Rechtsphilosophie nach 1945: Zur Geistesgeschichte der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.] 9783428538034, 9783428138036

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Rechtsphilosophie nach 1945: Zur Geistesgeschichte der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.]
 9783428538034, 9783428138036

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Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte Band 66 HASSO HOFMANN

Rechtsphilosophie nach 1945 Zur Geistesgeschichte der Bundesrepublik Deutschland

Duncker & Humblot · Berlin

HASSO HOFMANN

Rechtsphilosophie nach 1945

Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte Band 66

Rechtsphilosophie nach 1945 Zur Geistesgeschichte der Bundesrepublik Deutschland

Von

Hasso Hofmann

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5200 ISBN 978-3-428-13803-6 (Print) ISBN 978-3-428-53803-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-83803-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ∞



Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Die Naturrechtsrenaissance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1. Christliches Naturrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Existenzialistisches Naturrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3. Wertphilosophie des Rechts und „Radbruch’sche Formel“ 17 4. Ende der Naturrechtsrenaissance: Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland als „objektive Wertordnung“ . . . . 21 II. Zeit der Reformen, Planungen und Theorien . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Reformen und Planungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Analytische Rechtstheorie und Methodendiskussion . . . . . . 33 a) Analytische Rechtstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 b) Rechtslogik, Topik und juristische Argumentationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4. Der hermeneutische Kontrapunkt: Sinnverstehen statt objektiver Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 III. Der Sozialstaat in der Krise: Rehabilitierung der praktischen Philosophie und Rückkehr der Gerechtigkeitsidee . . . 43 1. Das Ende des Traums vom stetig steigenden Wohlstand und die neue Utopie der sozialen Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . 43 2. Über politische und soziale Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Das prozedurale Rechtsverständnis der Diskurstheorie . . . . 49 IV. Ankunft in der Weltgesellschaft. Konstitutionalisierung des Völkerrechts und Universalismus der Menschenrechte . . . . . 55 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Einleitung Überblick über eine Epoche der Rechtsphilosophie gewinnt man gewöhnlich durch die Identifizierung der philosophischen „Hauptströmungen“.1 Dieses erprobte Verfahren liefert allerdings nur abstrakte Bilder und ist daher – außer für Spezialisten – leicht ein bisschen langweilig. Bei unserem Gegenstand, der Rechtsphilosophie in Deutschland nach 1945, kommt es indes von vornherein nicht in Betracht. Wer hätte nach dem Kulturbruch des NS-Regimes umstandslos die Lehrtradition einer der rechtsphilosophischen Schulen aus Weimarer Zeit aufgreifen und fortsetzen können – nach Auschwitz, in einem verwüsteten Land? In der sowjetisch besetzten Zone verhieß der materialistische Marxismus-Leninismus den Aufbau einer neuen, angeblich strukturell friedlichen, weil klassenlosen Gesellschaft.2 Indes führte die Gewaltsamkeit dieses Weges alsbald in neues staatliches Unrecht. In den westlichen Besatzungszonen wurde nach all’ den Verbrechen des NS-Regimes die idealistische Aufgabe als vordringlich angesehen, für das Recht wieder feste, menschlicher Willkür entzogene geistige Grundlagen herauszuarbeiten. Epoche machte eine Entschei1 Vgl. Ralf Dreier: Hauptströmungen gegenwärtiger Rechtsphilosophie in Deutschland, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 81 (1995), S. 155 – 163; James E. Herget: Contemporary German Legal Philosophy, Philadelphia 1996. Siehe auch Gerhard Spranger: 100 Jahre Rechtsphilosophie, in: Annette Brockmöller / Eric Hilgendorf (Hg.): Rechtsphilosophie im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2009, S. 10 – 35 (23 ff.); Martina Plümacher: Philosophie nach 1945 in der Bundesrepublik Deutschland, Reinbek 1996. 2 Zur Entwicklung der marxistisch-leninistischen Rechtstheorie in der DDR Hasso Hofmann: The Development of German-Language Legal Philosophy and Legal Theorie in the Second Half of the 20th Century. VI. The GDR in Retrospect, in: Enrico Pattaro (Hg.): A Treatise of Legal Philosophy and General Jurisprudence, Vol. 12, erscheint demnächst.

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Einleitung

dung des Amtsgerichts Wiesbaden, das 1946 lapidar befand, dass die NS-Gesetze, welche das Eigentum der Juden dem Staat für verfallen erklärten, von Anfang an nichtig gewesen seien, weil sie gegen das Naturrecht verstießen.3 Bald sprach man von einer „Naturrechtsrenaissance“.4 Sie verzweigte sich vielfältig, verlor im „Wirtschaftswunderland“ jedoch rasch wieder an Kraft. Die Frage nach den Gründen weist unserer Betrachtung den Weg. Fruchtbarer als der Versuch, rechtsphilosophische Strömungen nachzuzeichnen, scheint es, die wesentlichen Entwicklungsphasen des rechtsphilosophischen Denkens nach 1945 im Rahmen und als Teil der allgemeinen politischen, sozialen und geistig-kulturellen Wandlungen der Bundesrepublik ins Auge zu fassen. Selbstverständlich sprechen wir hier nicht von einer Abfolge genau abgegrenzter Entwicklungsschritte. Es geht um den Wechsel der zentralen Probleme. Trotz aller Überschneidungen lassen sich dabei vier Perioden unterscheiden. Der „Naturrechtsrenaissance“ in den Jahren konservativer Konsolidierung der westdeutschen Gesellschaft (Teil I) folgt in einer Zeit sozialer Reformen und gesetzlicher Zukunftsplanungen eine Welle vielfältiger wissenschaftlicher Modernisierungen des Rechtsdenkens unter dem Motto „Rechtstheorie statt Rechtsphilosophie“ (Teil II). Mit Beginn der Krise des Sozialstaats aber kehrt gegen alle theoretischen Analysen des Rechts die praktische Philosophie samt ihrem Zentralbegriff der Gerechtigkeit, vor allem der sozialen Gerechtigkeit, zurück (Teil III). Die Ankunft des wieder vereinigten Deutschland in 3 AG Wiesbaden, Urteil v. 13. 11. 1945, in: Süddeutsche Juristenzeitung 1 (1946), S. 36. 4 Siehe dazu v. a. Ulfrid Neumann: Rechtsphilosophie in Deutschland seit 1945, in: Dieter Simon (Hg.): Rechtswissenschaft in der Bonner Republik, Frankfurt a. M. 1994, S. 145 – 187; ferner Franz Wieacker: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl., Göttingen 1967, S. 600 ff.; Kristian Kühl: Kontinuitäten und Diskontinuitäten im Naturrechtsdenken des 20. Jahrhunderts, in: Karl Acham u. a. (Hg.): Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste, Stuttgart 1998, S. 605 – 663; Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 5. Bd., München 2008, S. 369 ff.

Einleitung

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der Weltgesellschaft der Globalisierung schließlich belebt die aktuelle Diskussion über die Universalisierbarkeit unserer Menschenrechtsvorstellungen (Teil IV). Diesen Bogenschlag hat der Verfasser im wissenschaftlichen Programm der Carl Friedrich von Siemens Stiftung in München versucht. Hier folgt die erweiterte Druckfassung des Vortrags vom 20. Oktober 2011.

I. Die Naturrechtsrenaissance 1. Christliches Naturrecht Ein Artikel in der Tübinger „Theologischen Rundschau“ beschrieb die geistige Situation 1951 so: „Eines der drängendsten Probleme nach dem durch den Zweiten Weltkrieg ausgelösten Zusammenbruch ist die Frage, wie ein neues dauerhaftes Rechtsbewusstsein begründet werden könne und eine neue Ordnung menschlichen Zusammenlebens möglich sei, in der Tyrannei und Zwang ebenso ausgeschlossen sind wie anarchische Regellosigkeit und Extremismus der Freiheit … Die Frage geht nach dem richtigen Recht …“.

Die Richtung hatte der Verfasser durch die Überschrift vorgegeben: „Wiedergeburt des Naturrechts“.5 Das damals zwei Jahre alte Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland spielte trotz seiner individuellen und institutionellen Freiheitsgarantien und des Bekenntnisses zur Menschenwürde in diesen Überlegungen hingegen – das ist bemerkenswert – noch keine Rolle. Dieses unter Besatzungsherrschaft von einem „Parlamentarischen Rat“ verkündete Gesetz schien eine Sache der Staatsrechtler, und die sahen darin hauptsächlich die Wiederherstellung und Stärkung des traditionellen Rechtsstaatsgerüsts. Für die Juristen standen die Probleme einer Verfassunggebung unter Besatzungshoheit, die demokratische Legitimität des Grundgesetzes und dessen Bedeutung für die Rechtslage des geteilten Landes im Vordergrund6. Ausführliche Antworten 5 Heinz-Horst Schrey: Die Wiedergeburt des Naturrechts, in: Theologische Rundschau NF 19 (1951), S. 21 – 75, 154 – 186, 193 – 221, mit umfassenden Nachweisen. 6 Prominentes Beispiel: die Hamburger Rektoratsrede von Hans Peter Ipsen im November 1949: Über das Grundgesetz, Hamburg 1950.

1. Christliches Naturrecht

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auf die Frage nach dem richtigen Recht gaben vornehmlich katholische Theologen (meist österreichischer Herkunft). Die Naturrechtsrenaissance als Renaissance primär des katholischen Naturrechts bestand freilich nicht einfach in einer akademischen Wiederbelebung der aristotelisch-thomistischen Naturrechtslehre, sondern wirkte als Teil der Soziallehre des politischen Katholizismus, der eine der Säulen der neuen „Bonner Republik“ war. Stärkstes Echo fand ein „Handbuch der Gesellschaftsethik, Staatsethik und Wirtschaftsethik“ des Theologen Johannes Messner, das 1950 unter dem Titel „Das Naturrecht“ erschien. Der Wiener Professor (ehedem übrigens ein enger Freund des österreichischen Bundeskanzlers Dollfuß) entfaltet seinen Begriff des letztlich vom zwecksetzenden Schöpfergott stammenden Naturrechts historisch und systematisch auf mehr als 1.200 Seiten in allen Details. Dieses monumentale enzyklopädische Werk erlebte bis 1966 nicht weniger als fünf Auflagen.7 In der Auseinandersetzung mit dem pervertierten NS-Recht konzentrierte sich die rechtsphilosophische Diskussion indes auf den Geltungsgrund des Rechts und den Geltungsvorrang des Naturrechts gegenüber dem positiven, vom Staat gesetzten Recht. Diese Verkürzung des Problems auf die fundamentale Alternative „Naturrecht oder Rechtspositivismus“8 war die Folge einer These, die der hoch angesehene Strafrechtler, Rechtsphilosoph und Rechtspolitiker Gustav Radbruch (1878 – 1949) vertreten hatte. Danach sei es der Rechtspositivismus („Gesetz ist Gesetz“) gewesen, der die 7 Heute in 7. Aufl. Berlin 1984. Vgl. Josef Funk SVD: Primat des Naturrechts – Die Transzendenz des Naturrechts gegenüber dem positiven Recht, Mödling bei Wien 1952; Josef Fuchs SJ: Lex Naturae – Zur Theologie des Naturrechts, Düsseldorf 1955; Albert Auer OSB: Der Mensch hat Recht – Naturrecht auf dem Hintergrund des Heute, Graz u. a. O. 1956; in diesem Zusammenhang ist auch die Neuauflage des Buches von Heinrich Rommen: Die ewige Wiederkehr des Naturrechts (1936), München 1947, zu sehen. 8 Vgl. Werner Maihofer (Hg.): Naturrecht oder Rechtspositivismus?, Darmstadt 1962, mit guter Bibliographie; siehe auch Thomas Würtenberger: Wege zum Naturrecht in Deutschland 1946 – 1948, in: Archiv für Rechtsund Sozialphilosophie 38 (1949 / 50), S. 98 – 138.

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I. Die Naturrechtsrenaissance

deutschen Juristen „wehrlos gemacht (habe) gegen Gesetze willkürlichen und verbrecherischen Inhalts“.9 Katholische Autoren beschworen gegen jenen Gesetzespositivismus die aristotelisch-thomistische Lehre von den Naturzwecken und die stoisch-christliche Normenhierarchie von lex aeterna, dem ewigen Weltgesetz, lex naturalis, dem durch die natürliche Vernunft erkennbaren Teil des ewigen Gesetzes, und dem jus positivum, dem von Menschen gesetzten Recht, das dem höherrangigen Naturrecht nicht widersprechen darf.10 Ungleich schwieriger war die Situation für die protestantische Sozialethik.11 Denn der von Luther existenziell vergegenwärtigte urchristliche Dualismus von Gottes Reich, Wille und Gnade und des dem weltlichen Regiment unterworfenen sündigen Menschen mit seiner verdorbenen Erkenntnisfähigkeit lässt keinen Raum für ein der natürlichen Vernunft einsichtiges Naturrecht. Es blieb nur die Möglichkeit, in biblischen Weisungen, wenn auch keine eigene Normenordnung, so doch eine Richtschnur des Rechts zu suchen, wie das z. B. – der reformatorischen Theologie des Schweizers Emil Brunner12 nahe – der Freiburger Rechtsphilosoph und Kirchenrechtler Erik Wolf (1902 – 1977) tat13. Andere machten Anleihen beim 9 Gustav Radbruch: Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, in: Süddeutsche Juristenzeitung 1 (1946), S. 105 – 108 (107), jetzt in: Arthur Kaufmann (Hg.): Gustav Radbruch – Gesamtausgabe, Bd. 3, Heidelberg 1990, S. 83 – 93 (88). 10 Ein Beispiel: Georg Stadtmüller: Das Naturrecht im Lichte der geschichtlichen Erfahrung, Recklinghausen 1948, S. 33 ff. 11 Einen Eindruck von der Vielfalt evangelischer Positionen vermittelt Eberhard Müller (Hg.): Gerechte Ordnung – Gedanken zu einer Rechtsund Staatslehre in evangelischer Sicht, Tübingen 1948. Zum heutigen Stand der Diskussion Ingolf U. Dalferth: Naturrecht in protestantischer Perspektive, Baden-Baden 2008. 12 Emil Brunner: Gerechtigkeit – Eine Lehre von den Grundgesetzen der Gesellschaftsordnung, Zürich 1943. 13 Erik Wolf: Rechtsgedanke und biblische Weisung, Tübingen 1948. Näher dazu Lena Foljanty: Rechtstheologie als Antwort auf den Nationalsozialismus – Zur Bedeutung der Religion in der deutschen Rechtsphilosophie der Nachkriegszeit, in: Szabolcs Hornyák u. a. (Hg.): Turning Points and

2. Existenzialistisches Naturrecht

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Thomismus. Zu ihnen gehörte Hermann Weinkauff (1894 – 1981), später erster Präsident des Bundesgerichtshofs. Sein bekenntnishafter Aufsatz „Das Naturrecht aus evangelischer Sicht“ von 195114 ist ein „Konglomerat“ aus Teilen der katholischen Moraltheologie, der reformatorischen Lehren von Emil Brunner und Erik Wolf und der profanen Wertethik SchelerHartmann’scher Prägung. Auf dieses Element der Wertethik werden wir zurückkommen. Vorher soll jedoch noch von einer existenzialistischen Variante der Naturrechtsrenaissance die Rede sein.

2. Existenzialistisches Naturrecht Was die Wiederbelebung des herkömmlichen christlichen Naturrechts und das existenzialistische Naturrecht der Nachkriegsjahre vor allem unterscheidet, ist die diametrale zeitliche Ausrichtung. Das christliche Naturrecht sucht normativen Halt im Rückgang auf die Ursprünge allen Rechts, das existenzialistische nimmt Maß an einer glücklicheren Zukunft, die aus der Bewährung einer in kollektiver freier Entscheidung entworfenen besseren Daseinsordnung erwartet wird. Dabei tritt das Gefühl, eine Stunde Null zu erleben (auch wenn es die Breaklines, München 2009, S. 214 – 227 (217 ff.). Später hat Wolf die Liebe (caritas) nicht mehr als Grenze des menschlichen Rechts, sondern als Grundlage der Daseinserneuerung durch ein Nächstenrecht verstanden: Recht des Nächsten, Frankfurt a. M. 1958; dazu Reinhard Mehring: Rechtsidealismus zwischen Gemeinschaftspathos und kirchlicher Ordnung. Zur Entwicklung von Erik Wolfs Rechtsgedanken, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 44 (1992), S. 140 – 156 (148 ff.). Ein katholisches Gegenstück ist der Versuch Günter Küchenhoffs, das christliche Naturrecht als das von den biblischen Liebesgeboten her gesteigerte, „getaufte“ Naturrecht der Tradition als „Liebesrecht“ zu begreifen: Naturrecht und Christentum, Düsseldorf 1948, S. 69 ff. 14 Zitiert nach dem Wiederabdruck in: Maihofer (Hg.): Naturrecht (Fn. 8), S. 210 – 218. Die folgende Charakterisierung bei Daniel Herbe: Hermann Weinkauff (1894 – 1981) – Der erste Präsident des Bundesgerichtshofs, Tübingen 2008, S. 163.

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I. Die Naturrechtsrenaissance

realiter nicht gegeben hat), womöglich noch deutlicher hervor als in dem konservativen Empfinden, das zerstörte Rechtsgefühl von Grund auf neu aufbauen zu müssen. Meine Zeitzeugen heißen Erich Fechner (1903 – 1991) und Werner Maihofer (1918 – 2009). Fechner lehrte nach philosophischer Promotion bei Max Scheler und juristischer Karriere in Tübingen Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie, Arbeits- und Sozialrecht. Der ontologische Kerngedanke seiner „Rechtsphilosophie“, einer „Soziologie und Metaphysik des Rechts“ (so der Untertitel), geprägt von der Existenzphilosophie Heideggers, hatte sich nach eigenem Bekunden „schon während des Krieges und in den unvergesslichen Tagen der Gefangenschaft unter dem klaren Himmel Frankreichs verdichtet …“.15 Dementsprechend dient ihm neben dem „Schwarzen Markt“ auch das Gefangenenlager als Beispiel für spontane informelle Ordnungsbildungen gemäß der „Natur der Sache“ (S. 154). Dieser juristische Topos wurde im Zusammenhang mit der Naturrechtsrenaissance immer wieder intensiv diskutiert, worauf ich hier aus Zeitgründen jedoch nicht näher eingehen kann.16 Bei Fechner steht die Formel für das „Seinseingebundensein“, soll heißen: für die Objektivität der rechtsgestaltenden Faktoren. Im Anschluss an die Philosophie Schelers und Nicolai Hartmanns Schichtenlehre des Seins unterscheidet Fechner eine Vielzahl realer und idealer Kräfte der Rechtsgestaltung. Die Suche nach objektiver, menschlicher Willkür entzogenen Grundlagen des Rechts ergebe mithin ein „buntes und differenziertes Bild“. So stehe der Mensch im Recht zwischen Gewissheit und Unwissenheit (S. 223). Damit läuft Fechners Rechtsphilosophie auf eine Philosophie der 15 Erich Fechner: Rechtsphilosophie – Soziologie und Metaphysik des Rechts (1956), Vorwort. Die im nachfolgenden Text genannten Seitenzahlen beziehen sich auf die 2. Aufl. Tübingen 1962. 16 Dazu Hofmann: Development (Fn. 2), chapter 3: Phenomenological Recourse to the „Nature of Things“. Den Zusammenhang von Naturrecht und Natur der Sache thematisiert Gerhard Spranger: Naturrecht und Natur der Sache, Berlin 1976.

2. Existenzialistisches Naturrecht

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Entscheidung im Sinne von Heidegger und Jaspers hinaus (S. 244 ff.). Denn in den seltenen Fällen „eigentlicher (existentieller) Rechtsungewissheit“, jenen Sternstunden des Rechtslebens“, sei eine existenzielle Entscheidung unausweichlich (S. 251). Und dann folgen die Kernsätze: „Wenn sie (sc. die existenzielle Entscheidung) auch nicht ausgerichtet ist an vorgegebenen Maßen, so ist sie doch gebunden im Hinblick auf die Zukunft, in der aus Subjektivem ein Objektives sich entfaltet. Mit jeder schöpferischen Entscheidung, die Neues entbirgt und damit Verpflichtendes schafft, wird ein Stück Naturrecht.“

Es ist dies ein Naturrecht im Sinne eines Existenzrechts, das nur unter immer neuem Einsatz wächst und sich „erst in und nach der Tat als richtig erweist“, „das – subjektiv in seinem Ursprung, objektiv in seinem Ziel – nur ist, wenn es gewagt wird“ (S. 261). Derartige Entwürfe haben nach Fechner eine metaphysische Dimension, weil sie eine Entscheidung über den „Sinn des menschlichen Daseins“ voraussetzen (S. 278). Werner Maihofer, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie in Saarbrücken, Rechtspolitiker der FDP, 1974 – 1978 Bundesminister des Innern, hatte mit seiner Habilitationsschrift „Recht und Sein“ 1954 in ambitionierter Anlehnung an Heideggers berühmtes Buch „Sein und Zeit“ von 1927 die großen Themen der 50er Jahre – Naturrecht und Natur der Sache – aufgegriffen und, bis in die Ausdrucksweise hinein Heidegger folgend, um eine ontologische Analyse der komplexen sozialen Verbundenheit der Menschen durch ihre verschiedenen sozialen Rollen als Familienmitglieder, als Berufstätige, als Konsumenten usw., kurz durch ihr „Als-sein“ bereichert.17 Nach 1961 wandte sich unser allzeit rezeptionsfreudiger Autor jedoch anderen Autoritäten zu. Das Jahr des Berliner Mauerbaus war auch das Jahr, in dem der Leipziger Professor Ernst Bloch 17 Werner Maihofer: Recht und Sein – Prolegomena zu einer Rechtsontologie, Frankfurt a. M. 1954.

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I. Die Naturrechtsrenaissance

(1885 – 1977), berühmter Verfasser des „Prinzips Hoffnung“, in den Westen übersiedelte und hier sein Werk „Naturrecht und menschliche Würde“ erscheinen ließ.18 Diese undoktrinärmarxistische Rechtsphilosophie in der Gestalt einer brillanten Spurensuche der Zukunft in der Vergangenheit der Rechtsund Staatsphilosophie beeindruckte auch Maihofer. Er wandte sich der philosophischen Anthropologie des Materialisten Ludwig Feuerbach zu,19 nahm Anstöße auf, die seit 1953 von der neuen, handlichen Ausgabe der Frühschriften des „humanistischen“ Marx20 und eben von Bloch ausgingen. Nun schrieb er über Naturrecht als Existenzrecht; nämlich über das Recht des Menschen auf menschenwürdige und lebenswerte Existenz.21 Mangels einer animalischen Wesensbestimmung des Menschen sei Naturrecht ein „Vorausentwurf der geschichtlichen Selbstbestimmung des Menschen“.22 Damit ist freilich kein bloßer Dezisionismus gemeint, sondern das beständige Überschreiten des Bestehenden auf eine „bessere Welt“ hin nach dem „Leitbild menschenwürdigen und lebenswerten Daseins des Menschen mit den Menschen“. Diese Dynamisierung des Naturrechtsgedankens beruht auf einer durch geschichtliche Erfahrung gesicherten Wesensbestimmung des Menschlichen wie der Grundordnung des Zwischenmensch18 Dazu Christof Gramm: Zur Rechtsphilosophie Ernst Blochs, Pfaffenweiler 1987. 19 Werner Maihofer: Konkrete Existenz – Versuch über die philosophische Anthropologie Ludwig Feuerbachs, in: Thomas Würtenberger u. a. (Hg.): Existenz und Ordnung – Festschrift für Erik Wolf, Frankfurt a. M. 1962, S. 246 – 281. 20 Vgl. Siegfried Landshut (Hg.): Karl Marx, Die Frühschriften, Stuttgart 1953 (die erste, zweibändige Ausgabe war 1932 erschienen). Dazu Werner Maihofer: Demokratie und Sozialismus – Recht und Staat im Denken des jungen Marx, Frankfurt a. M. 1968. 21 Werner Maihofer: Naturrecht als Existenzrecht, Frankfurt a. M. 1963. 22 Maihofer: Konkrete Existenz (Fn. 19), S. 20 f.; Maihofer: Naturrecht (Fn. 21), S. 50: „Naturrecht: das ist für uns der Begriff für die ständig geforderte Evolution und Revolution der menschlichen Verhältnisse im Lebensalltag, hin zur Gestalt einer wahrhaft menschlichen Gesellschaft zwischen den Menschen.“

3. Wertphilosophie des Rechts und „Radbruch’sche Formel“

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lichen, hinter die es auf der Ebene der Humanität kein Zurück gebe. Ihren Höhepunkt erreicht Maihofers Blochs-Rezeption 1965 in der Festschrift für Bloch. Am Ende seines Textes über „Demokratie und Sozialismus“ gerät Maihofer mit seiner „Erkenntnis“ ins Schwärmen, dass erst die Prinzipien der französischen Revolution von 1789 und der russischen von 1917 zusammen „die künftige freiheitliche klassenlose weltbürgerliche Gesellschaft der Menschen auf dieser unserer einen Erde (herbeizuführen vermögen)“.23

3. Wertphilosophie des Rechts und „Radbruch’sche Formel“ Aber kehren wir noch einmal zum katholischen Naturrecht und dessen Allianz mit der Wertethik zurück. Neben der aristotelisch-thomistischen realistischen Seinslehre gab es von jeher die aus der platonischen Ethik stammende Wesensschau. Deren moderne Form hat als Phänomenologie des Psychischen namentlich Max Scheler in seiner materialen Wertethik ausgebildet.24 Sie versprach objektive sittliche Maßstäbe, indem sie der formalen Ethik Kants materielle, d. h. inhaltlich bestimmte sittliche Werte als unwandelbare, in einer intuitiven Schau erfahrbare Wesenheiten entgegensetzte. Eine ähnliche Ethik war auch von Nicolai Hartmann entwickelt worden.25 Noch stärkere Wirkung aber hatte in der aus den Fugen geratenen Welt nun dessen Wiederbelebung der alten aristotelischen Schichtenlehre der Wirklichkeit mit ihrer gestuften Ordnung der realen Seinsschichten vom Anorganischen über das Organische und Seelische bis zum Geistigen und der idealen Schicht 23 Werner Maihofer: Demokratie und Sozialismus, in: Siegfried Unseld (Hg.): Ernst Bloch zu ehren, Frankfurt a. M. 1965, S. 31 – 67 (67). 24 Max Scheler: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik, 2 Teile, 1913 – 1916, 4. Aufl., Bern 1954; siehe auch ders.: Die Stellung des Menschen im Kosmos (1928), 7. Aufl., Bonn 2007. 25 Nicolai Hartmann: Ethik (1927), 4. Aufl., Berlin 1962.

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I. Die Naturrechtsrenaissance

des „objektiven Geistes“, nämlich der Sprache, Kunst, Wissenschaft und der ästhetischen und ethischen Werte.26 Ein hervorragendes Beispiel für den starken Einfluss, den die materiale Wertethik auf die verunsicherten Juristen ausübte, bietet der „Versuch zur Neugründung des Naturrechts“, den der namhafte Frankfurter Zivilrechtler und Rechtshistoriker Helmut Coing unter dem Titel „Die obersten Grundsätze des Rechts“ 1947 vorlegte und in seinen „Grundzügen der Rechtsphilosophie“ von 1950 in mehreren Auflagen weiter ausarbeitete.27 Aufgrund einer intuitiven „Wertschau“, für deren Möglichkeit ihm Scheler und Hartmann bürgten, erkennt er außer der Gerechtigkeit als dem zentralen Wert des Rechts die ergänzenden Werte Zuverlässigkeit, Treue, Wahrhaftigkeit und Vertrauen sowie für den sozio-politischen Bereich Personwürde und Freiheit, ferner die institutionenbegründenden Werte von Familie, Staat und Kirche. Der Sinn des menschlichen Lebens liege in der Wertverwirklichung, doch sei die Vernunft, weil immer bedroht, nicht dessen bestimmende Macht28 – eine für den Zeitgeist ungemein charakteristische Wendung. Für das Recht seien die aus den maßgeblichen Werten folgenden Anforderungen im Hinblick auf die im menschlichen Dasein typischerweise immer wiederkehrenden Elemente in Grundsätzen festzuhalten. Dergestalt ergebe sich ein Naturrecht als „Maßstab für die Beurteilung des positiven Rechts“, das bei einem Widerspruch seine moralische Verbindlichkeit verliere und im äußersten Fall aus Gründen der Gerechtigkeit vom Richter nicht angewendet werden dürfe.29 26 Nicolai Hartmann: Das Problem des geistigen Seins (1933), 2. Aufl., Berlin 1949; ders.: Der Aufbau der realen Welt (1940), 2. Aufl., Meisenheim 1949; 3. Aufl. Berlin 1964. 27 Zit. nach Helmut Coing: Grundzüge der Rechtsphilosophie, 4. Aufl., Berlin / New York 1985. 28 Vgl. ebd. S. 129. 29 Vgl. ebd. S. 211, 291.

3. Wertphilosophie des Rechts und „Radbruch’sche Formel“

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Zwar regte sich gegen die Annahme absoluter Werte schon frühzeitig scharfe Kritik.30 Gleichwohl blieb die materiale Wertethik im juristischen Schrifttum wenigstens mit Thesen und Zitaten präsent – vergleichbar mit der „zitatologischen“ Verwendung von Karl Marx in der realsozialistischen Legitimationswissenschaft der DDR.31 Der Rückbezug auf Werte signalisiert schlicht die Absage an den Rechtspositivismus, die vermeintliche Wurzel allen Übels. Wer jedoch wie der Hamburger Strafrechtler Heinrich Henkel (1903 – 1981) noch 1964 seine Rechtsphilosophie auf eine „Wertlehre“ baute, musste versuchen, ohne Metaphysik auszukommen.32 Indem die jenseitigen Werte zu „sozialen Wertschätzungen“ und „Vorzugstendenzen“ mutieren, endet die metaphysische Wertlehre des Rechts hier als eine Art von Rechtssoziologie. Nachhaltigere Wirkung als der Versuch, normative Gewissheiten in einer platonischen Welt ewiger Werte zu finden, zeitigte die kulturphilosophisch-relativistische Wertphilosophie des Rechts, wie sie Gustav Radbruch im Anschluss an die Südwestdeutsche Schule des Neukantianismus schon vor dem 1. Weltkrieg entwickelt hatte.33 Danach setzt sich die „Rechtsidee“, auf die der Rechtsbegriff ausgerichtet ist, aus drei unter sich widersprüchlichen, aber doch zusammengehörigen Bestandteilen zusammen: der Zweckmäßigkeit, der Rechtssicher30 Siehe dazu v. a. Wilhelm Weischedel: Recht und Ethik, Karlsruhe 1956 (2. Aufl. 1959); zusammenfassend Ernst-Wolfgang Böckenförde: Zur Kritik der Wertbegründung des Rechts, in: Reinhard Löw (Hg.): Oikeiosis – Festschrift für Robert Spaemann, Weinheim 1987, S. 1 – 21. Die gründlichste philosophische Kritik der Wertphilosophie findet sich übrigens schon 1937 bei einem Mitglied des „Wiener Kreises“: Victor Kraft: Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre, 2. Aufl., Wien 1952. 31 Dazu Wolf Paul: Die zwei Gesichter der marxistischen Rechtstheorie, in: Arthur Kaufmann u. a. (Hg.): Rechtsstaat und Menschenwürde – Festschrift für Werner Maihofer, Frankfurt a. M. 1988, S. 329 – 354 (341). 32 Vgl. Heinrich Henkel: Einführung in die Rechtsphilosophie, München 1964, S. 148 ff., 236 – 260. 33 Dazu Hasso Hofmann: From Jhering to Radbruch, in: Enrico Pattaro (Hg.): A Treatice of Legal Philosophy and General Jurisprudence, Vol. 9, Dordrecht u. a. O. 2009, S. 301 – 354 (347 ff.).

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I. Die Naturrechtsrenaissance

heit kraft Positivität des Rechts und der Idee der Gerechtigkeit, die zwar absolut und allgemein gültig, aber bloß formal ist und der kulturphilosophisch relativen Ausfüllung durch liberale, demokratische, sozialistische oder konservative Ideologien bedarf. Mit einer berühmt gewordenen Formulierung knüpfte Radbruch 1946 an die Antinomie von Rechtssicherheit und Gerechtigkeit an und führte sie im Sinne einer Grenzerfahrung fort: „Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein, daß das positive, durch Satzung und Macht gesicherte Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und unzweckmäßig ist, es sei denn, daß der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, daß das Gesetz als ‚unrichtiges Recht‘ der Gerechtigkeit zu weichen hat.“34

Diese sog. Radbruch’sche Formel zielt auf den kritischen Punkt in vielen Strafprozessen der Nachkriegszeit, auf die Frage nämlich, ob die formale Geltung von NS-Recht zur Rechtfertigung verbrecherischer Untaten dienen könne. Folgerichtig hat diese Konzentration auf das Problem der Rechts34 Radbruch: Gesetzliches Unrecht (Fn. 9), S. 107 bzw. 89. Wegen seiner ehedem starken Betonung des Elements der durch die Positivität des Rechts gewährleisteten Rechtssicherheit galt Radbruch früher als Positivist. Nach der Publikation seiner „Formel“ meinte man, Radbruch habe sich nun zum Naturrecht bekehrt, zumal er sich in jenen Nachkriegsjahren darüber hinaus ausdrücklich zu der alten Einsicht bekannte, dass es über dem Gesetz ein „höheres Recht“ gebe, „ein Naturrecht, ein Gottesrecht, ein Vernunftrecht, kurz ein übergesetzliches Recht, an dem gemessen das Unrecht Unrecht bleibt, auch wenn es in der Form des Gesetzes gegossen ist“ (Gustav Radbruch: Die Erneuerung des Rechts, in: Die Wandlung 2 [1947], S. 8 – 16). Doch liegt die Sache im Hinblick auf Radbruchs von jeher komplexem Rechtsbegriff so einfach nicht. Vielmehr haben wir es zum einen mit einer gewissen Akzentverschiebung innerhalb des Rechtsbegriffs zu tun und zum anderen mit der Erfahrung, dass der auf den Gleichheitsgedanken bezogene formale Gerechtigkeitsbegriff in Extremsituationen in die inhaltliche Bestimmtheit einer Negation von konkretem Unrecht umschlägt. „Indem … die Negation bestimmte Negation ist, hat sie einen Inhalt“ (Hegel). Diesen moralischen Protest gegen staatliche Untaten kann man eine naturrechtliche Wendung nennen. Aber ein Positivist im Sinne des einfachen „Gesetz ist Gesetz“ war Radbruch mit seiner wertbezogenen Rechtsphilosophie auch früher nicht.

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geltung der Radbruch’schen Formel zu neuer Aktualität verholfen, als nach der Wiedervereinigung Deutschlands Grenzsoldaten der DDR, die an der innerdeutschen Grenze DDRFlüchtlinge erschossen hatten („Mauerschützen“), sich vor Gericht zur Rechtfertigung auf das Grenzregime der DDR beriefen. Bei der Bestätigung der Schuldsprüche haben sich sowohl der Bundesgerichtshof wie das Bundesverfassungsgericht der Gedanken Radbruchs bedient.35 4. Ende der Naturrechtsrenaissance: Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland als „objektive Wertordnung“ Trotz der scharfen wissenschaftlichen Kritik erlagen Naturrecht und absolute Wertbegründung des Rechts nicht ihrem Mangel an Rationalität: es waren die Umstände.36 Mit der Stabilisierung der Verhältnisse verlor das naturrechtliche Schrifttum als eine Art „Bewältigungsliteratur“37 Nährboden und Resonanzraum. Das durch den Exportboom infolge des Koreakrieges 1950 – 1953 ausgelöste „Wirtschaftswunder“38 tat ein Übriges, indem es den in der katholischen Soziallehre so wichtigen Gedanken der Sozialbindung des Eigentums verblassen ließ. Von „Sozialisierung“, die ein repräsentatives Werk der katholischen Naturrechtsrenaissance noch 1956 als den „Zug der Zeit“ zu erkennen meinte,39 war nun ernstlich nicht mehr die Rede. Das sog. Ahlener Programm der CDU, das 1947 im Geiste des christlichen Sozialismus die Verstaatlichung von Bergbau und 35 Dazu statt aller Horst Dreier: Gustav Radbruch und die Mauerschützen, in: Juristenzeitung 52 (1997), S. 421 – 434; zuletzt Hans West: Gerechtigkeit für Humanitätsverbrechen? Nationale Strafverfolgung von staatlichen Systemverbrechen mit Hilfe der Radbruch’schen Formel, Tübingen 2006. 36 So schon Neumann: Rechtsphilosophie (Fn. 4), S. 158. 37 Eric Hilgendorf: Die Renaissance der Rechtstheorie zwischen 1965 und 1985, Würzburg 2005, S. 28. 38 Dazu Wehler: Gesellschaftsgeschichte (Fn. 4), S. 48 ff., 67 ff., 153 ff. 39 Auer: Der Mensch hat Recht (Fn. 7), S. 15.

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Schwerindustrie vorgesehen hatte, fiel der Vergessenheit anheim; Art. 15 des Grundgesetzes, der die Möglichkeit eröffnet, „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel“ zu sozialisieren, drang gar nicht erst ins öffentliche Bewusstsein.40 Ein gewisses zähes Eigenleben entfaltete der Naturrechtsgedanke jedoch in der obergerichtlichen Rechtsprechung, namentlich in der Judikatur des von dem schon erwähnten Naturrechtler Hermann Weinkauff geführten Bundesgerichtshofs.41 Hier diente er nicht nur der juristischen Aufarbeitung von NS-Untaten, sondern auch der Bewältigung staats- und dienstrechtlicher Folgen des staatlichen Zusammenbruchs wie überdies dem Versuch, die traditionelle Familien- und Sexualmoral zu restaurieren. So qualifizierte das Gericht in einer „monströsen“ Entscheidung (Arthur Kaufmann) den Verlobtenbeischlaf gemäß dem ewig unveränderlichen Sittengesetz 1954 als „Unzucht“ im strafrechtlichen Sinne.42 Die Schöpfungsordnung musste auch zur Verteidigung des überkommenen patriarchalischen Familienrechts herhalten.43 Selbst die neue Verfassung erfuhr naturrechtliche Relativierung: Nach Maßgabe des Naturrechts sei zwischen höherrangigem und niederrangigem Verfassungsrecht zu unterscheiden, ja sogar mit „verfassungswidrigem Verfassungsrecht“ zu rechnen. Gleichheitssatz und Eigentumsgarantie des Naturrechts schützten unter Umständen selbst gegen das geltende Verfassungsgesetz auch die beamtenrechtlichen Besoldungs- und Versorgungs40 Dazu Wolf Rosenbaum: Naturrecht und positives Recht, Neuwied / Darmstadt 1972, S. 108 ff. 41 Dazu aus der Fülle der Literatur: Hermann Weinkauff: Der Naturrechtsgedanke in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in: Neue Juristische Wochenschrift 13 (1960), S. 1689 – 1696, der die Tendenz allerdings überzeichnet. Umfassend Kühl: Kontinuitäten (Fn. 4), S. 620 ff.; ausführlich jetzt auch Herbe: Weinkauff (Fn. 14), S. 175 ff. 42 BGHSt 6, 46 (52 ff.). Zum moralischen Klima jener Jahre vgl. Sybille Steinbacher: Wie der Sex nach Deutschland kam – Der Kampf um Sittlichkeit und Anstand in der frühen Bundesrepublik, München 2011, S. 50 ff. 43 BGHZ 11, Anh. 34 ff. (40). Zum Folgenden auch BayVerfGH 2, 45 (49); 3, 28 (48 f.); ferner BGHSt 4, 385 (389 ff.).

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ansprüche.44 Auf diesem Feld führte Weinkauff, der frühere Reichsgerichtsrat, den Bundesgerichtshof in eine Aufsehen erregende Kontroverse mit dem Bundesverfassungsgericht. Dessen Richter hatten 1953 geurteilt, dass alle Beamtenverhältnisse am Tag der deutschen Kapitulation erloschen seien, weil das Hitler-Regime das parteipolitisch neutrale Berufsbeamtentum durch die persönliche Treuebindung an Hitler planmäßig zerstört habe.45 Dem widersprach der Bundesgerichtshof – im Einklang mit dem größten Teil des Schrifttums – sehr heftig. Die aggressive richterliche Urteilsschelte gipfelte in dem Vorwurf, das Bundesverfassungsgericht habe in diesem zentralen Punkt „nicht ein rechtliches, sondern ein historisches Werturteil“ gefällt, und in der ausdrücklichen Weigerung, ihm hierin zu folgen.46 Erst im Licht dieser Institutionenkonkurrenz innerhalb der Gerichtsorganisation der jungen Bundesrepublik zwischen der traditionellen Justiz und der kompetenzrechtlich neuartigen Verfassungsgerichtsbarkeit47 zeigt sich die volle Bedeutung jener Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der die Bundesrepublik, wie man gesagt hat, durch die „Wiedergeburt BGHZ 11, Anh. 81. BVerfGE 3, 58 (sog. „Beamtenurteil“). Hierzu und zum Folgenden die eindringliche staatsrechtliche Analyse des Problems von Rolf Grawert: Der Zusammenbruch des Staates und das Schicksal seiner Beamtenschaft im Spiegel der Nachkriegsliteratur, in: Friedrich Georg Schwegmann (Hg.): Die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums nach 1945 – Geburtsfehler oder Stützpfeiler der Demokratiegründung in Westdeutschland?, Düsseldorf 1986, S. 25 – 46. 46 BGHZ 13, 265 (299, 301). Das BVerfG hat diese Kritik später im sog. „Gestapo-Beschluss“ ebenso scharf zurückgewiesen und seine Rechtsauffassung bekräftigt: BVerfGE 6, 132 (167 ff.). Diese Entscheidung fand in der Fachwelt jedoch kaum noch ein Echo, weil die Unterbringung bzw. Versorgung der betroffenen Personenkreise inzwischen gemäß Art. 131 GG weit fortgeschritten war. Jüngst dazu Norbert Frei: Transformationsprozesse. Das Bundesverfassungsgericht als vergangenheitspolitischer Akteur in den Anfangsjahren der Bundesrepublik, in: Michael Stolleis (Hg.): Herzkammern der Republik, München 2011, S. 64 – 81 (72–78). 47 Dazu eingehend Jörg Requate: Der Kampf um die Demokratisierung der Justiz, Frankfurt a. M. / New York 2008, S. 36 ff., 43 ff., 50 ff. 44 45

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der Rechtsordnung aus dem Geist der Grundrechte“48 eigentlich „erst aus der Taufe gehoben worden (sei)“.49 Die Rede ist vom sog. „Lüth“-Urteil, benannt nach dem Beschwerdeführer, der mehrfach öffentlich zum Boykott eines neuen Films Veit Harlans – ehedem Regisseur des antisemitischen Hetzfilms „Jud Süß“ – aufgerufen hatte und wegen der Sittenwidrigkeit seines Tuns im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Unterlassung verurteilt worden war.50 Mit der Kassation dieser zivilgerichtlichen Urteile durch das Bundesverfassungsgericht Anfang 1958 beginnt der Prozess der „Konstitutionalisierung“ der gesamten westdeutschen Rechtsordnung, d. h. ihrer inhaltlichen Ausrichtung auf das Grundgesetz als ein „Wertsystem“.51 Das Verfassungsgericht erkannte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes nämlich eine „objektive Wertordnung“, die es verbiete, eine von der politischen Meinungsfreiheit der Verfassung geschützte Äußerung zivilrechtlich als sittenwidrig zu betrachten. Diese Wertordnung verstärke die Geltungskraft der Grundrechte prinzipiell und „strahle“ auf alle Bereiche des Rechts und der Rechtspflege „aus“ – und zwar als ein „System“,52 also exklusiv. Das heißt im Klartext: Berufung auf übergesetzliches Recht kann in der Bundesrepublik nur noch die Wertordnung des Grundgesetzes meinen, die verbindlich allein vom Bundesverfassungsgericht ausgelegt wird. Mit dieser kompetenzrechtlichen Klarstellung wird die Unterscheidung von Verfassungsrecht und Naturrecht irrelevant. Existenzialistisch gesprochen: Der Verfassungsentwurf von 1949 ist Naturrecht geworden. 48 Rainer Wahl: Die objektivrechtliche Dimension der Grundrechte im internationalen Vergleich, in: Detlef Merten / Hans-Jürgen Papier (Hg.): Handbuch der Grundrechte, Bd. I, Heidelberg 2004, S. 745 – 781 (746). 49 Gerd Roellecke: 75 Jahre Grundgesetz, in: Rechtshistorisches Journal 19 (2000), S. 632 – 636 (633). 50 BVerfGE 7, 198. Dazu Thomas Henne / Arne Riedlinger (Hg.): Das Lüth-Urteil aus (rechts-)historischer Sicht, Berlin 2005. 51 Dazu Rainer Wahl: Herausforderungen und Antworten, Berlin 2006, S. 32 ff.; Jörn Ipsen: Der Staat der Mitte, München 2009, S. 314 ff. 52 BVerfGE 7, 198 (205).

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Vorgeformt war der Gedanke des Wertsystems der Grundrechte durch den Tübinger Verfassungsrechtler Günter Dürig. Er hatte 1956 aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 GG und der Garantie des Wesensgehaltes aller Grundrechte in Art. 19 Abs. 2 GG „ein praktikables Wertsystem der Grundrechte“ entworfen53 und zur Grundlage seiner Kommentierung des Art. 1 GG in einem seit 1958 erscheinenden, sehr einflussreichen Großkommentar zum Grundgesetz gemacht.54 Nun war die Rede von einem „Wertsystem der Grundrechte“ zwar nicht neu. Schon im berühmten Methodenstreit der Weimarer Staatsrechtslehre hatte der Integrationstheoretiker Rudolf Smend davon gesprochen, aber ganz entschieden kein rechtsdogmatisches, sondern ein „Kultursystem“ in geistesgeschichtlicher Interpretation gemeint.55 Dürigs eigentümliche Mischung von Wertphilosophie und essentialistischem katholischen Naturrecht war, philosophisch naiv, ungeschichtlich und überzeitlich gedacht. Damit war der Grund für einen, angesichts der resonanzarmen Anfänge 1949 schier unglaublichen Prozess der Idealisierung und Ethisierung, ja Sakralisierung unserer Verfassung gelegt.56

53 Günter Dürig: Der Grundsatz von der Menschenwürde – Entwurf eines praktikablen Wertsystems der Grundrechte aus Art. 1 Abs. I in Verbindung mit Art. 19 Abs. II des Grundgesetzes, in: Archiv des öffentlichen Rechts 81 (1956), S. 117 – 157. Dazu Hasso Hofmann: Methodische Probleme der juristischen Menschenwürdeinterpretation, in: Ivo Appel / Georg Hermes (Hg): Mensch – Staat – Umwelt, Berlin 2008, S. 47 – 78 (51 ff.). 54 Theodor Maunz / Günter Dürig (Hg.): Grundgesetz-Kommentar, München seit 1958 (Lose-Blatt-Werk). Dass es 2003 Proteste von Staatsrechtslehrern gegen die Ersetzung dieser Kommentierung durch einen moderneren Text gab, unterstreicht den historischen Stellenwert von Dürigs Entwurf. 55 Dazu mit Nachweisen Hasso Hofmann: „In Europa kann’s keine Salomos geben.“ – Zur Geschichte des Begriffspaares Recht und Kultur, in: ders.: Recht und Kultur, Berlin 2009, S. 32 – 64 (50 ff., 55 f.). 56 Dazu mit Nachweisen Uwe Volkmann: Verfassungsrecht zwischen normativem Anspruch und politischer Wirklichkeit, in: VVDStRL 67 (2008), S. 57 – 93 (62 ff., 66 ff.); Horst Dreier: Gilt das Grundgesetz ewig?, München: Carl Friedrich von Siemens Stiftung, 2009, S. 102 ff., 112 ff., mit nachdrücklichen Hinweisen auf die Gefahren dieser Entwicklung.

II. Zeit der Reformen, Planungen und Theorien 1. Reformen und Planungen Äußeren Halt gab der jungen Bundesrepublik im „Kalten Krieg“ die in der deutschen Geschichte neue „Westintegration“.57 Ihr folgte mehr oder weniger zwangsläufig eine innere Westorientierung – von der Liberalisierung und Modernisierung der Gesellschaft durch Auflösung traditioneller Milieus über die Pluralisierung der Lebensformen bis zu einer gewissen „Amerikanisierung“ der politischen Vorstellungen und der Kultur – trotz aller restaurativen („abendländischen“) Tendenzen im antikommunistischen Kulturbetrieb.58 Kompliziert wurde der ohnedies nicht einfache Anpassungsprozess durch die Ingerenz einer neuen Jugendbewegung samt deren Übertreibungen und Radikalisierungen bis hin zum Linksterrorismus. Alle, teilweise sehr alten Mängel an Offenheit und Liberalität schienen den Jungen allemal Rückstände des „Faschismus“, an dem sie ihren Eltern die Schuld gaben, während sie, die „68er“, sich für die Auslöser der längst rollenden Modernisierungswelle hielten.59 In die Geschichtsschreibung der Bundesrepublik ist der tief greifende Wandel der sozialen, politischen und mentalen Verhältnisse als „Umgründung der 57 Dazu Hasso Hofmann: Die Entwicklung des Grundgesetzes von 1949 bis 1990, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hg.): Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, 3. Aufl., Heidelberg 2003, S. 355 – 421 (373 ff., 382 ff.). 58 Ralf Dahrendorf: Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965, S. 10. Zum Ganzen Ulrich Herbert: Liberalisierung als Lernprozess, in: ders. (Hg.): Wandlungsprozesse in Westdeutschland, 2. Aufl., Göttingen 2003, S. 7 – 49 (25 ff.); Manfred Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, München 1999, S. 253 ff. 59 Dazu Wehler: Gesellschaftsgeschichte (Fn. 4), S. 277 f., 310 f.

1. Reformen und Planungen

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Republik“60, als „Versuch einer inneren Neugründung“61 oder schlicht als „Reformzeit“62 eingegangen. Im Kern sind damit die Jahre der (ersten) Großen Koalition und der (ersten) Kanzlerschaft Willy Brandts von 1966 bis 1972 gemeint. Erinnert sei nur an die großen wirtschafts- und finanzpolitischen Gesetzgebungsakte aus dem Geist einer staatlichen Globalsteuerung der Volkswirtschaft, sowie an die Reformen, durch die das Strafrecht entrümpelt, insbesondere das Sexualstrafrecht liberalisiert und das Abtreibungsverbot gelockert wurde. Den leidenschaftlichen Modernisierungsdiskussionen der 60er Jahre trug auch die große Ehe- und Familienrechtsreform Rechnung, die schließlich 1976 in Kraft trat. Getragen wurde der Reformeifer durch einen unglaublichen Zukunftsoptimismus – vor der großen Rentenreform von 1972 etwa rechnete man mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von 5 % – und eine wahre „Planungseuphorie“.63 Sie war so ausgeprägt, dass der Kultursoziologe Friedrich Tenbruck (1919 – 1994), der seine Doktorarbeit 1944 über Kants Kritik der reinen Vernunft geschrieben hatte, 1972 eine Studie „Zur Kritik der planenden Vernunft“ veröffentlichte.64 Zukunftszuversicht wie „Planungseuphorie“ gründeten im Vertrauen auf die Möglichkeit, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung nach Maßgabe wissenGörtemaker: Geschichte (Fn. 58), S. 475; zum Folgenden ebd. S. 516 ff. Wolfgang Jäger: Die Innenpolitik der sozialliberalen Koalition 1969 – 1974, in: Karl Dietrich Bracher u. a. (Hg.): Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5 / 1, Stuttgart / Mannheim 1986, S. 15 – 160 (15). 62 Eckart Conze: Die Suche nach Sicherheit – Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, München 2009, S. 311 ff. Zum Folgenden ebd. S. 370 ff., 402 ff. 63 Der Freiburger Staatsrechtler Kaiser hat die Planung zur Eröffnung einer von ihm herausgegebenen Reihe von Sammelbänden zu diesem Thema schon 1965 zu einem „Schlüsselbegriff unserer Zukunft“ erklärt: Joseph H. Kaiser (Hg.): Planung I, Baden-Baden 1965, S. 7 (Hervorhebung i. O.). Aus der Fülle der Literatur hier nur ein Hinweis auf die zeittypische neomarxistische Beschäftigung mit dem Thema Planung: Fritz W. Scharpf: Planung als politischer Prozess, Frankfurt a. M. 1973, S. 135 – 150: Reformpolitik im Spätkapitalismus. 64 Friedrich Tenbruck: Zur Kritik der planenden Vernunft, Freiburg / München 1972. 60 61

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II. Zeit der Reformen, Planungen und Theorien

schaftlicher Analysen durch ideologiefreie fachliche Planung zu steuern. Dementsprechend hoch veranschlagte die Reformpolitik die Bedeutung von Bildung und Wissenschaft. Die Folge waren eine ebenso breite wie heftige bildungspolitische Diskussion sowie der Ausbau und die Neugründung von Universitäten – für die großen Flächenstaaten in charakteristischer Weise zugleich Elemente einer umfassenden Raumordnungsund Infrastrukturpolitik.65 Überwölbt wurden die Landesplanungsgesetze vom Raumordnungsgesetz, einem Rahmengesetz des Bundes (1965), und vom Bundesraumordnungsprogramm (1975). Innerhalb weniger Jahre entstand so ein neues vielfältiges Rechtsgebiet: das Planungsrecht.66 All’ das stellte die traditionelle Rolle der Juristen und die herkömmliche Art ihrer Ausbildung in Frage. Lautstark wurde der Erwerb sozialwissenschaftlicher Kompetenz gefordert: einerseits nach dem Leitbild des social engeneering (Roscoe Pound), andererseits gemäß den Emanzipationsvorstellungen der sog. kritischen Gesellschaftstheorie.67 Vom Planungsrecht her veränderte sich darüber hinaus der Blick auf das Recht überhaupt. Demonstriert hat das namentlich der Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann (1927 – 1998), der von Haus aus Jurist und zwar (das ist nicht unwichtig) Verwaltungsjurist war.

65 Eine exemplarische Illustration bietet Anne Rohstock: Von der „Ordinarienuniversität“ zur „Revolutionszentrale“? – Hochschulreform und Hochschulrevolte in Bayern und Hessen 1957 – 1976, München 2010. 66 Für einen Überblick: Michael Ronellenfitsch: Einführung in das Planungsrecht, Darmstadt 1986. 67 Dazu Rudolf Wassermann (Hg.): Justizreform, Neuwied 1970; Rüdiger Lautmann: Soziologie vor den Toren der Jurisprudenz, Stuttgart u. a. O. 1971; Eberhard Knittel: Sozialwissenschaften und Rechtspraxis in der Juristenausbildung, Marburg 1973; Winfried Hassemer / Wolfgang HoffmannRiem / Jutta Limbach: Juristenausbildung zwischen Experiment und Tradition, Baden-Baden 1986; zusammenfassend Requate: Kampf (Fn. 47), S. 161 ff., 259 ff.

2. Theorien

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2. Theorien Luhmann, Schöpfer einer nach ihrem universellen Anspruch auch philosophisch relevanten Systemtheorie, welche die Gesellschaft nicht ontologisch als übergreifende Ganzheit von Teilen, sondern funktional als operativ geschlossenen Prozess sozialer Kommunikation begreift und zu den erfolgreichsten und populärsten Theorien im deutschen Sprachraum gehört,68 nahm 1971 am Weltkongress für Rechts- und Sozialphilosophie in Madrid teil. Die Tagung war – von jeder Wertphilosophie des Rechts denkbar weit entfernt – den „Funktionen des Rechts“ gewidmet. Luhmann stellte das Thema unter den Zeitaspekt von Vergangenheit und Zukunft, von normativer Stabilisierung und planmäßiger Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse und spitzte es auf die Frage zu, ob mit den fortwährenden Veränderungen der Rechtsnormen im gesellschaftlichen Wandel am Ende nicht „gar der Sinn der Normativität sich (ändere)“.69 Denn wenn – so Luhmann – die Überzeugung Platz greift, dass die im Recht notwendigen Wertungen letztlich durch ihre Folgen gerechtfertigt werden müssen,70 urteilt namentlich bei den zukunftsbezogenen Planungen am Ende die Zukunft über Recht und Unrecht, wächst das Gewicht der Prognose von Entscheidungsfolgen und damit die Relevanz der Sozialwissenschaften für die Jurisprudenz auf Kosten der Rechtsdogmatik.71 Damit stehe nicht weniger als der „Sinn von Sollen“ auf dem Spiel. Denn Sollenssätze stabilisieren normgemäßes Verhalten, indem sie eine geschehene Normverletzung in der Rückschau als Unrecht sanktionieren.72 68 Dazu hier speziell Thomas Huber: Systemtheorie des Rechts, BadenBaden 2007. 69 Niklas Luhmann: Die Funktionen des Rechts, in: Archiv für Rechtsund Sozialphilosophie, Beihefte NF 8 (1974), S. 31 – 45 (32). 70 Dazu Adalbert Podlech: Wertungen und Werte im Recht, in: Archiv des öffentlichen Rechts 95 (1970), S. 185 – 223. 71 Dagegen wendet sich Niklas Luhmann: Rechtssystem und Rechtsdogmatik, Stuttgart u. a. O. 1974, S. 55. 72 Luhmann: Funktionen des Rechts (Fn. 69), S. 36 ff.

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II. Zeit der Reformen, Planungen und Theorien

Die von Luhmann kritisierte Modernisierungsdiskussion der „Reformzeit“ betraf aber nicht nur die traditionelle Rechtsdogmatik, sondern erfasste selbstverständlich auch die herkömmlich am Gerechtigkeitswert orientierte Rechtsphilosophie. Auf diesem Felde war in Deutschland wie überhaupt in der Philosophie viel nachzuarbeiten.73 Jenem Vorgang vergleichbar, der seit dem Ende der 50er Jahre die ab 1933 ausgegrenzten kulturellen Leistungen in den Bildungskanon der Schulen und Hochschulen zurückbrachte, suchte die Philosophie Anschluss an die zu einem guten Teil deutschen Emigranten geschuldeten angelsächsischen Theorieentwicklungen. Einfluss gewannen so die kritische Gesellschaftstheorie, die der institutionellen Gründung der Bonner Republik nun von Frankfurt aus deren „intellektuelle Gründung“ folgen lassen wollte74, und die vom Neopositivismus des „Wiener Kreises“ um Moritz Schlick und Paul Carnap ausgehende „Analytische Philosophie“.75 Sie hatte es unternommen, philosophische Probleme durch Sprachkritik zu lösen oder aufzulösen.76 Für diese antimetaphysische Abkehr von Dingen, namentlich den nur gedachten Gegenständen, hin zu den Aussagen, Begriffen, Prinzipien und Axiomen der Wissenschaften hat sich der von Richard Rorty in der Nachfolge des „Wiener Kreises“ in Umlauf gebrachte Termi73 So Ernst Topitsch (Hg.): Logik der Sozialwissenschaften, Köln / Berlin 1965, S. 13 f. (Vorwort). 74 Dies nach Clemens Albrecht u. a. (Hg.): Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik – Eine Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule, Frankfurt a. M. / New York 1999. 75 Dazu Eric Hilgendorf (Hg.): Wissenschaftlicher Humanismus – Texte zur Moral- und Rechtsphilosophie des frühen logischen Empirismus, Freiburg u. a. O. 1998; Plümacher: Philosophie (Fn. 1), S. 77 ff., 87 ff.; Eric Hilgendorf: Rechtsphilosophie im vereinten Deutschland, in: Philosophische Rundschau 50 (1993), S. 1 – 33 (14 ff.); Delf Buchwald: Der Begriff der rationalen juristischen Begründung – Zur Theorie der juridischen Vernunft, Baden-Baden 1990. 76 Vgl. Victor Kraft: Der Wiener Kreis – Der Ursprung des Neopositivismus, Wien 1950, 2. Aufl. 1968, 3. Aufl. 1997; Eike von Savigny: Die Philosophie der normalen Sprache – Eine kritische Einführung in die „ordinary language philosophy“, Frankfurt a. M. 1969, Neuaufl. 1993.

2. Theorien

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nus Linguistic Turn eingebürgert.77 Bei Rorty erscheint zudem die kategoriale Einteilung der analytischen Philosophie in Sprachkritik, Logik, Rhetorik, Hermeneutik und Pragmatik. In der rechtsphilosophischen Nacharbeit treten entsprechende Termini dann als Bezeichnungen von Teildisziplinen der Rechtstheorie auf. 1970 wurden eine Zeitschrift „Rechtstheorie“ „Logik, Methodenlehre, Kybernetik und Soziologie“78 und ein „Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie“79 gegründet. Dessen 2. Band war der „Rechtstheorie als Grundlagenwissenschaft der Rechtswissenschaft“ gewidmet und listete folgende Rubriken auf: Erkenntnistheorie des Rechts, Logik des Rechts, Begriffs- und Systemtheorie des Rechts, Entscheidungs- und Informationstheorie des Rechts, Sprachund Argumentationstheorie des Rechts.80 Schon 1971 lieferte die Diskussion Stoff für zwei Sammelbände zum Thema „Rechtstheorie“.81 Die Fülle der Aspekte – in ihrer „Breiten77 Richard M. Rorty (Hg.): The Linguistic Turn. Essays in philosophical Method, Chicago 1967. Siehe dazu Andreas Graeser: Positionen der Gegenwartsphilosophie, München 2002, S. 30 ff.: „Sprachliche Wende“. 78 Herausgeber: Karl Engisch, H. L. A. Hart, Hans Kelsen, Ulrich Klug, Sir Karl R. Popper. 2005 feiert die „Philosophie des Rechts“ in dem geänderten Untertitel fröhliche Urstand: „Zeitschrift für Logik und juristische Methodenlehre, Rechtsinformatik, Kommunikationsforschung, Normenund Handlungstheorie, Soziologie und Philosophie des Rechts“. Mit dem Beitrag „Der gegenwärtige Stand der reinen Rechtslehre“ von Robert Walter im 1. Bd. der Zeitschrift Rechtstheorie von 1970 (S. 69 – 95) findet auch Kelsens bis dahin meist geschmähte Normentheorie Eingang in die Diskussion; dazu Horst Dreier: Rezeption und Rolle der Reinen Rechtslehre, Wien 2001, S. 23 ff. 79 Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 1: Die Funktionen des Rechts in der modernen Gesellschaft, hg. v. Rüdiger Lautmann, Werner Maihofer und Helmut Schelsky, Bielefeld 1970. 80 Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 2: Rechtstheorie als Grundlagenwissenschaft der Rechtswissenschaft, hg. v. Hans Albert, Niklas Luhmann u. a., Düsseldorf 1972. 81 Günther Jahr / Werner Maihofer (Hg.): Rechtstheorie – Beiträge zur Grundlagendiskussion, Frankfurt a. M. 1971; Arthur Kaufmann (Hg.): Rechtstheorie – Ansätze zu einem kritischen Rechtsverständnis, Karlsruhe 1971. Bei Kaufmann erscheint die Rechtstheorie als „analytische Wissenschaftstheorie“, als „kritische Reflexion“, als „Protojuridik“ und als „Systemtheorie“.

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II. Zeit der Reformen, Planungen und Theorien

wirkung allenfalls mit der Naturrechtsrenaissance nach 1945 zu vergleichen“82 – macht es unmöglich, die Frage nach dem eigentlichen Gegenstand der Rechtstheorie zu beantworten. Sollte es das Recht, das Gesetz, die Struktur der Rechtsnorm oder des Rechtssystems, die Dogmatik, Auslegung oder Anwendung des Rechts oder die juristische Argumentation sein? Auf jeden Fall aber stand der Terminus als Chiffre metaphysikfreier Wissenschaftlichkeit und Offenheit gegenüber den Sozialwissenschaften bis zur Selbstaufgabe83 für Modernität. „Die Rechtsphilosophie ist tot. Es lebe die Rechtstheorie!“ Auf diese Formel brachte Ralf Dreier den Zeitgeist 1974 in seiner Antrittsvorlesung auf dem im Zuge der Reformen eigens für das Fach „Allgemeine Rechtstheorie“ errichteten Göttinger Lehrstuhl.84 82 Hans-Peter Schneider: Rechtstheorie ohne Recht? Zur Kritik des spekulativen Positivismus in der Jurisprudenz, in: Alexander Hollerbach u. a. (Hg.): Mensch und Recht – Festschrift für Erik Wolf zum 70. Geburtstag, Frankfurt a. M. 1972, S. 108 – 136 (108). Siehe auch Karl-Ludwig Kunz: Die analytische Rechtstheorie: Eine „Rechts“-theorie ohne Recht?, Berlin 1977, mit prinzipieller Kritik an der angeblich kulturell verfehlten Rezeption des analytischen Modells der Rechtstheorie. 83 Vgl. Hubert Rottleuthner: Rechtswissenschaft als Sozialwissenschaft, Frankfurt a. M. 1973. Zum Ganzen kritisch Wolfgang Naucke: Über die juristische Relevanz der Sozialwissenschaften, Frankfurt a. M. 1972. Treffend Eric Hilgendorf: Die Renaissance der Rechtstheorie zwischen 1965 und 1985, Würzburg 2005, S. 48: „Wie hältst du es mit den Sozialwissenschaften?“ sei in den 70er Jahren geradezu zur Gretchenfrage der deutschen Jurisprudenz geworden. Siehe auch Dieter Grimm, der seinem Sammelband Rechtswissenschaft und Nachbarwissenschaften, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1973, S. 7 die Bemerkung voranstellte: „Dieses Buch ist ein Ausdruck schwindender Selbstsicherheit der Rechtswissenschaft.“ 84 Ralf Dreier: Was ist und wozu Allgemeine Rechtstheorie?, Tübingen 1975, jetzt in: ders.: Recht-Moral-Ideologie, Frankfurt a. M. 1981, S. 17 – 47 (17). – Im Hinblick auf die Kritik an der dogmatischen Jurisprudenz zu Anfang und am Ende des 19. Jahrhunderts (dazu Annette Brockmöller: Die Entstehung der Rechtstheorie im 19. Jahrhundert in Deutschland, BadenBaden 1997, S. 47 ff., 238 ff.) hat Eric Hilgendorf in einer sehr instruktiven Studie von einer „Renaissance der Rechtstheorie zwischen 1965 und 1985“ gesprochen (vgl. Fn. 83). Tatsächlich hat Rudolf von Jherings (1818 – 1892) „Rechtsnaturalismus“ die alsbald in vielen Facetten gestellte Frage nach den wirklichen Determinanten gerichtlicher Entscheidungen inauguriert und tatsächlich hat Jherings Schüler Adolf Merkel (1836 – 1896) die Umgestaltung

3. Analytische Rechtstheorie und Methodendiskussion

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3. Analytische Rechtstheorie und Methodendiskussion a) Analytische Rechtstheorie Wichtigstes Moment in der deutschen Diskussion der sprachanalytischen Rechtstheorie war deren neopositivistische Konsequenz, wie sie das 1973 ins Deutsche übersetzte Werk des Oxford-Professors Herbert Hart „The Concept of Law“ zeigt85 – ein Meilenstein der Theoriegeschichte nach Hans Kelsens „Reiner Rechtslehre“.86 Das Wesentliche ist die strikte begrifflich-definitorische Trennung von Recht und Moral, d. h. die wissenschaftliche Definition des Rechts ohne alle Gerechtigkeitsprädikate, und die ausschließlich sprachliche Analyse der Rechtsbegriffe bei gleichzeitiger Anerkennung der der Rechtsphilosophie in eine „Allgemeine Rechtslehre“ gefordert (Philosophische Einleitung in die Rechtswissenschaft, in: Franz von Holtzendorff (Hg.): Encyklopädie der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1890, S. 5 – 91 (89)), die scharf zwischen dem „wirklichen Recht, dessen tatsächlichen Grundlagen und dessen gesetzmäßiger Wirkungsweise“ und dem „seinsollenden Recht und dessen idealen Beziehungen“ unterscheidet. Auch ist ja nicht zu bestreiten, dass schon der „Juristensozialist“ Anton Menger (1848 – 1906) die Entwicklung der Rechtswissenschaft zu einer wissenschaftlichen Gesellschaftspolitik betrieben hat (zu alledem im Einzelnen und mit Nachweisen Hofmann: From Jhering to Radbruch (Fn. 33), S. 308 ff., 315 ff.). Den wesentlichen Unterschied zur Rechtstheorie um 1970 macht indes der durch die analytische Philosophie verwandelte wissenschaftstheoretische Hintergrund. Vgl. dazu Wolfgang Stegmüller: Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, Bd. I: Wissenschaftliche Erklärung und Begründung, Berlin u. a. O. 1969; siehe auch Walter Schulz: Philosophie der veränderten Welt, Pfullingen 1972, S. 68 ff., 76 ff. 85 Herbert Lionel Adolphus Hart: The Concept Law, Oxford 1961, 2. Aufl. 1984; dt. u. d. T. Der Begriff des Rechts, Frankfurt a. M. 1973. Eine frühe Rezeption: Horst Eckmann: Rechtspositivismus und sprachanalytische Philosophie – Zum Begriff des Rechts in der Rechtstheorie H. L. A. Harts, Berlin 1969. 86 Hans Kelsen: Reine Rechtslehre – Einleitung in die rechtswissenschaftliche Problematik, Leipzig / Wien 1934. Dazu Peter Koller: Meilensteine des Rechtspositivismus im 20. Jahrhundert: Hans Kelsens Reine Rechtslehre und H. L. A. Harts „Concept of Law“, in: Ota Weinberger / Werner Krawietz (Hg.): Reine Rechtslehre im Spiegel ihrer Fortsetzer und Kritiker, Wien / New York 1988, S. 129 – 178.

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Möglichkeit rationaler moralischer (aber eben nur moralischer) Kritik an den Rechtsinhalten.87 Dieser wissenschaftstheoretisch „geläuterte“ Rechtspositivismus bindet den Rechtsbegriff zwar an die formalen Rechtserzeugungsregeln eines staatlichen Zwangsapparates, reduziert das Recht damit aber nicht auf Befehle, sondern erkennt auch Gewohnheits- und Richterrecht an, und folgert aus der bloßen Definition des Rechts keine Befolgungspflicht. Scharf ist danach ferner die externe Beobachtungsperspektive mit ihrer kontradiktorischen Unterscheidung von Recht und Nicht-Recht von der auf den konträren Gegensatz von Recht und Unrecht gerichteten internen Entscheidungsperspektive zu trennen. So waren z. B. die NS-Rassegesetze in der Beobachtungsperspektive gemäß dem kontradiktorischen Gegensatz von Recht und Nicht-Recht geltendes, wenn auch pervertiertes Recht, in der vom konträren Gegensatz Recht-Unrecht bestimmten Entscheidungsperspektive aber Unrecht. Sprachkritisch auf den Punkt gebracht: Zwar kann gesetztes Recht nicht gleichzeitig Nicht-Recht sein, wohl aber gesetztes Recht zugleich Unrecht. Diese Rehabilitierung eines wissenschaftstheoretisch fundierten Rechtspositivismus wurde durch die gleichzeitig wachsende Einsicht gestützt, dass das Verdikt Radbruchs, wonach es der Rechtspositivismus gewesen sein soll, der die deutschen Juristen gegen die Perversionen der NS-Diktatur wehrlos gemacht habe,88 so nicht zutrifft. Tatsächlich rührte das Verderben weniger von der strikten Befolgung einer spezifischen NS-Gesetzgebung her als von der hemmungslosen ideologischen Auslegung und Instrumentalisierung der vorhandenen Regelungen.89 87 Vgl. H. L. A. Hart: Recht und Moral – Drei Aufsätze, übersetzt und mit einer Einleitung hg. v. Norbert Hoerster, Göttingen 1971. Das Folgende nach Norbert Hoerster: Verteidigung des Rechtspositivismus, Frankfurt a. M. 1989. 88 Siehe vorne bei Fn. 10. 89 Dazu Bernd Rüthers: Die unbegrenzte Auslegung – Zum Wandel der Privatrechtsordnung im Nationalsozialismus, Tübingen 1968 u. ö. Kritik der

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b) Rechtslogik, Topik und juristische Argumentationstheorie Die „Sprachliche Wende“ bedeutete aber nicht nur eine Wendung gegen Naturrecht und Wertphilosophie, sondern stellte auch die traditionelle juristische Methodenlehre in Frage, die von der Begründung der richterlichen Einzelfallentscheidung aus den vorgegebenen allgemeinen Rechtsnormen handelt. Dieses Problem war ein Dauerthema, seit sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Einsicht durchgesetzt hatte, dass das Urteil nicht durch einen logischen Schluss aus dem Gesetz ableitbar ist. Die Wiederaufnahme dieser Thematik signalisiert juristische Normalität. Dem Zeitgeist geschuldet war die Bearbeitung durch Rechtslogik und juristische Argumentationstheorie.90 Das bahnbrechende Werk des Kölner Strafrechtlers und liberalen Rechtspolitikers Ulrich Klug (1919 – 1993) über „Juristische Logik“ im Sinne der „Lehre von den im Rahmen der Rechtsfindung zur Anwendung gelangenden Regeln der formalen Logik“,91 löste eine Welle von Veröffentlichungen aus, die darauf zielten, der herkömmlich als „Kunst“ verstandenen Rechtsfindung im Einzelfall mittels der formalen Logik „Anschluss“ an die „Wissenschaft“ zu verschaffen.92 Noch breiteren Zuspruch fand indes die Wiederbelebung der Topik.93 Die Wendung gegen die nur vermeintlich objektive Lösung juristiapologetischen Verwendung der These Radbruchs durch involvierte Juristen (vgl. etwa Hermann Weinkauff: Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus, Stuttgart 1968, S. 37 f.) bei Everhardt Franssen: Positivismus als juristische Strategie, in: Juristenzeitung 24 (1969), S. 766 – 775 (766 f.). 90 Sehr instruktiv dazu Eric Hilgendorf: Argumentation in der Jurisprudenz – Zur Rezeption von analytischer Philosophie und kritischer Theorie in der Grundlagenforschung der Jurisprudenz, Berlin 1991. 91 Ulrich Klug: Juristische Logik, Berlin u. a. O. 1951, 2. Aufl. 1958; die viel zitierte erweiterte 3. Auflage erschien 1966. Hierzu mit einem Überblick über die reichhaltige Folgeliteratur Hofmann: Development (Fn. 2), chap. 8. 92 So Maximilian Herberger / Dieter Simon: Wissenschaftstheorie, Frankfurt a. M. 1980, Vorwort S. VII. 93 Bahnbrechend Theodor Viehweg: Topik und Jurisprudenz, München 1956, 2. Aufl. 1963, 5. Aufl. 1974.

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scher Probleme durch angebliche Deduktion aus allgemeinen Normen und mit dem Plädoyer für eine problemorientierte, sachgerechte und konsensfähige Entscheidung auf der Basis der Erörterung aller einschlägigen Gesichtspunkte nach dem Vorbild der klassischen antiken Topiken, wie sie Aristoteles und Cicero inauguriert hatten, löste in den 60er Jahren eine lebhafte Diskussion aus. Da aber die bloße Sammlung von Topoi offenkundig nicht weit führt, stand die Fortentwicklung der Topik zu einer rhetorischen Argumentationstheorie an. Rhetorik rückt die Redesituation und damit die Situationsbezogenheit der Argumentation in den Mittelpunkt. Aus der herkömmlichen Auslegungslehre wird so eine juristische Kommunikationstheorie. Diese situative und dialogische Denkweise wirkt den Verkürzungen entgegen, die der Jurisprudenz bei Dominanz des systematisch-semantischen Aspekts durch Unterstellung konstanter Wortbedeutungen und der Verdinglichung rechtlicher Vorstellungen drohen. Jüngere Autoren suchten die topische Argumentation im Anschluss an die Diskurstheorie der praktischen Philosophie primär durch genauere Definition einer rationalen Diskussion zu verbessern. Gegenüber der praktischen Philosophie, die den Anspruch auf Richtigkeit der Ergebnisse ihrer rationalen Diskussionen auf ideale Bedingungen des Diskurses baut, unter denen alle Vernünftigen zustimmen müssten, erscheint der juristische Diskurs allerdings als ein „Sonderfall“.94 Denn er findet unter gewissen Einschränkungen statt, als da sind die Gesetzesbindung, die Berücksichtigung der Präjudizien und die Prozessordnungen, welche den Zutritt eines jeden, der sich betroffen und folglich zum Mitreden und Mitentscheiden berufen glaubt, ausschließen. Nimmt man hinzu, dass im juristi94 So Robert Alexy: Theorie der juristischen Argumentation – Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, Frankfurt a. M. 1978, 5. Aufl. 2006, S. 32, 38; das im Text folgende Zitat ebd. S. 264. Scharfe Kritik bei Hans-Joachim Koch / Helmut Rüßmann: Juristische Begründungslehre, München 1982, S. 371.

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schen Diskurs danach anders als im Diskurs der praktischen Philosophie nicht beansprucht wird, „dass die vorgeschlagene oder als Urteil verkündete normative Aussage schlechthin vernünftig ist, sondern nur, dass sie im Rahmen der geltenden Rechtsordnung vernünftig begründet werden kann“, so versteht man die kritische Rückfrage, welchen sachlichen juristischen Gewinn der Rückgriff auf die Philosophie des Diskurses bringt.

4. Der hermeneutische Kontrapunkt: Sinnverstehen statt objektiver Analyse Natürlich gab es von Anfang an auch prinzipiellen Widerspruch gegen die Rezeption der analytischen Philosophie. Berühmt wurde der sog. Positivismusstreit in der deutschen Soziologie zwischen den (angeblich die bestehenden Machtverhältnisse stabilisierenden und legitimierenden) „Sozialtechnologen“ (Karl Popper und Hans Albert) und den neomarxistisch-herrschaftskritischen Gesellschaftstheoretikern aus Frankfurt: Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas.95 Gegen die analytische Trennung von Fakten und lebensgestaltenden Entscheidungen und gegen den funktionalistischen Systembegriff beharrten die Neomarxisten auf einem „dialektischen Begriff der Totalität“ des gesellschaftlichen Lebenszusammenhangs.96 Der sei freilich nur in einem „hermeneutischen Vorgriff“ zu fassen, der sich zirkelhaft „im Gang der Explikation als richtig erweisen (muss)“. Auch im Blick auf die Geschichte verfahre 95 Siehe jetzt Theodor W. Adorno u. a. (Hg.): Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie (1969), 3. Aufl., Neuwied / Berlin 1971. Dazu die Explikation des Problems durch Jürgen Habermas: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie?, in: ders. / Niklas Luhmann: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie – Was leistet die Systemforschung, Frankfurt a. M. 1971, S. 142 – 290. 96 Jürgen Habermas: Analytische Wissenschaftstheorie und Dialektik (1963), in: Adorno: Positivismusstreit (Fn. 95), S. 155 – 191 (156). Die folgenden Zitate im Text ebd. S. 161, 158, 164.

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die dialektische Theorie hermeneutisch, verharre aber nicht bei einer „subjektiv sinnverstehenden Hermeneutik“, sondern entschlüssele den objektiven Sinnzusammenhang der geschichtlichen Situation im Hinblick auf die Interessenlage der gesellschaftlichen Reproduktion gewissermaßen „hinter dem Rücken der Subjekte und der Institutionen“. Offenkundig reflektiert diese Auffassung auch die Wirkungen, die von Hans-Georg Gadamers Hermeneutik ausgegangen sind. Mit seinem grundlegenden Werk „Wahrheit und Methode“ hatte Gadamer das Verstehen gegen die moderne Subjektivitätsphilosophie als einen überindividuellen, umfassenden und universalen Prozess gedeutet, der sich im Medium der Sprache vollzieht.97 Auch nach Gadamer ist der hermeneutische, auf einem unumgänglichen Vorverständnis beruhende Zirkel nicht auflösbar, sondern ein „ontologisches Strukturmoment des Verstehens“. Und es ist Gadamers alles Verstehen leitender „Vorgriff der Vollkommenheit“, der im dialektischen „hermeneutischen Vorgriff“ auf die Totalität des gesellschaftlichen Lebenszusammenhangs wiederkehrt. Indem nun Gadamer der juristischen Hermeneutik „exemplarische Bedeutung“ zusprach, provozierte er freilich allererst die Entwicklung einer neuen juristischen Hermeneutik, die von der Mitte der 60er bis in die frühen 70er Jahre aufblühte.98 Sie wandte sich gegen die 97 Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode – Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen 1960. Die Zitate im Text nach der 2. Aufl. (1965), S. 277, 278, 294. 98 Den Anfang machten die beiden Referate auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1961 zum Thema „Prinzipien der Verfassungsinterpretation“ von Peter Schneider und Horst Ehmke, in: VVDStRL 20 (1963), S. 1 – 52 und 53 – 102. Siehe außer den nachfolgend im Text genannten Werken (und abgesehen von der Zeitschriftenliteratur) Martin Kriele: Theorie der Rechtsgewinnung, entwickelt am Problem der Verfassungsinterpretation, Berlin 1967 (2. Aufl. 1976); Winfried Hassemer: Tatbestand und Typus – Untersuchungen zur strafrechtlichen Hermeneutik, Köln / München 1968; Joachim Hruschka: Das Verstehen von Rechtstexten, München 1972; Winfried Hassemer (Hg.): Dimensionen der Hermeneutik – Arthur Kaufmann zum 60. Geburtstag, Heidelberg 1984; Jerzy Stelmach: Die hermeneutische Auffassung der Rechtsphilosophie, Ebelsbach 1991.

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analytische Philosophie mit ihrem implizierten Rechtspositivismus wie gegen die darauf bauende Methodenlehre, richtete sich aber auch gegen die kritische Gesellschaftstheorie mit ihrem Totalitätsanspruch. Als der einflussreiche und stets dem Neuen aufgeschlossene Münchener Strafrechtler und Rechtsphilosoph Arthur Kaufmann 1975 einen Aufsatz mit dem signifikanten Titel „Durch Naturrecht und Rechtspositivismus zur juristischen Hermeneutik“ veröffentlichte, war das bereits ein kleiner Rückblick.99 Im Vertrauen auf die „Erkenntnis“ der „neueren philosophischen Hermeneutik“ hatte Kaufmann seine eigene ontologische Auffassung vom Recht als feststehenden objektiven Relationen aufgegeben und sich Gadamers zirkulärer Philosophie des Verstehens angeschlossen. Denn nur auf diesem Wege könne der Methodendualismus von Sein und Sollen und die Identifikation des Rechts mit den Gesetzesnormen überwunden werden. Kaufmanns neuer Standpunkt ist von großer symptomatischer Bedeutung und lässt sich durch drei Thesen bestimmen: 1. Das Gesetz ist nur die Möglichkeit von Recht und muss durch etwas außerhalb seiner selbst komplettiert werden. 2. Das Gesetz muss sich in der jeweiligen geschichtlichen Situation konkretisieren; ‚Richtiges Recht‘ ist also kein fester Bestand oder fertiger Zustand, sondern etwas, was sich in einem „geschichtlich nie zu einem Ende kommenden Prozess ereignet“. 3. Textverstehen ist mithin „ein praktisches, gestaltendes Handeln“. Differenzierter erscheint die Eigenart juristischer Hermeneutik in Josef Essers „Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung“ von 1970.100 Anders als der Strafrechtler Kaufmann hat es der Zivilrechtler Esser nicht mit einem ver99 Arthur Kaufmann: Durch Naturrecht und Rechtspositivismus zur juristischen Hermeneutik (1975), jetzt in: ders.: Beiträge zur juristischen Hermeneutik, Köln u. a. O. 1984, S. 79 – 88. Die Zitate im Text ebd. S. 81, 85 f. 100 Josef Esser: Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung (1970). Hier zitiert nach der 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1972.

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gleichsweise einfach strukturierten Sanktionensystem für sozialschädliches Verhalten, sondern mit einem diffizilen Komplex von Lösungsmustern für konfligierende Interessen zu tun. Die exemplarische Bedeutung der juristischen Hermeneutik sieht Esser darin, dass der hermeneutische Zirkel hier als „Anwendungszirkel“ erscheint, insofern der Jurist die Verstehbarkeit des Textes von dessen möglichem Anwendungssinn her bestimmt.101 Die Frage nach dem Sinn einer Norm steht m. a. W. unter einem „entscheidungsbezogenen Vorverständnis der Konfliktsituation“, die den wandelbaren gesellschaftlichen „Erwartungshorizont“ für die richterliche Entscheidung definiert. Esser sieht den interpretierenden Richter als Vermittler zwischen diesem gesellschaftlichen Rechtsverständnis der Beteiligten und der „dogmatischen Ordnungstradition des Rechtssystems“. Da jedoch auch diese Tradition allemal nur „zeit- und gesellschaftsabhängig“ begriffen wird, wie Esser unter Berufung auf Gadamer und Habermas betont, ist auch die von daher geprägte „dogmatische Einstellung des Interpreten“ letztlich eingespannt in die „allgemeinen Veränderungen der Bewusstseinslage“. Den theoretisch anspruchsvollsten Entwurf einer juristischen Hermeneutik hat 1966 Friedrich Müller (Jg. 1938) in seiner Freiburger Habilitationsschrift „Normstruktur und Normativität“ geliefert.102 Müller greift die traditionelle Entgegensetzung von Norm und Faktum auf, will sie aber nicht theoretisch überwinden, sondern in der Denkbewegung der Auslegung der Norm „hermeneutisch“ auflösen und zwar so, dass er zwischen der normativen Anordnung des Gesetzes und dem angezielten Lebenssachverhalt eine „hermeneutische“, d. h. im Prozess der Auslegung und Anwendung wirksame, aber nicht reale, nicht objektiv fassbare Vermittlungsebene einVgl. dazu und zum Folgenden ebd. S. 139 ff. Friedrich Müller: Normstruktur und Normativität – Zum Verhältnis von Recht und Wirklichkeit in der juristischen Hermeneutik, entwickelt an Fragen der Verfassungsinterpretation, Berlin 1966. 101 102

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zieht. Sie dient als eine Art fallbezogene Tatbestandsbestimmung der Konkretisierung des Gesetzes, gehört insofern – als die von Müller so genannte „Normstruktur“ – zur positiven Norm, ohne jedoch mit ihrer Erfassung der sachlichen Problemstruktur am Anordnungscharakter der Norm teilzuhaben, ohne also zu der eigentlichen Normativität der Norm zu gehören. „Der Normbereich bezeichnet als typologische Zwischenstufe einen real möglichen Strukturbereich für potentiell der Vorschrift zuzuordnende reale, einzelne Fälle. Topische Hermeneutik vermittelt über die Zwischenstufe der nach Normprogramm und Normbereich akzentuierten Konkretisierungstypik ‚den Fall‘ mit ‚der Norm‘, die beide nicht isolierte Endpunkte der Applikation bilden, sondern in diese integral einbezogen sind“.103 Der hermeneutische ‚Fortschritt‘ soll wohl darin bestehen, dass – erstens – jene Vermittlung sich nicht im Kreise um das sinnerschließende und zugleich abzuarbeitende Vor-Urteil drehen, sondern in einer Ellipse um die Pole Normprogramm, d. h. die normativen Leitgedanken, und den Normbereich bewegen soll,104 und dass – zweitens – aus der Topik das Postulat einer nach Fallgruppen geordneten Typologie wird.105 Dieses Verfahren vermindert die begründungsbedürftigen Gesichtspunkte freilich nicht, sondern vermehrt sie im Sinne einer feineren, ausgefeilteren Interpretation. Spätere Fassungen von Müllers Hermeneutik zeigen einen Wechsel des Bezugsrahmens. Statt im Zusammenhang mit Gadamers geisteswissenschaftlicher Hermeneutik will seine juristische Hermeneutik nun sehr entschieden als Teil einer „juristischen Normtheorie“ gelesen werden.106 War in der 1. Auflage unter ausdrücklichem Bezug auf Gadamer von einem „Verständnis von Hermeneutik“ die Rede, die danach fragt, „wie Ebd. S. 191 f. Vgl. ebd. S. 186 f., 196. 105 Vgl. ebd. S. 189. 106 Friedrich Müller: Strukturierende Rechtslehre, Berlin 1984, Teil 1, S. 1 – 222. Die folgenden Zitate nach der 2. Aufl. von 1994. 103 104

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sich ein Rechtssatz angemessen konkretisieren lasse“, ist in der Fassung von 1994 das Gadamer-Zitat gestrichen, „Hermeneutik“ durch „Methodologie“ ersetzt und die maßgebliche Frage dahin präzisiert, „wie sich ein Rechtssatz unter rechtsstaatlich und demokratisch, also verfassungsrechtlich geforderter Bindung an die Norm rational konkretisieren lässt“.107 Für ‚hermeneutisch‘ und ‚Hermeneutik‘ steht nun durchgehend: ‚methodologisch‘ und ‚Methodologie‘ oder meistens: ‚normtheoretisch‘ und ‚Normtheorie‘ oder ‚Rechts(norm)theorie‘. Weit über das Verstehen von Rechtstexten und die Rationalisierung der Rechtsfindung im Einzelfall hinaus, geht es jetzt um eine umfassende Strukturlehre des Rechts, insbesondere auch der Verfassung.108 Müllers „Strukturierende Rechtslehre“ sucht den Anschluss an die Wissenschaftstheorie wie an die Verfassungstheorie,109 indem sie bewusst Maß nimmt an Kelsens „Reiner Rechtslehre“.110

Ebd. S. 66. Dazu Hasso Hofmann: Konstitutionalisierung der juristischen Hermeneutik, in: Ivo Appel u. a. (Hg.): Öffentliches Recht im offenen Staat – Festschrift für Rainer Wahl zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 99 – 110. 109 Dazu Bernhard Schlink: Juristische Methodik zwischen Verfassungstheorie und Wissenschaftstheorie, in: Rechtstheorie 7 (1976), S. 94 – 102. 110 Zum Ganzen näher Hofmann: Development (Fn. 2), chap. 4; dort wird in chap. 7 a auch Friedrich Müllers marxistisch inspirierte Monographie Entfremdung – Folgeprobleme der anthropologischen Begründung der Staatstheorie bei Rousseau, Hegel, Marx, Berlin 1970 (2. Aufl. 1985), behandelt. 107 108

III. Der Sozialstaat in der Krise: Rehabilitierung der praktischen Philosophie und Rückkehr der Gerechtigkeitsidee 1. Das Ende des Traumes vom stetig steigenden Wohlstand und die neue Utopie der sozialen Gerechtigkeit In der zweiten Hälfte der 70er Jahre änderte sich die Stimmungslage in der Bundesrepublik.111 Der zeitgenössische Beobachter konstatierte eine starke „innere Verunsicherung“.112 Ganz abgesehen von den spektakulären Ereignissen des „Deutschen Herbstes“ hatte sie strukturelle Gründe. 1975 stieg die Neuverschuldung des Bundes gegenüber dem Vorjahr um 46,1 %, die Zahl der Arbeitslosen kletterte nach Jahren der Vollbeschäftigung auf über eine Million. Die Sockelarbeitslosigkeit wuchs, und die Verschuldung nahm kein Ende. Der sog. Ölpreisschock, ein Konjunktureinbruch mit der folgenden schweren Rezession, Währungsturbulenzen nach dem Zusammenbruch des Weltwährungssystems von Bretton Woods, welche die zur Weltwirtschaftsmacht heranwachsende Bundesrepublik hart trafen; die Umschichtungen im Beschäftigungssektor hin zur Dienstleistungsgesellschaft – all’ das untergrub die Basis der sozialen Sicherungssysteme. Hinzu kam der demographische Wandel. Der Anteil der Sozialbeiträge am Bruttosozialprodukt stieg ebenso stark wie der Anteil der Sozialausgaben in den öffentlichen Haushalten. Der Traum 111 Zum Folgenden Anselm Doering-Manteuffel / Lutz Raphael: Nach dem Boom – Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 2008; Eckart Conze: Die Suche nach Sicherheit, München 2009, S. 463 ff. 112 Kurt Sontheimer: Die verunsicherte Republik, München 1979, S. 11.

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vom steten Wachstum des Wohlstandes war ausgeträumt.113 „Ökonomische Krisenbewältigung“ trat an die Stelle der Reformpolitik.114 Da der Ausgleich sozialer Spannungen nicht mehr aus Zuwächsen finanziert werden konnte, war es an der Zeit, die soziale Gerechtigkeit der Güterverteilung zu bedenken – und das über den nationalen Rahmen hinaus im Hinblick auf die Gefährdung der natürlichen Umwelt, der Ressourcenverknappung, des Bevölkerungswachstums und des riesigen Wohlstandsgefälles zwischen den reichen und den armen Ländern. Der Begriff der sozialen Gerechtigkeit ist eine Frucht der Revolution von 1848 in Italien.115 Im Progetto di costituzione secondo la giustizia sociale des Grafen Rosmini-Serbati bezeichnete er die Forderung dieses Priesters, Philosophen und Patrioten, die Eigentümergesellschaft wegen ihrer sozialen Bedeutung von den Resten feudaler Eigentumsbindung zu befreien. Karriere machte der Begriff indes im Blick auf den Arbeiterstand vor allem im französischen Reformkatholizismus. Schließlich wird die soziale Gerechtigkeit in der (vom deutschen Jesuiten Oskar v. Nell-Breuning entworfenen) Sozial-Enzyklika „Quadragesimo anno“ Papst Pius’ XI. von 1931 mitten in der Weltwirtschaftskrise nicht weniger als sechsmal beschworen. 1975 kehrt die Idee der sozialen Gerechtigkeit in spiel- und entscheidungstheoretischer Verfremdung mit einem literarischen Paukenschlag aus Amerika zurück. Gemeint ist die deutsche Übersetzung der „Theorie der Gerechtigkeit“ des Harvard-Professors John Rawls. Schon in den USA hatte diese Konstruktion einer in einem fiktiven Urzustand von allen frei 113 Conze: Suche nach Sicherheit (Fn. 111), S. 468: „Der Traum von der immerwährenden Prosperität war ausgeträumt.“ Zum Folgenden auch Wolfgang Jäger: Die Innenpolitik der sozial-liberalen Koalition 1974 – 1982, in: Karl Dietrich Bracher u. a. (Hg.): Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5 / 2, Stuttgart / Mannheim 1987. 114 Jäger: Innenpolitik (Fn. 113), S. 14 ff. 115 Dazu näher Hasso Hofmann: Recht und soziale Ordnung, in: Internationale Zeitschrift für Philosophie 17 (2008), S. 45 – 62 (45 ff.).

1. Das Ende des Traumes vom stetig steigenden Wohlstand

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gewählten sozial gerechten Ordnung außerordentliches Aufsehen erregt:116 Innerhalb von drei Jahren erschienen über 60 Rezensionen.117 Breit, intensiv und nachhaltig waren auch die Auseinandersetzungen in Deutschland. Sie konzentrierten sich weithin auf Rawls’ zweiten Gerechtigkeitsgrundsatz, das sog. Differenzprinzip:118 „Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten sind so zu regeln, dass sie sowohl (a) den am wenigsten Begünstigten die bestmöglichen Aussichten bringen als auch (b) mit Ämtern und Positionen verbunden sind, die allen gemäß der fairen Chancengleichheit offen stehen.“

Welchen Eindruck die Diskussion machte, zeigt symptomatisch ein neuerlicher Positionswechsel Arthur Kaufmanns. Hatte der Begriff der Gerechtigkeit weder am Anfang seines rechtsphilosophischen Weges, den er selbst als „ontologischen Rechtsobjektivismus“ charakterisierte, noch nach seiner selbst so genannten „Metamorphose“ zu einem juristischen Hermeneutiker119 eine nennenswerte Rolle gespielt, so erschienen zwischen 1984 und 1989 drei Schriften Kaufmanns, die den Begriff der Gerechtigkeit schon im Titel führen: Theorie der Gerechtigkeit (Frankfurt a. M. 1984); Gerechtigkeit – der vergessene Weg zum Frieden (München u. a. O. 1986); Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit (München 1989). Und die zweite Auflage seiner Abschiedsvorlesung widmete er 1992 in einer programmatischen Weise „allen Rechtsphilosophen, die sich … unverzagt den wahren Problemen der Rechtsphilosophie, zumal der sozialen Gerechtigkeit, stellen …“.120 116 John Rawls: A Theory of Justice, Cambridge 1971, dt. u. d. T. Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt a. M. 1975. 117 Norman Daniels (Hg.): Reading Rawls, Oxford 1975, Nachdr. Stanford 1984, darin: Selected Bibliography on John Rawls, Post 1971. 118 Rawls: Theorie (Fn. 116), S. 104. 119 Vgl. Arthur Kaufmann: Rechtsphilosophie im Wandel, 2. Aufl., Köln u. a. O. 1984, Vowort S. VII; ders.: Beiträge zur juristischen Hermeneutik, Köln u. a. O. 1984, Vorwort S. VII. 120 Arthur Kaufmann: Rechtsphilosophie in der Nach-Neuzeit, 2. Aufl., Heidelberg 1992.

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Insofern Rawls in seiner Kritik des klassischen Utilitarismus nicht den angelsächsischen Meta-Ethikern121 mit ihren semantischen Analysen moralischer Urteile folgte, sondern auf Kant und die Lehre vom Gesellschaftsvertrag zurückging,122 wandte er sich zugleich der politischen Philosophie zu, d. h. der Einheit von Rechts- und Staatsphilosophie, wie sie für den deutschen Idealismus selbstverständlich gewesen war. Das bedeutete freilich auch eine Abkehr vom marxistischen Hegelianismus der „Neuen Linken“. Der Rekurs auf die vernunftrechtliche Vertragslehre entsprach einer Bewegung des Denkens, die schon in der neuen juristischen Hermeneutik bemerkbar war und die man als „Rehabilitierung der praktischen Philosophie“ bezeichnet hat.123 Deren Bemühen, das Ansehen einheitlicher philosophischer Behandlung von Moralität, Recht und Staat wiederherzustellen, richtete sich insbesondere gegen alle Spielarten des Neopositivismus. In dieser Frontstellung fanden insbesondere die im 19. Jahrhundert als unhistorisch und unrealistisch verworfenen Begriffe eines „Naturzustandes“ und eines „Sozial- und Herrschaftsvertrages“ als „Elemente einer apriorisch-normativen Konstruktion“ neues Interesse.124 Damit verlor die Rechtsphilosophie auch wieder etwas von dem Charakter einer spezialisierten, mehr oder weniger formalen Juristen-Philosophie. Rawls hat die Rechtsphilosophie so neuerlich zu einer Sache auch der Fach-Philosophen gemacht.

121 Dazu Eike von Savigny: Philosophie der normalen Sprache (1969), 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1993, S. 166 ff. 122 Siehe Rawls: Theorie (Fn. 116), S. 15. Dazu Wolfgang Lasars: Die klassisch-utilitaristische Begründung der Gerechtigkeit, Berlin 1982, S. 36 ff. 123 Dazu Manfred Riedel (Hg.): Rehabilitierung der praktischen Philosophie, 2 Bde., Freiburg 1972 / 74. 124 Dazu Hasso Hofmann: Zur Lehre vom Naturzustand in der Rechtsphilosophie der Aufklärung, in: Reinhard Brandt (Hg.): Rechtsphilosophie der Aufklärung – Symposium Wolfenbüttel 1981, Berlin / New York 1982, S. 12 – 46. Siehe auch schon die von Alfred Voigt hg. Sammlung von Übersetzungen zum Thema „Der Herrschaftsvertrag“, Neuwied am Rhein 1965, in einer programmatisch POLITICA genannten Reihe.

2. Über politische und soziale Gerechtigkeit

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2. Über politische und soziale Gerechtigkeit In Deutschland hat sich als einer der ersten Otfried Höffe (Jg. 1943) mit dem Werk Rawls’ beschäftigt.125 Aber es war nicht die liberal-egalitäre Theorie eines Systems gerechter Güterverteilung, sondern Rawls’ methodischer Rückgriff auf das Vernunftrecht, der den Tübinger Philosophieprofessor zu einem Buch über „Politische Gerechtigkeit“ anregte. Ein gutes Jahrzehnt nach der scheinbar endgültigen Auflösung der Rechtsphilosophie in eine Vielzahl disparater Rechtstheorien ging es Höffe in der politisch eher gedämpften Atmosphäre der Ära Kohl, als die Geschichte in Arnold Gehlens posthistoire zu erstarren schien,126 um nichts weniger als „die sittliche Idee von Recht und Staat“.127 Der Ertrag für unsere Betrachtung ist allerdings bescheiden. Nach über 400 Seiten räumt der Autor selbst ein, dass man gegen seine Theorie einwenden könne, sie rechtfertige nur einen Minimalstaat, der sich auf den „Schutz gegen Gewalt, Diebstahl, Betrug oder die Durchsetzung von Verträgen beschränke und deshalb gegenüber den spezifischen Problemen des 19. und 20. Jahrhunderts … blind sei“.128 In der Tat – so ist es. Es war die deutsche Wiedervereinigung, die das Interesse am Thema sozialer Gerechtigkeit und damit am Kernpunkt der Rawls’schen Gerechtigkeitstheorie noch einmal verstärkte. Denn das politisch-staatsrechtliche Ende der Teilung machte die bisherigen Differenzen zweier gegensätzlicher Gesellschaftssysteme zu einem drängenden sozialen Binnenproblem 125 Vgl. Otfried Höffe in: A Theory of Justice, in: Philosophische Rundschau 21 (1975), S. 187 – 208; eine überarbeitete Fassung erschien als Einleitung zu: Otfried Höffe (Hg.): Über John Rawls’ Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt a. M. 1977. 126 Dazu Wolfgang Welsch: Unsere Postmoderne (1988), 5. Aufl., Berlin 2008, S. 17 f. 127 Otfried Höffe: Politische Gerechtigkeit – Grundlegung einer kritischen Philosophie von Recht und Staat, Frankfurt a. M. 1987, S. 11. 128 Ebd. S. 469.

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gerechter Verteilung von Gütern und Lasten.129 Philosophisch hat sich besonders intensiv Wolfgang Kersting (Jg. 1946), Professor in Kiel, mit Rawls’ distributiver Gerechtigkeit beschäftigt. Sein großes Ziel: eine Rechtsphilosophie des demokratischen Sozialstaats.130 Sein Ausgangspunkt: eine Kritik des Differenzprinzips in Rawls’ Gerechtigkeitstheorie. Dieser – nach dem Postulat gleicher Freiheit für alle – zweite Gerechtigkeitsgrundsatz macht, wie erwähnt,131 die Rechtfertigung sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheiten davon abhängig, dass sie auch für die am wenigsten Begünstigten von Vorteil sind. Dieses Prinzip institutionalisiert ein Distributionssystem, das die Güter nicht nach den Bedürfnissen und Wünschen der Individuen, sondern im Hinblick auf deren Gruppen- oder Schichtenzugehörigkeit zuteilt. Gleichwohl werde Rawls „völlig zu Unrecht als Philosoph der Sozialdemokratie und des wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus gefeiert“.132 Denn allenfalls handele es sich um die Theorie einer gerechten Zuteilung der Vorteile innerhalb der Gemeinschaft von Kooperierenden, konkret: von Arbeitsplatzbesitzern. In der Tat entwirft Rawls ein Gerechtigkeitssystem der Güterverteilung innerhalb einer Kooperationsgemeinschaft rational agierender Wirtschaftsbürger. Außerhalb des Feldes wechselseitig vorteilhafter Zusammenarbeit greift Rawls’ Theorie nicht. Arbeitslose, Arbeitsunfähige, Alte, Kranke und Behinderte haben darin keinen Platz.133 Deshalb sucht Kersting nach einer theoretischen Be129 Siehe dazu Leo Montada: Gerechtigkeitsansprüche und Ungerechtigkeitserleben in den neuen Bundesländern, Potsdam 1996. 130 Vgl. Wolfgang Kersting: Recht, Gerechtigkeit und demokratische Tugend – Abhandlungen zur praktischen Philosophie der Gegenwart, Frankfurt a. M. 1993, S. 213 ff.; ders.: Theorien der sozialen Gerechtigkeit, Stuttgart / Weimar 2000; ders.: Rechtsphilosophische Probleme des Sozialstaats, Baden-Baden 2000. 131 Vgl. bei Fn. 119. 132 Kersting: Recht (Fn. 130), S. 239. Vgl. dazu auch Christian Watrin: Eine liberale Interpretation der Idee der sozialen Gerechtigkeit, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 21 (1976), S. 45 – 61. 133 Dazu Hofmann: Recht und soziale Ordnung (Fn. 115), S. 56 ff.

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gründung für die Erstreckung der Verteilungsgerechtigkeit auf jene weitere Solidaritätsgemeinschaft des (gleichwohl liberalen) Sozialstaates.134 Es geht ihm um einen „Liberalismus der politischen Solidarität“, um den Schritt vom Minimalstaat zu einem „Minimalsozialstaat“.135 Er soll einerseits weniger umverteilen als der gegenwärtige, finanziell überforderte Sozialstaat, der die Bürger zu Klienten macht, andererseits sozial mehr bewirken gemäß den vier folgenden Prinzipien: 1. Der „verdienstethische Naturalismus“ lehnt die „gerechtigkeitsethische Korrektur natürlicher Begabungs- und Fähigkeitsunterschiede und unterschiedlicher Sozialisationsmilieus“ ab; politische Solidarität gibt genug, aber nicht gleich. 2. Entwicklungschancengleichheit in einem differenzierten Erziehungsund Ausbildungssystem statt Transferzahlungen. 3. Eine an der individuellen Lage und nicht am Gleichheitsgedanken orientierte „Grundversorgung“ der hilfsbedürftigen „Mitbürger“.136 4. Eine „arbeitsmarktpolitische Offensivität“, die „der beschäftigungspolitischen Unverantwortlichkeit der Tarifparteien zu Lasten der gesetzlichen Kassen und der zukünftigen Generationen entgegenwirkt und dem ungerechten Lobbyismus der organisierten Arbeitsplatzbesitzer ein Ende macht …“. Aber dazu wäre wohl wirklich eine ‚Umgründung‘ der Republik notwendig.

3. Das prozedurale Rechtsverständnis der Diskurstheorie Rawls’ philosophischer Anspruch, verbindlich zwischen gerecht und ungerecht unterscheiden zu können, traf in Deutschland auf eine Parallelentwicklung. Hier verfocht Jürgen Haber134 Zu den Einzelheiten dieser Argumentation Hofmann: Development (Fn. 2), chap. 12. 135 Kersting: Theorien (Fn. 130), S. 7; hier und S. 8 auch die im Text folgenden Zitate. 136 Ebd. S. 8, 391.

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mas die These, dass über normative Richtigkeit in praktischen Diskursen mit derselben Verbindlichkeit entschieden werden könne wie in theoretischen Diskursen über Wahrheitsfragen.137 Seine Diskurstheorie gipfelt in dem zweibändigen Jahrhundertwerk „Theorie des kommunikativen Handelns“.138 Auch über Gerechtigkeitsgrundsätze kann danach nicht von Philosophen, sondern muss von den Betroffenen entschieden werden. Garant der die Relativismusgefahr bannenden Vernünftigkeit ist mithin nicht der Maßstab einer objektiven Idealität, sondern die Etablierung einer höchst anspruchsvollen idealen Intersubjektivität des Diskurses über Wahrheits- und Richtigkeitsfragen. Zwar war Habermas von Anfang an ein politischer Autor. Man erinnere sich nur an seine Habilitationsschrift von 1961: „Strukturwandel der Öffentlichkeit“, die wegen ihrer unkritischen Übernahme der Weimarer Parlamentarismuskritik von Carl Schmitt alsbald ein Kultbuch der „Außerparlamentarischen Opposition“ wurde.139 Der Rechtsphilosophie aber hat sich Habermas erst um die Mitte der 1980er Jahre zugewandt. Dabei mochten die ambitionierten Versuche junger Juristen eine Rolle gespielt haben, die von ihm entwickelte Theorie diskurstheoretischer Mechanismen der Rechtfertigung von Geltungsansprüchen auch für die juristische Argumentation als einen „Sonderfall“ fruchtbar zu machen.140

137 Vgl. Jürgen Habermas: Wahrheitstheorien (1972), in: ders.: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt a. M. 1984, S. 127 – 183. Siehe dazu Ulrich Steinvorth: Gleiche Freiheit – Politische Philosophie und Verteilungsgerechtigkeit, Berlin 1999, S. 17 ff. 138 Jürgen Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns, 2 Bde., Frankfurt a. M 1981 u. ö. 139 Dazu Ellen Kennedy: Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“ – Deutsche Liberalismuskritik im 20. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft 12 (1986), S. 380 – 419 (402 ff.). Eingehend Hartmuth Becker: Die Parlamentarismuskritik bei Carl Schmitt und Jürgen Habermas, Berlin 1994, S. 132 ff. 140 Vgl. Alexy: Juristische Argumentation (Fn. 94); bes. S. 134 ff.; Klaus Günther: Ein normativer Begriff von Kohärenz, in: Rechtstheorie 20 (1989), S. 163 – 190.

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Jedenfalls hat Habermas diese „Sonderfallthese“ in seiner breit angelegten Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates, die 1992 unter dem Titel „Faktizität und Geltung“ erschienen ist, mit kritischem Engagement aufgenommen. Unter der ganz traditionellen Überschrift „Unbestimmtheit des Rechts und Rationalität der Rechtsprechung“ versucht Habermas seinen diskurstheoretischen Ansatz an diesem zentralen Problem der Rechtsfindung ohne Einschränkungen durchzuhalten.141 Er will zeigen, dass die juristische Argumentation nicht einen besonderen, moralnahen Kommunikationszusammenhang bildet, sondern als genetisches Moment zum inneren Wesen des demokratisch gesetzten Rechts gehört. Die für ihn maßgebliche Gegenüberstellung ist mithin die zwischen moralischen Argumentationen auf der einen und den juristischen und politischen Diskursen auf der anderen Seite. Danach gäbe es zwischen Rechtssetzung und Rechtsanwendung keinen kategorialen Unterschied. Vielmehr würde das die Rechtsordnung tragende System individueller Rechte im demokratischen Gesetzgebungsverfahren und im Verfahren richterlicher Rechtsanwendung auf prinzipiell gleiche Weise interpretiert und ausgestaltet. Wenn aber insoweit dieselbe Verfahrenslogik herrscht und Gerichtsverfahren folglich wie kleine Gesetzgebungsverfahren funktionieren, gibt es keinen vernünftigen Grund mehr für die formale Bindungswirkung des Rechts und den Eigenwert der Rechtsform. Auf der Strecke bleibt die rechtsstaatliche Garantie formaler Gleichheit, mithin der Sinn der Allgemeinheit des Gesetzes.142 141 Jürgen Habermas: Faktizität und Geltung – Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt a. M. 1992 u. ö., S. 238 ff. – Der Haupttitel „Faktizität und Geltung“ ist mehrdeutig. Er lässt sich mit den traditionellen Antithesen von Sein und Sollen (vgl. S. 109, 517), Positivität des Rechts und demokratischer Legitimität (vgl. S. 163), Idealismus des Verfassungsrechts und Materialismus einer kapitalistischen Rechtsordnung (vgl. S. 60), aber auch mit grundrechtlicher Garantie privater Willkür und kommunikativer Bedeutung ihres öffentlichen Gebrauchs (vgl. S. 164) übersetzen. – Zur Kritik siehe auch Hilgendorf: Rechtsphilosophie (Fn. 75), S. 9 – 14.

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Ähnliche Bedenken sind gegen die Deutung der Verfassungsgerichtsbarkeit bei Habermas erhoben worden.143 Soweit sich die Verfassungsgerichtsbarkeit wie in Deutschland und den USA auch direkt gegen Normsetzungen des demokratischen Gesetzgebers richten kann, betrachtet Habermas sie wie ein citoyen, der im Horizont der berühmten revolutionären Rechte-Erklärung von 1789 mit ihrer gleichzeitigen Proklamation individueller und nationaler Autonomie schlechterdings nicht versteht, wie eine Handvoll Richter über den im Gesetz erscheinenden allgemeinen Willen der Nation soll urteilen können. Scharf kritisiert Habermas die schon vielfach gerügte Selbstherrlichkeit, mit der das Bundesverfassungsgericht bei der abstrakten Normenkontrolle die Gesetzgebung im Namen einer vom Gericht als Wertordnung gedeuteten Verfassung kontrolliert. Aber im Gegensatz zu anderen Kritikern zieht Habermas daraus nicht den Schluss, man müsse nun wieder den ursprünglichen Freiheitssinn der Grundrechtsgarantien betonen.144 Denn „Allein die Verfahrensbedingungen der demokratischen Genese von Gesetzen (könne) die Legitimation des gesatzten Rechts (sichern)“.145 Folglich habe das Verfassungsgericht die umstrittenen Norminhalte in allererster Linie „im Zusammenhang mit den Kommunikationsvoraussetzungen und Verfahrensbedingungen des demokratischen Gesetz142 Gründliche Analyse und werkimmanente Kritik bei Tobias Lieber: Diskursive Vernunft und formelle Gleichheit, Tübingen 2007. Scharfe Kritik von einem externen Standpunkt aus schon bei Armin Engländer: Diskurs als Rechtsquelle?, Tübingen 2002. Siehe ferner die kritischen Beiträge in: Werner Krawietz / Gerhard Preyer (Hg.). System der Rechte, demokratischer Rechtsstaat und Diskurstheorie des Rechts nach Jürgen Habermas, Berlin 1996. 143 Vgl. Habermas: Faktizität (Fn. 141), S. 292 ff. Dazu die Kritik bei Lieber: Diskursive Vernunft (Fn. 142); Christoph Möllers: Demokratie und Recht, in: Hauke Brunkhorst / Regina Kreide / Christina Lafont (Hg.): Habermas-Handbuch, Darmstadt 2009, S. 254 – 263 (259 f.). 144 Beispielhaft für diese Tendenz Ralf Poscher: Grundrechte als Abwehrrechte, Tübingen 2003. 145 Habermas: Faktizität (Fn. 141), S. 320, 517. Die im Text folgenden Zitate ebd. S. 320 f.

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gebungsprozesses [zu] überprüfen“. Das Legitimationsproblem der Verfassungsgerichtsbarkeit erfährt durch ein solches „prozeduralistisches Verfassungsverständnis“ eine „demokratische Wendung“. Denn nur eine Demokratietheorie vermag nach Habermas ein Konzept der Verfahrensgerechtigkeit des politischen Willensbildungsprozesses zu tragen. Gehe es bei der Rechtsverwirklichung im Kern doch allemal darum, „die private und öffentliche Autonomie der Bürger dadurch uno actu zu sichern, dass jeder Rechtsakt zugleich als Beitrag zur politisch-autonomen Ausgestaltung der Grundrechte, also als Element eines auf Dauer gestellten verfassungsgebenden Prozesses verstanden werden kann“.146 Mehr noch: Nur durch eine auf allen Ebenen der Rechtssetzung fortwährend vorangetriebene Verfassungsinterpretation kann so etwas wie Verfassung nach Habermas überhaupt Bestand haben.147 Dieser kontinuierliche Vorgang basiert als demokratischer Prozess, der alle Stufen der Rechtsprechung übergreift, „auf der Grundlage anarchisch entfesselter kommunikativer Freiheiten“.148 Und weiter: „Im Taumel dieser Freiheit gibt es keine Fixpunkte mehr außer dem des demokratischen Verfahrens selber …“. Habermas kritisiert die verfassungsgerichtliche Normenkontrolle mithin unter dem Gesichtspunkt einer radikaloder urdemokratischen Revision. Seine Attraktivität gewinnt der Gedanke der „Gleichursprünglichkeit von Rechtsstaat und Demokratie“, d. h. der wechselseitigen Durchdringung von Rechtsform und Demokratieprinzip,149 zum einen aus dem Ebd. S. 494. Hier fühlt man sich an die berühmte Formel des Verfassungsrechtlers Peter Häberle von der „offenen Gesellschaft der Verfassungsinterpreten“ erinnert, die bei ihm allerdings nur hermeneutisch gemeint ist; vgl. Peter Häberle: Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, in: Juristenzeitung 30 (1975), S. 297 – 305, jetzt in: ders.: Verfassung als öffentlicher Prozeß, 2. Aufl., Berlin 1996, S. 155 – 181. 148 Habermas: Faktizität (Fn. 141), S. 228. Das folgende Zitat ebd. S. 229. 149 Kritik der These der Gleichursprünglichkeit von Rechtsstaat und Demokratie bei Regina Kreide: Globale Politik und Menschenrechte – Macht und Ohnmacht eines politischen Instruments, Frankfurt a. M. / New York 146 147

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implizierten Versprechen, dem chronischen Demokratiedefizit der deutschen Rechtsstaatstradition abzuhelfen, und zum anderen dadurch, dass er in rousseauistischer Weise gegen alle Repräsentationen die Sehnsüchte einer zunehmend ‚ergrünenden‘, in überschaubaren Lebensverhältnissen dissoziativ sich engagierenden Gesellschaft nach Unmittelbarkeit, Authentizität, Teilhabe, Autonomie und Eigenverantwortung anspricht. Außerdem spiegelt die Theorie die mit der Komplizierung der Verhältnisse in der Tat enorm gewachsene Bedeutung rechtlicher Verfahren gegenüber festen Rechtsinhalten. Der Jurist merkt an, dass die grundlegende Trennung von moralischem und juristischem Diskurs und die Gleichschaltung des juristischen mit dem politischen die Doppelpoligkeit des Rechts verkennt, das sich stets aus einem Element vorhandener Standards und einem Moment willentlicher Zukunftsgestaltung sozusagen elliptisch zusammensetzt,150 und dass auch Plebiszite allemal – wenn auch informell – repräsentative Entscheidungen sind.151 Oder konkret: „Gleichursprünglichkeit von Rechtsstaat und Demokratie“ bedeutet nach juristischem Verständnis dreierlei: Gleichursprünglichkeit der Demokratie mit den Menschenrechten, aber – zweitens – auch mit der Gewaltenteilung und – drittens – mit der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Mag die erste Gleichung plausibel sein, die beiden anderen sind es offenkundig nicht.

2008, S. 223 ff. Kritik in historischer Perspektive: Hasso Hofmann: Menschenrechte und Demokratie oder: Was man von Chrysipp lernen kann, in: Rainer Wahl / Joachim Wieland (Hg.): Das Recht des Menschen in der Welt – Kolloquium aus Anlass des 70. Geburtstags von Ernst-Wolfgang Böckenförde, Berlin 2002, S. 31 – 58. 150 Dazu Hasso Hofmann: Das Recht des Rechts, das Recht der Herrschaft und die Einheit der Verfassung, Berlin 1998. 151 Dazu Hasso Hofmann / Horst Dreier: Repräsentation, Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz, in: Hasso Hofmann, Verfassungsrechtliche Perspektiven, Tübingen 1995, S. 161 – 196 (168 ff.).

IV. Ankunft in der Weltgesellschaft Konstitutionalisierung des Völkerrechts und Universalismus der Menschenrechte Zum Schluss noch ein Blick auf das rechtsphilosophische Jubiläumsjahr 1995. Mit vielen philosophischen und einigen völkerrechtlichen Publikationen feierte man den 200. „Geburtstag“ von Kants populärem Traktat zum ewigen Frieden.152 Über das durch die „Rehabilitierung der praktischen Vernunft“ neu belebte Interesse an Kants politischer Philosophie153 hinaus gab es dafür aktuelle politische Gründe. Der Zusammenbruch des Ostblocks beflügelte die Hoffnung auf eine neue internationale Friedensordnung. Hinzu kam der durch die Wiedervereinigung Deutschlands ausgelöste Schub der europäischen Integration, deren Fortschritt 1992 zu der Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages über die Europäische Union führte.154 Auch trat jener Prozess weltweiter Verflechtungen von Wirtschaft und Information, Politik und Kultur immer stärker ins Bewusstsein, für den sich in den 1990er Jahren die Bezeichnung „Globalisierung“ einbürgerte 152 Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, in: Wilhelm Weischedel (Hg.): Kant-Werke, Bd. 9, Darmstadt 1968, S. 193 – 251. Dazu Georg Cawallar: Annäherungen an den ewigen Frieden – Neuere Publikationen über Immanuel Kants Friedensschrift, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 46 (1998), S. 137 – 143; Volker Marcus Hackel: Kants Friedensschrift und das Völkerrecht, Berlin 2000, S. 220 ff. 153 Dazu näher mit zahlreichen Nachweisen Horst Dreier: Kants Republik, in: ders. (Hg.): Rechts- und staatstheoretische Schlüsselbegriffe: Legitimität – Repräsentation – Freiheit, Symposion für Hasso Hofmann zum 70. Geburtstag, Berlin 2005, S. 151 – 192 (153 f.). 154 Dazu Ingeborg Tömmel: Das politische System der EU, 3. Aufl., München / Wien 2008, S. 30 ff. Dietmar Herz / Christian Jetzlsperger: Die Europäische Union, 2. Aufl., München 2008, S. 54 ff.

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und rasch inflationäre Verbreitung fand. Auf diese Weise nach einer Formulierung von Bernhard Schlink „in der Weltgesellschaft angekommen“,155 wo, wie schon Kant meinte, die „Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen gefühlt wird“,156 lag es nahe, die Frage nach der Zukunft von Kants Projekt einer weltweiten Friedensordnung aufs Neue zu stellen und dessen Idee des Weltbürgerrechts in die Perspektive universaler Geltung der Menschenrechte zu rücken. Hauptsächlich wandte sich das Interesse also zunächst dem „Zweiten Definitivartikel“ der Friedensschrift zu; denn er handelt unmittelbar von den zwischenstaatlichen Beziehungen: „Das Völkerrecht soll auf einen Föderalism freier Staaten gegründet sein.“157 Außerdem enthält dieser Textabschnitt eine besondere interpretatorische Herausforderung, weil Kant ausdrücklich nur für die zweitbeste Lösung des Problems plädiert, nämlich für einen Staatenbund anstelle einer Weltrepublik.158 Das Problem liegt in der Vereinbarung von Frieden und Freiheit. Priorität des Friedens bedeutet nach Kant Präferenz für die Universalmonarchie eines vereinheitlichten Weltvolkes, die jedoch die Gefahr despotischer Herrschaft mit sich bringt. Die Priorität der Freiheit andererseits führt nach Kants systembildender Analogie von zwischenmenschlichem und zwischenstaatlichem Naturzustand, von Staatsgründung und globaler Friedensordnung zur Idee einer umfassenden Weltrepublik. Sie hat indes keine Realisierungschance, da die Staaten ihren Souveränitätsanspruch nicht aufgeben wollen. Es war wohl Kants optimistische Einschätzung der Folgen der Französischen Revolution, die ihn darauf setzen ließ, dass die Bildung 155 Bernhard Schlink: „Das Moralische versteht sich von selbst“, in: Merkur, Stuttgart 2009, S. 557 – 569 (569). 156 Kant: Frieden (Fn. 152), S. 216. 157 Vgl. ebd. S. 208. 158 Siehe dazu die Analyse von Reinhard Brandt: Vom Weltbürgerrecht, in: Otfried Höffe (Hg.): Immanuel Kant. Zum ewigen Frieden, Berlin 1995, S. 133 – 148 (138 ff.); ferner Otfried Höffe: Völkerbund oder Weltrepublik, ebd. S. 109 – 132 (115).

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eines mächtigen und aufgeklärten Volkes zur Republik den Mittelpunkt einer „föderativen Vereinigung für andere Staaten (abgibt) … und so den Freiheitszustand der Staaten gemäß der Idee des Völkerrechts (sichert) und sich durch mehrere Verbindungen dieser Art nach und nach immer weiter (ausbreitet)“.159 Da mochte der Baseler Friedensvertrag zwischen der Preußischen Monarchie und der revolutionären Französischen Republik vom April 1795 als Zeichen der Möglichkeit eines ‚Wandels‘ durch völkerrechtliche ‚Annäherung‘ erscheinen. In der deutschen philosophischen Diskussion wurde Kants Plädoyer für einen Völkerbund weniger als „Kompromisslösung“ denn als Entwurf einer vollständigen globalen Rechtsordnung gesehen, insofern die Erhaltung der Staatenvielfalt in einem Völkerbund dem Postulat eines Weltbürgerrechts im 3. Definitivartikel eine konstitutive rechtliche Bedeutung verleiht. Denn erst dieses (von Kant mit Spitze gegen den europäischen Kolonialismus allerdings auf ein Besuchsrecht eingeschränkte) Weltbürgerrecht160 macht den Völkerbund zu einer vollständigen Rechtsordnung, indem es in die Lücke zwischen der staatsrechtlichen Regelung der Beziehungen der Einzelnen zu ihrem Staat und der völkerrechtlichen Beziehungen zwischen den Staaten tritt.161 159 Kant: Frieden (Fn. 152), S. 211 f. Dazu Volker Gerhardt: Immanuel Kants Entwurf ‚Zum ewigen Frieden‘ – Eine Theorie der Politik, Darmstadt 1995, S. 18 ff. 160 Kant: Frieden (Fn. 152), S. 213 ff.; dazu Christian Tomuschat: Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“ – Völkerrechtliche Aspekte, in: Prawo w XXI wieku [Festschrift zum 50jährigen Bestehen der Polnischen Akademie der Wissenschaften], Warschau 2006, S. 978 – 991 (986 f.). 161 Dazu Brandt: Weltbürgerrecht (Fn. 158), S. 139 ff.; vgl. ferner Peter Koller: Frieden und Gerechtigkeit in einer geteilten Welt, in: Reinhard Merkel (Hg.): „Zum ewigen Frieden“, Frankfurt a. M. 1996, S. 213 – 238 (222 ff.); ders.: Die Institutionalisierung der Menschenrechte und die Grenzen der staatlichen Souveränität, in: Hauke Brunkhorst u. a. (Hg.): Recht auf Menschenrechte, Frankfurt a. M. 1999, S. 228 – 245 (236 ff.); Wolfgang Kersting: Weltfriedensordnung und globale Verteilungsgerechtigkeit, in: Merkel (Hg.): „Zum ewigen Frieden“ (s. o.), S. 172 – 212 (182 ff.); Julian Nida-Rümelin:

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Gemäß seinem Dogma der legitimen rechtlichen Ordnungsstiftung allein durch die unmittelbare kommunikative Wahrnehmung der gleichen subjektiven Rechte aller meinte Habermas gerade in Kants Weltbürgerrecht den eigentlichen innovativen Kern des Friedenstraktates zu erkennen. Er sieht darin – weit über Kant hinausgehend – die „Umformung des internationalen Rechts, als eines Rechts der Staaten, in ein Weltbürgerrecht als ein Recht von Individuen“.162 Das bedeutet die Anerkennung universeller Menschenrechte. Damit stößt die Interpretation auf zwei prinzipielle Schwierigkeiten. Sie resultieren aus der Janusgesichtigkeit der Menschenrechte. Inhaltlich sind sie moralische Normen, beanspruchen also universale Geltung für alles, „was Menschenantlitz trägt“, der Form nach handelt es sich indes um subjektive Berechtigungen, die der Positivierung durch einen lokalen Gesetzgeber für eine bestimmte partikulare Rechtsgemeinschaft bedürfen.163 Rechtlich institutionell besteht unsere Aufgabe folglich darin, an der Herstellung einer globalen Ordnung zu arbeiten, „in der“, wie es in Art. 28 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen heißt, „die in dieser Erklärung festgelegten Rechte und Freiheiten vollständig realisiert werden“. Komplementär dazu muss jener Individualismus Einwände, die gegen die universale moralische Geltung der Menschenrechte erhoben werden, philosophisch widerlegen.164 Herkömmlich wird gegen den Universalismus der Menschenrechte mit deren EuroEwiger Friede zwischen Moralismus und Hobbesianismus, in: Merkel (Hg.): „Zum ewigen Frieden“ (s. o.), S. 239 – 255 (245 ff.). 162 Jürgen Habermas: Hat die Konstitutionalisierung des Völkerrechts noch eine Chance?, in: ders.: Der gespaltene Westen – Kleine politische Schriften X, Frankfurt a. M. 2004, S. 113 – 193 (123). Zum Folgenden ders.: Kants Idee des ewigen Friedens – aus dem historischen Abstand von zweihundert Jahren, in: Matthias Lutz-Bachmann / James Sohmann (Hg.): Frieden durch Recht, Frankfurt a. M. 1996, S. 7 – 24, auch in: Jürgen Habermas: Die Einbeziehung des Anderen, Frankfurt a. M. 1999, S. 192 – 236; Jürgen Habermas: Zur Legitimation durch Menschenrechte, in: ders.: Die postnationale Konstellation – Politische Essays, Frankfurt a. M. 1998, S. 168 – 192. 163 Dazu Hasso Hofmann: Einführung in die Rechts- und Staatsphilosophie, 5. Aufl., Darmstadt 2011, S. 40 ff.

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pazentrik und der politischen Instrumentalisierung („Menschenrechtsimperialismus“) argumentiert. So versuchen asiatische Entwicklungsdiktaturen die vom Westen gerügten Verstöße gegen Justizgrundrechte und Bürgerrechte mit dem entwicklungsbedingten Vorrang kollektiv verstandener sozialer und kultureller Grundrechte zu rechtfertigen. Das ist jedoch kein normatives, sondern lediglich ein politisches Argument zur Rechtfertigung einer autoritären, paternalistischen Fürsorge. Normativ betrachtet ist die „konfuzianische“ Kritik an einer Rechtsordnung, die vorrangig auf subjektive Rechte baut, wegen Gefahren für die gewachsenen sozialen Beziehungen einer konsensorientierten Kultur keineswegs ganz unbegründet. Letztlich geht es dabei um die Behauptung eines kulturellen Vorrangs der Gemeinschaft vor dem Einzelnen und die wiederum kulturell begründete Unmöglichkeit strikter Trennung von Recht und Moral. Hinzu kommt die Befürchtung, dass der Individualismus des Menschenrechtsgedankens die Lebensordnungen durch Ablösung der politischen Herrschaft vom überlieferten religiösen oder kosmologischen Weltbild säkularisieren werde. Dem setzt Habermas zunächst den außerhalb liberaler Gesellschaften allerdings schwerlich verfangenden Gedanken entgegen, dass die Freiheitsrechte mit ihrer Freistellung des Individuums von moralischer Bevormundung ein Leben in religiöser Verantwortung genau so schützen wie andere individuelle Lebensentwürfe. Sein Hauptargument ist jedoch die These, dass der europäische Individualismus seinen Entstehungsbedingungen nicht wie ein quasi kulturgenetisches Ausstattungsstück unauflöslich verbunden sei, sondern als Auswirkung eines gesellschaftlichen Differenzierungs- und ökonomischen Modernisierungsprozesses betrachtet werden müsse, der längst auch die Kulturen Ostasiens, z. T. auch schon diejenigen Afrikas ergriffen habe. „Aus Sicht der asiatischen 164 Dies und das Folgende nach Otfried Höffe: Vernunft und Recht, Frankfurt a. M. 1996, S. 53 ff.; Jürgen Habermas: Der interkulturelle Diskurs über Menschenrechte, in: Brunkhorst (Hg.): Recht auf Menschenrechte (Fn. 161), S. 216 – 227.

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Länder“ ist nach Habermas „die Frage nicht, ob die Menschenrechte als Teil einer individualistischen Rechtsordnung mit eigenen kulturellen Überlieferungen vereinbar sind, sondern ob diese einer insgesamt bejahten wirtschaftlichen Modernisierung angepasst werden müssen oder gegen sie behauptet werden können“.165 Diese Modernisierungsthese“ ist eine ökonomische Erneuerung der aufklärerischen Sicht kontinuierlicher ideeller Verallgemeinerung des Gedankens subjektiver Rechte von den feudalen Freiheitsbriefen wie der Magna Carta bis zur Allgemeinen Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen.166 Auch wenn sie stimmt, bietet sie jedoch keine normative Basis für die universelle Geltung der Menschenrechte. Schon diese knappe Skizze zeigt, welch’ große Argumentationslast sich aufbürdet, wer es unternimmt, die universelle Geltung der Menschenrechte als den global allein tragfähigen Legitimationsgrund politischer Herrschaft zu erweisen, insofern Rechtsstaat und Demokratie hier ihren homogenen Ursprung haben sollen. Effektiver scheint ein anthropologischpragmatischer Ansatz. Er orientiert sich an den historischen Schichten der Grundrechte und nimmt demgemäß die elementaren Schutzrechte in den Blick.167 Sie basieren auf der Evidenz menschlicher Verletzlichkeit und werden von einem univerHabermas: Legitimation durch Menschenrechte (Fn. 162), S. 185. Beispielhaft für diese flächige Betrachtung Lutger Kühnhardt: Die Universalität der Menschenrechte, München 1987. Zur Kritik: Hasso Hofmann: Die Entdeckung der Menschenrechte, Berlin 1999; Heiner Bielefeldt: Menschenrechtlicher Universalismus ohne eurozentrische Verkürzung, in: Günter Nooke u. a. (Hg.): Gelten Menschenrechte universal?, Freiburg i. Br. u. a. O. 2008, S. 98 – 141. 167 Dazu Hasso Hofmann: Entdeckung (Fn. 166); ders.: Menschenrechtliche Autonomieansprüche (1992), in: ders.: Verfassungsrechtliche Perspektiven, Tübingen 1995, S. 51 – 72, mit einer vierfachen Unterscheidung: Äußere Form feudaler Freiheitsbriefe, bis in die Antike zurückreichender moralischer Gehalt, vernunftrechtliche Katalyse, revolutionäre politische Instrumentalisierung. Vgl. auch den systematischen Ansatz von Winfried Brugger: Stufen der Begründung von Menschenrechten, in: Der Staat 31 (1992), S. 21 – 38. 165 166

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salen moralischen Minimalkonsens getragen.168 Die Rechtfertigung der Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auf Schutz vor willkürlichem Freiheitsentzug und vor Ausbeutung bedürfen keiner universell anerkannten Theorie individueller Selbstbestimmung. Damit stehen wir mitten in einer aktuellen Diskussion. Die Rückschau ist zu Ende.

168 Dazu Hasso Hofmann: Geschichtlichkeit und Universalitätsanspruch des Rechtsstaates, in: Der Staat 34 (1995), S. 1 – 32 (27 ff.); Wolfgang Kersting: Globaler Liberalismus und kulturelle Differenz, in: ders.: Politik und Recht, Weilerswist 2000, S. 211 – 236 (229 ff.); Stefan Gosepath: Universalität der Menschenrechte – Ein Erklärungsansatz, in: Nooke (Hg.): Menschenrechte (Fn. 166), S. 195 – 203. – Recht auf Leben und das Verbot von Folter und Sklaverei gelten inzwischen als bindendes Völkergewohnheitsrecht: Juliane Kokott: Der Schutz der Menschenrechte im Völkerrecht, in: Brunkhorst u. a. (Hg.): Menschenrechte (Fn. 161), S. 176 – 198 (182 f.).

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