen Planungsverbände jeweils ein Regionalmanagementprojekt eingerichtet; der Landkreis Uecker-Randow erhielt wegen der Konversionsprobleme, die aus dem Abzug der Bundeswehr entstanden, ein eigenes Regionalmanagement. Die fünf Regionalmanagements aus Mecklenburg-Vorpommern sind nach einer dreijährigen Laufzeit – wie viele Regionalmanagements in anderen Bundesländern auch – in eine Phase eingetreten, in der sich die ersten Effekte und Erfolge zeigen. Eines muss jedoch auch konstatiert werden: Der anfänglich großen Euphorie der Regionalmanagementvorhaben ist bei nahezu allen Beteiligten eine ebenso große Ernüchterung gewichen. Was aber sind die Gründe für diese Entwicklung? Eine wissenschaftliche Untersuchung in Form einer Evaluation des Regionalmanagements in Mecklenburg-Vorpommern gab es nicht; die Begleitforschung, die vom Bund in Auftrag gegeben wurde, endete im Dezember 2003 nach nur zweijähriger Laufzeit – ohne Hinweise auf die Ursachen zu geben. Im folgenden Beitrag wird der Versuch unternommen, Grenzen und Chancen des Instrumentes „Regionalmanagement“ aufzuzeigen. Der Fokus liegt dabei auf dem Regionalmanagement Vorpommern. Ein Bereich wird dabei im Vordergrund stehen: Es sind oftmals die Strukturen, die entscheidend sind für den Erfolg oder Misserfolg von Projekten wie dem Regionalmanagement, weil in und mit den Strukturen gearbeitet werden muss. 261 Vgl. z.B. 31. Rahmenplan der GA „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“

264

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

7.2

Mängel bei der Implementierung – oder: Was tun mit dem Regionalmanagement

Mit der Aufnahme des Fördertatbestandes „Regionalmanagement“ in die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ bot sich für die Planungsregionen in Mecklenburg-Vorpommern die Möglichkeit, ein entsprechendes Vorhaben zu beantragen. In Vorpommern wurde das Angebot gerne aufgegriffen. Man erhoffte sich durch das Regionalmanagement sowohl die Unterstützung der im Jahr 2001 entstandenen Regionalmarketinginitiative als auch die Umsetzung regionalbedeutsamer Projekte im Rahmen der Regionalplanung. Zu Beginn des Projektes „Regionalmanagement“ musste jedoch zunächst die strategische Ausrichtung des Vorhabens festgelegt werden. Aus der Literatur und den Erfahrungen zum Projektmanagement ist bekannt, dass insbesondere die Anfangsphase eines Projektes die entscheidende Phase für den Gesamtverlauf darstellt. Hier werden die Ziele, die Inhalte, die Organisation, die finanziellen Mittel, das Controlling und die operative Ausgestaltung festgelegt. Gelingen diese Festlegungen nicht, ist davon auszugehen, dass ein Projekt nicht den gewünschten Erfolg haben wird. Im Bezug auf das Projekt „Regionalmanagement“ handelt es sich dabei im Wesentlichen um drei Problemfelder, die im Folgenden erläutert werden sollen. Problemfeld 1: Regionalmanagement – Was ist das? Die eigentlich trivial anmutende Frage ist durchaus grundsätzlich, weil sie die verbindliche Ausrichtung des „Regionalmanagement-Projektes“ vorgibt. Vor allem ist sie eines nicht: leicht zu beantworten. Erstaunlicherweise ist der Regionalmanagementansatz weder in der Fachliteratur noch im GA-Rahmenplan eindeutig definiert, so dass in Abhängigkeit vom jeweiligen Regionen- und Planungsverständnis eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen und praktischer Ausprägungen existieren. Für die operative Arbeit und Ausgestaltung des Regionalmanagements sind die Definitionen kaum hilfreich: So verstehen Fürst262, Knieling263 oder Troeger-Weiss264 das Regionalmanagement als flexibles und situationsbezogenes Konzept zur querschnittsorientierten Steuerung, Führung und Gestaltung von Entwicklungsprozessen in einer Region, das darüber hinaus die regionale Raumordnungspolitik auf handlungs- und prozessorientierte Weise ergänzt. Dabei bedient sich – so die Autoren – das Regionalmanagement der Prinzi262 Fürst, Dietrich: Projekt und Regionalmanagement, in ARL (Hrsg.): Methoden und Instrumente der räumlichen Planung, Hannover 1998, S. 237 - 253. 263 Knieling, Jörg: Leitbildprozesse und Regionalmanagement - Ein Beitrag zur Entwicklung des Instrumentariums der Raumordnungspolitik, Frankfurt am Main u.a. 2000. 264 Troeger-Weiss, Gabi: Regionalmanagement. Ein neues Instrument der Landes- und Regionalplanung, Augsburg 1998.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

265

pien der strategischen Planung, der Kooperation und – was zu vermuten war – der Vernetzung. Im Mittelpunkt steht die Umsetzung regionalbedeutsamer Projekte und Maßnahmen, wobei die sog. Synergieeffekte nutzbar gemacht werden sollen. Im Kontext des allgemeinen Zeitgeistes einer Ökonomisierung auch sozialer Strukturen und Prozesse wird beim Regionalmanagement darüber hinaus auch gerne auf wirtschaftswissenschaftliche Managementbegriffe zurückgegriffen.265 So werden Konzepte der betrieblichen Steuerung im Sinne des klassischen Managementansatzes (Planung, Organisation, Personaleinsatz, Führung und Kontrolle) auf den Regionalmanagementansatz angewendet – alles im Sinne einer effizienteren Gestaltung von Prozessabläufen in den Regionen. Die Frage, inwieweit eine Region mit differenzierten strukturellen und sozialen Voraussetzungen als Unternehmen aufgefasst werden kann (Schlagwort „Unternehmen Region“), soll hier nicht weiter diskutiert werden. Die Praxis aber zeigt, dass betriebswirtschaftliche Managementkonzepte nicht direkt bzw. unreflektiert in den regionalen Kontext übertragen werden können.266 Das Heranziehen der Definitionen macht eines deutlich: Der Begriff „Regionalmanagement“ bleibt auf der theoretischen Ebene unscharf. Und vor allem eines unterbleibt: Eine klare Abgrenzung zum Begriff der Wirtschaftsförderung.267 Problemfeld 2: Inhalte – Was sind die thematischen Schwerpunkte? Auch der Versuch, die Definitionen und theoretischen Erkenntnisse zu operationalisieren und für die praktische Umsetzung handhabbar zu gestalten, erweist sich als problematisch. Maier und Obermaier268 sowie Troeger-Weiss269 haben eine Aufzählung der Aufgaben für das Regionalmanagement vorgenommen, die sie in zwei Bereiche aufgegliedert haben: a). Aufgaben der Prozessgestaltung und b). die inhaltliche Arbeit und thematische Ausrichtung. Zum ersten Bereich werden Aufgaben wie die Koordination und Vernetzung regionaler Projekte und Akteure, die Steuerung, Gestaltung, Organisati265 Vgl. Fürst, Dietrich: Projekt und Regionalmanagement, in ARL (Hrsg.): Methoden und Instrumente der räumlichen Planung, Hannover 1998, S. 237 - 253. 266 Vgl. Sedlacek, Peter: Regionalmanagement-Ein Konzept zwischen Region und Organisation, in: Schenkhoff, Hans Joachim (Hrsg.): Regionalmanagement in der Praxis – Beispiele aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, Arbeitsmaterial Nr. 298 der ARL, Hannover 2003. 267 Wie schwierig der Umgang mit dem Begriff „Regionalmanagement“ ist, zeigt sich u. a.

auch darin, dass im Rahmen der GA „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ das Regionalmanagement als Förderinstrument angesehen wird. Vor diesem Grund ist nachvollziehbar, dass in der Praxis die Erfüllung der Förderkriterien im Mittelpunkt steht (gemessen an vorher definierten Kennzahlen). Das „eigentliche“ Regionalmanagement in seiner persuativen und vernetzenden Ausprägung rückt damit deutlich in den Hintergrund. 268 Maier, Jörg/Obermaier, Frank: Regionalmanagement in der Praxis – Erfahrungen aus Deutschland und Europa. Chance für Bayern, München 2000. 269 Troeger-Weiss, Gabi: Regionalmanagement. Ein neues Instrument der Landes- und Regionalplanung, Augsburg 1998.

266

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

on und Moderation regionaler Kommunikationsprozesse, das Betreiben eines Motivations-, Relationship- und Reflexitionsmanagements270 sowie die Bereitstellung eines Beratungs-, Bildungs- und Informationsangebotes genannt. Dem zweiten Bereich ordnen die Autoren Aufgaben wie die Entwicklung und Initiierung von Modell- und Pilotprojekten (im Sinnes eines Innovationsmanagements), das Binnen- und das Außenmarketing und die Beteiligung an interregionalen Wettbewerben zu und ergänzen ihn um die Förderung eines intensiven Erfahrungsaustausches zwischen den Regionen z. B. durch Diskussionsforen und themenbezogene Fachveranstaltungen. Mit dieser Aufzählung werden die Aufgaben für das Regionalmanagement zweifelsohne deutlicher konturiert und den Trägern des RegionalmanagementProjektes wichtige Hinweise zur Ausgestaltung gegeben. Beides, die Definitionen und die Operationalisierung, suggerieren aber eine doppelte, problematische Wirkungsmacht des Regionalmanagements: Es löst zum einen aufgrund der vermuteten Problemlösungskompetenz die vielfältigen Probleme in der Region und zum anderen: es entlastet die verantwortlichen regionalen Akteure, in dem die Verantwortlichkeiten für eine Umsetzung von Projekten auf das Regionalmanagement verlagert werden. Vor diesem Hintergrund wird sehr schnell deutlich, dass die Erwartungen der regionalen Akteure an das Regionalmanagement sehr hoch waren. Konkret sichtbar wurde der Erwartungsdruck in den Förderanträgen, die von den Regionen an die zuständigen Landesministerien gestellt wurden. Dies war auch in Vorpommern der Fall. Der Fördermittelantrag für das Regionalmanagement in Vorpommern war ein bunter Blumenstrauß aus Projekten, die vom Außen- und Binnenmarketing über das Standortmanagement bis hin zur Ansiedlung von Unternehmen reichten. Der Antrag war zugleich auch ein typisches Beispiel für Regionen mit einer nur wenig ausgeprägten Kooperationskultur: Um Konflikte zu vermeiden, fand die Interessensvielfalt der regionalen Akteure Eingang in den Fördermittelantrag – ohne eine Zuspitzung und eine thematische Schwerpunktsetzung vorzunehmen. Der GA-Unterausschuss stimmte dem Antrag zu und das Wirtschaftsministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern bewilligte die Fördermittel. Problemfeld 3: Operative Ausgestaltung – Wie organisierte man ein Regionalmanagement? Die inhaltliche Ausgestaltung des Regionalmanagements ist eine der Grundlagen für den Erfolg des Projektes – seine organisatorische Anbindung, die 270 Mit dem Begriff Motivationsmanagement ist die Sicherstellung einer mittel- bis langfristi-

gen Zusammenarbeit durch z. B. motivationssteigernde Maßnahmen wie eine transparente und strukturierte Steuerung des Prozesses und das Hervorheben des Kooperationsnutzens für die Beteiligten gemeint. Relationshipmanagement kennzeichnet die Verbesserung der Akteursbeziehungen und Reflexionsmanagement meint das Controlling des jeweiligen Prozesses und der Ergebnisse, z. B. durch eine Evaluation.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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personelle und finanzielle Ausstattung bilden das zweite Standbein. In den wissenschaftlichen Abhandlungen zum Regionalmanagement finden sich im Hinblick auf seine operative Ausgestaltung jedoch nur wenige Hinweise. Genannt werden immer wieder – als wesentliche Faktoren – die ausreichende Finanzausstattung, die Personalausstattung, die Art der Institutionalisierung, die Organisationsstruktur und die politischen und administrativen Rahmenbedingungen. Alle diese Faktoren sind – einzeln und vor allem im Zusammenspiel – für die Qualität des Regionalmanagement unabdingbar, weil sie für einen entscheidenden Faktor grundlegend sind: die regionale Akzeptanz. In Mecklenburg-Vorpommern einigten sich das Wirtschaftsministerium des Landes und die Regionalen Planungsverbände darauf, dass letztere Träger des Regionalmanagements werden sollten. Die Vorteile wurden vor allem darin gesehen, dass die Planungsverbände die einzig politisch legitimierte Institution in den Regionen seien und die in ihnen vertretenen Gebietskörperschaften das Regionalmanagement konstruktiv unterstützen könnten. Mit der Trägerschaft waren nur die Regionalen Planungsverbände neben der inhaltlichen auch für die organisatorische Ausgestaltung des Regionalmanagements verantwortlich. Die Finanzausstattung für das Vorhaben wurde im GA-Rahmenplan im Wesentlichen festgelegt und die Vorgaben wurden vom Wirtschaftsministerium des Landes M-V übernommen. Der Zuschuss von 80 % stand einem Eigenmittelanteil von 20 % gegenüber, der vom Regionalen Planungsverband als Träger aufgebracht werden musste. In Vorpommern wurden die bewilligten Finanzmittel auf verschiedene Institutionen aufgeteilt: So erhielten der Marketingverein, die neugegründete Wirtschaftsfördergesellschaft Vorpommern und der Standort Mukran (Insel Rügen) erhebliche Gelder aus dem Regionalmanagement-Topf. Verbunden waren die Zahlungen mit der Maßgabe, dass die Mittel für Projekte verwendet werden sollten, die im engen Zusammenhang mit dem Regionalmanagement stehen. Welche Schwerpunkte oder gar welche Projekte damit bearbeitet werden sollten, wurde jedoch nicht näher definiert. Durch die Aufteilung der Mittel aber war das Regionalmanagement bereits zu Beginn erheblich geschwächt. Problematisch war auch, dass versäumt wurde, in das Regionalmanagement wichtige regionale Akteure aus dem unternehmerisch-gewerblichen Bereich, wie den Unternehmerverband Vorpommern, die Industrie- und Handelskammern Rostock und Neubrandenburg und die Gewerkschaften etc., von Beginn an einzubinden. Damit wurde eine große Chance verpasst, das Regionalmanagement als Ansprechpartner für Unternehmen zu etablieren. In diesen Zusammenhang lässt sich auch die im April 2002 neugegründete Wirtschaftsfördergesellschaft Vorpommern271 als 271 Die WFG nahm drei Monate später als das Regionalmanagement Vorpommern ihre Arbeit

auf.

268

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Ausdruck eines disparaten politischen Willens in der Region einordnen. Eine klare Abgrenzung der Aufgaben zwischen Wirtschaftsfördergesellschaft, den nach wie vor bestehenden Ämtern für Wirtschaftsförderung auf der Ebene der sechs vorpommerschen Kreise und dem Regionalmanagement fand ebenso wenig statt wie auch nicht erwogen wurde, die Wirtschaftsfördergesellschaft Vorpommern mit dem Regionalmanagement zu fusionieren. Damit aber ergab sich eine Konstellation, die von Anfang an hochgradig kompliziert war: neben den sechs Ämtern für Wirtschaftsförderung gab es plötzlich in Vorpommern einen Marketingverein, eine neue Wirtschaftsfördergesellschaft und zwei neugeschaffene Regionalmanagements: das im Landkreis Uecker Randow und das des Regionalen Planungsverbandes. Durch die Verteilung der finanziellen Mittel limitierte sich die personelle Ausstattung des Regionalmanagements nahezu von selbst: Zwei Stellen wurden eingerichtet (für den Regionalmanager und die Regionalassistentin); die Beantragung von ABM, SAM etc. zur Aufstockung des Personalbestands war aufgrund des in der Förderpraxis aufgeführten Ausschlusses nicht möglich. Mit den Festlegungen und Nicht-Festlegungen in den Bereichen Inhalte/ Themenschwerpunkte und Organisation/Ressourcenausstattung, die in einem nicht unerheblichen Maße auf die Unschärfe des Begriffs auf der theoretischen Ebene zurückzuführen ist, wurden in Vorpommern – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – Strukturen festgelegt, die den Rahmen für das Regionalmanagement gesetzt und seine Leistungsfähigkeit eingeschränkt haben. Hinzu kamen im Verlauf noch externe Einflüsse, die die Ausrichtung und das Selbstverständnis des Regionalmanagements verändert haben. Im nächsten Abschnitt soll daher zunächst auf die wichtigsten Konsequenzen des zu Beginn des Regionalmanagements festgelegten Rahmens und die Veränderungen im Projektverlauf diskutiert werden, bevor dann in Punkt 7.4 auf die Erfolge eingegangen wird.

7.3

Grenzen des Regionalmanagements

Die Mängel bei der Implementierung führten zunächst dazu, dass nach dem Start des Regionalmanagements Vorpommern die Inhalte und Schwerpunkte und damit die Projekte definiert werden mussten. Die Zeit, die für diese Definitionsphase aufgewendet werden musste, war enorm. Die Gründe dafür waren vor allem auf regionsinterne Faktoren zurückzuführen. So musste sich das Regionalmanagement zunächst in der Region bekannt machen und es musste den potenziellen Kooperationspartner deutlich gemacht werden, was das Regionalmanagement eigentlich ist und was es will. Dies war nicht einfach: In der Region bestand ein eingeschliffenes System an Akteuren und Institutionen, die in unterschiedlicher Weise und Intensität miteinander kooperierten. In diese Konstellation drängte nun ein Regionalmanagement, das

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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auf der Suche nach Kooperationspartner für die Projekte und vor allem nach seinem eigenen Selbstverständnis war. Im Hinblick auf die Kooperation mit regionalen Partnern wird eine systemimmanente Grenze des Regionalmanagements deutlich: Es basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Mit anderen Worten: Das Regionalmanagement muss versuchen, die regionalen Akteure zu überzeugen, in einem oder mehreren Projekten mitzuarbeiten, was bei den Beteiligten ein Mindestmaß an Motivation voraussetzt. Zwar ist der Einsatz von finanziellen Mitteln aus dem Regionalmanagement-Topf als durchaus „motivationsfördernd“ anzusehen; dennoch ergibt sich die Einschränkung, nur jene Themenfelder anzugehen, die zum einen auf der Agenda der Kooperationspartner stehen und in denen zum anderen ein Konsens erreicht werden kann. In der eingeschliffenen regionalen Akteurskonstellation bedeutete dies für die Arbeit des Regionalmanagements eine permanente Abhängigkeit von den Projektpartnern. Stimmen sie dem Projekt nicht zu oder verlieren sie im Projektverlauf die Motivation, liegt es am Regionalmanagement, durch Überzeugung die Projektpartner „bei der Stange“ zu halten. Damit wird ein Dilemma des Regionalmanagements deutlich: Es steht einerseits außerhalb einer Hierarchie (z. B. im Verhältnis zu den Wirtschaftsförderern) und ist vielfach abhängig vom „good will“ der regionalen Akteure, weil es mangels verliehener Kompetenzen keine Sanktionen verhängen kann (wodurch das Regionalmanagement automatisch in eine defensive Rolle gedrängt wird). Andererseits ist das Regionalmanagement einem hohen Erwartungsdruck des Wirtschaftsministeriums als Mittelgeber und des Regionalen Planungsverbandes Vorpommern als Vorhabenträger ausgesetzt, die beide von einer erfolgreichen Umsetzung der Projekte ausgehen. Verschärft wird diese Konstellation insbesondere auch darin, dass die beteiligten Akteure oft in einem Konkurrenzverhältnis stehen, was u. a. auch darauf zurückzuführen ist, dass die Aufgaben der einzelnen Akteure nicht eindeutig abgegrenzt wurden. So besteht zwischen den sechs Gebietskörperschaften des Regionalen Planungsverbandes eine strukturelle Konkurrenz z. B. dann, wenn es um die Ansiedlung von Unternehmen geht. Gleichzeitig versucht jede der Institutionen, ihre Existenz zu rechtfertigen und sich teilweise auf Kosten anderer Akteure zu profilieren. Dies zeigt sich vor allem darin, dass sich die Akteure nicht gerne in die „Karten“ schauen lassen. So ist Vorpommern weit davon entfernt, ein transparentes Informationsmanagement zu besitzen. Eher ist das Gegenteil der Fall: Informationen werden nicht weitergeben, was Kooperationen erheblich erschwert und immer wieder zu widersinnigen Doppelund Dreifacharbeiten führt. Eine effektive Zusammenarbeit der regionalen Akteure wird darüber hinaus auch durch externe Faktoren konterkariert. Ein Beispiel sind die in Vorpommern vielfältig bestehenden Fördermitteltöpfe der EU-, Bundes- und Landesebene. Alleine für das Themenfeld „Vermarktung von regionalen Produkten“

270

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

können Fördermittel aus „Regionen aktiv“ des BMVEL, dem Arbeitsmarkstrukturentwicklungsprogramm des Landes Mecklenburg-Vorpommern (ASP M-V), der EU-Gemeinschaftsinitiative LEADER+ und aus INTERREG beantragt werden. Die Mittel können jedoch nicht kumuliert werden, was auch für die Mittel des Regionalmanagements aus der GA „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ gilt. Ein Schwerpunkt des Regionalmanagement Vorpommern war es, zusammen mit verschiedenen Akteuren eine Gesamtvermarktungsstrategie für vorpommersche Produkte (insb. handwerkliche und landwirtschaftliche Produkte) zu entwickeln. Bedingt durch die vielfältige Förderlandschaft gab es für die regionalen Akteure, die aus einem der Fördertöpfe Mittel erhalten haben, kaum Anreize, miteinander zu kooperieren. Ein jeder versucht, sein Projekt mit den eingeworbenen Mitteln umzusetzen – zumal Auflagen, die Kooperationen zur Verpflichtung machen können, ebenso fehlten wie eine Evaluation der Projekte. Das Regionalmanagement, das die Akteure mehrfach zu Kooperationstreffen eingeladen hatte, wurde auf eine Statistenrolle degradiert – seine finanziellen Mittel wurden nicht mehr benötigt, weil die Akteure über ausreichende eigene Fördermittel verfügten. Vor diesem Hintergrund entstanden in Vorpommern zahlreiche Initiativen zur Vermarktung regionaler Produkte, die aber für die Region kaum wahrnehmbare Effekte gebracht haben und kontraproduktiv für die Idee des Regionalmanagements Vorpommern waren, eine Gesamtvermarktung zu etablieren. Vor diesem Hintergrund der skizzierten Konkurrenzsituation der regionalen Akteure untereinander wird schnell deutlich, dass die Arbeit des Regionalmanagements Vorpommern weniger auf „Vernetzung und Kooperation“, sondern mehr auf die „Umsetzung von Projekten“ ausgerichtet war. Das Aufgabengebiet „Vernetzung der Akteure“ war auch deshalb schwierig, weil die personelle Ausstattung des Regionalmanagements unzureichend war. So ist es mit der äußerst knappen personellen Ausstattung nahezu unmöglich, parallel zu den anderen Aufgaben ein Netzwerk (z. B. im unternehmerischen Bereich) zu initiieren und professionell zu betreuen. Außerdem wurden vom Fördermittelgeber und vom Maßnahmeträger schnelle Erfolge erwartet, die sich eher in der konkreten Umsetzung von Projekten als in einem Netzwerk von Unternehmen zeigen. Damit wird ein weiteres Problem angedeutet: Das Regionalmanagement ist in seiner jetzigen Ausgestaltung als zeitlich beschränkter Prozess angelegt. Hinderlich für die Arbeit des Regionalmanagements war, dass es zunächst nur auf drei Jahre ausgelegt war. Die Konsequenz war, dass dadurch die Projektumsetzung eindeutig im Vordergrund stand und die langwierige Vernetzung beispielsweise von Unternehmen in den Hintergrund trat. Nach langem Kampf mit dem Wirtschaftsministerium des Landes M-V wurde die Förderung des Regionalmanagements um zwei weitere Jahre mit der Auflage verlängert, dass nach Auslaufen der Förderung das Regionalmanagement von den Regionalen

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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Planungsverbänden in eigener Trägerschaft weitergeführt wird. Eines ist eindeutig: Größere Ergebnisse sind aber – das zeigen Studien zur kommunalen Wirtschaftsförderung – erst nach mehreren Jahren erreichbar. Durch die zeitliche Stückelung wurde dies erheblich unterminiert. Aus den hier diskutierten externen, internen und systemimmanenten Grenzen, die das Regionalmanagement zweifelsohne in seiner Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit einschränken, darf aber nicht geschlossen werden, dass es keine Erfolge aufweist. Es ist vielmehr bemerkenswert, dass das Regionalmanagement trotz der gegebenen Rahmenbedingungen und Grenzen wichtige Beiträge zur Regionalentwicklung Vorpommerns geben konnte.

7.4

Trotz allem: Erfolge für die Regionalentwicklung

Eine echte Strategie und eine klare Ausrichtung für die Arbeit des Regionalmanagements Vorpommern lag erst etwa ein halbes Jahr nach Beginn des Projektes vor. Mit dem Abschluss der Definition der Inhalte wurden mehrere Schwerpunkte festgelegt, von denen einige wenige aufgegeben, die meisten aber erfolgreich weitergeführt wurden. Schmerzlich war, dass es nicht gelungen war, eine professionelle Marketingstrategie für Vorpommern zu entwickeln, die sich von dem seichten Niveau mancher Marketingbemühungen in der Region deutlich abheben sollte. Gleiches gilt für die Vermarktung regionaler Produkte, was zum einen auf die o. g. Fördervielfalt und zum anderen auf die landwirtschaftlichen Strukturen in Vorpommern zurückzuführen war. In diesem Bereich besteht nach wie vor ein hohes Potenzial für Arbeitsplätze insbesondere im ländlichen Raum. Ein Kernbereich des Regionalmanagements Vorpommern lag insbesondere auf der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Ansiedlung von Unternehmen. Dazu wurde eine systematische Vorgehensweise gewählt, in dem zunächst die technologieorientierten Unternehmen nach ihren Fähigkeiten, ihren Produkten, ihrer Kooperationsbereitschaft und ihrem Personalbedarf befragt wurden. Ziel der Befragung war, erst einmal einen Überblick über das Leistungsspektrum der Unternehmen, ihre Chancen und Probleme zu erhalten. Insgesamt beteiligen sich von den 110 Technologieunternehmen in Vorpommern 87 Betriebe. Auf der Grundlage dieser Befragung hat sich das Biotechnologienetzwerk „BioConValley“ am Wettbewerb www.kompetenznetzwerke.de des BMBF beteiligt und kann sich nun als eines der innovativsten Biotechnologienetzwerke in Deutschland auf der Internetseite des BMBF präsentieren. Die Befragung war zugleich Grundlage für den Aufbau des Metallnetzwerkes „Konstruktiver Metall- und Anlagenbau“ (KOMETAN). So hatte sich bei der Auswertung der Interviews herausgestellt, dass Vorpommern über inno-

272

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

vative Metallunternehmen verfügt, die aber immer im Schatten der Biotechnologie und des Tourismus standen. Dazu lassen sich knapp 50 Unternehmen zählen, die das industrielle Rückgrat der Wirtschaftsregion Vorpommern bilden. Am Metallnetzwerk mit dem Schwerpunkt „Anlagenbau“ haben sich 18 Unternehmen beteiligt. Das Netzwerk hat am Wettbewerb des Bundeswirtschaftsministerium (BMWA) teilgenommen und wird als eines Siegernetzwerke bis Mitte 2007 mit jährlich 100.000 € gefördert. Die Mittel werden für einen professionellen Netzwerkmanager verwendet. Als ein weiteres Ergebnis der Befragung hatte sich herausgestellt, dass das Thema „Personalentwicklung“ von den Unternehmen in Vorpommern stiefmütterlich behandelt wird. Vor dem Hintergrund der katastrophalen demographischen Entwicklung in Vorpommern tritt bereits in zwei bis drei Jahren ein Mangel an Fachkräften in den vorpommerschen Betrieben auf. Um diesem Fachkräftemangel in den Betrieben auf der einen Seite und der nach wie vor anhaltenden Abwanderung junger Leute aus Vorpommern zu begegnen, wurden in Zusammenarbeit mit der FH Stralsund erste Ansätze für ein Monitoring zur Ermittlung des Fachkräftebedarfs in Vorpommern aufgebaut. Ein weiteres wichtiges Projekt ist das Projektmanagement für den Gewerbegroßstandort Sassnitz/Mukran. Vom Projektmanagement wurden zahlreiche Kontakte in das Baltikum aufgebaut – und die Vermarktung des Standortes forciert. Die Vermarktung des Wirtschaftsstandortes Vorpommern ist ein zweiter Schwerpunkt des Regionalmanagements. Zunächst mussten grundlegende Broschüren entwickelt werden, weil bis dato keine regionalen Marketingmaterialien vorhanden waren. Erfolgreich war die Präsentation des Wirtschaftsstandortes im Haus der Deutschen Wirtschaft in St. Petersburg, an der über 80 russische Unternehmer teilgenommen haben. Darüber hinaus nahm das Regionalmanagement an verschiedenen Messen teil – damit war Vorpommern erstmals auf den bedeutsamen Wirtschaftsmessen vertreten. Neben der Vermarktung des Wirtschaftsstandortes wurden zusammen mit den Tourismusverbänden größere (z. B. die Teilnahme am „Dortmunder Herbst“ (130.000 Besucher), am „Fest der Nationen“ (50.000 Besucher) in Berlin) und kleinere Projekte im Bereich touristisches Marketing durchgeführt. Im Jahr 2005 ist das Projekt „Erhalt und Entwicklung der vorpommerschen Guts- und Parkanlagen“ hinzugekommen, von dem sich der Regionale Planungsverband Vorpommern Arbeitsmarkteffekte insbesondere für den ländlichen Raum verspricht. Das Regionalmanagement Vorpommern ist mit der Umsetzung beauftragt worden. Die hier dargestellten Projekte stellen nur einen Ausschnitt der Arbeit des Regionalmanagements dar. Kaum darstellbar sind die vielen Gespräche für das Ausloten von Projektideen – auch solcher, die wieder verworfen werden. Dazu kommt die Mitarbeit in vielen Gremien der Landkreise, das Kontakthal-

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

273

ten zu den wichtigsten Kooperationspartnern272 und auch der hohe Aufwand für Abrechnungen und Verwaltungstätigkeiten.

7.5

Regionalmanagement: Es kann eine wirkliche Chance für die Regionalentwicklung sein

Machen wir uns nichts vor: Grau ist alle Theorie – und das zeigt sich vor allem im Abgleich zwischen theoretischem Anspruch und der praktischen Ausführung. Entsprechend wäre es verkürzt, das Regionalmanagement zwar in der Theorie als einen durchaus vielversprechenden Ansatz darzustellen, der sich in der Praxis – aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen – aber nicht realisieren lässt. Von Bedeutung wird sein, dass auf beiden Ebenen eine Anpassung vorgenommen wird. So werden in die theoretischen Abhandlungen die Erfahrungen der Praxis Aufnahme finden müssen. Zu nennen ist an dieser Stelle die Frage der Implementierung des Regionalmanagements in einer Region und damit zusammenhängend die Frage nach der sozio-ökonomischen Ausstattung einer Region. Beide Bereiche sind ausschlaggebend für den Erfolg des Regionalmanagements. Ohne eine strategische Implementierung am Anfang des Projektes werden die Defizite über die Dauer der Laufzeit hinweg mitgeschleppt, was die Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit des Regionalmanagements deutlich einschränkt. Wenig erforscht ist aber auch die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Erfolg des Regionalmanagements und der Ausgangslage in der Region. So ist zu vermuten, dass ein Regionalmanagement in einer Region mit einer problematischen sozio-ökonomischen Konstellation, die z. B. durch hohe Arbeitslosigkeit, mangelndes Unternehmertum, dünner privater Kapitaldecke oder ein geringes Steueraufkommen geprägt ist, schwieriger umzusetzen ist als in einer Region mit einer vergleichsweise günstigen Ausstattung. Hier wäre für die Praktiker eine regionale Typenbildung von Interesse. Für die Akteure einer Region, die ein Regionalmanagement einführen wollen (oder es bereits haben), stellt sich die Aufgabe, viel Energie und Zeit in die Konzeptions- und Implementierungsphase zu stecken, um aus dem Regionalmanagement den größtmöglichen Nutzen ziehen zu können. Dazu gehört auch, im Rahmen einer ehrlichen Diskussion realistische Erwartung an das Regionalmanagement zu formulieren und es – wenn irgendwie möglich – an die z. T. nicht beeinflussbaren restriktiven Rahmenbedingungen anzupassen. Für die Regionalmanagementprojekte in Mecklenburg-Vorpommern kann aber eines mit Sicherheit gesagt werden: Bei allen Problemen, die sich im 272 Nach eigener Schätzung wird für reine Kommunikationsaufgaben etwa die Hälfte der Ar-

beitszeit des Regionalmanagers aufgewendet.

274

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Verlauf der Vorhaben ergeben haben, wurden von den Regionalmanagements Entwicklungen angestoßen und erfolgreich zu Ende gebracht, die es sonst nie gegeben hätte. Viele Akteure haben dazu beigetragen und gelernt, ihre Region mit anderen Augen zu sehen.

8.

Vom Raumentwicklungsprogramm über das regionale Entwicklungskonzept zu Projekten

Günter Krüger: stellv. Amtsleiter im Amt für Raumordnung und Landesplanung Vorpommern

8.1

Einleitung

Auf der Grundlage von Bundesraumordnungsgesetz (§ 8 Abs. 1 in der Fassung vom 20.07.2004) und Landesplanungsgesetz (LPlG § 4 Abs. 1 in der Fassung vom 05.05.1998) legt die Landesregierung mit Landesraumentwicklungsprogramm eine querschnittsorientierte und fachübergreifende raumbezogene Rahmenplanung für die nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung des Landes im Interesse seiner Menschen vor.273 Für die inhaltliche Umsetzung raumbedeutsamer Vorgänge unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen innerhalb einer Planungsregion sind die Ämter für Raumordnung und Landesplanung verantwortlich. Dabei verstehen sich diese Ämter neben ihren behördlichen Aufgaben auch als Dienstleister für die Projektträger. Träger raumbedeutsamer Projekte (Golfplatzanlagen, Hafenanlagen, Ferienzentren etc.) werden innerhalb eines Raumordnungsverfahrens durch die Mitarbeiter der Ämter für Raumordnung und Landesplanung in sämtlichen rechtlichen sowie verfahrenstechnischen Fragen betreut und begleitet. Letztendlich erfährt der Projektträger in den verfahrensrelevanten Bereichen auch eine Art „rechtliche Ausbildung“ durch die Raumordnungsbehörde. Die Raumordnung in Deutschland nimmt mit ihren formellen und informellen Instrumentarien auf verschiedene Wirkungsbereiche Einfluss (siehe Darstellung 1).

273 Vgl. Ministerium für Verkehr, Bau und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.): Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2008, S. 10.

275

Kapitel IV: Praktikerbeiträge Darst. 1: Instrumentarien der Raumordnung und ihre Wechselwirkungen Leitvorstellungen und Grundsätze der Raumordnung

(gemäß (gemäß §§ §§ 11 und und 22 Raumordnungsgesetz Raumordnungsgesetz und und §§ 22 Landesplanungsgesetz) Landesplanungsgesetz)

… … Fachplanungen Fachplanungen und und Einzelvorhaben Einzelvorhaben öffentlicher öffentlicher Stellen Stellen

LandesraumLandesraumentwicklungsprogramm entwicklungsprogramm direkte direkte Wirkung Wirkung mit Zielen Zielen und und mit Grundsätzen Grundsätzen der der Raumordnung Raumordnung

Raumordnungsverfahren Raumordnungsverfahren und und Stellungnahmen Stellungnahmen (mit (mit zusätzlichen zusätzlichen sonstigen sonstigen Erfordernissen Erfordernissen der der Raumordnung) Raumordnung)

Beachtung/ Beachtung/ BerückBerücksichtigung sichtigung bei bei … …

… … Bauleitplanungen Bauleitplanungen der der Gemeinden Gemeinden und und sonstigen sonstigen kommunalen kommunalen Planungen Planungen

… … Vorhaben Vorhaben privater privater Investoren Investoren Information, Information, Unterstützung Unterstützung und und Moderation Moderation interkommunale und und interkommunale öffentlich-private öffentlich-private Zusammenarbeit Zusammenarbeit

regionale regionale RaumRaumentwicklungsprogramme entwicklungsprogramme

Quelle: Homepage der Raumordnung und Landesplanung Mecklenburg-Vorpommern des Ministeriums für Verkehr, Bau und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern, Download unter http://www.mv-regierung.de/afrl/main_ostvorp.htm, am 12.12.2008 um 14:08 Uhr.

8.2

Die Raumordnung und ihre Instrumentarien

Die formellen Instrumentarien der Raumordnung sind die Raumentwicklungsprogramme (REP), die Raumordnungsverfahren (ROV, gemäß § 15 LPlG) und landesplanerische Stellungnahmen (gemäß § 17 LPlG). Zu den informellen Instrumentarien zählen die Beratung und Information sowie die Moderation und Mediation, die sich inhaltlich wie folgt abgrenzen: Beratung und Information ÿ Hierbei geht es um die Vermittlung der Erkenntnisse über räumliche Entwicklung des Landes, die raumbedeutsamen Fachplanungen sowie die Planungen der Regionen und Kommunen, die bei der Landesplanung zusammenlaufen.

276

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

ÿ Die Ämter haben die Möglichkeit, positive Tendenzen ebenso wie mögliche Nutzungskonflikte von Projektvorhaben zu erkennen, darüber zu informieren und so notwendige Maßnahmen zu veranlassen. ÿ Die Chance der Koordination durch Information und Beratung der Amtsmitarbeiter kann jede Kommune und jeder private Investor in Anspruch nehmen. Moderation und Mediation ÿ Zukünftig wird das „vernetzte“ Denken und Planen auf regionaler Ebene zunehmen. Aufgaben werden zunehmend regional differenziert gelöst, deshalb sollten gemeinsame regionale Interessen gebündelt und koordiniert werden. ÿ Künftig gilt es gemeinsame Lösungen von staatlichen, kommunalen und privaten Akteuren zu finden. Planung soll zunehmend auch eine Serviceleistung werden. ÿ Neben der klassischen Aufgabenstellung übernimmt die Regionalplanung die Moderation zwischen unterschiedlichen Akteuren und Interessen, um regionale Lösungskonzepte gemeinsam in Gang zu setzen.274 Im Land Mecklenburg-Vorpommern gibt es eine zweistufige Raumordnung, wie Darstellung 2 zeigt. Bei der Differenzierung der einzelnen Planungsebenen ist zwischen vier Planungsmaßstabsstufen zu unterscheiden: ÿ Landesraumplanung (4 Planungsregionen) 1 : 250.000 ÿ regionale Raumplanung

1 : 100.000

ÿ Gemeinden (Flächennutzungsplanung)

1 : 10.000

ÿ Bebauungsplanung

1:

1.000 oder 1 : 500

274 Vgl. Homepage der Raumordnung und Landesplanung Mecklenburg-Vorpommern des Ministeriums für Verkehr, Bau und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern, Download unter http://www. mv-regierung.de/afrl/main_ostvorp.htm, am 12.12.2008 um 14:08 Uhr.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

277

Darst. 2: Das Raumordnungssystem

Raumordnung des Bundes zweistufige Raumordnung des Landes Mecklenburg-Vorpommern 1. Stufe: Landesraumplanung

2. Stufe: regionale Raumplanung Regionale Entwicklungskonzepte (REK) der Kreise

4 Planungsregionen

‡Gemeindeplanung - Flächennutzungsplanung - Bebauungsplanung ‡Bauherr

Quelle: Eigene Darstellung.

Die Landesraumplanung unterteilt ihr Bundesland Mecklenburg-Vorpommern in vier Planungsregionen (Mittleres Mecklenburg/Rostock, Westmecklenburg, Mecklenburgische Seenplatte, Vorpommern). Exemplarisch zeigt die Darstellung 3 die Planungsregion Vorpommern. Der abgebildeten Planungsregion sind vier Landkreise (Nordvorpommern, Rügen, Ostvorpommern und Uecker-Randow) sowie die zwei Hansestädte Stralsund und Greifswald (bilden das gemeinsame Oberzentrum) zugeordnet. Vergleicht man die Planungsregion Vorpommern mit der geographisch festgelegten Region Vorpommern, so fällt auf, dass Teile des Landkreises Demmin, die geografisch zur Region Vorpommern gehören, in der Planungsregion fehlen.

278

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Darst. 3: Die Planungsregion Vorpommern

Quelle: Amt für Raumordnung und Landesplanung Vorpommern

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

279

Für das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern werden die Ziele sowie Grundsätze der räumlichen Entwicklung und die Rahmenbedingungen für Initiativen von Regionalakteuren im Landesraumentwicklungsprogramm (ehemals als Landesraumordnungsprogramm bezeichnet) rechtsverbindlich festgehalten. Für die einzelnen Planungsregionen erfolgt dies in durch die Regionalen Raumentwicklungsprogramme (RREP – ehemals als Regionale Raumordnungsprogramme bezeichnet). Regionale Entwicklungskonzepte (REK) untersetzen diese Ziele inhaltlich und tragen mit konkreten Projekten zur Zielverwirklichung bei. Betrachtet man die Planungsregion Vorpommern, so ist das REK von 2002 eine Momentaufnahme und soll im Kern dazu dienen, folgende Fragen zu beantworten: ÿ Mit welchem Profil, mit welchen Stärken kann sich Vorpommern in 15 oder 20 Jahren im Ostseeraum positionieren? ÿ Welche vorhandenen Entwicklungsansätze und Wirtschaftszweige haben ein besonderes Potenzial? ÿ Welche Ansätze und Wirtschaftszweige hätten ein Potenzial, sind derzeit jedoch nicht vorhanden?275 Für die Region Vorpommern existiert seit 2001 ein Leitbild, welches in auf der Mitgliederversammlung des Regionalen Planungsverbandes am 18. April 2001 beschlossen wurde. Das Leitbild wird in drei Punkten unterteilt, wobei Punkt 1 das Selbstverständnis und Punkt 2 die Handlungsfelder beschreibt. In Punkt 3 werden Handlungsziele und Maßnahmen formuliert, die die Leitbilddefinition untersetzen. Dabei werden folgende Entwicklungsstrategien einzelner Themenbereiche benannt: ÿ „Der Tourismus wird als wirtschaftlicher Schwerpunkt für die Region benannt. Es wird eine qualitative Entwicklung und eine Ergänzung durch ganzjährig nutzbare Angebote angestrebt. ÿ Das Potenzial der naturnahen und dünn besiedelten Landschaft soll für die Profilierung im Bereich umweltverträglicher Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft und bei der Erzeugung regenerativer Energien genutzt werden. ÿ Zur Sicherung der naturräumlichen Qualität sollen Gewerbestandorte um die vorhandenen Wirtschaftszentren konzentriert werden. ÿ Für die Entwicklung und Innovation im Bereich Bildung, Forschung und Hochschultechnologie sollen insbesondere die Potenziale der Universität und der Fachhochschule genutzt und weiter ausgebaut werden. 275 Vgl. Regionaler Planungsverband Vorpommern (Hrsg.): Regionales Entwicklungskonzept Vorpommern, Berlin 2002, S. 1-2.

280

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

ÿ Ein vielfältiges Kulturangebot ist u.a. als Grundlage für eine geistigkreative Atmosphäre, das regionale Selbstbewusstsein und die Weltoffenheit der Menschen zu fördern. ÿ Tourismus und Brückenfunktion, insbesondere in Hinblick auf die Erschließung ostdeutscher Märkte, erfordern einen Ausbau der überregionalen Verkehrsinfrastruktur und einer modernen Medieninfrastruktur. ÿ Umweltfreundliche und energieeffektive Verkehrslösungen sind zur Wahrung der natürlichen Grundlagen zu bevorzugen. ÿ Durch Binnenmarketing ist auf bürgernahe, effiziente, sachkompetente und entwicklungsorientierte Arbeit der Verwaltung hinzuwirken. ÿ Die regionale Identität soll mit Hilfe der Medien, durch übergreifende Werbeauftritte und durch die Entwicklung zusammenfassender Medienplattformen gestärkt werden.“276 Wie den Strategien zu entnehmen ist, liegt der Schwerpunkt der Raumentwicklung beim Wirtschaftszweig Tourismus (mit allen wertschöpfungsnahen Bereichen).

8.3

Projekte

Angesichts der starken touristischen Ausprägung Vorpommerns mit den Tourismushochburgen Rügen, Fischland-Darß-Zingst, Usedom, Stralsund und Greifswald spielen vor allem Tourismusvorhaben eine große Rolle. Unter anderem sind dies Projekte wie Golfplätze, Hotel- bzw. Ferienhausanlagen und Sportboothäfen. Großprojekte der Wirtschaft müssen hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den bestehenden Raumordnungszielen und -grundsätzen geprüft werden. In der Regel durchlaufen diese Projektideen ein Raumordnungsverfahren. Die Definition eines Großprojektes (sog. besonders raumbedeutsame Vorhaben) richtet sich nicht nur nach quantitativen Aspekten, sondern auch nach qualitativen. Ob es sich um ein raumbedeutsames Vorhaben handelt und ob ein Raumordnungsverfahren eingeleitet wird, entscheidet die oberste Landesplanungsbehörde gemäß des § 15 Abs. 3 Landesplanungsgesetz M-V.

8.4

Das Raumordnungsverfahren

Wie der Darstellung 4 zu entnehmen ist, handelt es sich bei dem Raumordnungsverfahren um ein komplexes und mehrstufiges Prüfungs- und Koordi276 Vgl. Regionaler Planungsverband Vorpommern (Hrsg.): Regionales Entwicklungskonzept Vorpommern, Berlin 2002, S. 39-40.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

281

nierungsverfahren. Das Raumordnungsverfahren gliedert sich in drei zentrale Phasen, die im Folgenden kurz beschrieben werden. Darst. 4: Ablaufschema eines Raumordnungsverfahrens

Quelle: Eigene Darstellung.

282 8.4.1

Kapitel IV: Praktikerbeiträge Phase 1: Die Vorbereitung

Die Vorbereitungsphase ist für den Vorhabensträger die aufwendigste. Hierbei gilt es das Projekt näher zu beschreiben und zu konkretisieren. Ein Hauptaugenmerk in der Vorbereitungsphase liegt auf den Untersuchungen zur Umweltverträglichkeit. Große Projekte haben i.d.R. große Auswirkungen auf die Umwelt und diese müssen untersucht sowie dokumentiert werden. Dies erfolgt in einer Umweltverträglichkeitsstudie (UVS). Gerade in der Region Vorpommern, die eine großartige Naturausstattung hat, ist es unabdingbar geltende deutsche und europäische Richtlinien zu berücksichtigen. Besonders hervorzuheben sind die FFH- (Flora-, Fauna- und Habitat-) und die Vogelschutzrichtlinie der EU. Die europäischen Länder haben sich dazu verpflichtet, FFH-Flächen und Vogelschutzflächen zu melden bzw. auszuweisen. Liegen darüber hinaus erhebliche Artenschutzkonflikte vor, so sind die Vorhaben grundsätzlich unzulässig, es sein denn, dass anerkannte Vorsorgenmaßnahmen möglich sind oder das Projekt in Teilen geändert werden kann. Wie umfangreich und aufwendig die Erstellung einer Umweltverträglichkeitsstudie ist, zeigt die folgende exemplarische Auflistung von Hauptgliederungspunkten einer ca. 200-Seiten starken Studie (18-Loch Golfplatz in Ranzow auf der Insel Rügen): ÿ Aufgabenstellung und Rahmenbedingungen der UVS - Anlass, Aufgabenstellung und rechtliche Grundlagen - Charakteristik des Untersuchungsraumes - Beschreibung des Vorhabens - Ermittlung der umwelterheblichen Wirkungen des Vorhabens - Abgrenzung des Untersuchungsraumes - Methodisches Vorgehen in der UVS ÿ Bestand, Bewertung und Auswirkungen auf die Schutzgüter unter Berücksichtigung der Möglichkeiten der Eingriffvermeidung, -minderung sowie der Kompensation - Boden/Relief - Wasser - Klima und Luftgüte - Pflanzen und Tiere sowie biologische Vielfalt - Landschaft/Landschafts- und Ortsbild - Mensch (Wohnen und Erholen)

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

283

- Kultur- und Sachgüter - Ökosystemare Wechselwirkungen ÿ Auswirkungen auf Schutzgebiete und -objekte / Bezug zu übergeordneten Planungen - Internationale Schutzgebiete/-objekte - Nationale Schutzgebiete/-objekte - Übergeordnete Planungen ÿ Entwicklungsprognose des Umweltzustandes ohne und mit der Verwirklichung des Vorhabens (Variantenvergleich) ÿ Verbleibende wesentliche Auswirkungen des Vorhabens - Zusammenfassende Darstellung der entscheidungsrelevanten Auswirkungen des Vorhabens - Zusammenfassende Hinweise zur Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ÿ Hinweise auf Probleme und Defizite ÿ Anlagen Sind die für die Durchführung des Raumordnungsverfahrens erforderlichen Unterlagen vollständig, wird das Raumordnungsverfahren eingeleitet. Jedem Vorhabenträger muss jedoch bewusst sein, dass die teilweise enormen Gesamtkosten für diese Vorbereitungsphase von ihm selbst zu tragen sind . 8.4.2

Phase 2: Durchführungsphase

Die zweite Phase beinhaltet das behördliche Ablaufverfahren. Hierbei werden alle relevanten Betroffenen (z. B. Behörden, Kommunen, Verbände) durch die zuständige Landesbehörde über das Vorhaben unterrichtet und es erfolgt gleichzeitig die Versendung der Verfahrensunterlagen. Danach haben alle Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, innerhalb von ca. 6 Wochen zu dem Vorhaben Stellung zu nehmen. Durch öffentliche Auslegung der Verfahrensunterlagen in den betroffenen Gemeinden für mindestens 1 Monat erfolgt eine Einbeziehung der Öffentlichkeit. Die Verfahrensbeteiligten sowie die Öffentlichkeit erhalten somit die Gelegenheit, ihre Bedenken, Hinweise und Anregungen zu äußern. Der Planungsträger kann danach soweit erforderlich, die vorgebrachten Einwendungen bzw. Anregungen im Rahmen einer Erörterungsberatung erwidern.

284

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Im nächsten Schritt erfolgt die landesplanerische Beurteilung durch die Landesplanungsbehörde. Um eine qualifizierte Beurteilung vornehmen zu können, werden vier mögliche Informationsquellen genutzt: 9. Verfahrensunterlagen mit den Umweltauswirkungen an sich 10. Stellungnahmen der Beteiligten 11. Äußerungen aus der Öffentlichkeit (Jedermann, Bürger, Interessenverbände etc.) 12. Gesetzliche raumordnerische Grundlage ÿ Raumordnerische Rechtsverordnungen - Landesraumentwicklungsprogramm (LEP) - Regionales Raumentwicklungsprogramm (RREP)

8.4.3

Phase 3: Die landesplanerische Beurteilung

In Phase 3 erstellt die Landesplanungsbehörde einen Bericht zur Beurteilung des Vorhabens. Dabei gibt es drei mögliche Beurteilungsergebnisse: ÿ Das Vorhaben ist ohne Einschränkungen umsetzbar (Vorhaben = raumverträglich). ÿ Das Vorhaben ist raumverträglich, aber es sind Einschränkungen oder Änderungen des Vorhabens erforderlich (Maßgaben). ÿ Das Vorhaben ist mit den Erfordernissen der Raumordnung unvereinbar und kann den Erfordernissen nicht angepasst werden (Vorhaben = undurchführbar). Bei Projekten kann es zu negativen Beurteilungen kommen, wenn durch das Vorhaben ein unvertretbarer und rechtswidriger Eingriff in Natur- und Landschaftsschutzbestandteile erfolgen würde. Gerade in Vorpommern gibt es viele ausgedehnte Schutzgebiete. Daher sind die Unverträglichkeit mit sensiblen Nachbarnutzungen (z.B. Feriensiedlungen, reine Wohngebiete), Eingriffe in den Wasserhaushalt von Trinkwasserschutzgebiete, Veränderungen von Küstenschutzbauwerken (Deiche etc.), Beunruhigung von Erholungslandschaften und großräumige Zerschneidungswirkungen durch Infrastrukturprojekte (z.B. Golfanlagen in Wildrevieren) Ursachen für mögliche negative Beurteilungen. Deshalb muss sich jeder Vorhabensträger der Konsequenzen eines Raumordnungsverfahrens bewusst sein und auch nach langwieriger, kostenintensiver Verfahrensdauer ein negatives Ergebnis in Betracht ziehen.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

8.5

285

Das Raumordnungsverfahren im Urteil der Projektträger

Inwieweit Raumordnungsverfahren nicht nur behördliche Abläufe, sondern auch Dienstleistungsverfahren für Projektträger sind, lässt sich am besten anhand von Aussagen betroffener Vorhabensträger beurteilen. Vor diesem Hintergrund führten auf Anregung des Autors dieses Beitrags die Herausgeber des Werkes Interviews mit ausgewählten Vorhabensträgern durch. In diesen Interviews gab es freie Stellungnahmen zu folgenden fünf Schwerpunktfragen: ÿ Welche Gründe gibt es für die Standortwahl Ihres Projektes in Vorpommern? ÿ Wie war der Weg von der Idee bis hin zum Start der Umsetzung gekennzeichnet (Zeit, Hilfestellung, Widerstände)? ÿ Welche Vor- und Nachteile sehen Sie im Raumordnungsverfahren? ÿ Wie beurteilen Sie die regionale Raumplanung und die Behörde „Amt für Raumordnung und Landesplanung Vorpommern“? ÿ Welche Ratschläge können Sie zukünftigen Vorhabenträger geben? Bei der Standortwahl war bei allen Investoren die große Sympathie zur Region ausschlaggebend. Die sachlichen Gründe lagen vor allem in dem riesigen touristischem Potenzial der Region begünstigte durch die attraktive Lage in schöner Landschaft sowie Geschichte und der guten Infrastruktur sowie geographischen Nähe in Hinblick auf die skandinavischen Länder. Vorrangig für Rügens Golfplätze sehen die Befragten eine hohe Anziehungskraft für kaufkräftige Touristen. Für eine nachhaltige Regionalentwicklung sind wertschöpfungsreiche Wirtschaftszweige wichtig. Obwohl das Raumordnungsverfahren als recht zeit- und arbeitsintensiv betrachtet wird, sind es zumeist nicht raumplanerische Einflüsse bzw. Umstände, die die Projektumsetzung massiv verzögern. Lange Vorlaufzeiten zur Klärung von Grundstücksfragen oder Probleme der Altlastenbeseitigung wurden als wesentliche Verzögerungsgründe genannt. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Raumordnungsverfahren empfanden alle Befragten die Betreuung und Dienstleistung der Mitarbeiter im Amt für Raumordnung und Landesplanung Vorpommern sowie anderen öffentlichen Einrichtungen als sehr hilfreich. Allerdings gibt es in der Entscheidungskette von der Gemeinde bis hin zur Landesbehörde Institutionen und Personen, die durch konträre Positionen Widerstände erzeugen. Zwar sind die rechtlichen Eingrenzungen durch Bestimmungen und Richtlinien äußerst umfangreich, aber der Schutz der Natur und Umwelt wird von allen befragten Projektträgern als sinnvoll und notwendig eingestuft. Die Struktur des Raumordnungsverfahrens und die Begleitung durch die gut qualifizierten Mitarbeiter des Amtes für Raumordnung und Landesplanung Vor-

286

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

pommern haben nach Ansicht der Befragten ein sehr hohes Niveau. Dadurch, dass das Verfahren viele Fachgebiete tangiert und ein guter Kommunikationsfluss zwischen Amt und Projektträger vorherrscht, wird ein hoher Lerneffekt für weitere Genehmigungsverfahren erreicht. Als weiteren Vorteil sieht man die hohe Planungssicherheit durch die „gute Schulung“ und damit verbundene eventuelle Kostenminimierungen. Als Nachteil wird die zum Teil überzogene und von Eigeninteressen geprägte Einrede der Öffentlichkeit benannt. Die regionale Raumplanung und das Amt für Raumordnung und Landesplanung Vorpommern werden durchweg positiv beurteilt. Besonders der hohe Qualifikationsstand wird positiv herausgestellt. Die begleitenden Personen im Amt werden als nicht befangen bzw. neutral handelnd eingeschätzt. Für jeden potenziellen Vorhabensträger wurden folgende wichtige Tipps mit auf den Weg gegeben: ÿ Ideen nicht blauäugig verfolgen. ÿ Vom Start weg gute Strukturen erarbeiten. ÿ Ein gutes Konzept ausarbeiten und dabei alle relevanten Aspekte berücksichtigen. ÿ Die richtige Reihenfolge der Verfahrensschritte einhalten. ÿ Die wirtschaftliche Orientierung des Vorhabens nicht aus den Augen verlieren. ÿ Experten in den Prozess mit einbeziehen. ÿ DURCHHALTEVERMÖGEN beweisen.

287

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

9.

Bedeutung, Organisation und Aufgaben einer Wirtschaftsförderung am Beispiel der Region Heilbronn-Franken

Steffen Schoch: Geschäftsführer der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH

Stallwächterparty in Berlin

Vor mehr als 10 Jahren, am 30. Juli 1998, wurde die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) gegründet. Sie steht für die Schaffung von Netzwerken zwischen Wirtschaft, Kommunen und der Politik in der Region Heilbronn-Franken und ist der Hüter und Promoter der Marke „HeilbronnFranken“. Die WHF hat sich bis heute einen hervorragenden Ruf erarbeitet, in der Region ihre Wirkungsfelder gefunden und sich national und international Anerkennung und Gehör verschafft. In der Region Heilbronn-Franken existiert seit jeher eine intensive Zusammenarbeit aller wichtigen Entscheidungsträger. Bereits 1975 wurde hierfür der „Arbeitskreis Wirtschaftsförderung“ gegründet. Mit der laut Vertrag vom 30. Juli 1998 ins Leben gerufenen Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) wurde diese Kooperation in institutionalisierter Form fortgesetzt.

288

9.1

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Gründe und Ziele für ein regionales Marketing

In der letzten Jahren ist die Mobilität der Menschen steigt gestiegen. Die Informationsräume vergrößerten sich und ein internationaler Standortwettbewerb hat die Regionen unterhalb der national-staatlichen Ebene stärker zueinander in Wettbewerb treten lassen. Angesichts der demografischen Entwicklung kommt die „Konkurrenz um Steuerzahler und Fachkräfte“ noch hinzu und die Profilierung einer Region als Lebensstandort wird zunehmend bedeutungsvoller. Die Ziele für ein regionales Marketing sind deshalb, das Bewusstsein für die starken Branchen in einer Region zu schaffen, Stärkefelder auszubauen, die Wettbewerbsstärke und Innovationskraft der Unternehmen in der Region zu fördern und zu stärken (v.a. bei den KMU´s) und durch Kooperationen in Netzwerken und Clustern die Innovationsfähig insgesamt zu unterstützen. Der Wettbewerb der Regionen zwingt also zur Positionierung und ergo kann die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit einer Region nur durch Kooperation und Zusammenarbeit gesteigert werden. Der Bekanntheitsgrad von Regionen kann durch den Aufbau einer Dachmarke gestärkt werden, wobei dazu ein von allen Akteuren gemeinsam entwickeltes Szenario und Leitbild sinnvoll erscheint. Ein einheitlicher, unverwechselbarer Auftritt schafft Orientierung und Profil und das grundsätzliche Interesse sich mit den Angeboten einer Region zu beschäftigen. Die Marke „Region“ muss Treiber für gemeinsames Handeln sein, wobei sich die Identität der Region und die Bereitschaft, Erfolge unter der Marke der Region gemeinsam zu vermarkten, in allen Bereichen (Industrie, Bildung, Forschung, Verwaltung etc.) wiederfinden müssen.

9.2

Herausforderung Heilbronn-Franken

In der Region Heilbronn-Franken geht es darum, vier Landkreise (Heilbronn, Hohenlohe, Main-Tauber, Schwäbisch Hall), das Oberzentrum Heilbronn, die IHK Heilbronn-Franken und die Handwerkskammer Heilbronn-Franken sowie den Regionalverband Heilbronn-Franken unter einem Marketingdach zu vereinen. Unter diesem Dach besteht ein intensiver Wettbewerb mit den landkreisweiten Wirtschaftsförderungsgesellschaften und Tourismusorganisationen, welche landschafts- und kreisbezogene Eigeninteressen verfolgen (müssen). Die Region Heilbronn-Franken selbst ist ein geopolitisches Gebilde, also kein historisch gewachsene Einheit. Dazu kommt, dass in der Region Heilbronn-Franken badische und württembergische Landesteile zusammen treffen, was auch gut 60 Jahre nach der Gründung des Bundeslandes BadenWürttemberg immer noch Diskussionen aufwirft.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

289

Schließlich ist die personelle und finanzielle Situation in der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) - mit nur zwei festen Mitarbeitern und einem Budget von jährlich 420.000 € für alle operativen Maßnahmen, Verwaltungs- und Personalkosten - ein vorgegebener Handlungsrahmen, der mit viel Kreativität und Engagement handelnder Akteure zur Aufgabenerfüllung ausreichen muss.

9.3

Dach und Stimme für die Region Heilbronn-Franken

Die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) ist eine gemeinsame Initiative der IHK Heilbronn-Franken, der Stadt Heilbronn, der Landkreise Heilbronn, Hohenlohe, Main-Tauber und Schwäbisch Hall, des Regionalverbands und der Handwerkskammer Heilbronn-Franken. Getragen von ihren Gesellschaftern schafft die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) ein Dach für vielfältige regionale Aktivitäten und setzt sich vor dem Hintergrund eines ständig sich verschärfenden weltweiten Standortwettbewerbs mit einer Stimme für die Entwicklung der Region Heilbronn-Franken ein. „Aufgabe der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) ist es, Standortmarketing zu betreiben und die Infrastruktur zu fördern. In enger Zusammenarbeit mit den örtlichen und überörtlichen Einrichtungen der Wirtschaftsförderung tritt sie für die Belange der Region ein. Dabei wird sie versuchen, Impulse zur Bündelung der vielschichtigen Aktivitäten zu geben.“, so die Definition im Gesellschaftsvertrag der Wirtschaftsregion HeilbronnFranken GmbH vom 30. Juli 1998.

9.4

Gemeinsames Handeln für zukünftigen Erfolg

Die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) wird durch drei Organe repräsentiert: ÿ die Gesellschafterversammlung ÿ den Gesamtbeirat ÿ den Fachbeirat. Das oberste Organ ist die Gesellschafterversammlung. Regelmäßig tauschen sich der Oberbürgermeister des Oberzentrums, die Präsidenten und Hauptgeschäftsführer von IHK und Handwerkskammer, die Landräte und der Verbandsdirektor des Regionalverbandes zu regionalpolitischen Zukunftsthemen aus. Die inhaltliche Ausrichtung wird vom Fachbeirat begleitet. In den Fachbeirat entsendet jeder Gesellschafter eine sachkundige Person, welche die Ge-

290

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

schäftsführung in der Auswahl und Gestaltung ihrer Maßnahmen berät sowie Anregungen und Empfehlungen gibt. Bei Fachthemen werden Spezialisten hinzugezogen. Zu den Mitgliedern des Gesamtbeirats zählen Vertreter von Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Verbänden, Gewerkschaften und Kirchen, Vertreter der Kommunen und der Agenturen für Arbeit, welche die Arbeit reflektieren und auf eine breite Basis stellen.

9.5

Unternehmen und Fachkräfte für die Chancen der Region sensibilisieren

Die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) steigert durch nationales und internationales Standortmarketing den Bekanntheitsgrad der Region Heilbronn-Franken. Dadurch wird bei Unternehmen und Fachkräften Begeisterung für die Wachstumsregion Nr. 1 in Baden-Württemberg geweckt. Ziel ist es, innovatives und nachhaltiges Wachstum voranzutreiben, vorhandene Arbeitsplätze zu sichern und durch Ansiedlung und Erweiterung von Unternehmen neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. Die WHF ist die „Marketingabteilung“ der Region Heilbronn-Franken. Sie ist Hüter der Marke „Heilbronn-Franken“, unter der sich immer mehr Menschen, Institutionen und vor allem Bürger wiederfinden. Während die Bürgerinitiative pro Region Heilbronn-Franken nach innen wirkt, so sind die WHF für das Außenbild der Region und der Regionalverband Heilbronn-Franken für die zukunftsgerichtete Raumplanung der Region verantwortlich. Und aus diesen Einrichtungen zusammen ist inzwischen eine starke Allianz geworden, welche Heilbronn-Franken als attraktiven Lebensund Arbeitsort darstellen und eine solide Basis für die zukünftige erfolgreiche Entwicklung der Region schaffen. Durch die Bündelung der regionalen Kräfte, den Aufbau und die Pflege von Netzwerken und durch die Vernetzung der Wirtschaftsförderung hat die Region die Chance, sich im zunehmenden internationalen Standortwettbewerb zu behaupten und Unternehmen wie auch Fachkräften mit ihren Familien eine zukunftsfähige, sichere Heimat zu bieten.

9.6

Selbstbewusster Dialog mit der Öffentlichkeit

Im Dialog mit Unternehmern, Investoren und Politikern sowie mit Studenten und Hochschullehrern wie auch mit den Bürgern der Region werden in enger Kooperation mit den Gesellschaftern, der Bürgerinitiative pro Region Heilbronn-Franken e.V. und den die Wirtschaft fördernden Institutionen Maß-

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

291

nahmen konzipiert, um einen selbstbewussten und zielgruppengenauen Dialog zu führen. Mit der Veranstaltungsreihe StandortFocus: Heilbronn-Franken zeigte die Region Flagge in Mailand (Italien), Linz und Böheimkirchen (Österreich), Erstein (Frankreich), Arlesheim (Schweiz) und s´Hertogenbosch (Niederlande). Sie präsentierte sich vor Unternehmern sowie Vertretern von Wissenschaft und Politik und ist damit in allen Industrieregionen Europas vor Ort, um auf sich aufmerksam zu machen und Partnerschaften mit vergleichbaren Regionen zu bilden. Kooperationen, Netzwerke und persönliche Regionalkontakte bestehen auch nach Asien, Afrika und Amerika. Davon können die Unternehmen der Region Heilbronn-Franken bei ihrer Internationalisierung profitieren. Eine zweite Veranstaltungsreihe – der StandortDialog: Heilbronn-Franken – hat das Ziel, die dynamische Region Heilbronn-Franken auch weiterhin auf Wachstumskurs zu halten und den Austausch aktueller Standortinformationen in der Region zu erleichtern. Der StandortDialog: Heilbronn-Franken beleuchtet Prozesse der Unternehmensansiedlung und macht die Rolle und das Zusammenspiel der regionalen Akteure mit richtungweisenden Themen und Referenten bewusst. Auf Initiative der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) hat die heilbronn business school (hbs) eine Pilotstudie mit Weltmarktführen aus der Region Heilbronn-Franken realisiert. Ziel der Studie ist es, die Innovationskraft der Unternehmen in der Region greifbar zu machen, diese als Instrument des Standortmarketings einzusetzen und Handlungsempfehlungen für andere Unternehmen der Region zu geben. Dadurch soll die Region insgesamt wettbewerbsfähiger werden. Das InnovationsForum: Heilbronn-Franken wird die Studienergebnisse begleitend und zeitnah mit verschiedenen Instrumenten kommunizieren und in die Region hineintragen.

9.7

Herausragendes

Höhepunkte in der 10-jährigen Geschichte der Wirtschaftsregion HeilbronnFranken GmbH (WHF) sind aber sicherlich die von ihr organisierten und bis heute weit über die Regionsgrenzen hinaus wirkenden Regionalpräsentationen in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund in Berlin (Stallwächterparty 2001 und 2008) und in Brüssel (2000 und 2005) und im Stuttgarter Landtag (Herbst in der Region 2003) mit jeweils vielen hundert Gästen aus Politik, Wirtschaft, Medien, Wissenschaft und Kultur. Unübertroffen ist das Projekt WM-Drehscheibe Süd, das zur FußballWeltmeisterschaft 2006 in Deutschland mit Fandörfern in Heilbronn, Ilshofen und Tauberbischofsheim über 250.000 ausländischen Gästen und den Bürgern

292

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

der Region ein WM-Erlebnis der Extraklasse bot und zur Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz eine Neuauflage erfährt. Darüber hinaus betreibt die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) eine in Deutschland und Europa einzigartige regionale Akademikerjobbörse regiojobs24.de. Ziel ist es, die offenen Akademikerstellen in den weltweit erfolgreichen Unternehmen der Region Heilbronn-Franken überregional bekannt zu machen. Monat für Monat greifen über 40.000 Interessierte auf die rund 1.500 Stellen zu. Angebote von Exkursionen, die Vermittlung von Diplomarbeiten und die Pflege eines Netzwerks zu Hochschulen und Professoren unterstützen den Erfolg. Was anfangs unter dem Vorzeichen hoher Arbeitslosigkeit kritisch beäugt wurde, zählt heute zu den wichtigsten Themen der Region überhaupt. Ein moderner Internetauftritt, ansprechende und innovative Medien über die Region Heilbronn-Franken – vor allem zur Information und Ansprache potenzieller Investoren – runden das Serviceangebot ab.

9.8

Fazit

Die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF) wurde durch einen dynamischen Strukturwandel vor immer neue Herausforderungen gestellt. Durch die umfangreichen und erfolgreichen Aktivitäten und Maßnahmen der WHF hat die Region Heilbronn-Franken ihren Bekanntheitsgrad und damit den der Unternehmen in Baden-Württemberg, Deutschland und auch in relevanten europäischen Regionen nachhaltig und nachweislich verbessert. Vor dem Hintergrund des stetig sich verschärfenden internationalen Standortwettbewerbs wird sich die WHF weiterhin national und international noch stärker und mit hörbarer Stimme zu Wort melden müssen. Im Kern werden dabei vor allem EU-Fördermöglichkeiten, die Bekanntmachung der Region auf europäischer Ebene und die damit verbundene Intensivierung des Standortmarketing stehen müssen um den Zuzug von qualifizierten Fachkräften effektvoll zu fördern. Insgesamt bleibt festzuhalten: Regionale Wirtschaftsförderung ist dann erfolgreich, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, auch die lokalen Akteure über den Tellerrand der eigenen Gemarkungsgrenze blicken und mit Verständnis für regionale Anliegen einen offenen konstruktiven Dialog führen.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

10.

293

Branchen- und Regionalanalysen – Ein Instrument zur Entscheidungsunterstützung regionaler Akteure

Tobias Koch: Prognos AG Vor dem Hintergrund globaler Wirtschaftsbeziehungen, kurzer Innovationszyklen und eines gestiegenen Standortwettbewerbs nimmt der Informationsbedarf für Entscheidungsträger in Wirtschaft, Politik und Verwaltung stetig zu. Neue technologische und wirtschaftliche Trends, die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen sind maßgeblich entscheidend für den Strukturwandel, der sich zwischen Wachstumsbranchen einerseits und etablierten Branchen in Schrumpfungsphasen andererseits verdeutlicht. Während bundesweite und internationale Informationen zu aktuellen Trends und Entwicklungen zeitnah verfügbar sind, bleiben spezifische Informationen für einzelne Regionen hinsichtlich Umfang, Qualität und Aktualität deutlich zurück. Regionale wirtschaftsstrukturelle Besonderheiten und strukturpolitische Probleme und Herausforderungen machen es jedoch erforderlich, dass sich regionale Akteure mit den spezifischen Rahmenbedingungen und aktuellen Entwicklungen ihrer Region auseinandersetzen. Ein hoher Informationsbedarf regionaler Akteure besteht insbesondere in Phasen, in denen strategische Entscheidungen zu treffen sind. Großinvestitionen, Unternehmensverlagerungen oder strukturelle Krisen erfordern eine fundierte Bestandsanalyse der regionalen Rahmenbedingungen und der Ableitung spezifischer Entwicklungschancen. Neutrale Analysen können entscheidend dazu beitragen, Fehlentwicklungen und Risiken zu vermeiden und die Wirkung und Effizienz geplanter Vorhaben und Maßnahmen zu verbessern. Eine zentrale Entscheidungsgrundlage bilden hierfür Regional- und Branchenanalysen.

10.1

Regionalanalyse als Grundlage zur ökonomischen Standortbestimmung

Regionalanalysen haben das Ziel, die spezifischen Stärken, Schwächen und Handlungsbedarfe eines Standortes oder einer Region zu bestimmen. Sie bilden damit eine wichtige Grundlage, um den Entwicklungsstand und die Wettbewerbsfähigkeit einer Region zu ermitteln und konkrete Handlungsempfehlungen für die strategische Weiterentwicklung der Region zu erarbeiten. Regionalanalysen basieren allgemein auf einem empirisch-deskriptiven Ansatz und stützen sich auf den Vergleich sekundärstatistischer Indikatoren. Mittels eines Vergleichs ausgewählter sozioökonomischer Regionaldaten mit entsprechenden Referenzgrößen, können datengestützte Niveau- und Entwick-

294

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

lungsunterschiede identifiziert werden. Als Referenzgrößen können Nachbarregionen, leistungsstarke Benchmark-Regionen, strukturell vergleichbare Regionen (u.a. nach siedlungsstrukturellen Raumtypen der BBR (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung) oder übergeordnete Referenzgrößen (EU, Bund, Länder, Raumordnungs- bzw. Arbeitsmarktregionen) herangezogen werden. Die Einbeziehung mehrerer Vergleichs- und Untersuchungsregionen in der Analyse ermöglicht die Ableitung von Regionalprofilen und die Klassifizierung von Regionstypen mit ähnlichen strukturellen Ausgangs- und Problembedingungen. Wesentliche Quelle sozioökonomischer Daten bildet die amtliche Statistik des Bundes und der Länder, die sich um Daten privater Marktforscher sowie um primärstatistische Erhebungen ergänzen lassen. Regionalanalysen umfassen allgemein ein breites sozioökonomisches Indikatorenset mit den Themenbereichen Demografie, Wirtschaftsstruktur, Innovation, Bildung, Arbeitsmarkt, Wohlstand, Umwelt und Infrastruktur. Aufgrund der Breite und Vielzahl der möglichen Indikatoren ist eine fokussierte Vorgehensweise mit einer Reduzierung des Indikatorensets auf wenige aussagekräftige Kernindikatoren zielführend, die in kausalem Zusammenhang und widerspruchsfrei mit dem konkreten Untersuchungsauftrag in Verbindung stehen. Neben der Indikatorenauswahl und der sachgerechten Interpretation ist die Bestimmung geeigneter und vergleichbarer Untersuchungsräume von zentraler Bedeutung.

10.2

Orientierung bei Regionalanalysen durch den Prognos Zukunftsatlas 2007

Eine geeignete Grundlage für Standort- und Regionalanalysen bietet der Prognos Zukunftsatlas 2007.277 Dabei handelt es sich um die Aktualisierung der Gemeinschaftsuntersuchung von Handelsblatt und Prognos aus dem Jahr 2004. Anhand von 29 „Zukunftsindikatoren“ werden die Zukunftschancen und Risiken von 439 Kreisen und kreisfreien Städten bewertet. In den Gesamtindex gehen 11 Dynamik- und 18 Stärkeindikatoren aus den Themenbereichen Demografie, Wohlstand/Soziales, Arbeitsmarkt sowie Wettbewerb/Innovation ein. Deutschlands Regionen lassen sich anhand des Prognos Zukunftsatlas 2007 in acht bundesweite Zukunftsklassen einordnen, diese ermöglichen eine Standortbestimmung und unterstützen bei der Ableitung regionaler Stärken und Schwächen. Für Regionalanalysen kann das Indikatorenset des Prognos Zukunftsatlas 2007 Orientierung für die Reduzierung des Indikatorensets bieten. 277 Prognos AG (Hrsg.): Prognos Zukunftsatlas 2007 – Auf einen Blick, im Internet unter: http://www. prognos.com/fileadmin/pdf/Atlanten/Zukunftsatlas_07/Prognos_Zukunftsatlas_2007_Auf_einen_ Blick.pdf - Stand:12.08.2008.

295

Kapitel IV: Praktikerbeiträge Darst. 1: Die Indikatoren des Prognos Zukunftsatlas 2007

Dynamik Demografie Wohlstand / Soziales

Arbeitsmarkt

Wettbewerb / Innovation

Stärke

Bevölkerungsentwicklung Wanderungssaldo Junge Erwachsene

Fertilitätsrate Anteil Junge Erwachsene

Entwicklung der Sozialhilfequote

Kaufkraft Kriminalitätsrate Kommunale Verschuldung Sozialhilfequote

Entwicklung der Arbeitsplatzdichte Entwicklung der Arbeitslosenquote Entwicklung der Tertiärbeschäftigung Entwicklung Hochqualifizierte

Arbeitsplatzdichte Arbeitslosenquote Anteil Tertiärbeschäftigte Anteil Hochqualifizierte

BIP-Wachstum Entwicklung Gründungsintensität Entwicklung der 9 Wachstumsbranchen Entwicklung des FuE-Beschäftigtenanteils

BIP je Beschäftigten Gründungsintensität Beschäftigte in 14 Zukunftsbranchen FuE-Beschäftigten Investitionsquote der Industrie Patentintensität Anzahl Top 500-Unternehmen BAB-Anbindung

Quelle: Prognos Zukunftsatlas 2007

Als Ergebnis sollte eine Regionalanalyse Erkenntnisse und Bewertungen hinsichtlich der Stärken- und Schwächen der Region im direkten Vergleich mit relevanten Referenzgrößen liefern. Eine Regionalanalyse sollte über den rein deskriptiven Indikatorenvergleich hinausgehen und im Rahmen einer Synopse die Ergebnisse verdichten, Probleme darstellen, kausale Erklärungsansätze liefern sowie den konkreten Handlungsbedarf und Lösungsansätze aufzeigen. Für politische Entscheidungsträger der regionalen Ebene und regionale Akteure bilden Regionalanalysen eine wichtige Basis zur Vorbereitung strategischer Entscheidungen. Regionalanalysen finden maßgeblich Anwendung auf regionaler und überregionaler Ebene im Rahmen von strategischen Handlungskonzepten der Wirtschaftsförderung, der Bewertung und Vorbereitung öffentlicher Großinfrastrukturvorhaben (Hochschulbau, Flughafen-, Messe-, Hafenerweiterungen) sowie der Aufstellung von EU-Strukturfondsprogrammen. Entsprechend der Fragestellung und Zielsetzung der Regionalanalyse, gilt es spezifische Indikatoren besonders eingehend zu beleuchten (u.a. Arbeitsmarktentwicklung und Bedarf an Hochschulabsolventen) In Ergänzung

296

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

zu regionalen Prognosen (u.a. in den Bereichen Erwerbstätigkeit, Haushalte und Bevölkerung) lassen sich durch Regionalanalysen perspektivische Aussagen über den zukünftigen Wohn- und Gewerbeflächenbedarf einer Region sowie Kapazitäts- und Bedarfsabschätzung der zukünftigen öffentlichen Daseinsvorsorge treffen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und dem vorhandenen und drohenden Bevölkerungsrückgang in vielen Regionen, gewinnen solche regionalen Bedarfs- und Kapazitätsabschätzungen für eine Vielzahl regionaler Akteure in unterschiedlichen Bereichen an Bedeutung. Neben öffentlichen Bildungs- und Versorgungseinrichtungen spielen demografische Perspektiven auch für Unternehmen in vielen Branchen (Personenverkehr, Energie, Abfall, Einzelhandel) mit regionalem Absatz eine immer wichtigere Rolle. Auch für die betriebliche Standortplanung können Regionalanalysen wichtige Hinweise im Rahmen der Suche neuer Akquisitionsstandorte oder zur Überprüfung von Standortfaktoren an Bestandsstandorten bieten. Abschätzungen zur zukünftigen Erwerbstätigkeit in der Region zeigen der Wirtschaft frühzeitig drohende Konsequenzen bei mittel- bis langfristigen Gewinnung von Fachkräften in einer Region.

10.3

Branchenanalysen zeigen Ursachen regionaler Entwicklungsprozesse auf

Im Unterschied zu dem bereits beschriebenen Instrument der Regionalanalyse rücken Branchenanalysen die sektorale Wirtschaftsstruktur einer Region in den Mittelpunkt und zeigen aktuelle und zukünftige Entwicklungen auf.278 Aufgrund der enormen sektoralen Wachstumsunterschiede ist es für Regionen von entscheidender Bedeutung zu wissen, welchen Branchen die ansässigen Betriebe angehören. Regionen werden heute entscheidend durch sektorale Wachstumsunterschiede in ihren Entwicklungen geprägt; der wirtschaftliche Strukturwandel ist somit ebenfalls auf regionaler Maßstabsebene wirksam. Branchenanalysen liefern Kenntnisse zur wirtschaftlichen Spezialisierung und Profilbildung von Wirtschaftsstandorten. Indem Vergleichsrechnungen von Umsatz-, Beschäftigten-, Innovations- und Unternehmensdaten angestellt werden, lassen sich Lokalisations- und Spezialisierungsgrade der Region in (Sub-) Branchen bestimmen. In Ergänzung zu qualitativen Bewertungen und Analysen ist auf diesem Weg das regionale Profil der spezifischen Produkte, Dienstleistungen und zusammenhängenden Wertschöpfungsverflechtungen identifizierbar. Für die Sicherung und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ist es besonders wichtig, regionale Alleinstellungsmerkmale in zentralen Branchen 278 Branchenstrukturanalyse nach Porter vgl. Simon, Herrmann: Das große Handbuch der Strategiekonzepte. Array 2000, im Internet unter: http://www.onpulson.de/management/wissen/branchenstrukturanalyse-porter.htm – Stand: 12.08.2008.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

297

herauszuarbeiten und weiterzuentwickeln. Im globalen Standortwettbewerb lassen sich dadurch gegenüber Konkurrenzstandorten zentrale Wettbewerbsvorteile sichern. Indizien für besondere sektorale Alleinstellungsmerkmale geben Unternehmen, die als Weltmarktführer zu den so genannten HiddenChampions gehören.279 Dabei handelt es sich um Anbieter, die in sehr spezifischen Marktsegmenten und Marktnischen über eine globale Ausstrahlung verfügen, eine breite Kundenbasis ansprechen und damit in besonders hohem Maß in den internationalen Austausch eingebunden sind. Viele der sog. Hidden-Champions haben ihre Unternehmensstandorte in ländlichen Regionen (u.a. in Baden-Württemberg, NRW, Hessen und Bayern) mit ausgeprägter mittelständischer Betriebsstruktur, die bei entsprechender Konzentration und Größe positiven Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Region ausüben.280 Im Sinne der Export-Basis-Theorie sind für den wirtschaftlichen Erfolg von Regionen maßgeblich Branchen mit hohem überregionalem Absatz von Bedeutung, da diese Branchen zusätzliche Wertschöpfung und Einkommen für die Region erwirtschaften und einen maßgeblichen Anteil für die Wettbewerbsfähigkeit der Region beisteuern.281 Generell ist festzuhalten, dass der Bedarf für fundierte Branchen- und Regionalanalysen im Rahmen der allgemein gestiegenen Vergabe öffentlicher Fördermittel über Wettbewerbsverfahren des Bundes und der Länder zunimmt. Für den Zuschlag von Förderanträgen aus Hochschul-, Strukturfonds- oder Wirtschaftsförderprogrammen müssen Antragsteller ihre Forderungen durch Anträge mit Nachweisen und innovativen Konzepte auf Basis fundierter Analysen unterstreichen.

10.4

Hohe Bedeutung von Leit- und Wachstumsbranchen für Regionen

So genannte Leit- und Wachstumsbranchen haben eine zentrale Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung von Regionen. Unter Leitbranchen sind Branchen zu verstehen, die im Landes- oder Bundesvergleich eine überdurchschnittliche Spezialisierung verfügen. Die Leitbranchen sind in regionaler Dimension strukturbestimmend und bilden aufgrund ihrer Größe und Spezialisierung wichtige Märkte für vor- und nachgelagerte Branchen. 279 Simon, Herman: Hidden Champions des 21. Jahrhunderts – Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer, Frankfurt am Main 2007. 280 Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consulting GmbH (Hrsg.): Perspektiven für Baden-Württemberg – Wie sieht die Zukunft aus?, Untersuchung im Auftrag der Landesbank Baden-Württemberg, Köln 2007. 281 Eckey, Hans-Friedrich: Exportbasistheorie, in: Akademie für Raumordnung und Landesplanung: Handwörterbuch der Raumordnung, Hannover 1995, S. 281 - 282.

298

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Zu den Wachstumsbranchen gehören insbesondere solche Branchen, die aufgrund von Innovations- und Nachfragezyklen ein überdurchschnittliches wirtschaftliches Wachstum erzielen. Wachstumsbranchen können auf regionaler Ebene neue Impulse auslösen und ein Gegengewicht zu schrumpfenden Sektoren des Strukturwandels aufbauen. Als besonders erfolgreich erweisen sich Regionen insbesondere dann, wenn sie in hoher Intensität und Konzentration über innovative und besonders wettbewerbsfähige Leit- und Wachstumsbranchen verfügen und Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Zulieferer und Dienstleister entlang von Wertschöpfungsketten miteinander verbunden sind. Unter diesen Bedingungen und bei entsprechend hoher geografischer Konzentration und internationaler Sichtbarkeit wird von so genannten Clustern gesprochen.282 Für die wirtschaftliche Entwicklung von Regionen verfügen Cluster über grundlegende Potenziale und Chancen. Während sich Regionen in vielen Standortfaktorenbereichen zunehmend angleichen, bleiben branchen- und clusterspezifische Standortvorteile am wenigsten austauschbar und übernehmen damit eine wichtige standortbindende Funktion. Räumliche Nähe kann zu Zeit- oder Kostenvorteile aber auch zu Synergien in Form eines einfacheren Zugangs zu Wissen, qualifizierten Mitarbeitern sowie Partnern führen. Gerade klein- und mittelständische Betriebe in ländlicheren Regionen können Synergieeffekte und kapazitätsbedingte Nachteile über Kooperationen und Vernetzungen ausgleichen. In Clustern führen Selbstverstärkungseffekte maßgeblich dazu, dass Wachstumsprozesse zusätzlich beschleunigt werden. Cluster lassen sich damit als Brutstätten für Innovation und vor dem Hintergrund des betrieblichen Standortwettbewerbs als „Klebstoff für den Standort“ bezeichnen.283

10.5

Clusterentwicklung als neue Aufgabe der Wirtschaftsförderung

Auch wenn nicht jeder Standort und jede Region Voraussetzungen für ein wettbewerbsfähiges Cluster mit internationaler Ausstrahlung mitbringt, entwickelt sich die Kompetenzfeld- bzw. Clusterentwicklung zu einer wichtigen Aufgabe der Wirtschaftsförderung für viele Regionen. Der Bedeutungsgewinn der Clusterentwicklung resultiert aus der gestiegenen ökonomischen Bedeutung des Zugangs zu Wissen und der Einbindung in leistungsfähige Verbünde und Netzwerke. Insbesondere für die Unterstützung von wachstumsstarken Branchen und neuen Technologiefeldern durch die Unterstützung in der Inno282 Oppenländer, Karl Heinrich: Regionen als Wachstumsmotor – Was leisten Cluster und Innovationen. Ludwigsburg 2007. 283 Bundesministerium für Verkehr, Bauwesen und Stadtentwicklung: Erfolgsbedingungen von Wachstumsmotoren außerhalb der Metropolen – Ein Projekt des Forschungsprogramms „Modellvorhaben der Raumordnung“ (MORO) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Bonn 2008

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

299

vationsentwicklung und der Verbesserung von Wachstumschancen kann der Clusterentwicklung eine strategische Aufgabe zukommen. Im internationalen Wettbewerb um Investitionen, Innovationen und Fachkräfte geht es für Standorte und Regionen entscheidend darum, die Standortbindung der zentralen Schlüssel- und Clusterakteure zu erhöhen und individuelle Zukunftsperspektiven zu bieten. Zu den Instrumenten der Wirtschaftsförderung gehören dabei die Weiterentwicklung branchenspezifischer Angebote insbesondere im Bereich der betrieblichen Aus-, Fort- und Weiterbildung, des Standortmarketings sowie der Hochschul- und Technologieförderung. Darüber hinaus können unterstützende Dienstleistungen im Bereich der Netzwerkarbeit, des Wissenstransfers sowie der Kontakt- und Kooperationsanbahnung geleistet werden. Für eine erfolgreiche Clusterentwicklung gilt es ressort- und körperschaftsübergreifende Kooperationen der Wirtschaftsförderung zu anderen Trägern und Einrichtungen (Arbeitsverwaltung, Hochschulverwaltung, Kammern, etc.) herzustellen und zu intensivieren. Für eine zielkonforme Clusterentwicklung bedarf es in regelmäßigen Zeitabschnitten einer kritischen Überprüfung bisheriger Arbeitsschritte, Analyse der Standort- und Clusterbedingungen und strategischen Entwicklungsziele. Regionalund Clusteranalysen können dabei einen maßgeblichen Beitrag leisten. Neben stark quantitativen analytischen Ergebnissen sind die Einbeziehung von qualitativen Erkenntnissen und Einschätzungen und insbesondere die Beteiligung von regionalen Entscheidungsträgern in den Untersuchungsprozess von entscheidender Bedeutung für Umsetzung und Realisierung weiterer Handlungsschritte.

10.6

Erfolgsfaktoren sind zentral für die regionale wirtschaftliche Entwicklung

Wissenschaftliche Untersuchungen und Praxiserfahrungen der Regionalentwicklung zeigen, dass für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung von Standorten und Regionen so genannte erfolgsfördernde Faktoren maßgeblich entscheidend sind. In der Praxis wirken regionale erfolgsfördernde Faktoren nicht singulär im Sinne kausaler Ursachen-Wirkungsketten, sondern vielmehr ergänzend durch eine Kombination paralleler Prozesse und Faktoren. Regionale Entscheidungsträger sollten zur Förderung und ökonomischen Weiterentwicklung den folgenden erfolgsfördernden Faktoren besonders hohe Priorität einräumen. Auch wenn nicht alle erfolgsfördernde Faktoren unmittelbar beeinflussbar sind, entscheiden diese Faktoren maßgeblich über den wirtschaftlichen Erfolg von Standorten und Regionen und sollten im Rahmen von Regional- und Branchenanalysen berücksichtigt werden:

300

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

ÿ Hohe Branchenkonzentration mit hoher Spezialisierung einer Region auf wachstumsstarke Branchen mit internationaler Ausstrahlung und Reichweite, ÿ Enge Vernetzung und Kooperation von Unternehmen, Zulieferern, Dienstleistern, Hochschulen und FuE-Einrichtungen entlang von Wertschöpfungsketten, um Lokalisations- und Kostenvorteile gegenüber Wettbewerbsstandorten zu erzielen, ÿ Neben der Spezialisierung und Herausbildung von Clustern ist eine breite und vielfältige Branchenstruktur wichtig, um im Sinne der Diversifizierung die sektorale und konjunkturelle Abhängigkeit zu reduzieren, ÿ Ergänzung einer breiten Basis von klein- und mittelbetrieblichen Unternehmen mit einigen international ausgerichteten Großunternehmen, die sich durch eine hohe Dichte von Entscheidungsträgern durch eine starke regionale Verankerung mit der Region auszeichnen, ÿ Kombination von wertschöpfungsstarker Industrie, Distribution und wissensintensiven Dienstleistungen, ÿ Spezifische Bildungsangebote und FuE-Einrichtungen, die die Ausbildung des benötigten Arbeitnehmerpotentials der Region gewährleisten, Innovationsimpulse erzeugen und den technologischen Wettbewerbsvorsprung der Region sichern und ausbauen, ÿ Unterstützung von Wirtschaft und Wissenschaft durch eine bedarfsorientierte regionale Wirtschafts- und Strukturpolitik, die regionale Entscheidungsträger einbindet und zukünftige Entwicklung durch regionale Handlungskonzepte vorbereitet, ÿ Eine allgemein hohe Flexibilität, Offenheit, Kreativität und Anpassungsfähigkeit der regionalen Entscheidungsträger, um auf veränderte Rahmenbedingungen und neue Entwicklungen frühzeitig zu reagieren, ÿ Sowie weiche bzw. unterstützende Standortfaktoren und ein positives Image, um die Attraktivität der Region für Bewohner, Arbeitskräfte, Investoren zu erhalten und zu steigern.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

11.

301

Gesundheitswirtschaft und regionale Strukturpolitik: Strategiefähigkeit, Standortmanagement und Innovationsblockaden

Elke Dahlbeck, Michaela Evans, Wolfgang Potratz: Institut für Arbeit und Technik, Gelsenkirchen

11.1

Einleitung

Regionale Strukturpolitik, verstanden als die Gestaltung von Wandlungsprozessen in einer Region, ist nach wie vor eine Herausforderung für Politik, Wissenschaft und letztlich auch für die Wirtschaft selbst. Stand traditionell die Anwerbung „neuer“ Industrien im Mittelpunkt strategischer Überlegungen, waren es spätestens seit Ende der 1980er Jahre die „endogenen Potenziale“ der Regionen, oft lyrisch verklärt als spezifische „Begabungen“ oder mental verankerte Affinitäten zu einer bestimmten Industrie. Endogene Potenziale schrumpfen angesichts der zunehmenden Mobilität der Produktionsfaktoren nicht selten auf Bodenschätze und andere naturräumliche Ausstattungen und auf die Produktion von Gütern, die die Menschen immer und am Ort brauchen, deren „Nachfrageelastizität“ also gering ist. Gesundheit ist ein solches Gut – im Gegensatz zu anderen dieser Kategorie allerdings mit relativ hohen externen Effekten. Gesundheitsdienstleistungen müssen und sollen in der Regel ortsnah vorgehalten werden; gleichzeitig beziehen sie Vor- und Zulieferprodukte aus einer Vielzahl von Branchen. Gesundheitsdienstleistungen sind zudem überaus personalintensiv, d.h. sie entfalten regional wie lokal relevante Einkommenseffekte. So gesehen, mutiert das „Gesundheitswesen“ zur „Gesundheitsbranche“, die Knotenpunkt zahlreicher Güter-, Dienstleistungs- und Finanzströme ist, und deren volkswirtschaftliches Eigengewicht das vieler „traditioneller“ Industriezweige mittlerweile deutlich übertrifft. Bundesweit fanden 2007 etwa 4,7 Mio. Menschen (Angabe IAT) in der Gesundheitsbranche eine Beschäftigung, das Wirtschaftsvolumen betrug etwa 245 Mrd. Euro (Angabe Gesundheitsberichterstattung). Vor diesem Hintergrund haben in den letzten Jahren einzelne Regionen und ganze Bundesländer begonnen, ihr „Gesundheitswesen“ zu einer „Gesundheitsbranche“ umzubauen, zu profilieren und dieses auch nach innen und außen zu kommunizieren. Zu den inzwischen bekannteren „Markennamen“ zählen beispielsweise das „Gesundheitsland Schleswig-Holstein“, „MV tut gut“ für Mecklenburg-Vorpommern, die Region Erlangen/Nürnberg/Fürth als „Medical Valley“, die „Gesundheitsmetropole Ruhr“ oder der „Heilgarten Ostwestfalen-Lippe“. Darstellung 1 zeigt eine Auswahl der Regionen, die ver-

302

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

suchen, sich so auf die eine oder andere Art und Weise strategisch im Bereich der Gesundheitswirtschaft zu positionieren. Darst. 1: Gesundheitsregionen in Deutschland im Überblick

Quelle: Financial Times Deutschland vom 6.12.2006, im Internet unter http://www.ftd.de/ unternehmen/gesundheitswirtschaft/138094.html - Stand: 6.12.2006.

Die systematische Beförderung der regionalen Innovationskraft der Gesundheitswirtschaft ist angesichts der aktuellen Umbrüche in unserem Gesundheitssystem längst nicht mehr nur eine gesundheits- wie sozialpolitische

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

303

Herausforderung, sondern gleichfalls eine attraktive Zukunftsoption für zahlreiche Wirtschaftsbereiche. Die Entwicklung dieser Zukunftsoption setzt jedoch voraus, dass die Gesundheitsregionen ihre Kompetenzen strategisch wie organisatorisch bündeln und in ein konzertiertes Standortmanagement einbetten. Die Zukunft der Gesundheitswirtschaft in den Regionen wird – so die These – vor allem über die Fähigkeit entschieden werden, Innovationsprozesse zur Mobilisierung der endogenen Wachstumspotenziale initiieren, koordinieren und begleiten zu können.284 Erfahrungen aus erfolgreichen gesundheitswirtschaftlichen Modellinitiativen und Projekten aus dem Bereich der Innovationsförderung zeigen, wie bedeutend eine enge, regional fokussierte Verzahnung aller am Innovationsprozess beteiligten Akteure für eine optimale Nutzung der vorhandenen Ressourcen ist. In diesem Zusammenhang ist auch die Intention des kürzlich (Januar 2008) ausgerufenen Wettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) „Gesundheitsregion der Zukunft“ zu sehen. Ziele des Wettbewerbs sind die Erschließung regionaler Potenziale für Innovationen im Gesundheitswesen durch Forschung und Entwicklung, die nachhaltige Stärkung der regionalen Versorgungs- und Wertschöpfungsketten in der Gesundheitswirtschaft sowie die Verbesserung der Gesundheitsversorgung durch Steigerung von Qualität und Effizienz von Prozessen im gesamten Bereich der Gesundheitswirtschaft. Der Wettbewerb soll aufzeigen, wie Verschränkungsprozesse zwischen Dienstleistungen und Gesundheitsversorgung sowie der Health Care Industrie (Pharmazeutische Industrie, Medizintechnik und Biotechnologie) optimal gestaltet und wie durch die Kooperation regionaler Partner prozess- und produktorientierte Innovationen im Gesundheitswesen angestoßen werden können. Auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und des medizinischen sowie medizin-technischen Fortschritts können integrative regionale Kooperationsverbünde ein wesentlicher Schlüssel zur Erschließung von Effizienzreserven und zur Entwicklung neuer Dienstleistungsangebote sein. Im Vorfeld entsprechender Entwicklungsarbeiten gilt es jedoch einige teils schwierige Fragen zu beantworten. Wo liegen aus Perspektive der jeweiligen Gesundheitsregion eigentlich Stärken (und Schwächen)? Welche Ziele und profilbildenden Gestaltungsfelder sollen gemeinsam verfolgt werden? Welche Anforderungen sind an ein integriertes gesundheitswirtschaftliches Standortmanagement zu stellen? Diese Fragestellungen sind vom Grundsatz, blickt man auf andere Wirtschaftsbereiche, zunächst nicht neu. Allerdings wurde die Entwicklung und Organisation gesundheitsbezogener Leistungen und Angebote bislang primär als gesundheitspolitische Aufgabe verstanden. Die Übertragung von Steuerungs- und Entwicklungsinstrumenten traditioneller Branchen und Wirt284 Vgl. Hilbert, J./Evans, M./Schneider, S.: Von der Insel- zur Systemlösung: Innovation der Gesundheitswirtschaft und die Rolle regionaler Entwicklungsagenturen im Modernisierungsprozess. In: Zwengel, Ralf (Hrsg.): Gesellschaftliche Perspektiven Arbeit und Gerechtigkeit – Jahrbuch der Heinrich-Böll-Stiftung Hessen, Essen 2008, S. 215-239.

304

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

schaftsbereiche auf die Gesundheitswirtschaft ist hingegen vielfach noch Neuland, über Chancen und Grenzen – etwa von Clusterstrategien – wenig bekannt. Klar ist jedoch, dass die Umsetzung der vielfach prognostizierten Potenziale der Gesundheitswirtschaft für Wachstum und Beschäftigung zukünftig neue Herausforderungen an die Strategiefähigkeit und -bereitschaft der Akteure stellen wird, nicht zuletzt um derzeit bestehende Innovationsblockaden zu überwinden.

11.2

Gesundheitswirtschaft als sozialpolitische Herausforderung und Wachstumsmotor in Regionen

Im Folgenden steht die Frage im Mittelpunkt, ob und wie Gesundheitsregionen sich im Vergleich strategisch positionieren und welche Strukturen sie hierfür wählen. Im Folgenden Abschnitt werden ausgewählte Gesundheitsregionen hinsichtlich ihrer spezifischen Entwicklungspfade, -strategien und -profile285 sowie hinsichtlich ihrer institutionellen Arrangements zum Standortmanagement analysiert.286 Am Beispiel des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern wird in Punkt 11.2.3 erläutert wie, ausgehend von einer landesweiten Strategieentwicklung, gezielt ein innovationsorientiertes Standortmanagement in der Gesundheitswirtschaft realisiert werden kann. Punkt 11.3 fasst die zentralen Zukunftsherausforderungen der Überwindung regionaler Innovationsblockaden in der Gesundheitswirtschaft zusammen. Eine kritische Auseinandersetzung mit regionalen Entwicklungsstrategien erfolgt in Punkt 11.4. Abschließend erfolgt in Punkt 11.5 ein Ausblick entlang zentraler Forschungs- und Gestaltungsfragen. 11.2.1 Regionale Profilbildungen in der Gesundheitswirtschaft Auch wenn das Gesundheitssystem als solches in weiten Teilen bundespolitisch organisiert und reguliert ist – Regionen haben ein ursächliches Interesse an leistungsfähigen regionalen Gesundheitsdiensten. Denn letztlich sind es die Regionen, die „vor Ort“ für das Angebot und die Leistungsfähigkeit von Gesundheitsdienstleistungen verantwortlich sind oder doch von den Bürgern dafür verantwortlich gemacht werden. Das bezieht sich nicht nur auf die Krankenhausfinanzierung durch die Länder; es bezieht sich auch auf die Ärztedichte, die durch die regionalen Kassenärztlichen Verbände organisiert wird 285 Vgl. Dahlbeck, E./Hilbert, J./Potratz, W.: Gesundheitswirtschaftsregionen im Vergleich, in Institut für Arbeit- Jahrbuch 2003/2004, Gelsenkirchen 2004, S. 82-102. 286 Vgl. Evans, M./Hilbert, J./Schneider, S.: Von der Insel- zur Systemlösung – Innovation in der Gesundheitswirtschaft und die Rolle regionaler Entwicklungsagenturen im Modernisierungsprozess, in: Zwengel, R. (Hrsg.): Gesellschaftliche Perspektiven Arbeit und Gerechtigkeit – Jahrbuch der Heinrich-Böll-Stiftung Hessen, Essen 2008.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

305

wie auf die Ausstattung mit medizin- und gesundheitsnahen therapeutischen, technischen und sozialen Dienstleistungen. Auch wenn also die öffentliche Debatte um die Reform des Gesundheitswesens auf der Systemebene und im Wesentlichen um Finanzierung und Kostendämpfung geführt wird, so geht es im Kern doch um die Veränderung, gelegentlich auch Innovationen, in Strukturen und Prozessen mit dem Ziel, die Lebens- und Versorgungsqualität in den Zielregionen nachhaltig zu steigern. Die Rolle der Region im Innovationsgeschehen rund um die Gesundheit liegt dabei in der Schaffung von Anreizen, welche die Strategiefähigkeit sowie die Selbstorganisation von Arbeitsteilung und Kooperation der Akteure vor Ort für die Mobilisierung von Innovationspotenzialen und selbstgesteuerten Innovationstätigkeiten unterstützen sollen. Die seitens der regionalen Politik damit verbundenen Erwartungen zielen maßgeblich auf eine Stärkung der Lern- und Anpassungsfähigkeit einer Region durch den Aufbau eines leistungsfähigen Standort- und Innovationsmanagements zur Überwindung bestehender Innovationsblockaden; die Bundespolitik glaubt nicht zuletzt auch an eine Intensivierung des überregionalen und internationalen Wettbewerbs um gute Lösungen und Projektideen. Im Folgenden sollen fünf strategische Vorgehensweisen, die nach den bisherigen Erfahrungen für eine Einordnung der Regionen relevant sind, kurz erläutert werden: Know-how-Entwicklung: Regionen organisieren ihr Know-how zur Entwicklung des Gesundheitssektors und anspruchsvollen gesundheitsbezogenen Dienstleistungen so, dass es als Exportgut angeboten werden kann. Ein Ausbau von Forschungs- und Entwicklungsangeboten sowie Qualifizierungs- und Beratungsdienstleistungen wird damit weiter vorangetrieben. Entwicklung der Vorleistungs- und Zulieferindustrie: In vielen Regionen nimmt die Förderung der Medizin- und Gerontotechnik oder der Biotechnologie als zukünftige Wachstumsbranchen eine herausragende Stellung ein. Regionalwirtschaftliche Potenziale werden darüber hinaus von einer Beförderung der Kooperationsbeziehungen zwischen regionaler Zulieferindustrie und den Einrichtungen im Kernbereich der Gesundheitswirtschaft erwartet. Perspektiven für Kur- und Heilbäder: Traditionelle Kur- und Bäderregionen modernisieren ihre Kompetenzen im Reha-Bereich, und erobern sich neue Geschäftsfelder im Fitnesssektor. Verzahnungen zwischen stationären und ambulanten Rehabilitationsdienstleistungen werden entwickelt, der Wellness-Bereich wird weiter ausgebaut (Medical Wellness). Ausbau der gesundheitsbezogenen Erlebnisangebote: Nicht nur in den Kur- und Heilbädern spielt die Öffnung des Freizeit- und Tourismussektors für gesundheitsbezogene Angebote eine zentrale Rolle. Neue Service- und Erlebnispakete werden vorangetrieben, um die regionale Nachfrage vor Ort abzuschöpfen und die Nachfrage von außerhalb anzusprechen.

306

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Vermarktung von Gesundheitseinrichtungen: Durch eine gemeinsame Marketingstrategie der Gesundheitseinrichtungen vor Ort wird zusätzliche Nachfrage für die Gesundheitswirtschaft angeregt. Diese Strategien und die mit ihnen verbundenen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen bestimmen das Profil und in der Regel damit auch die weiteren Entwicklungspfade287 der Gesundheitsregionen. Die Suche nach der Innovationsführerschaft vollzieht sich nicht selten im Spannungsfeld der Akzentuierung vorhandener Stärken einerseits und der Suche nach neuen Perspektiven andererseits. Darst. 2: Typologische Einordnung von Gesundheitsregionen (Auswahl) Ausbau gesundheitsbezogener Erlebnisangebote

Vermarktung von Gesundheitseinrichtungen

KnowhowEntwicklung

Entwicklung der Zulieferbranchen

Nürnberg/ Erlangen

+

++

+

München

+

++

+

Ostwestfalen Lippe

+

+

Ruhrgebiet

+

+

Berlin

+

+

SchleswigHolstein

+

+

Tuttlingen

Perspektiven für Kur- und Bäderregionen

++

++

+

+

+ +

++

+

+

++

++

+

++

MecklenburgVorpommern

+

+

Rhein/Main

+

++

+

Quelle: Eigene Darstellung, nach Hilbert, J./Fretschner, R./Dülberg, A.: und Herausforderungen der Gesundheitswirtschaft – Manuskript, Inst. Arbeit und Technik; Gelsenkirchen 2002, im Internet unter http://www.iat.eu/aktuell/veroeff/ds/ GGTSPU-iat-gate.iatge.de-28340-1008299-DAT/hilbert02b.pdf - Stand: 06.01.2009 und ergänzende Recherchen

287 Zur Pfadabhängigkeit in Gesundheitssystemen vgl. die Studie von Kümpers, S.: Nationale und lokale Pfadabhängigkeit: Die Steuerung integrierter Versorgung. Institutionenorientierte Studien in England und den Niederlanden am Beispiel der Versorgung von Menschen mit Demenz. (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) SP I 2007-305 9), Berlin 2007.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

307

Jenseits typologischer Gemeinsamkeiten verfolgen die Regionen durchaus unterschiedliche Ziele: Gemeinsam ist ihnen der Versuch, die regionalökonomische Basis zu stärken. Darüber hinaus kommt jedoch auch die generelle wirtschaftspolitischen Entwicklungsstrategie zum Tragen: Bayern verfolgt mit seinen zwei Medizintechnik-Regionen Nürnberg sowie München industriepolitische Ziele und setzt auf Technologie und Technologie-Export mit staatlichen Anreizen. Das Ruhrgebiet als Region mit der höchsten Einwohnerdichte ist ein solider Allround-Anbieter und Vollversorger. Im Zentrum der Aktivitäten steht die Modernisierung der Klinikwirtschaft insbesondere durch die Vernetzung mit den sog. Life-Technologies des Vorleister- und Zulieferbereichs. Ostwestfalen-Lippe als eine der ältesten Gesundheitsregionen sieht seine strategischen Entwicklungslinien in der Entwicklung von Zukunftskonzepten für den Kur- und Rehabereich sowie in der Realisierung integrierter Konzepte der Prävention und Gesundheitsförderung im demographischen Wandel. Berlin sieht sich als Ort der Spitzenmedizin, Forschung und Dienstleistungen, mit denen es auch internationale Märkte erschließen will. Mecklenburg-Vorpommern setzt auf Gesundheitsprävention und hier besonders auf Gesundheitstourismus und Medical Wellness, und knüpft damit an erfolgreiche, landespolitisch forcierte Tourismusstrategien an. Auch Schleswig-Holstein verfolgt seit Neuestem die Gesundheitsprävention. Als Küstenregion ist auch hier der Gesundheitstourismus ein wichtiges Feld. Damit entfernt sich Schleswig-Holstein etwas von der Ausrichtung des Vollanbieters hin zu einer Profilierung in Richtung Prävention. Die Rhein-Main-Region ist besonders geprägt durch den Pharmabereich, aber auch die Medizintechnik. Auch zukünftig sollen diese Vorleistungs- und Zulieferbereiche weiter gestärkt werden. Mit dieser – relativ einfachen – Typisierung wird deutlich, dass Gesundheitsregionen vor allem auf gewachsenen Wirtschaftsstrukturen und vorhandenen Ressourcen aufbauen. So ist das Klima an den Küsten und das Meer natürlich ein Wettbewerbsvorteil für Gesundheitsregionen. Dies gilt beispielsweise auch für die im Ruhrgebiet vorhandenen speziellen Unfallkrankenhäuser (durch den Bergbau) oder die hohe Dichte der ansässigen Berufsgenossenschaften oder Krankenkassen. Damit ist deutlich, dass in den Regionen versucht wird, zunächst vorhandene Stärken zu entwickeln. Diese weiter auszubauen und zu einem Kristallisationspunkt neuer Entwicklungen zu machen, ist häufig der nächste Schritt. Wie sie dieses Ziel verfolgen, soll im nächsten Abschnitt näher erörtert werden.

308

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

11.2.2 Institutionelle Lösungen zum Innovationsmanagement in den Gesundheitsregionen So wie es mehr als ein Kreiskrankenhaus braucht, um eine Gesundheitsregion zu begründen, so braucht es auch engagierte Akteure vor Ort, die die vorhandenen Potenziale mobilisieren und für Veränderungen motivieren. Der Anspruch, akteur- und institutionenübergreifende, regionale Innovationspartnerschaften in der Gesundheitslandschaft zu befördern, ist überaus voraussetzungsvoll: Unternehmen und Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft agieren in einem Umfeld, welches durch hohe Unsicherheiten in der Entwicklung zukünftiger Rahmen-/Marktbedingungen sowie durch regulierte, tradierte Zuständigkeitsbereiche, Finanzierungsquellen und Zielgruppen geprägt ist. Gleichwohl konnte in den vergangenen Jahren beobachtet werden, dass in zahlreichen Gesundheitsregionen branchenübergreifende Koordinierungs- und Entwicklungsinstitutionen eingerichtet wurden. Entsprechende Institutionen sind zunächst ein wichtiges Scharnier der Übersetzung gesundheitswirtschaftlicher Modernisierungsziele (Makroebene) in konkrete Innovationsprojekte vor Ort (Mikroebene). Zentrale Aufgaben diese koordinierenden Instanzen liegen in der Initiierung, Entwicklung und Begleitung akteursübergreifender, regionaler Entwicklungs- und Innovationsprozesse entlang der skizzierten Suchfeldern. Unterschiede zwischen den jeweiligen regionalen Lösungen zeigen sich vor allem entlang der folgenden Kriterien: Entstehungshintergrund und regionale Reichweite: Primär brancheninitiierte (bottom-up-Ansatz) Initiativen lassen sich von (struktur-)politikinitiierten (top-down-Ansatz) Initiativen, regionale von landesweiten oder gar länderübergreifenden Entwicklungsinstitutionen unterscheiden. Beispielhaft für diejenigen Initiativen, welche aus der Branche selbst gewachsen sind, ist etwa das ZIG – Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft e.V. (Bielefeld). Auf der anderen Seite lassen sich jene Institutionen verorten, welche einen ausgeprägten Politikbezug in ihrer Entstehungsgeschichte haben. Beispiele hierfür sind etwa die MedEcon Ruhr e.V. (Ruhrgebiet) sowie die jeweils landesweit agierende Koordinierungsstelle Gesundheitswirtschaft Mecklenburg-Vorpommern (Rostock) oder die Gesundheitsinitiative Schleswig-Holstein. Träger- und Finanzierungsstrukturen: Die Entstehungsgeschichte der regionalen Initiativen findet ihren Ausdruck nicht zuletzt auch in den jeweiligen Träger- und Finanzierungsstrukturen. Der Brückenschlag zwischen „Gesundheit“ und Regionalentwicklung zeigt sich hier insbesondere in einer engen Verzahnung der Gesundheitsakteure mit Einrichtungen der Wissenschaft und Wirtschaft im Rahmen von Public-Private-Partnership-Modellen. Die Initiativen sind bevorzugt in Form eines e.V. organisiert und die Finanzierung erfolgt auf Basis jährlicher Mitgliedsbeiträge. Ausnahmen bilden hierbei in

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

309

der Regel landesweite Initiativen, welche häufig zusätzlich über öffentliche Projektmittel unterstützt werden. Spezialisierung auf Zielbranchen und -segmente: Die Initiativen lassen sich des Weiteren danach unterscheiden, ob sie im Rahmen ihrer Aktivitäten auf die gesamte Wertschöpfungskette der Gesundheitswirtschaft oder auf ausgewählte Teilsegmente zielen. Die inhaltliche Spezialisierung ist nicht zuletzt Ausdruck der gesundheitswirtschaftlichen Standortprofile und Entwicklungspfade in den Zielregionen. Während MedEcon Ruhr e.V., ZIG e.V., die Gesundheitspartner Berlin e.V. oder die Gesundheitswirtschaftsinitiative RheinMain e.V. einen umfassenden Entwicklungsansatz verfolgen, fokussieren etwa Bayern Health Care e.V. auf die Felder Prävention und Kur, Telematik und Telemedizin sowie auf die Internationalisierung von Gesundheitsleistungen. Die Initiative „Med in Leipzig“ widmet sich vor allem der Förderung der Spitzenmedizin, während etwa die Norgenta – Norddeutsche Life Science Agentur auf die Verknüpfung medizinischer Leistungssegmente mit den Bereichen Medizintechnik, Biotechnologie und Pharmazie abzielt. Maßnahmen gesundheitswirtschaftlicher Standortentwicklung: Die jeweiligen operativen Maßnahmen und Instrumente gesundheitswirtschaftlicher Standortförderung und Netzwerkmanagements befördern differenzierte Aufgaben- und Tätigkeitsprofile. Das Spektrum reicht von Informationsaufgaben, der Initiierung eines branchenübergreifenden Wissenstransfers über die Umsetzung konkreter Projekt- /Innovationspartnerschaften bis hin zu Unterstützungsdienstleistungen rund um Ansiedlung, Projektförderung, Patentberatung und Kapitalbeschaffung. Während Arbeiten zu Profilen bundesdeutscher Gesundheitsregionen vorliegen, ist über Voraussetzungen, Funktionsbedingungen sowie Leistungsfähigkeit und -grenzen regionaler Innovationsnetzwerke in der Gesundheitswirtschaft bislang nur wenig geforscht worden. Vergleichende Netzwerkanalysen zur Vitalität, Effektivität sowie den Steuerungswirkungen entsprechender Verbundstrukturen liegen bislang ebenfalls nicht vor. Allerdings deutet viel darauf hin, dass gesundheitswirtschaftliche Standortentwicklung derzeit in erster Linie über Maßnahmen des Informationsaustausches und der Standortvermarktung betrieben wird. Die eigenständige Initiierung und Begleitung struktur- und prozessverändernder Innovationspartnerschaften bildet derzeit eher die Ausnahme. Das Wissen um die Herausforderungen entsprechender Steuerungs- und Verhandlungsaufgaben wird jedoch zukünftig im Rahmen regionaler „health governance“ an Bedeutung gewinnen. 11.2.3 Fallstudie Mecklenburg-Vorpommern „Gesundheitswirtschaft“ ist zwar zu einem gängigen Schlagwort geworden, aber wenige haben dieses Schlagwort so mit Inhalten gefüllt und zielstrebig

310

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

verfolgt wie Mecklenburg-Vorpommern. Ihren Ausgang nahmen die Aktivitäten 2001 mit dem Ausbau des Gesundheitstourismus, setzten sich in einer Imagekampagne „MV tut gut“ fort, und mündeten 2004 in ein Projektbüro für die Gesundheitswirtschaft, das eine Koordination gesundheitswirtschaftlicher Initiativen und Unterstützung für regionale und überregionale Projekte leistet und inzwischen eine etablierte Infrastruktur für die Entwicklung der Gesundheitswirtschaft darstellt. In Fortschreibung früherer Strategiepapiere wurde 2006 ein „Masterplan Gesundheitswirtschaft“288 vorgestellt, der bis heute Grundlage einer konzertierten Politik zur Entwicklung der Gesundheitswirtschaft als einer strukturpolitischen Säule Mecklenburg-Vorpommerns ist und das Bundesland zum „Gesundheitsland Nr. 1“ machen soll. Auch wenn dies vielleicht noch nicht ganz erreicht ist, so zeigt doch das Ausmaß der Beschäftigung in diesem Bereich, welche strukturpolitische Rolle „Gesundheit“ in der Wirtschaft des Landes einnimmt und wo die Stärken und Potentiale liegen. So liegt der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Gesundheitswirtschaft an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Mecklenburg-Vorpommern mit 15% etwas höher als im Bundesdurchschnitt von 14,5%.

288 Heinze, R. G./Hilbert, J. et al.: Masterplan Gesundheitswirtschaft Mecklenburg-Vorpommern 2010, Bochum/Gelsenkirchen 2006.

311

Kapitel IV: Praktikerbeiträge Darst. 3: Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft nach Bereichen, Mecklenburg-Vorpommern und Deutschland, 2007 Bereiche der Gesundheitswirtschaft

M-V Absolut

Deutschland

Anteile

Absolut

Anteile

Stationäre und teilstationäre Versorgung

30.710

34,3 %

1.464.291

31,0 %

Stationäre und ambulante Altenhilfe

11.246

12,5 %

708.036

15,0 %

Ambulante Versorgung

21.330

23,8 %

1.205.888

25,6 %

Rettungsdienste

1.451

1,6 %

40.734

0,9 %

Verwaltung/Versicherung

9.582

10,7 %

380.526

8,1 %

Apotheken

3.282

3,7 %

202.189

4,3 %

Medizin-/Gerontotechnik, Gesundheitshandwerk

3.784

4,2 %

235.796

5,0 %

Pharmazeutische Industrie

306

0,3 %

132.466

2,8 %

Handel mit Gesundheitsprodukten

1.853

2,1 %

149.846

3,2 %

Gesundheitstourismus

3.587

4,0 %

62.066

1,3 %

997

1,1 %

54.570

1,2 %

1.138

1,3 %

49.000

1,0 %

Sonstige

348

0,4 %

33.238

0,7 %

Gesamt

89.615

100,0 %

4.718.646

100,0 %

Sport, Freizeit, Wellness Forschung

Quelle: Bundesagentur für Arbeit289 (Berechnung und Darstellung: Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen)

Besondere Beschäftigungsrelevanz hat in dem Ostesseeanrainerland im Vergleich zum Bund das Gestaltungsfeld Gesundheitstourismus. Mecklenburg-Vorpommern zählt nicht nur zu den ärmeren Bundesländern, es ist vor allem das am dünnsten besiedelte Land. Die Wege sind weit und Arbeitsplätze sind rar. Umso größere Bedeutung kommt dem Gesundheitswesen (also dem Kernbereich der Gesundheitswirtschaft) als beschäftigungsintensiver Branche zu. So ist es fast auch kaum erstaunlich, dass Kliniken und Krankenhäuser zu den größten Unternehmen des Landes zählen, deren regionale Bedeutung nicht unterschätzt werden darf. 289 Weitere Quellen: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Statistisches Bundesamt, Zentralverband des Deutschen Handwerks, Bundesvereinigung der Apothekerkammern.

312

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Darst. 4: Von den 100 größten Unternehmen zählen 14 zum Gesundheitswesen

Rang Unternehmen

Beschäftigte 2006

Umsatz 2006 (in Mio. Euro)

2 (-)

Universitätsklinikum Rostock, Rostock

3.105

227,9

10 (-)

Damp Holding AG (K), Stralsund

1.957

153,2

1.216 543 454

90,3 38,8 5,8

1.101

84,2

712

52,8

28 (38) KMG Kliniken AG (K), Güstrow

713

53,0

31 (30) Asklepios Kliniken GmbH, Pasewalk

684

44,2

65 (69) Unternehmensgruppe Graal-Müritz (K)

365

-

67 (51) Medigreif GmbH, Greifswald

348

29,1

68 (72) Sana-Krankenhaus Rügen GmbH, Bergen auf Rügen

345

-

91 (94) Allgemeine Hospitalgesellschaft AG (K), Lübstorf

260

17,2

242

20,4

14 (12) MediClin AG (K), Plau am See Klinikum Plau am See Müritz-Klinikum GmbH Waren/Müritz 17

HANSE Klinikum Stralsund GmbH, Stralsund

24

HANSE Klinikum Wismar GmbH, Wismar

98 (-)

MEDIAN Kliniken GmbH & Co. KG (K), Heiligendamm

( ) Vorjahresrang in Klammern; (K) = Konzern bzw. Gruppe konsolidiert; - = keine Angaben Quelle: NordLB, Wirtschaft Mecklenburg-Vorpommern. Die 100 größten Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern – Analysen und Kommentare Dezember 2007

Masterpläne werden oft (und auch nicht immer zu Unrecht) in die Requisiten symbolischer Politik eingereiht. Mit anderen Worten: Sie werden öffentlich vorgestellt, verschwinden in der Ablage und werden hervorgeholt, wenn die Situation es opportun erscheinen lässt. Dem Masterplan Mecklenburg-Vorpommern ist dieses Schicksal erspart geblieben. Der Plan weist acht Handlungsfelder aus, in denen z.T. Stärken des Landes, wie die Verbindung der

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

313

Gesundheitsprävention mit gesundheitstouristischen Elementen, aber auch strategische Chancen des Landes definiert werden: (1) Gesundheitsprävention: Hinarbeiten auf einen Paradigmenwechsel, um der demographischen Entwicklung und der Veränderung des Nachfrageverhaltens gerecht zu werden. (2) Gesundheitstourismus: Stärkung der natürlichen Potentiale des Landes durch Qualitätssteigerung der gesundheitstouristischen Angebote. (3) Rehabilitation: Vernetzung von Akutmedizin, Rehabilitation und Gesundheitstourismus zu substantiell profilierten Angeboten von „Medical Wellness“. (4) Ernährung: Herausarbeiten der gesundheitsfördernden Eigenschaften von Lebensmitteln und Marketing landespezifischer Premiumprodukte. (5) Seniorenwirtschaft: Dienstleistungen und Produkte, die ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben unterstützen und ein hohes Maß an Lebensqualität bieten. (6) Life Science / Biotechnologie: Technologiepolitische Einbindung in zukunftsträchtige Branchen und internationale Verbünde. (7) Hochleistungsmedizin: Übersetzung medizinischer Forschung und Entwicklung in patientennahe Gesundheitsdienstleistungen und Gesundheitsprävention. (8) Neue Versorgungsformen: beschleunigte Implementation technologiegestützter Versorgungsstrukturen als Antwort auf absehbare Versorgungsprobleme im Land. Die Federführung für die gesundheitswirtschaftlichen Aktivitäten hat das Projektbüro Gesundheitswirtschaft MV, welches von Seiten der Landesregierung bereits im März 2004 geschaffen wurde und das bei der BioConValley GmbH angesiedelt ist. Die Arbeiten des Projektbüros umfassen die Projektinitiierung, -begleitung sowie das „Vorwärtstreiben“ der einzelnen Akteure und Projekte aus den Gebieten der Netzwerkbildung, der Produktentwicklung, der Qualitätssicherung bzw. die Entwicklung von Qualitätsstandards, Marketing und Vertrieb. Neben dem Projektbüro ist mit dem Kuratorium – einberufen vom Ministerpräsidenten des Landes und bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft unter Vorsitz von Prof. Dr. Dr. h.c. (mult.) F.R.C.P. Horst Klinkmann – eine wichtige Instanz und Kommunikationsplattform geschaffen worden, in der die Akteure sich austauschen und informieren und Entscheidungen über zukünftige Weichenstellungen treffen können. Mittlerweile sind in dem Kuratorium fünf verschiedene themenspezifische Strategiegruppen gebildet worden: Life Science; Prävention, Rehabili-

314

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

tation, Medizin; Qualität, Marketing, Zertifizierung, Aus- und Weiterbildung; Gesundheitstourismus; Ernährung für die Gesundheit. Seit der Veröffentlichung des Masterplans werden die ausgeführten Ziele in den strategischen Gestaltungsfeldern von politischen und Akteuren aus der Branche kontinuierlich konkretisiert, operationalisiert und in Aktivitäten übersetzt. So sind Ideenwettbewerbe ausgeschrieben worden, ein Aktionsplan Prävention wurde vorgelegt, Projekte zur Adipositasprävention in Gang gebracht, das Pomerania-Projekt zur Tele-Radiologie ist auf West-Mecklenburg ausgedehnt worden (mit landesweiter Perspektive) und schließlich das Konzept eines „Vitalurlaubs“ pilotiert worden. Die Biotechnologie ist über BioCon Valley in ein den gesamten Ostseeraum abdeckendes Netzwerk (Scanbalt) eingebunden, in dem sich Firmen, Forschungseinrichtungen und Anwender zusammengefunden haben. Zudem ist in dem vom BMBF ausgerufenen Wettbewerb der „Gesundheitsregion der Zukunft“ das Projekt „HIC@RE - Health, Innovative Care & Regional Economy“, welches gemeinsam von der BioCon Valley Mecklenburg-Vorpommern e.V. (BCV), dem Institut für Community Medicine (ICM) der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald sowie der TransferNetzwerk Community Medicine (TNC) beantragt wurde, einer von 20 Siegern der ersten Runde. Ziel des Antrages HiC@RE ist, die Gesundheitsregion Ostseeküste zu einer Modellregion in Deutschland für eine qualitative, innovative und effiziente Versorgung zu entwickeln, die sowohl die eigene Bevölkerung als auch explizit die Gäste, insbesondere Gesundheitstouristen, adressiert.290 Im Jahr 2009 werden dann bundesweit fünf „Gesundheitsregionen der Zukunft“ zur weiteren Förderung ausgewählt, um dann vier weitere Jahre in der Entwicklung von Produkten und Prozessen gefördert zu werden. Mit der Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft, die seit 2005 jährlich in Rostock stattfindet, konnte eine wichtige bundesweit einmalige Konferenz im Land erfolgreich etabliert werden. Die behandelten Themen der Konferenz waren u.a. Prävention, Wirtschaftsfaktor Alternativ- und Komplementärmedizin“, Ernährung und Bewegung“. Der Schwerpunkt der nächsten Konferenz wird der demografische Wandel „erfolgreich altern“ sein. Die hohe Teilnehmerzahl, knapp 800 Besucherinnen und Besuchern, verdeutlicht das Interesse an und die Bedeutung der Konferenz für die gesundheitswirtschaftlichen und strukturpolitischen Akteure des Landes. Mit dem erstellten Branchenführer Gesundheitswirtschaft MV 2008 schafft das Projektbüro zusätzlich Transparenz in der Gesundheitslandschaft und bietet Akteuren aus der Gesundheitswirtschaft selbst, aber auch den Kundinnen/ Kunden und Patientinnen/Patienten eine Übersicht über vorhandene Angebote im Land. 290 Vgl. dazu näher: http://www.transfercm-mv.de/hosting/bcv/website.nsf/urlnames/tnc_hicare_ DE?Open Document&mn=2&smn=A

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

315

Am Beispiel Mecklenburg-Vorpommern lässt sich zeigen, dass sie ihre eigenen Pläne und Ziele ernst genommen und konsequent weiter verfolgt haben.

11.3

Innovationsblockaden in der Gesundheitswirtschaft

Was sind angesichts der skizzierten Entwicklungsansätze nun die derzeitigen Innovationsblockaden in der Gesundheitswirtschaft und wie können diese beseitigt werden? 1. Segmentierung der Leistungserbringer: Derzeit arbeiten die Leistungserbringer aus den unterschiedlichen Einrichtungen und Institutionen vielfach nebeneinander her. Dies bewirkt, dass Gesundheitsangebote nicht integriert, sondern segmentiert angeboten werden. Eine intensivere Integration und Professionalisierung der Akteure scheint hier angeraten, denn die gemeinsame Entwicklungsarbeit in den Regionen bedarf einer konsequenten Einbindung der Leistungserbringer, Einrichtungen und Unternehmen in die gesundheitswirtschaftliche Strategie- und Projektentwicklung. Dies erfordert ebenso eine konsequente Professionalisierung der intermediären Akteure (z.B. Wirtschaftsförderungen), um die unterschiedlichen Systemlogiken, Strukturen und Prozesse der Akteure im Netzwerk ausbalancieren zu können. Dies erfordert jedoch auch die Definition von regionalen Wertschöpfungsketten, die auch konkurrierende Systemlogiken der Akteure ausgleichen und so branchen-, institutionen- und akteursübergreifenden Projekte in Gang bringen. Aufbauen sollte diese auf den vorhanden Stärken der Region. 2. Fehlende Kommunikations- und Verhandlungsplattformen: Bisher fehlt für die gemeinsame Zusammenarbeit in den Regionen häufig eine Plattform, welche die Kommunikationsprozesse zwischen den Akteuren regelt und ermöglicht. Der Aufbau regionaler Verhandlungsstrukturen („regional health governance“) ist zukünftig jedoch für die Steuerung und die gestaltungsorientierte Einbindung der Akteure unerlässlich. Dies gilt umso mehr für eine Branche, in welcher die Akteure aus kulturell wie strukturell unterschiedlichen Institutionen stammen. Allerdings liegen bislang noch keine Erkenntnisse darüber vor, welche Akteure vor Ort idealerweise die Organisation und Koordination entsprechender Aktivitäten übernehmen sollten. Zwar sind, wie eingangs skizziert, in den vergangenen Jahren in zahlreichen Regionen Netzwerke der Gesundheitswirtschaft entstanden. Eine zentrale Herausforderung dieser Kooperationspartnerschaften in den nächsten Jahren wird sein, sich die

316

Kapitel IV: Praktikerbeiträge Legitimation für den Aufbau bzw. die Weiterentwicklung entsprechender verhandlungs- und Innovationsstrukturen zu erarbeiten.

3. Unsicherheiten über laufende Innovationsprojekte und deren Wirkungen: Die bisherigen Monitoringsysteme und Berichterstattungen greifen für einen ganzheitlichen Ansatz der Gesundheitswirtschaft zu kurz und betrachten bisher nur isoliert einzelne Teilbereiche der Gesundheitswirtschaft. Zudem ist die Ausrichtung der Monitoringsysteme derzeit noch zu wenig auf die Praxis und zu wenig gestaltungsorientiert ausgerichtet. Die Zusammenführung vorhandener Daten und Informationen zur gesundheitlichen Lage der Bevölkerung, verfügbarer Gesundheitswirtschaftsindikatoren und schließlich ein strategisches, auf die regionalen Ziele ausgerichtetes „Innovations- und Trendmonitoring“ können den Verlauf des Modernisierungsgeschehens sowie der -lücken verfolgen und für die Steuerung der Aktivitäten nutzbar machen. 4. Ausbaufähige interregionale Kooperation: Viele der Gesundheitsregionen schauen häufig nur auf ihre eigenen Aktivitäten und beziehen andere Regionen nicht genügend in ihre Planungen mit ein. Insbesondere mit Blick auf innovative Versorgungslösungen kann es durchaus sinnvoll sein, mit benachbarten Regionen Kooperation und Arbeitsteilung zu suchen. Darüber hinaus ist es perspektivisch ohnehin unerlässlich, den bundesweiten und internationalen Austausch über Innovationsaktivitäten, -projekte und auch -hindernisse zu suchen. Dies setzt jedoch Sicherheit in der eigenen Strategiefähigkeit und -entwicklung voraus. Die Perspektiven und Chancen einer regional orientierten Struktur- und Innovationspolitik werden derzeit intensiv mit Blick auf Strategien wie „Regionale Innovationspole“, „Kompetenzfelder“ oder „Cluster“ (Branchenschwerpunkte), die sich in Wettbewerben herauskristallisieren (sollen), debattiert291. Zwar herrscht in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Einigkeit bezüglich der grundlegenden Bedeutung dieser Ansätze für die regionale Steuerung von Innovationsprozessen. Kann die Übertragung von Clusterstrategien aus anderen Branchen in diesem Zusammenhang als Königsweg für mehr Innovation und Wettbewerbsfähigkeit auch in der Gesundheitswirtschaft angesehen werden?

291 Vgl. dazu Benzler, G./Wink, R.: Regionale Innovationspole: Schlüssel zu mehr Wachstum in Deutschland? in: List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, Bd. 30, Heft 3, 2004, S. 253-270 sowie neuerdings auch Gärtner, S.: Ausgewogene Strukturpolitik: Sparkassen aus regionalökonomischer Perspektive. Dissertation Universität Dortmund. Dortmund 2007, S. 65 ff.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

11.4

317

Clusterstrategien auch in der Gesundheitswirtschaft?

Die regionale Strukturpolitik verfügt über ein breites Spektrum an Strategien und Instrumenten; vor allem „Cluster-Strategien“292 erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Gesundheitswirtschaft lässt sich zwar mit ökonomischen Konzepten und Instrumentarien analysieren, in gestalterischer Hinsicht ist sie aber eben doch nicht eine Branche wie andere auch. „Gesundheit“ hat einen hohen intrinsischen Wert für Individuen, was sich an einer gewissen Bereitschaft zeigt, zusätzlich zu Krankenkassenbeiträgen private Mittel in die eigene Gesundheit zu investieren. Gleichwohl ist die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen, jedenfalls in den Kernbereichen, wenig flexibel, weshalb marktwirtschaftliche Anreizmechanismen nur begrenzt funktionieren. Die Unternehmen und Einrichtungen können ihr Angebot nicht wie andere Industrieunternehmen mit den Marktbewegungen herauf- oder herunterfahren oder verändern: Die zentralen Voraussetzungen für das Funktionieren eines freien Marktes sind hier also nur mit Einschränkung gegeben. Es stellt sich somit die Frage, ob diese, hauptsächlich an den „neuen“ wissensintensiven Industrien entwickelten Modelle auch in der Gesundheitswirtschaft und ihren Besonderheiten funktionieren. Als „Cluster“ werden gemeinhin räumliche Konzentrationen gleicher oder komplementärer Unternehmen verstanden, die miteinander vernetzt sind und auf die eine oder andere Art und Weise miteinander kooperieren und darin von einschlägigen Ausbildungsund Forschungseinrichtungen sowie intermediären Institutionen unterstützt werden. Beispiele sind etwa das Automobilcluster in der Region WolfsburgBraunschweig-Hannover oder das Biotechnologiecluster in und um München. Die Logik dieser Cluster beruht auf der Realisierung von Synergieeffekten, die einzel- wie gesamtwirtschaftlich zu mehr Innovation, Produktivität und erhöhter Wertschöpfung führen. Diese in der Konkurrenzlogik des Marktes nicht vorgesehene Kooperation ließe sich auch als „Modernisierung auf der Metaebene“ beschreiben und verstehen, wird hier doch zunächst eine Handlungsebene jenseits des Marktes etabliert, auf der „öffentliche Güter“ entstehen: Kommunikation, Wissen, Qualifikation, Innovation, von deren Nutzung niemand ausgeschlossen werden kann. Diese Nicht-Kompetitivität von Clustern und ihren Effekten macht sie für öffentliche Akteure, etwa Wirtschafts-

292 Einen aktuellen und umfassenden Überblick dazu bieten Brandt, A.: Was kann und darf Clusterpolitik?, in Regiopol – Zeitschrift für Regionalwirtschaft 1/2008, S. 95 - 103 und Terstriep, J.: Cluster Management – Satus Quo & Perspektiven, in: Institut für Arbeit und Technik- Jahrbuch 2007, Gelsenkirchen 2008, S. 60 – 70; grundlegend allerdings bereits Marshall, A.: Principles of economics, 8. Aufl., London 1920; Marshall, A.: Industry and Trade, 4. Aufl. London1927 sowie Porter, M. E.: The Competitive Advantage of Nations, New York 1990.

318

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

förderungen und Entwicklungsagenturen, interessant, weil sich ihnen hier ein ordnungspolitisch unbedenkliches Feld öffnet293. In der Anwendung auf die Gesundheitswirtschaft allerdings zeigen sich schnell einige Haken: (1) Die Träger der bekannten Cluster sind Unternehmen einer Branche, die nicht nur durch Produktlinien, sondern vor allem auch durch ihre gemeinsame Systemlogik, nämlich die des Marktes, zusammengehalten werden. Dies sieht in der Gesundheitswirtschaft etwas anders aus; hier agieren Wirtschaftsunternehmen (z.B. der Pharmaindustrie bis zu Gesundheitshandwerkern), traditionelle „Anstalten“ (z.B. Krankenhäuser), Krankenkassen privaten und öffentlich-rechtlichen Status, niedergelassene Ärzte und Therapeuten, die als Privatunternehmer aber streng reguliert agieren, Ärzte-, Krankenhaus- und Krankenkassenverbände als korporative Akteure und nicht zuletzt öffentliche Gesundheitsdienste und politische Akteure. Sie alle folgen unterschiedlichen Organisations- und Handlungslogiken und stehen unter unterschiedlichen Legitimationszwängen, die ein kollektives Handeln, etwa zum Zweck einer regionalen Profilierung, sehr kompliziert machen. (2) So wie die Aktivitäten von Industrieclustern „im Schatten des Marktes“ stattfinden, der letztlich über Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz entscheidet, so agieren die sich herausbilden Cluster der Gesundheitswirtschaft „im Schatten der Hierarchie“ staatlicher Regularien, Institutionen – und Finanzen. In dem Maße allerdings, in dem sich etwa die Länder aus der Krankenhausfinanzierung zurückziehen, weicht auch der Schatten der Hierarchie und es stellt sich deshalb die Frage, ob mit der Förderung von Gesundheitsclustern die staatliche Steuerung des Gesundheitswesens (als dem Kern der Gesundheitswirtschaft) schleichend an eine korporative oder private Selbststeuerung übergeben wird294. (3) Industriecluster bewegen sich in der Regel im vorkompetitiven Raum; sie nutzen gemeinsam geschaffene Ressourcen, um anschließend wieder auf dem Markt in den Wettbewerb zu treten. Alle Verhandlungsprozesse über die Verteilung von Gewinnen und Verlusten werden hier geregelt. Aufgrund der administrierten Struktur der Versorgungslandschaft („Produktionskapazitäten“ können nicht beliebig hin und her verschoben, auf- oder abgebaut werden) müssen in der Gesundheitswirtschaft diese Verhandlungen früher oder später zwischen den Akteuren selbst geführt werden. Ob Gesundheitscluster die 293 Detailliert dazu Evans, M./Hilbert, J./Schneider, S.: Von der Insel- zur Systemlösung – Innovation in der Gesundheitswirtschaft und die Rolle regionaler Entwicklungsagenturen im Modernisiserungsprozess, in: Zwengel, R. (Hrsg.): Gesellschaftliche Perspektiven Arbeit und Gerechtigkeit – Jahrbuch der Heinrich-Böll-Stiftung Hessen, Essen 2008, S. 232 ff. 294 Dieser zentrale und für die Zukunft von Clustern und Netzwerken kritische Aspekt wird behandelt bei Krebs, C.: Partnership oder Pressureship? In Wolfsburg übernimmt VW immer mehr öffentliche Aufgaben, in: Vorgänge – Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 42(1), 2004, S. 89 – 96.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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Funktion im Sinne einer „regional health governance“ leisten können und ob sie die häufigen Konflikte aushalten, ist derzeit eine völlig offene Frage. (4) Wir wissen inzwischen viel über Industriecluster295, aber derzeit noch sehr wenig über das Funktionieren und die Funktionsbedingungen der verschiedenen Cluster- und Netzwerkformationen im Bereich der Gesundheitswirtschaft. Zwar ist es inzwischen gang und gäbe, ökonomische Begriffe wie Gesundheitsmarkt, Wettbewerb, Marketing, Innovation oder Service-Reengineering im Zusammenhang mit Gesundheitseinrichtungen zu benutzen, aber wie Wettbewerb hier funktioniert, welche Formen er annimmt und welche Folgen er zeitigt, wie ein „Innovationssystem Gesundheit“ aussieht, wird in der Regel mehr erahnt als gewusst. Das zentrale Problem – und deshalb auch die aktuellen Grenzen – der Anwendung von Cluster-Strategien auf die Gesundheitswirtschaft liegen offenbar darin, dass hier die Strategie der Struktur vorangeht, mit anderen Worten: hier wird eine Strategie propagiert, die mit der Strukturlogik der Gesundheitswirtschaft nicht übereinstimmt. Vorangehen müssen hier Innovationsprozesse, für die allerdings noch eine Reihe von Fragen zu klären sind. Diese sollen abschließend, wenn auch bruchstückhaft, skizziert werden.

11.5

Ausblick und weiterführende Forschungsfragen

Aus der Innovationsforschung ist bekannt, dass (a) Innovationen primär nicht innerhalb einzelner isolierter Unternehmen, sondern in einem wiederholt rückgekoppelten Prozess zwischen einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure erfolgen, dass (b) ein zentrales Problem in der Implementation von Innovationen in Unternehmen und Einrichtungen bzw. in der Entwicklung in auf dem Markt erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen besteht, weil (c) ein enger Zusammenhang zwischen technischen, organisatorischen und sozialen Innovationen besteht, der nur selten berücksichtigt werden. Zwar liegen bislang noch keine detaillierten Kenntnisse zu den Funktionsbedingungen und -voraussetzungen eines „Innovationssystems Gesundheit“ vor. Gleichwohl liegt es auch für die Gesundheitswirtschaft nahe, die Modernisierung der Branche nicht isoliert entlang einzelner Branchen und Teilsegmente zu suchen, sondern Wachstumspotenziale durch eine problemorientierte Verknüpfung der Leistungsbereiche (und der unterschiedlichen Systemlogiken, s.o.) zu erschließen. Dabei können sicherlich Anleihen bei der Industrie und der Industrieforschung gemacht werden296, aber wie sich diese Prozesse 295 Vgl. etwa Kiese, M./Schätzl, L. (Hrsg.): Cluster und Regionalentwicklung: Theorie, Beratung und praktische Umsetzung, Dortmund 2008. 296 Ein möglicher Zugang zu diesem Problem könnte in der am IAT entwickelten und in ersten Feldern getesteten Methode der „Innovationsbiographien“ bestehen, vgl. Butzin, A./Widmaier, B.: Innovationsbiographien, in: Institut für Arbeit und Technik – Jahrbuch 2007, Gelsenkirchen 2008, S. 44 - 49.

320

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

in der dienstleistungsdominanten Gesundheitswirtschaft darstellen, ist eine offene Forschungsfrage. Und: Welche mittelfristigen Effekte sind denn durch Profilbildung, Vernetzung, Spezialisierung etc. tatsächlich zu erwarten – und wem kommen sie zugute? Wenn man einmal die Hypothese von der schleichenden Verlagerung der Steuerungskompetenz annimmt – dann stellt sich die Frage, wie institutionelle Lösungen für ein regionales Innovationsmanagement aussehen könnten, wie etwa Verhandlungsstrukturen und Verhandlungsprozesse ausgestaltet werden können, die eine (dauerhafte) Balance der unterschiedlichen Akteursinteressen ermöglichen und in übergreifenden Modernisierungsprojekten zusammenbringen. Praktisch formuliert: Wie kann der Schritt vom Marketing-Netzwerk zum (regionalen) Verhandlungssystem, in dem auch über Gewinner und Verlierer „verhandelt“ werden kann, geleistet werden? Ein dritter Fragenkomplex schließlich zielt auf die Frage nach einer regionalen „Gesundheitswirtschafts-Bilanz“, die die regionale „Gesundheitsdividende“ in ihren beiden Dimensionen, des Gesundheitsstatus wie seiner wirtschaftlichen Effekte, deutlich machen würde. Dabei geht es darum, diese Gewinne „anfassbar“, also quantitativ erfassbar zu machen, wie auch die Schwachstellen zu identifizieren, die einer „Abschöpfung“ dieser Dividende entgegenstehen. Auf dieser Grundlage könnten dann auch im Weiteren Instrumentarien und Verfahren entwickelt werden, das „Gesundheitskapital“ der Regionen im Sinne eines „asset management“ systematisch zu beobachten und neuen Bedarfslagen und technischen Möglichkeiten entsprechend anzupassen und weiter zu entwickeln. Damit regionale Aktivitäten in der Gesundheitswirtschaft nicht nur als Strohfeuer oder als Legitimationsfassade strukturpolitischer Förderprogramme enden, muss entlang der skizzierten Fragestellungen das Wissen um die Funktionsweise, die Chancen und Grenzen institutioneller Lösungen und Clusterstrategien in der Gesundheitswirtschaft zukünftig also noch deutlich erweitert werden.

12.

Bedeutung von Kreditinstituten für die Region am Beispiel der Sparkasse Vorpommern

Jürgen Hahn: Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Vorpommern

12.1

Einleitung

Um die Bedeutung von Kreditinstituten für die Region herauszustellen, muss zunächst auf deren Unterschiede eingegangen werden, denn das regionale

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

321

Engagement der Kreditinstitute weicht erheblich voneinander ab, was in der generellen Ausrichtung der Institutsgruppen begründet liegt. Charakteristisch für den deutschen Bankensektor ist die 3-Säulen-Struktur, die Aufteilung des Marktes unter den privaten, genossenschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Banken. Private Banken orientieren sich grundsätzlich an der Gewinnmaximierung, Hauptphilosophie der Genossenschaftsbanken ist die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft der Mitglieder297. Öffentlich-rechtliche Kreditinstitute stehen in öffentlicher Trägerschaft und erfüllen Aufgaben, die per Gesetz vorgegeben sind. Darst. 1: 3-Säulen-System des Bankwesens

Ursprung

Kreditbanken Privatbankhäuser des 18. und 19, Jahrhunderts sowie die zur Deckung des im 19. Jahrhundert stark wachsenden Kapitalbedarfs gegründeten Aktienbanken

Kreditgenossenschaften Gründung durch Handwerker, Kleingewerbetreibende und Bauern seit Ende des 18. Jahrhunderts, um ihre Kreditversorgung zu verbessern (Prinzip der Selbsthilfe)

Einzelfirmen und Per- Genossenschaften eG sonengesellschaften – beide zusammengefasst Rechtsform als „Privatbankiers“ – sowie Kapitalgesellschaften (überwiegend als AG)

Sparkassen kommunale, zum Teil auch private Gründungen (wohltätige Vereinigungen) gegen Ende des 18. Jahrhunderts, um den ärmeren Bevölkerungsschichten die sichere und verzinsliche Anlage ihrer Spargelder zu ermöglichen überwiegend öffentlichrechtliche Anstalten; wenige, sog. „freie Sparkassen“

Quelle: Hein, Manfred: Einführung in die Bankbetriebslehre, 2. Aufl., München 1993, S. 14-15.

Insgesamt ist ein funktionierendes Bankensystem für eine moderne Volkswirtschaft unerlässlich. Neben der Organisation und Erleichterung der Finanzströme mit der Bereitstellung von Bargeld und des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sowie der Weiterleitung von Ersparnissen zur Investitionstätigkeit tragen die von den Kreditinstituten erbrachten Finanzdienstleistungen beachtlich zur Wertschöpfung bei, und dies relativ stabil und sich über einen längeren Zeitraum auswirkend. Im folgenden Beitrag wird auf die Bedeutung der Sparkasse Vorpommern für die Region eingegangen. Das Institut ist mit einem relativ großen Geschäftsgebiet von Ahlbeck bis auf den Darß sehr eng mit der Region Vorpommern verbunden. 297 Vgl. § 1 Genossenschaftsgesetz

322

12.2

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Öffentlicher Auftrag der Sparkassen

Der sog. öffentliche Auftrag der Sparkassen in Mecklenburg-Vorpommern ist in § 2 Abs.1 des Sparkassengesetzes M-V verankert. Sparkassen haben die Aufgabe, in ihrem Geschäftsgebiet: ÿ auf Grundlage der Markt- und Wettbewerbserfordernisse den Wettbewerb zu stärken, ÿ die angemessene und ausreichende Versorgung aller Bevölkerungskreise und insbesondere des Mittelstandes mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen sicherzustellen. Sie unterstützen die Aufgabenerfüllung der Kommunen im ÿ wirtschaftlichen, ÿ regionalpolitischen, ÿ sozialen und ÿ kulturellen Bereich. Während sich die Geschäftsbanken in den vergangenen Jahren zunehmend aus der Fläche zurückgezogen haben, sind die Sparkassen weiterhin vor Ort – auch in schlechten Zeiten. Dies unterstützt die Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen in der Region. Dabei fließen keinerlei staatliche Subventionen und Transfers. Somit nehmen Sparkassen auch wichtige gesellschaftspolitische Aufgaben wahr.

12.3

Erfüllung des öffentlichen Auftrages und Bedeutung für die Region

Die Sparkassen haben in mehrfacher Hinsicht eine nachhaltige Bedeutung für die Region: ÿ Kreditinstitute sind verlässliche Steuerzahler. So wurden bei der Sparkasse Vorpommern in 2007 rund 9,7 Mio. € abgeführt (rd. 2,9 Mio. € Körperschaftsteuer, rd. 2 Mio. € Gewerbesteuer und rd. 4,8 Mio. € Lohnsteuer). Die Sparkassen-Finanzgruppe zählt nicht nur zu den verlässlichsten, sondern auch zu den größten Steuerzahlern in Deutschland. ÿ Sparkassen bieten qualifizierte Beschäftigung und Ausbildung. In vielen Regionen, so auch in Vorpommern gehören sie zu den wichtigsten Arbeitgebern. Darüber hinaus sichern sie indirekt mehrere tausend Arbeitsplätze in Tochterunternehmen sowie bei Lieferanten und Dienstleistern. Bei der Sparkasse Vorpommern stehen 664 Menschen

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

323

in Arbeit. Mit insgesamt 33 Auszubildenden sorgen wir auch für kompetenten Nachwuchs in den eigenen Reihen. ÿ Die Sparkassen bieten in der Region flächendeckend Finanzdienstleistungen und sichern die Bargeldversorgung. Sie sind wichtige und zuverlässige Partner für die Privaten Haushalte sowie die mittelständische Wirtschaft in der Region. Die Sparkasse Vorpommern betreut mit 50 Finanzdienstleistungsfilialen (FDL), 19 Kompetenzcentern sowie 16 Selbstbedienungsfilialen breite Bevölkerungsschichten mit modernen Geld- und Kreditgeschäften. Von unseren 664 Mitarbeitern sind 244 in der Beratung tätig. In den erwähnten Kompetenzcentern halten wir hervorragend ausgebildete Vermögensanlage-, Firmenkundenund Immobilien-Berater vor.

12.4

Bedeutung für den Mittelstand

Die Sparkasse ist der Finanzierungspartner der kleinen und mittleren Unternehmen, versorgt sie mit frischem Geld, insbesondere bei der Finanzierung von Investitionen, die regelmäßig durch heimische Unternehmen realisiert werden. Was leisten die Kreditinstitute vor Ort für die regionale Wirtschaft? Die Sparkassen haben seit jeher eine enge, partnerschaftliche Bindung zum regionalen Mittelstand. Diese haben sie nie aufgegeben und selbstverständlich werden sie diese besondere Beziehung auch in Zukunft weiter pflegen. Das gilt für den kleinen Handwerksbetrieb, für das verarbeitende Gewerbe, für den Handel oder für Dienstleistungsunternehmen. Die Kreditinstitute vor Ort sind Auftraggeber für kleine und mittlere Unternehmen, beispielsweise für das Handwerk in der Region. Der größte Teil der Sachkosten der Sparkasse Vorpommern in Höhe von ca. 26 Mio. € in 2007, z. B. für Bau-, Wartungs- und Instandsetzungsleistungen einschließlich angrenzender Dienstleistungsbereiche oder für EDV und Sicherheitstechnik, wurde in die heimische mittelständische Wirtschaft investiert. Ein Grundsatz ist, Aufträge nach Möglichkeit an Unternehmen im Geschäftsgebiet, vorzugsweise an eigene Kunden zu vergeben. Die Sparkassen sind die Hausbank „Nummer Eins“ des Mittelstandes. 59,3 % aller Mittelständler haben eine Bankverbindung bei der Sparkasse. 45,0 % bezeichnen die Sparkasse als ihre Hauptbankverbindung. Warum ist dies so? ÿ Die Sparkassen agieren auf einem begrenzten regionalen Markt und treffen dort ihre Entscheidungen, rechtlich und wirtschaftlich selbständig und unabhängig. Insofern ergibt sich die sehr enge Bindung zu den lokalen Gewerbe- und Firmenkunden fast automatisch. Aufgrund

324

Kapitel IV: Praktikerbeiträge ihrer lokalen Präsenz kennt eine Sparkasse ihre Kundschaft besonders gut. Die Geschäftsbeziehungen sind oftmals über Jahre oder sogar Jahrzehnte gewachsen. Die Sparkasse kann deshalb auf der einen Seite Kreditrisiken besser einschätzen. Auf der anderen Seite kann sie aber auch den Geschäftsabschluss vor Ort schnell und unkompliziert regeln.

ÿ Durch die dezentrale Struktur der Sparkassen-Finanzgruppe ist keine langwierige Abstimmung mit übergeordneten Entscheidungsgremien erforderlich. Wohl aber kann es im Interesse einer ausgewogenen Risikopolitik/-struktur liegen, größere Engagements konsortialiter einzugehen. Die Sparkassen binden dabei die jeweils zuständige oder auch eine frei gewählte Landesbank ein. Darin liegt eine weitere Stärke des Sparkassen-Finanzverbundes, denn das einzelne Haus ist in einen komplexen arbeitsteiligen Verbund integriert. Das heißt, alle Sparkassen können trotz ihrer dezentralen Struktur die gesamte Bandbreite der kreditwirtschaftlichen Produkt- und Dienstleistungspalette auf einem qualitativ hochwertigen Niveau anbieten. ÿ Der Kreditbestand bei Unternehmenskunden lag bei der Sparkasse Vorpommern Ende 2007 bei 764 Mio. €. Kreditneuausreichungen erfolgten allein in diesem Bereich i. H. v. 135 Mio. €, womit erneut die Verantwortung für Land und Leute wahrgenommen und ein wesentlicher Beitrag zur Prosperität und Stabilisierung der Region geleistet wurde. Die Kaufkraft konnte durch Kreditneuausreichungen „über alles“ i. H. v. 195 Mio. € gestärkt werden. Unser Kreditbestand liegt bei rund 1,4 Mrd. €. ÿ Die Firmenkundenberater sind in der Lage, zuverlässig Geschäftsideen, Konzepte, Jahresabschlüsse etc. zu beurteilen und erforderlichenfalls Kontakte zur weiteren Meinungsbildung herzustellen. Es wird durchaus als Verpflichtung angesehen, „spinnerte“ Ideen richtig zu kanalisieren, damit der Partner möglichst keinen Schiffbruch erleidet. Sie beraten den Mittelständler in Sachen „Basel II“; hier nicht zuletzt bei den Möglichkeiten zur Erzielung eines guten Ratings, oder bei Fragen der Unternehmensnachfolge.

12.5

Bedeutung der Kooperationen für die Region

Zur Erfüllung unseres öffentlichen Auftrages und unseres eigenen Selbstverständnisses haben wir die „Kooperation für Vorpommern“ ins Leben gerufen und sind direkte Kooperationen mit Partnern aus unterschiedlichen Branchen und Institutionen eingegangen.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

325

Aufgrund unserer Wirtschaftskraft (zweitgrößte Sparkasse in MecklenburgVorpommern) und der Präsenz von Filialen in der Fläche in der hervorragenden Lage, Verbindungen zwischen den Unternehmen, wissenschaftlichen Einrichtungen, Institutionen und Gruppen der Region herzustellen. Unser Standing macht uns das notwendige Entré regelmäßig leicht. Es fällt uns also nicht schwer, Querverbindungen und Partnerschaften („Connections“) zu schaffen. Im Folgenden soll die Bedeutung solcher Kooperationen herausgestellt werden: ÿ Die Sparkasse Vorpommern hat – wie bereits erwähnt – vor Jahren die „Kooperation für Vorpommern“ ins Leben gerufen, um unter diesem Leitmotiv für Vorpommerns Einwohner und Unternehmer zukunftsweisende Entwicklungen mitzugestalten. Wir haben Unternehmen, Organisationen und Verbände zusammengebracht, um durch offene Kommunikation, regen Erfahrungsaustausch und Entwicklung gemeinsamer Lösungsansätze den konjunkturellen Aufschwung im Land zu begünstigen. Die Sparkasse Vorpommern sieht ihre Rolle dabei als Mittlerin zwischen den jeweiligen Interessen und als Ansprechpartner aller für Wirtschaft und Lehre Verantwortlichen, natürlich auch als attraktiver Geschäftspartner. ÿ Die Sparkasse Vorpommern unterhält seit knapp acht Jahren mit 10 weiteren Grenzlandsparkassen in Frankfurt (Oder) das DeutschPolnische Kooperationsbüro der Sparkassen. Diese Auslandsplattform in Frankfurt hat sich die Erschließung des grenzüberschreitenden Marktes auf die Fahnen geschrieben, kümmert sich intensiv, und mittlerweile sehr erfolgreich, um den Ausbau der Wirtschaftskontakte ins Nachbarland. Sie betreut gemeinsam mit uns Auslandsvorhaben unserer Kunden. Gern greifen wir auch auf die Hilfe des Büros zurück, wenn es darum geht, unsere Kontakte nach Stettin zur dortigen Schwesterorganisation, der PKO Bank Polski SA, sprachlich zu begleiten. Einst durch uns direkt und nun über das Deutsch-Polnische Kooperationsbüro erfolgt zudem die finanzielle Unterstützung der erfolgreichen Initiative der IHK zu Neubrandenburg „Wirtschaftshaus in Stettin“. ÿ Wir sind zusammen mit der Hansestadt Greifswald sowie der Nokia Siemens Networks GmbH Hauptgesellschafter der Technologiezentrum Fördergesellschaft mbH Vorpommern (TZV). ÿ Gemeinsam mit der Hansestadt Greifswald und den Landkreisen Ostvorpommern und Nordvorpommern tragen wir die Wirtschaftsfördergesellschaft Vorpommern mbH und sind deren Hauptfinanzier. ÿ Wir arbeiten eng mit der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald (EMAU) und seit 2006 auch der Fachhochschule Stralsund

326

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

zusammen und sind deren offizieller Förderer. In den jeweiligen Kooperationsverträgen von März 2000 bzw. Mai 2006 formuliertes Ziel ist u. a. die Förderung der Verbindungen in den Ostseeraum, ins Baltikum, speziell nach Polen. Die Kooperation soll vor allem durch gegenseitigen Informationsaustausch sowie durch Projektzusammenarbeit realisiert werden. Projekte werden von der Sparkasse finanziert bzw. mitfinanziert und in Form von wissenschaftlichen Arbeiten der Studierenden und des wissenschaftlichen Personals realisiert. Wir unterstützen den Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften an der EMAU Greifswald. Ziel ist es u. a., die Universität und die heimische Wirtschaft für eine noch intensivere Zusammenarbeit zu gewinnen. Regelmäßig werden in unserem Konferenzcenter Fachvorträge von Universitäts-Dozenten gehalten, an denen unsere Firmenkunden und Akteure der regionalen Wirtschaft teilnehmen. An diesen Aufzählungen zeigt sich der aktive Beitrag der Sparkasse Vorpommern die Region Vorpommern wirtschaftlich und gesellschaftlich voranzubringen. Deshalb engagieren wir uns stark gesellschaftspolitisch. Wir wollen Menschen ermutigen, gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und jede Form von Gewalt aktiv zu werden. So fand am 23.05.2007 in Greifswald die von uns ausgerichtete und hochkarätig besetzte Veranstaltung „Unternehmer gegen Rechts“ statt, die mit einer einstimmig verabschiedeten Resolution endete. Genau ein Jahr danach, im Mai 2008, initiierte die Sparkasse Vorpommern eine „Aktionswoche gegen Rechts“ mit dem abschließenden „SCORPIONS“Konzert als Highlight. Die Events dieser Woche sollten ein Zeichen setzen und das Bewusstsein für Toleranz im Alltag schärfen. Solche Initiativen sind auch ein Teil unserer Kooperation für Vorpommern, denn die Neonazis schaden unserem Bundesland erheblich. Das macht sich in der Außenwirkung von Mecklenburg-Vorpommern längst bemerkbar. Es besteht die Gefahr, dass Touristen und Investoren abgeschreckt werden und somit die Wirtschaftskraft der Region dadurch leidet. Erfreulich ist auch, dass viele Mitarbeiter der Sparkasse Vorpommern in Aufsichtsräten, Vereinen, Institutionen und Initiativen ehrenamtlich eine sehr gute Arbeit leisten.

12.6

Bedeutung der Gemeinwohlorientierung

Ein typisches Merkmal für Sparkassen ist deren ausgeprägte Gemeinwohlorientierung, denn auch die Gewinne der Sparkassen kommen den Menschen in der Region unmittelbar zugute. „Nicht zur Stärkung der eigenen Rücklagen benötigte Gewinne verwenden Sparkassen für Zwecke des Gemeinwohls“, so

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

327

steht es in den Leitlinien, die zum Deutschen Sparkassentag 2007 in Bochum verabschiedet wurden. Einbehaltene Gewinne sind aber für die Sparkassen die einzige Möglichkeit, Eigenkapital zu bilden und damit ihr Wachstum selbst zu finanzieren. Im Umkehrschluss heißt das: Das gesellschaftliche Engagement für Bürger, Kommunen und Regionen darf die eigene Stabilität der Sparkasse nicht gefährden. Beide Ziele sind also sorgfältig auszutarieren. ÿ In den letzten Jahren gestattete uns die gute wirtschaftliche Entwicklung des Hauses eine gewisse Großzügigkeit in Form von Zuwendungen für gemeinnützige Zwecke, für Kunst, Kultur, Wissenschaft, Sport und Gesellschaft. Projekte und Aktivitäten zur Linderung sozialer Notlagen sowie die Kinder- und Jugendarbeit nehmen dabei einen hohen Stellenwert ein. So ist die Sparkasse Vorpommern auch Initiator, Administrator, dauerhafter Spender und Mitglied der Greifswalder Tafel. Dreimal pro Woche werden zwischen 1.000 und 1.200 Lebensmittelbeutel ausgegeben. Fünfmal die Woche ist eine warme Mahlzeit im Angebot. Auch die anderen Tafeln in unserem Geschäftsgebiet wurden bereits mehrmals finanziell bedacht, regelmäßig zu „Nikolaus“. ÿ Die Sparkassen-Finanzgruppe ist der größte deutsche Stifter. Sie unterhält über 600 Stiftungen mit mehrheitlich regionaler Bindung .In Zahlen sah das diesbezügliche Engagement der Sparkasse Vorpommern in 2007 wie folgt aus: Gemeinsam mit unserer Stiftung für Wissenschaft, Kultur, Sport und Gesellschaft sowie den Ausschüttungen der PS-Lotterie der Sparkassen, dem sog. PS-Zweckertrag, stellten wir annähernd 710 T€ für über 340 Projekte und Anliegen zur Verfügung. U. a. stellen gemeinsam unsere Stiftung (82 T€), der OSV (72 T€), der DSGV (153 T€) sowie der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft (153 T€) die Mittel für eine Stiftungsprofessur an der EMAU zur Verfügung. Begünstigt wird der Lehrstuhl für „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Internationales Finanzmanagement bzw. Internationale Kapitalmärkte“ über einen Zeitraum von fünf Jahren (2003 – 2008) mit einem sich aus vorstehenden Einzelbeiträgen ergebenden Volumen von rund 460 T€. Seit 1999, dem Jahr der großen Sparkassenfusion, haben wir über 2.200 Projekte mit insgesamt 5,7 Mio. € gefördert. Ohne die Spenden- und Sponsoringbeiträge der Sparkasse Vorpommern würde sich wohl vieles in unserem Landstrich „nicht mehr drehen“.

12.7

Sparkasse – ein Wirtschaftsförderer der Region

Die Ausführungen machen deutlich, dass sich die Sparkasse Vorpommern auch in gewisser Weise als Wirtschaftsförderer der Wirtschaftsregion Vor-

328

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

pommern versteht. Denn die wesentlichsten Ziele, Aufgaben und Anliegen, die ein gemeinnütziges Geldinstitut zum Wohle der Region verfolgt, sind: ÿ die Versorgung der Bevölkerung mit allen geld- und kreditwirtschaftlichen Dienstleistungen, ÿ die Privatkunden und der Mittelstand als primäre Zielgruppen, ÿ die Ortsnähe als zentrale Unternehmensphilosophie, ÿ das gesellschaftspolitische Engagement, ÿ das Spenden- und Sponsoringengagement ÿ und die Initiierung und Förderung von Kooperationen zur Stärkung der Unternehmen und sonstigen Akteursgruppen in Vorpommern. Im Gegensatz zu den privatwirtschaftlichen Banken steht die Gewinnmaximierung nicht im Vordergrund, so dass aufgrund der Gemeinwohlorientierung der Sparkassen eher wirtschaftsfördernde Maßnahmen in Kooperation mit unterschiedlichen regionalen Akteuren realisiert werden können und es vielfach zu einer „Win-win-Situation“ kommt. Die Region, sprich ihre Bürger und ihre Unternehmer, sind die Gewinner und Nutznießer einer solchen Unternehmensphilosophie.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

13.

329

Gründung und Entwicklung der RIEMSER Arzneimittel AG

Norbert Braun: CEO und Gründer der RIEMSER Arzneimittel AG, Inhaber der BBG Braun Beteiligungs GmbH

13.1

Der Weg zur Insel Riems – vom Manager zum Unternehmer

Die Gründe Unternehmer zu werden sind vielfältig. Klassische Voraussetzungen sind innovative Ideen für Dienstleistungen, Fertigungstechniken und Produkte. Desweiteren sind Nachfolgeregelungen (sowohl familienintern als auch -extern) und Outsourcing sowie Management-Buy-Out Möglichkeiten, einen Karrierebeginn als Unternehmer zu starten. Neben meiner Hauptaktivität in leitenden Funktionen der Bereiche Marketing, Vertrieb und Geschäftsführung in Betrieben der Pharmabranche (Anzag, Merz und Ciba-Geigy ‡ heute Novartis) beschritt ich im Jahr 1984 den Weg des Unternehmers mit der Gründung der Palmicol GmbH in Frankfurt am Main. Der Weg zur Insel Riems war kein direkter, sondern einer von Zufällen begleiteter. Ursprünglich war angedacht, schwer verdientes Geld steuerwirksam zu investieren. Beabsichtigt war, eine vor der Insolvenz stehende Parkettfabrik in Mecklenburg-Vorpommern zu kaufen. Ansprechpartner für Übernahmeverhandlungen war die Rostocker Treuhandgesellschaft. Im Gespräch mit dem Treuhandmitarbeiter wurde ich auf die RIEMSER Tierarzneimittel GmbH (RTAM) auf der Insel Riems aufmerksam gemacht.298 Ursprünglich hatte sich die Bayer AG für die Übernahme entschieden. Wenige Tage vor meinen Besuch bei der Treuhand war die Bayer AG aus einer monatelang vorbereiteten Übernahme ausgestiegen, weil sie ihr europäisches Produktionskonzept kurzfristig geändert hatte. Riems stand vor einer Schließung. Im Ort herrsche das blanke Entsetzen, zumal zu dem Zeitpunkt auch davon ausgegangen wurde, dass das Friedrich-Löffler-Institut (FLI) nach Tübingen in den Westen verlagert wird. Ein glücklicher Zufall führte also dazu, dass Ende 1992 die Privatisierung der RTAM durch die Treuhand an die Palmicol GmbH erfolgte. Später wendete sich auch das Schicksal des FLI zum Guten. Überraschend entschied man sich für die bundesdeutsche Zentrale in Riems statt in Tübingen. Dieser Erwerb war der Startschuss für ein nachhaltig wachsendes Unternehmen. Durch eine Diversifikationsstrategie und betriebliche Zukäufe entstand 298 Die Riemser Tierarzneimittel GmbH wurde 1990 aus dem 1910 gegründeten Friedrich-Loeffler-Institut Insel Riems als erstes Tierseuchenforschungsinstitut der Welt ausgegründet. 1997 kam es zur Verschmelzung der RTAM mit der Muttergesellschaft Palmicol zur RIEMSER Arzneimittel GmbH und Sitzverlegung der Muttergesellschaft nach Greifswald – Insel Riems.

330

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

die Unternehmensgruppe der Braun Beteiligungs GmbH (BBG). Die Struktur der BBG verdeutlicht Darstellung 1. Die besondere Rolle der RIEMSER Arzneimittel AG innerhalb der Braun Beteiligungs GmbH wird im Folgenden verdeutlicht. Darst. 1: Struktur der Braun Beteiligungs GmbH Braun / Braun Beteiligungs GmbH Riemser Arzneimittel AG (Pharmazie)

Food

Pharmazie

weitere Segmente

Quelle: Eigene Darstellung

13.2

Entwicklung heißt Wachstum: gesund und nachhaltig

Unternehmensentwicklung heißt in erster Linie Wachstum. Doch sind die Begrifflichkeiten nicht allein auf zu bilanzierende Gewinne des Kapitals abzustellen. Dynamische Entwicklung heißt vor allem auch Vorsprung durch Innovation, Know-how, ständige Optimierung der Prozesse und die damit einhergehende Verbesserung der Profitabilität. Deshalb ist neben der gesunden Kapitalausstattung vor allem der Einsatz und Ausbau von hoch motivierten sowie sehr gut ausgebildeten Personal die Basis jeder Wachstumsstrategie. Doch mit der Unternehmensentwicklung „wächst“ auch die unternehmerische Verantwortung für die Bereiche Personal, Soziales und Umwelt. Als Unternehmer trägt man eben auch eine Verantwortung für die Region. Darstellung 2 gibt einen Überblick über 97 Jahre Unternehmensentwicklung.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

331

Darst. 2: Die Entwicklung der RIEMSER Arzneimittel AG

1910 Gründung des heutigen Friedrich-Loeffler-Instituts Insel Riems (FLI) als erstes Tierseuchenforschungsinstitut der Welt 1984 Gründung der Palmicol GmbH in Frankfurt am Main 1990 Ausgründung der RIEMSER Tierarzneimittel GmbH (RTAM) aus dem FLI 1992 Privatisierung der RTAM durch die Treuhand an die Palmicol GmbH 1996 Fertigstellung des GMP-Produktionsneubaus auf Riems 1997 Verschmelzung der RTAM mit der Muttergesellschaft Palmicol GmbH zur RIEMSER Arzneimittel GmbH und Sitzverlegung der Muttergesellschaft nach Greifswald – Insel Riems

1998 Übernahme von über 200 Präparaten und Arzneimittelzulassungen von GlaxoSmithKline, Knoll-Abbott, Johnson & Johnson, Solvay, Lichtwer und Wyeth

2000 Erwerb des Leipziger Arzneimittelwerks von Wyeth 2001 Umwandlung der Firma in RIEMSER Arzneimittel AG 2002 Kauf bzw. Übernahme der Aktiva mehrerer Unternehmen, darunter BIOGLAN Pharma GmbH Gießen, RÖSCH AG Berlin und Dr. Herbrand KG Gengenbach

2004 Akquisition weiterer Präparate, u.a. Kauf der Arzneimittel K.H. 3, Vancomycin Enterocaps® (oral) und Injektion von Lilly Pharma, Übernahme der Aktiva der SANAVITA AG & Co., Werne

2006 Übernahme der FATOL Arzneimittel GmbH in Schiffweiler im Saarland (internationaler Spezialist für Tuberkulose), Beteiligung mit 51 % an der Bionic Solution Management GmbH (BSM) in Greifswald (Hitzetherapie bei verschiedenen Hautproblemen und Insektenstichen)

2007 Kauf der internationalen Rechte für die Herz-Kreislauf –Präparate Ismo®, Lanitop®, Lanicor®, Spirocatan, Sali-Spiroctan und Aldactone® von Hoffmann-La Roche in Basel, großer Schritt zur Internationalisierung des Unternehmens; Integration des Geschäftsfeldes Bionic Solution Management GmbH (BSM)

Quelle: Eigene Darstellung

Für die Strategieausrichtung des Unternehmenswachstums ist die Analyse der potenziellen Absatzmärkte grundlegend. Die Betrachtung darf sich daher nicht nur auf heimisch regionale Märkte richten, vielmehr müssen die Vorzüge der Internationalisierung erkannt werden. Dementsprechend gilt es die Veränderung vor Ort und weltweit zu analysieren, um wichtigen Faktoren wie z.B. demografische Veränderungen, sich entwickelnde Regionen und ihre Rahmenbedingungen zu bewerten sowie die Wachstumsstrategie darauf auszurichten. Grundsätzlich sind Zukäufe für eine positive Unternehmensentwicklung sinnvoll, sie sollten aber die bestehenden Geschäftsfelder und Strukturen erfolgswirksam ergänzen. Vier mögliche Chancen sinnvoller betrieblicher Ergänzungen zeigt die Darstellung 3.

332

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Darst. 3: Vier Chancen, die Firma sinnvoll zu ergänzen neue Technologie zukaufen

Deckungsbeiträge zukaufen

neue Standorte zukaufen

neue Märkte zukaufen

Quelle: Eigene Darstellung

Auch im Jahr 2008 wurde die bisherige Wachstumsstrategie fortgesetzt. Folgende Beteiligungen bzw. Zukäufe dokumentieren dies exemplarisch: ÿ Rentschler Pharma GmbH (100 Mitarbeiter) ÿ Dentalsparte der curasan AG für 15 Mio. € (40 Mitarbeiter) ÿ Hanseatischer Fine Food Service GmbH (50 Mitarbeiter) ÿ Thomsen High-tec GmbH in Sanitz (20 Mitarbeiter) ÿ Metall- und Anlagenbau Nord GmbH in Greifswald (50 Mitarbeiter) Bei Transaktionen wird grundsätzlich darauf geachtet, dass die Strategie der gesunden und nachhaltigen Unternehmensentwicklung nicht vernachlässigt wird. Gerade in der Pharmabranche heißt das, auf der einen Seite eine Nischenstrategie für erfolgsversprechende Produkte zu verfolgen und auf der anderen Seite das Unternehmen stärker im Ausland zu positionieren, um langfristig unabhängiger von Einzelmärkten (Deutschland) zu sein und dadurch das Risiko zu minimieren.299 Hierbei gilt es, wie in jeder anderen Branche auch, den Bereich der Forschung und Entwicklung frühzeitig in die jeweilige Ausrichtung zu involvieren, sodass eine nachhaltige Unterstützung gewährleistet ist.300 Bezogen auf die Produkte und Organisationsstrukturen ist es wichtig, so zu diversifizieren, dass bestehende Geschäftsfelder sinnvoll ergänzt werden. Diese Vorgehensweise ist auch der unternehmerischen Verant299 Die RIEMSER Arzneimittel AG hat 2008 einen Exportanteil von ca. 40 % in 80 Ländern der Welt. 300 Heute beträgt der F&E-Aufwand ca. 10 % des Umsatzes. Der Fokus liegt überwiegend in der Entwicklung und nicht in der teuren und risikobehafteten Forschung.

333

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

wortung geschuldet, das Unternehmen zukunftssicher zu gestalten und somit Arbeitsplätze zu sichern. Darstellung 4 zeigt die Unternehmensentwicklung der RIEMSER Arzneimittel AG. Anhand der Kennzahlen von 1992 bis 2005 ist zu sehen, dass nicht eine „Heuschrecken-Strategie“ verfolgt wird, sondern mit wachsenden Umsätzen auch die Anzahl der Arbeitsplätze steigt (mitunter auch überproportional).301 Darst. 4: Kennzahlenübersicht der Unternehmensentwicklung der RIEMSER Arzneimittel AG der Jahre 1992 - 2005

Umsatzerlöse Ebitda Mitarbeiter

1992

1998

2000

2004

2005

1,3 Mio. €

5,4 Mio. €

22,9 Mio. €

41,0 Mio. €

44,0 Mio. €

+ 0,1 Mio. € + 1,2 Mio. €

+ 5,8 Mio. € + 8,2 Mio. € + 12,0 Mio. €

30

40

167

350

380

Verbindlichkeiten ggü. Banken *)

-

5,8 Mio. €

14,6 Mio. €

19,5 Mio. €

13,0 Mio. €

Anteilskapital der Familie Braun

100 %

84 %

84 %

84 %

84 %

1,3 Mio. €

10,4 Mio. €

24,5 Mio. €

44,5 Mio. €

44,0 Mio. €

Eigenkapitalquote

87 %

29 %

30 %

27 %

33 %

Ausgaben F & E

-

0,4 Mio. €

0,5 Mio. €

4,5 Mio. €

5,0 Mio. €

Bilanzsumme

*) per 31.12. Quelle: Eigene Darstellung

Ohne motiviertes Personal ist ein Wachstumskurs nicht zu realisieren. Eine nachhaltige Entwicklung lebt von den Triebkräften Innovationen und überdurchschnittliches Know-how der Belegschaft. Deshalb können Geschäftsbereiche nur gesund wachsen, wenn zusätzlich Personal eingestellt wird, das sich mit professionellem Wissens- und Handlungsgeschick neuen erfolgsversprechenden Aufgaben widmet. Doch Personal aufbauen reicht auf Dauer nicht, um Nachhaltigkeit in allen Belangen zu erzielen. Die Kunst besteht darin, Mitarbeiter langfristig an sich binden und so eine Vertrauenskultur im Unternehmen aufzubauen. Langfris301 In 2007 betrug der Umsatz der Braun Beteiligungs GmbH ca. 200 Mio. € mit ca. 1250 Mitarbeitern, davon waren allein im Bundesland MV 700 Mitarbeiter beschäftigt.

334

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

tige Bindung heißt in erster Linie: „Vermeide befristete Arbeitsverträge und schenke Vertrauen.“ Hohe Fluktuationsraten vermiesen nicht nur das Personalmarketing und verschlechtern die Produktivität, sondern sind vor allem teuer. Also muss eine erfolgreiche Personalstrategie sich auf hochwertige Rekrutierung und langfristige Bindung fokussieren. Desweiteren sind zusätzliche Sozialleistungen (wie z.B. betriebliche Altersvorsorge), Zuwendungen zu Jubiläen, eine gute betriebliche Mitbestimmung (Betriebsrat), die Möglichkeit von ausreichend Freizeitwert (höhere Anzahl von Urlaubstagen als gesetzliches Minimum) und umfassende Gesundheits- sowie Arbeitsschutzmaßnahmen hilfreich, das Personal zu motivieren. Ein letzter aber nicht unwesentlicher Punkt in Zusammenhang mit Wachstum, ist die schon erwähnte unternehmerische Verantwortung. Zum einen soll so verantwortlich geschäftlich agiert werden, dass das Wohl des Unternehmens nachhaltig gesichert wird. Zum anderen darf das Wachstum eines Unternehmens nicht auf Kosten der direkten und indirekten betrieblichen Umwelt generiert werden. Das heißt natürlich in fairer und gesunder Manier geben und Nehmen. Für forschende und produzierende Betriebe sollte der Umweltschutz eine große Rolle spielen, um einen Einklang zwischen Wirtschaft und Natur zu erzielen. Grundsätzlich dürfen in Anspruch genommene Umweltressourcen nicht ohne Ersatz- oder Reparaturansätze302 gebraucht werden. Aber nicht nur Maßnahmen im Nachhinein sind der unternehmerischen Verantwortung geschuldet, vor allem präventive Schutz- und Optimierungsmaßnahmen303 sollten Gegenstand der operativen Überlegungen sein. Engagiert sich der Unternehmer zusätzlich sozial sowie kulturell,304 dann wird er sowohl seiner Verantwortung als Mitglied der Gesellschaft gerecht und schafft somit eine solide Basis für allgemeine regionale Entwicklung rundum das Unternehmen.

13.3

Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Entwicklung

Wie vorangegangen beschrieben ist das Personal eines Unternehmens ein wichtiger Bestandteil beim Wachstum und der wichtigste Erfolgsfaktor. Ein zielorientiertes, harmonisches Team sorgt für Erfolg und ist Garant für eine nachhaltige Entwicklung. Dabei kommt es nicht auf individuelle Einzelkämpfer an, sondern auf die Personalgesamtheit als Team. Eine funktionierende und sich ergänzende Einheit ist ausschlagegebend für unternehmerischen Erfolg. Auch die Familie ist ein starkes Team. Denn ohne die Unterstützung meiner 302 So z.B.: Recycling und Abfallmanagement, Abwasser- und Brauchluftbehandlung bzw. -beseitigung. 303 So z.B.: Lärmschutz, Emissionsschutz, energiesparende Maßnahmen 304 Die RIEMSER Arzneimittel AG stellte 2007 einen Betrag von ca. 41.500 € für die Unterstützung von Wohlfahrtsverbänden, Schulen, Sportvereinen und kulturelle Einrichtungen zur Verfügung. Zudem unterhält das Unternehmen seit 2004 das erste veterinärhistorische Regionalmuseum in MV. Das Museum ist für das öffentliche Publikum eingerichtet worden und verzeichnet fast 1.000 Besucher jährlich (Stand 2007).

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

335

Frau, als starke Partnerin in Familie und Unternehmen, wäre es nicht denkbar gewesen, eine Firma dieser Art auf- und auszubauen. Gerade ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der Medizin ergänzten sich mit meinen Kompetenzen im Bereich Marketing und Finance der Pharmabranche hervorragend. Dies war die Grundsteinlegung für die Erfolgsstory RIEMSER Arzneimittel AG. Das Know-how und der Einsatz der Angestellten sowie des Unternehmers allein reichen nicht aus, um ein positives, nachhaltiges Wachstum zu erreichen. Der Einsatz von analytischen Instrumenten zur Entscheidungsfindung für erfolgreiche Akquisitionen und zur Erarbeitung sowie Umsetzung eines strategischen (Finanz-) Management sind grundlegend. Bei den Zukäufen und Ergänzungen neuer Geschäftsfelder ist darauf zu achten, dass ein recht schneller Return on Invest erreicht wird, vor allem in der Pharmabranche. Desweiteren gilt es erwirtschaftete Gewinne sinnvoll zu reinvestieren. Soll das Ebitda synchron mit dem Umsatz steigen, ist sehr hilfreich, die Strategie der cash cow anzuwenden. Diese Strategien sind sicher nicht für alle Betriebe und Branchen geeignet. Als Unternehmer ist man sich stets des Risikos bewusst, zu scheitern. Mit der großen Bandbreite in der Produktpalette sowohl bei der RIEMSER Arzneimittel AG als auch bei der BBG wird das Risiko sinnvoll gestreut. Eine Diversifikations- sowie Nischenstrategie bedeutet aber keineswegs blind Zukäufe zu tätigen. Von der Euphorie des Neuen Marktes bin ich nicht „infiziert“ worden, sondern entschied mich bewusst gegen einen Einstieg in den Biotechnologiebereich. Dahinter steckt die Devise: „Renne dem Geld nicht hinterher, sondern gehe ihm entgegen“. Ein letzter aber nicht unwesentlicher Beitrag zu einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung leistet eine gute Vertrauenskultur zu den Stakeholdern. Geschäftspartner und Geldgeber sowie Arbeitnehmer müssen langfristig an das Unternehmen gebunden werden. Der Vertrauensauf- und -ausbau ist dabei unabdingbar. Durch gute Zahlungsmoral und starke Ebitda-Entwicklungen wird bei den Geldgebern Vertrauen geweckt. Das Stakeholderumfeld lässt sich durch Ehrlichkeit und gelebtes Zusatzengagement vertrauensvoll einbinden. In allen Lebenslagen, dies gilt auch für geschäftliche Aktivitäten, darf der Faktor Mensch nicht vergessen werden. Egal ob ein Unternehmen stark international und/oder regionalverbunden agiert, dürfen regionale, branchenbezogene und kulturell-soziale Netzwerke nicht außen vor gelassen werden. Zusätzliche „ehrenamtliche“ Engagements in Netzwerken (Verbände, Aufsichtsräte regionaler öffentlicher Institutionen etc.) sind oft zentrale Schlüssel zum Erfolg. Netzwerkarbeit bedeutet neben unternehmerischer Verantwortung auch Partnerschaften vertrauensvoll aufzubauen. So können scheinbar risikobehaftete Geschäfte durch Kreativität, Erfahrung und vor allem durch gemeinsame Problemlösungsansätze erfolgreich gestaltet werden.

336

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Der nachfolgende Geschäftsvorfall aus meiner unternehmerischen Anfangszeit soll einige vorher dargelegte Erfolgsfaktoren verdeutlichen. ÿ (1984) Kauf des Grippemittels „Basoplex“ von der Firma Bristol Myers in Frankfurt a.M. Kaufpreis: 100 T€ (inklusive Warenbestände im Wert von 100 T€) Umsatz: 100 T€ Problem: Gefahr der Verschreibungspflicht ‡ dann evtl. unverkäuflich als Grippemittel Lösung: Verschreibungspflicht durch gute Argumentation und Verbandsarbeit abgewendet Strategie: cash cow ÿ (1998) Umsatz: 50 T€ ÿ (2000) Verkauf der Zulassung (ohne Warenzeichen „Basoplex) an Stada AG in Bad Vilbel Verkaufspreis: 150 T€ Deckungsbeitrag: 650 T€ (insgesamt: ab Kauf 1984 bis Verkauf 2000) ÿ (2000) Rücklizensierung für das Produkt „Basoplex“ von der Stada AG Gebühr: 10 % vom Umsatz Deckungsbeitrag: 32,5 T€ p.a. ÿ (2003) Rückkauf der Zulassung für das Produkt „Basoplex“ von der Stada AG Kaufpreis: 30 T€ Unseren Erfolgskurs wollen wir mit dem Mitarbeiterteam der RIEMSER Arzneimittel AG auch in Zukunft verfolgen. Um Erfolg zu haben, muss man gegebenenfalls seine Unternehmensstrategien auch mal ändern. Fehler können gemacht werden. Wer Fehler eingestehen kann, ist auch eher in der Lage, die Strategien den Gegebenheiten in der Umwelt anzupassen. Deshalb setzen wir mit der BBG auf die Flexibilität die das Kennzeichen von mittelständischen Unternehmen ist. Für die RIEMSER Arzneimittel AG, mit ihren kapitalintensiven Geschäftsfeldern, wird der Weg zu einem international agierenden, börsennotierten Unternehmen geebnet. Das Know-how und das Engagement der Mitarbeiter tragen maßgeblich dazu bei, dass auch diese Entwicklungsstufe des Unternehmens gut vorbereitet erklommen wird.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

13.4

337

Die Rolle der Wirtschaftsförderung

Die Nutzung wirtschaftsfördernder Instrumente kann zweifelsohne die Unternehmensentwicklung und das Wachstum unterstützen und beschleunigen. Die Liquiditätsbereitstellung in Höhe von ca. 20 Mio. € im Zeitraum von 1996 und 2005 war ein wichtiger Baustein für die Geschäftsmodelle der RIEMSER Arzneimittel AG Mit diesen Unterstützungen konnten Geschäftsausstattungen, Investitionen in Forschung und Entwicklung erfolgreich erweitert werden. Die Bereitstellung von Liquidität durch das Land Mecklenburg-Vorpommern in Form von Fördergeldern hat dazu beigetragen, dass die BBG den jetzigen Entwicklungsstand erreicht hat. Heute spielen staatliche lediglich für den F&E-Bereich eine gewisse Rolle. Andere Instrumente der Wirtschaftsförderung, wie z.B. absatzfördernde Maßnahme oder der Weiterbildung haben für uns eher eine geringe Bedeutung. An der RIEMSER Arzneimittel AG sieht man, dass öffentliche Unterstützung mit dazu beitragen kann ein Unternehmen so zu fördern, dass es sich nachhaltig entwickelt und so qualifizierte und branchengerechte Arbeitsplätze schafft. Leistung als Unternehmer einzufordern ist die eine Sache, als Gegenleistung eine hohe Anzahl an Arbeitsplätzen zu schaffen ist nicht nur gerecht, sondern stellt die soziale Verantwortung des Unternehmers dar.305 Zwar ist eine Förderung des Staates durchaus in bestimmten Situationen sinnvoll, sie darf allerdings dabei nicht die Flexibilität, Kreativität und unternehmerische Freiheit einschränken. Für das Land MV kann ich nur großen Dank aussprechen. Meiner unternehmerischen Verantwortung bin ich mir bewusst, denn jeder gesellschaftlich nachhaltig agierende Unternehmer leistet einen Beitrag zur Regionalentwicklung.

305 2008 sind im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern ca. 700 Arbeitnehmer bei den Firmen der Braun Beteiligungs GmbH angestellt.

338

14

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Energiewerke Nord und die Entwicklung des Industriestandortes Lubminer Heide

Dieter Rittscher: Geschäftsführer Energiewerke Nord GmbH

14.1

Die Energiewerke Nord GmbH

Die Energiewerke Nord GmbH (EWN GmbH) ist für die Stilllegung und den Abbau der Kernkraftwerke Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) und Rheinsberg (Brandenburg) zuständig. Gegründet wurde die Energiewerke Nord AG – seit Herbst 1991 GmbH – Mitte des Jahres 1990 als Treuhandunternehmen und Nachfolgebetrieb des Kombinates Kernkraftwerke „Bruno Leuschner“. Es musste für die weitere Verfahrensweise zum Umgang mit den außer Betrieb genommenen KKW-Blöcken eine Grundsatzentscheidung getroffen werden. Aus technischen und beschäftigungspolitischen Gründen wurden die Stilllegung und der sofortige Abbau der kerntechnischen Anlagen gegenüber dem sogenannten „Sicheren Einschluss“ vom Unternehmen favorisiert. Damit begann nach der Sicherung des Nachbetriebes der KKW-Blöcke die große neue Aufgabe: Wie entsorgt man ein Kernkraftwerk, eigentlich sechs Kernkraftwerke? (5 KKWs in Lubmin und 1 KKW in Reinsberg) Die Planungen und die Genehmigungsanträge enthielten neben vielen technischen Einzelheiten auch Termin- und Kostenpläne. In den Bundeshaushalt wurden Rückstellungen für den Abbau der Kernkraftwerke Greifswald und Rheinsberg von insgesamt 3,2 Milliarden Euro eingestellt. Im Sommer 1995 erteilten die zuständigen Behörden (Mecklenburg-Vorpommern für Greifswald, Brandenburg für Rheinsberg) die Genehmigungen zur Stilllegung der jeweiligen Anlage.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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Seit 1. Januar 2000 ist das Bundesministerium für Finanzen 100 %iger Gesellschafter der EWN GmbH. Die Stilllegung und der Abbau der kerntechnischen Anlagen werden in den Jahren 2011/12 im Wesentlichen beendet sein. Ein kerntechnischer Reststandort in Lubmin mit dem neu errichteten „Zwischenlager Nord“ (für Kernbrennstoffe und andere radioaktive Stoffe), der „Zentralen Aktiven Werkstatt“ und der Freimessstation wird noch für Jahrzehnte bestehen bleiben. Das bundeseigene Unternehmen nutzt sein Know-how auf dem Gebiet des Abbaus von kerntechnischen Anlagen in verschiedenen nationalen und internationalen Projekten. Seit 2003 ist die EWN GmbH 100 %iger Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor GmbH (AVR) in Jülich/Nordrhein-Westfalen, die den Abbau des Hochtemperaturreaktors in Jülich zur Aufgabe hat. Ein weiteres Unternehmen, welches mit Geldern der öffentlichen Hand eine kerntechnische Anlage zurückbaut, ist die WAK Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe Rückbau- und Entsorgungs-GmbH in Baden-Württemberg. Die Energiewerke Nord GmbH ist seit 2006 auch hier 100 %iger Gesellschafter dieses Unternehmens.

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Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Darst. 1: EWN-Standorte in Deutschland

Quelle: EWN GmbH

Ein bedeutendes Projekt der EWN GmbH ist das im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie laufende Entsorgungsprojekt für

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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russische Atom-U-Boote in Murmansk. Im Rahmen von G8-Verträgen beläuft sich die Hilfe der Bundesrepublik auf 600 Millionen Euro, die in den Bau eines Langzeitzwischenlagers für Reaktorsektionen und in den Bau eines Entsorgungszentrums Saida investiert werden. Darst. 2: Abgestellte Reaktorsektionen auf dem Langzeitzwischenlager Murmansk

Quelle: EWN GmbH

14.2

Vision „Synergiepark Lubminer Heide“

Der Standort Lubmin im äußersten Nordosten des Landes wurde unter anderem für den Bau des ehemaligen Kernkraftwerkes gewählt, weil er auf Grund der Nutzung der Durchflusskühlung als Kraftwerksstandort ideale Bedingungen hatte. Für die Neuansiedlung von Industrie auf dem Gelände des KKW nach dessen Stilllegung schienen auf Grund der Lage im Nordosten unseres Landes nicht die günstigsten Voraussetzungen zu bestehen. Also musste versucht werden, aus den Gegebenheiten das Beste zu machen. Die nicht mehr benötigten Flächen der Großbaustelle Kernkraftwerk wurden beräumt. Der EWN GmbH gehören die wesentlichen Flächen rund um das Kraftwerk, und sie hat damit die Möglichkeit, diese zu veräußern. In ihren Vorstellungen von der notwendigen und möglichen Entwicklung des Standortes waren sich die EWN GmbH und die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern einig. Von Beginn an unterstützte die Landesregierung die Region in ihren Bemühungen zur Re-Industrialisierung des Standortes. In den Jahren 1998 bis 2000 wurde von der EWN GmbH und der Landesregierung eine Vision „Synergiepark Lubminer Heide“ entwickelt und auf der Expo in Hannover vorgestellt. Das Gelände um das ehemalige Kernkraftwerk wurde in der Vision mit einem Hafen ausgestattet, Kraftwerke nördlich

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Kapitel IV: Praktikerbeiträge

des Einlaufkanals sind zu sehen und weitere Industriebetriebe haben sich angesiedelt. Diese Vision galt es umzusetzen. Darst. 3: Vision 2000 „Synergiepark Lubminer Heide“

Quelle: EWN GmbH

In den Planungen der Landesregierung zur Entwicklung Mecklenburg-Vorpommerns wurde der Standort Lubmin als industrielles Zentrum betrachtet. Schon im ersten Landesentwicklungsprogramm (LEP M-V) von 1993 wurde der Bau eines konventionellen Kraftwerks am Energiestandort Lubmin favorisiert. In der Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien von Mecklenburg-Vorpommern ist von Lubmin als herausragendem Energiestandort mit dem Bau und Betrieb neuer Gas- und Kohlekraftwerke in Lubmin die Rede. Im Regionalen Raumentwicklungsprogramm Vorpommern (RREP VP) von 1998 sowie in der derzeitig laufenden Fortschreibung dieses Programms wird der „Energie- und Industriestandort Lubmin“ als einer der landesweit bedeutsamen gewerblichen und industriellen Großstandorte für Unternehmen mit einem hohen Energiebedarf und Unternehmen der Metallverarbeitung, Kraftstoff- und Energieerzeugung genannt. Weiterhin ist Lubmin als Standort für nicht auf Kernspaltung beruhende Energieerzeugung zu sichern und auszubauen.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

343

Bei der Planung und Ausweisung der Naturschutzgebiete in Vorpommern durch die Landesbehörden wurde die zukünftige Entwicklung in Lubmin berücksichtigt.

14.3

Von der Vision zur Wirklichkeit

Bei der Entwicklung des Standortes und damit bei der Schaffung der Voraussetzungen für die Ansiedlung von neuen Firmen wurde die EWN GmbH sowohl von Seiten des Gesellschafters, dem Bundesfinanzministerium, als auch von anderen Bundesministerien unterstützt. Es erfolgte und erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, dem Landkreis Ostvorpommern und den umliegenden Gemeinden sowie den regionalen Wirtschaftsverbänden. Zur Realisierung der vorgesehenen Aktivitäten wurden der Zweckverband „Lubminer Heide“ und der Zweckverband „Energie- und Technologiestandort Freesendorf“ gegründet. Mitglieder sind jeweils die drei Standortgemeinden Lubmin, Rubenow und Kröslin, denn das Gelände der Energiewerke Nord GmbH liegt auf den Flächen dieser Gemeinden. Die Zweckverbände haben mit der EWN GmbH städtebauliche Verträge abgeschlossen, in denen die Anschlussfinanzierungen und die Zuständigkeiten für die planerischen und baulichen Aktivitäten am Standort und zum weiteren Ausbau der Infrastruktur geregelt wurden. Was ist schon alles geschafft? Durch die Lage im äußersten Nordosten unserer Republik und an der Ostsee ist die Verbesserung der logistischen Anbindung ein entscheidender Faktor für die Entwicklungschancen des Standortes. Bis zum Jahr 2004 wurde der ehemalige Auslaufkanal des Kraftwerkes nach Antragstellung durch den Zweckverband „Lubminer Heide“ und Genehmigung dieser Maßnahme zu einem neuen optimierten Auslaufkanal/Industriehafen ausgebaut. Der Bau wurde von den beteiligten Unternehmen, den Behörden des Landkreises und des Landes Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam vorangetrieben. Es erfolgte eine Förderung über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur“, Antragsteller war der Zweckverband „Energie- und Technologiestandort Freesendorf“. Der Hafen erhielt im Sommer 2006 seine Betriebserlaubnis. Dieses Vorhaben wurde finanziert über Landesfördermittel und über Vorschüsse der EWN GmbH, die ihr eingesetztes Geld durch den Verkauf der Grundstücke und über die Beteiligung der Investoren refinanziert. Der Hafen ist nach Fertigstellung in das Eigentum des Zweckverbandes „Lubminer Heide“ übergegangen. Durch den Hafenbau kam es zu keiner Verschuldung der Kommunen. Der Hafen ist wichtig für die schon angesiedelten Firmen wie auch für die weiteren Vorhaben.

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Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Zur Ausweisung von Industrieflächen wurde ein Bebauungsplan (B-Plan) Nr. 1 „Industrie- und Gewerbegebiet Lubminer Heide“ mit einer Fläche von 120 ha erstellt und durch den Zweckverband „Lubminer Heide“ das Genehmigungsverfahren eingeleitet. Die Kosten für das Verfahren wurden von der Energiewerke Nord GmbH im Rahmen des städtebaulichen Vertrages getragen, diese werden über den Verkauf von Grundstücken refinanziert. Der BPlan wurde im Jahr 2004 bestätigt. Damit war das Ziel, die Industrieansiedlung am Standort, einen Schritt näher gerückt. Zur Verbesserung der Anbindung des Industriegebietes einschließlich des Industriehafens erfolgt zurzeit der Bau eines Gleisanschlusses von der EWN-eigenen Bahnstrecke Greifswald/Lubmin zum Hafen. Gleichzeitig ist mit dem Bau der westlichen Erschließungsstraße begonnen worden. Die dazu auf dem Gelände notwendigen vorbereitenden Arbeiten, wie die Rodung des entsprechenden Waldstreifens, erfolgten im Jahr 2007. Der Zweckverband „Energie- und Technologiestandort Freesendorf“ hat im Rahmen des Projektsteuerungsvertrages die EWN GmbH mit der Realisierung dieses Vorhabens beauftragt. Die Gesamtinvestitionskosten belaufen sich auf ca. 650 000 Euro für die Straße und auf drei Millionen Euro für die Gleisanbindung. Diese für die Entwicklung des Industrie- und Energiestandortes Lubmin wichtigen Bauvorhaben werden vom Land unterstützt. Es erfolgt eine Förderung über das zentrale Instrument der Regionalpolitik in Deutschland, die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Zeitgleich erfolgt der Bau eines Lärmschutzwalles. Mit dem Lärmschutzwall wird eine Auflage aus dem B-Planverfahren erfüllt. Stolz ist die EWN GmbH darauf, dass sie es geschafft hat, das ehemalige Maschinenhaus des KKW, eine große, fast einen Kilometer lange Halle, seit Mitte 2007 einer neuen Nutzung zuzuführen. Das Maschinenhaus, indem der konventionelle Teil des Kraftwerkes vorhanden war, wurde nach dem Ausbau der Anlagen entkernt, ein neuer Fußboden eingebracht und notwendige Reparatur- und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt. Nach diesen Investitionen wurden mit zwei Firmen langfristige Mietverträge geschlossen. Im Maschinenhaus produzieren die Firma Modul- und Anlagenbau Lubmin GmbH große, bis zu 500 Tonnen schwere Schiffsteile für verschiedene Werften und die Firma Liebherr-MCCtec Rostock GmbH Großteile von Kranen für den Schiffsumschlag. Im Zuge der Ansiedlung dieser Firmen hat die Firmengruppe Krebs aus Hamburg hier am Standort die Firma Lubminer Korrosionsschutz GmbH gegründet. In drei neu errichteten Hallen neben dem Maschinenhaus erhalten die am Standort hergestellten Stahlbauteile den entsprechenden Korrosionsschutz. Ebenso werden aber von dieser Firma schon Fremdaufträge verwirklicht, die nicht vom Standort kommen. Somit ist es gelungen, an diesem Standort im Stahlbau eine Clusterbildung zu ereichen, d. h. eine räumliche Konzentration von Firmen mit Synergieeffekten.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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Darst. 4: Industriehafen Lubmin/Produktion der Firma LiebherrMcctec Rostock GmbH im ehemaligen Maschinenhaus/ Produktionsstätte der Firma Lubminer Korrosionsschutz GmbH/Von der Firma Modul- und Anlagenbau Lubmin GmbH gefertigtes Schiffsteil

Quelle: EWN GmbH

Der Standort Lubmin ist durch wesentliche Faktoren für die Elektroenergieerzeugung geeignet: ÿ Durch die mögliche Nutzung des Kühlwassereinlaufkanals und des Hafens als Kühlwasserauslaufkanal für eine Direktkühlung kann beim Bau von Kraftwerken auf Kühltürme verzichtet werden. Durch den Ausbau des Auslaufkanals zum Hafen ist der Kühlwasserauslauf optimiert worden. ÿ Der Hafen ist für den An- und Abtransport z. B. von Brennstoffen ein wichtiger logistischer Vorteil. ÿ Außerdem ist in unmittelbarer Nähe zu den geplanten Kraftwerksprojekten eine Hochspannungsschaltanlage in Betrieb. Vattenfall Europe AG als Eigentümer ist zurzeit dabei, diesen Energieknotenpunkt im Rahmen einer großen Investition auszubauen. Nach diesem Umbau können dann bis zu 7000 MW vom Standort

346

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Lubmin abgeleitet werden. Wichtig ist dieser Ausbau nicht nur für die geplanten Kraftwerke am Standort, Lubmin ist auch als Einspeisepunkt für große geplante Off-Shore-Windparks (2000 MW) nordöstlich Rügens vorgesehen. In den Jahren 1998/99 wurde der Bau einer Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland als eines der wichtigsten Projekte im energiewirtschaftlichen Bereich in der EU festgelegt (Projekt der Transeuropäischen Netze TEN-E). Mit der Planung, dem Bau und dem Betrieb der Nord Stream Gaspipeline ergeben sich weitere Synergien. Die früheren Planungen, für geplante GuDKraftwerke am Standort eine Leitung von Berlin in den Norden zu verlegen, sind für den Betrieb von Gaskraftwerken am Standort bei Lieferung von Gas durch die Ostseepipeline nicht mehr notwendig. Realisiert wurden die früheren Vorhaben für den Bau von Gaskraftwerken aufgrund des hohen Gaspreises bisher nicht. Dies ändert sich aber mit dem Baubeginn voraussichtlich im Jahr 2010 und der späteren Inbetriebnahme der Ostseepipeline. Die Vorhaben von E.ON AG und EnBW Energie Baden-Württemberg AG für den Bau von Gaskraftwerken sind in unterschiedlicher Weise fortgeschritten. Die E.ON AG als einer der Gesellschafter der Nord Stream AG ist mit einem genehmigten Projekt bereits auf dem besten Weg zur Realisierung. Die EnBW Energie Baden-Württemberg AG hat ihre Projektarbeit wieder aktiviert. Auch andere konventionelle Kraftwerke haben durch den Bau des Industriehafens eine Chance am Standort, wie z. B. Steinkohlekraftwerke. Nicht nur im LEP M-V sondern auch im deutschlandweiten Neubauprogramm von geplanten Steinkohlekraftwerken ist Lubmin als ein möglicher Standort ausgewiesen. So nahm die deutsche Stadtwerke Gesellschaft WV Energie AG den Kontakt zur Landesregierung und zur Energiewerke Nord GmbH auf, um am Standort Lubmin die Planungen für ein Steinkohlekraftwerk einzuleiten. Als Planer, Errichter und Betreiber des Steinkohlekraftwerkes mit zwei Blöcken wurde das dänische Unternehmen DONG Energy gewonnen. Von Bedeutung waren hierbei die Nähe zu Dänemark und damit die Möglichkeit zur direkten Lieferung der Kohle von Dänemark nach Lubmin und das Bestreben von DONG Energy in den europäischen Energiemarkt einzusteigen.

14.4

Gute Aussichten für Lubmin

Die ersten Hürden sind genommen. Mit der Ansiedlung der aus dem Kernkraftwerk ausgegliederten Firmen wurde der Standort wiederbelebt. Zusammen mit dem Stahlbau, weiteren neuen Firmen und der EWN GmbH sind inzwischen fast 2000 Arbeitsplätze am Standort vorhanden.

347

Kapitel IV: Praktikerbeiträge Darst. 5: Ansiedlungen in Lubmin (Stand 11/2008)

GrundInves- Arbeitsstück Firma tition plätze Sachstand Produktion Nr. (Mio. €) (Ziel) Energiewerke Nord GmbH Stilllegung KKW/ Beca. 850 in Betrieb trieb Zwischenlager 4 IRB-Iso-Rüst-Bau Bauwesen, Service etc. 1,5 80 in Betrieb 4/9 RIS, BSR, Metallbau, Service etc. ca. 320 in Betrieb Krandienste 5 Premicon Biodiesel Lub- Biodiesel aus Raps 25 50 in Betrieb ab 01/2008 min 6 Holcim Beton u. Zuschlagstoffe 0,4 5 in Betrieb ab 05/2007 8

Zweckverband Wasser/ Abwasser 10/11 Zweckverband/Marina Service Lubmin 12 13

Bundespolizei E.ON/Gazprom

14

EnBW

15

Lubminer Korrosionsschutz Modul- und Anlagenbau Lubmin DONG Energy KW Greifswald DONG Energy KW Greifswald WINGAS/E.ON

16 17 18 19

WINGAS Nord Stream AG 20

BP Solar

22

Liebherr-MCCtec

neue Kläranlage

10

Infrastruktur Standort/ Jachthafenbetreiber

35

4

2 600

38 (50)

GuD-Kraftwerk 1200 MW GuD-Kraftwerk 1200 MW Beschichtungen/ Konservierungsarbeiten Stahlbaufertigung

600 4,7 25

in Planung; Betrieb ab 2009 in Betrieb

in Betrieb Errichtungsgenehmigung liegt vor (50) Standortgenehmigung liegt vor, kein Gasvertrag 34 (75) in Betrieb ab 07/2007 275

in Betrieb ab 04/2007

Industrie mit hohem Energiebedarf Steinkohlekraftwerk 2x800 MW Gasanlandestation

in Vorbereitung bzw. Planung 2.000 (140) Genehmigungsverfahren eingeleitet 200 (10) Planfeststellungsverfahren eingeleitet Gasleitung OPAL/NEL 2x1.500 Planfeststellungs-/ Raumordnungsverfahren eingeleitet Nord Stream 7.400 Planfeststellungsverfahren (Ostseepipeline) eingeleitet Solarstrom 7 in Betrieb (1,77 MWAnlage) Kranbau 5 100 in Betrieb ab 07/2007 (150) Bewachung 157 in Betrieb Modulvorfertigung 3 in Betrieb

DLV Max-Planck-Institut Greifswald Summe (ohne Gasleitungen)

ca. 3.500

ca. 1.930 (2.250) davon 850 Mitarbeiter EWN

Grundstücknummern entsprechend der Darstellung (EWN-Standort) Quelle: EWN GmbH

Der Erhalt und der Ausbau von Lubmin als Energieknotenpunkt haben begonnen. In Lubmin wird Gas aus Russland anlanden und über Deutschland in andere europäische Länder weitertransportiert werden.

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Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Darst. 6: WINGAS-Fernleitungsnetz

Quelle: WINGAS GmbH & Co. KG, Abruf am 09.01.2009 unter http://www.wingas.de/ fernleitungsnetz.html

Mit dem Bau von neuen Kraftwerken auf Basis fossiler Energien wird am ehemaligen Kernkraftwerkstandort wieder Strom produziert. Aber auch die erneuerbaren Energien haben durch die Photovoltaikanlage von BP Solar, mit 1,77 MWpeak Nennleistung zurzeit die größte in M-V, und durch weitere Planungen für Solaranlagen sowie durch die geplante Einspeisung der Off-ShoreWindparks am Standort ihre Berechtigung. Weiterhin produziert seit Anfang 2008 die Firma Premicon Biodiesel GmbH & Co. Lubmin KG Biodiesel aus Raps.

Kapitel IV: Praktikerbeiträge

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Darst. 7: Photovoltaikanlage BP Solar/Produktionsstätte von der Firma Premicon Biodiesel GmbH & Co. Lubmin KG

Quelle: EWN GmbH

Was werden die nächsten Jahre bringen? Im Jahr 2009 soll der Bau der Ostseepipeline-Anbindungsleitung OPAL beginnen. Nach Genehmigung des Steinkohlekraftwerkes kann im Sommer 2009 Baustart sein. Für das Jahr 2010 ist der Baubeginn der Nord Stream geplant. In der weiteren Entwicklung des Standortes wird die Ansiedlung von energieintensiven Industrieunternehmen mit hohem Bedarf an Dampf und Strom angestrebt. Inwieweit mit der Wärme der geplanten Kraftwerke am Standort die nahen Städte und die Region mit Fernwärme versorgt werden können und unter welchen Bedingungen dies sinnvoll und wirtschaftlich ist, wird die Zukunft zeigen. Darst. 8: Der EWN-Standort mit neuem Industriehafen (1) Informationszentrum EWN (2) Betriebsrestaurant (3) Verwaltungsgebäude I der EWN GmbH Sitz der Geschäftsführung und der Projektleitung (4) IRB ISO-Rüst-Bau GmbH (5) Premicon Biodiesel GmbH & Co Lubmin KG

(12) Dienststelle der Bundespolizei (13) E.ON/Gazprom GuD-Kraftwerk (14) EnBW Kraftwerke AG

(6) Holcim Beton und Zuschlagstoffe GmbH Region MV (7) Verwaltungsgebäude II der EWN GmbH Büros verschiedener Firmen (8) Neue Kläranlage Zweckverbandes Wasser/Abwasser “Boddenküste” (9) Ansiedlung verschiedener Firmen mit geringem Flächenbedarf (10) Industriehafen Lubmin des Zweckverbandes „Energie- und Technologiestandort Freesendorf” (11) Jachthafen mit Winterlager

(17) DONG Energy Kraftwerke Greifswald GmbH & Co. KG (18) DONG Energy Kraftwerke Greifswald GmbH & Co. KG (19) WINGAS/EON Gasanlandestation Nord Stream (Ostseepipeline) (20) BP Solar

(15) Lubminer Korrosionsschutz GmbH (16) Modul- und Anlagenbau Lubmin GmbH

(21) Verladefläche des Industriehafens (22) Liebherr-MCCtec Rostock GmbH

Quelle: EWN GmbH, Stand per Januar 2009, Lageplan und Tabelle werden regelmäßig aktualisiert, abrufbar unter www.ewn-gmbh.de

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Kapitel IV: Praktikerbeiträge

Zur weiteren Entwicklung des Standortes und aufgrund der Nachfrage nach Grundstücken zur Industrieansiedlung gibt es Überlegungen der Gemeinde Rubenow über die Ausweisung des B-Plan-Gebietes Nr. 2 mit einer Fläche von 70 ha.

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Stichwortverzeichnis Akteur 89ff. Arbeitsmarktpolitik 126, 186, 258ff. Benchmarking 114,129f.,161 Binnennachfrage 95f. Bebauungsplan 275f. BNE-Eigenmittel 81 Branchencluster 132ff. Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe 73 Cluster 133ff., 150ff., 172, 177, 262, 288ff. Corporate Governance 111f. Effizienzkontrolle 163 EQUAL 78 Erfolgsfaktor 112, 118, 123, 299, 334f. Finanzausgleichssystem 84ff. Finanzinstrumente 77 Finanzierungsstruktur 82ff. Firmenstruktur 136ff. Föderalismusreform 82f. Föderalstaat 67 Förderinstrumente 157f., 196, Fördergebiete 74, 99, 107, 110, 164, 189, 220ff. Globalisierung11, 43ff., 166ff. Handelsbeziehungen 40ff. Hegemonialmächte 31f. Humankapital 78ff., 126, 128, 186, 198, 244 Humanpotenzial 120, 150, 198 Informationstransparenz 161 Innovationsfähigkeit 33, 94 Innovationsprogramm 95 Innovationszentren 128ff., 136, 154 Innovationszyklen 34, 133, 293 Kohäsionspolitik 78ff.,

Kommunale Wirtschaftsförderung 67, 82, 147ff. Kommunikation 125, 152, 161, 162 Kooperation 11, 46, 52, 55, 61, 94, 101, 106, 117, 120, 121, 123ff., 136, 146, 148, 150ff., 173, 186, 189, 243f., 250, 265, 269, 270, 287f., 291, 298ff., 324ff. Koordination 11, 62, 113, 125, 147, 161, 265, 276, 310, 315 Kulturen 29ff., 102 Leitbild 73, 76, 112, 140, 145f., 162, 249, 250, 254, 262, 279, 288 Leitbranchen 56, 115, 135 Leuchtturmtheorie 133, 135, 235 Leader+ 78, 270 Makroökonomie 65f. Mesoökonomie 65f. Metropolregion 133, 106, 250 Mikroökonomie 65f. Moderation 161 Monitoring 104, 143, 145, 229, 272, 316 Motivation 94, 161 Nachhaltigkeit 79, 113ff., Netzwerk 61, 94, 95, 99, 101, 112, 117, 120, 123ff., 135, 140, 150, 157, 159, 162, 170, 190, 247, 253, 262, 270ff., 290, 298, 314, 335 Netzwerkkompetenz 117f., 154 Personalpolitik 127 Public Private Partnership 128, 152, 155, 308 Raumordnung 70f., 73, 75, 90, 105, 113, 151, 155, 156, 166, 231, 236, 245, 249, 251, 254, 264, 274ff., 342

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Stichwortverzeichnis

Raumplanung 12, 73, 276f., 285f., 290 Raumwirtschaftspolitik 73 Region 103ff. Regionalförderung 74, 82, 101, 104, 131. 156, 158f., 217, 228, 234. 239 Regionalgemeinschaften 41f., 51, 53f. Regional Governance 92, 112 Regionalisierung 48, 52, 55, 104, 107, 147, 163, 258, 260f. Regionalmanagement 111ff., 262ff. Regionalmarketing 106, 112f., 132, 141ff., 264 Regionalpolitik 11, 68ff., 76f., 99ff., 111, 129, 145, 165, 180ff., 194, 216ff., 234 Regionalsteuerung 7, 9, 10, 12, 104, 117ff., 163, 248ff. staatliche Interventionen 51, 63, 181, 211, 217, 229, 230, 237, 245, 248, 260 Staatsquote 82ff. Stadtmarketing 141ff. Standortattraktivität 50, 71, 92, 105, 128, 129, 131, 140, 142, 161, 173, 189, 222, 233, 242, 258, 300 Standortentscheidung 131 Standortfaktoren 130ff. Standortmarketing 141ff. Standorttheorie 95ff. Standortqualität 48f., 83, 126, 150, 151, 186 Strukturförderung 68, 75, 158 Strukturpolitik 89f., 97f. Strukturwandel 55ff., 114ff. Trägerpluralismus 89 Unique Local Proposition 139 Unternehmensentwicklung 150, 156 Umweltfaktoren 91

Unternehmensführungs-Ansätze 117 Unternehmenskooperation 241 – siehe auch Kooperation URBAN 78 Vertrauenskultur 9, 10, 160f., 333, 335 Volkswirtschaft 60 Wachstumsbranchen 115, 133ff. Weltwirtschaft 29ff., 59ff., 161 Weltwirtschaftsentwicklung 21ff. Wertschöpfungskette 58, 119, 122, 125, 168, 244, 298, 300, 303, 309, 315 Wertschöpfungskettenanalyse 119f., 121ff., 162 Wettbewerb 43ff., 107ff Wettbewerbsfähigkeit 48ff., 128 Wirtschaftsförderung 67, 147ff. Wirtschaftspolitik 60, 64f. Wirtschaftsraum 105f. Wirtschaftsregion 109 Wirtschaftsstandort 106, 127ff. Wirtschaftssteuerung 61ff. Wirtschaftsstruktur 56, 67, 70ff., 86, 96, 107, 117, 121, 127ff., 181, 184, 191, 193, 217ff., 270, 293ff., 343f. Wirtschaftsstrukturkonzept 140f. Wirtschaftswachstum 33ff. Wirtschaftszonen 48, 51ff. Wissenschaft 94 Wissensmanagement 101, 126, 153 Zielgruppen 132, 139, 141, 143, 145f., 190, 199, 291, 308, 328 Zielpyramide 63f. ZIN-Verfahren 107, 147 Zukunftsbranchen 13, 135, 295

Die Autoren Michael Bladt wurde 1978 in Stralsund geboren. Nach der Ausbildung zum Bankkaufmann studierte er von 2001-2002 Rechtswissenschaften an der Ernst-MoritzArndt-Universität in der Hansestadt Greifswald und wechselte dann zur Fachhochschule Stralsund in das Studiengebiet Betriebswirtschaftslehre. Im Sommer 2007 absolvierte Michael Bladt erfolgreich das Examen zum Diplom-Betriebswirt (FH). Für seine Abschlussarbeit mit dem Titel “Theoretische und praktische Analysen der Wirtschaftsstrukturen und Wirtschaftsakteure in der Region Vorpommern – Konzeptionelle Ausführungen zur Regionalentwicklung Vorpommerns mit Handlungsorientierung“ erhielt er am 21.11.2007 den Förderpreis der Stralsunder Mittelstandsvereinigung. Er war für das Projekt „Innovation, Wertsteigerung und Arbeitsplatzbeschaffung“ tätig, welches sich aktiv mit dem Thema Wissenstransfer sowie Netzwerke und Kooperationen auseinandersetzt. Zurzeit setzt er seine Arbeit im regionalen Kontext fort und betreut als Projektleiter das Projekt „Konzeption eines Kompetenzzentrums für Unternehmens- und Regionalentwicklung in Vorpommern (KURV)“. Prof. Dr. rer. pol. Heinz-J. Bontrup, Jg. 1953, Dipl.-Ökonom, Dipl.-Betriebswirt. Seit 1996 Hochschullehrer an der FH Gelsenkirchen für Wirtschaftswissenschaft mit dem Schwerpunkt Arbeitsökonomie. Mitverfasser der von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik jährlich herausgegebenen „Memoranden“ zur Wirtschaftspolitik. Vertrauensdozent der Hans- Böckler-Stiftung und Mitglied im Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi). Ehemaliger wissenschaftlicher Abteilungsleiter im Progress-Institut für Wirtschaftsforschung, Bremen, langjährige Industrieerfahrung u.a. als Arbeitsdirektor (Personalvorstand) in der Stahlindustrie (Thyssen-Konzern). Zahlreiche Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen. Zuletzt erschienen von ihm die Bücher „Arbeit, Kapital und Staat. Plädoyer für eine demokratische Wirtschaft“, 3. Aufl., Köln 2006 und „Lohn und Gewinn. Volks- und betriebswirtschaftliche Grundzüge, 2. Aufl., München 2008.

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Die Autoren

Dipl. Kfm. Norbert Braun, Jahrgang 1950, seit 1991 Geschäftsführender Gesellschafter/Vorstandsvorsitzender der RIEMSER Arzneimittel AG. Begann seine berufliche Karriere in der Chemie- und später in der Kosmetikbranche. Arbeitet inzwischen seit 25 Jahren in der Pharmaindustrie. Vor RIEMSER war er bei Anzag, Merz und CibaGeigy (heute Novartis) in leitenden Funktionen der Bereiche Marketing, Vertrieb oder der Geschäftsführung tätig. Nach Erfolgen in diesen Firmen hat er in den letzten zehn Jahren den Umsatz der RIEMSER Arzneimittel AG von 1,1 Mio. € 1992 auf ca. 73 Mio. € in 2007 entwickelt. Die Mitarbeiterzahl stieg im gleichen Zeitraum von 30 auf ca. 650. Seit 1998 hat er seinen Wohnsitz in Riems. Auf der Basis seiner Marketingkenntnisse liegen seine Erfahrungen und Stärken vor allem in den Gebieten Business Development, Unternehmensstrategie, Finanzierungsabsicherung und trouble shooting. Er verfügt über vielfältige Kontakte im In- und Ausland. Nebenberuflich sammelte Norbert Braun Erfahrungen, u.a. als Stadtverordneter und Fraktionsvorsitzender in der Stadt Usingen, als Abgeordneter und finanzpolitischer Sprecher im Regionalparlament „Umlandverband Frankfurt am Main“ sowie als Aufsichtsratsmitglied in Zweckverbänden, Stadtwerken und Wohnungsgesellschaften. Gegenwärtig ist er stellvertretender Vorsitzender des BioCon Valley e.V. in Mecklenburg-Vorpommern, Aufsichtsratsmitglied der BioCon Valley GmbH, Rostock sowie Mitglied in den Aufsichtsräten der Greifswalder Parkraumbewirtschaftungsgesellschaft mbH, der Stadtwerke Greifswald GmbH, der Stromversorgungs GmbH und Aufsichtsratsvorsitzender des Bildungszentrums in Greifswald gGmbH. Darüber hinaus arbeitet er im Beirat der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Vorpommern GmbH, im Verwaltungsrat der Sparkasse Vorpommern, im Beirat Ost der Deutschen Bank und als Mitglied des Vorstandes Landesverband Nordost des Bundesverbandes der pharmazeutischen Industrie sowie des Deutschen Industrieverbandes Biotechnologie. Dr. Johannes Bruns, geb. am 28.12.1966 in Arnsberg (Westf.), absolvierte eine Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst in Sundern/Sauerland. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Verwaltung an der Ruhr-Universität Bochum arbeitete er von 1996 - 2001 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Jena. Er promovierte 2002 zu Fragen der Entwicklung altindustrieller Regionen an der Universität Leipzig. Von 2002 - 2006 arbeitete er als Regionalmanager in Vorpommern. Während dieser Zeit war er Lehrbeauftragter an der Universität Greifswald im Fachbereich Politikwissenschaft. Seit 2006 ist er Beigeordne-

Die Autoren

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ter der Stadt Mühlhausen/Thüringen und als Dezernent für die Bereiche Jugend, Sport, Soziales sowie Ordnung und Sicherheit zuständig. Er hat zahlreiche Beiträge zu den Themen Struktur- und Innovationspolitik sowie Verwaltungsmodernisierung veröffentlicht. Dipl. Soz. Wiss. Elke Dahlbeck studierte Sozialwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Arbeit und Technik an der Fachhochschule Gelsenkirchen mit dem Forschungsschwerpunkt Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität. Die Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind: Gesundheitswirtschaftsregionen, Entwicklungstrends in der Gesundheitswirtschaft und der Seniorenwirtschaft, Personalmobilität in der Gesundheitswirtschaft. Wolfgang Dürig studierte Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre an der Universität Göttingen. Zunächst Lehrtätigkeit an einer Berufsfachschule, dann wissenschaftlicher Angestellter am Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen. Seit 1987 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kompetenzbereich „Empirische Industrieökonomik“ im RWI Essen. Dort unter anderem beschäftigt mit Fragen der Handwerkswirtschaft, des dualen Berufsbildungssystems, Innovationspolitik, der Regulierung bzw. Deregulierung und Unternehmensgründungen. Zahlreiche Auslandsaufenthalte (Mittelosteuropa, Asien) im Rahmen der Begutachtung von Projekten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Seit 2003 „Ombudsperson zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und Verfahren mit wissenschaftlichem Fehlverhalten im RWI Essen“. Thomas Einsfelder, Jahrgang 1974, hat nach Abitur und Wehrdienst von 1994 bis 1997 eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Dresdner Bank AG, Niederlassung Dortmund-Essen absolviert. Anschließend Teilnahme an einem halbjährigen Traineeprogramm im Investment Banking für Bankkaufleute 1997 bei Dresdner Kleinwort in London. 1997 bis 2003 Studium der Europäischen Wirtschaft an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg mit dem Schwerpunkt Internationale Wirtschaft und Abschluss als Dipl.-Volkswirt (Europa-Studiengang). Stipendiat der Carl-Duisberg-Gesellschaft im Jahr 2000 und Teilnehmer des Deutsch-Amerikanischen Praktikantenprogramms bei der German American

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Die Autoren

Chamber of Commerce in Atlanta/USA. 2000/2001 Auslandsstudium an der Aarhus Business School in Aarhus/DK. Seit 2003 ist er Referent für Volkswirtschaft und Statistik bei der Industrie- und Handelskammer zu Rostock, seit 2007 Fachbereichsleiter Volkswirtschaft, International, Europa. Thomas Einsfelder ist Geschäftsführer der Wirtschaftsjunioren Rostock. Dipl. Soz. Wiss. Michaela Evans studierte Studium der Sozialwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Arbeit und Technik an der Fachhochschule Gelsenkirchen mit dem Forschungsschwerpunkt Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität sowie im Clustermanagement Gesundheitswirtschaft NRW (ZIG - Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft Ostwestfalen-Lippe) beschäftigt. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind: Innovationsprozesse im Krankenhaushaussektor, Gesundheitswirtschaft und Regionalentwicklung, Arbeitsgestaltung und Qualifizierung im Gesundheitswesen. Jürgen Hahn, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Vorpommern, wurde am 12. Januar 1947 in Westerstede (Oldenburg) geboren. Nach Ende der Schulzeit im Frühjahr 1963 begann er eine Lehre bei der ältesten noch bestehenden Sparkasse der Welt, der Großsparkasse Landessparkasse zu Oldenburg. Dort durchlief er den für Sparkassenleute typischen Ausbildungs- und Berufsweg bis hin zum Sparkassen-Betriebswirt mit entsprechenden Leitungsfunktionen, zuletzt direkt unterhalb des Vorstandes in der Zentralen Kreditabteilung in Oldenburg, zuständig für das Großkreditgeschäft. Nach einem halben Jahr in 1991 bei der Partnersparkasse Halle/Saale folgte er ca. zwei Jahre später den intensiven Akquisitionsbemühungen des Ostdeutschen Sparkassenverbandes zur Besetzung der Stelle des zweiten Vorstandes im Hause der Sparkasse Vorpommern, Sitz Greifswald. Seit dem Frühjahr 1998 ist Jürgen Hahn Vorstandsvorsitzender der mittlerweile zweitgrößten Sparkasse in Mecklenburg-Vorpommern, die sechs ehemalige Sparkassen unter ihrem Dach vereinigt hat. Jürgen Hahn ist u.a. in folgenden Ehrenämtern tätig: Vorsitzender des Universitätsrats und des Fördervereins Wirtschaftswissenschaft an der Ernst-Moritz-Arndt Universität, Vorsitzender Greifswalder Tafel e.V., Vorsitz des Beirats Zweckverband Lubminer Heide, Mitglied im Aufsichtsrat der Stadtwerke Greifswald-Holding und der Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft Greifswald GmbH.

Die Autoren

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Helmut Holter wurde am 22. Mai 1953 in Ludwigslust geboren. Nach dem Abitur in Halle/Saale studierte er Ingenieurswesen und Gesellschaftswissenschaften. Danach arbeitete er als Technologie- und Produktionsleiter eines industriellen Versuchswerkes. Seit 1973 war Herr Holter politisch aktiv, u.a. in der SED und PDS. Von 1991 an hielt er 10 Jahre lang das Amt des Landesvorsitzenden der PDS MecklenburgVorpommern inne. Von 1998 bis 2000 betätigte er sich als Landesvorstandsmitglied RKW Mecklenburg-Vorpommern. Zudem war er Mitglied bei ver.di, Mitglied des Arbeitslosenverbandes Mecklenburg-Vorpommern, der Ingenieurkammer des Landes, Mitglied des Fördervereins BUGA 2009 Schwerin sowie Mitglied des VVN/BdA Mecklenburg-Vorpommern e.V. 2 Jahre lang war er Mitglied des PDS-Parteivorstandes, im Anschluss daran fungierte er von 1998 bis 2006 als Minister für Arbeit, Bau und Landesentwicklung von Mecklenburg-Vorpommern. Seit 2006 ist er Mitglied des Landtages Mecklenburg-Vorpommern und Sprecher der Fraktion DIE LINKE für Wirtschaftspolitik, Tourismus und Energiepolitik. Tobias Koch ist am 11.02.1976 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur absolvierte er von 1996 bis 2001 ein Studium der Raumplanung (Dipl.-Ing.) an der Universität Dortmund mit den Schwerpunkten Immobilienwirtschaft, Wirtschaftspolitik und Standortforschung. Seit 2002 ist bei der Prognos AG im Geschäftsfeld „Zukunft der Regionen“ als Projektleiter am Standort Bremen tätig. In bisherigen Forschungs- und Beratungsprojekten hat Herr Koch sich mit regionalwirtschaftlichen Untersuchungen für Politik und Wirtschaft beschäftigt. Im Vordergrund steht der Prognos Zukunftsatlas 2007 als indikatorenbasiertes Zukunftsranking für 439 Kreise und kreisfreie Städte in Deutschland. Günter Krüger ist am 22.03.1953 in Röbel/Müritz geboren. Von 1959 bis 1971 besuchte er die EOS Waren/Müritz und machte dort das Abitur. Im Jahr 1971 nahm er das Maschinenbaustudium an der Universität Rostock auf und erlang im Jahr 1975 den Abschluss „Diplomingenieur für Landtechnik“. Anschließend war er bis 1990 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungszentrum Abtshagen der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR tätig. In den Jahren 189 und 1990 war er Vorsitzender der Bürgerrates Negast und von 1990 bis 1994 stellv. Bürgermeister der Gemeinde Steinhagen. Von 1990 bis 1992 war

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Die Autoren

er Amtsleiter für Jugend und Soziales im Landkreis Stralsund und anschließend bis 1994 Amtsleiter Wirtschaftsförderung und Kreisplanung Stralsund. Ab November 1994 ist er Dezernent und stellv. Amtsleiter im Amt für Raumordnung und Landesplanung Vorpommern in Greifswald. Rolf Paarmann, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Rostock, wurde 1947 in Berlin geboren. Nach Ausbildung zum Groß- & Außenhandelskaufmann und Studium der Betriebswirtschaft und Weiterbildung in Bremen war er seit 1990 in Mecklenburg-Vorpommern im Schiffbau beratend tätig. Ab 1991 war er als Vorstand der Deutschen Maschinen und Schiffbau AG (DMS) in Rostock schwerpunktmäßig mit der Umstellung des ehemaligen Kombinats Schiffbau in existenzfähige und privatisierungsfähige Betriebseinheiten sowie der daraus folgenden Personalrestrukturierung befasst. Nach Einstellung des Schiffbaus bei der Neptunwerft Rostock wurde diese unter seiner Leitung in den Jahren 1992 bis 1997 in die Neptun Industrie Holding mit zeitweise 16 Tochterunternehmen umstrukturiert, deren Stahlbaubereiche heute wieder als Neptunwerft in Rostock erfolgreich tätig sind. Von 1999 bis 2003 war er Präsident und seit 2003 ist er Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Rostock. Herr Paarmann ist in Aufsichtsräten und sonstigen Gremien tätig. Dr. Wolfgang Potratz studierte Politikwissenchaften, Wirtschaftspolitik, Geschichte und Anglistik an den Universitäten Bonn, Freiburg und Münster. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Arbeit und Technik an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Sein Forschungsschwerpunkte waren Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität sowie Gesundheitssysteme im internationalen Vergleich; Potentialanalysen der Gesundheits- und Seniorenwirtschaft, Innovationsprozesse im ambulanten Sektor. Dr. Potratz verstarb kurz vor Drucklegung dieses Werkes.

Die Autoren

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Dipl.-Ing. Dieter Rittscher wurde am 2. Juli 1945 in Groß-Niendorf (Schleswig-Holstein) geboren. Nach dem Ingenieurstudium an der Physikalisch-Technischen Lehranstalt in Wedel/Holstein studierte er an der Staatlichen Ingenieurschule Kiel Kerntechnik. Von 1969 bis 1971 arbeitete er in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der VDO-Luftfahrt in Frankfurt. Danach wechselte er in die Kerntechnik zur Transnuklear (NUKEM) bis 1974. Anschließend war er bei der Steag AG Essen, später wurde die Abteilung in die GNS GmbH überführt. Er war als Prokurist zuständig für die Abteilung Genehmigung, Entwicklung und Abfallbehandlung und maßgeblich an der Entwicklung von Transportbehältern für radioaktive Stoffe (u. a. CASTOR-Behälter) beteiligt. Seit 1994 ist er Vorsitzender der Geschäftsführung der Energiewerke Nord GmbH (EWN) und verantwortlich für die Stilllegung der Kernkraftwerke Greifswald und Rheinsberg. Diese Aufgabe nimmt er auch bei den Tochtergesellschaften AVR GmbH Jülich (Nordrhein-Westfalen) wahr, seit 2003, und bei der WAK Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe Rückbau- und Entsorgungs-GmbH (Baden-Württemberg), seit 2006. Er ist Mitglied der Entsorgungskommission beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz- und Reaktorsicherheit sowie Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH. Prof. Dr. oec. Ulrich Schempp ist am 15. August 1949 in Kirchheim unter Teck geboren. Er studierte an den Universitäten Stuttgart und Tübingen Betriebs-und Volkswirtschaftslehre sowie Jura und promovierte an der Universität Stuttgart-Hohenheim. Er ist nebenberuflicher Dozent beim Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft und an der Berufsakademie Stuttgart. Im Jahre 1991 wurde er als Professor des Landes Brandenburg an die Fachhochschule Lausitz berufen und nahm 1993 einen Ruf nach Stralsund an, wo er seitdem International Business und Volkswirtschaft lehrt. Seine Interessen galten trotz internationaler Schwerpunkte schon seit seinen Tübinger Zeiten auch der Kommunal- und Regionalwissenschaft. Ulrich Schempp war Ende der neunziger Jahre Dekan des Fachbereichs Wirtschaft und anschließend für vier Jahre Rektor der Fachhochschule Stralsund.

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Die Autoren

Steffen Schoch wurde am 17. Mai 1966 in Heilbronn geboren. Nach dem Abitur am Technischen Gymnasium Heilbronn absolvierte er in Kooperation mit der ZEAG Zementwerk Lauffen Elektrizitätswerk Heilbronn AG ein Betriebswirtschaftsstudium an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie (VWA) bzw. der Berufsakademie Stuttgart zum Diplom-Betriebswirt BA. Von 1990-1999 war Steffen Schoch für die deutschen Zementhersteller in verschiedenen Funktionen tätig – zuletzt in den neuen Bundesländern als Geschäftsführer der BetonMarketing Ost GmbH mit Sitz in Berlin und Leipzig. Seit 1999 ist Steffen Schoch Geschäftsführer der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF). Er ist Gründungsmitglied zahlreicher kultureller und berufsspezifischer Organisationen. Dipl.-Volkswirt Peter Volkmann, Geschäftsführer der IHK zu Rostock für den Geschäftsbereich Handel, Dienstleistungen, Tourismus, Außenwirtschaft, Europa ist am 26. April 1965 in Kiel geboren. Das Studium der Volkswirtschaftslehre absolvierte er an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Danach nahm er eine Tätigkeit im Einzelhandel auf. Seit 1. September 1991 ist er für die IHK zu Rostock tätig. Er ist Mitglied des DIHKVolkswirtekreises und hat die Federführung für die Bereiche Außenwirtschaft sowie Tourismus für die IHKs in Mecklenburg-Vorpommern inne. Prof. Dr. rer. pol. Norbert Zdrowomyslaw ist am 29.08.1953 in Ketrzyn (Rastenburg), Polen, geboren. Nach dem Ökonomiestudium war er von 1981 bis 1985 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Leiter des Wirtschaftsarchivs an der Universität Bremen beschäftigt. Anschließend leitete er bis 1988 die Abteilung Personalwirtschaft/Organisation bei der Fielmann-Verwaltung KG. Von 1989 bis 1992 war er als Wirtschaftberater tätig. Seit Herbst 1992 hat er die Professur für BWL, insbesondere Rechnungswesen und Management von Klein- und Mittelbetrieben, im Fachbereich Wirtschaft an der Fachhochschule Stralsund inne. Forschungs- und Publikationsschwerpunkte neben dem Rechnungswesen sind: Managementwissen für Klein- und Mittelbetriebe, Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft sowie Personalmanagement unter Berücksichtigung des demografischen Wandels und von Karriereaspekten.