Radiobilder: Eine Kulturgeschichte des Radios in Österreich [1 ed.] 9783737011099, 9783847111092

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Radiobilder: Eine Kulturgeschichte des Radios in Österreich [1 ed.]
 9783737011099, 9783847111092

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Theater – Film – Medien

Band 5

Herausgegeben von Klemens Gruber, Stefan Hulfeld und Christian Schulte am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien Reihe mitbegründet von Elisabeth Büttner

Christine Ehardt

Radiobilder Eine Kulturgeschichte des Radios in Österreich

Mit 5 Abbildungen

V& R unipress Vienna University Press

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber https://dnb.de abrufbar. Verçffentlichungen der Vienna University Press erscheinen bei V& R unipress. Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung des Rektorats der UniversitÐt Wien.  2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Gçttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung:  BrAt_PiKaChU (iStock) Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2366-3618 ISBN 978-3-7370-1109-9

meinen Eltern gewidmet

Inhalt

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

2. Blick ins Maschinenzeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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a) Resonanzen I: (Radio-)Wellen, Neurasthenie und der Lärm der Jahrhundertwende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

3. Vom Medium der Attraktionen zum Massenmedium: Der Beginn des Rundspruchs in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

b) Resonanzen II: Im Stimmland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

4. Faschismus und Radiokultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

c) Resonanzen III: Stille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119

5. Viel Lärm ums Radio: Rundfunk nach 1945 . . . . . . . . . . . . . .

127

d) Resonanzen IV: Unerhörte Geräusche und unaufhörliche Geräuschkulisse. Radio und Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

153

6. (Neue) Radioräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7. Conclusio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

181

8. Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1.

Einleitung

Zwei Kinder sitzen gebannt vor dem Radioapparat. Die neun- und siebenjährigen Mädchen sind fasziniert von der Musik, die daraus dröhnt. Am liebsten würden sie das Gerät zerlegen, um endlich die kleinen musizierenden Menschen sehen zu können, die wohl im Inneren des Gehäuses sitzen müssen. Meine Mutter hat mir diese Geschichte über den ersten eigenen Radioapparat erzählt. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kam er ins Haus, als Tauschware von Wiener Bekannten gegen Fleisch, Milch und Gemüse eingelöst. Sie erzählt einmal mehr von der Magie und Faszination eines Mediums, das die ganze Welt nach Hause bringt. Heute entbehren die »magischen Kanäle«1 zwar der Zauberei, nicht aber der Faszination über ein »Ereignis im Klang«2. Noch immer erschafft das Radio neue Räume, spielt mit den Grenzen von Innen und Außen auditiver Wahrnehmung und überwindet beständig Zeit und Raum. Davon erzählt dieses Buch.3 Es sammelt Zeugnisse und Erzählungen zur Geschichte und Theorie des Radios in Österreich. Eine solche Arbeit mit dem Titel »Radiobilder« zu versehen, scheint zunächst paradox. Ist es doch gerade das fehlende Bild, welches das Radio als Sende- und Empfangsmöglichkeit des Akustischen erst zum Radio macht. Auf den zweiten Blick finden sich jedoch gleich mehrere Gründe für eine solche Namensgebung. Zum einen bin ich auf der Suche nach einer Archäologie des Radios auf eine Vielzahl an Texten, Illustrationen und Fotografien gestoßen, solche Quellen 1 McLuhan, Marshall, Die magischen Kanäle, Düsseldorf: Econ 1992 (Neuausgabe von 1968). 2 Schulze, Holger, »Über Klänge sprechen«, in: Sound Studies: Traditionen – Methoden – Desiderate. Eine Einführung, hg. v. Holger Schulze, Bielefeld: transcript 2008, S. 9–15, S. 9. 3 Vorliegende Publikation ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich 2017 an der Universität Wien eingereicht habe. Diese Arbeit wäre nicht ohne meine Familie entstanden, insbesondere nicht ohne die Unterstützung meiner Eltern Maria und Otto Ehardt. An dieser Stelle sei auch allen FreundInnen und WegbegleiterInnen gedankt, die mich durch ihre Ideen und Gedanken inspiriert haben und den langen Weg bis zur Verwirklichung dieser Arbeit mitgegangen sind. Johanna Strahlhofer danke ich für ihre umsichtigen Korrekturen. Meinem Partner und Freund Herwig Wagner, der mir immer zur Seite steht, möchte ich an dieser Stelle ganz besonders danken.

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Einleitung

finden sich wesentlich häufiger, als Tondokumente. Zum anderen waren und sind die Konzepte des Radios, nie auf einen Sinn beschränkt, vielmehr ist mit der Verbreitung des Akustischen immer auch ein sinnliches Gesamterlebnis evoziert. Außerdem und hier verweist der Titel bereits auf den methodischen Zugang vorliegender Arbeit, sind es vor allem Bilder, verstanden als Wünsche, Vorstellungen und Hoffnungen, die das Radio als Attraktions- und späteren Propaganda- und Massenmedium begleiten. Diese Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen ans Radio sind vielfältig und so wird es schon vor seiner Institutionalisierung zum Ort zahlreicher diskursiver Verhandlungen. Der Gebrauch neuer Technologien, die mit dem Radio als Artefakt und sinnliches Erlebnis verbunden sind, bilden neue Praktiken des Hörens heraus. Neue auditive Erfahrungen und akustische Räume sind damit verbunden, sie bringen ein beständiges Überangebot an Akustischem hervor, das jederzeit und überall zur Verfügung steht. Durch die kulturwissenschaftliche Interpretation zeitgenössischer Quellen und Texte erhoffe ich mir neue Zugangsmöglichkeiten zu bisher kaum beachteten Phänomenen innerhalb der Radio- und Rundfunkgeschichte Österreichs.4 Ziel ist es die Geschichte des Radios nicht auf chronologische Eckdaten zu beschränken, sondern vielmehr anhand von ausgewählten Beispielen für eine Kulturgeschichte des Radios nutzbar zu machen.5 Ausgangspunkt ist die These, dass die Diskussion über Radio in vielfältiger Form von technischen, gesellschaftlichen und politischen Prozessen beeinflusst ist und diese wiederum beeinflusst. Während sich Darstellungen zum Radio in Österreich bisher vor allem auf historische Rundfunkstudien beschränken,6 versucht vorliegende Untersuchung ästhetische und kulturhistorische Fragen zusammendenken. Dabei gehe ich von drei Gesichtspunkten aus: Radio als technischer Apparat, dessen Entwicklungsgeschichte eng mit den Konzepten der drahtlosen Telegraphie am Ende des 19. Jahrhunderts korrelierte. Der Symbolwert des Radios

4 Der Begriff Rundfunk wird hier als institutionelle Form des Radios verwendet, Der Begriff Radio fasst sämtliche Erscheinungsformen, die die Gestaltung und Verwendung von Hörbarem umfassen, zusammen. 5 Zu historischen und methodischen Entwicklungslinien einer Kulturgeschichtsschreibung vgl. Burke, Peter, Was ist Kulturgeschichte?, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2005. 6 Ergert, Viktor, 50 Jahre Rundfunk in Österreich, 4 Bde, Wien: Residenz Verlag 1974–1985; Feldinger, Norbert, Nachkriegsrundfunk in Österreich. Zwischen Föderalismus und Zentralismus von 1945 bis 1957, München, London: K. G. Saur 1990; Pensold, Wolfgang, Zur Geschichte des Rundfunks in Österreich. Programm für die Nation, Wiesbaden: Springer 2018; Godler, Heimo, Jochum, Manfred, Schlögl, Reinhard, Treiber, Alfred (Hg.), Vom Dampfradio zur Klangtapete. Beiträge zu 80 Jahren Hörfunk in Österreich, Wien/Köln/Weimar : Böhlau 2004; Venus, Theodor, Die Entstehung des Rundfunks in Österreich. Herkunft und Gründung eines Massenmediums, Wien: Dissertation 1982.

Einleitung

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als Tabernakel der Macht7 sowie die verschiedenen Versuche eine allgemein gültige Form des Gebrauchs zu etablieren. Und drittens werden die ästhetischen und theoretischen Entwicklungslinien verschiedener Formen radiophoner Gestaltung diskutiert.8 Vorliegende Untersuchungen zu einer Kulturgeschichte des Radios verstehen sich als exemplarisch.9 Gesucht wurde nach Brüchen, Anfangs- und Endsituationen10 in der Entwicklung. Eine lückenlose Darstellung wäre nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Quellenlage kaum zu bewerkstelligen – schließlich fehlen bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts fast gänzlich Tondokumente und schriftliches Material, soweit überhaupt noch vorhanden, ist auf zahlreiche Archive im In- und Ausland verteilt. Nichtsdestotrotz vermitteln Berichte übers Radiohören ein eindrückliches Zeugnis über die intensiv geführten Auslotungen und Ausverhandlungen zu Österreichs Radiolandschaft. Dazu wird auch über die Grenzen des österreichischen Senderaums geblickt, um Entwicklungen, die sich im deutschen und angloamerikanischen Raum vollzogen, mit zu berücksichtigen. In den Archiven und Dokumentationsstellen von Wien, München, Frankfurt am Main und Berlin konnten zahlreiche schriftliche Dokumente, in Form von Zeitungsberichten, Manuskripten, Briefen und Akten gefunden werden.11 Die 7 Zielinski, Siegfried, »Affekte und Effekte. Eine minimale Enzyklopädie um einfache Apparate und Automaten«, in: Zauberhafte Klangmaschinen. Von der Sprechmaschine bis zur Soundkarte, hg. v. IMA Institut für Medienarchäologie, Mainz: Schott 2008, S. 61–80, S. 61. 8 Die behandelten Gestaltungsformen beschränken sich weitestgehend auf künstlerische Arbeiten. Der Bereich der Radiowerbung und der Radionachrichten in Österreich wird in dieser Arbeit ausgespart und nur rudimentär behandelt, detaillierte Untersuchungen zu diesen wesentlichen Radioformen fehlen bisher. 9 Wichtige Impulse lieferte dafür die umfassende Arbeit von Hagen, Wolfgang, Das Radio. Zur Geschichte und Theorie des Hörfunks – Deutschland/USA. München: Fink 2005. 10 Hickethier, Knut, »Kommunikationsgeschichte: Geschichte der Mediendispositive«, in: Medien und Zeit, Forum für historische Kommunikationsforschung, Wien: Literas, Heft 2, Jg. 7., 1992, S. 26–28, S. 26. 11 Mein Dank gilt an dieser Stelle allen engagierten MitarbeiterInnen der verschiedenen Archive und Rundfunkanstalten, die im Zuge der Recherche aufgesucht wurden. Insbesondere dem Dokumentationsarchiv Funk in Wien, Österreichisches Staatsarchiv in Wien, der Wienbibliothek im Rathaus, dem Technischen Museum Wien, der Österreichischen Mediathek, dem Literaturhaus Wien, der Audiothek am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft Universität Wien und ihrem langjährigen Mitarbeiter Wilhelm Fotter, dem Archiv des Bayerischen Rundfunks in München, dem Deutschen Rundfunkarchiv in Frankfurt am Main und dem Archiv der Künste in Berlin. Mein besonderer Dank gilt Hilde Haider-Pregler, die mich nicht nur als Dissertationsbetreuerin unterstützte, sondern mir auch als Projektleiterin im FWF-Forschungsprojekt »Hörinszenierungen österreichischer Literatur im Radio 1945–2000« wichtige Impulse für meine Forschungsarbeiten gab. Das Projekt wurde gemeinsam mit der Wienbibliothek im Rathaus verwirklicht, im Zuge meiner Arbeit als wissenschaftliche Projektmitarbeiterin hatte ich die Möglichkeit den umfangreichen Nachlass von Franz Hiesel zu sichten und zu ordnen. Ein besonderer Dank gilt auch Wolf

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Einleitung

Etablierung des Tonbandes in den 1950er Jahren machte ab diesem Zeitpunkt auch zeitgenössische Tonaufnahmen für vorliegende Untersuchung nutzbar. All diese Quellen geben jedoch kein Gesamtbild des Radios wieder, sondern zeigen vielgestaltige Radiobilder auf.12

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Radios Wo beginnt eine Kulturgeschichte des Radios? Siegfried Zielinski schlägt für eine Genealogie medialer Apparate vor nicht nach dem »Ursprung« sondern nach »Herkunft und Entwicklung« zu fragen.13 Daran anknüpfend soll Radio als Ort politischer, sozialer und ästhetischer Verhandlungen betrachtet werden. Sie sind Ausdruck und Spiegelbild vielgestaltiger Diskussionen über Mittel und Möglichkeiten neuer Technologien. Dabei sind es nicht singuläre Erfindungen und scheinbar lineare Entwicklungen, die als Wegbereiter genannt werden können, sondern vielmehr zeigt sich das Radio als wechselvoller Diskursraum.14 Zeitgenössische AutorInnen, wie Bertha von Suttner, Walter Benjamin, Anton Kuh, Rudolf Arnheim, Theodor W. Adorno und Elfriede Jelinek begleiten den Weg des Radios vom 19. bis zum 21. Jahrhundert. Sie geben wichtige Einblicke in seine Entwicklung, reflektieren Veränderungsprozesse, kommentieren das Zeitgeschehen und weisen mit ihren hellsichtigen Beobachtungen oftmals weit in die Zukunft. Meine Geschichte des Radios beginnt mit den Ideen und Erfindungen des 19. Jahrhunderts. Bertha von Suttners Zukunftsvorlesungen haben diese bereits 1889 aufgegriffen und weitergedacht. Ihre Gedanken eröffnen das erste Kapitel und den »Blick ins Maschinenzeitalter«. Bereits bei der Internationalen Elektrischen Ausstellung von 1883 in Wien nahm der Bereich der »Klangmaschinen« einen großen Raum ein. Hier wurden neue auditive Modalitäten des Erlebens und Erfahrens erprobt. Anhand von Phonograph, Grammophon und Telefon Harranth, dessen unermüdliches radiohistorisches Sammlungsbestreben mir die Recherchearbeit in seinem Dokumentationsarchiv Funk sowie im Österreichischen Staatsarchiv ermöglichte. 12 Redundanzen sind bei dieser multiperspektivischen Untersuchungsmethode bewusst in Kauf genommen und Teil einer tiefergehenden Analyse bemerkenswerter Radiophänomene. 13 Zielinski (2008), S. 61. 14 Zu diesen methodischen Überlegungen siehe auch: Williams, Raymond, Television. Technology and Cultural Form, London, New York: Routledge 1990; Zielinski, Siegfried, Audiovisionen. Kino und Fernsehen als Zwischenspiele in der Geschichte, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1989; Pinch, Trevor J. und Bijker, Wiebe E., The Social Construction of Facts and Artifacts: Or How the Sociology of Science and the Sociology of Technology Might Benefit Each Other, in: The Social Construction of Technological Systems. New Directions in the Sociology and History of Technology, hg. v. Bijker, E. Wiebe et.al., Cambridge Mass.: MIT Press. 1987, S. 17–50.

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Radios

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sollen Aneignungspraktiken und strukturelle Prozesse sichtbar gemacht werden, die für die weitere Radiogeschichte von besonderer Bedeutung waren. Mit dem Beginn des Rundspruchs und den politischen und sozialen Diskussionen um seine Institutionalisierung setzt sich das Kapitel »Vom Medium der Attraktionen zum Massenmedium. Der Beginn des Rundspruchs in Österreich« auseinander. Bevor sich eine disziplinierte Form des Hörens im privaten Bereich durchsetzte, versteht sich das Radio als öffentliche Attraktion. In Parks, Caf8s und Zügen wird der neuen Hörlust gefrönt. Sinnbild für diese Entwicklung sind Kopfhörer, ikonographisches Symbol des Hörens.15 Gleichzeitig werden neue ästhetische und theoretische Konzepte erprobt. Die lebendige Berichterstattung, Reportagen und das »wandernde Mikrophon«, der Hörfilm und »Ohrendramen« etablieren erste radiogenuine Gestaltungsformen. Mit der Vereinfachung und Verbesserung der Radiogeräte wird das Medium zum Alltagsgegenstand. Mit dieser Entwicklung formiert sich auch die Idee einer nationalen Hörgemeinschaft, die die Grenzen des privaten Raums überwinden und zum »potentiellen Kollektivhörer«16 zusammengeschlossen werden kann. Nicht erst mit dem Nationalsozialismus bekommen die Dispositive des Radios in Österreich einen neuen Stellenwert. Bereits in den dreißiger Jahren wurden (austro-)faschistische Konzepte zum Spiegelbild einer totalitären Gesellschaftsordnung. Das mit »Faschismus und Radiokultur« betitelte dritte Kapitel beschäftigt sich mit politischen, kulturellen und sozialen Veränderungen der 1930er Jahre. Entwicklungslinien des Radios werden innerhalb und außerhalb nationalsozialischer Grenzen gezeigt. Theodor W. Adornos Gesten des Radios, die dem ohnmächtigen Hören neue Formen des Radiohörens entgegensetzten sowie die Stimmen vertriebener Radiomenschen beschließen dieses Kapitel zu den Radiojahren 1933–1945. Inwieweit sich die Radiokonzepte austrofaschistischer Provenienz in den Diskussionen um Form und Gebrauch des Radios der Nachkriegszeit wiederfinden, diskutiert das Kapitel »Viel Lärm ums Radio. Rundfunk nach 1945«. Erstmals mussten sich verschiedene Rundfunksender im Land gegeneinander behaupten und traten in einen lautstarken Konkurrenzkampf. Ausdruck dieses Ringens um eine neuerliche Monopolstellung des Radios war die als »Lautsprecherplage« bezeichnete Auseinandersetzung um den richtigen oder falschen Gebrauch des Radios. Am Beispiel von direkten Konkurrenzsituationen zwischen den Rundfunksendern Rot-Weiß-Rot und Radio Wien werden die politischen Diskussionen um Rundfunkfreiheit und Rundfunkeinheit weiter her15 Im digitalen Zeitalter sind Kopfhörer erneut zum Symbol des Auditiven geworden. 16 Marßolek, Inge, »›Aus dem Volke für das Volk.‹ Die Inszenierung der »Volksgemeinschaft« im und durch das Radio«, in: Radiozeiten. Herrschaft, Alltag, Gesellschaft (1924–1960), hg. v. Inge Marßolek und Adelheid Saldem, Potsdam: Verl. für Berlin-Brandenburg 1999, S. 121– 13, S. 122.

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Einleitung

ausgearbeitet.17 Wie sich die unterschiedlichen Senderkonzepte auch auf das Hörspielschaffen österreichischer AutorInnen auswirkten und welche künstlerischen und ökonomischen Strategien dabei verfolgt wurden, dem wird im abschließenden Unterkapitel über österreichische HörspielautorInnen von Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger bis Franz Hiesel nachgegangen. Das Kapitel »(Neue) Radioräume« beschließt die Arbeit und diskutiert verschiedene Hörräume des Radios. Inwieweit haben sich diese Räume im digitalen Zeitalter verändert, erweitert oder sogar neu entwickelt? Welche Radiokonzepte können sich dank digitaler Medien abseits etablierter Produktions- und Rezeptionsformen herausbilden und welche Auswirkungen hat das auf unser Radiohörverhalten? Mit diesen abschließenden Fragen soll nach möglichen Zukunftsszenarien gefragt werden.

Radioresonanzen Zwischen diesen Kapiteln werden die Elemente des Radios und deren mediale Resonanzen aufgegriffen und nach ästhetischen und soziokulturellen Kontexten gesucht. Diese Elemente des Radios, wie Geräusch, Stimme, Stille und Musik werden in zahlreichen radio- und hörspielästhetischen Schriften als grundlegende radiogenuine Mittel der akustischen Gestaltung benannt.18 Während die Hauptkapitel einer Genealogie der Radiogeschichte folgen und sich in vier Zeitabschnitte vom 19. bis ins 21. Jahrhundert unterteilen, stellen die Zwischenkapitel die verschiedenen Elemente des Radios über alle Zeitabschnitte hinweg als Resonanz, d. h. als Welle zwischen den Zeiten verstanden, dar.19 Stille, Geräusch, Musik und Stimme prägen das Radio und verweisen gleichzeitig auf seine Medialität und Wirkungsgeschichte. Die damit verbundene Herausbildung ästhetischer Konzepte konstituiert das Medium Radio als Resonanzraum. Der vieldeutige Begriff der Resonanz ist untrennbar mit dem Akustischen und Auditiven verbunden. Jean Luc Nancy macht damit auf den intrinsischen Unterschied zwischen dem Gehör und dem Gesichtssinn aufmerksam. Während sich 17 Auf eine ausführliche Darstellung der Rundfunksituation in Österreich nach 1945 wurde aufgrund des gewählten methodischen Zugangs verzichtet. Einen ausführlichen Überblick über die Geschichte des Rundfunks in Österreich gibt Wolfgang Pensold, Zur Geschichte des Rundfunks in Österreich. Programm für die Nation, Wiesbaden: Springer 2018. 18 Arnheim, Rudolf, »Rundfunk als Hörkunst«, in: Ders., Rundfunk als Hörkunst und weitere Aufsätze zum Hörfunk. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2001, S. 7–187; Schwitzke, Heinz, Das Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte. Köln/Berlin: Kiepenhauer & Witsch, 1963; Knilli, Friedrich, Deutsche Lautsprecher. Versuche zu einer Semiotik des Radios, Stuttgart: Metzler 1970; Klippert, Werner, Elemente des Hörspiels, Leipzig: Reclam 1977. 19 Zu dieser Auffassung von Geschichte als unabschließbarem Prozess vgl. Schulte, Christian (Hg.), Die Frage des Zusammenhangs. Alexander Kluge im Kontext, Berlin: Vorwerk 8 2012.

Radioresonanzen

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»auf Seiten des Auges (…) Manifestation und Ostentation« finden und damit etwas zur »Evidenz gebracht« wird, befindet sich »auf der Seite des Ohres Zurückgezogenheit und Rückzug«, hier wird etwas »zur Resonanz gebracht«.20 Gleichzeitig ist Resonanz ein zentraler radiotechnischer Begriff, der erstmals von Heinrich Hertz zur Beschreibung des physikalischen Vorgangs bei der Übermittlung von Radiowellen zwischen Sender und Empfänger verwendet wurde. In diesem physikalischen Begriff schwingen allerdings noch sehr viel mehr Bedeutungen und Potentiale für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit akustischen Phänomenen mit. Resonanz verstanden als »akustische Figur« wie sie von Karsten Lichau, Viktoria Traczyk und Rebecca Wolf in ihrem gleichnamigen Sammelband diskutiert werden, lädt zum Austausch und zur Anregung ein. »Indem die Figur der Resonanz zwischen Modell, Metapher und Methode oszilliert, versetzt sie nicht nur die Orte und Objekte von Kunst und Wissenschaft durch gegenseitige ›Anregung‹ in Bewegung, sondern wird dabei selbst zu einer bewegten Figur […].«21

Die Entdeckung der Radiowellen und der zur gleichen Zeit aufkommende psychoneurale Diskurs stehen am Beginn der vier Zwischenkapitel. Fortschrittsglaube und Fortschrittsfurcht der Zeit um 1900, Lebons Massebegriff und die Geräusche einer neuen Zeit verdichten sich zu einem ersten Diskurs ums technisch vermittelte Hören. Die Stimme als medial inszenierter Ort des Begehrens im Radio bildet den Ausgangpunkt des Kapitels »Im Stimmenland«. Es ist auch den vielen abwesenden Stimmen gewidmet, deren Verfolgung und Ausschluss im Nationalsozialismus zum vernichtenden Verstummen so vieler Menschen geführt haben. Daran anschließend wird das Potential der Stille zwischen Blende und Schnitt, zwischen Verschweigen als dramaturgisches Mittel des Traditionellen Hörspiels und seinem medienkritischen Einsatz als (Ein-) Schnitt und Zäsur im Neuen Hörspiel ausgelotet. Das letzte der vier Zwischenkapitel »Unerhörte Geräusche und das Radio als unaufhörliche Geräuschkulisse. Radio und Musik« thematisiert die wechselvolle Geschichte radiophoner Klangproduktion. Welchen elektronischen und elektroakustischen Innovationen leistete der Rundfunk Vorschub? Welche musikalischen Parameter werden für den Rundfunk von Bedeutung und wie hat sich der Einfluss populärer Musikkultur aufs Radio 20 Nancy, Jean Luc, »Zum Gehör«, zitiert nach: Chow, Rew, »Die erkaltete Spur aufnehmen. Anti-dokumentarische Bestrebungen, akusmatische Komplikationen«, in: Ton: Texte zur Akustik im Dokumentarfilm, hg v. Volko Kamensky und Julian Rohrhuber, Berlin: Vorwerk 8 2013, S. 194–211, S. 197. 21 Lichau, Karsten; Traczyk, Viktoria; Wolf, Rebecca, »Anregungen«, in: Resonanz. Potentiale einer akustischen Figur, hg. v. Karsten Lichau et. al, München: Fink 2009, S. 11–32, S. 25.

16

Einleitung

ausgewirkt? Anhand dieser und weiterer Fragen wird dem Spannungsverhältnis von Musik und Radio nachgegangen.

Radio als Denkfigur Auf der Suche nach aussagekräftigen Kommentaren zum Radio quer durch seine Geschichte stößt man vorrangig auf Abgesänge des Radios:, »Ich fürchte mich vor dem Radio«, »Radio eine vorsintflutliche Erfindung«, »Video killed the radiostar«, »Vom Dampfradio zur Klangtapete«.22 Radio so scheint es, blickt schon immer lieber pessimistisch als hoffnungsfroh in die Zukunft. Gegenwärtig ist die Frage nach der Zukunft des Radios im digitalen Zeitalter aktueller denn je. »Digital killed the radio« könnte das aktuelle Fazit über Mittel und Möglichkeiten des Radios im 21. Jahrhundert lauten. Dabei rückt gerade durch den Vormarsch digitaler Medien, »die Wahrnehmung selbst ins Zentrum der Aufmerksamkeit«23. Strategien des Durchbrechens visueller Dogmen sind heute besonders gefragt, wie Thomas Elsaesser in seinem Text zur Rolle des Akustischen in Medien und Kunst erst kürzlich formulierte.24 Für Christoph Schlingensief hat gerade das Hören revolutionäre Kraft, denn »der Mensch muß seine Sinne, wenigstens den einen, dann auch einsetzen. Er muß seinen Verstand einsetzen wenigstens den einen. Der hörende Mensch muß mit-, nicht nur zuhören!«25 Die Chancen des Radios und seine magischen Kräfte sind ungebrochen. Eine abschließende Antwort über die Zukunft des Radios kann Rainer Werner Fassbinder geben. Sein pragmatischer Kommentar zum Hörspiel, gilt mit Si-

22 Kuh, Anton, »Angst vor dem Radio«, in: Ders., Luftlinien. Feuilletons, Essays und Publizistik, Berlin: Loecker 1981, S. 232–235; Brecht, Bertolt, »Radio – Eine vorsintflutliche Erfindung?«, in: Ders., Gesammelte Werke in 20 Bänden. Band 18, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 119– 121; The Buggles, Video killed the Radiostar (Song), 1980; Godler, Heimo; Jochum, Manfred; Schlögl, Reinhard; Treiber, Alfred (Hg.), Vom Dampfradio zur Klangtapete. Beiträge zu 80 Jahren Hörfunk in Österreich, Wien/Köln/Weimar : Böhlau 2004. 23 Vgl. Finter, Helga, »Der (leere) Raum zwischen Hören und Sehen. Zu einem Theater ohne Schauspieler.«, in: medias in res. Medienkulturwissenschaftliche Positionen, hg. v. Till A. Heilmann, Anne von der Heiden, Anna Tuschling, Bielefeld: transcript 2011, S. 127–138, S. 127. 24 Elsaesser, Thomas, Zwischen Abstraktion und Stofflichkeit. Ton, Körper, Stimme, Paper zum Vortrag, http://www.ifk.ac.at/index.php/events-detail/events/auf-der-tonspur-der-fluechti ge-schall-in-kuensten-und-medien.html (Zugriff: 11. 10. 2019). 25 Schlingensief, Christoph, Dankesrede zur Verleihung des 52. Hörspielpreises der Kriegsblinden am 7. Juli 2003 (Abschrift der Rede), http://www.hoerdat.in-berlin.de/wiki/index. php?title=H%F6rspielpreis_der_Kriegsblinden_2002 (Zugriff: 08. 08. 2015), Schlingensief erhielt den renommierten Preis 2003 für sein Hörspiel Rosebud.

Radio als Denkfigur

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cherheit auch fürs Radio. »Natürlich gibt es eine Zukunft des Hörspiels, warum nicht? Warum, das kann ich nicht sagen, es gibt sie halt!«26

26 Rainer Werner Fassbinder zitiert nach Kraeter, Dieter, »schtzngrmm / t-t-t-t. Sprache als Geräusch empfunden Wandlungen und Verwandlungen des Hörspiels (1973)«, in: Theorie des Hörspiels, hg. v. Horst Scheffner, Stuttgart: Reclam 1978, S. 94–104, S. 99.

2.

Blick ins Maschinenzeitalter

»Es war ja so viel Neues ins Leben getreten, so viel nie noch Dagewesenes war nun da«27, schrieb 1889 die Friedensaktivistin und spätere Nobelpreisträgerin Bertha von Suttner in ihren unter dem Pseudonym Jemand erschienenen Zukunftsvorlesungen über die technischen Erfindungen, politischen Veränderungen und gesellschaftlichen Umbrüche, die sich Ende des 19. Jahrhunderts verdichteten. Auch viele ihrer Zeitgenossen und Zeitgenossinnen beschrieben die Jahre um 1900 als eine Zeit der Aufbruchsstimmung, die alle gesellschaftlichen Bereiche durchdrang. Innovative Neuerungen kennzeichneten diese Zeit und »[n]iemand wusste genau, was im Werden war, niemand vermochte zu sagen, ob es eine neue Kunst, ein neuer Mensch, eine neue Moral oder vielleicht eine Umschichtung der Gesellschaft sein sollte«28. Nicht zuletzt nährte sich der Fortschrittsglaube des fin-de-siHcle durch die rasanten Weiterentwicklungen technischer Errungenschaften. Das Zeitalter der Maschinen und der Technik erweiterte die Möglichkeiten des privaten Konsums und zahlreiche Erfindungen wurden zum Bestandteil einer neuen Freizeit- und Unterhaltungsindustrie, die sich an alle Gesellschaftsschichten wandte. Vor allem die Entdeckungen und Weiterentwicklungen der Erkenntnisse zur Elektrizität weckten die Wünsche und Hoffnungen an eine neue, verbesserte Zukunft. Bereits im 17. und 18. Jahrhundert von William Gilbert, Gottfried Wilhelm von Leibniz, Pieter van Musschenbroek, Luigi Galvani und vielen anderen in teils spektakulären Demonstrationen29 nachgewiesen und daran anknüpfend von Andr8 Marie AmpHre, Georg Simon Ohm oder James Clerk

27 Suttner, Bertha von, Das Maschinenzeitalter. Zukunftsvorlesungen über unsere Zeit, Dresden, Leipzig: E. Pierson 1899 (Dritte Auflage), S. 335. 28 Musil, Robert, Der Mann ohne Eigenschaften, Hamburg: Rowohlt 1952, S. 56. 29 Vgl. Hochadel, Oliver, Öffentliche Wissenschaft. Elektrizität in der deutschen Aufklärung, Göttingen: Wallstein 2003.

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Blick ins Maschinenzeitalter

Maxwell weiter untersucht,30 ermöglichte das ständig anwachsende Wissen um die Gesetzmäßigkeiten der Elektrizität seine industrielle und kommerzielle Verwertung und wurde so zu einem der wichtigsten Fortschrittsmotoren des 19. Jahrhunderts. Die Herausbildung der Elektroindustrie und die damit verbundenen wirtschaftlichen Veränderungen, wie etwa die Gründung von Aktiengesellschaften und überregionalen Konzernen, gingen dabei mit dem »Beginn des Maschinenzeitalters« einher.31 Die Elektrifizierung der modernen Welt war Anfang der 1880er Jahre bereits rasant vorangeschritten und der Anbruch des neuen, elektrischen Zeitalters wurde gefeiert. »Unser Jahrhundert wurde durch die Versuche eines Volta inaugurirt [sic]. Ihm folgte der scharfe Denker AmpHre und der glückliche Erfinder Faraday. Und die Gedanken dieser Geisterheroen haben tausendfach Wurzel geschlagen im Streben und Schaffen einer nimmer ermüdenden Generation, und reichliche Früchte lohnten ihre Ausdauer. Immer enger und enger verknüpfte ein neues, herrliches Band Wissenschaft und Praxis; des Forschers erstaunliche Resultate begeisterten den Techniker zu einer Verwegenheit der Ideen, die nur durch die Tatsächlichkeit der Ausführung gerechtfertigt werden konnte und glänzend gerechtfertigt wurde. Es erwuchs eine unserer kühnsten Errungenschaften, die wichtigste Etappe im Siegeslaufe des Menschen gegen die widerstrebende Natur, der Stolz unserer Zeit, ›Elektrotechnik‹ genannt.«32

In pompösem Rahmen und groß angelegten Schauen wurden die Verwertungsmöglichkeiten der Elektrizität von Motorenantrieb über Straßenbeleuchtungen bis hin zu neuen Unterhaltungsmedien vorgeführt und in Szene gesetzt. Wissenschaftliche Erkenntnisse konnten dort präsentiert werden und die neuesten Firmenpatente elektrischer Maschinen wurden vorgeführt. Die Tagespresse und Journale brachten Erfolgsmeldungen über wissenschaftliche Erkenntnisse zur Elektrodynamik, zur Telegraphie und Telefonie und nicht zuletzt über die immer noch geheimnisvoll anmutenden Neuigkeiten rund um die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen, deren Existenz zwar noch immer nicht restlos geklärt werden konnte und deren Nutzungsmöglichkeiten nur als phantastische Erzählungen einer fernen Zukunft in den Geschichten der Feuilletons und Romane zirkulierten, nichtsdestotrotz aber als

30 Zur Geschichte der Elektrizität findet sich zahlreiche Forschungsliteratur, die hier angeführte Namensliste ist eine bewusst nicht nationale Einordnung der Entdeckung und Erfindung der Elektrizität. Vielmehr haben zahlreiche Studien bewiesen, wie sehr die Entdeckungen und das Wissen darüber international zirkulierten, vgl. dazu Hochadel (2003). 31 Faulstich, Werner, Medienwandel im Industrie- und Massenzeitalter.(1830–1900), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004, S. 21. 32 Anonym, »Programm«, in: Internationale Zeitschrift für die elektrische Ausstellung in Wien 1883. Wien, Nr. 1, 15. Juli 1883, S. 1.

Die Internationale Elektrische Ausstellung von 1883 in Wien

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real messbares Phänomen in den Akademien von London bis Moskau für Aufsehen sorgten.33 Alle diese Entwicklungen schürten den Fortschrittsglauben und Technikboom, welcher die Zeit um 1900 kennzeichnete und bildeten den Ausgangspunkt einer Vielzahl neuer kultureller Praktiken des technisch vermittelten Hörens und Sehens.

Die Internationale Elektrische Ausstellung von 1883 in Wien In den seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa und Amerika forcierten Internationalen Ausstellungen wurden die technischen Errungenschaften der industrialisierten Welt zur Schau gestellt. In Österreich war es der 1839 gegründete Niederösterreichische Gewerbeverein, der sich um die Ausrichtung gewerblicher Messen und Ausstellungen bemühte.34 1883, zehn Jahre nach der Wiener Weltausstellung, organisierte eine eigens eingerichtete Ausstellungskommission, deren Mitglieder größtenteils aus Universitätsdozenten, Adeligen und Mitgliedern des Gewerbevereins bestand, eine eigene Schau für elektrotechnische Apparaturen. Es war die erste derartige Leistungsschau in Österreich-Ungarn, zwei Jahre zuvor wurde die weltweit erste elektrische Ausstellung in Paris eröffnet, 1882 folgte München35 und 1883 eröffnete Kronprinz Rudolf die Ausstellung in der Wiener Rotunde mit den Worten: »Mit stolzen Gefühlen stehen wir heute vor einem Werke das seine Entstehung allein dem opferfreudigen Patriotismus einer Anzahl von Männern verdankt. Der Verwerthung [sic] einer mächtigen Naturkraft durch wissenschaftliche Arbeit und der Ausnützung derselben für das tägliche Leben neue Bahnen zu brechen.«36

Mit über dreiunddreißigtausend Quadratmetern Ausstellungsfläche war die Wiener Schau die bisher größte ihrer Art.37 In- und ausländische Firmen zeigten neuartige Erfindungen und bereits bekannte Maschinen und Apparaturen, welche sowohl für den industriellen als auch für den privaten Gebrauch be33 Vgl. dazu Flichy, Patrice, Tele. Geschichte der modernen Kommunikation, Frankfurt am Main/New York: Campus 1994. 34 Vgl. Barth-Scalmani, Gunda; Friedrich, Margret, »Frauen auf der Wiener Weltausstellung von 1873«, in: Bürgerliche Frauenkultur im 19. Jahrhundert, hg. v. Brigitte Mazohl-Wallnig, Wien/Köln: Böhlau 1995, S. 175–232. 35 Vgl. Sandgruber, Roman, Strom der Zeit. Das Jahrhundert der Elektrizität, Linz: Veritas Verlag, 1992, S. 15. 36 Kronprinz Rudolf, »Eröffnungsrede der Elektrotechnischen Ausstellung am 16. August 1883 in Wien«, in: Internationale Zeitschrift für die elektrische Ausstellung in Wien 1883, Nr. 6, Wien, 19. August 1883, S. 83. 37 Kareis, Josef, »Über die culturelle (sic) Bedeutung der Elektrischen Ausstellung in Wien«, Vortrag, Wien 1884, S. 2.

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stimmt waren. Im Vorwort zum Illustrirten Führer durch die Internationale Elektrische Ausstellung im Wiener Prater ist zu lesen, dass das Publikum durch eine unüberschaubare Zahl an Ausstellungsobjekten geleitet wird: »Ohne Verständnis kein Genuss! heißt es bei der elektrischen Ausstellung. Wer etwa hofft, dass er beim Besuch derselben sich nur einige Stunden amüsiren [sic] und dabei allerhand Neues und Sonderbares schauen könnte, der dürfte doch in einer ganz seltsamen Weise enttäuscht werden. Denn er wird dort soviel Neues und Sonderbares sehen, dass es ihm bald wie ein Mühlrad im Kopf herumgehen wird, wenn niemand da ist, der ihm freundlichst das Chaos klärt und ihm Zweck und Wesen der dort in Fülle vorhandenen neuen Erscheinungen deutet.«38

Um dem Chaos im Kopf vorzubeugen, bot die Ausstellungsbroschüre einen vorgegebenen Pfad, der die Vielzahl an technischen Erfindungen sinnvoll verbinden sollte. Nach diesem Wegweiser kam man, nachdem man bereits das ganze Gelände durchquert hatte, über das Ostportal zum eigens errichteten Ausstellungstheater. Dort bekamen BesucherInnen eine Präsentation von über elektrische Leitungen transportierten Theater- und Musikaufführungen zu hören, die von über 60 internationalen und nationalen Telefon- und Telegraphenfirmen von überall aus der Stadt in »Telephon-Auditorien«39 übertragen wurden. Neben diesen viel bestaunten Attraktionen begeisterten die Besucher und Besucherinnen des Ausstellungstheaters etwa auch sogenannte Bild-Mikroskope des K. und K. Hofoptikers Plössl, der mikroskopisch kleine Objekte durch elektrisches Licht in »ungeheurer Vergrößerung«40 auf eine gegenüberstehende Fläche zu projizieren wusste. Eine Vielzahl apparativer Erfindungen trat Ende des 19. Jahrhunderts in einen ideenreichen Wettstreit um ihre Nutzungsmöglichkeiten. All diesen Erfindungen gemein war ihr kontingenter Gebrauch: Sie waren Medien der Attraktionen und dienten überwiegend dem Vergnügen des Publikums beziehungsweise galten sie als, wie es im Ausstellungskatalog heißt, »interessante Demonstrationen«, jedoch »ohne praktischen Wert«41. Diese mussten erst in einen Freizeit- und Konsumdiskurs eingeordnet werden; nichtsdestotrotz verkörperten sie aber bereits typische Wünsche und Vorstellungen der Jahrhundertwende, wie etwa den Wunsch nach Überwindung von Zeit und Raum mithilfe technischer Apparaturen-, ein Wunsch, der sich auch in zahlreichen Darstellungen und fiktionalen Geschichten Ende des 19. Jahrhunderts zeigte.42 Die 38 Illustrirter [sic] Führer durch die Internationale elektrische Ausstellung in Wien 1883. Nebst einem Illustrirten Führer durch die Elektro-Technik, Wien: Hartleben 1883, S. 5. 39 Ebd., S. 41. 40 Ebd., S. 10. 41 Ebd., S. 91. 42 Vgl. Stadelmann, Kurt (Hg.), Wunschwelten. Geschichten und Bilder zur Kommunikation und Technik, Zürich: Chronos 2000.

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phantastischen Geschichten und phantasierten Möglichkeiten, die den neuen Informations- und Kommunikationsmedien zugeschrieben wurden, geben Aufschluss über diese Wunsch- und Zielvorstellungen. Sie sind weniger als Hirngespinste zu betrachten, sondern oszillieren vielmehr zwischen dem bereits Erfüllbaren und den zukünftigen Möglichkeiten der neuen elektrischen Technologien. Bertha von Suttner fasste diese Vorstellungen in ihren Zukunftsvorlesungen zusammen: »Die zunächst liegenden Erwartungen boten schon des angenehmen genug: Der Phonograph, welcher das Wort samt der Stimme fixieren und vervielfältigen sollte; das Telephon, welches diese selbe Stimme über weite Entfernungen hinüberträgt; […] die auf diese Weise ins Haus gebrachten Opernvorstellungen und Parlamentsreden […] überhaupt alle diese Wunderröhren, die alles erdenkliche in die Wohnung leiten – jetzt schon das Licht, das Wasser – nächstens die Heizung, warum nicht auch die Speisen? Warum nicht auch die Stimme entfernter Menschen deren auf elektrischem Wege sich mitteilendes Spiegelbild?«43

Dieser Auszug gibt Einblicke in das gesamte Spektrum moderner Interessen nach Ereignishaftigkeit, Zerstreuung und Überwindung von Zeit und Raum.44 Ebendiese Interessen waren der Motor für die Entwicklung neuer alltagstauglicher Unterhaltungsmedien. Sprechmaschinen, Telegraphie oder Telefonie nahmen dabei die Dispositive des Radios vorweg und bereiteten den Weg für einen Diskurs, dessen Platz Jahre später der Rundfunk einnehmen konnte. Ihre Nutzung vollzog sich gemeinsam mit einer sich verändernden urbanen Gesellschaft, welche, von bürgerlichen Kulturvorstellungen des 19. Jahrhunderts beeinflusst, neue Formen des Unterhaltungskonsums herausbildete. Ein wechselseitiger Prozess aus technischen Möglichkeiten, wirtschaftlichen Interessen und gesellschaftlichen Veränderungen machte in den folgenden Jahrzehnten aus den »interessanten Demonstrationen«45, die bei den Messen und Ausstellungen gezeigt wurden, massentaugliche Produkte.

43 Suttner, Bertha von, Das Maschinenzeitalter. Zukunftsvorlesungen über unsere Zeit, Düsseldorf: Zwiebelzwerg Comp. Verl.-Ges. 1983 (Nachdruck der Ausgabe von 1889), S. 295. 44 Vgl. Uricchio, Wiliam, »Technologies of Time«, in: Allegories of Communication: Intermedial Concerns from Cinema to the Digital, hg. v. Jan Olsson und John Fullerton, Eastleigh: John Libbey 2004, S. 123–138. 45 Illustrirter Führer durch die Internationale elektrische Ausstellung in Wien 1883. Nebst einem Illustrirten Führer durch die Elektro-Technik, Wien: Hartleben 1883, S. 91.

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Mit dem Telefon verdichteten sich Wünsche und Erwartungen an ein neues – modernes – Zeitalter. Die Elektrische Ausstellung von 1883 bot den zahlreichen, neu entstandenen Telefon- und Telegraphenfirmen die Möglichkeit, diese Wünsche und Erwartungen aufzugreifen und den Besuchern und Besucherinnen in Form von kaufbaren Produkten zu präsentieren. »Die Telephonkammern in der Rotunde bieten äußerlich noch immer den Anblick einer nie abnehmenden Schau-, pardon Hörlust. Es ist als wären dieselben zu einem dritthalbmonatlichen Belagerungszustande verdammt; fort und fort kommen die Leute, occupiren [sic] die Zellen, ziehen wieder ab, und stets zucken neue Einsatztruppen (bei denen es auch nicht an Officieren [sic] fehlt) heran. – Kurz – die Kammern sind immer gefüllt.«47

Neben auch heute noch namentlich bekannten Firmen wie Ericson [sic], Siemens oder Berliner war es bei der Internationalen Ausstellung in Wien vor allem die Wiener Privat-Telegraphengesellschaft, die mit ihren Musikübertragungen das Publikum für die neuen Möglichkeiten der Stimm- und Tonübertragung zu überzeugen versuchte. Im Bericht zur Ausstellung liest man dazu: »Die mikrotelephonische Übertragung der Opern- und Concertmusik [sic] der Wiener Privat-Telegraphen-Gesellschaft nach der Rotunde geschah nur mittelst zweier Doppelleitungen. Zum Behuf der telephonischen Opernübertragung in die Rotunde wurden auf der Bühne der k. k. Hofoper und zwar längs der Beleuchtungsrampe derselben 12 Mikrophone, Patent der Wiener Privat-Telegraphen-Gesellschaft aufgestellt.«48

Den Leitungen wurden in der – anlässlich der Weltausstellung von 1873 gebauten – Rotunde sogenannte »Telephonhauben«49 (der Begriff Kopfhörer war

46 Ebd., S. 5. 47 Anonym: »Notizen«, in: Internationale Zeitschrift für die elektrische Ausstellung in Wien 1883, Wien, Nr. 10, 16. September 1883, Nr. 10, S. 159. 48 Bericht über die Internationale Elektrische Ausstellung in Wien 1883, hg. v. Niederösterreichischem Gewerbemuseum, Wien: L. W. Seidel & Sohn 1885, S. 300. 49 Ebd., S. 303.

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zu dieser Zeit noch nicht gebräuchlich) angeschlossen, mittels derer diese – stereoakustischen – Übertragungen50 zu Gehör gebracht wurden. Stereoakustische Übertragungsverfahren wurden auch bei der Elektrischen Ausstellung in Paris 1881 eingesetzt; auch dort wurden »auf der Bühne auf jeder Seite des Souffleurkastens symmetrisch je 12 Ader’sche Transmitter«51 aufgestellt. Das Hörvergnügen für das Publikum lag dabei nicht nur auf der eigentlichen Übertragung von Musik, Gesang und Sprache aus der »großen Oper« und der »Com8die franÅaise«52, sondern vielmehr wurde die Live-Übermittlung räumlicher Hörerlebnisse hervorgehoben. »Um dieselben vor Erschütterungen und fremden Geräuschen, welche von den Bretterbühnen ausgehen könnten, zu schützen, erhielten die Kästchen der Mikrophone als Boden dicke Bleiplatten, welche auf Kautschukfüßen ruhten. Jeder Hörer bekam zwei […] Empfangs-Telephone zur Bewaffnung seiner Ohren. Von diesen Hör-Instrumenten stand das eine mit einem rechts, das andere mit einem links vom Souffleurkasten angebrachten Transmitter in leitender Verbindung, so dass der Lauscher dadurch akustisch wahrnehmen konnte, ob der Acteur [sic] stehen geblieben oder ob er nach rechts oder links geschritten war.«53

Das »Sprechende Telephon« avancierte in Europa zum vieldiskutierten Sujet der Moderne, anhand dessen sich erste Vorstellungen und Dispositionen des Radios abzuzeichnen begannen. In Großstädten wie Paris und Budapest gab es bereits regelmäßige, über Telefonleitungen vermittelte Nachrichten- und Unterhaltungsdienste. In Ungarn existierte das telefonische Abonnentmentservice mittels Fernsprechsystem sogar bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Das Telephon-Hirmondo wurde von Theodor Pusk#s konzipiert, der ein Mitarbeiter Edisons war. 1878 ernannte er seinen Bruder Ferenc Pusk#s zum Generalbevollmächtigten der European Edison Telephone Company in Österreich-Ungarn. Ferenc Pusk#s erlangte 1880 das Recht, eine private Fernsprechvermittlungsstelle in Budapest zu errichten. Die »Sprechende Zeitung«, wie sie in der internationalen Presse genannt wurde, eröffnete 1893 ihren ständigen Betrieb und lieferte ihren Kunden und Kundinnen ein regelmäßiges Programm mit Wirtschaftsnachrichten, Unterhaltungsmusik und Wetteransagen; hierzu musste sich das Publikum lediglich »über den normalen Telefonapparat mit der ›Telefonzeitung‹ gegen Extragebühr«54 verbinden lassen. 50 Über frühe stereoakustische Experimente, vgl. Sterne, Jonathan, The Audible Past. Cultural Origins of Sound Reproduction, Durham, London: Duke University Press 2003, S. 155ff. 51 Ebd., S. 299. 52 Ebd. 53 Ebd. 54 Kukan, A. B., »Der Vorläufer des Rundfunks, der ›Telephon-Bote‹«, in: Blätter für Technikgeschichte. Schriftleitung Rolf Niederhuemer, Nr. 46/47, 1984/85, Wien: Verlag Ing. Bartak 1986, S. 179–186, S. 184.

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In Paris wurde das von Marcel Proust beschriebene »Theatrophon«55 bereits kurz nach der ersten elektrischen Ausstellung 1881 erfolgreich eingeführt und international viel beachtet. Die Theatrophoncentrale in Paris vermittelte Theater- und Konzertaufführungen nicht nur innerhalb des Stadtgebietes, sondern führte auch internationale Übertragungen durch. Die Pariser Theatrophonzentrale hatte so gut wie alle wichtigen Theater- und Opernhäuser unter Vertrag, wobei die Telefonverbindungen nicht an Privatpersonen vermittelt wurden, sondern an Hotels und Restaurants. »[…] gegen entsprechendes Honorar dem Publicum [sic] zur Verfügung gestellt […] Auf Wunsch wird der Gast mit irgend einem Theater in Verbindung gesetzt und er kann nun von seinem Speisetische aus eine Theatervorstellung anhören.[…] In den vornehmen Pariser Salons werden bereits Theatrophon-S8ancen beim Thee [sic] gehalten, welche ganzen Gesellschaften Declamationen [sic], Gesang und Musikstücke aus den Theater übermitteln.«56

Das Vergnügen lag dabei nicht nur in der Mitverfolgung der Aufführungen selbst, sondern auch darin, »den Applaus des Publicums aufs Deutlichste«57 hören zu können. Auch in Wien konnten ab 1893 über die k. k. Telephoncentralen täglich Börsennachrichten telefonisch abgerufen werden, diese »Phonogramme« wurden ebenso wie Telegramme Wort für Wort abgerechnet und pro Wort wurde eine Gebühr von einer halben Krone verlangt.58 Konzert-, Opern- oder Theateraufführungen konnten in Wien nicht regelmäßig empfangen werden; solche Vorführungen wurden nur zu Demonstrations- und Werbezwecken veranstaltet. So wurde anlässlich der Eröffnung der Telefonleitung Wien – Prag im Jahr 1890, ebenfalls durch die Wiener PrivatTelegraphengesellschaft, eine Konzertübertragung zwischen der Prager Telefonzentrale und dem Saal des Österreichischen Gewerbevereins in Wien durchgeführt.59 Die dafür notwendigen Apparate wurden von der Firma Czeija 55 Vgl. Briggs, Asa, »The pleasure Telephone: A Chapter in the Prehistory of the Media«, in: The social impact of the Telephone, hg. v. Ithiel the Sola Pool, Cambridge Mass.: MIT Press 1977, S. 40–65. 56 Österreichische Verkehrs-Zeitung. Fachblatt für Post, Telegraph und Telephon, Wien, Nr. 10, 3. März 1892, S. 77. 57 Ebd. (Hier wird auch einer der Faszinationsfaktoren der Fernsendetechnik angesprochen: die Unmittelbarkeit und die Präsenz von Live-Übertragungen, die zu einem der wesentlichen Charakteristika der ersten Radiosendungen wurde). 58 Österreichische Verkehrs-Zeitung. Fachblatt für Post, Telegraph und Telephon, Wien, Nr. 10, 26. April 1893, S. 134. 59 Vgl. Rohrböck, Regine, Die Entwicklung der Nachrichtentechnik bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Telegraphie und der Telephonie in Österreich-Ungarn, Wien: Dipl.-Arb. 1989, S. 77. (Die Telefonlinie Wien – Prag zählte Ende

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& Nissl gebaut. Franz Nissl, ein Wiener Ingenieur, der lange Zeit die technische Leitung der Budapester Telefonzentrale innehatte und Karl August Czeija, ein Industrieller aus dem Wiener Großbürgertum, gründeten 1885 die Firma Czeija & Nissl, die wesentlichen Anteil am Aufbau des Telefonnetzes in der österreichisch-ungarischen Monarchie hatte. Czeija & Nissl übernahmen 1893 die »seit 1871 bestehende Telegraphen- und Telephonbauanstalt C. Schäffler«60 und nannten ihre Firma von nun an Vereinigte Telephon- und Telegraphenfabrik Czeija, Nissl & Co. An dieser Transaktion beteiligte sich auch die Western Electric Company, einer der damals größten amerikanische Telefonkonzerne. 1896 übernahmen Czeija und Nissl auch die erste Wiener Telefonzentrale in der Friedrichstraße, die 1881 von Otto Schäffler gegründet worden war, und im selben Jahr erhielten Czeija und Nissl weiters den Großauftrag zum Bau zweier neuer Wiener Telefonzentralen.61 Die Nutzung des Telefons als ein Unterhaltungs- und Nachrichtenmedium wurde in den darauf folgenden Jahren nicht mehr weiter verfolgt. Bis auf wenige Ausnahmen, wie etwa das bereits erwähnte ›Sprechende Telefon‹ in Budapest, wurde das Telefon bald auf einen Zweiweg-Kommunikationsapparat beschränkt. Die Versuche der frühen Entwicklungsphase gerieten in Vergessenheit, viele Ideen und Konzepte wurden aber bei der Ausgestaltung des Rundfunks wieder aufgegriffen und prägten die ersten Radiojahre. »Meanwhile, the telephone industry developed on the basis of a service to customers carrying out their own exchange, and much of the early talk about theaterphones and electrophones was forgotten, buried in a rejected past. Fortunately, the idea of ›the pleasure telephone‹ never completely disappeared.«62

Nicht nur die technischen Erfindungen zu Mikrofon und Telefon, also Sender und Empfänger63, gaben der Entwicklung des Rundspruchwesens wichtige Impulse; auch die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten des Telefons als ein Kommunikations- und Unterhaltungsmedium verwiesen auf die späteren Aneignungspraktiken des Radios und thematisierten bereits früh auditive Phänomene, wie etwa die Möglichkeit stereophoner Raumwahrnehmung und Probleme der Lautverstärkung.

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des 19. Jahrhunderts zur wirtschaftlich erfolgreichsten Kommunikationslinie in ÖsterreichUngarn). Resch, Andreas; Hofer, Reinhold, Österreichische Innovationsgeschichte seit dem späten 19. Jahrhundert. Indikatoren des Innovationssystems und Muster des Innovationsverhaltens, Innsbruck: Studienverlag 2010, S. 240. Vgl. Rohrböck (1989), S. 82. Briggs (1977), S. 59. Bis in die frühen zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurden Kopfhörer auch als Telefone bezeichnet.

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Seit 1876 war das Telefon als Kommunikationsmittel weltweit in Verwendung und 1883, im Jahr der Elektrischen Ausstellung, gab es in Österreich drei Städte mit eigenem Telefonnetz, wobei zu diesem Zeitpunkt insgesamt 870 registrierte TeilnehmerInnen verzeichnet werden konnten. Demgegenüber hatte Großbritannien bereits 75 Städte mit Telefonanbietern und über 7.000 TelefonnutzerInnen und auch Deutschland verfügte bereits über mehr als 20 Telefonanbieter. Vorreiter dieser Entwicklung blieb aber die USA mit über 120 Telefonnetzen.64 Amerika galt als die Heimat des Telefons, seitdem Alexander Graham Bell seine Konstruktion eines Telefonapparates am 14. Februar 1876 zum Patent angemeldet hatte und damit nur wenig schneller war als sein Konkurrent Elisha Gray65. Die Vielzahl an weltweiten Patentanmeldungen brachte es mit sich, dass jedes Land eigene Telefonkonstruktionen benutzte. So waren in Frankreich vorwiegend Ader Telefone in Verwendung, während in Deutschland vor allem Siemens Telefone, die als besonders leistungsstark galten, vertrieben wurden. »In Österreich-Ungarn scheint hauptsächlich das System Blake-Bell in Gebrauch zu sein. […] Aus der im Ganzen nur geringen Zahl telephonischer Apparate in der österreichischen Abtheilung [sic] kann man wohl schließen, dass die FernsprechEinrichtungen hier noch keine größere Verbreitung gefunden haben. Sicher wird auch nach dieser Richtung die diesjährige Ausstellung anregend wirken.«66

Tatsächlich verzeichnete das österreichische Telefonnetz eine Vergrößerung der TeilnehmerInnenzahl und auch die Anzahl der von der Industrie hergestellten Telefone nahm ab Mitte der 1880er Jahre zu. Wie in vielen Ländern Europas wurden auch in Österreich-Ungarn Ende des 19. Jahrhunderts private Stadttelefonnetze verstaatlicht. 1893 gingen zehn der insgesamt elf Privatnetze in Staatseigentum über ; nur das urbane Telefonnetz der Wiener Privat-Telegraphengesellschaft wurde erst 1895 nach längeren Verhandlungen und öffentlichen Debatten um das Geschäftsgebaren der Firma vom Handelsministerium übernommen.67 64 Vgl. Oberbeck, A., »Telephon und Mikrophon auf der Elektrischen Ausstellung in Wien«, in: Internationale Zeitschrift für die elektrische Ausstellung in Wien 1883, Wien, Nr. 18, 22. Juli 1883, S. 276. 65 Je nach nationalhistorischer Eigendefinition gelten als Erfinder des Telefons u. a. auch Johann Philipp Reis aus Deutschland, der Italiener Innocenzo Manzetti und Antonio Meucci oder der Ungar Tividar Puskas. 66 Oberbeck (1883), S. 276. 67 Vgl. zur Geschichte des österreichischen Telefonnetzes: Wanka, Josef, Das Telegraphen- und Telephonwesen in Österreich, Wien 1896; Hellrigl, Hans von, »Die Entwicklung der Telephonie in Österreich«, in: Zeitschrift für Elektrotechnik, Nr. 16, 1898, S. 205–232.; Rohrböck, Regine, Die Entwicklung der Nachrichtentechnik bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Telegraphie und der Telephonie in Österreich-Ungarn, Wien: Dipl.-Arb. 1989.

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Noch war der Aufbau des Telefonnetzes eine kostspielige Investition für das österreichische Post- und Telegraphenwesen: So wurden seit Errichtung zwar 3,1 Millionen Gulden eingenommen, insgesamt aber bis zum Jahr 1890 bereits 4,13 Millionen Gulden für den interurbanen Leitungsausbau ausgegeben.68 Diese Zahlen zeigen, welches Potential im neuen »Verkehrsmittel«69 Telefon gesehen wurde und im Gegensatz zur Telegraphie, die trotz ihrer langjährigen Erprobung kein massentaugliches Kommunikationsmittel werden konnte, versprachen sich Industrie und staatliche Verwaltung angesichts der internationalen Entwicklung auch für Österreich eine rasche Zunahme der privaten Telefonnutzung. »Die Telegraphie, obwohl mit unseren gesellschaftlichen Zuständen innig verwachsen, ist doch keine volksthümliche [sic] Einrichtung geworden. Soll es die Telephonie auch nicht werden? Es steht dies nicht im Einklange mit dem demokratischen Zuge, welcher der Gegenwart eigen ist. Die Telephonie darf nicht zu einem Privileg der Reichen, sondern sie muss Allgemeingut werden.«70

Ein wichtiger Grundstein in der Entwicklung neuer (Massen-)medien war damit gelegt, technische Erfindungen sollten nicht mehr nur an »geschlossene Benutzerkreise gesellschaftlicher Elitegruppen« adressiert werden, sondern die Möglichkeit bieten, »sozial, regional und national nicht spezifische Publika zu erreichen«71. Grenzenlose Kommunikation und Unterhaltung über räumliche und gesellschaftliche Schranken hinaus war den neuen Medien bereits »als Auftrag eingeschrieben«72. Telefonwerbungen um 1900 veranschaulichen die unterschiedlichen Anforderungen an das neue Kommunikationsmittel. Für firmen- und hausinterne Zwecke wurden Telefonapparate angeboten, die lediglich mit einem Telefon, also einem Empfänger, versehen waren und damit nur die Möglichkeit des Hörens, nicht aber eine Zweiweg-Kommunikation ermöglichten.73 So boten die Wiener Telegraphen- und Telefonwerke H. Jakobi & Co. »Microtelephon-Stationen für 68 Vgl. Österreichische Verkehrs-Zeitung. Fachblatt für Post, Telegraph und Telephon, Wien, Nr. 3, 3. Februar 1892, S. 36. 69 Wie Eisenbahn, Telegraphie und Schifffahrt zählte auch das Telefon zu den Verkehrsmitteln, vgl. z. B. Österreichische Verkehrs-Zeitung. Fachblatt für Post, Telegraph und Telephon, (Weitergeführt unter dem Titel: Organ für Eisenbahn und Schifffahrt, Versicherung und Finanzwesen). 70 Österreichische Verkehrs-Zeitung. Fachblatt für Post, Telegraph und Telephon, Wien, Nr. 5, 20. Jänner 1892, S. 1. 71 Zielinski, Siegfried, Archäologie der Medien. Zur Tiefenzeit des technischen Hörens und Sehens, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2002, S. 322. 72 Ebd. 73 Wie eng die Verbindung von Hören und Ge-Horchen ist, zeigt sich etwa auch in den ersten Worten, die Edison in seine neue Erfindung sprach: »Watson I want you do come here«, vgl. Kittler, Friedrich, Draculas Vermächtnis. Technische Schriften, Leipzig: Reclam 1993, S. 134.

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gegenseitigen Anruf und Telephon-Kombinationen« für einseitigen Anruf an; zur Auswahl standen dabei »Zimmer- oder Küchenmikrotelephone«74. Die Faszination für das neue Kommunikationsmittel, das sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum selbstverständlichen Requisit bürgerlicher Wohnungskultur und zum unverzichtbaren Bestandteil für Groß-, Klein- und Kleinstfirmen entwickelt hatte, oszillierte zwischen Erstaunen, Begeisterung und Ängstlichkeit. »Noch hatten wir nicht begriffen, dass mit dem Telefon ein Dämon ins Haus und ins Geschäft gedrungen war, der sich unangemeldet jederzeit mit schrillem Läuten ankündigen kann, den Gang der Gedanken und Gespräche mit einem kleinen gesundheitsschädlichen Schock jäh unterbricht, den vor einem liegenden Aktenstoß mit neuen Nervösitäten durchrascheln.«75

Franz Kafka hatte schlichtweg Angst vor dem Telefon und beschwor seine Freunde, Freundinnen und Verwandte, ihn nicht anzurufen: »[m]eine Telefonnummer ist Zehlendorf 2434 aber bitte nicht telefonieren, nicht nur wegen der Angst und meiner Unfähigkeit etwas zu hören, auch wegen der Umständlichkeit, die es hier hat«76 und Walter Benjamin berichtete in seinen Berliner Kindheitserinnerungen vom albtraumhaften Erlebnis der ersten Telefonanrufe: »In diesen Zeiten hing das Telefon entstellt und ausgestoßen zwischen der Truhe für die Schmutzige Wäsche und dem Gasometer in einem Winkel des Hinterkorridors, von wo sein Läuten die Schrecken der Berliner Wohnung vervielfachte. Wenn ich dann, meiner Sinne mit Mühe mächtig, nach langem Tasten durch den finstern Schlauch, anlangte, um den Aufruhr abzustellen, die beiden Hörer, welche das Gewicht von Hanteln hatten, abriß und den Kopf dazwischen presste, war ich gnadenlos der Stimme ausgeliefert, die da sprach. Nichts war, was die Gewalt, mit der sie auf mich eindrang, milderte. Ohnmächtig litt ich, dass sie mir die Besinnung auf meine Zeit, meinen Vorsatz und meine Pflicht zunichte macht; und das Medium der Stimme, die von drüben seiner sich bemächtigt, folgt ergab ich mich dem ersten besten Vorschlag, der durch das Telefon an mich erging.«77

Eine Alltagspraktik des Telefonhörens musste erst ausgebildet werden, so wurde in Handbüchern und Zeitschriften über Erfahrungen und Besonderheiten des Telefongebrauchs berichtet. Vor allem die optimale Qualität der Übertragung war Gegenstand der Auseinandersetzung mit dem neuem Verkehrsmittel: 74 Mitteilungen der Telegraphen- und Telephon-Werke H. Jacobi & Co, Wien, Nr. 1, 1914, S. 15. 75 Diesel, Eugen, Jahrhundertwende. Gesehen im Schicksal meines Vaters, Stuttgart 1949, S. 127. Zitiert nach: Radkau, Joachim, Das Zeitalter der Nervosität. Deutschland zwischen Bismarck und Hitler, München/Wien: Carl Hanser Verlag 1998, hier S. 193. 76 Kafka, Franz, »Brief an die Eltern, Berlin-Zehlendorf, 12. Februar 1924«, in: Ders., Die Briefe, Frankfurt am Main: Zweitausendeins 2005, S. 1200. 77 Benjamin, Walter, »Das Telefon«, in: Ders., Berliner Kindheit um neunzehnhundert. Fassung letzter Hand. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1987, S. 19.

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»[a]uch hört man viel besser, wenn man an jedes Ohr ein Telephon hält«78. Auch die Tonqualität unterschiedlicher Stimmen beziehungsweise Stimmlautstärken wurde thematisiert: »Es trägt durchaus nicht zur größeren Verständlichkeit bei, wenn man in das Telephon hinein schreit, sondern man muss, um deutlich verstanden zu werden, mit klarer Betonung und bestimmter Aussprache sprechen. Ein gewisser singender Tonfall der Sprache trägt besonders zur deutlichen Wiedergabe der Worte bei«79. Damit wurde ein für das Medium spezifisches Hör- und Artikulationsverhalten eingefordert und einstudiert. Individuelle Erfahrungen mit dem Telefon, wie das Phänomen der Rückkoppelung, wurde von der Presse aufgegriffen und als »Wunder der Telephonie«80 präsentiert. Gleichzeitig mit der Verbesserung der Apparate für individuelle Gespräche zwischen zwei Personen wurde auch die Herstellung leistungsstarker Telefone, die »Reproductionen [sic] an den verschiedenen Stellen eines großen Saales«81 ermöglichen sollte, vorangetrieben. Neben der Ein- und Zweiwegkommunikation beinhaltete die telefonische Übermittlung also immer auch die Möglichkeit einer Mehrwegkommunikation, wie sie später durch die drahtlose Telefonie weiter ausgebaut werden sollte. Der Boom der technischen Industrie gegen Ende des 19. Jahrhunderts brachte auch zahlreiche Firmenneugründungen und Firmenzusammenschlüsse mit sich. Firmen wie Siemens & Halske gründeten eine Wiener Niederlassung und die Innung der konzessionierte Elektrotechniker entstanden zu jener Zeit; an der Technischen Universität in Wien wurde ein neuer Fachbereich für Elektrotechnik eingerichtet. Das Technologische Gewerbemuseum wurde 1879 vom Niederösterreichischen Gewerbeverein gegründet und führte ebenso wie die Technische Hochschule in Graz erste Versuche mittels drahtloser Funkentechnik durch. Um 1900 gelang es Otto Nußbaumer, einem der ersten als österreichische Radiopioniere titulierten Physiker, am Grazer Institut für Physik Töne und Stimmen mittels Radiotelefonie kabellos zu übertragen.82 Das neunzehnte Jahrhundert, das Jahrhundert der Elektrizität, wie es in zeitgenössischen Berichten genannt wird, brachte darüber hinaus zahlreiche Erfindungen und Entdeckungen hervor: die Röntgenstrahlen, die Fotografie, die 78 Schwartze, Theodor, Telefon, Mikrofon und Radiofon. Mit besonderer Rücksicht auf ihre Anwendung in der Praxis, Wien/Pest/Leipzig: Hartleben 1883, S. 93. 79 Ebd., S. 93f. 80 Österreichische Verkehrs-Zeitung. Fachblatt für Post, Telegraph und Telephon, Wien, Nr. 34, 24. August 1892, S. 208f. 81 Schwartze (1883), S. 95. 82 Über die Arbeit Otto Nußbaumers siehe: Venus, Theodor ; Waitzbauer, Harald, Otto Nußbaumer. Der Salzburger Radiopionier, Salzburg: Salzburger Portraits – Schriftenreihe des Salzburger Landespressebüros 1990.

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Entdeckung, wonach sich Schall im Raum fortsetzt, drahtlose Telegraphie und Telefonie, Phonographen und andere Sprechmaschinen. Alle diese Erfindungen wurden nicht nur als Nachrichten- und Kommunikationsmittel verstanden, sondern auch als Unterhaltungsmedien genutzt. Wie Asa Briggs in seinem Aufsatz »The Pleasure Telephone« gezeigt hat, werden die notwendigen kulturellen Umgangsweisen mit technischen Erfindungen zu Beginn ihrer Etablierung oftmals in spielerischer Form angeeignet, »[t]he sense of pleasure in playing with a new toy – perhaps a necessary part of the inventive process itself – persisted with the users until novelty gave way to routine«83.

»Ich spreche in das Grammophon«. Hören im Zeitalter technischer Reproduzierbarkeit Ende des 19. Jahrhunderts wurden Telefonapparate unter die Erfindungen der »Sprachtelegraphie« gereiht, sie galten als »Telegraphen mit vergänglichen Zeichen«84. Im Gegensatz zu den Telegraphischen Apparaturen, die nur eine »sinngetreue Nachbildung des Originals« erlaubten, ermöglichten Telefone und Mikrophone die »Erzeugung einer formgetreuen Nachbildung des Originals«85. Demgegenüber boten Sprechmaschinen wie Grammophon und Phonograph erstmals die Möglichkeit, die Stimme nicht nur vom Körper entkoppelt über weite Entfernungen zu hören, sondern diese Stimme auch unter zeitlicher Entkopplung speicherbar zu machen und damit ihrer Vergänglichkeit und Flüchtigkeit zu entziehen. Der Beginn des technisch vermittelten Hörens brachte eine Vielzahl an Veränderungen mit sich. Nicht nur das Wirtschaftsleben hatte dadurch neue Möglichkeiten erfahren; auch und vor allem die Möglichkeiten privater und öffentlicher Vergnügungen konnten sich vervielfältigen. Die Vorstellung, Töne über weite Entfernungen hörbar zu machen und zu fixieren, beschäftigte Wissenschaft und Kunst bereits im 17. und 18. Jahrhundert. Universalgenies wie Giovari Battista della Porta, Anastasius Kirchner oder Johann Wilhelm Ritter versuchten, Stimmen über weite Strecken hörbar zu machen.86 Aber erst mithilfe der Elektrizität wurden diese experimentellen Versuchsanordnungen zu globalen Kommunikationsmedien weiterentwickelt. 83 Briggs (1977), S. 40. 84 Zetzsche, Karl Eduard, »Die elektrische Telegraphie und die Arten der elektrischen Telegraphen«, in: Internationale Zeitschrift für die elektrische Ausstellung in Wien 1883, Wien, Nr. 2, 22. Juli 1883, S. 31. 85 Ebd. 86 Vgl. Zielinski (2002).

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Insbesondere die Vision, die Stimmen entfernter und sogar längst verstorbener Menschen hörbar zu machen, war ein wichtiges Leitmotiv in der rasanten Entwicklung technischer Aufzeichnungs- und Übertragungsmedien. »Not many weeks have passed since we were startled by the announcement that we could converse audibly with each other, although hundreds of miles apart, by means of so many miles of wire wound round a magnet; another wonder was now promised us. This was an invention purely mechanical in nature by means of which words spoken by the human voice can be, so to speak, stored up and reproduced at will. What shall be said of a machine by means of which the old familiar voice of one who is no longer with us on earth can be heard speaking to us in the very tones and measures to which our ears were once accustomed?«87

Mit dem Phonographen wurde es erstmals möglich, Musik, Geräusch und Stimme aufzunehmen und aufzubewahren.88 Das Sammeln und Aufzeichnen von Phonogrammen avancierte zum beliebten Zeitvertreib für die wohlsituierten Gesellschaftsschichten. »Der Liebhaber angenehmer Beschäftigungen und der Kunstfreund haben schon längst den Wert eines erstklassigen Phonographen erkannt und finden in der Herstellung künstlerischer Recorde einen nützlichen und angenehmen Zeitvertreib.«89 Zu Beginn seiner Etablierung stand aber ein tiefes Misstrauen gegenüber der neuen Technologie. Der Phonograph90, 1877 von Thomas A. Edison entwickelt und 1878 als erster Apparat dieser Art patentiert91, konnte vermittels einer Walze Schallwellen aufzeichnen und – zu Anfang in noch kaum vernehmbarer Qualität – wiedergeben. Bei der ersten Vorführung in Europa am 11. März 1878 vor Mitgliedern der Pariser Akademie der Wissenschaften wurde der Vertreter Edisons92 der Bauchrednerei bezichtigt. Und noch 1879 erzählte der Schwank »Der Phonograph: oder die Sprechmaschine« des Wiener Autors Eduard J.

87 The Times, London, 12. März 1878 zitiert nach Briggs (1977), S. 46. 88 Zur Kulturgeschichte des Phonographen vgl. Gauß, Stefan, Nadel, Rille, Trichter. Kulturgeschichte des Phonographen und des Grammophons in Deutschland (1900–1940), Köln: Böhlau 2009. 89 Parzer-Mühlbacher, Alfred, Die modernen Sprechmaschinen Phonograph, Graphophon und Grammophon. Deren Behandlung und Anwendung. Praktische Ratschläge für Interessenten, Wien/Pest/Leipzig: Hartleben 1902, S. 6. 90 Der Edison Phonograph war nur einer aus einer Reihe von Sprechmaschinen unterschiedlicher Hersteller, weitere Apparate dieser Art waren zum Beispiel das Graphophon von Columbia oder der Hydra-Phonograph von Runge & von Stemann aus Berlin, vgl. ParzerMühlbacher (1902), S. 96ff. 91 Nur zwei Stunden später ging bei der amerikanischen Patentbehörde ein ähnlicher Patentantrag von Elisha Gry ein, dem damit der Erfolg versagt blieb, vgl. Flichy (1994), S. 110. 92 Es dürfte sich dabei um T. Puskas den Gründer des Telefon-Hirmondo in Ungarn handeln.

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Richter93 von der Unglaubwürdigkeit und Scharlatanerie, die mit derlei Apparaten angestellt werden konnte. Schon bald erfreute sich »eine der merkwürdigsten Erfindungen dieses Jahrhunderts«94 aber wachsender Beliebtheit vor allem in privaten Haushalten. »Darum steht der Sprechmaschine auch eine große Zukunft bevor und der phonographische Sport wird sich in Kürze ebenfalls auf die hohe Stufe der Entwicklung ergeben, welche gegenwärtig die Photographie nach einer so kurzen Zeitepoche ihres Bestandes erreicht hat.«95

Edison gründete kurz nach Patentierung des Phonographen die Edison Speaking Phonograph Company. Edison, der seine Erfindungen immer auch auf praktische Vermarktungsmöglichkeiten hin befragte, formulierte zehn Aufgaben, die ein Phonograph zukünftig erfüllen können sollte: »1. Aufnehmen von Briefen und alle Arten von Diktaten 2. Phonographische Bücher für Blinde 3. Sprechunterricht 4. Wiedergabe von Musik 5. Familienarchiv, Sammlung von Gesprächen von Familienangehörigen zur späteren Erinnerung und Aufnahme der letzen Worte Sterbender 6. Spieldosen und Spielzeug 7. Uhren, die mit deutlicher Stimme mitteilen, wann es Zeit ist, nach Hause zu gehen, die Mahlzeit einzunehmen und dergl. 8. Aufzeichnung von Sprachen mit ihren Akzenten 9. Pädagogische Zwecke, wie z. B. die Erklärung eines Lehrers, die der Schüler dann jederzeit zur Verfügung hat 10. Verbindung mit dem Telephon, damit dieses nicht ein flüchtiger Empfänger von Mitteilungen ist, sondern bleibende und unschätzbare Dokumente liefert.«96

Ebenso wie die Fotografie Ende des 19. Jahrhunderts ein gebräuchliches Hobby für die bürgerliche Mittel- und Oberschicht darstellte, galt auch das Sammeln und Aufnehmen von Phonogrammen als ein beliebter und vorrangig den Männern vorbehaltener Zeitvertreib: »Die Schar der Phonographenfreunde hat heute schon eine stattliche Zahl erreicht und überall dort, wo es moderne Menschen gibt, auch die Sprechma93 Richter, Eduard J., Der Phonograph oder : Die Sprechmaschine. Schwank mit Gesang in einem Akte, Wien 1879. 94 Schwartze (1883), S. 228. 95 Parzer-Mühlbacher (1902), S. 107. 96 Zitiert nach Gauß (2009), S. 39.

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schine nicht fehlt.«97 Neben der Musikaufzeichnung sollte der Phonograph auch als »Sprachlehrer« fungieren, der es ermöglichte, sowohl bei Sprachfehlern Abhilfe zu schaffen als auch – durch Aufnahme der eigenen Stimme – fremde Sprachen zu erlernen. Als wissenschaftliches Forschungsinstrument brachte der Phonograph exotische Stimmen zu Gehör und verschaffte neuen Wissensdisziplinen wie der Ethnologie oder der vergleichenden Musikwissenschaft ihr Forschungsmaterial. Eines der bedeutendsten Archive, das sich dem Sammeln von »Einzelaufnahmen hervorragender Persönlichkeiten sowie Aussprech- und Gesangsproben exotischer Völkerschaften«98 widmete, war das Phonogrammarchiv der Akademie der Wissenschaften in Wien99. Während die Nutzung im wissenschaftlichen Bereich sehr früh diskutiert wurde, stand die kommerzielle Verwertung als Unterhaltungsmedium aber noch längere Zeit zur Diskussion. »Theoretisch ist der Phonograph sicher ein sehr interessantes Instrument, indem dessen Leistungen das Studium der Entstehung der Sprechlaute schon bedeutend gefördert hat; ob derselbe sich noch eine praktische Wichtigkeit erringen wird, ist eine Frage, deren Beantwortung wir mit Sicherheit nicht zu geben vermögen.«100

Neben dem klassischen Phonographen kamen Ende des 19. Jahrhunderts auch zahlreiche weitere Variationen von Sprechmaschinen auf den Markt. So stellte die Wiener Firma A. Bückl »Spezialitäten in Sprechmaschinen von 6 Kronen aufwärts« her ; dazu zählten »Phantasie- und Luxusapparate, singende Blumenstöcke, Grammophonautomaten, sprechende Weckeruhren, Aufnahmeapparate für Platten und Walzen« sowie die »rühmlichst bekannten RiesenkonzertGraphophone für Theater- und Konzertsäle«101. Die (beliebig wiederholbare) Nachbildungsmöglichkeit des Originals war es auch, anhand derer die Phonoobjekte102 beworben wurden. So beschrieb beispielsweise die Leipziger Firma Hupfeld, die auch in Wien Geschäftsniederlassungen hatte, die Besonderheit ihrer elektrischen Musikinstrumente wie das Hupfeld Orchestrion und den Hupfeld Phonoliszt mit dem Versprechen, »eine kleine Militärkapelle«103 ersetzen zu können. 97 Kinematographische Rundschau mit dem Beiblatt »Der Phonograph«, Nr. 8, 1907, S. 7. 98 Kinematographische Rundschau Nr. 28, 1908, S. 4. 99 Zur Geschichte des österreichischen Phonogrammarchivs, vgl. etwa: Lechleitner, Gerda, »Der fixierte Schall – Gegenstand wissenschaftlicher Forschung«, in: Sound. Zur Technologie und Ästhetik des Akustischen in den Medien, hg. v. Segeberg, Harro; Schätzlein, Frank. Marburg: Schüren 2005, S. 229–240. 100 Schwartze (1883), S. 229. 101 Kinematographische Rundschau mit dem Beiblatt »Der Phonograph«, Nr. 5, 1907, S. 4. 102 Vgl. Gauß (2009). 103 Vgl. Kinematographische Rundschau 1907, S. 3.

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Nachdem sich der Phonograph als Unterhaltungsmedium etabliert hatte, galt das Gestalten von Phonogrammen und das Sammeln von bereits gefertigten Schallaufzeichnungen als eine neue beliebte Form der Beschäftigung. Dabei war die technische Reproduktion der Stimme von Beginn an auch der Frage ihrer Gestaltung nachgegangen und eine Vielzahl von Handbüchern zu Gebrauch und Pflege von Grammophon und Phonographen beschäftigten sich mit diesem Thema. Vor allem eignen sich »am besten Männerstimmen, während Damenstimmen weniger dankbare Resultate geben«104, versuchte die Fachpresse technisches (Un-)Vermögen mittels vermeintlicher geschlechtlicher Zuschreibungen zu erklären. Während der Phonograph ein Zeitvertreib wohlsituierter bürgerlicher Gesellschaftsschichten blieb, wurde das Grammophon bald als Massenartikel für alle Gesellschaftsschichten vertrieben. Die massenweise Herstellung von Tonwalzen und Schallplatten wurde zu Beginn ihrer Entwicklung gegen Ende des Jahrhunderts noch mit Skepsis verfolgt. So war die musikalische Beschallung mittels Phonographen und Grammophon auf Jahrmärkten und in Wirtshäusern zwar bereits um 1900 eine beliebte Unterhaltungsmöglichkeit, welche aber zum Beispiel von Musikhandlungen als minderwertig degradiert wurde. Der Verkauf von Tonwalzen, Schallplatten, Grammophonen und dafür notwendigen Ersatzteilen wurde anfangs noch – bevorzugt in den Wintermonaten – vom Fahrradfachhandel wahrgenommen.105 SchauspielerInnen und MusikerInnen, die von den Schallplattenfirmen für Aufnahmen engagiert wurden, schätzten vor allem den Prestigeverlust und weniger den kommerziellen Erfolg einer Plattenaufnahme als entschädigungswürdig ein. So forderte Joseph Kainz einen wesentlichen Teil seines Honorars nicht, um seine Arbeitsleistung abzugelten, als vielmehr »den Schaden, den er sich mit dieser Aufnahme in der Nachwelt stiften«106 würde, zu entschädigen. Ob diese Aussagen Koketterie oder der Steigerung des eigenen Marktwertes geschuldet waren, sei dahingestellt. Sie verdeutlichen aber den kulturellen und wirtschaftlichen Diskurs rund um die neuen massenmedialen Erfindungen. Ihr Stellenwert für Kunst, Kultur und Wirtschaft musste erst ausverhandelt werden. Davon zeugen auch die zahlreichen Handbücher und Anleitungen sowie die in den Zeitungen geführten Debatten um Art und Weise einer sinnvollen Nutzung. Die Diskussion oszillierte zwischen den Bedürfnissen einer belehrenden An104 Parzer-Mühlbacher (1902), S. 107. 105 Vgl. Amann, Klaus, Vor dem Hörspiel war das Tongemälde. Rezitationen, Melodramen und Hörbilder der Schallplattenindustrie von 1890–1930, Radiofeature SDR 1982. 106 Zitiert nach Amann (1982). In diesem Zusammenhang sind auch die zeitgenössischen Debatten über Urheberrechte interessant, vgl. dazu die regelmäßigen Berichte in der Kinematographischen Rundschau der Jahre 1907–1908.

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eignung neuer Praktiken und der Faszination und Skepsis hinsichtlich ihrer unterhaltenden und zerstreuenden Wirkung. »Leider wurde die Verbreitung [von Schallaufnahmen, Anm. C. E.] dadurch erkauft, daß sie sich in den Dienst der niederen Instinkte stellte und willig jeden musikalischen Quatsch und Tratsch vervielfältigte. Das Inhaltsloseste und Wertloseste, was es auf musikalischem Gebiet nur gab, Gassenhauer und Couplets der geringsten und niedrigsten Art.«107

Tatsächlich nutzte man die neuen Speichermedien für Aufnahmen aller Art: Von der szenischen Darstellung wichtiger politischer Ereignisse bis hin zur Aufnahme »zweifelhafter Witze für sogenannte Herrengesellschaften«108 wurden Tonwalzen mit unterschiedlichsten Inhalten angefertigt und vertrieben. Die Stimmen berühmter Persönlichkeiten wurden aufgenommen und sollten so für die Nachwelt gespeichert werden. In den Archiven finden sich noch heute Stimmen von Kaiser Franz Joseph oder Arthur Schnitzler. Auch Bertha von Suttners Stimme wurde aufgezeichnet und unter ihrem Pseudonym Tante Boulotte auf Tonzylinder gespeichert; zu dieser Aufnahme hat sie in ihrem Tagebuch vermerkt: »Ich spreche in das Grammophon«109. Mit Künstlern wie Caruso, Moissi oder Kainz sind einige der bekanntesten Sprech- und Musikaufnahmen für ein Massenpublikum produziert worden und ihre Veröffentlichungen bespielten Kino-, Theater- und Wirtshaussäle. Eine der größten Grammophon- und Schallplattenherstellerfirmen war die Deutsche Grammophon-Gesellschaft, welche 1898 von den Brüdern Josef und Emil Berliner gegründet wurde. Sie galten als führende Telefonhersteller, die mit ihren Musikaufführungen bereits beim Publikum der Elektrischen Ausstellung 1883 für Begeisterung gesorgt hatten. Das Markenzeichen der Firma war der Slogan »His masters voice« mit dem Bild eines vor dem Grammophon sitzenden Hundes. 1908 hatte die Deutsche Grammophon-Gesellschaft bereits über 6 Millionen Platten verkauft. »Waren es vor dem Weltkrieg überwiegend Wirte und Kinobesitzer, die das neue Medium nutzten«, wurde bereits 1913 in »sozialdemokratischen Publikationen für Grammophone geworben, die sich auch der Arbeiter leisten könne«110. In Wien hatte die Deutsche Grammophon-Gesellschaft eine eigene Aktiengesellschaft gegründet: Die Deutsche Grammophon-Aktiengesellschaft Wien 107 Amann (1982). 108 Ebd. 109 Vgl. Österreichische Mediathek, http://www.mediathek.at/ueber_die_mediathek/schnell tonseiten/die_stimme_von_tante_boulotte (Zugriff: 30. 04. 2012). Die Aufnahme wurde im Februar 2012 im Nachlass des Ö3-Moderators und Plattensammlers Günther Schifter wiederentdeckt. Da die Aufnahme nahezu unverständlich ist, können audiophile Menschen nun versuchen, die Worte zu entschlüsseln. 110 Riess, Curt, Knaurs Weltgeschichte der Schallplatte, Zürich: Droemer 1966. S. 93.

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konnte mit über 15.000 Aufnahmen berühmter KünstlerInnen aus dem In- und Ausland werben. Jeden Monat kamen neue Aufnahmen dazu, wobei das Spektrum von Polkaklängen des k.k. Infanterie-Regiments Hoch- und Deutschmeister über Konzerte und Opernmusik bis hin zu humoristischen Vorträgen und volkstümlichen Liedern reichte, die alle aufgenommen und vertrieben wurden. Die Gründung einer eigenen Vertriebsgesellschaft in Österreich war für viele große Firmen notwendig geworden, da Österreich kontinuierlich die Zollgebühren auf Schallplatten erhöhte. »Alle beliebteren deutschen Schallplatten werden nunmehr in Österreich selbst fabriziert. Neuestens haben […] die DACAPO Rekord Company veranlasst in Österreich eine eigene Fabrik zu erbauen […]. In der eigenen Massefabrik der DACAPO Rekord Company werden schon heute bis 10000 Stück Platten pro Tag gepresst.«111

Die Produktion der Aufnahmen wurde zügig nach Premieren und erfolgreichen Aufführungen vorgenommen. So hat man in London die viel bejubelte Aufführung der Lustigen Witwe innerhalb kürzester Zeit auch als Schallplatte verkauft und bereits in der ersten Verkaufswoche konnten »10000 Platten verlangt und geliefert«112 werden. Die Aura des Originals ist der Aura ihrer Reproduktion gewichen, schrieb Walter Benjamin in seinem Aufsatz über das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. »Die Kunstleistung« vermittle sich nicht mehr durch die Person des Künstlers bzw. der Künstlerin selbst, sondern werde dem »Publikum durch eine Apparatur präsentiert«113. »Die Dinge sich räumlich und menschlich näherzubringen ist ein genau so leidenschaftliches Anliegen der gegenwärtigen Massen wie es ihre Tendenz einer Überwindung des Einmaligen jeder Gegebenheit durch die Aufnahmen von deren Reproduktion ist.«114 Fließband und Massenproduktion kennzeichneten die neue Industriewelt. Die Rationalisierung und Standardisierung des Arbeitsrhythmus’ korrespondierte mit den Anforderungen an die neuen Massenartikel. Auch diese sollten standardisierte und beständige Eigenschaften erfüllen. In diesem Zusammenhang wurde auch der Begriff der Serie zum zentralen marktwirtschaftlichen Kriterium für Wirtschaft und Unterhaltung. In der Unterhaltungsliteratur etwa entwickelten sich Fortsetzungsromane und Heftreihen zu immer beliebteren Lektüreformen. »Die Serie wurde hergestellt, be-

111 Kinematographische Rundschau mit dem Beiblatt »Der Phonograph«, Nr. 38, 1908, S. 5. 112 Anonym, »Notizen«, in: Kinematographische Rundschau mit dem Beiblatt »Der Phonograph«, Nr. 8, 1907, S. 4. 113 Benjamin, Walter, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1977, S. 23. 114 Ebd., S. 15.

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worben, vertrieben und wegen ihrer gleich bleibenden Eigenschaften geschätzt wir Liptons Tee, ein Pernod oder Liebigs Fleischextrakt.«115 Auch für den Sprechmaschinensektor war diese Entwicklung von Bedeutung. So lag der gravierende Nachteil bei der Herstellung von Tonwalzen in ihrer schwierigen Vervielfältigungsmöglichkeit: Während von einer Schallplatte beliebig viele Kopien gezogen werden konnten, mussten die Tonwalzen in einem komplizierten Duplizierverfahren erst zur massentauglichen Ware gemacht werden. »Manchmal gruppierten sich die Musiker und Interpreten um 20 Aufnahmegeräte und spielten mitunter stundenlang ein und dasselbe Stück immer wieder hintereinander, bis einige hundert Masterwalzen als Tagesproduktion zur Verfügung standen.«116 Dieses Verfahren war notwendig, da die Tonqualität von Kopie zu Kopie schlechter wurde. Dass sich der Phonograph gegen das Grammophon anfangs durchsetzen konnte, lag an der besseren Tonqualität der Aufnahmen insgesamt, die zwar leiser waren als die Schallplattenaufnahmen, aber eine wesentlich bessere Klangqualität aufwiesen. Erst in den zehner und zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts setzte sich das Grammophon gegenüber dem Phonographen durch. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings die Produktion von Tonträgern insgesamt bereits rapide zurückgegangen.117 Weltwirtschaftskrise, Nachkriegssituation und der aufkommende Rundfunk machten den Sprechmaschinenherstellern zu schaffen und viele Unternehmen gingen in Konkurs. Eine weitere Voraussetzung für die Entstehung des massenhaften Vergnügens war die Herausbildung der modernen Arbeitsgesellschaft mit ihrer Teilung von Arbeitszeit und Freizeit. Dabei waren Konsum- und Reproduktionssphäre »denselben ökonomischen Gesetzen unterworfen, wie die Produktionssphäre«, Bewegung und Beschleunigung stellten dabei ihre maßgeblichen Charakteristika dar : »tags laufendes Band, abends laufende Bilder«118. Die zunehmende Beschleunigung des Arbeitsrhythmus’ und des Gütertransports korrespondierte mit einer zunehmenden Beschleunigung der Kommunikation, die nun räumlich und zeitlich getrennt werden konnte.

115 Maase, Kaspar, Grenzenloses Vergnügen, Der Aufstieg der Massenkultur, Frankfurt am Main: Fischer 2001, S. 90. Auffallend war die große Zahl an neuen Patentanmeldungen für Massenartikel, die als Markenware in die Geschichte eingehen sollten, wie z. B. Odol Mundwasser, Ohropax oder der oben erwähnte Lipton Tee. 116 Gauß (2009), S. 72. 117 Auch die höhere Aufnahmekapazität spielte dabei eine wesentliche Rolle, Erst in den 1930er Jahren konnten »Langspielplatten« mit einer Abspieldauer von 10 Minuten verkauft werden. Davor belief sich die Aufnahmedauer auf 3–4 Minuten, um längere Aufnahmen anzuhören, mussten also gleich mehrere Platten hintereinander abgespielt werden. 118 Maase (2001), S. 90f.

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»Dem Vorausblickenden musste eigentlich schwindeln, wenn er versuchte, sich die Fortsetzung der Bewegung vorzustellen, zu welcher die Erfindungen seiner Zeit den Anstoß gegeben, und er sich die einfache Rechenaufgabe vorlegte: Wenn die Summe von gesteigerter Arbeitskraft, von gewonnener Zeit, die wir heutzutage durch das Maschinenwesen erlangt haben, in Zukunft um ebenso vieles übertroffen haben, wie hoch wird diese Summe sich noch steigern?«119

Dem Maschinenzeitalter folgte das Zeitalter der elektrischen Medien120, welches eine Vielzahl neuer Geräte zum Fernsehen, Fernhören sowie Fernsprechen hervorbrachte. »[…] elektrische Telegraphenlinien verbinden Metropolen, Länder und vermittels Überseekabel sogar schon Kontinente. Das Teleskop wurde elektrifiziert und für die ersten mechanischen Modelle des Fern-Sehens adaptiert. Die Stimme ist auf den Walzen Thomas Alva Edisons und den Schallplatten Emil Berliners als Reproduktion unsterblich geworden. Nahezu in Echtzeit beginnt das Fernsprechen über elektrische Leitungen.«121

Bilder begannen auf elektrischem Wege zu laufen und erste Versuche mittels drahtloser Fernübertragung von Sprache und Musik wurden erfolgreich erprobt; die Wunschvorstellungen Bertha von Suttners nahmen Anfang des 20. Jahrhunderts tatsächlich Gestalt an.

119 Suttner (1899), S. 334. 120 Die Begriffe »Medien« und »Medium« wurden aber erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als vielzitierte und -diskutierte Schlagworte omnipräsent. Vgl. zur Geschichte des Medienbegriffs Mersch, Dieter, Medientheorien zur Einführung. Hamburg: Junius 2006. 121 Zielinski (2002), S. 236.

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Der Begriff Radio war bereits um 1900 gebräuchlich und wurde als Abkürzung von Radiotelegraphie verwendet, doch schon bald verbanden sich die technischen Möglichkeiten der drahtlosen Telefonie mit den kulturellen Vorstellungen einer akustischen Übertragung über weite Strecken. Die Errungenschaft, nicht nur Zeichen, sondern auch Töne und Stimmen in Elektrizität zu verwandeln und weit entfernt wieder umzuwandeln, hatte einen wesentlichen Grundstein für die Erfindung des Rundfunks – also eines elektromagnetischen Funkens, der rundherum ausgesendet und empfangen wird – gelegt. Bereits 1883, im Jahr der Elektrischen Ausstellung in Wien, wurde der Versuch gestartet, Telefonübertragungen auch mittels Radiophonie zu bewerkstelligen – darunter wurde die drahtlose Übertragung von Schallwellen mittels Lichtstrahlen verstanden. Das Photophon sollte mittels Parabolspiegel und Selenplatten zum »Tönen gebracht werden«122. »Auf diese Weise kann die Veränderlichkeit der Intensität eines Lichtstrahls in Übereinstimmung mit den durch Singen und Sprechen erregten Schallwellen gebracht und somit der Schall durch den Lichtstrahl fortgepflanzt werden.«123 Auf diese Art sollte Fernsenden mittels Radiophonie sowohl von visuellen als auch von akustischen Informationen ermöglicht werden124. Die futuristisch anmutenden Berichte erster Multimedia-Projektoren125 reihen sich ein in eine Vielzahl zu dieser Zeit durchgeführter Experimente, welche die Wirkungsweise und die Möglichkeiten des Fernsehens und Fernhörens erforschten. Die Möglichkeit drahtloser Übertragungswege und das technische 122 Schwartze (1883), S. 22. 123 Ebd. 124 Im selben Jahr machte auch eine Erfindung zur Drahttelegraphie von sich reden: Das »Telephot« versprach die Vermittlung von Gesichtseindrücken auf telegraphischem Wege »indem durch den in einem Drahte fortgeleiteten Strom ein mittelst eines Spiegels aufgenommenes Bild durch einen andren beliebig entfernten Spiegel reproduciert und folglich in der Ferne sichtbar gemacht werden kann«, Schwartze (1883), S. 23. 125 vgl. Zielinski (2002), S. 236.

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Wissen um die Übermittlung drahtloser Telegraphie und Telefonie wurden besonders in den 1880er und 1890er Jahren experimentell erprobt. Edison, Tesla und Peerce veranstalteten spektakuläre Demonstrationen mittels elektrischer Funkenübertragung. So führte Edison 1892 erfolgreiche Versuche mit drahtloser Telegraphie »mittels bloßer Induction«126 durch und Nikola Tesla präsentierte elektromagnetische Experimente mit Wechselstrom. Der junge Ingenieur und Geschäftsmann Guglielmo Marconi aus Italien weitete die experimentell geführten Diskussionen zur Möglichkeit drahtloser Kommunikation in praktischen Versuchen zum kommerziell erfolgreichen Medienimperium aus. Um die vor allem militärisch bedeutsame Funktechnik weiter voranzutreiben, schlossen sich 1903 in Deutschland die Firmen AEG und Siemens & Halske als Gemeinschaftsunternehmen zu gleichen Teilen zur Telefunken AG zusammen. Telefunken etablierte sich neben der Marconi Wireless AG als eine der wichtigsten Gesellschaften, die sich mit drahtloser Telegraphie und Telefonie beschäftigten. Während des Ersten Weltkrieges belieferte Telefunken auch die Kriegsmarine und Armee mit Geräten. Auch die österreichische Firma Kapsch, die im Jahr 1892 vom Mechanikermeister Johann Kapsch in Wien-Neubau gegründet worden war und sich auf die Produktion von Telefonapparaten und Fernschreibern spezialisiert hatte, lieferte im Ersten Weltkrieg Telegraphenanlagen für den Feldbetrieb. Damit wurden im Zuge der aufstrebenden Elektro- und Telefonindustrie bereits um die Jahrhundertwende erste Grundsteine für eine künftige Radioindustrie gelegt. Sowohl die Firma Kapsch als auch die österreichische Vertriebsgesellschaft Siemens & Halske Wien und die Marconi Gesellschaft sollten sich in der Zwischenkriegszeit um eine Sendelizenz für den österreichischen Radioverkehr bemühen. Der kommerziellen und militärischen Nutzung elektromagnetischer Wellen waren die Entdeckungen zur Funkenübertragung durch den deutschen Wissenschafter Heinrich Hertz vorausgegangen. Hertz hatte die Existenz elektromagnetischer Schwingungen nachweisen können. Die dafür von ihm verwendete Begrifflichkeit der Resonanz sollte für die Entwicklung des Radios von entscheidender Bedeutung werden. »Dass die Übertragung zwischen Schwingkreisen mit dem Begriff der Resonanz beschrieben wird, geht auf Heinrich Hertz zurück, der beobachtet hatte, wie zwischen dem nach ihm benannten Hertz’schen Diapol (dem offenen Schwingkreis) und einem in der Nähe positionierten Empfangskreis (dem Resonator) Funken übersprangen, und für diesen scheinbar kontaktlosen Übertragungsprozess eine Analogie in der Akustik 126 Österreichische Verkehrs-Zeitung. Fachblatt für Post, Telegraph und Telephon, Wien, Nr. 7,17. Februar 1892, S. 54.

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suchte: Ebenso wie sich die Ausbreitung des Schalls über Stimmgabeln nachweisen lässt, musste es sich mit der Auswirkung elektromagnetischer Wellen auf Schwingkreise verhalten.«127

Die Möglichkeiten drahtloser Übertragung mittels elektromagnetischer Wellen schienen in den Anfangsjahren ihrer Entdeckung unbegrenzt: »Für Oliver Lodge, William Crokes oder Edouard Branly, um nur ein paar wichtige Physiker nach Hertz zu nennen, war es nun zudem so gut wie ausgemacht, dass elektromagnetische Wellen eben auch Gedankenstoff, genauer gesagt, die Gedankenmaterie repräsentieren, welche das Unbewusste und Jenseitige transportiert und uns telepathisch mit Lebenden und Verstorbenen verbinden könnte.«128 Als Träger dieser Gedankenmaterie galt bis ins 20. Jahrhunderts hinein der Äther, welcher als Medium der Übermittlung betrachtet wurde und noch Ende des 19. Jahrhunderts die Idee einer Verbindung zwischen Telepathie und drahtloser Kommunikation nährte.129 Das Interesse an spiritistischen Phänomenen war unter den Wissenschaftern und Wissenschafterinnen weit verbreitet; Hertz und Lodge wurde etwa nachgesagt, dass sie gerne an S8ancen teilnahmen.130 »Die Idee war, da sich Schall unendlich im Raum fortsetzt, ob es nicht möglich wäre durch das Auffangen dieser Ätherwellen mit den Geistern längst Verstorbener zu sprechen.«131 Thomas Edison träumte von der Möglichkeit, einen Spirit Phonograph zu bauen, der die Stimmen Toter konservieren sollte.132 1882 wurde in London die »Gesellschaft zur Erforschung der psychischen Erscheinungen« gegründet, die es sich zur Aufgabe machte, »alle verbürgten Tatsachen bezüglich der Gedankenübertragung zu sammeln und zu sichten.«133 »[T]he theoretical possibilities are far beyond the reach of the wildest dreams of the imaginations of the most visionary of such quasi-scientists as Flaumarion and Jules Verne. What are we coming to? At this rate is there any necessity for limiting ourselves to such a more bagatelle as space?«134 127 Lichau, Karsten; Traczyk, Viktoria; Wolf, Rebecca, »Anregungen«, in: Resonanz. Potentiale einer akustischen Figur (2009), S. 12. 128 Hagen, Wolfgang, »Körperlose Wesenheiten. Über die Resonanz der Radio-Stimme«, in: Resonanz. Potentiale einer akustischen Figur (2009), S. 193–204, S. 199. 129 Vgl. Gethmann, Daniel, Die Übertragung der Stimme. Vor- und Frühgeschichte des Sprechens im Radio, Zürich: Diaphanes 2005, S. 86ff. 130 Vgl. Felderer, Brigitte, »Sprechfunk mit Verstorbenen«, in: Phonorama: Eine Kulturgeschichte der Stimme als Medium, hg. v. Brigitte Felderer, Berlin: Matthes & Seitz 2004, S. 378–382, S. 378. 131 Hagen (2005), S. 51. 132 Vgl. Felderer (2004), S. 378. 133 Velminski, Wladimir, »Die Herrschaft des Schweigens«, in: Lichau et. al (2009), S. 177–192, hier S. 177. 134 Siftings, 1. Januar 1893, zitiert nach Briggs 1977, S. 58.

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Die Entkopplung des Körpers von seiner Stimme machte die Doppelbedeutung des Wortes »Medium« als transzendentes Wesen der Übermittlung von Nachrichten aus dem Reich der Toten und als Mittel technischer Übertragung nur noch deutlicher. »Die Geschichte […] der Aufzeichnung von Stimmen und Tönen, erweist diese als Technologie, die erdachte Anwendungen und alte Träume einlöst und zugleich neue Wünsche und Anwendungen eröffnet. Die Verfeinerung der optischen wie akustischen Aufzeichnungstechnologien erlaubte es, auch mit bislang als übersinnlich geltenden Phänomenen so umzugehen, als wären sie von derselben empirischen Qualität wie die ständig expandierende Welt von Verstand, Wissenschaft und Technik.«135

Noch in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts befragte die Zeitschrift Radiowelt den Physiker Oliver Lodge nach einem möglichen Zusammenhang zwischen Telepathie und Radio. Für Lodge war es der »Äther des Raumes«136, der diese beiden Medien miteinander verband; darüber hinaus erkannte er jedoch keinen Zusammenhang zwischen telepathischer und radiophoner Übermittlung von Information. Franz Kafka betrachtete die neuen Technologien als »Gespenstermedien«, die er in zwei Entwicklungslinien moderner Technik unterteilte: räumliche Kommunikationsmittel, »die uns in den Raum versetzen und uns ihn erobern lassen (Schiff, Auto, Zug, Flugzeug…)«; auf der anderen Seite »die expressiven Kommunikationsmittel, die die Gespenster auf unsere Bahn locken und uns zu unkoordinierten Affekten, zu Affekten außerhalb aller Koordinaten verleiten (Briefe, Telefon, Radio, alle nur vorstellbaren ›Sprechgeräte‹ und Kinematographen).«137 Diese Gespenstermedien würden nicht nur den Raum, sondern auch die Zeit überwinden; Kafka bezeichnete sie als körperlose Hüllen, derer man nicht habhaft werden könne. »Man kann an einen fernen Menschen denken und man kann einen nahen Menschen fassen, alles andere geht über Menschenkraft. Briefe schreiben aber heißt, sich vor den Gespenstern entblößen, worauf sie gierig warten. Geschriebene Küsse kommen nicht an ihren Ort, sondern werden von den Gespenstern auf dem Wege ausgetrunken. Durch diese reichliche Nahrung vermehren sie sich ja so unerhört. Die Menschheit fühlt das und kämpft dagegen; sie hat, um möglichst das Gespenstische zwischen den Menschen auszuschalten und den natürlichen Verkehr, den Frieden der Seelen zu erreichen, die Eisenbahn, das Auto, den Aeroplan erfunden, aber es hilft nichts mehr, es sind offenbar Erfindungen, die schon im Absturz gemacht werden, die Gegenseite ist soviel ruhiger und stärker, sie hat nach der Post den Telegraphen erfunden, das Telephon, die 135 Felderer (2004), S. 378. 136 Lodge, Oliver, »Radio und Telepathie«, in: Radiowelt, 23. März 1924, S. 5. 137 Franz Kafka, zitiert nach: Deleuze, Gilles, Das Bewegungsbild. Kino I, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998, S. 140.

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Funktelegraphie. Die Geister werden nicht verhungern, aber wir werden zugrundegehn.«138

Viele Berichte zu den neuesten Erfindungen und Errungenschaften der Moderne oszillierten zwischen Kulturkritik und Fortschrittsglauben, Hoffnung und Argwohn. Vor allem die gesellschaftspolitischen Veränderungen und die Partizipationsmöglichkeiten neuer Technologien für eine breite Gesellschaftsschicht wurden kontrovers diskutiert. LeBons Einschätzung eines neuen Zeitalter der Massen139 und seine Prognose zukünftiger Konflikte aufgrund eines politischen sowie kulturellen Aufstrebens weiter Bevölkerungsschichten, reflektieren einen kulturpessimistischen Diskurs, der sich in Korrespondenz mit Berichten zu immer neuen und rasanteren Veränderungen im technischen und kulturellen Bereichen entwickelte. »Masse, das ist der städtische Flow, der Fluss einer sich stetig bewegenden Menschenmenge, der zu Reizüberflutung und damit letztlich zur Steigerung des Nervenlebens führt«140, wie Georg Simmel anmerkte. Als eine der Ursachen dieser Steigerung des Nervenlebens wurde die zunehmende Lärmbelästigung durch die Errungenschaften des Maschinenzeitalters diskutiert und die Klage über Lärmbelästigung in den modernen Städten ordnete sich vor dem Ersten Weltkrieg in das Charakterbild des »Nervösen« ein.141 Die Beschreibungen des neuen urbanen Lebensstils verbanden sich mit einem psycho-neuralen Diskurs, der das Nervensystem des Menschen mit den Schwingungen des neuen technischen Zeitalters in Beziehung setzte. Vor allem die Wellenbewegungen, die bereits zur Erklärung neuester Erkenntnisse in der Elektrotechnik dienten, nutzte man auch zur Beschreibung des Seelenlebens des modernen Menschen. Krankheitsbilder der Zeit, wie Hysterie, Neurasthenie und Paranoia wurden in direktem Zusammenhang mit modernen Lebensweisen und gesellschaftlichen Veränderungen diskutiert. Dabei formulierten »die Nervenärzte selbst laut den Zusammenhang der ›wachsenden Nervosität‹ mit dem modernen Kulturleben«142.

138 Kafka, Franz, Briefe an Felice und andere Korrespondenz aus der Verlobungszeit, Frankfurt am Main: Fischer 2003, S. 199. 139 Moscovici, Serge, Das Zeitalter der Massen. Eine historische Abhandlung über die Massenpsychologie, Frankfurt am Main: Fischer 1986. 140 Georg Simmel, zitiert nach: Stadelmann, Kurt; Wolfensberger, Rolf (Hg.), Wunschwelten. Geschichten und Bilder zu Kommunikation und Technik, Zürich: Chronos Verlag 2000, S. 113. 141 Lethen, Helmut, »›Knall an sich‹. Das Ohr als Einbruchstelle des Traumas«, in: Modernität und Trauma. Beiträge zum Zeitenbruch des Ersten Weltkrieges, hg. v. Inka Mülder-Bach, Wien: Universitätsverlag 2000, S. 192–209, S. 195. 142 Freud, Siegmund, »Die ›kulturelle‹ Sexualmoral und die moderne Nervosität« (1908), S. 12, www.psychanalyse.lu/Freud/FreudSexualmoral.pdf (Zugriff: 15. 03. 2012).

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»Die Ansprüche an die Leistungsfähigkeit des Einzelnen im Kampfe ums Dasein sind erheblich gestiegen, und nur mit Aufbietung all seiner geistigen Kräfte kann er sie befriedigen; zugleich sind die Bedürfnisse des Einzelnen, die Ansprüche an Lebensgenuß in allen Kreisen gewachsen, ein unerhörter Luxus hat sich auf Bevölkerungsschichten ausgebreitet, die früher davon ganz unberührt waren; die Religionslosigkeit, die Unzufriedenheit und Begehrlichkeit haben in weiten Volkskreisen zugenommen; durch den ins Ungemessene gesteigerten Verkehr, durch die weltumspannenden Drahtnetze des Telegraphen und Telephons haben sich die Verhältnisse in Handel und Wandel total verändert: alles geht in Hast und Aufregung vor sich, die Nacht wird zum Reisen, der Tag für die Geschäfte benützt, selbst die ›Erholungsreisen‹ werden zu Strapazen für das Nervensystem; große politische, industrielle, finanzielle Krisen tragen ihre Aufregung in viel weitere Bevölkerungskreise als früher ; ganz allgemein ist die Anteilnahme am politischen Leben geworden: politische, religiöse, soziale Kämpfe, das Parteitreiben, die Wahlagitationen, das ins Maßlose gesteigerte Vereinswesen erhitzen die Köpfe und zwingen die Geister zu immer neuen Anstrengungen und rauben die Zeit zur Erholung, Schlaf und Ruhe; das Leben in den großen Städten ist immer raffinierter und unruhiger geworden.«143

Der Akustikforscher R. Murray Schafer schätzt, dass die industrielle Lautsphäre, welche die Städte der Moderne kennzeichnete, nur mehr zu einem Drittel aus Natur- und Menschengeräuschen und bereits zu zwei Drittel aus Werkzeug- und Maschinengeräuschen bestand.144 »Verunsicherung und Orientierungslosigkeit, aber auch Staunen und Bewunderung prägten die Auseinandersetzung mit einer Lautsphäre, deren Dichte und Intensität man bisher nur aus dem Bereich der Natur, der wogenden, überschäumenden Gewalt der Elemente, gekannt hatte.«145

Brausen, Wellenrauschen und Meeresbrandung wurden zu Aphorismen eines durch Industrie und Technik veränderten Stadtlärms. So beschrieb Adalbert Stifter die Betriebsamkeit auf Wiens Straßen als »ein einziges dichtes, dumpfes, fortgehendes Brausen«146, das die Stadt mit Geräuschen umspülte. »Sie alle, die [man] da unten so winzig wandeln siehst, sie reden, grüßen sich, es schallt das Pflaster unter ihrem Fußtritte, aber wir hören es nicht, es ist stumm unter dem allgemeinen Brausen, wie wenn die dunkle Herde der Grundeln in der Tiefe des Wasser,

143 Erb, Wilhelm (1893), zitiert nach Freud 1908, S. 2, www.psychanalyse.lu/Freud/FreudSexu almoral.pdf (Zugriff: 15. 03. 2012). 144 Vgl. Schafer, R. M., Die Ordnung der Klänge. Eine Kulturgeschichte des Hörens, neu übers. und herausgegeben von Sabine Breitsameter, Berlin: Schott 2010, S. 43f. 145 Payer, Peter, »Vom Geräusch zum Lärm. Zur Geschichte des Hörens im 19. und frühen 20. Jahrhundert«, in: Sinne und Erfahrung in der Geschichte, hg. v. Wolfram Aichinger; Franz X. Eder ; Claudia Leitner, Innsbruck/Wien/München/Bozen: StudienVerlag 2003, S. 173–191, S. 187. 146 Adalbert Stifter zitiert nach Payer (2003), S. 175.

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das ober ihnen wallt, ein und aus durch die Gassen und Tore ihrer großen, feuchten steinernen Stadt schlüpfet.«147

»Lärm, das ist das Geräusch der anderen«148 wusste schon Kurt Tucholsky ; neben dem Straßenlärm der Automobile, Omnibusse und Pferdewagen waren es vor allem die neuen Unterhaltungsmedien wie Phonograph, mechanisches Klavier und Grammophon, die für Unmut sorgten. »Die Grammophone vor allen Dingen wirken als wahre Pest. Solch ein Ungeheuer wird […] mit Vorliebe auf dem Balkon aufgestellt und grölt diese widerwärtigen Tingeltangelmelodien mit den ekelhaften Texten in die Umwelt hinein«149. Der Publizist Theodor Lessing veröffentlichte 1908 das Buch »Der Lärm. Eine Kampfschrift gegen die Geräusche unseres Lebens« und gründete im selben Jahr einen »Antilärmverein«150. Auch in Wien entstand eine Ortsgruppe des Antilärmvereins. Unter deren Mitgliedern befand sich auch Hugo von Hofmannsthal. In einem Brief schrieb Hofmannsthal an Lessing: »Ihren Feldzug halte ich für notwendig und nützlich im höchsten Grade. Ich leide aufs Persönlichste unter Geräuschen in einer Weise, die meine Arbeit oft gefährdet.«151 Trotz der hohen medialen Resonanz wurden die Antilärmvereine aber bereits 1911 wieder aufgelöst. »Mobilisiert werden konnte in Wahrheit nur eine Minderheit, in erster Linie bürgerlich-liberale Schichten, Schriftsteller, Künstler, Intellektuelle. Eine Verankerung in der Arbeiterschaft war so gut wie nirgends gelungen […].«152 Bildete für die einen der Lärm der Straßen, Fabriken und neuen Kommunikations- und Unterhaltungsmedien einen Anlass zur Klage und einen Ausgangspunkt kulturpessimistischer Zukunftsvorstellungen, profitierten vor allem die Künste von den neuen Lautsphären. In seinem Manifest L’arte dei rumori/Die Kunst der Geräusche unterteilt der italienische Futurist Luigi Russolo akustische Phänomene in sechs Kategorien: »1. Brummen, Donnern, Bersten, Prasseln, Plumpsen, Dröhnen 2. Pfeifen, Zischen, Pusten 3. Flüstern, Murmeln, Brummen, Surren, Brodeln 4. Knirschen, Knacken, Knistern, Summen, Knattern 5. Geräusche durch Schlagen auf Metall, Holz, Leder, Steine, Terrakotta usw. 147 148 149 150 151 152

Ebd. Kurt Tucholsky, zitiert nach Payer (2003), S. 188. Riess (1966), S. 93. Vgl. Payer (2003). Zit nach Payer (2003), S. 179. Ebd., S. 180.

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6. Tier- und Menschenstimmen: Rufe, Schreie, Stöhnen, Gebrüll, Geheul, Gelächter, Röcheln, Schluchzen»153

Ein Ziel Russolos lautete, diese Klänge unabhängig von ihrer natürlichen Lautquelle synthetisch herzustellen. Damit änderten sich auch die Prämissen akustischer Gestaltungsmöglichkeiten, die nicht mehr nur als ein abstrakter Kompositionsvorgang verstanden wurden, sondern sich als eine konkrete materialbezogene Kunstform darstellten. »Manipulierbar wird statt dem Symbolischen das Reale«154, Bruitisten und Futuristen erkannten darin das Potential, »das Geräusch in Literatur und Musik einführen«155 zu können. »Wir Futuristen haben die Musik der großen Meister alle sehr geliebt. […] Aber jetzt haben wir von ihnen genug. Uns wird viel höherer Genuss aus der idealen Kombination der Geräusche von Straßenbahnen, Verbrennungsmotoren, Automobilen und geschäftigen Massen zuteil, […].«156

Das Interesse der Avantgarde an synthetischen und dokumentarischen Klängen sollte sich in der Zwischenkriegszeit mit Aufkommen neuer Speicher- und Aufnahmeverfahren noch verstärken. Vor allem der Tonfilm und die damit einhergehenden Möglichkeiten des Schnitts und der Montage von akustischem Material wurden von Künstlern wie Moholy Nagy, Sergej Eisenstein, Dziga Vertov, Walter Ruttmann, Rudolf Pfenninger oder Oskar Fischinger intensiv erforscht und zum Ausgangspunkt audio-visueller Arbeiten. Der erste Weltkrieg führte zur Zäsur im Lärmdiskurs: Der »Einbruch des gestaltlos Realen«157, wie Gewehr- und Torpedoschüsse, Detonationen und Funksignale manifestierten sich als traumatische Kriegserfahrung; Hören und Horchen wurde nunmehr in einen militärischen Diskurs eingeordnet. Auch in der Literatur wurden die schockierenden Erlebnisse des Fronteinsatzes verarbeitet und vielfach als traumatische akustische Sinneseindrücke beschrieben. So erzählt Erich Maria Remarques Roman Im Westen nichts Neues von den Bedrohungen und Ängsten des Krieges: »All Quiet on the Western Front« ist eine intensive Beschreibung eines permanenten und vor allem akustisch erlebten Bedrohungsszenarios. »Die Geräuscherkennung, das Vermögen,

153 Zitiert nach Jütte, Robert, Geschichte der Sinne – Von der Antike bis zum Cyberspace, München: C. H. Beck Verlag 2000, S. 300. 154 Kittler, Friedrich, Grammophon Film Typewriter, Berlin: Brinkmann & Bose 1986, S. 57. 155 Ebd., S. 74. 156 Russolo, Luigi, L’arte die rumori, Milano 1916, zitiert nach Donhauser, Peter, »Konserventöne, Elektroklänge und Ingenieurmusik«, in: Zauberhafte Klangmaschinen. Von der Sprechmaschine bis zur Soundkarte, hg. v. IMA Institut für Medienarchäologie, Mainz: Schott 2008, S. 15–42, S. 35. 157 Lethen (1996), S. 192.

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sich mit den Ohren im Raum zu orientieren und den unsichtbaren Gegner akustisch zu orten, ist im Krieg zu einer Überlebensfrage geworden.«158 Während die Kriegsgeräusche des Ersten Weltkriegs einen Lärm produzierten, der »nie auf[hörte], niemals«159 und keinerlei Regularität und Ordnung aufwies, bot der häusliche Raum einen Ort scheinbar vertrauter, wieder erkennbarer Geräusche, die zusammen eine Art häusliche Symphonie bildeten. Den vertrauten Alltagsgeräuschen wurden im Zeitalter der Maschinen aber ebenfalls neue – amorphe – Klänge hinzugefügt und Phonograph, Grammophon, Telefon und Lautsprecher brachten selbst in den häuslichen Bereich eine völlig neue Lautsphäre.160 Eine Ordnung all dieser Klänge tat Not, denn das Stimmen-, Geräusch- und Musikgewirr musste erst entschlüsselt und in einen Alltagsdiskurs integriert werden. In seinem Gedicht Großer Lärm schrieb Kafka: »Ich sitze in meinem Zimmer im Hauptquartier des Lärms der ganzen Wohnung«161. Das spezifische Vermögen des Ohres liege, so Barthes, im »Erfassen von Entfernungsgraden« und in der regelmäßigen »Rückkehr der Schallerregung«; Hören und Zuhören seien vom »anthropologischen Standpunkt aus der eigentliche Sinn für Raum und Zeit«162. Erst durch Erfahrung und Wiedererkennung konnte das Geräuschgewirr entschlüsselt und in den eigenen Erlebnishorizont integriert werden. Im Zeitalter technischer Reproduzierbarkeit wurde erkennbar, dass menschliche Sinneswahrnehmungen und Medien, die sie vermittelten, »nicht nur natürlich, sondern auch geschichtlich bedingt«163 waren. In den 1920er Jahren nahmen »die Klagen über die Belagerung des Ohrs durch amorphe Geräusche« weiter zu, nicht zuletzt, da das Radio »den einzelnen jederzeit beschallen kann«164. Gegen die Kakophonie des neuen Mediums sollte sich in den darauf folgenden Jahren ein Diskurs zum richtigen Gebrauch des Radios herausbilden, der bereits mit den Diskussionen rund um Sinn und Nutzen der neuen Kommunikations- und Informationsmedien wie Telefon, Grammophon und Phonograph begonnen hatte. Fürs Radio bedeutete dies auch die Herausbildung einer »Lehre von der Hörkunst«165, die von politischen, sozialen und kulturellen Diskursen der Zeit mitbestimmt wurde. 158 Ebd., S. 193. 159 Ebd. 160 Über die Klangwelt der Moderne, vgl.: Thompson, Emily, The Soundscape of Modernity. Architectural Acoustics and the Culture of Listening in America 1900–1933, Cambridge Mass./London: MIT Press 2002. 161 Barthes, Roland, »Zuhören«, in: Ders.: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1990, S. 249–263, S. 250. 162 Ebd. 163 Benjamin (1977), S. 26. 164 Lethen (1996), S. 195. 165 Ebd.

3.

Vom Medium der Attraktionen zum Massenmedium: Der Beginn des Rundspruchs in Österreich

»Ich fürchte mich vor dem Radio« schrieb Anton Kuh 1930 über seine Erfahrungen mit dem neuen Medium, dessen öffentlichkeitswirksame Verbreitung in Österreich am 1. Oktober 1924 begonnen hatte.166 Wie viele seiner KollegInnen faszinierte und fürchtete er sich gleichermaßen vor den Möglichkeiten des Radios. Günter Stern etwa sprach vom Spuk, der vom Radio ausgeht, während Walter Benjamin, Theoder W. Adorno oder Franz Kafka die Unheimlichkeit einer Apparatur beschrieben, die akustische Eindrücke von ihrer ursprünglichen Quelle zu trennen vermag. Viele technische Entwicklungen, wie die Radiotelegraphie und die Radiotelefonie gewannen durch ihre militärischen Verwendungsmöglichkeiten noch weiter an Bedeutung. Nach dem Ersten Weltkrieg konnten weltweit Bestrebungen zum Radiobroadcasting beobachtet werden. »[D]urch den Übergang von Radiotelegraphie zu Radiotelephonie, von gedämpften Schwingungen, die mit dem Signal identisch sind, zu ungedämpften Schwingungen […]«167 entstand ein neues Medium, dessen kommerzieller Erfolg bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts erprobt wurde. Ungedämpfte Wellen bildeten die Grundvoraussetzung des guten alten Dampfradios, ihre Beschaffenheit und Erzeugung wurde international erforscht. TechnikerInnen und WissenschafterInnen wie Tesla, Fessenden, Nußbaumer und Popov versuchten, die Geheimnisse der elektromagnetischen Schwingungen zu entschlüsseln. Klänge drahtlos zu übermitteln, gelang in unterschiedlicher Qualität; allerdings bedurfte es einiger zusätzlicher technischer Entwicklungen, um Töne und Stimmen in Elektrizität und wieder zurück in Klang zu verwandeln. Daraus eine der ersten Radiosendungen zu gestalten, wird Reginald Aubrey Fessenden zu166 Kuh (1981), S. 232. 167 Siegert, Bernhard, »Eskalation eines Mediums. Die Lichtung des Radiohörens im Hochfrequenzkrieg«, in: On the Air. Kunst im öffentlichen Datenraum, hg. v. TRANSIT (Red. Heide Grundmann, Nicola Mayr), Innsbruck 1993, S. 13–39, S. 22.

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Vom Medium der Attraktionen zum Massenmedium

gesprochen,168 der am Weihnachtsabend des Jahres 1906 ein kurzes Programm für die Funkstationen vor der amerikanischen Küste gestaltet hatte. »Am frühen Abend diese Tages wurde die Aufmerksamkeit der Funker auf den Schiffen im Umkreis von mehreren hundert Meilen geweckt, als sie den gemorsten ›CQ CQ‹ Ruf empfingen. War es ein Schiff in Seenot? Sie hörten erwartungsvoll und zu ihrem Erstaunen hörten sie eine Stimme aus ihren Instrumenten kommen – jemand sprach! Dann erklang eine Frauenstimme. Es war unheimlich! […] Als nächstes hörte man jemanden ein Gedicht vorlesen. Dann gab es ein Violinsolo; dann hielt ein Mann eine Rede, und sie konnten die meisten seiner Worte verstehen. Schließlich wurden alle, die das Programm gehört hatten, aufgefordert, an R. A. Fessenden in Brat Rock, Massachusetts zu schreiben – und viele der Funker taten es.«169

Die ersten Sendeanlagen wurden mittels Hochfrequenzgeneratoren oder mittels ungedämpfter Lichtbogenschwingungen betrieben; erst mit der Entwicklung der Röhrentechnologie wurden Apparate geschaffen, die in der Lage waren, immer höhere Frequenzen zu verwenden.170 Diese Technologie erlaubte es auch, kostengünstige und qualitativ zufrieden stellende Radioapparate zu bauen, die noch vor der kommerziellen Nutzung als Massenmedium von AmateurfunkerInnen weltweit verwendet wurden. Vor allem in Amerika hatte die Radiobastlerund Amateurfunkbewegung zahlreiche AnhängerInnen und die ersten Radiostationen wurden bereits in den frühen 1920er Jahren gegründet. Im Gegensatz zum amerikanischen Radio, das sich aus verschiedenen privaten Sendestationen zusammensetzte, herrschte in Europa die Angst vor einem unkontrollierbaren Funkerspuk. »In der Presse – namentlich der des Auslandes – mehren sich neuerdings die Nachrichten über eine ganz ungewöhnliche Ausbreitung einer Abart der drahtlosen Telephonie in Nordamerika in der Form, daß von einer oder mehreren Senderstellen funktelephonisch allgemein interessierende Vorträge, Gesang- und Musikübertragungen usw. verbreitet und von jedermann, der in der Lage ist, sich die – verhältnismäßig nicht große – Ausgabe für einen einfachen Empfangsapparat zu leisten, in seinem eigenen Heim mitgehört werden. […] Die Inhaber der Empfangsapparate hören die Vorträge usw. mit, ohne hinsichtlich des Bezugs der Mitteilungen in irgendwelchem Vertragsverhältnis zu der Sendestelle zu stehen. […] Tatsächlich liegen schon Anträge auf Freigabe der drahtlosen Telephonie für ähnliche Zwecke hier vor und die beteiligten Reichsbehörden werden nunmehr Stellung nehmen müssen zu der 168 Das Rennen um diesen Titel lief international und jede Nation versuchte, seine eigene Erfolgsgeschichte rund um sogenannte Radiopioniertaten zu schreiben. So findet sich in der österreichischen Rundfunkgeschichte der Verweis auf Otto Nußbaumers radiotelefonische Übertragungsversuche aus dem Jahr 1904. Vgl. Ergert, Viktor, 50 Jahre Rundfunk in Österreich, Bd. 1, Wien: Residenz Verlag 1974. 169 Zitiert nach Briggs, Asa, The Birth of Broadcasting, London: Rutledge 1961, S. 16. 170 Vgl. Gethmann (2005), S. 98f.

Radiobroadcasting in Österreich

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Frage, ob und unter welchen Vorsichtsmaßnahmen ein derartiger drahtloser Empfangsapparat jedem Interessenten in die Hand gegeben werden soll.«171

Radiobroadcasting in Österreich Auch in Österreich begleiteten die Lizenzverfahren zur Gründung einer österreichischen Radioverkehrsgesellschaft zunächst Fragen bezüglich der Abhörsicherheit und Einschränkungsmöglichkeiten drahtloser Übertragungswege. Von der Distribution zur Kommunikation war es in den ersten Radiotagen nicht weit. Durch Rückkopplung des Röhrenempfängers und Vorschaltung einer weiteren Röhre, »deren Kathodenstrom durch das Gitter mit niederfrequenten Mikrophonschwingungen moduliert wurde«172, entstand ein Hochfrequenzoszillator also ein Sender.173 Um eine staatliche Kontrolle zu garantieren, wurde deshalb im Zuge der Vergabe einer Sendelizenz für Österreich auch ein neues Telegraphen- und Telefongesetz erlassen.174 Während die Konzession für den »Radiotelegraphenverkehr mit und vom Auslande«175 bereits 1922 der Marconi A. G. überantwortet wurde,176 begann zeitgleich das Lizenzverfahren um die Nutzung des inländischen Radioverkehrs. Zahlreiche in- und ausländische Telefon- und Elektrofirmen wie beispielsweise Kapsch, Schrack, Telefunken oder Marconi, legten Angebote zur Schaffung einer inländischen Radioverkehrsgesellschaft vor. Auch die Firma Czeija & Nissl bewarb sich nach dem Ersten Weltkrieg um eine Sendelizenz zur Errichtung einer österreichischen Broadcastingfirma. Die Vorstellungen über die Nutzung der beantragten Sendelizenz zeigten sehr unterschiedliche Erwartungen und Nutzungsmöglichkeiten auf. Gemeinsam mit der Fabrik für elektrische Glühlampen Kremenetzky hatte die Vereinigte Telefon- und Telegraphenfabriks-Aktiengesellschaft von Czeija und Nissl ihre Sendeanlagen bereits im Technologischen Gewerbemuseum zu Versuchszwecken aufgestellt; Radio Hekaphon sendete 171 Bericht des Reichspostministeriums vom 9. Juni 1922, zitiert nach: Dahl, Peter, Radio. Sozialgeschichte des Rundfunks für Sender und Empfänger. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1983, S. 22. 172 Siegert (1993), S. 23. 173 Die Radioindustrie wurde deshalb in Folge angewiesen die Empfangsanlagen zu plombieren, damit diese Funkwellen weder ausstrahlen noch erzeugen konnten. Vgl. Gethmann (2005), S. 104. 174 Zu den juristischen und ökonomischen Voraussetzungen der Radiolizenzverfahren, siehe: Venus, Theodor, Die Entstehung des Rundfunks in Österreich. Herkunft und Gründung eines Massenmediums (2 Bde.), Wien: Diss. 1982. 175 Abschrift, S. 1, Akt 6463/1923, Bundesministerium für Verkehrswesen, Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA). 176 Auch die Marconi Gesellschaft beteiligte sich an den Lizenzverfahren für den Inlandsradioverkehr in Österreich.

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Vom Medium der Attraktionen zum Massenmedium

bereits seit 1923 regelmäßig Sendungen aus, die sich zum Teil großer Beliebtheit erfreuten und einer ihrer Sprecher, Oskar Koton, wurde von den österreichischen Zeitungen bereits als Radiostar gefeiert.177 Die beiden Firmen, die mit der amerikanischen Western Electric Company seit 1893 kooperiert hatten, legten in ihrem Angebot die Absicht dar, die bereits vorhandene Sendestation in der Währingerstraße 59 im 9. Wiener Gemeindebezirk »zum Senden von Konzerten, Musik, Gesang etc. mittelst drahtloser Telephonie an das Publikum zu benützen« und darüber hinaus »Theater und Unterhaltungsvorstellungen, Vorträge und Berichte von allgemeinem Interesse«178 anzubieten. Die für den Empfang der Sendungen benötigten Geräte sollten »an das Publikum gegen Abonnements- oder Lizenzgebühren verkauft oder vermietet«179 werden, außerdem stand in Planung, für »die Aufnahme der von ihr verbreiteten Vorführung den Inhabern der Empfangsstationen Lizenz- oder Abonnementsgebühren« einzuheben. Das geplante Tagesprogramm wollte man der Staatsverwaltung zur Genehmigung vorlegen, wobei ihr das Recht eingeräumt werden sollte, kostenlos Nachrichten zu senden. Das Sendeansuchen der Gruppe Schrack-Czeija wurde von Oskar Czeija, dem Sohn Karl August Czeijas, der Telefonfirma Kapsch und Eduard Schrack gemeinsam mit dem österreichischen Credit-Institut eingereicht. In diesem Angebot sollte das Aktienkapital in Höhe von 100 Millionen Kronen zu 80 Prozent von der Gruppe Schrack-Czeija,180 zu 15 Prozent vom Credit-Institut und zu 5 % von der Telephonfirma Kapsch bar eingezahlt werden181. Die Betriebsgesellschaft rechnete in ihrem Finanzplan vom März 1923 mit dem Verkauf von 500 Radioapparaten im ersten Jahr des Bestandes. Diese Apparate sollten von der Firma Schrack erzeugt und im »Alleinverkauf« vertrieben werden; darüber hinaus sollte von den »Telephon-Abonnenten« eine Gebühr in der Höhe von 2 Millionen Kronen pro Jahr eingehoben werden.182 Die Idee der neuen Aktiengesellschaft war es, Rundfunk oder Rundspruch, wie er zu dieser Zeit noch genannt wurde, in zwei Teile aufzugliedern: in einen allgemeinen Broadcastingteil und in einen besonderen Wirtschaftsrundfunk. 177 So veröffentlicht die Zeitschrift Radiowelt eine Grußbotschaft an den ›Lieben Radioonkel‹ Oskar Koton, den Leiter der Sendestation. Radiowelt, Nr. 21, 1924, S. 3. 178 Brief vom 20. April 1923, Akt 7847/1923, Bundesministerium für Verkehrswesen, ÖStA. 179 Ebd. 180 1920 gründete Eduard Schrack das »Radiolaboratorium E. Schrack Wien«, Mitarbeiter war u. a. Robert Ettenreich, der gemeinsam mit Eduard Schrack und Oskar Czeija (ab 1924 stiller Teilhaber der Schrack-Werke) als Konzessionswerber auftrat. Vgl. Pichler, Franz, Von der Knatterfunken-Telegraphie zum Radio-Broadcasting. Entwicklung der Funk- und Radiotechnik in Österreich 1898–1928, Linz: Trauner 2008, S. 65. 181 Skizze betreffend den finanziellen Aufbau der in Gründung begriffenen Betriebsgesellschaft für den Radio-Verkehr in Österreich, o. D., S. 1, Dokumentationsarchiv Funk (DaF). 182 Ebd.

Radiobroadcasting in Österreich

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Der Broadcastingteil sollte »musikalische und deklamatorische«183 Elemente enthalten, Nachrichten und Wetterberichte senden sowie Märchen für Kinder ausstrahlen. Der Wirtschaftsrundfunk sollte »nicht gesprochen, sondern mittels Morsezeichen«184 übertragen werden und nur für Banken und Großunternehmen zur Verfügung stehen. Diese Aufteilung entsprach den bisherigen Erfahrungen und Vorstellungen über die Nutzung neuer Kommunikationswege. Einem Unterhaltungsrundfunk wurde trotz der euphorischen Meldungen aus Deutschland, Amerika und England, die bereits vor 1924 einen regelmäßigen Sendebetrieb aufgenommen hatten, kein großer wirtschaftlicher Erfolg zugemessen; vielmehr versprach man sich allein vom Wirtschaftsrundfunk finanziellen Gewinn. »Die schon früher in Erörterung gezogene Radiotelephonie mit ihrem lukrativsten Zweige, dem sogenannten ›Broadcasting‹ einerseits und der gänzlichen oder teilweisen unmittelbaren Gesprächsmöglichkeit zwischen Personen an verschiedenen Orten andererseits bildet trotz der Verbreitung besonders des Broadcastingdienstes dennoch eher einen Luxusbetrieb als ein zwingendes Bedürfnis. Derzeit muss der drahtlosen Telgraphie noch der Vorrang eingeräumt werden, denn vor allem spricht auch die auf diesem Gebiete reichlichst gesammelte Erfahrung für die Rentabilität – soweit der kaufmännische Gesichtspunkt in den Vordergrund gerückt wird […].«185

Die Idee eines Wirtschaftsfunks, also eines möglichen Medienverbundsystems von Radio und Telegraphie, wurde in dieser Form allerdings noch vor seiner Einführung verworfen und das Programm nach deutschem und angloamerikanischem Vorbild als Unterhaltungs-, Belehrungs- und Informationsrundfunk aufgebaut. Zu diesen beiden Anträgen gesellte sich außerdem die Firma Radiovox, hinter der neben österreichischen Unternehmen der Schwachstromindustrie auch die Marconi Gesellschaft stand. In ihrem Ansuchen vom 29. Juli 1922 stellte sie als inhaltliche Ausrichtung die »Übertragung von Opernvorstellungen, Theatervorstellungen, allerlei andren musikalischen Vorstellungen und alle andren Übertragungen von Unterhaltungsvorstellungen, Vorträgen und Reden, Berichte von parlamentarischen und sonstigen Körperschaften, sowie Wetterberichte, politische, finanzielle, sportliche und allgemeine Nachrichten […] jeder Art«186 in Aussicht. Ein weiterer Mitbewerber war die Österreichische drahtlose 183 Anonym, »Was bringt der österreichische Radioverkehr?«, in: Reichspost, Wien, 23. 03. 1924, S. 4. 184 Ebd. 185 Czeija, Oskar, »Radiotelegraphie«, (Abschrift) o. D., DaF. 186 Gesuch der Radiovox 29. Juli 1922, zitiert nach: Venus, Theodor, »Das österreichische Beispiel«, in: Die Idee des Radios. Von den Anfängen in Europa und in den USA bis 1933, hg. v. Edgar Lersch, Helmut Schanze, Konstanz: UVK 2004, S. 165–204, S. 191f.

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Verkehrsgesellschaft, die von A. E. G. Telefunken ins Rennen geschickt wurde sowie im Laufe der Lizenzverfahren noch die Wiener Literarische Anstalt A. G. Die Vergabe der Konzession wurde angesichts der zahlreichen Einreichungen, zu denen sich immer neue Firmengruppierungen und Umgruppierungen gesellten, bald zum Politikum – vor allem, da von Seiten der Politik bereits früh Absprachen mit Konzessionswerbern getroffen worden waren. Im Jänner 1922 vermerkte etwa der Mitbewerber Oskar Czeija, der zuvor als Jurist in der steirischen Landesregierung tätig gewesen war, in einer Notiz: »Heute um 6 h 40 Nachmittag wurde ich vom Bundesminister für Verkehrswesen, Dr. Odenahl, telefonisch aufgerufen und teilte mir der Landeshauptmann von Steiermark, Prof. Dr. A. Rintelen, mit, dass der Bundesminister Dr. Odenahl, der neben ihm steht und dieses Gespräch hört, nach cca. [sic] 2 Wochen, sobald die Marconi Angelegenheit bereinigt ist, den ansuchenden Schrack, Ettenreich und Czeija die Konzession für den innerösterreichischen Radiotelefonverkehr zu geben bereit ist. {…] Auf meine Frage, ob der Herr Minister das Alles auch bestimmt durchführen wird, wiederholte derselbe, dass er bestimmt nach Bereinigung der Marconi-Angelegenheit, d. i. in cca. 2 Wochen, uns die Konzession für den Radiophonverkehr erteilen wird. Ich dankte sowohl dem Herrn Landeshauptmann, als auch dem Herrn Bundesminister für die Zusage und stellte ihm meinen Besuch in cca. 14 Tagen in Aussicht.«187

Da sich die österreichische Verwaltung keine Lizenzvergabe ohne starke staatliche Kontrolle vorstellen konnte, einigten sich die konkurrierenden Konzessionsbewerber darauf, auch ein gemeinschaftliches Ansuchen an das Bundesministerium für Handel und an die Generalpostdirektion zu richten. In diesem Ansuchen versammelten sich die Firmen Siemens Halske A. G., Vereinigte Telephon- und Telegraphenfabriks-Aktiengesellschaft Czeija, Nissl & Co., Telefonfabriks Aktiengesellschaft vormals J. Berliner, Ericsson Österreichische Elektrizitäts A. G., Telephon- und Telegraphen-Fabriks Gesellschaft Kapsch & Söhne, E. Schrack Radio Laboratorium, Joh. Kremenezky [sic] und Leopolder und Söhne.188 Das Wirrwarr um Beteiligungen, stille Gesellschafter und politische Absprachen potenzierte sich also weiter und im Ringen um den Konzessionserhalt schaltete sich im Gegensatz zum bürgerlich-konservativen Lager, das seine Ansprüche an Mitgestaltung und Mitbestimmung sehr früh klar machte, die sozialdemokratische Partei erst gegen Ende der Lizenzverfahren ein. Durch eine Aktienbeteiligung der Gewista konnten auch die Sozialdemokraten wirtschaft187 Czeija, Oskar, »Feststellung« (typograph. Notiz), o. D., DaF. In einem »Bericht betreffend den Stand der Konzessionierung des drahtlosen Telegraphen- und Fernsprechverkehres« wird auf diese Zusage eingegangen und betont, dass »die Telegraphenverwaltung […] eine auch nur entfernt ähnliche Weisung oder Verständigung von Bundesminister Dr. Odenahl nicht erhalten hat.«, Akt 6463/1923, AdR, BMHuV, S. 4, ÖStA. 188 Ansuchen, Akt 5342/1923, AdR, BMHuV, ÖStA.

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lichen Anteil am Aufbau des österreichischen Rundfunks nehmen. Um der Einflussnahme des konservativen Lagers weiteren Einhalt zu gebieten, wurde schlussendlich auch ein Radiobeirat mit Beteiligung der RadiohörerInnen installiert: »Die Schaffung des Beirats war zweifellos ein Ergebnis des Drucks der Opposition, der Radioamateure und der Presse; auch die Länder sollten ihre Interessen in diesem Forum artikulieren können.«189 Im Beirat vertreten waren neben Mitgliedern der Radioamateurbewegung, der Radioindustrie und des Radiohandels auch Vertreter der Bundesländer, der Arbeiterkammer und der Industrie sowie der Kammern für Handel und Gewerbe.190 Das Aktienkapital der Gesellschaft wurde auf 400.000 Schilling191 festgesetzt und mit Beteiligung der Steirerbank A. G., des Kreditinstituts für öffentliche Arbeiten und Unternehmungen, der Generalpostdirektion, der Gemeinde Wien, der Städtischen Anzeigengesellschaft, der Österreichischen Anzeigengesellschaft und von Mitgliedern der österreichischen Schwachstromindustrie gegründet.192 Der Gesellschaft stand ein Verwaltungsrat vor, dessen Präsident der christlich-soziale Politiker Anton Rintelen wurde. Oskar Czeija, der für ihn einige Jahre lang als Konzipient gearbeitet hatte und stiller Teilhaber der E. Schrack Radiowerke war, durfte nun das Amt des Generaldirektors bekleiden. Auch die weiteren am Lizenzverfahren beteiligten Firmen gingen nicht leer aus: Telefunken wurde mit dem Bau des Großsenders Wien am Rosenhügel betraut während Czeija & Nissl damit beauftragt wurden, Sendeanlagen für den neuen Rundfunksender zu fertigen. Diese Aufteilungs- und Verteilungspolitik verdeutlicht das massive Ringen der verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Kräfte um die Teilhabe am neuen Medium Radio, dessen Bedeutung bereits vor seiner institutionellen Gründung stetig stieg. Die RAVAG – Radioverkehrsaktiengesellschaft, aus der nach 1955 der österreichische Rundfunk hervorgehen sollte, stellte demgemäß einen Zusammenschluss von Banken, Post und Großindustrie dar. Um den Erhalt einer Sendelizenz konkurrierten zu Beginn der Konzessionsverfahren insbesondere neu gegründete Firmen der Radioindustrie. Viele dieser Firmen hatten sich bereits um die Jahrhundertwende gegründet und einige von ihnen – etwa Ericsson, Berliner oder Siemens & Halske – waren bereits 189 190 191 192

Venus (2004), S. 200. Ebd. Nach der Währungsreform entsprach 1 Schilling 10.000 Kronen. ÖCI 21,25 %, der Bund, die Steirerbank und die GEWISTA je 20,25 %, die Österreichische Anzeigen AG (für die Großdeutsche Partei) 8 %, die übrigen 10 % entfielen auf vier Unternehmungen der Telefonindustrie, darunter befanden sich die Firmen Berliner, Ericsson, Leopolder und Kapsch. Vgl. Venus (2004), S. 199.

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bei der Elektrischen Ausstellung von 1883 vertreten gewesen. Im Zuge der Diskussionen zur Lizenzvergabe mussten diese Firmen ihre Angebote und Aktienkapitalbeteiligungen jedoch sukzessive zurücknehmen. Im Gegenzug verstärkte sich die Einflussnahme der Politik und der staatlichen Kontrolle. Die Vergabe der Konzession und Verteilung des Aktienkapitals spiegelt das politische Machtverhältnis der Ersten Republik wider. Österreich musste sich nach dem Ersten Weltkrieg völlig neu strukturieren und der Zerfall der Monarchie führte nicht nur zu politischen Veränderungen, sondern bedeutete auch den Wegfall der bisherigen kulturellen Vielfalt. Wirtschaftliche Beziehungen mussten neu geknüpft werden und die Weltwirtschaftkrise verschärfte die Situation am Arbeitsmarkt noch zusätzlich. Politisch hatte sich die Erste Republik im November 1918 als demokratische Regierungsform konstituiert; dies konnte aber nicht verhindern, dass sich die Spannungen zwischen den Parteien im Laufe der Zwischenkriegszeit zusehends verschärften. Zusätzlich zeichnete sich das politische Machtgefüge der Ersten Republik durch eine massive Diskrepanz im politischen Kräfteverhältnis zwischen Bund und Ländern aus. Auch die Organisation der RAVAG spiegelte die politischen Spannungsverhältnisse der Zwischenkriegszeit wider : Die Vergabe der Abteilungsleiterposten wurde fast ausschließlich in die Hände bürgerlich-konservativer Männer gelegt.193 Neben dem Generaldirektor Oskar Czeija wurden Rudolf Henz (Direktor der wissenschaftlichen Abteilung), Gustav Adolf Schwaiger (Technik), Hans Nüchtern (Literatur), Leopold Richtera (Volksbildung), Erich von Kunsti (Nachrichten)194 und Max Ast (Musik) in leitende Positionen gewählt. Die schwierigen Verhandlungen zur Gründung eines öffentlichen Rundfunks machten die Probleme der Parteien mit den unterschiedlichen Auffassungen über Form und Organisation eines österreichischen Radiodienstes noch deutlicher. Während sich das christlich-soziale Lager eine starke zentralistische Rundfunkstruktur mit finanzieller Beteiligung von Banken und Industrie wünschte, versuchte die Sozialdemokratische Partei, die Einflussnahme von Wirtschaft und Industrie zurückzudrängen beziehungsweise auf jene Unternehmen auszuweiten, die unter sozialdemokratischem Einfluss standen. Vor allem der Sozialdemokratie wurde von Seiten ihrer Wählerschaft vorgeworfen, sich zu wenig und zu spät in die Diskussion um Organisation und Ausgestaltung des Rundfunks eingeschaltet zu haben. Dabei verfolgte der Radiobund, der 1924 von Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei gegründet wurde,195 weitaus 193 Vgl. Venus (2004), S. 201. 194 Politische Informationen und Nachrichten wurden, wie auch in Deutschland üblich, von staatlicher Seite bereitgestellt und zensuriert. Die Recherche und Beschaffung von Nachrichten war erst in der Zweiten Republik Teil der Rundfunkredaktionsarbeit und wird in dieser Untersuchung nicht eigens beleuchtet. 195 Im Februar 1927 wurde der Radiobund in Arbeiterradiobund umbenannt.

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radikalere rundfunkpolitische Ziele. In einem Artikel zum Thema Radiodemokratie in der Arbeiterzeitung wurde die Forderung nach »Spruchfreiheit«196 und dem Recht jedes Staatsbürgers und jeder Staatsbürgerin, Sendestationen zu errichten, laut. Der Führung der Sozialdemokratie ging es allerdings weniger um die Verhinderung eines Rundfunkmonopols, sondern vielmehr um die Mitsprache innerhalb eines zentralen Rundfunks.197 Bei den Feierlichkeiten zur Geburtsstunde des österreichischen Rundfunks waren bereits 11.000 HörerInnen198 – zumeist langjährige RadioamateurInnen – registriert. Im selben Jahr erhöhten sich die Empfangslizenzen auf 94.000 und die exponentielle Zunahme sollte sich in den Folgejahren noch fortsetzen.199

Tanzende Kopfhörer: Vom Medium der Attraktionen zum Massenmedium »Alles per Radio« lautete der Titel einer Ausstattungsrevue des Wiener Ronachers im Jahr 1924, welche von Karl Farkas und Gustav Beer inszeniert wurde und Publikumslieblinge wie Hans Moser, Fritz Heller und Lilian Harvey auf die Bühne brachte. Die Revue, deren Titel eine kleine Sensation versprach – schließlich war das neue Medium noch mehr Modetrend als Alltagspraktik – handelte allerdings in keiner Szene vom Radio. Vielmehr hatte Karl Farkas einen simplen, aber effektiven Trick angewandt: »Der Titel muss aus drei Wörtern bestehen [und] Aktualität zeigen«200 und eine größere Aktualität und vor allem Attraktion wie sie das Thema Radio und Rundfunk zu Beginn seiner Gründung darstellte, war im Jahr 1924 kaum vorstellbar.201 196 Arbeiterzeitung, 12. 03. 1924, S. 1. 197 Vgl. Brunner-Szabo, Eva Maria, Medien im Widerstand. Vom Arbeiter-Radiobund in der Ersten Republik bis zu den Freien Radios und Piratensendern heute oder Möglichkeiten eines demokratischen Gebrauchs von Massenmedien, Wien: Diss. 1989, S. 137ff. 198 Andere Zahlen sprechen von 13.000 Hörern und HörerInnen, vgl. Venus (2004), S. 202. 199 Vgl. Radio Wien, Nr. 17, 1946, S. 4. 200 Diesen Hinweis verdanke ich Hilde Haider-Preglers Vorlesung zum Thema »Die Kulturgeschichte des (Radio-)Hörens, Sommersemester 2006 an der Universität Wien. 201 Zwei Jahre darauf, 1926 schrieb Fritz Grünbaum die Revue »Radiorummel auf Welle 531«, eine Anspielung auf die Frequenz von Radio Wien. Karl Farkas, Hans Moser, Fritz Grünbaum, Louise Kartousch, Gisela Werbezirk, Otto Tressler, Oskar Sachs und Sigi Hofer spielten darin mit. Vgl. Veigl, Hans, Lachen im Keller. Von den Budapestern zum Wiener Werkel. Kabarett u. Kleinkunst in Wien, Wien: Loecker 1986, S. 103. Im selben Jahr texteten Farkas und Grünbaum auch die Operettenrevue »Journal der Liebe«, in welcher Prag, Wien und Budapest gleichzeitig sendeten, dass nur so »die Telefunken des Witzes knistern«, vgl. Die Bühne, Nr. 65, 4. Februar 1926, S. 12f.

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Ebenso wie Film, Phonograph oder Grammophon, die ihre Bilder und Töne vorwiegend zum Vergnügen des Publikums zur Schau stellten – beziehungsweise zu Gehör brachten – wurde auch das Radio als eine Attraktion202 verkauft, deren vielfältige Verwendungszwecke noch lange nicht in allen ihren Möglichkeiten durchgespielt waren. Bilder von RadiohörerInnen, wie sie in den zeitgenössischen Zeitungen kolportiert wurden, verdeutlichen diesen Attraktionswert. Vor allem die ersten Jahre des österreichischen Rundfunks stellten einen Innovationsschub in der Radioentwicklung dar und die Presse überschlug sich mit Erfolgsmeldungen über das neue Medium. Radio im Zug, Radio im Park, in der Küche, in der Straßenbahn oder auf der Bühne, das Radio war allgegenwärtig und jede/r, so machten zumindest die Zeitungsberichte glauben, wollte daran teilhaben. So berichtete etwa die bürgerliche Zeitung Neuigkeitsweltblatt von der gelungenen Probefahrt des ersten Radiowagens von Wien nach Graz. Während der Fahrt konnte mittels Kopfhörern im Zugabteil den »Darbietungen der Rundfunksender«203 gelauscht werden (Abbildung 1). Unter dem Titel »Radiohörer im Grünen« wurde für den Rundfunkempfang im Wiener Rathauspark geworben (Abbildung 2). »Eine Neuheit für die Großstadt wurde jüngst im Wiener Rathauspark geschaffen, wo nunmehr bei schönem Wetter eine beschränkte Anzahl von Radiofreunden sich diesen Genuss angesichts der blühenden Sträucher und Blumenbeete verschaffen können. Wie unser Bild zeigt, wird ein Radioapparat mit Rahmenantenne aufgestellt und 30 Paare Kopfhörer stehen dem Publikum gegen eine Gebühr von 20 Groschen pro Stunde zur Verfügung. Die Neueinführung findet großen Zuspruch.«204

Radiosalons und Radiocaf8s wurden eröffnet,205 schicke Accessoires, wie etwa der Radioohrring angepriesen,206 in der Rotunde fanden regelmäßig Radiomessen statt und der Handel betrieb eigene Radiogeschäfte. Im Wiener Kabarett »Femina« trat Lya Dahms, ebenfalls noch im März 1924, in der Ausstattungsrevue »So wird’s gemacht« als »Radiomädel« auf. In einer von Hans Zerlett und Alfred Berg komponierten Nummer tanzte sie zu den Melodiezeilen »Du mein kleines Radiomädelchen/ Nimm die Hörer an dein Schädelchen/ Schalte ein die erste Liebeswelle/ Schnell in deine Herzenszelle«207. 202 Vgl. Gunning, Tom, »Das Kino der Attraktionen. Das frühe Kino, seine Zuschauer und die Avantgarde«, in: Meteor, Nr. 4, 1996, S. 25–34. 203 Anonym, »Wenn einer eine Reise tut – dann kann er Radio hören!«, in: Neuigkeitsweltblatt, 29. 08. 1926, S. 1. 204 Anonym, »Radiohörer im Grünen«, in: Neuigkeitsweltblatt, 09. 05. 1926, S. 1. 205 Wie etwa das »Caf8 Radio« im VII. und das »Wiener Radio Caf8« im IV. Wiener Gemeindebezirk, vgl. Radiowelt, Nr. 15, 1924, S. 2. 206 Radiowelt, Nr. 6, 1924, S. 3. 207 Radiowelt, Nr. 2, 1924, S. 10.

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Abbildung 1: »Radiohören im Zug«

Kopfhörer avancierten am Beginn des Radiobooms zum Symbol des neuen Mediums: Karikaturen, Zeichnungen, Fotografien, die sich mit dem Radio beschäftigten, verwendeten Kopfhörer, um die neue Technologie zu symbolisieren. Während die Radiogeräte selbst oft noch als unhandlich und kompliziert empfunden wurden, schien sich die Faszination für das neue Medium besser in Form eines Kopfhörerpaars ausdrücken zu lassen. Sie hatten sich als ikonographisches Sinnbild eines modernen urbanen Lebensgefühls, ein schickes Accessoire und ein Modetrend, an dem jeder teilhaben will, etabliert, noch bevor Gebrauch und Nutzen des neuen Mediums festgeschrieben waren. »Legen Sie sich einmal den Kranz eines Radio-Kopfhörers um die Stirne. Lassen Sie das, was Sie hören, voll auf sich wirken. Geben Sie sich Ihrem Eindruck hin. Und dann überlegen Sie. Das ist nicht eine Erfindung wie andere. Es ist nicht wie Grammophon und Telephon. Es ist mehr, es ist anders. Es ist Botschaft aus einer unbekannten Welt.«208 208 Anonym, »Versuchen Sie’s!«, in: Radiowelt, Nr. 2, 1924, S. 1.

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Abbildung 2: »Radiohören im Grünen«

Während im 19. Jahrhundert die Verwendung von Hörschläuchen, wie sie auch in der Medizin Verwendung fanden, für die Nutzung von Sprechmaschinen üblich war, wurden mit der Verbreitung des Telefons sogenannte »Hörmuscheln« üblich. In der Elektrischen Ausstellung von 1883 wurden diese Hörmuscheln zu einem Paar Kopfhörer zusammengeschlossen und als »Telephonhaube« bezeichnet. Für die Kommunikation mittels Telefon wurde allerdings meist nur ein Hörer verwendet; erst mit dem Radio erlangten Zweipaar-Kopfhörer wieder an Popularität. Zu tausenden in den Radiofabriken des Landes produziert, stellten sie eine Massenware dar, die bald nach Gründung der ersten Rundfunksender zur Mangelware wurde. »[Das] große Interesse führte zu einer großen Nachfrage an Kopfhörern, die durch den augenblicklichen Bedarf nicht gedeckt werden kann«209, schrieb die Zeitschrift Radiowelt. In zahlreichen Artikeln diskutierten RadiohörerInnen über die Kopfhörermisere210. Bis zu 20.000 Stück wurden monatlich in Öster209 Walter, G., »Der Mangel an Kopfhörern«, in: Radiowelt, Nr. 39, 1926, S. 5. 210 Anonym, »Die Kopfhörermisere«, in: Radiowelt, Nr. 38, 1926, S. 2.

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reich produziert, dazu kam noch ein Einfuhrkontingent von 3.000–6.500 Kopfhörern, die aus dem benachbarten Ausland – vorwiegend aus Deutschland – importiert werden durften.211 Das Radio und mit ihm die Kopfhörer waren überall präsent, die Presse sprach vom Radiofieber, das ganz Europa erfasst hatte. Diese Entwicklung kommentierten einige mit Interesse, andere zeigten sich amüsiert oder gar genervt. Tanzende Kopfhörer betitelte etwa eine Schweizer Tageszeitung eine ihrer Karikaturen, in der sie das neue Massenphänomen aufs Korn nahm und die Radiowelt versprach in einer Zeichnung zum Thema Radiokaffeehaus eine neue Erfindung für den enervierten Radioverweigerer : den Kopfabsolutnichthörer212 (Abbildung 3).

Abbildung 3: »Radiokarikatur«

Transportable Empfangsanlagen und Kopfhörer boten auch die Möglichkeit, Radio an den verschiedensten Orten zu hören und die Installation von Empfangsanlagen in öffentlichen Bädern, Krankenhäusern und Verkehrsmitteln 211 Vgl. Walter (1926), S. 5. 212 Radiowelt, Nr. 15, 1925, S. 3.

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wurde diskutiert und zum Teil tatsächlich verwirklicht. Das Radio und mit ihm die Kopfhörer wurden zu besonderen Alltagsbegleitern, die sich in jede Art von Beschäftigung, ob im oder außer Haus, integrieren ließen.213 »Dieser Tage empfing die Frau eines Arbeiters einen unerwarteten Nachmittagsbesuch. Der Besuch traf die Frau am Bügelbrett, über das Kopfhaar hatte sie den Hörer gestülpt, ein paar Drähte waren durch das Zimmer gezogen, und indes sie bügelte, hörte sie den Wellen zu, (…) Frei nach Schiller : Wenn gute Wellen sie begleiten, dann fließt die Arbeit munter fort […]«214

Radio für alle Sinne – Medienverbundsysteme Die Radioabbildungen zeigen ein vielfältiges Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten und Gebrauchsweisen auf. Während sich Inhalt und Gestaltung des Rundfunks und des Radioprogramms zu Beginn des regelmäßigen Sendebetriebs in Österreich vor allem an bekannten Bildungs- und Unterhaltungsmedien bürgerlich-konservativer Kulturauffassung orientierten und sich ein radiogerechtes Programm erst entwickeln musste, war das Radio selbst zum Symbol eines innovativen, modernen und urbanen Lebensgefühls avanciert. Zunächst zählte vor allem das Wie? und nicht das Was? des Radiohörens. Die Verwendungsmöglichkeiten und Nutzungen schlossen auch keine Verbindungen mit anderen Mediensystemen aus. Wie die spektakulären Demonstrationen in den Leistungsschauen der Jahrhundertwende, so waren auch die Medientechnologien zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ihrer Kombination und in ihrer Nutzung noch offen und zahlreiche Erfindungen partizipierten an der Entwicklung der neuen Unterhaltungs- und Kommunikationsmedien.215 Einige dieser Erfindungen kombinierten das Radiogerät mit zusätzlichen Apparaten, die das Hörerlebnis zu unterstützen und zu erweitern suchten. In den Akten der Post- und Telegraphenverwaltung, dem Lizenzgeber der RAVAG, finden sich einige Beispiele derartiger neuer Produkte. Vor allem gab es in den 1920er Jahren Bestrebungen, den Rundfunk sowohl als Hörfunk als auch als Bildfunk zu nutzen. So weckte die aus England stammende Erfindung einer Bildübertragungsmaschine, des Fultographen, große Hoffnungen, neben Tönen 213 Wobei die Empfangsqualität durch einen mobilen Radiokonsum oft engeschränkt wurde, dies tat der Faszination für das Radiohören allerdings keinen Abbruch. 214 Winter, Max, »Hallo, hallo, hier Radio Wien auf Welle 530«, in: Die Unzufriedene. Eine unabhängige Wochenschrift für alle Frauen, Nr. 44, 1. November 1924, S. 1, diesen Hinweis verdanke ich Sonja Rainer. 215 Vgl. Ehardt, Christine, »Audioprojektionen. Radio im Spannungsfeld soziotechnischer Mediensysteme«, in: Ungeplante Strukturen. Tausch und Zirkulation, hg. v. Maik Bierwirth, Oliver Leistert, Renate Wieser, Paderborn: Fink 2010, S. 47–58.

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auch Bilder versend- und empfangbar zu machen. Allerdings war dessen technische Entwicklung für den Handel zu wenig ausgereift und die verantwortlichen Stellen machten sich keinerlei Hoffnung auf eine Akzeptanz dieses Systems bei den KonsumentInnen.216 Bereits vor den ersten Versuchssendungen mit dem Fultographen entwickelte der Wiener Ingenieur Alfred Grünfeld ein Zusatzgerät, das es über das Versuchsstadium hinaus zum ausgereiften Konsumartikel brachte: Den Radioteleskop-Projektions-Apparat, kurz Radioskop genannt. Gemeinsam mit dem Radioskop brachte die Zeitschrift Radio-Bild von 1926 bis 1928 zweimal im Monat eine Sammlung von Bildstreifen zum Radioprogramm der RAVAG heraus.217 Neben Vorträgen und Lehrsendungen zum Thema Naturwissenschaft, Landeskunde, Gesundheit oder Medizin erhielten auch Theater-, Konzert- und Opernübertragungen eine Bebilderung. Mithilfe des Projektionsapparates konnten die gestanzten Bilder vergrößert und an die Wand projiziert werden. Die Intention der Hersteller war es, »Radio durch das anschauliche Bild zu ergänzen«218. Unter dem Motto: »Was dem Ohr der Rundspruch ist dem Auge das RadioBild«219 wurden die gestanzten Bilder – in Design und Größe mit einem Bogen Briefmarken zu vergleichen – gemeinsam mit einer kurzen Beschreibung an die Abonnenten und Abonnentinnen verschickt. Eine Werbeanzeige (Abbildung 4) in der Zeitschrift Radio Wien gab über die Art des Gebrauchs Auskunft: »Das Radioskop ist ein kleiner Projektionsapparat der an jede Lichtleitung angeschlossen werden kann. Seine Bedienung ist kinderleicht. Die Bildstreifen illustrieren die Radiovorträge […]. Die Bildchen sind in Reihenfolge ihrer Besprechung durch den Vortragenden angeordnet. Der Hörer hat nur einen Knopf zu drehen um die Lichtbilder auf einer weißen Fläche erscheinen zu lassen und so jeden Radiovortrag in einen Lichtbildvortrag im eigenen Heim zu verwandeln.«220

Dieser Apparat sollte die Radiosendung ergänzen und ihrer Flüchtigkeit entziehen beziehungsweise diese speicher- und archivierbar machen, um »die 216 Der von der RAVAG angebotene Bildsendedienst mittels Fultographen wurde von 1927 bis 1930 geführt aus Vgl. Anonym, »Angaben über das Fultograph-System der Post- und Telegraphenverwaltung Wien 1930«, Akt 38241–1930, ÖStA, ein weiterer Bildsendedienst war das »System Dieckmann, dass nur Wetterkarten der Bayerischen Landeswetterwarte aussendete«, vgl. Radiowelt, Nr. 19, 13.–19. Mai 1928, S. 12. 217 Vgl. Venus, Theodor, »Vor 30 Jahren: Die Fernsehlawine rollt nur langsam. Zur Frühgeschichte des Fernsehens in Österreich«, in: Medien-Journal, Innsbruck: Studienverlag, Nr. 1–2, 1986, S. 36–54, hier S. 38. 218 Zitiert nach der Zeitschrift Radio-Bild, Nr. 52, Wien, 1928, S. 1. 219 Radio Wien, Nr. 18, 1927, S. 913. 220 Ebd.

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Eindrücke der gehörten Radiovorträge immer wieder in Erinnerung«221 bringen zu können. Gleichzeitig wurde damit eine frontal ausgerichtete Form des Hörens etabliert, da die HörerInnen mithilfe des Zusatzapparates gezwungen waren, den Vorträgen im Radio fokussiert zu lauschen.222 Die gesendeten Radiovorträge konnten zum Thema Tricks im Film, Wühlmausbekämpfung oder Korbweidenkultur sein223 und auch Übertragungen von Theateraufführungen wie dem allegorischen Zaubermärchen Der Bauer als Millionär von Ferdinand Raimund oder Musik- und Opernvorführungen wurden illustriert. Der Radioprojektionsapparat wurde als Bildungs- und Unterhaltungsmedium genutzt und reihte sich in den Kreis technischer Produkte ein, deren Versprechungen weiterhin wichtige Aspekte der Moderne widerspiegelten. Neben der viel zitierten Überwindung von Zeit und Raum war es vor allem der Zerstreuungswert von elektrischen Erfindungen, der diesen Apparat attraktiv machte. Das Radioskop ist auch ein Beispiel dafür, wie sich die Vorstellungen über Form und Nutzung des Radios aus einem Netz konkurrierender Medien- beziehungsweise Unterhaltungssysteme entwickeln konnten. Eine Festschreibung auf das Akustische und eine Aufteilung des Rundfunks in fernsehen und fernhören war noch nicht evident; vielmehr erschienen die Möglichkeiten des Radios als offener, kontingenter Prozess, der auf alle Sinne einwirken sollte. Der Rundfunk befand sich in einem System der Zerstreuung eingebettet und schloss – wie Benjamin auch für das Kino konstatiert hat – »Aufmerksamkeit nicht ein«224. Das Radio schaffte Möglichkeiten, Kunst, Kultur und Politik hörbar zu machen. Die Art und Weise, in der dies geschah, ist im Laufe der Geschichte immer wieder neu diskutiert worden. Die ökonomischen Chancen, die daraus entstanden, wurden von Industrie und Handel rasch erkannt und beförderten eine Phase konkurrierender technischer Systeme. Form und Gebrauch des Radios folgten dabei aber keineswegs selbstverständlich einer Logik seiner technischen Entwicklung. Phänomene wie das Telephonradio der Jahrhundertwende oder der Radio-Projektionsapparat der 1920er Jahre waren keine Abwege einer linearen Entwicklung, sondern eigenständige Versuche, ein Artefakt zu konstituieren, das bestimmten technischen, sozialen und diskursiven Anforderungen 221 Ebd. 222 Über die Bedeutung von Disziplinierungsstrategien zur Entwicklung von Radioöffentlichkeiten, vgl. Lacey, Kate, »Öffentliches Zuhören. Eine alternative Geschichte des Radiohörens«, in: Politiken der Medien, hg. v. Daniel Gethmann und Markus Stauff, Zürich/ Berlin: Diaphanes 2005, S. 195–208. 223 Vgl. Radio-Bild, Nr. 50, Wien 1928, S. 1. 224 Benjamin (1977), S. 41.

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Abbildung 4: Werbeplakat Radioskop

entsprechen sollte.225 Die Frage, welche Möglichkeiten sich durchsetzen und welche scheitern, erklärt sich nicht durch eine retrospektiv konstruierte Erfolgsgeschichte von technischen Erfindungen, sondern vielmehr spiegeln sich darin hegemoniale Bestrebungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wider. Erst mit der Etablierung einheitlicher Rundfunkgeräte in den 1930er Jahren und mit der damit verbundenen faschistischen Überformung des Radiogerätes als ein »Tabernakel der Macht«226, wurden die RadiohörerInnen endgültig zum Massenpublikum formiert. Dieser Entwicklung war die Einführung des Laut225 Vgl. dazu auch die methodischen Überlegungen von: Pinch und Bijker (1987). Dank an Thomas Brandstetter für diesen Hinweis. 226 Vgl. Schmidt, Uta C., »Der Volksempfänger : Tabernakel moderner Massenkultur«, in: Radiozeiten: Herrschaft, Alltag, Gesellschaft (1924–1960), hg. v. Inge Marßolek und Adelheid von Saldem, Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg 1999, S. 136–159.

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sprechers ab Mitte der zwanziger Jahre vorausgegangen. Der Kopfhörer, bis dahin Sinnbild des Radiohörens schlechthin, verschwand aus den Darstellungen zum Radiogebrauch. Das Radio war zu diesem Zeitpunkt bereits ein Massenmedium, das vor allem politische Begehrlichkeiten weckte, die durch ökonomische Interessen ergänzt wurden und einen einheitlichen Gebrauch durch leistbare, einfach zu bedienende Radioapparate anstrebten.227

Zwischen Äthermeer und Hochantenne: Auf der Suche nach dem Radiopublikum »Großes Heil ist der Welt erflossen – der Hausmeister an den Kosmos angeschlossen«228 : Mit dieser saloppen Bemerkung zur Einführung des öffentlichen Rundfunks in Österreich kommentierte Karl Kraus die Erfolgsmeldungen zur Institutionalisierung des neuen Mediums Radio. In einem Artikel im Neuen Wiener Journal von 1924 mit dem Titel »Radioteufel« las man über die offensichtliche Anziehungskraft des Radios: »Jede Erfindung vor allem aber die Erfindung des Radios bedeutet einen Machtzuwachs. Mit einigen Handgriffen beherrsche ich das Äthermeer. Ungeheure Entfernungen versinken im Nichts, Raum und Zeit werden überwunden«229. Die Überwindung von Raum und Zeit, eines der wesentlichen Versprechen technischer Errungenschaften der Moderne, hat auch mit dem Medium Radio nichts an seiner Faszination verloren und über den Dächern Wiens breitete sich ein Meer aus Hochantennen aus, welches das Äthermeer versinnbildlichte. Hermann Leopoldi komponierte 1925 für Radio Wien das Lied »Die schöne Adrienne hat eine Hochantenne«230, gesungen von Max Kuttner. Der Foxtrott mit 227 Vgl. dazu auch: Anonym, »Regelungen in der Radioindustrie« (1936), Akt 101964-10-1936, Bundesministerium für Verkehr, ÖStA. 228 Kraus, Karl: »Radio«, in: Die Fackel, Nr. 691, Wien 1925, S. 17. 229 Mitzriegler, A., »Der Radioteufel«, in: Neues Wiener Journal, 23. 03. 1924, S. 8. 230 Wo man geht, sitzt und steht/ist von Radio heut nur die Red’ /Vom Kellerloch bis zur Mansard’ /ist alles drin vernarrt. /Manche Maid, wenn schon Schlafenszeit, /steigt ins Bettchen, empfangsbereit /und sie genießt mit dem Ohr /ihren Lieblingstenor /horizontal ideal. /Die Schöne Adrienne, /tschintaratatatarararadio, /hat eine Hochantenne, /tschintaratatatarararadio, /aus allen Herren Ländern, tschintaratatatarararadio, /empfängt sie von den Sendern, /traratraratraradio. /Momentan sucht ein junger Mann /schnell ein Zimmer, schwer kommt’s ihm an. /Bad, Telefon und wie’s heut Brauch, /Radioanschluß auch. /Ganz verzagt trifft er und befragt /einen Freund, dem sein Leid er klagt. /Der hat voll fröhlicher Hast /ihn beim Arm gleich gefaßt: /»Komm nur, ich weiß, was Dir paßt.« /Die Schöne …. /Sie und er als ihr Zimmerherr, /suchen Wellen nun kreuz und quer. /Sie drehn zusammen am Radiophon, /Paris berauscht sie schon. /Plötzlich da sind zum Greifen nah, /Wellen aus Zentralafrika /und ganz entsetzt kommen sie knapp /unverhofft bis zum Kap der Guten Hoffnung hinab.

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seiner eingängigen Melodie wurde zum Hitschlager im deutschsprachigen Raum. In seinen Textzeilen wurde der Weg des Radios vom Attraktions- zum Alltagsgegenstand nachgezeichnet. Das Radio nicht nur als Teil einer neuen Medien-, sondern auch einer neuen Alltagskultur dargestellt. »Momentan sucht ein junger Mann /schnell ein Zimmer, schwer kommt’s ihm an. /Bad, Telefon und wie’s heut Brauch, /Radioanschluß auch«. Die Wünsche und Hoffnungen des elektrischen Zeitalters schienen eingelöst und Bertha von Suttners Ideen für das Maschinenzeitalter waren Wirklichkeit geworden: Wasserleitung, Heizung, elektrisches Licht und Telekommunikation galten zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits als selbstverständliche Elemente des urbanen Lebens. »Wer abends mit seinem Rundfunkgerät von Sender zu Sender spazieren geht, hört die Walzer gleiten und Tanzmusik und laut das Saxophongequiek. In kühnem Rhythmus, mit frechem Text, als hätte die Tanzwut uns alle verhext. Dann später kommt kühl der Nachrichtenmann und sagt die Kurse der Börsen an, das Wetter von morgen und prophezeit, zur Abrüstung ist Europa bereit, man redet in Genf, man spricht in Lausanne, es wird schon besser, nur weiß man nicht wann. Mit der Landeshymne wird Schluß gemacht und sanft sagt der Sprecher ›Gute Nacht‹, das Programm von morgen, vergessen Sie nicht, den Gashahn zu schließen und Feuer und Licht. Wir drehen die Musikwasserleitung zu und wünschen allen gute Ruh! Nur manchmal bei atmosphärischem Glück, wenn man tastend die Wellen koppelt zurück, wird Hilversum oder Moskau gehört mit einem Lied, das die Walzer stört: ›Wacht auf Verdammte…‹ in jedes Land wird das Lied des roten Senders gesandt.«231

In den Radiozeitschriften wurden die Programme zahlreicher ausländischer Radiosender abgedruckt. Eine Konzentration auf den österreichischen Sender war nicht notwendig und auch technisch war der Empfang von Radiosendern aus aller Welt nicht schwieriger als der Empfang nahe gelegener Sendestationen. Zu Beginn noch als Radioten verspottet, nahm die Zahl der in Vereinen registrierten RadiohörerInnen stetig zu. Zwei der größten Vereine waren der Radiobund, später Arbeiterradiobund genannt, und der Radioamateurbund. In den Vereinszeitschriften wurde für das neue Medium geworben und Programm und Organisation des Rundfunks diskutiert. »Zehn Gebote 1. Verlange vom Radioapparat nicht mehr, als er leisten kann. 2. Glaube nicht an alles, was man dir erzählt. Viele Nachrichten sind übertrieben im guten und im bösen. 3. Lerne und übe! Jeder Tag bringt Neues 231 Sladek, Wenzel, »Radiosong«, in: Rundfunk für Alle. Illustrierte Wochenschrift für den Rundfunkhörer und Radiobastler, Nr. 1, 4.–10. September 1932, S. 1, (Wenzel Sladek war das Pseudonym des Schriftstellers Fritz Brügel).

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Wirb Freunde für die Amateurbewegung. Je mehr Menschen sich damit beschäftigen, desto rascher geht der Radiobetrieb der Vollkommenheit entgegen. 5. Werde Mitglied eines Radioamateurklubs. Einigkeit macht stark. 6. Verdirb dem Nachbarn seine Freude nicht durch fehlerhafte Schaltung am eigenen Empfänger, der dann leicht zum Sender werden kann. 7. Kaufe nicht Mangelhaftes. Überzeuge dich vorher von der Güte dessen, was du kaufst. 8. Denke nicht, dass Radioempfänger nichts wert sind, weil die Lautsprecher noch nicht vollkommen sind. Derzeit ist ein guter Fernhörer besser als der beste Lautsprecher. 9. Sei nicht ungeduldig. Lerne deinen Apparat kennen und lieben. Er wird dir immer wieder Überraschungen bereiten. 10. Baue deine Antenne mit Sorgfalt und stimme sie gut ab. Eine schlecht angelegte Antenne bringt dir nur Enttäuschungen.«232

4.

Die Radioamateurbewegung hatte bereits vor Inbetriebnahme des österreichischen Radiobetriebs zahlreiche Mitglieder ; die Euphorie gegenüber dem neuen Medium war also bereits vor dem Oktober 1924 sehr groß. Das Abhören von Sendern war ein beliebter Zeitvertreib vor allem für das männliche Radiopublikum. Zahlreiche Broschüren und Handbücher beschäftigten sich mit dem idealen Bau einer Empfangsanlage, gaben Tipps zum besseren Empfang der Radioprogramme und versuchten, dem Radiobastler bzw. der Radiobastlerin technisches Grundwissen beizubringen. Nur wenige Frauen konnten sich in dieser männerdominierten Branche behaupten; eine von ihnen war Rosa Horsky, Radiotechnikerin und Pionierin der frühen Radiojahre. Horsky arbeitete seit 1917 in der Radioabteilung der Telephonfabrik A. G. vormals J. Berliner und hielt zahlreiche technische Einführungsvorträge für Radiointeressierte.233 Die Radiogeräte der ersten Stunde bestanden aus Einzelteilen, die zusammengestellt wurden und neben den beiden Kristallröhren eine Diode und Anode, ein Netzteil sowie Kopfhörer und eine Rahmen- oder Hochantenne beinhalteten. Während Rahmenantennen allerdings nur Sender in unmittelbarer Umgebung hörbar machen konnten, erlaubten Hochantennen den Empfang von weit entfernten Sendestationen. RadiohörerInnen mussten für Ihre Empfangsstation einen Besitzschein lösen. Obschon jede Empfangsstation bei der Postund Telegraphenverwaltung angemeldet werden musste, war das Schwarzhören in den ersten Jahren des Rundfunks ein vieldiskutiertes Problem. Es wurden zahlreiche Aufrufe und Informationen veröffentlicht; neben einer Strafzahlung wurde zudem die Beschlagnahmung des Empfangsapparates angedroht.234 232 Radiowelt, Nr. 1, 1924, S. 13. 233 »Frau Dr. Rosa Horsky am Vortragspult«, in: Radiowelt, Nr. 2, 16. März 1924, S. 4. 234 Das An- und Abmelden der Radiogeräte führte immer wieder zu Diskussionen, vor allem im Jahr des Justizpalastbrandes 1927 kam es zu einem Höchststand der Abmeldungen.

Zwischen Äthermeer und Hochantenne: Auf der Suche nach dem Radiopublikum

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Das Radio stellte die staatliche Kontrolle und die Sendungsverantwortlichen ob seiner grenzenlosen Verbreitungsmöglichkeit vor zahlreiche Schwierigkeiten. Erstmals musste ein Kommunikations- und Unterhaltungsmedium beworben und kontrolliert werden, von dem es keinerlei unmittelbare Resonanz und Kontrolle des Publikums gab. Das Radio sendete potentiell »an Alle«, und zwar an Alle zugleich, aber gleichzeitig immer nur an Einzelne, die unsichtbar in ihrem privaten Umfeld blieben. »Das Radio ist das erste Massenkommunikationsmedium – wenn man die Bezeichnung ›Massenkommunikation‹ nicht nur an die schiere Größe und räumliche Streuung des Publikums bindet, welches erreicht werden kann, sondern zugleich auch auf die Simultanität der Kommunikation bezieht, die bis zur Einführung des Radios auf die Anwesenheit vieler Menschen an einem Ort beschränkt blieb: Kino, Theater, aber auch Platz und Straße.«235

Während sich das Programm der ersten Sendejahre an Alle zu richten hatte und die Radioöffentlichkeit als amorphe Masse imaginiert wurde, richtete sich das Programm der späten 1920er Jahre verstärkt an einzelne Gruppen wie etwa Hausfrauen, Landwirte oder Schulkinder. In das Programm der RAVAG wurde Ende 1924 auch eine eigene Sendeschiene für Frauen aufgenommen: Die Stunde der Frau wurde von Else Stephani gestaltet, die unter dem Pseudonym »Fräulein Else« Vorträge hielt. Das Frauenprogramm lief vormittags und richtete sich vor allem an »Frauen mit beschränkten Geldmitteln und bildungsbestrebtem Gemüt«236 ; neben Kochtipps und praktischen Haushaltstipps wie »die Schnellküche«237 wurden auch Fragen zur Gesundheit, Kindererziehung und Wirtschaft erörtert. Die verschiedenen Sendeschienen versuchten, die RadiohörerInnen, die potentiell Alle sein konnten, in verschiedene Radiopublika auszudifferenzieren.

Nach einer Umfrage der RAVAG kamen die Rundfunkverantwortlichen (bei einem Fragebogenrücklauf von 27 Prozent) aber zum Schluss, dass keinerlei politische, sondern lediglich wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend für die Abmeldung der Apparate waren.Vgl. Brunner-Szabo (1989), S. 238f. 235 Schrage, Dominik, »Anonymus Publikum. Massenkommunikation und die Politiken des Radios«, in: Politiken der Medien, hg. v. Daniel Gethmann und Markus Stauff, Berlin: Diaphanes 2004, S. 173–194, S. 173. Siegfried Kracauer beobachtete dieses Phänomen am Wahlabend des 15. März 1932 in Berlin und beschrieb auch die politische Dimension der damit einhergehenden Veränderung: »Das Radio ist Schuld daran, dass die Öffentlichkeit verwaist. Zu einer Zeit, in der die Politik aus den Bürgerhäusern auf die Straße gedrungen ist, treibt es während entscheidender Stunden die Menschen von der Straße in die gute Stube zurück.«, Kracauer, Siegfried, »Berliner Nebeneinander«, in: Ausgewählte Feuilletons 1930–1933, Zürich: Edition Epoca 1996, S. 63. 236 Anonym, »Die Stunde der Frau«, in: Die Bühne, Nr. 16, 1925, S. 62. 237 Ebd.

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Diese Ausdifferenzierung vollzog sich gemeinsam mit einer Neubewertung des Masse-Diskurses der Jahrhundertwende.238 Wurde nach LeBon die Masse als physisch präsente und entindividualisierte Menschenansammlung beschrieben, konzentrierten sich die Diskussionen über eine Hörergemeinschaft auf den/die vereinzelte/n ZuhörerIn. »Die verstreute Masse […] erlangt nur mit Hilfe eines distanzierten, gleichsam soziologisch informierten Blicks Gestalt: Die Menge der vereinzelten Vielen, die nicht mehr vollständig an eine definitive Ordnung ständischer Hierarchien gebundenen Bevölkerung, die sich zwar in Schichten, Klassen oder Gruppen gliedern mag, aber in ihrer Gesamtheit räumlich verstreut und unüberschaubar bleibt.«239

Damit wurde ein antagonistischer Öffentlichkeitsbegriff in die zeitgenössischen Radiodebatten eingeführt. Man wollte ein Radioprogramm etablieren, welches, in Sendeschienen unterteilt, konkrete Gruppen erreichen sollte. Damit einher ging auch ein Disziplinierungsversuch; das Radio sollte nicht mehr einer Wasserleitung gleich laufen, sondern vielmehr konzentriert und gezielt konsumiert werden. »Nicht wahllos hören, sondern aussuchen und mit jener Konzentration zuhören, die erforderlich ist, um zum wirklichen Genuß zu gelangen: dies ist die Aufgabe, die sich jeder Rundfunkhörer selbst zu stellen hat.«240 Eine Möglichkeit, dieser verstreuten und unsichtbaren Masse ein Gesicht zu geben, liegt in der HörerInnenbefragung. In den 20er und 30er Jahren wurden zahlreiche Rundfunkumfragen gestartet wurden. Vor allem Radiozeitschriften und Radioamateurbewegungen versuchten, dergestalt auf das Programm des Senders Einfluss zu nehmen. Die erste dieser Umfragen wurde von der Zeitschrift Radiowelt unter dem Titel »Was wünschen Sie zu hören?« im Jahr 1924 durchgeführt. Auch die Bühne ermutigte ihre LeserInnen, zur Ausgestaltung des neuen Mediums Stellung zu beziehen.241 Weitere Radioumfragen wurden von der RAVAG gemeinsam mit dem Psychologischen Institut der Universität Wien und der Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle unter der Leitung von Paul Lazarsfeld durchgeführt. Die bekannteste und größte Umfrage fand 1931 in Zusammenarbeit mit dem jungen Wissenschafter und späterem Kommunikationsforschungspionier Paul Lazarsfeld statt. In dieser »Hörerbefragung der RAVAG« wurden die Wünsche der RadioteilnehmerInnen mittels vierseitigem Fragebogen, der in Trafiken als 238 239 240 241

Vgl. Moscovici (1986). Schrage (2004), S. 176. Anonym, »Auswertung der Radiostudie«, in: Radio Wien, Nr. 6, 1932, S. 5. Weitere Radioumfragen wurden von der deutschnationalen Zeitschrift Radio-Woche 1928 und der sozialistischen Zeitschrift Rundfunk für Alle im Jahr 1932 durchgeführt, vgl. Brunner-Szabo (1989), S. 239. Die Radiowelt veranstaltete darüber hinaus noch vor Beginn des regelmäßigen Radiobetriebs in Österreich die Umfrage »Wie soll der Broadcastingdienst in Österreich organisiert werden?«, in: Radiowelt, Nr. 12, 1924, S. 7.

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Beilage zu Zeitungen und Radiozeitschriften auflag, erhoben und erstmals auch demographische, soziale und geschlechtsspezifische Daten erfragt. Über hunderttausend ausgefüllte Fragebögen wurden an den Sender zurückgeschickt und ausgewertet.242 Die Radioumfrage von Paul Lazarsfeld stellte die bisher größte Untersuchung dar ; mit ihr begann auch eine Medien- und Publikumsforschung, die von Lazarsfeld im Princeton Research Center in New York fortgesetzt und weiterentwickelt wurde.243 Während sich Umfragen bisher hauptsächlich mit den Programmvorlieben der HörerInnen beschäftigt hatten, wurden bei der Radiostudie von Paul Lazarsfeld auch persönliche Daten über das Radiopublikum gesammelt und Fragen zur Radionutzung gestellt. Damit wurde es erstmals auch möglich, eine nationale Radioöffentlichkeit zu generieren, die sich in unterschiedliche Radiopublika unterteilen ließ und in die weitere Ausgestaltung des Sendeprogramms einbezogen werden konnte. Die geringe Radionutzung in den Bundesländern sollte durch Werbemaßnahmen und stärkere inhaltliche Ausrichtung auf landwirtschaftliche Themen verbessert werden. Die österreichische Durchschnittshörerin allerdings war, überspitzt formuliert, weiblich, über 30-jährig und aus Wien.244 Bei der Auswahl der Sendungen zeigte sich – unabhängig von Berufsstand, Alter, Geschlecht oder Herkunft – deutlich die Präferenz der ZuhörerInnen für leichte Musik und Unterhaltung. Besonders das Hauptabendprogramm wurde dementsprechend mit Bunten Abenden und Hörspielvorführungen gefüllt. »[D]ie Tendenz zur Programmierung der ›Prime Time‹ mit eher leichter Kost und der Verbannung anspruchsvollerer Sendungen in die späteren Abend- und Nachtstunden […] offenbar keine Erfindung des modernen Kommerzrundfunks beziehungsweise der Selbstkommerzialisierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten, sondern die Konsequenz empirischer Erhebungen aus der Frühzeit der elektronischen Medien […].«245

Die Programmtendenzen der RAVAG gingen allerdings verstärkt in Richtung Belehrung und weniger in Richtung Unterhaltung, indem das Programm be242 Kurz davor hatte die RAVAG bereits eine Radioumfrage gemeinsam mit dem Wirtschaftspsychologischen Institut und dem Psychologischen Institut der Universität Wien unter dem Titel: »Warum Hörer ihre Teilnehmerschaft aufgeben« durchgeführt. Vgl. Brunner-Szabo (1989), S. 239. 243 Vgl. Paul Lazarsfeld und die Wiener RAVAG-Studie 1932. Der Beginn der modernen Rundfunkforschung, hg. v. Desmond Mark, Wien, Mühlheim a. d. Ruhr : Guthmann-Peterson 1996, S. 14. In den 1930er und 1940er Jahren arbeiteten viele ExilantInnen für Lazarsfeld im amerikanischen Radioforschungsinstitut, unter ihnen auch Rudolf Arnheim und Theodor W. Adorno. Erst durch Lazarsfelds Pionierleistungen konnte die Publikumsforschung internationale Beachtung finden. 244 Ebd. 245 Ebd., S. 84.

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müht war, vor allem volksbildnerisch zu wirken und zur Kontemplation und Konzentration einzuladen. Darüber hinaus verstärkte sich zusehends die österreichische Note in den einzelnen Sendungen; dieser Umstand machte sich bald auch in der Ausgestaltung und inhaltlichen Ausrichtung der Publikationen der RAVAG (in der Zeitschrift Radio Wien und dem Magazin Mikrophon) bemerkbar.

Ohrendramen, Sendespiele und Radiobühnen: Rundfunk und Hörkunst In einer kleinen Notiz zum Thema »Was gibt es Neues im Äther?« der Zeitschrift Radiowelt vom April 1924 liest man: »In Amerika sind kürzlich zum ersten Mal die Preise in einem ganz neuartigen Wettbewerb zur Austeilung gelangt: Es handelte sich darum, eine Art von dramatischen Werken zu schaffen, die sich besonders zur Wiedergabe durch das Radio eignen, indem sie sich mit voller Ausschließlichkeit an das Ohr wenden, wie das Kino an das Auge. Das Stück, das unter dreihundert Einsendungen den ersten Preis von 500 Dollar gewonnen hat, stammt von einer New Yorker Dame, Agnes Miller und ist eine Komödie aus dem Geschäftsleben.«246

Als Bezeichnung für derartige, ausschließlich fürs Ohr bestimmte Stücke schlug die Zeitschrift den Begriff »Ohrendrama« vor. Zahlreiche Rundfunkanstalten und Zeitschriften veranstalteten in den ersten Jahren des institutionalisierten Rundfunkbetriebs derartige Preisausschreiben. So forderte etwa in Österreich die Bühne in einer Ausgabe aus dem Jahr 1925 ihre Leser dazu auf, an der Entstehung einer »vollendeten Radiokunst« mitzuarbeiten: »Schreibt Radiostücke! Schreibt Radioromane! Schreibt Radionovellen! Komponiert Radiolieder! Zeichnet Radiokarikaturen! Macht Radioscherze!«247 Die jeweiligen Bezeichnungen verweisen nicht nur auf ästhetische Konzepte, sondern vielfach auch auf ein Naheverhältnis mit anderen Künsten.248 Zunächst begann aber die Suche nach einer »vollendeten« Radiokunst mit der Suche nach einem geeigneten Namen dafür. Die Vorschläge reichten von oben zitierten Ohrendramen und Radiostücken über Sendespiele, Sendedramen, Hörfilme, Hörstücke und Hörspiele. 246 Anonym, »Das Radiospiel«, in: Radiowelt, Nr. 11, 1924, S. 3. 247 Die Bühne, Nr. 15, 2. Jg, 1925, S. 7. In Europa gilt The Comedy of Danger als erstes eigens für den Rundfunk geschriebene Stück, das am 15. Jänner 1924 von der BBC gesendet wurde. 248 Untersuchungen zur Hörspielgeschichte verweisen zumeist auf drei verschiedene Formen radiogenuiner Kunst: politische, experimentelle und literarische Hörspiele – eine Unterteilung, die bereits einer Wertung entspricht und keinesfalls die zu Beginn des Rundfunks vorherrschende Vielfalt an Hörkunstformen abdeckt.

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An der Diskussion über eine radiogerechte und rundfunkeigene Kunst beteiligten sich SchriftstellerInnen, RadiomacherInnen sowie Theater- und Filmschaffende; federführend in diesem Zusammenhang war Deutschland, das während der Weimarer Republik auf eine Vielzahl innovativer RadiomacherInnen verweisen konnte. Erste theoretische Positionen zu einer eigenen Radiokunst wurden bei der Tagung »Rundfunk und Dichtung« in Kassel auf breiter künstlerischer und rundfunkpolitischer Ebene gesammelt. Bei dieser Tagung, organisiert von Hans Bredow und der Reichsrundfunkgesellschaft, nahmen neben Schriftstellern wie Alfred Döblin und Arnold Zweig auch Sendungsverantwortliche deutscher Rundfunksender, wie etwa Hans Flesch oder Ernst Hardt, teil. Alfred Döblin, dessen Erfolgsroman »Berlin Alexanderplatz« auch zum Hörspiel umgearbeitet wurde, sprach bei dieser Tagung über die »Möglichkeit eines Eintritts von Literatur in den Rundfunk«249. Döblin sah die Herausforderung des Rundfunks in der Adressierung einer unbegrenzten Zahl an Hörenden. Als Ausdrucksmitteln erschienen ihm Epik und Lyrik geeignet, wohingegen Roman und Drama für eine radiogenuine Kunstform ungeeignet seien.250 »Man kann keine Romane im Rundfunk vorlesen, und man kann keine Dramen im Rundfunk aufführen.«251 Das »Hörspiel«, das »aus Sprache und dichterischer Phantasie« entstehen solle und sich durch »Hörbarkeit, Kürze, Prägnanz, Einfachheit«252 auszeichne, betrachtete er als Herausforderung für die Literaturschaffenden. Die Bezeichnung »Hörspiel« wurde bereits 1924 erstmals in der Zeitschrift Der deutsche Rundfunk von Hans Siebert von Heisters öffentlich diskutiert: Er »unterschied mit diesem Begriff eigens für den Rundfunk geschriebene Werke von jenen, die nach vorhandenen Vorlagen lediglich für eine Sendung bearbeitet werden«253. Hans Siebert von Heisters deutete das Hörspiel als »das arteigene Spiel des Rundfunks […], das in uns die Illusion einer unmittelbar – vor unserem Ohr – sich abwickelnden lebendigen Handlung zu erwecken vermag«254. Der Begriff setzte sich schnell im deutschsprachigen Raum durch, doch mit seiner Etablierung erfolgte auch eine Vereinheitlichung der bis dahin üblichen 249 Döblin, Alfred, »Literatur und Rundfunk«, in: Dichtung und Rundfunk. Reden und Gegenreden, hg. v. Hans Bredow, Berlin: Reich-Rundfunkgesellschaft 1930, S. 15. 250 Im Nachkriegsrundfunk Österreichs erfreute sich das sonntagnachmittäglich gesendete Radioformat Der dramatisierte Sonntagsroman besonderer Beliebtheit. Im Sammelband »Vom Dampfradio zur Klangtapete« wird diese Sendereihe sogar als »Legendäre Radiosendung« gelistet. Vgl. Godler (2004), S. 261. 251 Döblin (1930), S. 13. 252 Ebd., S. 15. 253 Würffel, Stefan Bodo. Das deutsche Hörspiel. 2. überarb. und erw. Auflage. Stuttgart: Metzler 2000, S. 18. 254 Der Deutsche Rundfunk, Nr. 32, 1924, S. 1779.

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Vielfalt an radiophoner Kunst; vor allem aber bedeutete die begriffliche Festschreibung eine Betonung auf den literarischen Text, wodurch andere Radiokunstformen zurückgedrängt und als Radioexperimente abgetan wurden. Auch inhaltlich erfuhr das Hörspiel eine Kategorisierung: Während sich insbesondere die Innenschau des menschlichen Seelenlebens als bevorzugtes Themengebiet etablierte, wurde das sozialpolitische Hörspiel zusehends als eine Sonderform der Gattung Hörspiel betrachtet. Auch der Hörspieldiskurs kam nicht ohne die Frage des Publikums aus. Die Herausforderung, an eine »unbegrenzte Zahl an Hörenden«255, also an Hunderttausende zugleich und dabei an jede/n Einzelne/n allein zu senden, wurde sowohl in seiner ästhetischen als auch in seiner politischen Dimension diskutiert. »Der Funk geht wohl äußerlich in die Breite, befriedigt ein Massenbedürfnis und wendet sich, von außen gesehen, an die Masse. Seine Wirkung ist jedoch im innersten Wesen individual [sic], d. h. der Rundfunk führt zum Einzelerlebnis, nicht zum Gemeinsamkeitserlebnis. Ähnlich dem Buch oder der Zeitung. Wohl vermag er an einem Gemeinschaftserleben (im Gegensatz zum Gemeinschaftserlebnis) teilnehmen zu lassen – man denke an die Übertragung der Rheinlandfeier – doch bleibt auch in diesem Falle die Wirkung Einzelerlebnis. Der Hörspieler spricht also nicht zu einer geschlossenen Masse von Hunderttausenden, sondern nur zu dem Hörer, zum Einzelhörer. Er spricht zu jedem einzelnen der Hunderttausende getrennt. Er muss also den Einzelhörer, der bei Beginn nur stiller Beobachter ist, einführen in das Spiel, ihn, den einzelnen, überzeugen und seine Teilnahme zum eigenen inneren Erlebnis steigern.«256

Der Nationalsozialist Richard Kolb reihte sich damit in einen Hörspieldiskurs der Zeit ein, wie ihn auch andere SchriftstellerInnen und RadiokritikerInnen geführt haben. So sprach sich Franz Werfel in der österreichischen Radiozeitschrift Mikrophon für eine Dramaturgie der Innerlichkeit und für »seelenhaftere Empfindungsformen«257 aus: »Wie der Film die Millionenmassen, die bis dahin vom Phantasieerlebnis so gut wie ausgeschlossen waren, das schauende Träumen lehrt, so lehrt sie der Rundfunk (vielleicht noch im höheren Maße) das lauschende Träumen«258. Richard Kolbs Thesen gingen jedoch über einen ästhetischen Diskurs weit hinaus; sie intendierten eine klare politische Botschaft, die ihn zum ersten Radiotheoretiker der NS-Zeit machte.

255 Döblin (1930), S. 15. 256 Kolb, Richard, »Die Entwicklung des künstlerischen Hörspiels aus dem Wesen des Funks« (1931), in: Theorie des Hörspiels. Arbeitstexte für den Unterricht, hg. v. Horst Scheffner, Stuttgart: Reclams UB 1978, S. 13–21, S. 15. 257 Werfel, Franz, »o. T.«, in: Mikrophon, Nr. 2, 1934, S. 19. 258 Ebd.

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»Am meisten erfüllt und zugleich bewegt werden wir aber durch das eigene innere Erleben. Der Hörspieler muss also seine Rolle aus der eigenen inneren Vorstellungswelt zum inneren Erlebnis gestalten, das sich in die Schwingungen des Wortes umsetzt. Losgelöst von allem Sichtbaren, in Schwingung versetzt vom seelischen Impuls des Spielers, wird das Wort zur zeugenden Kraft, die die seelischen Kräfte des Hörers bewegt und in ihm die inneren Vorgänge schafft. Damit aber der Hörspieler diese seine äußerste Wirkungsmöglichkeit entfalten kann, muss die Hördichtung ein inneres Erlebnis zum Vorwurf haben: innere Entwicklung und Gebundenheiten, also das Seelische im Menschen.«259

Kolbs Hörspieltheorien blieben nach 1945 und bis in die 1960er Jahre hinein von Bedeutung und wurden immer wieder aufs Neue rezipiert. Seine Thesen wurden über die nationalsozialistische Zeit hinaus von HörspielmacherInnen und HörspieldramaturgInnen aufgegriffen und weitergeführt. Kolbs Hörspieltheorie setzte maßgebliche Impulse für die nationalsozialistische Radiotheorie, ebenso wie für das Hörspiel der Nachkriegszeit. Sein Paradigma der Innerlichkeit fand sich in vielen Auseinandersetzungen zu einer Theorie des Hörspiels wieder. Ziel war es, nicht den Menschen in Bewegung, sondern die Bewegung im Menschen hörbar zu machen.260 Damit einher ging auch eine Überbetonung der Blende261 und eine Absage an filmische Verfahrensweisen für das Hörspiel. Erst 1968, mit Helmut Heissenbüttels programmatischer Rede »Horoskop des Hörspiels« zum Neuen Hörspiel,262 wurde eine Reflexion und Diskussion von Kolbs Thesen angeregt. Mit diesem Paradigmenwechsel im Hörspieldiskurs fanden darüber hinaus auch Hörspielkonzepte, wie etwa jene von Bertolt Brecht und Hans Flesch, wieder Eingang in Hörspieltheorie und -praxis. Vor allem Hans Flesch, Intendant des Frankfurter Radios und später als Programmleiter in Berlin tätig, versuchte dem Hörspiel bereits in seinen Anfangsjahren mehr Facetten und Möglichkeiten abzugewinnen. »Der Rundfunk ist ein mechanisches Instrument, und seine arteigenen künstlerischen Wirkungen können infolgedessen nur von der Mechanik herkommen. Glaubt man nicht, daß das möglich ist, so kann man eben an das ganze Rundfunk-Kunstwerk nicht glauben«263. 259 Kolb (1931), S. 16. 260 Kolb, Richard, Horoskop des Hörspiels, Berlin 1932 (Rundfunkschriften für Rufer und Hörer, Bd.2), S. 41. 261 Vgl. dazu den Artikel von Siegert, Bernhard, »Das Hörspiel als Vergangenheitsbewältigung«, in: Diskursgeschichte der Medien nach 1945. Medienkultur der 50er Jahre, Bd. 1, hg. von Irmela Schneider und Peter M. Spangenberg. Wiesbaden: Westdt. Verl. 2002. S. 287– 298. 262 Heißenbüttel, Helmut, »Horoskop des Hörspiels«, in: Ders., Zur Tradition der Moderne. Aufsätze und Anmerkungen 1964–1971, Luchterhand, Neuwied und Berlin 1972, S. 203– 223. 263 Flesch, Hans, »Hörspiel, Film, Schallplatte«, zitiert nach: Hagen (2005), S. 107.

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Hans Flesch war einer jener jungen Radiomacher – bei seiner Berufung zum Programmintendanten von Radio Frankfurt war er gerade einmal 27 Jahre alt – die versuchten, dem unpolitischen und nur auf Belehrung und Unterhaltung ausgerichteten Rundfunk der Weimarer Republik neue, innovative Seiten abzugewinnen.264 Gemeinsam mit Ernst Schoen, der ein ehemaliger Schüler Edgar Vareses war, entwickelte er ein Radioprogramm, das sich trotz der starken Kontroll- und Zensurvorschriften als ein eigenständiges und auch politisches Programm etablieren konnte. Flesch engagierte auch Walter Benjamin für erste Radioaufträge. Weitere Künstler wie Ernst Krenek, Paul Hindemith, Arnold Schönberg, Alfred Döblin, Bert Brecht, oder Kurt Weill wurden von ihm mit Radioarbeiten beauftragt.265 In Österreich war es der Filmregisseur und Radiomacher Hans Nüchtern, der als Leiter der Radiobühne rundfunkästhetische Positionen formulierte; dabei gingen seinem Hörspielkonzept weniger theoretische Reflexionen als praktische Regieerfahrungen voraus. Nüchtern definierte die Aufgabe des Hörspielregisseurs dadurch, eine Tonkulisse für Funkbearbeitungen zu schaffen. »Die Schauplätze müssen durch Geräusche charakterisiert werden. Man muß beim Hören die Empfindung haben, in einem großen Büro, auf der Straße oder in einer Wohnung zu sein.«266 Dabei sollte alles »Optische, durch eine akustische hörbare Ausdruckform ersetzt werden. Die Arbeit des Hörspielregisseurs ähnelt hier sehr der des Filmregisseurs zur Zeit des stummen Films, als man bemüht war, möglichst wenige Zwischentitel zu verwenden und alles durch das Bild erklären zu lassen.«267 Auch die »Radiobühne« der RAVAG unter der Sendeleitung Nüchterns verschrieb sich ganz der Adaptierung von Bühnenstücken. Als eines der ersten für den Rundfunk adaptierten Sendespiele der Wiener Radiobühne ging zu Allerseelen des Jahres 1924 das Stück »Der Ackermann und der Tod« von Johann von Saaz auf Sendung, wobei Schauspieler des Deutschen Volkstheaters die titelgebenden Rollen spielten. Zahlreiche Zeitschriften widmeten sich in mehreren Artikeln dieser ersten Hörspielbearbeitung der Radiobühne. Die Bühne schrieb etwa in einer ausführlichen Kritik zur Radioaufführung: »Der Plan, das Werk nach einer schon im Wiener Konzertsaal erfolgten szenischen Aufführung zur Radiowiedergabe zu bringen, war lockend genug. Der erste Allerseelentag bot den ernsten Rahmen dafür. Für die Stimmen des Klägers und des Todes 264 Vgl. Ehardt, Christine, »Verehrte Unsichtbare! Über die Kunst des Hörens bei Walter Benjamin und Theodor W. Adorno, in: (K)ein Ende der Kunst. Kritische Theorie, Ästhetik, Gesellschaft, hg. v. Brigitte Marschall et. al. Wien: Lit Verlag 2014, S. 139–153, S. 144. 265 Vgl. ebd. 266 Nüchtern, Hans, »Wie ein Hörspiel entsteht«, in: Rundfunk für Alle, Nr. 17, 1932, S. 5. 267 Ebd.

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wurden Wilhelm Klitsch und Ferdinand Onno gewonnen. Es war gewiß nicht leicht, diese nur auf das Seelische der Vorgänge aufgebaute Dichtung durch das Radio wiederzugeben. Was gerade bei der szenischen Aufführung so stark wirkt: die Persönlichkeit des Sprechers, kann beim Radio nur durch das Persönliche der Stimme ersetzt werden. Die Stimme muss alles allein tun und das kann nur auf dem Wege vollendeter und persönlich fortreißender Sprechkunst geschehen. Die Radiobühne verfügt aber selbst über reine Wirkung, die vielleicht keinem Podium und keinem Konzertsaal zur Verfügung steht: die Tatsache, dass der Zuschauer nicht durch äußere Vorgänge abgelenkt wird. Das kam bei der Aufführung zunächst dem auf innerlichte Konzentration eingestellten Ackermann zugute […].«268

Die zu Beginn des regelmäßigen Sendebetriebs ausgestrahlten Sendespiele auf den Radiobühnen der Rundfunkanstalten wurden aber auch in Österreich bald als antiquiert und in ihrer Darstellung als zu übertrieben betrachtet. KritikerInnen sprachen vom Radiokitsch, der den allzu naturalistischen Produktionen anhafte. Dabei wurden in der Debatte zur dramaturgischen und ästhetischen Gestaltung von Hörwerken Parallelen zum Film gezogen und der Wunsch der Radiomacher sowie der Presse war es, auf spektakuläre und geräuschvolle Stückadaptierungen zu verzichten. Als Negativbeispiel für diese frühe Aufführungspraxis wurde das Sendespiel »Wallensteins Lager« in der Rundfunkinszenierung Alfred Brauns herangezogen. Das Stück war im Berliner Sender am 3. Januar 1925 in Theaterkostümen aufgenommen worden und galt bereits kurz nach seiner Ausstrahlung als Negativbeispiel einer falsch verstandenen Radioästhetik. Nüchtern beschrieb, wie viele seiner deutschen KollegInnen, dagegen das »Traumhafte«269 für den Rundfunk als besonders geeignet. Werke wie »Hanneles Himmelfahrt« von Gerhart Hauptmann (unter der Spielleitung Emil Geyers) oder Grillparzers »Der Traum ein Leben« wurden inszeniert. Nüchtern räumte aber ein, dass die Zukunft der Radiobühne nicht »das für Radio bearbeitete, sondern das für Radio geschriebene Stück«270 sein würde. So fanden sich auch im österreichischen Rundfunk Hörspielkonzepte, die spezifische radioästhetische Möglichkeiten erprobten. Im Hörspiel »Zwei Bund Schlüssel«, einem »Hörspielschwank« von Carl Bahr, der auch die Regie übernahm, wurden 18 Telefongespräche zu einer »Ehebruchsverwicklung in Schwankform«271 verbunden. Auf Publikumsbeteiligung setzte das Hörspiel »Der Fall Pannicke« über einen fiktiven Gerichtsprozess, für den per Telefonanruf und mittels Preisausschrei-

268 269 270 271

Anonym, »Ein Mysterium-Spiel auf der Radiobühne«, in: Radiowelt, Nr. 37, 1924, S. 49. Nüchtern, Hans, »Radiobühne und Radioregie«, in: Die Bühne, Nr. 14, 1925, S. 57. Ebd., S. 58. Anonym, »Ein Telephonschwank fürs Radio«, in: Radiowelt, Nr. 49, 1928, S. 767.

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ben im Anschluss an die Sendung von den RundfunkhörerInnen das Urteil gefällt werden konnte.272 1928 wurde das von der Berliner Reichsrundfunkgesellschaft ausgezeichnete Hördrama »Die Ballade von der Stadt« von Franz Theodor Csokor als ein besonderes Radioexperiment erprobt, das »für die technische Wiedergabe besondere Möglichkeiten«273 bot. Mit dem Hörspiel »Clown wider Willen« von Konrad Marils versuchte man, »Chaplins Komik ins Akustische« zu übersetzen. Gearbeitet wurde mit »naturgetreuen Telephongesprächen (zwischen zwei Studios bewerkstelligt), Zirkuslärm, ›akustische[r] Großaufnahme‹ und phonetischen Wanddekorationen mit Musikuntermalung und Stimmenverteilung, Geräuschplatten und ähnliches mehr«, wobei die kakophonische Tonkulisse technisch und ästhetisch im Stil eines Tonfilms gestaltet sein sollte. Protagonist des Hörspiels war »Schlehmil Krupnick«, gesprochen von Hans Thimig, »einem Chaplin gleich und auch einem Schwejk«, und in der Kritik zum Hörspiel wurden die »guten Absichten«274 von Regie und Autor gewürdigt. »[D]ie Aufgabe, die Illusion einer akustischen Chapliniade zu wecken, die Wirrsale eines komikstrotzenden, scheinbar ganz auf der humoristischen Fläche sich bewegenden Menschenkindes in all ihrer Buntheit verständlich zu machen, Menschlichkeit und bunte Bewegtheit gleichzeitig zu betonen brauchte es starkes technisches Können und starke geistige Anspannung.«275

Seine rundfunkästhetischen Überlegungen und Erfahrungen vermittelte Nüchtern auch an der Akademie der darstellenden Künste, wo er einen eigenen Rundfunkunterricht abhielt, »der den heranwachsenden Schauspieler mit der wichtigen Welt des Rundfunks vertraut machen sollte«, um damit »anleitend und anregend für Rundfunk, Sprache und Dichtung im Rundfunk zu wirken.«276 Wie wenig Spielraum dieser Hörspieldiskurs im österreichischen Rundfunk zuließ, beweist der Mangel an Hörspielproduktionen von österreichischen Erfolgsliteraten und -literatinnen. Viele SchriftstellerInnen, wie etwa Ödön von Horv#th oder Karl Kraus, verfassten zwar Texte fürs Radio, wurden aber nicht in

272 Anonym, »Der Fall Pannicke«, in: Radiowelt, Nr. 48, 1928, S. 735; Anonym, »Der Fall Pannicke«, Radio Wien, Nr. 11, 14. Dezember 1928, S. 173f. (http://www.scriptdepartment. org/intern/werke/20_05.pdf Zugriff: 01. 08. 2016). Während die Zeitschrift Radiowelt nur auf die Telefonbeteiligung im Anschluss an das Hörspiel hinweist, gibt die Zeitschrift Radio Wien nur Auskunft über das Preisausschreiben. 273 Nüchtern, Hans, »Die Radiobühne im neuen Sendejahr«, in: Radiowelt, Nr. 34, 1928, S. 233. 274 Anonym, »Neue Akustik«, in: Radiowelt, Nr. 42, 1928, S. 544. 275 Ebd. 276 Nüchtern, Hans, »So wurde es gemacht – wie wird’s gemacht? Ein Jahrzehnt Radiobühne«, in: Mikrophon, Nr. 1, Oktober 1934, S. 6.

Ohrendramen, Sendespiele und Radiobühnen: Rundfunk und Hörkunst

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Österreich, sondern im Rundfunk der Weimarer Republik produziert und gesendet.277 Karl Kraus trat mehrmals im Radio auf: 1930 präsentierte er »singend und sich dabei am Klavier begleitend«278 seinen Offenbach-Zyklus im deutschen Äther. Im selben Jahr inszenierte er für den Berliner Rundfunk Shakespeares »Timon von Athen«, wobei er selbst darin die Hauptrolle übernommen hatte. In einer Kritik zu dieser Rundfunkarbeit wurde allerdings bemängelt, dass die Aufführung »für diejenigen unverständlich [blieb], die das Drama nicht kannten«; Fazit der wenig rühmlichen Rundfunkrezension: »ein Oratorium, keine dramatische Sendung«279. Auch Ödön von Horv#th war im Radio vertreten; wie viele KollegInnen dieser Zeit hatte »Horv#th ab 1932 nicht nur versucht, als Skriptautor und Dialogschreiber beim neuen Medium Tonfilm Fuß zu fassen, er interessierte sich auch für die Möglichkeiten des neuen Genres Hörspiel.«280 Seine beiden Hörspielmanuskripte, die er in den Jahren 1929 und 1930 verfasste, sind nur als Fragment erhalten und wurden nach seinem Tod produziert. Beide Texte liefern aber einen Eindruck von Horv#ths Gespür für das neue Medium sowie dessen radioästhetische Wirkungsweise und zeigen in »Anlage, Durchführung und Grundidee«281 Horv#ths Talent als Hörspielautor. Sowohl die kurze Szenencollage »Der Tag eines jungen Mannes von 1930«, die mit einer Hörerumfrage zum moralischen Zustand der Jugend einsetzt, als auch das in sieben Szenen abgefasste Hörspiel »Stunde der Liebe« zeigen seinen radioaffinen Zugang zum Hörspiel. »Wie ein neutraler ›Rundfunksprecher‹ in der Eröffnung mitteilt, macht es eine besondere apparative Erfindung erstmals möglich, Menschen über größere Entfernungen hinweg zu belauschen. Worauf sich dieser apparative Lauschangriff in den folgenden Szenen konzentriert, sind Liebespaare an öffentlichen Orten. Ausgewählt werden Orte, an denen Horv#thsche Figuren häufig zu finden sind: im Park, im Tanzcaf8, im Kino. Wie bei Horv#th nicht anders zu erwarten, sind die erlauschten Befunde über die Liebesverhältnisse der Paare wenig erbaulich. Romantische Vorstellungen von der Liebe finden sich allenfalls zu hohlen Phrasen erstarrt.«282

277 278 279 280

Vgl. Hagen (2005), S. 83. Ebd. Ebd. Polt Heinzl, Evelyn, »Ödön von Horv#th: Der Tag eines jungen Mannes von 1930. Stunde der Liebe«, Hörbuch Rezension vom 26. Februar 2002, http://www.literaturhaus.at/index. php?id=4329 (Zugriff: 07. 08. 2014). 281 Ebd. 282 Die beiden Hörspiele wurden 1973 in der Regie von Otto Düben und Franz Xaver Kroetz vom SWR Stuttgart produziert. SprecherInnen waren u. a. Gustl Bayrhammer, Herbert Bötticher, Walter Sedlmayr, Eleonore Zetzsche, Franz Xaver Kroetz.

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Auffallend bei beiden Manuskripten ist die Dramaturgie der Hörspiele: Beide spielen mit raschen Szenenwechseln, die zum Teil auch auf einer Metaebene das Hörspiel selbst und seine Inszenierung im Rundfunk thematisieren. Horv#th spielte mit der Körper- und Ortlosigkeit der Stimmen im Radio und erschuf in kurzer Szenenfolge eine Vielzahl an Hörräumen. »Eine Stimme: Der Chef! (Kurze Stille) Büro: Fräulein Klisch zum Diktat zum Chef! (Kurze Stille) Der Chef: […] Fräulein Klisch, Sie müssen heute noch etwas länger bleiben – es ist ja schon ein Uhr – Sie müssen heute noch etwas Überstunden machen, aber natürlich ist unser Geschäft bei diesen traurigen vaterländischen Zeiten nicht in der Lage, Überstunden zu bezahlen – Fräulein: Ja, Herr Chef (Tutensignal) Sprecher : Hier deutsche Stunde in Bayern! Ich muß hier leider das Hörspiel unterbrechen, es ist mir nämlich gerade eine Nachricht zugekommen. Ein gewisser Herr Alois Huber beschwert sich über das Hörspiel. Er sagt, er möchte seinen Grüabigen [sic] haben, er möchte seine Ruh und er möchte nichts mehr vom Kranzler wissen, der geht ihn gar nichts an, er möchte lieber ein großes historisches Schauspiel oder dergleichen. Ich stehe aber auf dem Standpunkte, dass der Kranzler uns mehr interessiert als der Herr Huber. Er soll halt sein Radio ausschalten, aber nicht vergessen, seine Antenne zu erden. Meine Damen und Herren! Wenn ich das dem Herrn Kranzler erzählen würd, was der Herr Huber über ihn denkt, so würde er sagen – Kranzler : daß es mir ganz wurscht ist, was der Huber über mich denkt.«283

Im Gegensatz zu »Stunde der Liebe« gibt die Hörcollage »Der Tag eines jungen Mannes von 1930« einen weitaus optimistischeren Befund über das Seelenleben der Jugend ab. Während die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse weiter prekär bleiben, wird doch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft beschworen. Das Liebespaar findet zum Schluss zueinander und das Hörspiel endet mit den fast zuversichtlichen Sätzen: »Fräulein: Glauben Sie an die Zukunft? Kranzler : Ich schau nur in die Zukunft. Fräulein: Und was sehen sie dort? Kranzler : Etwas Werdendes.«284

283 Horv#th, Ödön von, Der Tag eines jungen Mannes von 1930. Fragment eines Hörspiels von Ödön von Horv#th, Süddeutscher Rundfunk, Sendungsmanuskript von 1973, S. 7f., Nachlass Döhl, Archiv der Akademie der Künste Berlin. 284 Ebd., S. 10.

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Hörfilm tut not! »Für die Entwicklung der Hörspielkunst wäre es sehr wichtig, wenn man diejenigen Hörspiele, in denen mit den Ausdrucksmitteln des Raums und der Montage gearbeitet wird, nicht im Senderaum bühnenmäßig ›aufführen‹ sondern sie in der Art von Tonfilmaufnahmen stückweise auf einen Filmstreifen fotografieren und die einzelnen Tonstreifen nachher regelrecht schneiden und zu einem Hörfilm zusammenkleben würde.«285

In Rudolf Arnheims Auseinandersetzung mit den Mitteln und Möglichkeiten einer neuen Kunstform – dem Hörspiel – in seinem Buch »Rundfunk als Hörkunst«, erstmals 1936 in London unter dem Titel »Radio« erschienen,286 werden im Kapitel »Hörfilm tut not!« hörspielästhetische Konzepte mit filmtechnischen und filmtheoretischen Überlegungen verschränkt. Der Begriff »Hörfilm« wurde in den Anfangsjahren des Rundfunks vielfältig verwendet. Zum einen wurden damit featureartige Beiträge sowie Reportagen benannt, die besonders »lebendig« gestaltet werden sollten. Zum anderen war damit auch eine ästhetische Kategorisierung von Hörkunstarbeiten gemeint. Beide Begriffsverwendungen spiegeln die technischen Verfahrensweisen der Montage wider. Es wurde damit eine radiogenuine Form definiert, die sich technisch und ästhetisch am Film und seinen Schnitt- und Montagetechniken orientiert. Sowohl in der Kunst als auch in der Radiopraxis beschrieb der Begriff eine Rhythmisierung in der Gestaltung von Radiobeiträgen. Der Theaterregisseur Leopold Jessner sprach dabei etwa von einem »bestimmten Sprachrhythmus«, der im Radio »die Plastik des Geschehens«287 wiedergeben solle. Durch die technischen Weiterentwicklungen im Tonfilm wurde es erstmals auch für das Radio möglich, Aufnahme- und Speichertechniken zu verwenden, die eine Bearbeitung des aufgezeichneten Materials ermöglichten. Damit wurde die Frage des Rhythmus, wie sie auch Jessner in seinem Vortrag formuliert hat, evident. Aufgenommene Ereignisse mussten nun – ähnlich einer Komposition – zusammengestellt werden. Mit der Möglichkeit, Ton auf Filmstreifen zu speichern, erweiterte das junge Medium Hörspiel zu Beginn der 1930er Jahre seine künstlerische Formenvielfalt. Mithilfe optischer Aufnahmeprozesse konnten Töne geschnitten, montiert 285 Arnheim, Rudolf, »Rundfunk als Hörkunst«, in: Arnheim (2001), S. 7–187, S. 82. 286 Auf Deutsch erscheint der Band erst 1979. 287 Jessner, Leopold, »Funk und Theater. Rede gehalten 1929 auf der Sozialistischen Kulturtagung in Frankfurt am Main«. In Druck erschien sein Vortrag in der sozialdemokratischen Zeitung Der Abend am 2. Oktober 1929, zitiert nach: Skriptum zur Vorlesung »Kulturgeschichte des (Radio-)Hörens«, gehalten von Univ.-Prof. Dr. Hilde Haider-Pregler im Sommersemester 2006, zusammengestellt von Christine Ehardt, Christian Kohlhofer, Willi Fotter, S. 25–29, S. 26.

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und verändert werden. Damit wurde es möglich, sowohl synthetische Klänge herzustellen als auch Originaltöne speicher- und bearbeitbar zu machen – eine Entwicklung, die für den Tonfilm ebenso wie für das Hörspiel wichtige Impulse lieferte. Durch das optische Aufnahmeverfahren wurde Schall in analoge Lichtwellen umgewandelt und auf Filmband fotografiert; diese Lichtwellen erlangten auf den Filmstreifen als schwarzweißes Zackenmuster Sichtbarkeit und konnten wie der visuelle Teil des Filmstreifens genauso geschnitten und neu zusammengesetzt werden. Auf diese Weise gelang es, einen Hörraum zum Erklingen zu bringen und die narrative Handlung eines Hörspiels musste somit nicht linear in der Zeit angeordnet werden, sondern konnte neu zusammengesetzt beziehungsweise nebeneinander collagiert und montiert werden. Damit bekamen Geräusche und Klänge einen neuen Stellenwert im Hörspiel. Sie fungierten nicht als illustrierende Kulisse, sondern als eigenständige Elemente des Hörspiels. Als einer der bekanntesten Hörfilme gilt Walter Ruttmanns Collage »Weekend« von 1930. Ruttmann, der vor allem als Werbefilmer bekannt wurde, verwendete für seine Collage dokumentarische Klänge der Berliner Großstadt. Diese Klänge wurden mittels Licht-Ton – einem Verfahren, das für den Tonfilm erprobt worden war – aufgenommen und anschließend geschnitten und neu zusammenmontiert.288 Das Hörspiel handelt vom Rhythmus der Arbeit, beginnend mit dem Weckerläuten am Samstag, den Geräuschen der Arbeit, Maschinengeräuschen und Geräuschen von Schreibmaschinen, dem Beginn des Wochenendes und dem neuerlichen Beginn der Arbeitswoche. Somit beschreibt es also einen Kreislauf aus Arbeits- und Freizeit, in den immer wieder Zitate und Wortfetzen hineinmontiert wurden. Die Mittel der Filmkunst sind bei diesem Hörfilm nicht nur technisch, sondern auch formal auf das Hörspiel übertragen worden. Lotte Eisner meinte in einer Kritik: »Statt des Optischen Aufnahme des Akustischen« und sprach von »ersten interessanten Experimenten, die sich noch auszuwirken haben«289. Viele RadiokritikerInnen sprachen sich für eine stärkere Orientierung an filmischen Verfahrensweisen für den Rundfunk aus. Kurt Weill formulierte die Forderung nach einer »absoluten Radiokunst«, die sich stärker an Musik, Film und Malerei als an Literatur und Theater orientieren sollte: 288 Das Lichttonverfahren der Triergon-Gruppe war nur eine Aufnahme- und Speichermöglichkeit unter vielen. Zahlreiche Erfindungen dieser Art wurden zu dieser Zeit erprobt und patentiert. Vgl. Naber, Hermann, »Ruttmann und Konsorten. Über die frühen Beziehungen zwischen Hörspiel und Film«, in: Rundfunk und Geschichte. Mitteilungen des Studienkreises Rundfunk und Geschichte, Nr. 3–4/2006, S. 5–20. 289 Eisner, Lotte, »Walter Ruttmann schneidet ein Film-Hörspiel, in: Film-Kurier, Nr. 33, 1. 3. 1930. Zitiert nach Naber (2006), S. 19.

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»Was der Film an Neuem gebracht hat: den fortwährenden Szeneriewechsel, die Gleichzeitigkeit zweier Geschehnisse, das Tempo des wirklichen Lebens und das überlebensgroße Tempo der Persiflage, die marionettenhafte Wahrhaftigkeit des Trickfilms und die Möglichkeit, eine Linie von ihrer Entstehung bis zu ihrem Übergang in andere Formen zu verfolgen – all das – auf akustische Verhältnisse übertragen – muß das Mikrophon auch schaffen. Wie der Film die optischen Ausdrucksmittel bereichert hat, so müssen die akustischen durch die Rundfunktelephonie ungeahnt vermehrt werden. Die ›Akustische Zeitlupe‹ muß erfunden werden – und vieles andere. Und all das könnte dann zu einer absoluten Radiokunst führen.«290

Tempo in den gemächlichen Rhythmus des Radios zu bringen, entsprach auch einer Forderung des Radiopublikums. In einer Kritik zum Rundfunkprogramm wurden vor allem die langatmigen Pausen zwischen den gesprochenen Texten und Beiträgen kritisiert, die vielfach noch den technischen Erfordernissen geschuldet waren.291 Auch Leopold Jessner sprach in seinen Ausführungen zum Rundfunk vom »akustischen Film« – für ihn bezeichnete dieser Begriff die Möglichkeit, tempound spannungsreichere Sendungen zu gestalten. »Wenn man nun das gesamte Tagesprogramm des Rundfunks als ein einziges großes Sendespiel betrachtet, so ist hierzu zu sagen, dass der Rundfunk im Gegensatz zum Theater den Einzelfall berichtet, ohne ihn zu gestalten. Nur die Tatsachen als solche haben hier Interesse. Und dennoch unterscheidet sich das Gesamtbild der Rundfunkreportage wesentlich von der Berichterstattung einer Zeitung. Ein guter Rundfunkleiter muß sozusagen ein Dramaturg des täglichen Lebens sein. Seine Aufgabe ist es, aus jedem Tag und seinem Geschehen eine Hörrevue größten Stils zu machen – zusammengeschnitten wie ein akustischer Film; mit Spannungsmomenten, Überschneidungen, Steigerungen, darstellerischen Zuspitzungen.«292

Die Gestaltung von Hörbeiträgen, die sich aus mehreren aufgenommenen Ereignissen zusammensetzten und mittels Schnitt und Blende293 zusammengestellt werden konnten, lieferte nicht nur wichtige Impulse für das Hörspiel, sondern brachte auch für den Radiojournalismus neue dramaturgische Änderungen mit sich. Featureartige Beiträge und Reportagen wurden nun, angereichert durch dokumentarische Klänge und aufgenommene Ereignisse, dem Paradigma der »lebendigen Berichterstattung« unterstellt. 290 Weill, Kurt, Musik und musikalisches Theater : Gesammelte Schriften, mit einer Auswahl von Gesprächen und Interviews. Mainz: Schott 2000, zitiert nach Hagen (2005), S. 93. 291 Anonym, »Zuschrift«, in: Radiowelt, Nr. 31, 1928, S. 1. 292 Jessner (1929), S. 28. 293 Vor allem bei Musiksendungen kam der Blende ein besonderer Stellenwert zu, »Illusion einer endlosen Platte«, Zweitellerapparate, Zwischen zwei Platten wird überblendet. Vgl. Anonym, »Der Schallplattenbruder erzählt«, in: Mikrophon. Das Magazin für den Rundfunkhörer, Nr. 5, Juni 1934, S. 37.

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»Das lebendige Radio bekommt ›Lebendigkeit‹ mittels fliegender Mikrophone, die am Schauplatz der Ereignisse erscheinen und die Hörerschaft miterleben lassen, ›was es an Interessantem draußen in der Welt gibt‹. […] Es hat sich gezeigt, dass die Hörerschaft danach verlangt, ›dabei zu sein‹. Nichts anderes vermag so viel Interessen zu erwecken, wie irgendeine große öffentliche Angelegenheit, sei es nun eine Sportereignis, ein musikalisches Fest, ein Empfang der Ozeanflieger […].«294

Das unmittelbare Erlebnis stand damit im Vordergrund »lebendiger« Radioberichterstattung. So wurde 1934 im österreichischen Radio unter »Hörfilm« eine Reportage aus teils bereits aufgezeichneten »Hörbildern« und Live-Einschaltungen verstanden. »Würde Szene für Szene original gesprochen, so müsste man eine Kompagnie Sprecher aufbieten, oder die beiden Sprecher, die man wegen ihrer verschiedenen Art gewählt hat […] diese Unglücklichen müssten mit der Geschwindigkeit der elektrischen Wellen von einem Orte zum anderen schweben […]. Die Lösung heißt: Verbindung von Schallplatten- oder Tonfilmaufnahmen mit Originalreportage. […] Jede Schallplatte wird zweifach aufgenommen und die Kontrollplatte wird gleich nach der Aufnahme abgespielt und überprüft. […] Die Regie solcher Aufnahmen ähnelt der bei Großfilmaufnahmen, da die akustischen Effekte genau abgewogen werden müssen und es oft vieler Proben bedarf, bis aus der Wirklichkeit der richtige Stimmungsgehalt herausgeholt ist. […] Der Leiter der Regie sitzt mit den Hörern am Kopf, vor den Telephonen, die ihm eine Verbindung mit allen Aufnahmestellen ermöglichen, und gibt die Einsätze, die Techniker schalten und mischen und das brave Telephonkabel trägt die Vielfalt der Stimmen, Geräusche und Klänge nach Wien, nach Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt und Vorarlberg […]«295

Neben Hörberichten waren es vor allem die Sportreportagen, denen ein neues – filmisches – Konzept zugrunde gelegt wurde; in Österreich können etwa die Sportberichte des Radiosprechers Willy Schmieger,296 welche direkt vom Geschehen vor Ort berichteten, als hörfilm- und hörspielhaft beschrieben werden. In der Kritik zur ersten Radioübertragung eines Fußballspiels vom 7. Oktober 1928 vom Fußballfeld auf der Hohen Warte, bei der Österreich in einem Länderspiel auf Ungarn traf, wurde vom »volle[n] Erfolg der ersten Fußballübertragung« berichtet. »Welch ein Hörspiel, welche Aufregung und wahrhaftigste Naturexplosion der Begeisterung und Empörung, welche Bewegtheit der blitzhaft aufeinander folgenden 294 Czeija, Oskar, »o. T«., in: Radiowelt, Nr. 28, 1928, S. 1. 295 Anonym, »Ein Hörbericht wird gebaut«, in: Mikrophon. Das Magazin für den Rundfunkhörer, Nr. 4, Mai 1934, S. 19f. 296 Zur Biographie Willy Schmiegers vgl. Gerhard Urbanek der dem Moderator in seinem Buch einen eigenen Abschnitt unter dem Titel: »Der Professor, Willy Schmieger ein deutschnationaler Österreich-Patriot als Radio-Star« widmet. Urbanek, Gerhard, Österreichs Deutschland Komplex. Paradoxien in der österreichisch-deutschen Fussballmythologie, Wien/Berlin: LIT 2012, S. 108.

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Geschehnisse! Einzelne Spieler knapp und treffend zu charakterisieren. Situationsbilder zu geben und dabei eine amüsante oft humorvolle Note auszudrücken.«297

Diese Beschreibungen erinnern in ihrer Betonung auf die lebendige Form der Übertragung des Geschehens an die ersten Berichterstattungen von Telefonübertragungen Ende des 19. Jahrhunderts298. Das »Lebendige« dieser Übertragungen lag weniger in der Art und Weise des Radioberichts selbst, sondern vielmehr im erweiterten Hörraum. Die Stimmen und der Applaus des Publikums waren es, die den Radiohörern und -hörerinnen die Suggestion einer unmittelbaren Teilhabe vermittelten. Tatsächlich fanden sich in Arnheims hörspielästhetischen Überlegungen, Ruttmanns Hörfilm »Weekend« und in den neuen radiopraktischen Gestaltungsformen wie Feature und Reportage viele Übereinstimmungen. Ausgangspunkt bei allen diesen Radioformen war die Aufnahme und/oder Speicherung dokumentarischer Klänge gewesen.299 Diese bildeten das akustische Material, das mittels Collageverfahren – etwa durch Überlagerungen, Schnitte und Blenden – gestaltet wurde. Mit der Möglichkeit der Tonaufnahme von Ereignissen außerhalb des Sendestudios wurde der Originalton als eine Unterscheidungsform und ein Sonderphänomen des Akustischen evident. Bis dahin war jede Aufnahme eine Live-Aufnahme gewesen; einzige Ausnahmen waren die von Platte gesendeten Musikstücke. Technische Verfahrensweisen wurden immer gezielter zur Manipulation des Ausgangsmaterials eingesetzt. Im Zeitalter technischer Reprodu-

297 Anonym, »Komparserie vor 40000 Kehlen«, in: Radiowelt, Nr. 41, 1928, S. 504. Interessant ist in diesem Zusammenhang die retrospektive Erinnerung des Sportreporters selbst, der seine erste Fußballübertragung als spontane Idee und zufälliges Finden einer radiogerechter Berichtsform beschrieb. Mit fast den gleichen Worten hat man auch in Deutschland die »Erfindung« der ersten Sportreportage (hier eine Ruderregatta) vom Radioreporter Paul Laven beschrieben: »Plötzlich riß ich das Mikrophon vom Ständer (…) und eilte ans Ufer, schilderte hingerissen die scharfe Auseinandersetzung der Boote auf dem Wasser. Ich zeichnete, die Leistungen gegeneinander abwägend, mit wenigen Strichen, das Bild, das sich da am Zielplatz darbot, beendet den diese neue Entwicklung der vom neuen Medium gebotenen Möglichkeiten einleitenden Vorstoß mit der Durchsage der Resultate.«, zitiert nach: Schivelbusch, Wolfgang, Intellektuellendämmerung. Zur Lage der Frankfurter Intelligenz in den zwanziger Jahren. Die Universität. Das freie Jüdische Lehrhaus. Die Frankfurter Zeitung. Radio Frankfurt. Der Goethe-Preis und Sigmund Freud. Das Institut für Sozialforschung. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1985, S. 84. 298 Vgl. das Kapitel »Blick ins Maschinenzeitalter«. 299 Experimente zur Entwicklung eines »Amateuraufnahmegerätes« wurden vom Institut für theoretische Physik der Universität Wien bereits 1928 durchgeführt. Ziel war es, mittels Selenzellen »ein Amateuraufnahmegerät herzustellen, die es zum Beispiel dem Rundfunkhörer ermöglicht werden das Programm auf Tonfilmen aufzunehmen, vgl. Radiowelt, Nr. 43, 1928, S. 573.

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zierbarkeit bekam der O-Ton als Zeugnis des Authentischen300 einen besonderen Stellenwert in der Berichterstattung. Im Neuen Hörspiel sollte dieser dokumentarische Ton zu einem wichtigen Baustein für Medienkritik und Radiokunst werden.

300 Zum Begriff der Authentizität vgl. Lethen, Helmut, »Versionen des Authentischen. Sechs Gemeinplätze«, in: Literatur und Kulturwissenshaften. Positionen, Theorien, Modelle, hg. v. Hartmut Böhme, Klaus R. Scherpe, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1996, S. 205–253. Zum O-Ton und seiner Wirkungsgeschichte vgl. Maye, Harun; Reiber, Cornelius; Wegmann, Nikolaus (Hg.), Original / Ton. Zur Mediengeschichte des O-Tons, Konstanz: UVK 2007.

b)

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»Die zehntausend oder mehr Herrschaften, die zuhören, sitzen auf den Händen, keine Stimmung geben sie einem und ganz allein und verlassen sitzt man dem kleinen, schwarzen Kästchen gegenüber, das die Stimme nach allen Richtungen trägt, nach Simmering so gut wie auf den Semmering, zur Frau Pollak wie zum Herrn Dimpfl.«301

Das Radio schuf eine völlig neue Aufführungssituation, von der Darstellung der SchauspielerInnen bei der Übertragung mittels drahtloser Wellen blieb nichts als die vom Körper losgelöste Stimme übrig, die scheinbar resonanzlos auf ihr Publikum wirken musste. »Der erste Spruch ins Radio«, so der Titel eines kurzen Berichts der jungen Schauspielerin Ruth Bechmeister aus dem Jahr 1927, veranschaulicht die großen Herausforderungen an den neuen Beruf der RadiosprecherInnen. Im Radio kann das Gesprochene zwar einerseits wie im Theater live gehört werden, ist aber andererseits wie bei Film- oder Grammophonaufnahmen nur vermittels eines Apparates übertragbar. Das Radiopublikum ist darüber hinaus im Unterschied zum Kinopublikum überall und nirgendwo zugleich – eine Öffentlichkeit, die zurückgezogen und unsichtbar im privaten Bereich hört. »Nein! Nie wieder mach ich so was. Auf der Bühne schon hat man’s schwer genug. Da weiß man aber wenigstens, mit wem man’s zu tun hat, für wen man spielt und spricht. Wenn der Herr mit der Glatze in der dritten Orchesterreihe links etwas schläfrig ist, so tut das nichts, denn man fühlt ja deutlich, daß das Parkett mitgeht.«302

Auch der »Dichter am Apparat«303 wurde zu einem/einer begehrten SprecherIn; bei Radio Wien war es die »Stunde der Lebendigen«, die Stimmen von LiteratInnen vors Mikrophon holte, um »die Dichter dieses Landes, deren ›lebendige 301 Bechmeister, Ruth, »Auf der Radiobühne. Der erste Spruch ins Radio«, in: Radiowelt, Nr. 32, 1927, S. 8. 302 Ebd. 303 Vgl. Musil, Robert, »Der Dichter am Apparat«, in: Ders., Gesammelte Werke in neun Bänden, Bd. 4, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1978, S. 1514ff.

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Stimmen‹ persönlich zu uns sprechen und aus ihren Werken vortragen«304, einem breiten Publikum zu Gehör zu bringen. Eröffnet wurde die Sendereihe von Anton Wildgans am 23. Mai 1928, es folgten Arthur Schnitzler, Franz Werfel und Rosa Mayreder.305 Zahlreiche Stimmen erklangen im Rundfunk der ersten Sendejahre: Viele junge KünstlerInnen sprachen Referate, Hörspiele oder Ansagen im Rundfunk und erhoben erstmals ihre Stimme im Radio. Auch für Walter Benjamin, der zahlreiche Vorträge und Hörstücke für Radio Frankfurt schrieb und einsprach, wurde der erste Spruch im Radio zur Tour de Force, währenddessen Benjamin abwechselnd hastig den Vortrag vorantrieb und gegen Ende mittels lang gezogener Sätze und kunstvoller Pausen die überzählige Zeit zu füllen suchte.306 Dabei »[…] überkam mich ein neuer Schauer, der doch dem ältesten den wir kennen, verwandt war. Ich lieh mir selbst mein Ohr, dem nun auf einmal nichts als das eigene Schweigen entgegentönte. Das aber erkannte ich als das des Todes, der mich eben jetzt in tausend Ohren und in tausend Stuben zugleich hinraffte.«307

In seiner Hörspieladaption von Hauffs Märchen »Das kalte Herz« gab Benjamin gleich zu Beginn Anweisungen für die SprecherInnen im »Stimmland« des Radios: »Also einverstanden, ich führe euch, nur dürft ihr euch nicht stören, wenn meine Papiere manchmal rascheln (Papierrascheln), denn ohne meinen Plan finde ich mich im Stimmland auch nicht zurecht.«308 Hier herrschen eigene Gesetzmäßigkeiten des sprachlichen Ausdrucks; bevor die Märchenfiguren ins Stimmland gelangen, mussten sie »allen Putz und alle äußere Schönheit ablegen, so dass von ihnen nur mehr die Stimme übrig bleibt«309. Dieser Ratschlag fand sich – etwas anders formuliert – auch in den Forderungen an RadiosprecherInnen jener Zeit und wandte sich gegen einen übertriebenen Ausdrucksgehalt in der Stimme. Sie sollten »nicht mit gehobener Stimme« sprechen sondern vielmehr »ruhig und einfach, so wie man zu einem guten Freund über den Tisch hinweg reden würde«310, klingen.

304 305 306 307

Radiowelt, Nr. 20, 1928, S. 6. Ebd. Vgl. Ehardt (2014), S. 141. Benjamin, Walter, »Auf die Minute«, in: Ders., Gesammelte Schriften, Bd. IV.2, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1972, S. 762. 308 Benjamin, Walter, »Das kalte Herz«, in: Ders., Gesammelte Schriften, Bd. VII.1, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1989, S. 316–334, S. 321. 309 Ebd., S. 320. 310 Anonym, »Radiokonferenz. Die Abschaffung der Pausen«, in: Die Bühne, Nr. 16, 2. Jg, 1926, S. 61.

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Die immer gleichen Radiosprüche der SprecherInnen weckten ebenfalls den Unmut ihrer HörerInnen, vor allem das »Hallo, hier…« der ersten Sendejahre, mit dem fast jedes Radioprogramm begann und zwischendurch immer wieder unterbrochen wurde, begann zu nerven. Hatte die Wortkombination in den Anfangsjahren des Rundfunks noch ihre ganz praktische Berechtigung – erzeugt doch der Vokal »A« die größte Aussteuerung – so wurde der Begrüßungsslogan bald als »überflüssiger Lärm«311 beschrieben. »Die Konzentration auf das Wort, das die Stimme zunächst überlagerte und zu einem getragenen Sprechstil zwang, markiert die erste Phase des Sprechens im Radio, die sich bis zum Jahre 1926 das (fast) unmögliche Ziel setzte, jedes Experiment mit der Stimme vor dem Mikrophon zu verhindern. Es kam in der Phase vielmehr darauf an, Inhalte überhaupt verständlich zu machen, also die Kommunikationsfähigkeit der Übertragung zu erproben und zu sichern.«312

Die Erfahrungsberichte von Benjamin und Bechmeister zeigen deutlich auf, wie sehr die Stimme als resonanzgebundenes Ausdrucksmittel im Radio fungiert – ein Umstand, der erst in der Trennung von Körper und Stimme seine volle Wirkungsmacht erkennen lässt. Zahlreiche Radiostudien widmeten sich in den ersten Rundfunkjahren wissenschaftlichen Untersuchungen zur Stimme und der Frage ihrer Resonanz. So führten in verschiedenen Ländern WissenschafterInnen in Kooperation mit den neu gegründeten Rundfunkstationen Radiostudien durch.313 In Wien wurde eine derartige Untersuchung 1931 vom Psychologischen Institut gemeinsam mit dem Radiosender Radio Wien durchgeführt. LeiterInnen der umfassenden Studie waren Herta Herzog und Karl Bühler, wobei in ihrer Studie »Was erraten wir aus der menschlichen Stimme?«314 physiognomische Stimmerwartungen des Radiopublikums erforscht werden sollten. Mittels ausführlichen Fragebogens wurden den Lesern und Leserinnen der Zeitschrift Radio Wien Fragen zu Alter, Geschlecht und Aussehen sowie Persönlichkeitsstruktur von verschiedenen SprecherInnen, die allesamt den gleichen Text vorgelesen hatten, gestellt. Dabei konnten Herzog und Bühler interessante Beobachtungen in den eingelangten Fragebögen feststellen: »Nicht ganz selten erhält man von völlig unbefangenen und theoretisch ahnungslosen Deutern Angaben über die Augen- oder Haarfarbe eines unbekannten Sprechers; es 311 Ebd. 312 Gethmann (2005), S. 110. 313 So etwa von Tom Hatherley Pear im Jahr 1930 in England. Zu weiteren Radiostudien vgl. Hagen, Wolfgang, Das Radio-Ich, »First Person Singular« und die ventriloquistischen Stimmen zum frühen amerikanischen Radio und Orson Welles, Vortrag zur Ausstellung Phonorama: Eine Kulturgeschichte der Stimme als Medium, ZKM Karlsruhe, Begleitprogramm 2005, www.whagen.de (Zugriff: 12. 04. 2013). 314 Bühler, Karl, »Was erraten wir aus der menschlichen Stimme?«, in: Radio Wien, Nr. 33, 1931, S. 11.

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kommen sogar […] Angaben über die Kleidung, sagen wir prägnant über die gut oder schlecht sitzende Krawatte eines Sprechers vor.«315

Die detailreichen Beschreibungen der RadiohörerInnen führte Bühler aber nicht auf eine tatsächliche Kausalität zurück, sondern vielmehr auf den unwillkürlichen Mechanismus der Unterstellung: »Offenbar wird über eine bekannte Person geschlossen, deren Stimme Ähnlichkeiten mit der gehörten aufweist«316. Für Bühler wurde dieses Radioexperiment zum wichtigen Ausgangspunkt seiner sprachtheoretischen Überlegungen, in deren Rahmen er die Funktionen der Sprache in drei Grundaufgaben unterteilte: Darstellung, Ausdruck und Appell, womit er sich bewusst gegen die Wundt’sche Ausdruckslehre abgrenzte, die besagt, dass Ausdrucksbewegungen wie Sprache, Gestik oder Mimik Vorgänge des Bewusstseins nach außen kundgeben und in dieser Weise eine bloße Spiegelung innerer Spannungsverhältnisse darstellen.317 »Ausdruck an sich ist sinnlos, er bekommt Bedeutung erst, wenn jemand da ist, der etwas als Ausdruck erlebt«318, so lautet ein zentraler Satz seiner Forschungsergebnisse, deren Bedeutung sich gerade in der Auseinandersetzung mit dem Radio zeigt.

Akustische Masken Stimme-Hören wird im Sinne Roland Barthes nicht als passives Erlebnis verstanden, sondern sie gilt vielmehr als »ein Aktivum, eine Tätigkeit, die mit dem, was jemand spricht«,319 korrespondiert. Nach Barthes variiert das Objekt des Zuhörens auf dreierlei Art: Während das erste Zuhören sich noch auf Indizien bezieht, um die Aufmerksamkeit auf potentielle Gefahren zu richten, ist der zweite Typus auf das Decodieren von Zeichen ausgerichtet; wir haben gelernt, dem Sprechen Bedeutung beizumessen und mit Hilfe der Sprache zu verstehen. Das dritte Zuhören wartet nicht darauf, was gesagt oder gesendet wird, sondern fragt danach, wer spricht oder sendet. »Ich höre zu« meint damit auch »höre mir 315 Bühler, Karl, Ausdruckstheorie. Das System an der Geschichte aufgezeigt, Jena: Verlag von Gustav Fischer 1933, S. 192. 316 Ebd., S. 193. 317 Vgl Ehardt, Christine; Wieser, Renate, »Tune into Reality. Stimme und Geschlecht«, in: Inszenierung von Weiblichkeit. Zur Konstruktion von Körperbildern in der Kunst, hg. v. Christine Ehardt, Daniela Pillgrab, Marina Rauchenbacher, Barbara Alge, Wien: Löcker 2011, S. 143–161, S. 145. 318 Herzog, Herta, Stimme und Persönlichkeit, Wien: Diss. 1932, S. 302. 319 Vgl. Dusini, Arno, Retorica (Vorlesung an der Universität Wien im Wintersemester 2008/ 2009, http ://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/Rhetorica-2008W-Dusini.pdf (Zugriff: 05. 01. 2012).

Akustische Masken

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zu«.320 So entfaltet sich ein intersubjektiver Resonanzraum, der das Sprechen und das Hören miteinander verbindet.321 Auch Elias Canetti beschäftigte sich in den 1930er Jahren mit den Ausdrucksmöglichkeiten der Stimme. Für ihn bilden Sprache und Stimme die originäre Identität einer Person ab, eine Art »akustischen Maske«322, die durch ihre Trennung vom Körper auf ihre Materialität und Resonanzgebundenheit verweist.323 »Gehen Sie in ein Volkslokal, etwa das altbekannte O. K., setzen Sie sich an irgend einen Tisch und machen Sie die Bekanntschaft eines Ihnen wildfremden Menschen.[…] Sobald er […] richtig ins Sprechen gekommen ist […] halten Sie einmal konsequent den Mund und hören Sie ihn sich einige Minuten hindurch genau an. Unternehmen Sie keinerlei Versuch, ihn zu verstehen, forschen Sie nicht nach dem, was er meint, fühlen Sie sich nicht in ihn ein, achten Sie ganz einfach auf das Äußere seiner Worte. […] Da werden Sie nun finden, daß ihr neuer Bekannter eine ganz eigentümliche Art des Sprechens an sich hat. Es genügt nicht festzustellen: er spricht Deutsch oder er spricht im Dialekt, das tun alle oder die meisten Menschen in diesem Lokal. Nein, seine Sprechweise ist einmalig und unverwechselbar. Sie hat ihre eigene Tonhöhe und Geschwindigkeit, sie hat ihren eigenen Rhythmus. […] Sie können ihn, wenn Sie ihm gut zugehört haben, das nächste Mal an seiner Sprache erkennen, ohne ihn zu sehen. Er ist im Sprechen so sehr Gestalt geworden, nach allen Seiten hin deutlich abgegrenzt, von allen übrigen Menschen verschieden […]«324

Ausgangspunkt seiner Überlegungen war die Faszination für den sprachgewandten Karl Kraus. Nach dem Besuch einer seiner Vorlesungen im Jahr 1924 stellte Canetti fest, dass es Karl Kraus möglich war, »Menschen sozusagen aus ihrem eigenen Mund heraus zu verurteilen. Der Ursprung dieser Meisterschaft aber […] lag in dem, was ich das akustische Zitat nennen möchte. […] Kraus war von Stimmen verfolgt […] die Stimmen, die ihn verfolgten gab es in der Wiener Wirklichkeit.«325 Für Elias Canetti, der sich in zahlreichen seiner Arbeiten mit dem genauen (Hin-)Hören beschäftigte, war es der typische Klang einer Stimme, die – gemeinsam mit Sprache und Sprechweise – einen wiedererkennbaren Sound 320 Barthes (1990), S. 249. 321 Vgl. Ehardt, Christine, »Ist das jetzt ein Monolog?«. Elfriede Jelineks Hörspiele als akustische (De-) Maskierungsorte«, in: Hör!Spiel. Stimmen aus dem Studio, hg. v. Helmut Peschina, Wien: Böhlau 2013, S. 91–102, S. 97. 322 Canetti, Elias (1937), zitiert nach Meyer-Kalkus, Reinhart, Stimme und Sprechkünste im 20. Jahrhundert, Berlin: Akademie Verlag 2007, S. 320. 323 Vgl. Ehardt; Wieser (2011), S. 146. 324 Canetti, Elias, »Über das Heutige«, in: Der Sonntag. Beilage des »Wiener Tag«. Nr. 161, 18. 04. 1937, o. S. Canetti, Elias, »Karl Kraus. Die Schule des Widerstands«, in: Ders.: Das Gewissen der Worte, München: Hanser 1976, S. 42–53, S. 42. 325 Ebd.

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schafft. »Diese sprachliche Gestalt eines Menschen, das Gleichbleibende seines Sprechens, diese Sprache, die mit ihm entstanden ist, die er für sich allein hat, die nur mit ihm vergehen wird, nenne ich seine akustische Maske«326. Die Stimme des Schauspielers oder der Schauspielerin kann eine Vielzahl solcher akustischen Masken erschaffen. Mittels Aufnahmeverfahren werden die Stimme und Geste des Künstlers bzw. der Künstlerin zum eigenständigen Material, das durch technische Manipulation verstärkt beziehungsweise verändert werden kann.327 Mit den neuen technischen Möglichkeiten wurde die Stimme zwar speicherund übertragbar, ihrer Faszination tat dies aber keinen Abbruch, denn es blieb immer ein »Rest – ein Überschuss – der über Wort und Bedeutung hinausgeht«328. »Es geht um eine Kausalität: Die Stimme ist eine Ursache, von der angenommen wird, dass sie in ihrer Wirkung Bedeutung hervorbringt. Aber alle Lehren, die wir aus der Funktionsweise der Stimme zu ziehen versucht haben, hatten gemein, dass die Stimme ein Paradox für die Kausalität darstellt. Man stößt auf verschiedenen Ebenen auf dieselbe, missliche Situation, auf eine Verletzung der Kausalität, die sich selbst als ein Überschuss manifestiert. Einerseits gibt es einen Überfluss auf der Seite der Bedeutung: die Stimme, die nicht zur Bedeutung beiträgt, bringt einen Überschuss an Bedeutung mit sich, eine schwer fassbare Bedeutung, […] die sich nicht festmachen lässt, und in dem Moment, in dem man sie benennt, läuft man Gefahr sie zu verlieren.«329

Sprachkritische Arbeiten, wie sie zum Beispiel im Dadaismus erprobt worden waren oder Stimmexperimente, wie sie Artaud ausgeführt hatte, spielten mit diesem Überschuss. Für Literatur und Kunst boten die medientechnischen Entwicklungen aber nicht nur neue Bedingungsfaktoren ihres Einsatzes330, sondern auch neue Verbreitungsmöglichkeiten.331

326 Canetti (1937). 327 Berühmtes Beispiel einer über Wort und Sinn hinausgehenden Stimme ist Antonin Artauds lange Zeit unveröffentlichte Radioarbeit aus dem Jahr 1947 »Pour en finier avec le jugement de dieu« in der er zwischen Schreien, Sprechen, Beschwören, Flüstern und Kakophonien wechselt. Zur Hörspielarbeit Artauds vgl. Kolesch, Doris, »Artaud: Die Überschreitung der Stimme«, in: Phonorama (2004), S. 187–198. 328 Vgl. Ehardt; Wieser (2011), S. 151. 329 Dolar, Mladen, »Sechs Lektionen über Stimme und Bedeutung«, in: Phonorama (2004), 199–222, S. 217. 330 Vgl. Ehardt;Wieser (2011), S. 144f. 331 Zur Stimme in der Kunst, siehe: Pinto, Vito. Stimmen auf der Spur. Zur technischen Realisierung der Stimme in Theater, Hörspiel und Film, Bielefeld: TRANSCRIPT 2012.

Stimmpolitiken

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Stimmpolitiken Als zentrales Moment der räumlichen, zeitlichen und handlungsfähigen Anteilnahme verschiedener Gruppen ist die Stimme wichtiges Instrument von Teilhabe und Exklusion.332 Für Aristoteles war Sprache und Stimme Ausdruck einer politischen Vormachtstellung; im Gegensatz zu den Versklavten hatten die Bürger der Polis eine Stimme, die sie erheben konnten und die gehört wurde, um so am gesellschaftlichen und politischen Leben Anteil nehmen zu können. Nicht nur die Sprache und die Bedeutung, sondern auch die Stimme ist einer sich verändernden Politik, einer speziellen Aufteilung des Sinnlichen333, unterworfen. Die Stimme kann dabei als ein machtvolles Werkzeug für den systematischen Ein- beziehungsweise Ausschluss von Personen und Personengruppen erachtet werden. Stimme im Radio evoziert jedoch noch viele weitere, vor allem politische Bedeutungszusammenhänge334. So meint Stimme etwa auch »Urteil« oder »Votum«; »eine Stimme haben« bedeutet, mitreden und mitbestimmen zu können. Der Raum, in dem Stimmen gehört werden können, hat sich mittels technischer Apparaturen immer weiter vergrößert. Gleichzeitig schlossen diese neuen überdimensionierten »Hör- und Stimmräume« immer weitere Bevölkerungsgruppen aus. Im Radio wurde die Übertragung der Stimme mittels Mikrophon und Lautsprecher zu einer wichtigen Möglichkeit der Agitation und Propaganda,335 gleichzeitig wurden zahlreiche Stimmen bereits am Beginn der 1930er Jahre sukzessive aus dem Radio verbannt. Das betraf in Österreich vor allem linksgerichtete politische Verbände und Veranstaltungen, so wurde etwa die Arbeiterolympiade von der RAVAG 1931, obwohl angekündigt, nicht übertragen und weitere Beispiele von Zensur und gewaltsamem Ausschluss sollten folgen.336

332 Vgl. RanciHre, Jacques, Die Aufteilung des Sinnlichen. Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien, Berlin: b:books 2008, S. 26. 333 Vgl ebd. 334 Zur etymologischen Herkunft des Wortes »Stimme«: Ackermann, Max, »Hörwörter – etymologisch«, in: Der Aufstand des Ohrs – die neue Lust am Hören, hg. v. Volker Bernius, Peter Kemper, Regina Oehler, Karl-Heinz Wellmann, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006, S. 59–75. 335 Vgl. dazu etwa die Arbeiten von Daniel Gethmann (2006) und Epping-Jäger, Cornelia; Linz, Erika (Hg), Medien/Stimmen, Köln: Dumont 2003. 336 Auch ein Chorkonzert des Arbeitergesangsvereins im Wiener Stadion wurde trotz Ankündigung nicht gesendet, vgl. Rundfunk für Alle, Nr. 3,1932, o. S., Zensurdebatten über Sendungen der Arbeiterkammer im Rundfunk waren aber bereits Jahre zuvor thematisiert worden, vgl. Radiowelt, Nr. 26, 1928, S. 9.

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Das Radio machte diese Ausschlussverfahren und die gewaltsame Verdrängung durch Austrofaschismus und Nationalsozialismus besonders deutlich. Ebenso wie die Stimme Walter Benjamins verstummten in Österreich und Deutschland eine Vielzahl von Stimmen – nur wenige von ihnen konnten nach 1945 wieder gehört werden.

4.

Faschismus und Radiokultur

Das Radio wendet sich an Hunderttausende und an jeden Einzelnen zugleich. In dieser Ambivalenz von massenhafter Verbreitung und massenhafter Isolation liegen nicht nur technische, wirtschaftliche und künstlerische Interessen, sondern auch politische Begehrlichkeiten begründet.337 Die Möglichkeiten eines Distributionsapparates, der an eine grenzenlose und anonyme HörerInnenmasse sendet, wurden aber nicht von Beginn an geschätzt. Vielmehr wurde in der Tradition telefonischer Übertragungen um 1900 nach technischen Lösungen gesucht, um einzelne HörerInnen gezielt adressieren zu können. Das Radio als Massenmedium warf dabei sowohl ästhetische als auch politische Fragestellungen auf. »Radiotelephonie wendet sich vorläufig, ob sie will oder nicht, an alle. Darin liegt ihre Großartigkeit, darin liegt die Möglichkeit des Broadcasting, aber darin liegt, vorläufig wenigstens, auch ihr Nachteil. Es ist derzeit praktisch noch nicht recht möglich, im Wege der Radiotelephonie einen bestimmten Adressaten sicher zu erreichen.«338

Während man in den zwanziger Jahren den grenzenlosen Empfang und die anonymisierte, massenweise Verbreitung noch in ihren vielfältigen Möglichkeiten innerhalb des Radios als Attraktionsmedium diskutierte, wurde im Zuge sich verändernder politischer Verhältnisse und mit einer Neubewertung des Massebegriffs der anonyme Radioempfang verstärkt in Frage gestellt. Die Mittel und Möglichkeiten des Radios als Massenmedium und Propagandamittel mussten erst etabliert werden. Parallel dazu wurden Ende der 1920er Jahre Versuche unternommen, mittels Radiowellen an eine/n ausgesuchte/n EmpfängerIn zu senden und damit keine anonyme Masse mehr zu adressieren, sondern ausgewählte HörerInnen zu erreichen. Diese Form des frühen Mobil337 Petra Maria Meyer schreibt: »Allmachtsphantasien sind mit diesem Medium untrennbar verbunden«; Meyer, Petra Maria, »Stimme, Geste und audiovisuelle Konzepte«, in: acoustic turn, hg. v. Petra Maria Meyer, München: Fink 2008, S. 291–363, S. 298. 338 Czeija, Oskar, »Über Geheimtelephonie«, in: Neues Wiener Radiojournal, Nr. 15, 1926, S. 19.

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funks wurde allerdings nur für kurze Zeit als innovative Lösung für ein zielgerichtetes Radioprogramm diskutiert. Demgegenüber sollten Rundfunkumfragen in Radiozeitschriften das Radiopublikum zu einer klar definierten Zielgruppe mit eigens programmierten Sendungen zusammenfassen, anhand dessen zunehmend auch eine nationale Identität aufgebaut wurde. Denn erst durch die Definition einer solchen nationalen Hörgemeinschaft als ausgewählter EmpfängerInnenkreis erlangte das Radio seinen Stellenwert als Propagandainstrument. Diese Entwicklung ging mit der Vereinfachung und Verbesserung der Radiogeräte zum Alltagsgegenstand einher. Eine solche nationale Hörgemeinschaft, welche die Grenzen des privaten Raums überwinden und zum »potentiellen Kollektivhörer«339 zusammengeschlossen werden konnte, bekam in Österreich nicht erst mit dem Nationalsozialismus einen neuen Stellenwert, sondern bildete bereits in den frühen 1930er Jahren das Spiegelbild einer totalitären Gesellschaftsordnung.

Austrofaschistische Radiopolitik und -ästhetik Sowohl Programm als auch Führung der RAVAG waren von Beginn an christlichsozial mit starkem klerikalem und nationalem Unterton geprägt. Davon zeugt sowohl die Programmpolitik als auch die Personalliste.340 Die zahlreichen und mitgliederstarken Radiovereine341 sowie die Vertreter der Sozialdemokraten im Radiobeirat versuchten zwar auf die Gestaltung des Rundfunkprogramms Einfluss zu nehmen, konnten allerdings nur wenige Veränderungen bewirken. Auch der vom Arbeiterradiobund organisierte HörerInnenstreik Ende des Jahres 1933, bei dem mehr als 66.000 HörerInnen ihr Radioabonnement kündigten342, konnte die Zurückdrängung regierungskritischer Stimmen aus dem Radioprogramm nicht mehr aufhalten. »Es mag […] da es manchmal schien, die aufeinander angewiesenen Bürger eines Staates hätten einander auch verstehen und schätzen gelernt, der Versuch zu recht339 Zum Begriff des Kollektivhörers und des Massenpublikums siehe auch: Schanze, Helmut, »Rundfunk, Medium und Masse. Voraussetzungen und Folgen der Medialisierung nach dem 1. Weltkrieg«, in: Die Idee des Radios. Von den Anfängen in Europa und den USA bis 1933, hg v. Edgar Lersch und Helmut Schanze, Konstanz: UVK 2004, S. 11–27; sowie Marßolek, Inge: »›Aus dem Volke für das Volk‹. Die Inszenierung der ›Volksgemeinschaft‹ im und durch das Radio«, in: Radiozeiten. Herrschaft, Alltag, Gesellschaft (1924–1960), hg. v. Inge Marßolek und Adelheid Saldem, Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg 1999, S. 121–135. 340 Vgl. dazu das Kapitel »Vom Medium der Attraktionen zum Massenmedium«. 341 Zur Entwicklung und Geschichte der Arbeiter-Radiovereine der sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien vgl. Brunner-Szabo (1989). 342 Vgl. Brunner-Szabo (1989), S. 174.

Austrofaschistische Radiopolitik und -ästhetik

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fertigen gewesen sein, verschiedene Anschauungen nebeneinander zur Diskussion zu stellen […]. Mit dem Augenblick aber, da es um die Existenz des Staates ging, war keine Zeit zur Diskussion und Meinungsverschiedenheit, musste ein einheitliches Ziel, ein einheitlicher Wille den Rundfunk in jene eindeutige Linie weisen, die von den obersten Vorkämpfern des Vaterlandes uns vorgeschrieben wird.«343

Mit den Rundfunkmännern Oskar Czeija und Rudolf Henz waren Vertreter der vaterländischen Front bereits vor 1933 an oberster Stelle der RAVAG. Nach dem Rückgriff von Bundeskanzler Dollfuß auf das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz von 1917, der das Ende der parlamentarischen Demokratie einleitete und nach dem Bürgerkrieg im Februar 1934 wurde am 1. Mai die verfassungsmäßige Konstituierung des autoritären, christlich-sozialen Ständestaates abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt traten auch die Sympathien und der wohlwollende Zuspruch für die Ideale und Ideen der vaterländischen Front innerhalb der RAVAG-Führungsspitze klar zu Tage: »Es war natürlich, daß die Regierung von dem ihr zur Verfügung stehenden Propagandamittel des Rundfunks den ausgiebigsten Gebrauch machte«344, so Generaldirektor Oskar Czeija. An der Organisations- und Personalstruktur mussten also während des austrofaschistischen Regimes keine großen Veränderungen vorgenommen werden. Die Feiern zum zehnjährigen Jubiläum der RAVAG markieren dennoch eine inhaltliche Schwerpunktänderung: Etablierte Sendungen blieben zwar erhalten, das Themenspektrum bekam aber eine eindeutig regimekonforme Ausrichtung und es mehrten sich weltanschauliche Schulungsserien, wie etwa »Der Kampf um den Menschen« und Reihen wie die »Vaterländische Gedenkstunde« oder die »Stunde des Heimatdienstes«.345 Außerdem wurden propagandistisch-vaterländische Kundgebungen übertragen und religiöse Sendungen und Gottesdienstübertragungen forciert. Im Hörspielprogramm bemühte man sich um eine »österreichische Note« und beschwor eine nationale – österreichische – Vergangenheit herauf. Gesendet wurden Altwiener Volksstücke und rurale Themen mit heimatverbundener und gottesfürchtiger Note, welche die Leistungen österreichischer KünstlerInnen – beziehungsweise solcher, die als österreichisch annektiert wurden – betonten. Auch die Beschwörung österreichischer Musikalität, wie etwa das Preisausschreiben »Es ruft eine Melodie«346, bei dem eine vorgegebene Melodie zu einer literarischen Hörspielhandlung inspirieren sollte oder die auf Schallplatte gepresste Jubiläumsausgabe »Lied einer Fahne«347, zeigen solche Wendepunkte in der Programmgestaltung auf. 343 Henz, Rudolf, »Rundfunk und Vaterland«, in: Radio Wien, Nr. 44, 1933, S. 2. 344 Czeija, Oskar, »Hörer und Leser!«, in: Mikrophon. Das Magazin für den Rundfunkhörer, Nr. 1, Februar 1934, S. 1. 345 Ebd. 346 Mikrophon, Nr. 1, 1934, S. 5. 347 Ebd.

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Im neuen Rundfunkmagazin »Das Mikrophon. Das Magazin für den Rundfunkhörer«, erstmals im Februar 1934 von der RAVAG herausgegeben, sollte laut Generaldirektor Oskar Czeija die Meinung der RadiohörerInnen abgebildet werden, um »vertiefende Einblick[e] in viele Wissensgebiete [zu] erhalten, [die] der Rundfunk nur anschneiden konnte«348. Sowohl die politische Meinungsbildung und die politische Ausrichtung des Heftes als auch das Rundfunkprogramm sollten völlig auf das Parteiprogramm der politischen Führung abgestimmt sein. Neben einem mehrseitigen Bericht zum Thema Osterbräuche in Österreich fand sich auch ein Artikel des Programmdirektors Rudolf Henz, der unter dem Titel »Trauer über Österreich« über die Übertragung der Trauerfeierlichkeiten des 20. Februars 1934 berichtete, die von Mittag bis zum frühen Abend live gesendet wurden. »Unter der überwältigenden Teilnahme der Bevölkerung wurde am 20. Februar die Opfer aus den Reihen der Staatexekutive und des Freiwilligen Schutzkorps zu Grabe getragen. 49 Helden treuerster Pflichterfüllung, gefallen im Kampfe um die Sicherung des inneren Friedens in unserer Heimat, für Ehre und Freiheit Österreichs, durch Vermittlung des Rundfunks nahm daran ›ganz Österreich‹ teil.«349

Zum zehnjährigen Jubiläum sendete die RAVAG eine »Stunde der Feier und der Erinnerung« mit Schallplattenaufnahmen von Engelbert Dollfuss. »Bundeskanzler Dr. Dollfuß hat die Bedeutung des Rundfunks voll erkannt und oft durch das Mikrophon zum ganzen Volk gesprochen. Ausschnitte von Schallplattenaufnahmen seiner bedeutendsten Reden wurden aneinandergereiht und werden in dieser Gedenkstunde wiederholt. So wird Dr. Dollfuß’ Stimme auch in diesen Tagen lebendig zu uns reden.«350

Der Schauspieler und Hörspielsprecher Wilhelm Klitsch verlas einen Prolog »der Gedichte aus Österreich«351 und den Höhepunkt des einwöchigen Festwochenprogramms bildete die Sendung »Dichter ihres Landes«; darunter versammelten sich zeitgenössische Literaten und Literatinnen mit betont nationaler (beziehungsweise nationalsozialistischer) Gesinnung wie Max Mell, Paula Grogger oder Franz Karl Ginzkey. Ebenfalls zum zehnjährigen Jubiläum wurde das erste von der RAVAG produzierte Hörspiel »Der Ackermann und der Tod« wiederholt, um den Ausgangspunkt »radiophoner Hörkunst« im österreichischen Radio heraufzubeschwören. Insgesamt kann das Programm zur Zehnjahresfeier als exemplarisch für ein betont klerikales, nationales und heimatverbundenes Radiokonzept der austrofaschistischen Zeit bezeichnet werden. 348 Ebd. 349 Henz, Rudolf, »Trauer über Österreich«, in: Mikrophon, Nr. 2, März 1934, S. 5. 350 Anonym, »Von Hörberichten und besonderen Veranstaltungen«, in: Zehn Jahre Radio Wien, Nr. 1, 1934, S. 65. 351 Anonym, »Aus dem literarischen Programm«, in: Zehn Jahre Radio Wien, Nr. 1, 1934, S. 69.

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In seinen Memoiren erinnert sich Friedrich Torberg mit folgender Anekdote an diese Rundfunkjahre: »Besonders die damals in Schwang kommenden Hörspiele älplerischen Gepräges hatten es ihm angetan. Schon die Ansage des Personenverzeichnisses erbitterte ihn, weil sie dem Hörer keine Möglichkeit gab, zwischen den Rollen und ihren Darstellern zu unterscheiden. ›Achtung. Hier Radio Wien. Wir bringen Ihnen jetzt Die Nullerl, Volksstück mit Gesangseinlagen in drei Akten. Besetzung. Alois Schwendner – Anton Gscheidl. Amalia Hermetslechner – Eusebla Habetswallner. Karl Novak – Franz Holetschek. Bimpfl – Dampfl…‹ Kuh behauptete, einmal noch während der Ansage im Rundfunk angerufen und mit dem Verzweiflungsschrei ›Wer spielt wen?!‹ um Auskunft gebeten zu haben, die ihm jedoch verweigert worden sei.«352

Auch beim Hörspiel wurde nicht auf das Gedenken und Feiern von österreichischen »Nationalhelden« verzichtet – es bot vielmehr einen idealen radiophonen Raum, um die austrofaschistische Propagandapolitik zu inszenieren. Das Hörspiel »Der Mann in den Wolken. Eine Hörfolge zum Gedenken an Wilhelm Kress, der Erfinder des motorischen Flugzeuges« von Friedrich Schreyvogl aus dem Jahr 1937 spiegelt diesen klerikalen und völkisch-nationalen Grundton im österreichischen Rundfunkprogramm wider. Das Hörspiel zeigt überdies, wie einfach sich Inhalt und Ästhetik des austrofaschistischen Medienkonzepts nach 1938 in den nationalsozialistischen Programmkanon einfügen ließen. »Der Mann in den Wolken« wurde 1943 auch als Novelle im Wiener Tagesblatt veröffentlicht und widmet sich den Flugversuchen von Wilhelm Kress, der beinahe zeitgleich mit den Gebrüdern Wright Flugversuche unternahm. Das Hörspiel in kurzen Szenenfolgen wechselt zwischen verschiedenen Zeiten und Orten hin und her. Mittels Überblendungen werden räumliche und zeitliche Übergänge geschaffen. Inhaltlich wird vor allem ein österreichischer Pioniergeist heraufbeschworen und Wilhelm Kress als wahrer – und österreichischer – Erfinder der Flugkunst zelebriert. Gesprochen wird die Hauptfigur von Wilhelm Klitsch, der bereits für die Feier des zehnjährigen Rundfunkbestehens als Eröffnungsredner des literarischen Festprogramms engagiert worden war. Auffallend sind die langen und detailgenauen flugtechnischen Ausführungen, welche die Hörspieldialoge immer wieder unterbrechen und die Hörfolge zwischendurch in einen langatmigen Vortrag verwandeln. »Draskovich (Flugkapitän): Wien ist doch die Stadt der Musik und der Dichtung. Hier haben Beethoven, Mozart und Schubert, Brahms und Bruckner geschaffen, hier haben Grillparzer und Lenau gedichtet… 352 Friedrich Torberg, zitiert nach Veigl (1986), S. 103.

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Hoffmann (Fluggast): … und hier hat die grösste technische Erfindung ihren Ausgang genommen. Draskovich: Die grösste, wer darf das so rundweg sagen? Hoffmann: Sie haben’s doch eben getan, Herr Draskovich. Niemals hat ein Erfinder der Welt ein grösseres Geschenk gemacht als der Mann, der das Fliegen erfunden hat, sagten Sie. Draskovich: Ein Wiener? Hoffmann: Ein Deutscher, durch Zufall in Petersburg geboren. Aber Wien ist dann seine Heimat geworden – Draskovich: Sind nicht der Amerikaner Orville Wright und der Brasilianer Sanos Dumont das erste Mal geflogen…? Hoffmann: Als die ersten nach Kress. Ein Jahr später. Aber schon fünfzehn Jahre vor ihnen hat Wilhem Kress die Welt damit überrascht, dass er durch seinen Versuch das Problem als gelöst erklärt hat. Im Saale des Gewerbevereins in Wien hat er ein Modell richtig durch den Saal fliegen lassen. Das war ein unbeschreiblicher Eindruck auf alle, die es damals miterlebt haben. Draskovich: Dann war ja schon vor fünfzig Jahren sozusagen die heimliche Geburtsstunde des Fliegens gewesen. Hoffmann: Im Grunde ja … Denn damals geschah der erste Schritt von der reinen Theorie in die Praxis. Noch unendlich weit vom praktischen Ziel, aber doch der – erste Sch[ri]tt war geschehen. [Szenenwechsel]: Im Vortragssaal des Niederösterreichischen Gewerbevereines in Wien, in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Auf dem Podium steht Kress mitten in einem Vortrag. Kress: Die vielen Formeln, die ich auf diese Tafel geschrieben habe, meine Damen und Herren, geben Ihnen in allen Einzelheiten die wissenschaftliche Begründung für das, was Sie nun selbst mit ansehen sollen. Wie ein Körper, schwerer als Luft, durch motorische Kraft aufsteigen und sich in der Luft halten kann. (räuspert sich und fährt fort) Die Grundlage meiner Erkenntnisse hat die Beobachtung des Vogelfluges geleitet. Schon als kleiner Junge habe ich ihre Bewegungen im Luftmeer studiert. […]«353

Nicht nur inhaltlich wurde das als betont unpolitisch bezeichnete Radio zum machtvollen Instrument politischer Indoktrination; auch das neu bezogene Rundfunkgebäude in der Argentinierstraße, das mit fast 70.000 m3 Raumfläche und neuester technischer Übertragungsmöglichkeiten ausgestattet worden war, zeigte, dass der Rundfunk in Österreich bereits im Austrofaschismus zum politischen Kampfplatz geworden ist.354 353 Schreyvogl, Friedrich, Der Mann in den Wolken, Typoskript, das maschinenschriftliche Manuskript befindet sich im Nachlass des Schauspielers. Teilnachlass Wilhelm Klitsch, WbR. 354 Während der Bürgerkriegskämpfe wurde das Funkhaus kurzfristig von Mitgliedern der NSDAP besetzt. Dazu und zur Entwicklung des Radios in Österreich bis 1938, vgl.: Venus, Theodor, »Von der RAVAG zum Reichssender Wien«, in: NS-Herrschaft in Österreich. Ein Handbuch, hg. v. Emmerich T#los, Ernst Hanisch et.al. Wien: öbv und hpt 2000, S. 597–676.

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Beim Putschversuch der Nationalsozialisten vom 25. Juli wurde neben dem Bundeskanzleramt auch das Funkhaus als »logistisches Ziel auserkoren«. »Die Besetzung der RAVAG sollte im Konzept der Machteroberung eine zentrale strategische Rolle spielen. Der Auftrag der RAVAG-Putschisten (Angehörige der SS-Standarte 89) lautete, die Sendezentrale der RAVAG zu besetzen, die Durchsage einer Meldung über den Rücktritt der Regierung Dollfuß und die Übernahme der Regierungsbildung durch den steirischen Exlandeshauptmann Anton Rintelen veranlassen […]«355

Dass die Besetzung der Sendezentrale nicht den intendierten Erfolg zeitigen konnte, hatte für Erich Kunsti, Leiter des Nachrichtendienstes bei der RAVAG, einen einfachen Grund, »da das gesamte österreichische Sendernetz in der Hand der Regierung verblieben war und fast unmittelbar nach Ausbruch der Unruhen von ihr voll eingesetzt werden konnte«356.

Volksempfänger 1934 hat die Radiogerätefirma Hornyphon ein Werbeplakat mit dem Titel »Der Weg zur Vollendung« für ihr neuestes Radiogerätemodell herausgebracht. Darauf abgebildet finden sich die Entwicklungsstufen der Radiotechnologie von 1924 bis zur Gegenwart: Es zeigt, wie sehr sich die Apparate verändert und vor allem vereinfacht hatten; hatten die ersten Geräte noch wie artifizielle Baukästen angemutet, so veränderte sich der Geräteaufbau immer weiter, hin zu einem kompakten und robust wirkenden Apparat mit integriertem Lautsprecherteil in der Mitte des holzverkleideten Gehäuses (Abbildung 5). Bereits 1924 hatte die Radioindustrie ihr Interesse an der Produktion massentauglicher »Volksapparate« formuliert: »Mit einer Fabrikationsmethode wie Ford wird es möglich sein, ganz billige und doch leistungsfähige Volksapparate zu erzeugen. Wird ein Kreditinstitut den Vertrieb solcher Volksapparate auf Ratenzahlungen übernehmen, so wird es schon in nicht allzu ferner Zeit möglich sein, das Radio als Massenartikel allen Schichten der Bevölkerung zugänglich zu machen.«357 355 Ebd., S. 598. 356 Kunsti, Erich, »Rückblick auf den österreichischen Rundfunk«, Typoskript, o. D., das Typoskript ist mit einer handschriftlichen Notiz versehen: [Erich Kunsti] »hat so geschrieben, wie es ihm günstig erschien für sich, und alles falsch geschildert, die Gründung, die Finanzierung, die Tätigkeit des Generaldirektors«, Nachlass Czeija, Dokumentationsarchiv Funk in Wien. 357 Anonym, »Die Zukunft der Radiotelephonie. Gespräch mit dem Präsidenten der Telefunkengesellschaft Graf Arno«, in: Radiowelt, Nr. 7, 1924, S. 1.

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Faschismus und Radiokultur

Abbildung 5: Werbeplakat Hornyphon

1934 wurde zusätzlich zum einheitlichen Rundfunkprogramm auch ein einheitlicher Radioempfangsapparat konzipiert. Ein von RAVAG-Generaldirektor Oskar Czeija ausgearbeitetes Memorandum schlug »die Erzeugung eines einheitlichen Volksempfängers durch die österreichische Radioindustrie vor«358. Das Radio als Staatsfunk und Sprachrohr einer (austro-)faschistischen Propaganda war damit bestens auf eine nationalsozialistische Indoktrination und Vereinnahmung vorbereitet. Wie sehr sowohl politische als auch wirtschaftliche Interessen die Form und Gestaltung des Radios mitbestimmt haben, zeigt sich deutlich an der Debatte zur Entwicklung eines österreichischen Volksempfängers. Ging es in der Politik vor 358 Venus, Theodor, »Von der RAVAG zum Reichssender Wien«, in: T/los/Hanisch (2000), S. 597–626, S. 622.

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allem darum, Deutschland zu »überhitlern«359, spielten auch wirtschaftliche Interessen bei der Idee zur Einführung eines einheitlichen Radiogerätes für ganz Österreich eine Rolle. Allerdings wurde bei der Diskussion über einen einheitlichen und günstigen Radioempfangsapparat auf die Erfahrungswerte in Deutschland hingewiesen und vor allem darauf, dass seit der Einführung des VE 301 die Funkindustrie mit starken finanziellen Einbußen konfrontiert war, da der starke Absatz der billigen Apparate natürlich Rückgänge beim Verkauf hochpreisiger Radiogeräte mit sich brachte. In einem Expos8 über die Schaffung eines »Radio-Volksempfängers« für Österreich wurde auf die wirtschaftliche und politische Bedeutung eines solchen »billigen Radio-Volksempfangsapparats« hingewiesen. Unter der »Patronanz der Regierung« sollten die österreichischen Radiofabriken aufgefordert werden, »entweder gemeinsam ein Modell zu empfehlen, das eine gemeinsame Arbeit aller Radiofabrikanten darstellt oder, dass der Fabrikant ein Modell nach seinen Belieben vorgelegt und dann aus diesen Modellen das Beste ausgewählt und in einen einzigen Apparat vereinigt wird.«360 Der Preis für diese Einheitsapparate sollte von der Regierung festgelegt werden. Die Diskussion zeigt, wie das Dispositiv Radio mittels verschiedener Argumente von wirtschaftlicher, politischer und technischer Seite zu einem zentralen Wunschobjekt für die verschiedenen Interessen im Land genutzt wurde. Im Bericht zum österreichischen Volksempfänger wurden auch die Absatzmöglichkeiten und Rezeptionsweisen diskutiert; hierfür stellte man mehrere Möglichkeiten vor. »Der Absatz dieses Apparates könnte auf dem Wege über die Radiohändler durch die vaterländischen Organisationen gefördert werden. Die Frage wäre auch zu überprüfen, ob nicht die Möglichkeit gegeben wäre, das Gemeindeamt in jedem Ort, auch im kleinsten, zu veranlassen, einen solchen Apparat anzuschaffen, wobei der Lautsprecher auf der Straße montiert sein könnte, sodass die Bevölkerung in der Lage wäre, die Reden von Mitgliedern der Bundesregierung […] zu hören und dadurch schnell, einheitlich und authentisch informiert zu werden.«361

359 »Wir können den Nationalsozialismus in Österreich schlagen, in dem wir ihn ›überhitlern‹« so Odo Neustädter-Stürmer bei einer Besprechung der Regierungsparteien am 25. März 1933, zitiert nach Hajicsek, Gerhard, »Viele Ziele, doch kein Ziel. Die Medienpolitik des austrofaschistischen Staates«, in: Kampfzone Kino. Film in Österreich 1918/1938, hg. von Verena Moritz, Karin Moser, Hannes Leidinger, Wien: Filmarchiv Austria 2008, S. 45–70, S. 47. 360 Expos8 über die Schaffung eines Radio-Volksempfängers, in »Vereinigte Telefon- und Telegraphen Fabriks A. G. Czeija-Nissel und Co Schaffung eines Volksempfängers«. Akt 93995-1934, Bundesministerium für Handel und Verkehr, ÖstA. 361 Ebd.

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Vom Verband der österreichischen Funkindustrie wurden diese Pläne zu einem österreichischen Einheitsapparat nach deutschem Vorbild aber gerade wegen der Erfahrungen im Nachbarland abgelehnt362, wohingegen die Schaffung von Hörstuben und gemeindeeigenen Radioapparaten begrüßt wurde. Diese Hörstuben sollten vor allem »in den Bezirksstellen der Vaterländischen Front«363, aber auch in Schulen und Gemeindeämtern aufgestellt werden. Dank der Weiterentwicklung der Lautsprechertechnik konnten Radiogeräte mittels »Großlautsprechern«364 problemlos ganze Säle und sogar Hallen365 beschallen. Geplant war die Schaffung einer eigenen »Hörstubengesellschaft«366 unter Patronanz der Gerätefirmen Siemens & Halske sowie Czeija, Nissl & Co. Doch auch bei diesen Vorschlag gab es Gegenstimmen – und zwar nicht nur seitens der Funkindustrie, die gegen die Vormachtstellung zweier einzelner Firmen opponierte, sondern auch von Seiten der Regierung, die sich vor allem um die Möglichkeit sorgte, dass bei derartigem »Zusammenströmen von Leuten« auch oppositionelle Kritik laut werden und für »österreichisch-feindliche Sendungen« missbraucht werden könnte.367 Alle diese Maßnahmen konnten die volkswirtschaftliche Krise der Radioindustrie nicht beheben und auch die stagnierenden RundfunkteilnehmerInnenzahlen konnten nicht verbessert werden. Es wurde allerdings ein größerer HörerInnenkreis in ländlichen Gebieten, erschlossen.368 Während es 1931 zu einer Verlangsamung der TeilnehmerInnenzuwächse kam, konnte in diesem Zeitraum das Stadt-Land-Gefälle bei der Radionutzung verändert werden und das Radio als wichtiges Informations- und Freizeitmedium auch in die ländlichen Gebiete Österreichs gelangen. Erst zwischen 1938 und 1939 kam es zu einem neuerlichen radikalen AbonnentInnenzuwachs im zweistelligen Prozentbereich.369

362 »Einrichtung von Funkhörstuben durch die Vaterländischen Verbände«, Akt 105123-1934, BM Handel und Verkehr, ÖSta. 363 »Brief v. Verband der österreichischen Funk-Industrie an Kommerzialrat Fritz Stockinger, Bundesminister für Handel und Verkehr, 2. 9. 1934«, Akt 105123-1934, BM Handel und Verkehr, ÖSta. 364 Ebd. 365 Vgl. Epping-Jäger (2003). 366 »Brief v. Verband der österreichischen Funk-Industrie an Kommerzialrat Fritz Stockinger, Bundesminister für Handel und Verkehr, 2. 9. 1934«. 367 »Information für den Herrn Bundesminister betr. Memorandum über die Versorgung der Bevölkerung mit Rundfunkmitteilungen«, Akt 105123-1934, BM Handel und Verkehr, ÖSta. 368 Vgl. Venus (2004), S. 202. 369 Ebd.

Erste Lautsprecher

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Erste Lautsprecher Zum einen wurde das Radio als Propagandamittel genutzt, das sich an eine unsichtbare, aber größtmögliche Menschenmenge wandte. Zum anderen erfolgte die Stimmbeschallung der Massen auch unmittelbar und in physischer Präsenz von Sender und Empfänger. Diese beiden unterschiedlichen Übertragungsformen wurden parallel erprobt, denn ihrer Wirkungsweise musste man sich erst versichern. Mischformen wie Hörstuben oder Radiolautsprecher auf öffentlichen Plätzen wurden zu Beginn des Faschismus in Deutschland und Österreich gleichermaßen eingesetzt. Bereits Mitte der 1920er Jahre wurden erste Lautsprecher für Großveranstaltungen vom Handel angeboten; diese erzeugten aber noch ein »unerträgliches Gebrüll«370, sodass ihre Verwendung zunächst nur vereinzelt und mit wenig Erfolg von der Öffentlichkeit aufgenommen wurde. Der technische Fortschritt brachte allerdings bald leistungsstarke Lautsprechermodelle auf den österreichischen Markt, wie etwa einen »Riesenlautsprecher mit sieben Kilometer Reichweite«371. »[N]ach Deutschland hat nun der Riesenlautsprecher seinen Einzug auch in Wien gehalten. Gelegentlich der Maifeier in Wien stand auf dem Rathausplatze ein Blatthalter in Verwendung, der die Ansprachen der Redner in annähernd millionenfacher Verstärkung wiedergab so daß die Stimmen auf dem Gelände des Rathausplatzes, im Rathauspark, Volksgarten bis über das Parlament hinaus und auf der anderen Seite bis zur Universität deutlich und klar vernommen wurden.«372

Dafür wurden Lautsprecher »am Rathaus, am Burgtheater, ein Lautsprecher in Richtung gegen die Bellaria und ein Lautsprecher gegen die Votivkirche«373 aufgestellt. Bei Fußball- und Konzertübertragungen sowie für Massenansprachen waren diese leistungsstarken Modelle einsetzbar und auch hier konnten im Zusammenspiel mit dem Rundfunk Hörgemeinschaften gebildet werden. »Die Fortschritte, die die technologische Forschung sowohl auf dem Gebiet der Massenbeschallung auf freiem Feld als auch durch das Kurzschließen der Massenbeschallung mit dem Verbreitungsmedium Rundfunk erzielte, erlaubten dem NSSystem eine mediale Konsolidierung als Hörgemeinschaft.«374 Von der Hörge370 371 372 373 374

Radiowelt, Nr. 19, 1926, S. 12. Ebd. Ebd. Ebd. Epping-Jäger, Cornelia, »Eine einzige jubelnde Stimme. Zur Etablierung des Dispositivs Laut/Sprecher in der politischen Kommunikation des Nationalsozialismus«, in: Medien/ Stimmen, hg. von Cornelia Epping-Jäger und Erika Linz, Köln: Dumont 2003 S. 100–123, S. 100.

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meinschaft auf öffentlichen Plätzen hin zur andächtig lauschenden Familiengruppe zu Hause brauchte es nur wenige technische Umsetzungsschritte, deren propagandapolitische Inszenierung mit dem Radiogerät im Herrgottswinkel seinen Höhepunkt fand.375

Volkssender »Die Nationalsozialisten selber wußten, daß der Rundfunk ihrer Sache Gestalt verlieh, wie die Druckerpresse der Reformation.«376 Während der Rundfunk im Nationalsozialismus in seiner allgemeinen Rezeption, Ästhetik, Produktion und Wirkungsweise von verschiedenen Studien ausführlich beleuchtet wurde377, fehlen detaillierte Untersuchungen zum Reichssender Wien. Insbesondere die Quellenlage ist hier schwierig: Einige wenige Dokumente finden sich im Österreichischen Staatsarchiv, jedoch nur eine überschaubare Anzahl an Akten mit dem Zusatz »Radio im Nationalsozialismus«, welche laut Auskunft der Archivstelle nach 1945 im österreichischen Parlament aufgefunden wurden. Diese Akten sind, zusammen mit persönlichen Dokumenten von Rundfunkverantwortlichen, einige der wenigen hierzulande auffindbaren Zeugnisse der Rundfunkpolitik während des Nationalsozialismus’ in Österreich. Jedes der erhalten gebliebenen Dokumente muss in seiner ambivalenten Sinnstruktur wahrgenommen werden. Außerdem sind viele der Dokumente nur fragmentarisch erhalten geblieben, einige dieser Akten sind mit handschriftlichen Überschreibungen und Bemerkungen versehen, deren Provenienz oft unklar ist. »Ganz Deutschland hört den Führer mit dem Volksempfänger« lautete ein Werbeslogan der dreißiger Jahre. Eine neue Gemeinschaft der RadiohörerInnen hatte sich zusammengefunden, deren Voraussetzung die rassistische Ausgrenzung war378. Der Radioapparat V301379 suggerierte die Vorstellung, »die an375 Vgl. dazu den Sammelband Radiozeiten. Herrschaft, Alltag, Gesellschaft (1924–1960), hg. v. Inge Marßolek und Adelheid Saldem, Potsdam: Deutsches Rundfunkarchiv 1999. 376 Adorno, Horkheimer (2006), S. 168. 377 Vgl. dazu etwa die Veröffentlichungen von Inge Marßolek und Adelheid Saldem (1999), Daniel Gethmann (2005) und Reinhard Döhl (1992). 378 Mit einem Erlass des Reichssicherheitshauptamtes vom 20. September 1939 wurde der jüdischen Bevölkerung der Besitz von Radiogeräten verboten. Vgl. Hensle, Michael P., »Rundfunkverbrechen vor NS-Sondergerichten«, in: Mitteilungen Studienkreis Rundfunk und Geschichte, Jg. 26, 2000, S. 111–126. 379 Über die Geschichte und Entwicklung des Volksempfängers vgl. Holtschmidt, Dieter, Volksempfänger. Geschichte und Technik der Gemeinschaftsgeräte, Hagen: Holtschmidt 1981; Krausse, Joachim, »Volksempfänger. Zur Kulturgeschichte der Monopolware«, in: Kunst und Medien, hg. v. Staatliche Kunsthalle Berlin und Bundesverband Bildender

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onymen Massen seien vor dem Äther herrschaftskonform zusammengeschlossen«380. »Der Volksempfänger mit seinem Lautsprecherloch, das bereits per technischer Vorgabe des Abstrahlungswinkels für einen befriedigenden Empfang der Botschaften eine frontale Organisation des Publikums verlangte, bot sich als Transportmittel nationalsozialistischer Wirkungsästhetik ins Private geradezu an – als Medium, Message und Möbel.«381

Welche Anstrengungen unternommen wurden, um das Tabernakel der Macht propagandistisch bestmöglich einzusetzen, zeigen Nachrichtenmeldungen. So verbreitete der Reichssender Wien »am Freitag, den 21. April 1939, um 14.00 Uhr, wie alle übrigen Reichssender, eine vom Drahtlosen Dienst herausgegebene Meldung«382 : »Amerika ist doch allen über. Gewiss hat in England und Frankreich die Panikmache zauberhafte Wirkungen erzielt, aber alles wird vom Lande der unbegrenzten Möglichkeiten übertroffen. ›Soeben brach zwischen England, Frankreich und Deutschland der Krieg aus!‹. Diese verbrecherische und an Wahnsinn grenzende Schauermeldung erlaubten sich die Studenten des College von North Manchester Indian in einer realistisch vorgetäuschten Rundfunkübertragung aus London. Die Wirkung war ungeheuer. Sie übertraf noch die des bekannten Marsangriffes. Frauen verfielen in hysterische Weinkrämpfe und erbarmungsvolle Ohnmachten, Männer rannten verwirrt und verzweifelt umher […] Immerhin hatten die Hörspieler noch einen Trost zum Schluss für die Hörer des Senders aufbewahrt, und zwar erklärten sie mit der beruhigenden Geste des Zaubermeisters: was sie soeben hörten, war zwar nur eine Generalprobe, aber sie kann in wenigen Stunden wahr werden.«383

Der Bericht über den Radiospuk im feindlichen Rundfunkprogramm bringt das Interesse und die Aufmerksamkeit zum Ausdruck, welche im Nationalsozialismus für die Wirkungsmacht des Radios vorhanden war. Der von Orson Welles in Szene gesetzte Marsangriff »War of the Worlds« wird hier als bekanntes Radiophänomen vorausgesetzt und nur als »der bekannte Marsangriff« bezeichnet. Die Reaktion des Radiopublikums zeigte den NS-Rundfunkverantwortlichen, dass Radiomeldungen in ihrer ambivalenten Wahrheitsstruktur wahrgenommen wurden, wodurch die eigenen Propagandabemühungen immer auch in Frage gestellt werden mussten. Wie Falkenberg in ihrer Dissertation »Radio-

380 381 382 383

Künstler Bonn, Berlin: Publica 1984, S. 81–112; Diller, Ansger, »Der Volksempfänger, Propaganda und Wirtschaftsfaktor«, in: Mitteilungen Studienkreis Rundfunk und Geschichte, Nr. 3, 1983, S. 140–156. Schmidt (1999), S. 137. Ebd., S. 155. »Bericht«, Int. Ma/R., Wien, 24. April 1939, Akt 2415/0, RF Allgemein, ÖSta. Ebd.

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hören« nachweist, war einem Teil der RundfunkhörerInnen die Propagandawirkung des nationalsozialistischen Rundfunkprogramms mit seiner gezielten Falschinformation, Verschleierungstaktik und manipulativen Berichterstattung durchaus bewusst.384 Im Fall der oben erwähnten Radiomeldung würde dies bedeuten, dass die Gewissheit des drohenden Krieges bereits groß genug war, um dieser »Falschmeldung« aus Amerika durchaus Glauben zu schenken. So heißt es im Bericht zur oben erwähnten amerikanischen Radiosendung weiter : »Gleich nach Durchsage der Meldung kamen zahlreiche Anrufe, teils von privater Seite, teils von Firmen und Ämtern bei öffentlichen Dienststellen. Bis zur Übergabe des Dienstes an meinen Nachfolger um 18.00 Uhr [fanden] ungefähr 35 Anrufe statt. Weiter berichtet der Leiter vom Dienst, dass die Pressestelle der Polizeidirektion, die Post- und Telegraphendirektion und zwei Polizeiwachstuben Wien, anriefen und mitteilten, dass sie ebenfalls mit Anrufen aufgrund dieser Meldung bestürmt würden.«385

Erich Kunsti fasste in einem »Rückblick auf den Österreichischen Rundfunk« die besondere Stellung des österreichischen Rundfunkprogramms vor 1938 folgendermaßen zusammen: »[..], daß seine Leistungen trotzdem Anerkennung in der Welt fanden, hatte es den reichen künstlerischen Quellen, die ihm aus dem Boden der Musikstadt Wien zuflossen, dem Wiener Walzer und der Wiener Operette, der alten bodenständigen Volkskunst, der österreichischen Alpenländer und nicht zuletzt auch der unbeirrbaren Rundfunkbegeisterung eines großen Teiles seiner Mitarbeiter zu verdanken.«386

Retrospektiv wurde das Wiener Radioprogramm als ein Programm dargestellt, das keine eigenen Akzente setzte und sich dem Reichssender unterwerfen musste. Nur Harald Schwandas Kuckucksruf, der bei Bombenalarm erklang, wurde lange Zeit als einziger »österreichischer Beitrag« zum nationalsozialistischen Radioprogramm erwähnt,387 Jedoch zeichnen die dazu abgefassten Berichte der damaligen Rundfunkverantwortlichen doch ein differenzierteres Bild, welches vom Bemühen um Systemkonformität und Anpassung an Hitler384 Zum Radiohören und den Radiohörern im Nationalsozialismus: Falkenberg, Karin, Radiohören. Zu einer Bewusstseinsgeschichte 1933 bis 1950, Haßfurt, Nürnberg: Hans Falkenberg Verlag 2005. 385 »Bericht«, Int. Ma/R., Wien, 24. April 1939, Akt 2415/0 (RF Allgemein). 386 Kunsti, o. D., Nachlass Czeija, Dokumentationsarchiv Funk in Wien. 387 »Für die sogenannte ›Ostmark‹ war die Eigenständigkeit eingeschränkt auf Kuckucksrufe als Warnsignal des Rundfunks vor anfliegenden Bomberpulks; eigenständige, weil ›ostmärkische‹ Kuckucksrufe, diese wegen erwiesener Unzuverlässigkeit der heimatlichen Originalkuckucke sowie aller Reichskuckucke imitiert von einem bekannten Wiener Schauspieler und Regisseur. Die Kuckucksrufe des Erich Schwanda […]«, Hiesel, Franz, »Begonnen hat alles mit der Aktivität literarischer Grenzgänger«, in: Grundzüge der Geschichte des europäischen Hörspiels, hg. v. Irmela Schneider und Christian W. Thomsen, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1985, S. 137–152, S. 140.

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deutschland geprägt war. Österreich gliederte sich nicht nur bereitwillig in das Großdeutsche Rundfunknetz ein, sondern bemühte sich auch innerhalb des nationalsozialistischen Systems um besondere Sichtbarkeit. Österreich war bestrebt, einen wichtigen Beitrag im nationalsozialistischen Rundfunkprogramm zu leisten, Via Radio übertragene Jubelmeldungen über Leistungen österreichischer KünstlerInnen zeigen dieses Bemühen. »wiener künstler zum wochenende bei unseren soldaten am westwall. ueber das wochenende wird der rs.wien, einer einladung auf anregung des gauleiters buerckel folgend, den ostmaerkischen soldaten an der westfront eine freudige ueberraschng bringen. mit zahlreichen seiner beliebtesten kuenstler wird er an die front reisen und den dort eingesetzten ostmaerkern in mehreren veranstaltungen ›tausend gruesse aus wien‹ bringen. gruesse aus der heimat in form von liedern und anderen schoenen darbietungen mit echt heimatlicher praegung. es genuegt, die kunestler aufzuzaehlen. um zu wissen, dass den ostmaerkischen feldgrauen an der front, aber auch den hoerern in der heimat bei dem gebotenen programm zwei heiter beschwingte stunden winken.«388

Bei dieser Veranstaltung wurde ein »buntes Programm« geboten, bei dem BurgtheaterschauspielerInnen, VolksopernsängerInnen und KabarettistInnen wie Richard Eybner, Georg Oeggl, Henny Herze, Toni Gerhold, Franz Boros, Louise Kartousch, Hertha Honigl, Walter Varndal, Wilhelm Hufnagel und Oskar Wegrostek mitwirkten. Der Orchestervorstand Ernst Graff schrieb zum gelungenen Radiounterhaltungsabend an den Reichsstatthalter Josef Buerckel: »Noch schwingen in uns – den Mitgliedern des kleinen Unterhaltungsorchesters vom Reichssender Wien – die großen Erlebnisse unserer Westwallreise nach. Es ist unmöglich in dürre Wort zu kleiden, wie groß unsere Freude dabei war, daß unsere Darbietungen von unseren Frontsoldaten mit so viel Befriedigung und Dankbarkeit aufgenommen wurden, doch sahen wir darin unseren schönsten Lohn.«389

Die Umstellung des Wiener Radiosenders auf den reichsdeutschen Einheitsempfang brachte auch einige Unstimmigkeiten und Missverständnisse hervor. In der Silvesternacht 1939/1940 konnten durch einen Fehler im Ablauf des Programms die Worte Heinrich Georges nicht mehr über den Wiener Sender gehen. Stattdessen wurde der Strauss-Walzer »An der schönen blauen Donau« gespielt. Im Bericht zu diesen beiden »Programmfehlern« hieß es aus Wien: »Im Übrigen gratulierte mir der Intendant des Ursenders jener Veranstaltung zu diesem Mißverständnis, weil dadurch der RS Wien von den fürchterlich gesprochenen 388 »Fernschreiben der Reichskommission für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich an die Gauleitung Neustadt an der Weinstrasse vom 29. 3. 1940«, Akt 2415/ 0, RF Allgemein, ÖstA. 389 »Brief vom 4. 5. 1940«, Akt 2415/0, RF Allgemein, ÖSta.

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Worten Heinrich Georges verschont blieb. Dass der von uns im Anschluß gespielte Walzer von Johann Strauss ›An der schönen blauen Donau‹ Systemmusik darstellt, war mir jedoch nicht bekannt, da Johann Strauss meines Wissens zu den größten Unterhaltungskomponisten der deutschen Musikgeschichte zählt.«390

Das Bestreben der Wiener Reichssendestelle, die nationalsozialistische Propaganda bestmöglich weiterzutragen, wurde auch in den Mahnschriften der Reichssendeleitung an die Wiener Dependance sichtbar. So wies man in den Schreiben über Beschwerden »von verschiedenen Seiten«391 ebenfalls auf die fehlerhafte Rundfunkübertragung zu Silvester 1939 hin. Die für lange Zeit tradierte These, wonach das Hörspiel im Nationalsozialismus keine oder kaum eine Bedeutung hatte, wurde bereits mehrfach widerlegt.392 Auch in den wenigen aufgefundenen Dokumenten zum Rundfunk im Nationalsozialismus in Österreich wurde auf die Bedeutung des Hörspiels hingewiesen. In einem Brief der Reichssendeleitung wurde verlautbart, »dass wir wertvolle Hörspiele beschaffen müssen, die die gegenwärtige politische Situation besonders beleuchten und die politische Propaganda unterstützen. Insbesondere ginge es darum, Themen zu finden, die England und Frankreich in Gegensatz zueinander zeigen.«393 Das Hörspiel im Radio wurde als »künstlerische Ausweitung der politisch propagandistischen Aktion des Deutschen Rundfunks«394 betrachtet. Mithören wurde dem Miterleben, dem dabei sein gleichgesetzt: »[…] wer sich von der Teilnahme am Rundfunk ausschließt, läuft daher heute schon Gefahr, auch am Leben der Nation vorbeizugehen«395. Dem nationalsozialistischen Volksempfang stand aber immer die potenzielle Bedrohung durch das individuelle Abhören feindlicher Sender gegenüber. Ein Risiko, dem aus wirtschaftlichen Gründen technisch nicht beizukommen war396 und das durch gesetzliche Verfügungen unterbunden werden sollte: »[…] wer dennoch weiterhörte, wurde als Rundfunkverbrecher inkriminiert«397. »Denke 390 »Ma./K Stellungnahme zu dem Sonderbericht des Reichspropagandaamtes Wien über den Reichsender Wien, Wien, am 29.II.1940, des Intendanten des Reichsenders Wiens Mages«, Akt 2415/0, RF Allgemein, ÖSta. 391 Ebd. 392 Zum Hörspiel im Nationalsozialismus vgl. Döhl, Reinhard, »Das Hörspiel zur NS-Zeit«, in: Geschichte und Typologie des Hörspiels, Bd 2., hg. v. Klaus Schöning, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1992, S. 498–511, Wessels, Wolfram, Hörspiele im Dritten Reich, Bonn: Bouvier 1985. 393 »Brief der Reichssendeleitung Berlin-Charlottenburg an Gauleiter Bürckel, vom 8. 8. 1939«, Akt 2415/0, RF Allgemein, ÖstA. 394 Ebd. 395 Joseph Goebbels zitiert nach Marßolek (1999), S. 131. 396 Durch Zusatzgeräten konnten Trennschärfe und Fernempfang des Volksempfängers deutlich verbessert werden. Vgl. Schmidt (1999), S. 140. 397 Hensle (2000), S. 111.

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daran! Das Abhören ausländischer Sender ist ein Verbrechen gegen die nationale Sicherheit unseres Volkes. Es wird auf Befehl des Führers mit schweren Zuchthausstrafen geahndet.«398 Neue Regeln des guten Zuhörens wurden postuliert und ihr Zuwiderhandeln mit Entzug des Radioapparates, mit Zuchthaus und Todesstrafe geahndet: »10 Gebote gegen Feindpropaganda! […] Die ausländische Rundfunkpropaganda arbeitet mit bewussten Verdrehungen und vom Einzelnen nur schwer nachprüfbaren Lügen. Unterlasse deshalb das Abhören ausländischer Funksendungen. Es ist unehrenhaft und daher allgemein verboten. Wenn du feindliche Aufrufe durch Lautsprecher oder Megaphone hörst, so melde deine Beobachtungen den Vorgesetzten. […]«399

Trotz der immer rigoroseren Gesetzgebung, um das Abhören feindlicher Sender zu unterbinden, und der damit verbundenen Denunziation und Verfolgung von »Rundfunkverbrechern«400, konnte auch die NS-Führung den Umstand, dass abgehört wurde, nicht verleugnen. Die Beliebtheit der deutschsprachigen Sendungen von BBC, Radio Beromünster und Radio Moskau resultierte aus dem »anhaltenden Nachrichtenhunger, den der gleichgeschaltete Rundfunk nicht zu befriedigen vermochte«401; zum anderen war es das »vielfältige und attraktivere Programm«402, das der gleichgeschaltete Rundfunk nicht bieten konnte. Dabei war seit Kriegsbeginn ein Wandel im nationalsozialistischen Hörfunkprogramm zu bemerken. Die Gewichtung lag verstärkt auf »der Verbindung von Unterhaltung und Propaganda«403, wobei das Radio sowohl den Kampfwillen in der Bevölkerung stärken als auch unterhaltend und ablenkend wirken sollte. »Unser Volk ist heute in einer Weise in der Kriegsarbeit eingespannt, daß es mit Recht verlangen kann, in seinen seltenen Mußestunden Entspannung zu erhalten, von der Schwere des Alltags abgelenkt zu werden und in einer leichten und gefälligen Unterhaltung ein gewisses Gegengewicht zu den harten Anforderungen der Zeit zu finden.«404

Mit dieser Akzentuierung auf »leichte Unterhaltung« etablierte sich das Radio weiter als Begleitmedium. Obwohl aber nun der Akzent verstärkt auf Ablenkung und Entspannung gelegt wurde, blieb die Propagandawirkung des Mediums 398 399 400 401 402

Ebd. Vgl. Dahl (1983), S. 175. Vgl. Hensle (2000), S. 111. Ebd. Dussel, Konrad, Hörfunk in Deutschland. Politik, Programm, Publikum (1923–1960), Potsdam: Verlag für Berlin Brandenburg 2002, S. 207. 403 Ebd., S. 210. 404 Joseph Goebbels zitiert nach Dussel (2002), S. 224.

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erhalten und der Rundfunk stellte weiterhin eines der wichtigsten nationalsozialistischen Identifikationsobjekte dar.

Dem Schall Rauch ins Gesicht blasen: Gesten des Radiohörens »Ich fürchte mich vor dem Radio«, dieser Satz von Anton Kuh aus seinem Gedicht »Angst vorm Radio« hatte in den Jahren faschistischer Indoktrination und Propaganda seinen Ausgangspunkt genommen und sollte in den darauf folgenden Jahren nicht an Bedeutung verlieren. Viele seiner Zeitgenossen und Zeitgenossinnen teilten bereits früh die Sorge um die Manipulationskraft des Rundfunks und seine politischen Propagandamöglichkeiten. Intellektuelle wie Benjamin, Brecht, Stern oder Adorno beschäftigten sich mit den ambivalenten Wirkungsmöglichkeiten des Radios in ästhetischer und politischer Dimension. Bereits vor seiner Emigration hatte Adorno sein Unbehagen an der gegenwärtigen Rundfunkentwicklung als staatliches Machtinstrument formuliert: »Der gegenwärtige Rundfunk ist Instrument des Staates und hat in den entscheidenden Monaten in dessen Dienst eine politisch-öffentliche Schlagkraft erwiesen, die dem quäkenden Begleiter des häuslichen Lebens keiner je zugetraut hätte und die alle Privatsphären unter sich begrub.«405

Einige Jahre später, als Adorno bereits seine Arbeit im Research Center in Princeton aufgenommen hatte, wurden die Vorausahnungen zur Gewissheit. »[ü]ber den Grad der Atomisierung und Standardisierung der Rundfunkerfahrung der Hörer wirklich Aufschluß zu gewinnen. Entscheidend ist dabei natürlich deren relative Ohnmacht den sie beliefernden Gesellschaften gegenüber. Diese Ohnmacht ist in den faschistischen Ländern ins Extrem gesteigert: der Volksempfänger.«406

Zahlreiche Studien zum Radio hat Adorno für das Princeton Research Project von Paul Lazarsfeld angefertigt. Er war dort von 1938 bis 1941 als Mitarbeiter beschäftigt.407 Im Radio Research Center von New York hatte Paul Lazersfeld sozialpsychologische Studien zum Rundfunkkonsum und zur Radiowirkungsforschung in Amerika begonnen. Neben Adorno arbeitete auch Rudolf Arnheim im Forschungszentrum. Obschon sich diese Untersuchungen auf den amerikanischen Radiokonsum und hier vor allem auf die kommerzielle Weiterentwicklung von Radio- und Werbeformaten bezogen, hatten Adornos Überle405 Adorno, Theodor W., »Musik im Rundfunk« (1938), in: Frankfurter Adorno Blätter VII, hg. v. Theodor W. Adorno Archiv, München: Edition text + kritik 2001, S. 90–120, S. 90. 406 Ebd, S. 103. 407 Zu Adornos Arbeit im Research Center, vgl. Hagen, Wolfgang, Gegenwartsvergessenheit: Lazarsfeld, Adorno, Innis, Luhmann, Berlin: Merve-Verl. 2003.

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gungen zum Rundfunk immer auch die Entwicklung in Nazideutschland vor Augen. 1938 forderte Theodor W. Adorno in seinen fragmentarischen Schriften über das Radio eine »Gesellschaftstheorie des Rundfunks«408. Für ihn zählte das Radio zu jenen Erfindungen im bürgerlichen Haushalt, »die seit dem 19. Jahrhundert die Familie oder den Einzelnen mit Produkten der öffentlichen Hand bedienen: […] Wasser-, Gas- und elektrisch[e] Leitung.«409 Und genauso wie die Nutzung von Gas oder Strom, hätte jeder widerständige Gebrauch beziehungsweise Nicht-Gebrauch auf Empfängerseite keine »Macht über die […] Zentrale«; im Gegenteil fände die »bescheidene Macht« schnell ihre Grenzen an den »Katastrophen, die das Öffentliche im Privaten« verursachen können.410 »Das Wasser kann die Wohnung überschwemmen, [….] die Elektrizität zum Kurzschluss kommen, und der Radiosprecher, der sich von seinen Hörern verabschiedet mit den Worten: ›Vergessen Sie nicht, Ihre Antenne zu erden‹, wünscht ihnen nichts Gutes.«411 Um die besondere Wirkungsweise des Rundfunks besser verstehen zu können, schlug Adorno vor, die Gesten des Radiohörens zu untersuchen. Dabei interessierten ihn vor allem die unterschiedlichen Haltungen und Tätigkeiten – etwa, ob »im Sitzen, Stehen, Herumgehen oder im Bett gehört wird«412. Zwei Gesten waren für Adorno von besonderer Wichtigkeit: die Geste des Abdrehens und jene des Umschaltens; beide Gesten identifizierte er als Formen ohnmächtiger Aktivität413. Adorno sprach in seinen Überlegungen zum Rundfunk jedoch auch von einer dritten Geste, einer speziellen Rezeptionshaltung, in der Radio gehört werden könne, nämlich »der Geste des Rauchens«414, die für ihn einen Wendepunkt zwischen dem passiven Konsum und einer aktiven Auseinandersetzung ermöglichte. In der Geste des Rauchens sei eine Haltung dem (Radio-)Hören gegenüber möglich, welche die Möglichkeit einer Kontemplation in der Zerstreuung eröffne. »[S]ie richtet sich gegen die Aura des Kunstwerks, dem Schall wird Rauch ins Gesicht geblasen. Die Geste des Rauchens ist eine der Ablenkung von der Sache oder jedenfalls eine von deren Entzauberung, wer raucht, fühlt sich. Zugleich kann aber auch das Rauchen die Konzentration fördern. Überhaupt scheint mir zwischen Rauchen und

408 409 410 411 412 413 414

Adorno (2001), S. 99. Ebd., S. 103. Ebd., S. 104. Ebd. Ebd., S. 111. Ebd. Ebd.

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Radio eine tiefe Beziehung zu bestehen. Der Raucher isoliert sich und macht sich umgänglich zugleich.«415

Diese Rezeptionshaltung kann als Veräußerlichung einer inneren Haltung dem Gehörten gegenüber und als Form der kritischen Rezeption verstanden werden; sie hilft dabei, hegemoniale Formen der Sinneswahrnehmung416 aufzuzeigen und neue Formen der Aneignung zu finden. Dadurch können im Idealfall festgelegte Ordnungsstrukturen überwunden und partizipative Formen des (Radio-)Hörens entwickelt werden, welche die grundlegenden Voraussetzungen gegen einen »ohnmächtigen« Mediengebrauch bilden, wie er von Adorno in seinen radiotheoretischen Schriften formuliert wird. Als Distributionsapparat ist der Rundfunk per Definition immer auch ein Ort politischer Indoktrination und Manipulation gewesen. Lautsprecher und Volksempfänger wurden zum Sinnbild einer totalitären Ordnung. Die Möglichkeiten des Rundfunks, Kunst, Kultur und Politik hörbar zu machen, verloren mit dem Erstarken des Faschismus’ in Europa ihren Versuchscharakter. Die Fragen nach Wirkungsweise und Möglichkeiten des Rundfunks als eigenständiges künstlerisches Medium traten angesichts seiner enormen Verbreitungsmöglichkeiten in den Hintergrund. »Statt die dem Rundfunk inhärenten Möglichkeiten der Kommunikation zu nutzen, haben sie die Einseitigkeit des Mediums verstärkt und jede ›Organisation der Ausgeschalteten‹ zerschlagen«417. Brechts Thesen zu den Funktionsweisen des Rundfunks und seine Forderung nach Überwindung »der Folgenlosigkeit der gegenwärtigen Institutionen«418 wurden von den Nazis »totalitär gewendet«419 und zum Symbol ihrer faschistischen Medienpolitik. Die Alliierten nutzten den »grenzenlosen« Rundfunk, um zwischen 1938 und 1945 eine Gegenstimme für Widerstand und Freiheit zu senden. Deutschsprachige Sendungen, die von der BBC für Österreich und Deutschland produziert wurden, sollten »die Differenz zwischen Regime und Bevölkerung in NaziDeutschland […] vergrößern«420. Neben Nachrichten und Kommentaren zum Geschehen im Dritten Reich setzte man dabei vor allem auf kabarettistische Sendungen im Kampf gegen den Nationalsozialismus. 415 Ebd. 416 Zur Bedeutung der Stimme als Ausdruck von Teilhabe und Exklusion siehe: RanciHre (2008). 417 Bertolt Brecht zitiert nach Fahle, Oliver, »Eine Debatte. Zur Einführung«, in: Kursbuch Medienkultur. Die maßgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard, hg. v. Claus Pias et. al., Stuttgart: DVA 1999, S. 255–258, S. 256. 418 Fahle (1999), S. 256f. 419 Ebd. 420 Naumann, Uwe, »Kampf auf Ätherwellen. Die deutschsprachigen Satiren der BBC im Zweiten Weltkrieg«, in: German speaking Exiles in Great Britain, hg. v. J.M. Ritchie; London: Rodopi 2001, S. 31–38, S. 32.

Dem Schall Rauch ins Gesicht blasen: Gesten des Radiohörens

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Martin Esslin, in Wien geborener Schriftsteller und Regisseur, konnte als Jugendlicher nach London flüchten und arbeitete an den deutschsprachigen Sendungen der BBC mit. In einer Radiospezialsendung aus dem Jahr 1959 kamen ehemalige Radiomitarbeiter wie Martin Esslin oder der Münchner Kabarettist und Radiomoderator Egon Larsen mit ihren Sendungen der 1940erJahre zu Wort. Esslin erinnerte sich an die ersten Radiojahre bei der BBC: »Als ich meinen ersten Job hier im Bush House antrat, war ich noch sehr jung und wurde mit Recht als eine Art Lehrling behandelt und oft damit beauftragt, Schallplatten aus dem Archiv her zu suchen und in unsere Studios zu bringen. So wurde ich mit dem Tonarchiv der BBC sehr vertraut und fand, dass ziemlich viele von Hitlers Reden aus früheren Jahren aufgenommen und aufbewahrt worden waren. Ich begann, diese durchzuspielen und Aussprüche, die im Lichte der Ereignisse einen neuen Sinn bekommen hatten, zu notieren. Und da es in diesen Reden eine ganze Menge solcher Stellen gab, die aber in den Bergen von Schallplatten sehr schwer wieder aufzufinden waren, begann ich, diese Stellen herauszunehmen und auf neue Platten umzuschneiden.[…] Ich erinnere mich besonders an das berühmte Versprechen von 30. September 1942, dass Stalingrad genommen werden würde UP: Hitler Extracts, Disc 53, ›Stalingrad überrennen, und es auch nehmen werden, worauf Sie sich verlassen können […]‹«421

Wie groß die Popularität dieser Gegenpropaganda-Sendungen war, zeigt auch eine Kabarett-Szene unmittelbar nach Kriegsende mit dem Titel Alte Bekannte, niemals gesehen: »Ein Conferencier begrüßte auf der Bühne eine Reihe von Figuren, die damals in Österreich und Deutschland äußerst populär waren. Sie waren während des Krieges als Rundfunk-Stimmen bekannt geworden, gesendet vom englischen Rundfunk über den Äther in die feindlichen Länder. Auf der Kabarettbühne im befreiten Wien im August 1945 traten nun leibhaftige Schauspieler in diesen Rollen auf: der Gefreite Hirnschal, die beiden Berliner Freunde Kurt und Willi, der Alois mit dem grünem Hut.«422

Nachrichten und Radiounterhaltung wurden von verschiedenen Sendern von London, Beromünster bis nach Moskau übertragen.423 Für viele ExilantInnen

421 »Hier ist der Londoner Rundfunk – Rückblick und Ausblick nach 21 Jahren written and complied by Carl Brinitzer« Sendungstyposkript, o. D., Nachlass Egon Larsen, Archiv des Bayerischen Rundfunks. 422 Naumann (2001), S. 31. Die Kunstfigur Adolf Hirnschal und der Alois mit dem grünen Hut wurden von Robert Ehrenzweig (später Robert Lucas) und Friederick Schrecker geprägt, Kurt und Willi wurden von Fritz Wendhausen und Peter Ihle gesprochen. Ebenfalls in der deutschsprachigen Abteilung der BBC tätig, und für seine überaus überzeugenden Hitlerparodien bekannt, war der Schauspieler Martin Miller. 423 Vgl. Püttner, Conrad, Rundfunk gegen das »Dritte Reich«. Ein Handbuch. Deutschsprachige Rundfunkaktivitäten im Exil 1933–1945. München/London/New York/Oxford/Paris: K.G. Saur 1986.

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Faschismus und Radiokultur

war der deutschsprachige Radiodienst eine wichtige Möglichkeit, Arbeit zu finden und aktiv am Widerstand gegen Nazideutschland mitzuwirken.

c)

Resonanzen III: Stille

»Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch, und das frißt auch die Erkenntnis an, die ausspricht, warum es unmöglich ward, heute Gedichte zu schreiben.« (Theodor W. Adorno, 1949) »Hören Sie denn nichts? Hören Sie denn nicht die entsetzliche Stimme, die um den ganzen Horizont schreit und die man gewöhnlich die Stille heißt?« (Georg Büchner : Lenz)

Was ist Stille? – Diese Frage ist kaum zu beantworten und keinesfalls umfassend zu klären,424 ebenso ist eine Abgrenzung zu Begriffen wie dem Schweigen, dem Verstummen, der Lautlosigkeit und der Ruhe nicht trennscharf zu ziehen. Man kann sich der Stille nur auf Umwegen mittels ästhetischen, kulturellen und politischen Fragestellungen annähern. Stille gilt im Radio als eines der grundlegenden Elemente des Mediums und die Pause als dramaturgische Finesse des literarischen Hörspiels. Gleichzeitig gilt es aber, Stille im Radio tunlichst zu vermeiden. Im Althochdeutschen bezeichnet stilli das »unbewegte«, das »lautlos, leise« und das »verborgen, geheime«.425 Diese Bedeutungsdefinitionen zeigen bereits die Notwendigkeit einer Verortung; Stille definiert sich, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, als etwas Gegensätzliches, schwer Fassbares und zum Teil sogar Paradoxes.426 In der Informationstheorie wird einem Signal mit konstanter Stille der gleiche Entropiewert zugeordnet wie einem durchgängigen, gleichförmigen Geräusch. Die Informationsdichte – also der Informationsgehalt der beiden Signale – unterscheidet sich nicht. Erst bei der Veränderung eines Signals von Stille zum Ton entsteht ein neuer Informationswert. Stille existiert also nur durch ihr Gegenteil – dem Geräusch – und umgekehrt. Damit verweist Stille in besonderer Form auf die Materialität des Mediums. »In den ersten Rundfunkjahren ging [es] im engen Rahmen von ›Unterhaltung und Belehrung‹ […] nicht darum, was gesagt, sondern dass gesprochen wurde, insofern erscheint das Schweigen der Apparatur als die am meisten gefürchtete Realität. Dies gilt sowohl für die lärmenden Theaterinszenierungen am Rundfunk als auch für die Situation der Sprecher vor dem Mikrophon, in der sie kontinuierlich gegen die Stille und das Schweigen ansprachen.«427 424 In der Einleitung zum Kapitel Hören & Stille des Hörstadtbuches heißt es: »You can’t explain silence by saying something«, in: Hörstadt. Reiseführer durch die Welt des Hörens, hg. v. Florian Sedmak, Peter Androsch, Wien: Brandstätter 2009, S. 175. 425 Grimms Wörterbuch, Müchen: dtv 1984, S. 2939. 426 Vgl. dazu etwa Liedtke, Rüdiger, Die Vertreibung der Stille. Leben mit der akustischen Umweltverschmutzung, München: dtv 1985. 427 Gethmann (2005), S. 110.

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Resonanzen III: Stille

Auch in Benjamins ersten Rundfunkerfahrungen spielte die Stille eine wesentliche Rolle: Bei seinem ersten Radiovortrag geriet Benjamin im bereits weiter oben zitierten Vortrag in Zeitnöte; während er noch zu Beginn versuchte, den Vortrag hastig voranzutreiben, musste er gegen Ende die noch überzählige Zeit durch lang gezogene Sätze und kunstvolle Pausen füllen. Er beschrieb die Momente der Stille als einen Schauer, »der doch dem ältesten den wir kennen, verwandt war. Ich lieh mir selbst mein Ohr, dem nun auf einmal nichts als das eigene Schweigen entgegen tönte. Das aber erkannte ich als das des Todes, der mich eben jetzt in tausend Ohren und in tausend Stuben zugleich hinraffte«.428 Dort, wo der Klang der Stimme verstummt, bleibt nur mehr die gespenstische Abwesenheit des Körpers zurück.429 Tatsächlich würde absolute Stille, wie sie nicht einmal im »schalltoten Raum« vorkommt, das Ende allen Lebens bedeuten. »Klang ist Leben, Stille ist Tod« meint etwa der Dirigent Daniel Barenboim.430 Eine beunruhigende Vorstellung, und doch gibt es so etwas wie den Sehnsuchtsort Stille. Um 1900 wurden Ruheräume geschaffen, die den vom Fortschritt gehetzten Menschen eine Pause verschaffen sollten. Im Hörstadt-Projekt in Linz aus dem Jahr 2009 wurde ebenfalls nach solchen Ruheräumen gesucht und vereinzelt wurden solche im öffentlichen und halböffentlichen Raum etabliert.431 Im Jahr der Stille 2010 wurden diese Bemühungen intensiviert und markieren ein besonderes Bewusstsein und Interesse gegenüber dem Hören und dem Zusammenspiel der Sinne. Während der Lärm der Stadt vielfach als negativ empfunden und sogar eine Verherrlichung des Lärms diagnostiziert wurde, konnte sich gleichzeitig eine Fetischisierung der Stille etablieren. »Der Verlust einer positiven Einstellung zur Stille hat Konsequenzen für die akustische Lebensumgebung von heute gehabt. Das Verhältnis von Schall und Nichtschall wurde getauscht, eine Überfülle von übermäßiger Schalldichte gekennzeichneten Lautsphären ist entstanden. Der Literat und Denker E.M. Cloran sah in der negativen Einstellung gegenüber der Stille die Apokalypse dämmern: Das Verschwinden der Stille muss zu den Vorzeichen des Endes gezählt werden.«432

In einem nahezu schalltoten oder vielmehr reflexionsarmen Raum scheint jeder Laut, den man spricht, »von den Lippen auf den Fußboden zu fallen«433. Gleichzeitig werden die Geräusche im Inneren des Körpers wahrnehmbar : das 428 429 430 431 432 433

Benjamin (1972), S. 763. Ehardt (2014), S. 141. Sedmak, Androsch (2009), S. 175. Vgl. »Die Linzer Charta«, Beilage zum Buch: Hörstadt von Sedmak, Androsch (2009). Sedmak, Androsch (2009), S. 176. Schafer, R. M., Klang und Krach. Eine Kulturgeschichte des Hörens, Frankfurt am Main: Athenäum Verlag 1988, S. 302.

Die Stille Stunde

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Rauschen des Blutes durch den Körper, der Puls und der Herzschlag. Als John Cage in einen solchen Raum kam, »hörte er jedoch zwei Laute, einen hohen und einen tiefen Laut«434. Für Cage »gibt [es] nicht so etwas wie Stille. Etwas geschieht immer, das Klang erzeugt«435. Für R. Murray Schafer teilt sich Stille in eine negative und eine positive Stille auf. Als negative Stille bezeichnet er die Furcht des westlichen Menschen vor der Abwesenheit der Laute. »In der westlichen Gesellschaft ist Stille etwas negatives, ein Vakuum. Stille bedeutet für den westlichen Menschen Verweigerung der Kommunikation. (…) Absolute Stille ist für den westlichen Menschen beängstigend.«436 Als positive Stille imaginiert er einen Menschen im Einklang mit sich und der Umwelt. »Wenn wir Hoffnung auf Verbesserung des Akustikdesigns der Welt hegen, wird dies nur nach der Wiedererlangung von Stille als einem positiven Zustand in unserem Leben zu verwirklichen sein. Stillen wir den Lärm im Geiste (…).«437 Neben diesem taoistischen Diskurs zu Stille und Lärm zeigt Schafer in seinem Werk »The Tuning of the World«, dass der Gegensatz von Lärm und Stille auch Machtordnungen aufzeigen kann. Als Beispiel führt er die architektonische Aufteilung der Chefetage einer großen Firma an: Je näher man dem Zentrum der Macht komme, desto stiller und gedämpfter werde die Umgebung. »Lärm ist gleich Macht ist eine recht grobe Gleichung, Stille ist gleich Macht, ist feiner, aber genauso wirkungsvoll.«438

Die Stille Stunde »Die Stille Stunde« – so lautet der stumme Radiohit dreier abgehalfterter Variet8künstler in Ren8 Polleschs Theaterstück Peking Opel.439 Pollesch spielt mit Ambivalenzen und Irritationen und eine Pantomime-Aufführung als Hit im Radio ist eine ebenso witzige wie provokative Wahrnehmungsirritation. Stille wird hier zum subversiven Material, das unhinterfragte Erwartungen zerstört. Still darf Radio per Definition niemals sein; »Dead Radio« lautet etwa der angloamerikanische Ausdruck für Stille im Rundfunk – ein Zustand den es zu 434 435 436 437 438

John Cage zitiert nach Schafer (1988), S. 302. John Cage zitiert nach Schafer (1988), S. 303. Schafer (2005), S. 303. Schafer (1988), S. 306. Schafer, R. M., »Soundscape. Design für Ästhetik und Umwelt«, in: Der Aufstand des Ohrs, die neue Lust am Hören, hg. v. Volker Bernius, Peter Kemper, Regina Oehler, Karl-Heinz Wellmann, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006, S. 141–152, S. 150. 439 Peking Opel von Ren8 Pollesch, UA: 2010 Burgtheater Wien, diesen Hinweis verdanke ich Brigitte Marschall.

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Resonanzen III: Stille

vermeiden gilt. Sendeanstalten haben einen Notfallmechanismus, der sich automatisch einschaltet, um einen Jingle einzuspielen, falls über einen längeren Zeitraum Stille zu hören sein sollte440. Tatsächlich kommt Radio aber nicht ohne Schweigen, Stille und Pausen aus. Sie sind ebenso Teil der Zeichensysteme des Radios wie Stimme, Musik und Geräusch. Mit der Ökonomisierung des Tons441 werden Pausen zum kostbaren Gut – zu kostbar für den Rundfunk. Die Strukturierung des Zeitflusses zielt auf eine kontinuierliche Vermeidung von Stille ab, oftmals wird eine eigene Software eingesetzt, um Pausen in den Wortbeiträgen zu eliminieren und damit kostbare Werbezeit zu lukrieren. In einem Club 2 aus dem Jahr 1985 zum Thema »Die Vertreibung der Stille« wurde der gleichnamige Bestseller zum Ausgangspunkt einer lebhaften Diskussion mit dem Leiter der Ö3-Musicbox Werner Geier. Denn die Mitschuld am Verschwinden der Stille und der Verherrlichung des Lärms hat man auch beim Rundfunk und hier vor allem beim noch jungen Musiksender gesucht. Bereits sechs Jahre zuvor hatte die Gruppe 77 im Rahmen des »steirischen herbstes« zu einer »Aktion Stille« aufgerufen, welche in Print, Fernsehen und Funk zelebriert wurde. Initiator der Aktion war der Maler Hans Bischoffshausen und auch weitere Mitglieder der Kunstgruppe 77, wie etwa Wil Frenken, Fria Elfen und Wolfgang Rahs, hatten sich daran beteiligt. Als Aktionsziel galt die Einbremsung der Informations- und Zeichenflut in Kunst und Öffentlichkeit, »weil sie das Element der Stille als nicht von (Laut-) Zeichen gekennzeichneter Information innerhalb der Kunst und Kunstrezeption für wichtig«442 erachteten. Neben (leeren) Anzeigen in österreichischen Zeitungen und einer Schweigeminute beim Club 2 wurde während des Sendeprogramms am 23. September 1979 auch »Eine Minute Stille auf Österreich Regional«443 gesendet. Die Suche nach Stille ist zu einer Zeit forciert worden, als das Medienzeitalter bereits ausgerufen war und Informations- und Unterhaltungsprogramme sich vervielfältigten.444 Marshall McLuhans These vom »Global Village« fasst das 440 Paul Plampers Hörstück Tacet (WDR 2010) in der eine Frau plötzlich das Sprechen verweigert, enthält mehrere längere Pausen, beim Abspielen des Hörspiels muss an die Tontechnik die Anmerkung ergehen, dass dieser Notfallmechnanismus ausgeschaltet wird. Danke für diesen Hinweis an Paul Plamper. 441 Einen Einblick in den Warencharakter des Akustischen gibt Roger Behrens: »Kann man die Ware hören?«, in: Sound Studies: Traditionen – Methoden – Desiderate. Eine Einführung, hg. v. Holger Schulze, Bielefeld: transcript 2008, S. 167–184. 442 Anonym, »Steirische Stille«, in: Die Zeit, Nr. 36, 31. August 1979, http://www.gruppe77.at/ gruppenprojekte/1979-stille/ (Zugriff: 25. 01. 2016). 443 Ebd. 444 Vgl. McLuhan, Marshall, »Heiße Medien und kalte« (1964), in: Kursbuch Medienkultur : Die maßgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard, hg. v. Claus Pias et. al., Stuttgart: DVA 2004, S. 45–54, S. 45.

Die Stille Stunde

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zunehmende Angebot an Nachrichten, Musik und Unterhaltung zusammen. Für das »heiße Medium«445 Radio verweist eine längere Pause auf die Grenzen des Mediums, scheinen Stille und Schweigen dem Radio doch zunächst vollkommen wesensfremd zu sein. »Sprich, damit ich dich sehe«, mit diesem Titel versieht Heinz Schwitzke eine seiner Veröffentlichungen zum Hörspiel.446 Gleichzeitig war Stille im Radio ein noch junges Phänomen, das auch radiodramaturgisch vor allem im Nachkriegshörspiel eingesetzt wurde. Rauschfreie Stille war im Radio erst nach 1945 möglich; zuvor wurde im Mittelwellenbereich mit kontinuierlichem Hintergrundrauschen gesendet. Ultrakurzwellen, die ein wesentlich breiteres Frequenzspektrum abdeckten aufgrund ihres »spezifischen Modulationsverfahrens, das der technischen Signalübertragung zugrunde lag«447, kamen zunächst nur zu Versuchszwecken zum Einsatz und wurden erst nach der Internationalen Wellenkonferenz von Atlantic City nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkt genutzt. Die Einführung war eine echte Sensation für die HörerInnen: »Jetzt wissen wir es endlich. Wir haben auch UKW. Das ist sehr schön. Die Empfangsmöglichkeiten in diesem Wellenbereich sind wesentlich besser und störungsfrei, geradezu ideal.«448 Erst mit der Etablierung der UKW-Frequenzen für den Rundfunk war nahezu rauschfreies Senden möglich und es konnte tatsächlich Stille im Radio »erklingen«. Als dramaturgisches Mittel wurde die kunstvolle Pause im Traditionellen Hörspiel der Nachkriegszeit verwendet. Günther Eichs »Träume«, Ilse Aichingers »Knöpfe« oder Borcherts Heimkehrdrama »Draußen vor der Tür« spielen mit der Stille als ästhetisches Element und wirkungsvolles Inszenierungsmittel. Bernhard Siegert geht in seinem Text über das Nachkriegshörspiel und seiner Tendenz zur Verdrängung der Vergangenheit von der These aus, dass sich das literarischen Hörspiel, wie es in den 1950er Jahren vor allem vom Hörspieldramaturgen Heinz Schwitzke etabliert wurde, der Materialität des Mediums zu entziehen versuchte und ganz auf eine Dramaturgie der Innerlichkeit und Verdrängung setzte. Als ein Beispiel dient ihm der Hörspielklassiker » Biedermann und die Brandstifter« von Max Frisch, bei dem kein einziger Schnitt, sondern eine Vielzahl an Blenden zum Einsatz kam.449 Tatsächlich finden sich im Nachkriegs445 Ebd. 446 Schwitzke, Heinz, Frühe Hörspiele. Sprich damit ich dich sehe, Band 2, München: Paul List Verlag 1962. 447 Schopp, Thomas, »Der Diskjockey Tom Donahue und das Freeform Radio in den USA«, in: Pop Geschichte Band 2, Zeithistorische Fallstudien 1958–1988, hg v. Bodo Mrozek, Alexa Geisthövel, Jürgen Danyel, Bielefeld: Transcript 2014, S. 113–134, S. 117. 448 Hiesel, Franz, Herr Janda und die UKW. Typoskript, o. D., S. 1, Nachlass Hiesel, WbR. 449 Siegert, Bernhard, »Das Hörspiel als Vergangenheitsbewältigung«, in: Diskursgeschichte der Medien nach 1945. Medienkultur der 50er Jahre, Bd. 1, hg. v. Irmela Schneider und Peter M. Spangenberg. Wiesbaden: Westdt. Verl. 2002. S. 287–298.

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Resonanzen III: Stille

hörspiel zahlreiche Hörspiele, die sich durch den kunstvollen Einsatz der Blende auszeichnen. Für Eugen Fischer liegt die »raumlose Stille […] zwischen zwei Phasen […]. Das akustische Nichts, die völlige Leere trennt. Sie hat den Charakter einer Pause. Diese Pause ist nicht technisch bedingt wie viele Pausen beim Theater, sie ist ein Bestandteil der Dramaturgie.«450 Während technische Pausen, also Schnitte, im Nachkriegshörspiel weitgehend vermieden wurden, wurde gleichzeitig die Dramaturgie der Blende perfektioniert. »Einblenden? Was ist das? Was geschieht, wenn im Hörspiel eine Blende aufgeht, d. h. der Tontechniker den Regler öffnet? Ein Nichts, ein akustischer Raum, der leer ist, den man aber gleichwohl mit den Ohren wahrnehmen kann, ist da – und damit ein potentieller Raum für Klänge und Stimmen, der dem potentiellen Raum für Bilder in unserer Phantasie seltsam genau entspricht. Jedes Wort, das in diesen Raum fällt, füllt ihn nun mehr und mehr, ähnlich wie sich im Traum der leere Raum bewußtlosen Dämmerns mit Licht und Bewegung zu füllen vermag; aber jede Stille läßt diesen Raum auch sogleich wieder dunkler und leerer werden.«451

Ein Pionier der Stille im musikalischen wie im elektroakustischen Bereich war der Komponist John Cage. Seine Gedanken zum Thema Stille sind nicht nur in seinen akustischen Arbeiten aufspürbar, sondern in zahlreichen Artikeln und Büchern festgehalten.452 Für Cage ist das Hören und mit ihm die Stille »Ursprung und Ziel menschlicher Existenz«453. Stille ist demnach die Grundvoraussetzung aller künstlerischen Arbeiten von Cage, dabei gilt es für ihn, die scheinbare Dichotomie von Klang und Stille zu durchbrechen; das Nicht-Ereignis im Akustischen gibt es nicht, ebenso wenig wie den Unterschied zwischen Ton und Stille. »Wir haben immer Töne um uns, und wir haben überhaupt keine Stille auf der Welt. Wir leben in einer Welt der Töne. Von Stille reden wir dann, wenn wir keine unmittelbare Verbindung mit den Absichten finden, von welchen die Töne produziert werden. Und wir reden von einer stillen (quiet) Welt, wenn wir aufgrund unserer Absichtslosigkeit glauben, es gäbe nicht viele Töne. Wenn wir dagegen den Eindruck haben, dass es viele Töne um uns herum gibt, dann reden wir von Lärm. Doch zwischen einer stillen Stille und einer Stille voll von Geräuschen gibt es keinen wirklichen Un450 Fischer, Eugen, Das Hörspiel. Form und Funktion, Stuttgart: Alfred Kröner 1964, S. 152. 451 Schwitzke (1963). S. 189. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Ergebnisse aktueller Hörforschungen, die nachweisen, dass das Hirn Dunkelheit und Stille ähnlich verarbeitet. (vgl. Czepel, Robert, »Wie das Gehirn Stille »hört«, in: science.ORF.at, http://sci ence.orf.at/stories/1638917/ (Zugriff: 09. 09. 2014). 452 Cage, John, Silence, Middelton Conn, 1961 (Deutsche Ausgabe übersetzt von Ernst Jandl, Berlin: Neuwied 1969), Cage, John, »Empty Mind«, in: NACHTCAGETAG. Programmbuch des WDR zur Vierundzwanzig-Stunden-Radio-Hommage an John Cage aus Anlaß seines 75. Geburtstages 1987, Köln: WDR 1987, S. 81–84. 453 Mixner, Manfred, »Der Aufstand des Ohres«, in: Paragrana. Internationale Zeitschrift für historische Anthropologie 2, Heft 1–2 (Das Ohr als Erkenntnisorgan), 1993, S. 29–39, S. 38.

Die Stille Stunde

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terschied. Was Stille und Lärm gemeinsam haben, das ist der Zustand der Absichtslosigkeit, und dieser Zustand ist es, der mich interessiert.«454

Nicht nur bei Cage, sondern bei zahlreichen weiteren Künstlern und Künstlerinnen der Nachkriegszeit trat in ihren Arbeiten »die Wahrnehmung selbst ins Zentrum der künstlerischen Aufmerksamkeit«455. Stille avancierte dabei zu einem wesentlichen Teil der Inszenierung. »Take a tape of the sound of snow falling. This should be done in the evening. Do not listen to the tape.«456

Im Neuen Hörspiel wurden die sprachkritischen Arbeiten junger Literaten und Literatinnen ab den 1960er Jahren zur medienkritischen Hörspielkunst. Harte Schnitte, das Zerschneiden und Restrukturieren von Stimmen und Geräuschen, galt als Kampfansage gegen das Traditionelle Hörspiel der Nachkriegsjahre. Die kunstvolle Pause des illusionistischen Hörspiels wurde im stereoakustischen Hörraum ironisiert und als subversives Medienmaterial genutzt. So etwa bei Elfriede Jelineks erstem Hörspiel aus dem Jahr 1971, »Wien West«, unter der Regie von Otto Düben. Darin stellt der Erzähler die Protagonisten anhand ihrer Fahrzeuge vor : Das Brummen von Werners Motorrad und von Jürgens Auto, das scheppernde Moped des Lehrlingsjungen Karl und das stille Rauschen des Fahrrades von Hans werden stereophon auf drei Hörpositionen links, rechts und mittig übertragen. »Sprecher (geht zwischen den einzelnen Positionen auf und ab) Liebe Hörerinnen und Hörer! Der Schmäh bei dem ganzen ist der Unterschied zwischen dem Geräusch das ein fahrendes Moped macht zum Geräusch das ein fahrendes Motorrad macht zum Geräusch das ein fahrendes Auto macht zum Geräusch das ein fahrendes Fahrrad macht. Hören wir uns diese Geräusche doch mal alle gemeinsam an! (…) Also zuerst das Moped (Surren) Jetzt das Motorrad (Knattern) nun das Auto (Autolärm) und zum Schluß das Fahrrad (lange Stille) oder auch (Stille dann Fahrradklingel dann Stille).«457

454 John Cage zitiert nach Mixner (1993), S. 30. 455 Vgl. Finter (2011), S. 127. 456 Ono, Yoko, »Snow Piece« (1965), in: See this Sound. Versprechungen von Bild und Ton, hg. v. Cosima Rainer, Stella Rollig, Dieter Daniels, Manuela Ammer, Köln: Walther König 2009, S. 117. 457 Jelinek, Elfriede, Wien West. (NDR/WDR 1971), Typoskript, S. 1, Archiv des Elfriede Jelinek Forschungszentrums Wien.

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Resonanzen III: Stille

In Gerhard Rühms Hörstück »Ophelia und die Wörter« aus dem Jahr 1969, inszeniert von Klaus Schöning,458 fungiert Sprache als Material, das in immer neuen Variationen zerlegt, geschnitten und neu zusammengesetzt wird. So ergibt sich eine Restrukturierung des Zeitflusses und die Stimme der Sprecherin Giselheid Hönsch gerät immer wieder ins Stolpern und Stottern. Die so entstehenden Pausen interpunktieren den Textfluss, der ins Stocken gerät und sich doch in eine musikalische Struktur einfügt. Stille wird so zu einem eigenständigen, nicht illusionistischen Moment der Materialität und Präsenz, der zur medienkritischen Reflexion einlädt.

458 Das Hörstück wurde als »Theater-Montage« aufgeführt, vgl. Anonym, »Versuch mit Ophelia«, in: Der Spiegel, 16. 06. 1969, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45589394. html (Zugriff: 10. 10. 2016).

5.

Viel Lärm ums Radio: Rundfunk nach 1945 »Wie blau ist das Meer, Wie groß kann der Himmel sein? Ich schau hoch vom Mastkorb Weit in die Welt hinein. Nach vorn geht mein Blick, Zurück darf kein Seemann schau’n. Kap Horn liegt auf Lee, Jetzt heißt es Gott vertrau’n.« (Hans Albers: La Paloma)

Am 3. November 1945 berichtete das »Kleine Volksblatt« über die ersten Sendebemühungen kurz nach Kriegsende, die durch fehlende Ausrüstung, geringe finanzielle Mittel und zu wenige MitarbeiterInnen noch schwer beeinträchtigt waren. »Versuchsendungen {…], die einen ersten direkten Kontakt mit der Hörerschaft darstellten. […] Die Ravag dankte diesen erfolgreichen Mitarbeitern (Hörern) am Aufbau des Wiener Rundfunks wieder auf ihre Art. Die Anfragen wurden von Musik umrahmt, Bitten um Nachricht wurden in eine nette Plauderei gekleidet, und so entstand im Laufe weniger Monate eine Familie, in der einer um den anderen besorgt war. […] Natürlich gibt es auch entrüstete Hörer, aber die Entrüstung vieler über die wenigen Entrüsteten zeigt, dass Mittel und Wege der Ravag verstanden werden. Was Oberingenieur Balahan und seinen Getreuen Sorge macht, sind allein die unerfüllbaren Wünsche. Man kann leider nicht jeden Tag La Paloma senden, was freilich zahllosen Hörerwünschen entsprechen würde.«459

Das Radio wurde als eines der wenigen intakten Zerstreuungsmöglichkeiten genutzt und erschallte aus Wohnungen, Lokalen und bald – dank Transistorradios – direkt von der Straße. In den ersten Nachkriegsjahren fanden sich in den österreichischen Zeitungen und Zeitschriften zahlreiche Artikel, in denen dieser städtische Radiokonsum zur öffentlichen Lärmverschmutzung hochstilisiert wurde. Das als »Lautsprecherplage« in Presse und Rundfunk bezeichnete Phänomen suchte Wien 1946 heim und löste eine Diskussion über den richtigen Gebrauch des Mediums Radio aus. Diese Art der Radionutzung als Geräuschkulisse des Alltags brachte aber nicht nur die hellhörige Nachbarschaft zum Verzweifeln, sondern stellte auch die Vorstellungen und Ideen der Rundfunkverantwortlichen über Form und Funktion des Rundfunks in Frage. Hatte sich der Rundfunk bis dato als wichtigstes Informations- und Propagandamedium positioniert, das die vollste Konzentration seiner HörerInnen459 Anonym, »Wie die Ravag abermals geboren wurde. Eine Hand wäscht die andere, oder vom Mithörer zum Mitarbeiter«, in: Das kleine Volksblatt, 3. November 1945, S. 5.

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Viel Lärm ums Radio: Rundfunk nach 1945

schaft einforderte, schallte es nun aus den Küchen und Hinterhöfen zur bloßen Zerstreuung der Zuhörerschaft. Nach Kriegsende wurde das in der NS-Zeit zum breitenwirksamen Volksempfänger vereinnahmte Radiogerät als eine der wenigen Möglichkeiten genützt, neben dem Empfang von Nachrichten und Suchmeldungen auch kurzweilige Unterhaltung zu finden. In einem an das Bundesministerium für Kultur und Unterricht sowie an die Rundfunkdirektion der RAVAG gerichteten Beschwerdebrief aus dem Jahr 1946 wurde das allerorts hörbare Medium zum lautstarken Unruhestifter erklärt. Dieser Brief reiht sich in eine Vielzahl von Korrespondenzen und Artikeln ein, die alle den Umgang mit dem Medium Radio thematisieren. »Mein Wohnungsnachbar zur Rechten ist Radiohörer von Berufe. An der Ausübung jeder anderen Tätigkeit hindert ihn seit 12 Jahren ein Herzleiden. In dieser ganzen Zeit hat er es jedoch kaum einen Tag versäumt, frühmorgens seinen Apparat aufzudrehen und ihn meist mit voller Stärke bis zu Abend laufen zu lassen, wie die Wasserleitung […] Es müsste dem Radiowildling sein Apparat zunächst auf eine Woche, bei Wiederholung auf einen Monat weggenommen […] werden.«460

In den von Rundfunk, Politik und Presse geführten Diskussionen sollte nun den unkontrollierten Hörgewohnheiten ein Konzept vom idealen Hören entgegengesetzt werden. In der Zeitschrift Radio Wien schrieb Hans Bujak – der spätere Intendant von Radio Wien – im Juli 1946 in einem Artikel mit dem Titel »Vom Radiohören« dazu: »Der richtige Hörer wählt sich sein Programm aus, je nach Interesse und Stimmung, aber auch nur für die Zeit, in der er zuhören will. Dabei zieht er eine dezente Lautstärke vor, die ihm die Darbietung zu einem intimen Genuß macht.«461

Wie sehr die Debatten ums Radiohören die Nachkriegszeit prägten, zeigt auch ein kurzes Hörspiel des jungen Autors Franz Hiesel. In seinem Radiostück »Das neue Radio« bekommt das »Lärmkastl« sogar einen eigenen Rundfunkauftritt. »Der Kneidlinger Karli, […] hat ein neuches [sic] Radio, eine flache Bakelitschachtel in Karmesinrot und Creme, mit einer kreisrunden Senderskala und einem massiven Handgriff. Seitdem ist der Weisse noch berühmter, weil er immer mit seinem Lärmkastl unter dem Arm durch die Gassen geht. Es gibt aber noch ein Dutzend Lärmkastlbesitzer in der Gegend vom Mariahilfergürtel bis zum Bierhäuslberg, […]«462

Der/die kontemplative RadiohörerIn saß andächtig und konzentriert vor dem Radiogerät, während im Gegensatz dazu der Radiowildling ziellos durch die Programme streifte. Hat er ein Programm gefunden, wurde der Wildling zum 460 »Zur Lautsprecherplage«. Brief an die RAVAG-Rundfunkdirektion vom 6. Juni 1946, Nachlass Henz, Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur. 461 Bujak, Hans, »Vom Radiohören«, in: Radio Wien, Nr. 31, 1946, S. 3. 462 Hiesel, Franz, Das neue Radio. Typoskript, 1954, S. 1, Nachlass Hiesel, WbR.

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Dauerhörer, der das Radio zum Ärger seiner Nachbarschaft »wie eine Wasserleitung« laufen ließ. Dabei war auch die Wahl des Programms nach Kriegsende ein völlig neues Thema, gab es doch in Österreich weder im Nationalsozialismus noch in den Jahren von 1924 bis 1938 die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Sendern im eigenen Land zu wählen. Mit der Befreiung durch die Alliierten kamen nun erstmals neue Radiosender und mit ihnen neue Sendekonzepte nach Österreich. Nicht mehr eine Stimme, sondern viele Stimmen waren nun zu hören und lösten Diskussionen aus, sowohl was die Programmwahl als auch den richtigen Umgang mit der neuen Auswahlmöglichkeit betrifft. Entsprechend den vier Besatzungszonen wurde das Sendegebiet in vier Sendergruppen unterteilt: Sendergruppe Wien (die ehemalige RAVAG und, ab 1945, wieder unter diesem Namen geführt) in der russischen Zone im Osten Österreichs, Sendergruppe Rot-Weiß-Rot in der amerikanischen Zone (umfasste neben Wien die Bundesländer Salzburg und Oberösterreich), Sendergruppe Alpenland (dazu gehörten die Steiermark und Kärnten sowie der Sender Schönbrunn in Wien) in der britischen Zone und im Westen die Sendergruppe West der französischen Alliierten.463 Die russischen Alliierten unterstellten als einzige Besatzungsmacht ihr Sendergebiet von Beginn an der öffentlichen Verwaltung in Wien. Diese neue RAVAG orientierte sich sowohl in der Auswahl ihrer MitarbeiterInnen als auch in ihrem Programmschema an Struktur und Inhalt der Jahre vor 1938, oder wie es Rudolf Henz, Programmdirektor ab 1945, formulierte: »Für den Neuaufbau des österreichischen Rundfunks haben wir ein gutes Vorbild: das Programm der alten Ravag«.464 Rudolf Henz war bereits vor 1938 in führender Position sowohl als Programmdirektor als auch als maßgeblicher austrofaschistischer Kulturpolitiker tätig gewesen.465 463 Die Aufteilung auf verschiedene Radiosender sowie die Zerstörung des Rot-Weiß-Rot Archivs machen eine Untersuchung des Nachkriegsrundfunks in Österreich schwierig. An dieser Stelle soll keine allgemeine Rundfunkgeschichte mit dem Anspruch einer lückenlosen Darstellung erfolgen, sondern dem methodischen Zugang einer kulturwissenschaftlichen Untersuchung folgend, anhand von exemplarischen Beispielen einzelne Phänomene beleuchtet werden. Detaillierte Forschungen zu den einzelnen Sendergruppen gibt es bisher wenige, Siehe etwa Hilbrand, Rainer, Die Sendergruppe Alpenland 1945 bis 1954: ein Beitrag zur Rundfunkgeschichte der Besatzungszeit, dargestellt am Beispiel der britisch besetzten Steiermark. Salzburg: Diss 1987; Ulrich, Andreas, Modernes Radio?: US-amerikanische Rundfunkpolitik in Österreich (1945–1955) am Beispiel der Sendergruppe »RotWeiß-Rot«, Studio Wien, Wien: Dipl.-Arb. 1993. 464 Henz, Rudolf, Bericht der Programmdirektion für die Pressekonferenz der RAVAG, 5. November 1945, S. 5, Nachlass Henz, Dst. 465 Zur Biographie von Rudolf Henz vgl. Venus, Theodor, »Rudolf Henz – Versuch über einen katholischen Medienpolitiker«, in: Medien und Zeit, 1. Jg., 1986, S. 29–39.

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Die Personal- und Programmpolitik der RAVAG wurde von der sowjetischen Besatzung bis auf wenige Ausnahmen nicht beeinflusst, und auch die von der russischen Abteilung produzierte Sendung »Die russische Stunde« wurde von österreichischen MitarbeiterInnen gestaltet. In Wien wurde neben dem RAVAG-Funkhaus in der Argentinierstrasse ab Oktober 1946 auch ein Studio des amerikanischen Besatzungssenders RotWeiß-Rot in der Seidengasse eingerichtet. Diesen Umstand registrierten die österreichische Regierung und die Rundfunkverantwortlichen der RAVAG mit Unbehagen; hatte sich die RAVAG doch von Beginn an als einzig legitimer Österreichsender verstanden, dessen oberstes Bestreben die Wiedereingliederung der Sendergruppen in einen einheitlichen zentralen Rundfunk war. Demgegenüber konnte sich RWR aber in zunehmendem Maße als beliebtester österreichischer Sender behaupten. Während die RAVAG in Organisation und Inhalt an ihrem Sparten- und Bildungsprogramm festhielt, orientierte sich RWR an einem durchgängigen angloamerikanischen Radiokonzept. Mit »austrofizierten Sendungsmodellen, Musikbrücken, regelmäßigen Nachrichten und einem Skriptdepartment, in dem auch Ingeborg Bachmann tätig war, wurde ein tagesbegleitender junger Sender geschaffen.466 Publikumslieblinge wie Karl Farkas und Maxi Böhm, aber auch Sendungen wie »Der Watschenmann« oder »Die Radiofamilie« verstärkten die Popularität noch zusätzlich. Über die Propagandawirkung und Zensur bzw. Einflussnahme von RWR und den anderen Sendergruppen liegen Untersuchungen vor.467 Generell lässt sich sagen, dass die westlichen Besatzungsmächte ihr gesamtes Senderkonzept nach den eigenen Vorstellungen ausrichteten und damit eine wesentlich effektivere Propagandapolitik verfolgen konnten als dies die Sowjets erreichten, die nur punktuell, durch abgegrenzte Sendungen und Sendereihen wie die Russische 466 Vgl. Ehardt, Christine, Vom Einstecken und Austeilen. Die Geschichte des Watschenmannes als ein Beitrag zur Kultur- und Rundfunkgeschichte Österreichs, Wien: Dipl.-Arb. 2003, S. 27. 467 Moser, Karin, »Propaganda und Gegenpropaganda. Das »kalte« Wechselspiel während der Alliierten Besatzung in Österreich«, in: Medien & Zeit. Heft 1/2002, S. 27–42; Wagnleitner, Reinhold, Coca-Colonisation und Kalter Krieg. Die Kulturmission der USA in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1991; Stepan, Dorothea (Hg.), Rot Schwarz Rot. Rundfunkpolitik in Österreich 1945–1995, Wien: Guthmann und Peterson 1996; Jagschitz, Gerhard; Mulley, Klaus-Dieter (Hg.), Die wilden fünfziger Jahre. Gesellschaft, Formen und Gefühle eines Jahrzehnts in Österreich, Wien/St. Pölten: Niederösterreichisches Pressehaus 1985; Feldinger, Norbert, Nachkriegsrundfunk in Österreich. Zwischen Föderalismus und Zentralismus von 1945 bis 1957, München/London: K. G. Saur 1990, Rathkolb, Oliver, »Planspiele im Kalten Krieg. Sondierungen zur Kultur- und Theaterpolitik der Alliierten«, in: Zeit der Befreiung. Wiener Theater nach 1945, hg. v. Hilde Haider-Pregler und Peter Roessler, Wien: Picus 1997, S. 40–64; McVeigh, Joseph, »›Ohne dass der Hörer kapiert …‹ Der Sender Rot-Weiß-Rot im Kalten Krieg«, in: Kalter Krieg in Österreich. Literatur – Kunst – Kultur, hg. v. Michael Hansel, Wien: Zsolnay 2010, S. 65–279.

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Stunde, die TASS-Nachrichten und einzelne Sendungen des Schulfunks, Einfluss nahmen. Zensurmaßnahmen wie Kürzungen von Vorträgen und Reden von Regierungsmitgliedern fanden sich in allen Sendergruppen.468 Der antikommunistische bzw. antiamerikanische Unterton wurde im Laufe der Zeit verstärkt, wobei, wie auch Reinhold Wagnleitner in seiner Studie zu Zensur und Einfluss der Besatzungsmächte in Österreich meint, »die Kongruenz der antikommunistischen Wertvorstellungen der Amerikanischen Besatzer sich mit denen der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung traf«.469 Damit konnten die USA ihre Propagandamöglichkeiten wesentlich besser nutzen als dies die Sowjets taten. Die verschiedenen Sendestationen brachten aber nicht nur das österreichische Rundfunkgefüge durcheinander, sie lösten auch eine Diskussion über den »richtigen« Gebrauch des Mediums aus. Im bereits zitierten Artikel »Vom Radiohören« liest man dazu: »Das Jahrmarktsgeplärr, das Straßen und Hinterhöfe erfüllt, wenn die einzelnen Firmentypen und Sendestationen konkurrieren, gellt jedermann höchst unangenehm in den Ohren. Dieses, wenn es sich bei geöffneten Fenstern vollzieht, öffentliche Ärgernis aber wird zur privaten Pein, wenn Hausfrau, Zimmerwirtin oder Nachbar von früh bis spät, gewissermaßen in jeder Lebenslage, das Radio spielen lassen.«470

Die Ideen, wie dem »falschen« Gebrauch des Radios Einhalt geboten werden könnte, waren vielfältig. So wurde vorgeschlagen, das Programm für einige Stunden am Tag ganz auszusetzen oder die Bitte um Einhaltung der Zimmerlautstärke »stündlich und wenn nötig mehrmals innerhalb einer Sendung«471 zu wiederholen. Derartige Vorschläge mussten von der RAVAG aber resignierend zurückgewiesen werden. »Wir haben auf Grund mehrerer Hörerzuschriften die Sachlage neuerlich geprüft, sind jedoch nicht in der Lage, ein erfolgsversprechendes Mittel vorzuschlagen. […] Grundsätzliche Abhilfe kann nur die Polizei schaffen, die in der Lage ist, Zwangsmaßnahmen anzuwenden. Wir sehen daher, so leid es uns auch tut, keine Möglichkeit von Seiten der Ravag zur Beseitigung der Lautsprecherplage mehr beizutragen.«472

Dies ließ der öffentliche Verwalter der RAVAG – Siegmund Guggenberger – das Unterrichtsministerium wissen. Im Juli 1946 verlautbarte die Polizeidirektion Wien in der Wiener Zeitung: 468 469 470 471 472

Ehardt (2003), S. 26. Wagnleitner (1991), S. 85. Bujak, Hans, »Vom Radiohören«, in: Radio Wien, Nr. 31, 1946, S. 3. Ebd. Brief der RAVAG-Rundfunkleitung an das Bundesministerium für Unterricht vom 29. Juni 1946, Nachlass Henz, Dst.

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»Da die regelmäßigen Mahnungen der RAVAG und der zuständigen Amtstellen noch immer nicht genügend befolgt werden, weist die Polizeidirektion noch einmal mit allem Nachdruck darauf hin, daß jede Art von ungebührlicher also unnötiger und vermeidbarer Lärmerregung, gleichgültig zu welcher Tagesstunde, strafbar ist.«473

Es drängt sich die Frage auf, warum kurz nach Kriegsende die Diskussion ums Radiohören einen solchen Stellenwert einnahm. Die Antwort findet sich möglicherweise in den unterschiedlichen Interessen und Zielen, die mit dem Rundfunk verfolgt wurden. Die Debatte zur Lautsprecherplage ist in einer Zeit angesiedelt, als die Funktion des Rundfunks als wichtigstes Informationsmittel noch stark in Diskurse um Neugestaltung und Neuordnung des politischen Lebens eingebunden war. Die Alliierten haben den Rundfunk gezielt zur Propagierung einer demokratischen Umgestaltung des Landes nach den jeweils eigenen Vorstellungen eingesetzt. Demgegenüber waren die Regierung und die öffentliche Verwaltung der Sendergruppe Wien bemüht, den Rundfunk so schnell wie möglich unter österreichische Einflussnahme zu stellen. Die Lautsprecherplage bot sich als ideales Transportmittel an, um die eigenen Interessen und Positionen zu untermauern. »Da das im eigenen Landessender gebotene Programm nicht gefällt, beginnt ein Suchen und Wählen über die ganze Skala des Empfangsgerätes. […] ehe der Zeiger halt macht und der Suchende glaubt gefunden zu haben, was er suchte. Und dann hört man zu, und wie oft ist es der Fall, daß das Gefundene, bei dem der Hörer verweilt, um nichts besser ist als das verschmähte Programm des eigenen Landessender. Ja, noch anderes geschieht: nach langem, vergeblichem Suchen kehrt man zum zuerst zurückgewiesenen eigenen Programm zurück und findet es nun ansprechend und gut.«474

Nur ein einheitlicher österreichischer Rundfunk konnte dem »Suchen und Wählen über die ganze Skala des Empfangsgerätes« ein Ende bereiten. Eine auf die verschiedenen Sendergruppen verstreute HörerInnenschaft war in diesen Vorstellungen über die Zukunft des Rundfunks nicht einzuordnen und stand den Bemühungen um die Reorganisation in ein monopolistisch geführtes Rundfunkprogramm entgegen. Um sich der Aufmerksamkeit seiner ZuhörerInnen zu vergewissern, setzte die RAVAG auf altbewährte Rundfunkkonzepte der Zeit vor 1938. Das inhaltliche Programm sollte, so Henz, »nicht nur äußerlich eine österreichische Note tragen«, sondern die Sendungen sollten »für Österreich typisch sein«. Wichtige Eckpfeiler waren dabei die Radiobühne Hans Nüchterns, die vorwiegend Theaterstücke für den Rundfunk adaptierte, sowie Sendungen zur Geschichte, Literatur und Musik Österreichs. Der Rundfunk verstand sich selbst als »Kunst473 Wiener Zeitung, 15. Juli 1946, S. 3. 474 Bujak (1946), S. 3.

Radiokonkurrenzen

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und Volksbildungsinstitut«475, das den Wünschen der HörerInnen skeptisch gegenüberstand. »Wer von uns bloß Unterhaltung und Entspannung fordert und immer die gleiche Lieblingsplatte hören will, vergisst, daß wir ihm nicht ein Privatgrammophon ersetzen können und daß er nur ein Atom einer ganz großen Hörergemeinschaft ist.«476

Trotz dieser Absage zählten auch bei Radio Wien Kabarettprogramme wie die Sendereihe »Was gibt es Neues?« von Heinz Conrads und Quizsendungen mit HörerInnenbeteiligung wie die Sendung »Schlau und Schlaucher« zu den beliebtesten Sendeformaten.477 Mit der Einführung eines zweiten Programms, dem Sender Wien II, der als deklarierter Entspannungs- und Unterhaltungssender vor allem musikalische Unterhaltung bieten sollte, setzte nun auch die RAVAG ihre Akzente zusätzlich in Richtung Rundfunk als Begleitmedium des Alltags. Der Ausweg aus den vielfältigen Problemen, die mit dem zerstreuten Gebrauch des Hörfunks verbunden waren, lag für die Programmverantwortlichen Ende der vierziger Jahre nun in der fernen Zukunft des Rundfunks, der Television: »Eine Frage scheint mit der Television wohl gelöst: die Frage des richtigen Hörens. Der Bildfunk kann nicht mehr zur Kulisse herabsinken oder zur musikalischen Wasserleitung entarten. Da muss man sich schon seine Stunden schön einteilen und andächtig vor dem Apparat sitzen. Alle unsere Sorgen um das Zentralproblem des Radios das richtige Hören würden demnach mit einem Schlage überflüssig.«478

Tatsächlich sollte sich mit der zunehmenden Etablierung des neuen Leitmediums ab der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre die Diskussion über die richtige Nutzung des Rundfunks auf den Bildfunk verschieben und damit die Forderungen nach dem richtigen Hören den Konzepten des richtigen Sehens weichen.

Radiokonkurrenzen »Nachtstudio – Wien 1952« lautet ein für lange Zeit verschollen geglaubtes Hörspiel des deutschen Schriftstellers Hans Werner Richter, dessen Reiseeindrücke aus dem Wien der Nachkriegszeit am 15. Oktober 1952 im Nordwestdeutschen Rundfunk gesendet wurden.

475 476 477 478

Henz, Rudolf, »Zum Wiener Rundfunkprogramm«, in: Radio Wien, Nr. 5, 1946, S. 3. Ebd. Vgl. Ehardt (2003), S. 48f. Henz, Rudolf, »Zwischen Gestern und Morgen. Zur Entwicklung des Radioprogrammes«, 1949, Nachlass Henz, Dst.

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»(Motorengeräusch eines Flugzeuges, dazwischen ein paar Takte des Harry Lime Themas. Aus der Ferne kommend.) Erster Sprecher : Es ist fast dunkel in der Flugkabine […] die Flugzeit nach Wien hat (die Stewardess) bei ihrer Ansprache gesagt, beträgt 1 Stunde und 5 Minuten. 1 Stunde und 5 Minuten denke ich, wie lange das noch ist. Aber da ist Wien: Es liegt gleich hinter den dunklen Wolkenbäuchen. Das Wien der Donauwalzer und des Harry Lime Themas, das Wien der tanzenden Kongresse, der charmanten Kaiser und des 3. Mannes. Donauwalzer und Försterchristl, denke ich, Grinzing und Paul Hörbiger. Klischees, Klischees… […] ›Die Besatzungsmächte‹ sagt einer der Direktoren des russisch besetzten lizenzierten Rundfunks, der Ravag, zu mir, ›wir nehmen sie nicht ernst. Wir sind Patrioten.‹ Und ich suche das andere Wien, das besetzte Wien von heute, das Wien zwischen West und Ost. […] Ich sitze in meinem Hotel und höre den beiden Kommentatoren des Senders Rot-WeißRot zu. Unten flutet das Leben Wiens vorbei. Noch immer stehen die beiden Rundfunkstationen Wiens unter Zensur und Kontrolle. Die Ravag steht unter russischer Aufsicht und RWR unter amerikanischer Kontrolle. Aber ›Wir sind Patrioten‹ steht mit Bleistift geschrieben auf einem Zettel, der an der Wand eines Büros des Senders RWR hängt.«479

Die beiden erwähnten Kommentatoren waren Jörg Mauthe und Peter Weiser, die in ihrer Sendung »Wie geht’s, wie steht’s?« das Wiener Kultur- und Alltagsleben zwischen beschwingten Musikblöcken präsentierten und kommentierten. Das Sendeprogramm hatte sich 1952 »auf Unterhaltungsniveau eingeschliffen«, in den Zeitungen wurde das Programm als »Gleichmaß«480 tituliert. Nur wenige Sendungen konnten trotz der Konkurrenzsituation zwischen RAVAG und RWR herausstechen. »RWR brachte (leider als Nachtstudio) ›Ritter Blaubarts letzte Liebe‹ von Jules Supervielle in einer sehr guten Rundfunkbearbeitung, eine entzückende, tiefsinnige Märchenkomödie zwischen Blaubart und Dornröschen, in einer sehr guten Aufführung, fern allem Rundfunktheater. Die Ravag brachte zwei sehr wenig bekannte Einakter von Georg Kaiser […]«481

Dabei provozierte die neue Sendervielfalt eine bis dato noch nicht gekannte Konkurrenz vor allem zwischen RWR und RAVAG, die vor allem für die RAVAG eine fast unerträgliche Situation mit sich brachte. 1952 spitzte sich der – politisch und öffentlich geführte – Konkurrenzkampf weiter zu; dieser Konflikt ging nicht von den Besatzungsmächten als ein weiterer Schauplatz des schwelenden 479 Richter, Hans Werner, Nachtstudio – Wien 1952, (Hörspiel 1952, NWDR), Typoskript, S. 1f. Hans Werner Richter Archiv, Archiv der Akademie der Künste Berlin. 480 »Gleichmaß im Rundfunk«, in: Die Furche, Nr. 5, 1952, S. 7. 481 Ebd.

Im Kontinuum: Von der RAVAG zum österreichischen Rundfunk

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Ost-West-Konflikts aus, sondern wurde von den (österreichischen) RundfunkmitarbeiterInnen selbst geschürt. In einem Artikel vom 28. Jänner 1952 wurde der RAVAG-Generaldirektor Guggenberger zum RWR-Sender befragt: »Meiner Meinung nach wäre es Aufgabe der österreichischen Regierung, sich mit der ganzen Angelegenheit zu befassen. Die RAVAG kann von sich aus nichts gegen den amerikanischen Sender unternehmen, aber die Regierung müßte es.«482 Auch bei den Live-Übertragungen von wichtigen Sport- und Kulturereignissen kam es immer wieder zu Konkurrenzsituationen. Beim Fußballländerspiel Frankreich gegen Österreich bootete RWR die RAVAG bei der Übertragung des Spiels aus: Während die RAVAG das Spiel nur auf Platten zeitversetzt sendete, konnte RWR – trotz anderer Vereinbarung – dank eines engagierten Mitarbeiters das Spiel tatsächlich live übertragen. »Anlässlich des bevorstehenden Fußball-Länderwettkampfes Frankreich Österreich, hat die Gesandtschaft zur Sicherstellung der Übertragung […] den hier erschienenen Vertreter der Ravag bei der Radiodiffusion Nationale eingeführt und es wurde die Aufnahme auf Platten abgeschlossen. Kurz darauf stellte sich heraus, dass ein Vertreter der Sendergruppe Rot-Weiß-Rot, unter Umgehung der Gesandtschaft und der Radiodiffusion Nationale, offenbar im Wege der Amerikaner Mittel und Wege gefunden hat, eine direkte Übertragung vom Spielfeld durchzuführen, wodurch sowohl die Ravag wie die Radiodiffusion Nationale ausgeschaltet sind.«483

Im Kontinuum: Von der RAVAG zum österreichischen Rundfunk Sowohl die Alliierten und die österreichischen Parteien als auch die RadiohörerInnen brachten ihre Vorstellungen übers Radio in die teilweise öffentlich geführten Debatten zur Situation des Rundfunks in Österreich mit ein. Es waren aber vor allem die Vorstellungen der Radioverantwortlichen selbst, die bereits in der Zeit der »alten« RAVAG tätig waren und nach 1945 aufs Neue das Rundfunkgeschehen prägten, die auf eine rasche Lösung der Rundfunkfrage drängten

482 Brief an den verantwortlichen Schriftsteller der Zeitung »Der Abend« Herrn Ernst Epler vom Öffentlichen Verwalter für das Österreichische Rundspruchwesen, vom 12. 2. 1952, Akt 3d–1952, BM Verkehr, ÖStA. Dem Brief war eine Korrespondenz zwischen Siegmund Guggenberger und dem Bundesminister für Verkehr und verstaatliche Betriebe Ernst Waldbrunner vorausgegangen, in der sich Guggenberger vor Waldbrunner für seine Äußerungen verantworten muss und Waldbrunner ihm am 31. Jänner 1952 schrieb: »Ich will Ihren Ausführungen gerne glauben. Ich kann Ihnen aber nicht helfen, Sie müssen wohl eine entsprechende Berichtigung vom »Abend« verlangen«, Akt 3d-1952, BM Verkehr, ÖStA. 483 »Auftreten österreichischer Rundfunkgesellschaften in Paris«, Abschrift vom 3. Mai 1946, Akt 3d-1946, BM Verkehr, ÖStA.

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und dabei mit dem scheinbaren Anspruch des Neuen doch nur an das Alte anzuknüpfen suchten. Rudolf Henz nahm nach Kriegsende seine Rundfunkarbeit erneut auf, nachdem er während des Nationalsozialismus’ »in die Schriftstellerei«484 entlassen wurde. Auch Hans Nüchtern, Leiter der Radiobühne und der Abteilung Literatur vor 1938 und nach 1945 und Oskar Czeija, als leitender Direktor von 1924 bis 1938 und von April bis November 1945485 tätig, nahmen ihre Funktionen wieder auf. Theodor Venus schreibt in seiner rundfunkhistorischen Dissertation über die politische Verfasstheit der ehemaligen und nun wieder eingesetzten Rundfunkverantwortlichen, dass diese »entweder aus Opportunismus oder aus Überzeugung den ständestaatlichen Kurs mitvollzogen bzw. aufgrund ihrer bisherigen Haltung […] keinen genügenden Anlass boten, der eine Auswechslung gerechtfertigt hätte«486. Mit Ausnahme von Oskar Czeija, der aufgrund unklarer nationalsozialistischer Mitgliedschaft kurz nach Wiedereintritt von seiner Funktion entbunden wurde,487 konnte die neue RAVAG personell wie ideell an die Zeit vor 1938 anknüpfen.488 Wichtigster Eckpfeiler der Programmpolitik war ein nationaler Grundton, der sich durch das gesamte Programm zog. Trotz der Vielzahl an volksbildnerischen Lehrsendungen konnten den meisten Publikumszuspruch doch die als leichte Unterhaltung titulierten Sendungen verbuchen: Radioquizze, Musiksendungen und Kabarettprogramme wie Heinz Conrads »Was gibt es Neues hier in Wien?«, eine Sendereihe, die bis in die achtziger Jahre ein Publikumshit bleiben sollte. »Das Fidele Brettl« oder »Wien bleibt Wien«, die den Anspruch hegten, »das alte wienerische Erbe lebendig zu erhalten«489, prägten das Radioprogramm. Im Frühling 1955 wurde die Sendereihe »Zwischen Bastei und Linienwall«, ebenfalls mit Heinz Conrads und Norbert Pawlicki, monatlich ausgestrahlt: »Sie vermittelte die Eindrücke eines Spaziergängers der sich in Wien umsieht, über Vergangenes und Verbliebenes nachdenkt und darüber erzählt.«490

484 Henz, Rudolf, Fügung und Widerstand, Wien, Graz: Stiasny Verlag 1963, S. 2. 485 Vgl. Ergert, Viktor, 50 Jahre Rundfunk in Österreich, Band II, Wien: Residenz Verlag 1975, S. 56ff, Ehardt (2003), S. 21. 486 Venus (1986), S. 28. 487 Ergert (1975), S. 56ff. 488 Und taten dies paradoxerweise ausgerechnet im sowjetischen Besatzungssender, dem sie von Beginn an das größte Misstrauen entgegenbrachten. 489 Henz (1945), S. 6. 490 Puscha, Eva, Das Phänomen der Popularität am Beispiel Heinz Conrads, Wien: DiplArb. 1996, S. 104.

Im Kontinuum: Von der RAVAG zum österreichischen Rundfunk

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Von der sowjetischen Zensur blieb der Großteil des Sendeprogramms unbeachtet, lediglich die Nachrichten wurden einer »Wortzensur«491 unterzogen. Anlass für Streitigkeiten bot allerdings die Sendereihe »Die Russische Stunde«, die bis zum Ende der Besatzungszeit unter sowjetischer Kontrolle blieb, jedoch großteils von österreichischen RundfunkmitarbeiterInnen gestaltet wurde.492 Der Kalte Krieg begann hier erst mit der Radioadaption des antiamerikanischen Theaterstücks »Die russische Frage« von Konstantin Simonow493 im Jahr 1947 auch öffentlich sicht- beziehungsweise hörbar zu werden.494 Wichtigstes Ziel der RAVAG-Verantwortlichen war die Wiedereinführung eines einheitlichen, d. h. zentral und monopolistisch geführten Rundfunksenders, der die Vereinnahmung aller Sendergruppen zu einem gemeinsamen Rundfunk einschloss. Mit Ende der Besatzungszeit sollten die Sendergruppen in österreichischen Besitz gelangen. Dadurch wurde das Ringen im Vorfeld der Restrukturierung zu einem einheitlichen Rundfunk bestimmend für den Diskurs um »Rundfunkfreiheit und Rundfunkeinheit« Österreichs, in welchen sich nicht nur Alliierte, Rundfunkverantwortliche und Bundesregierung involvierten, sondern auch Tagespresse und Landesregierungen Einfluss zu nehmen suchten. Dabei meinte der Begriff »Rundfunkfreiheit« die Autonomie der Sendergruppen von den jeweiligen Besatzungsmächten und »Rundfunkeinheit« die Etablierung eines gesamtösterreichischen Senderkonzepts.495 Während die Frage der Rundfunkfreiheit in der Bevölkerung auf Zustimmung stieß, wurde das Thema Rundfunkeinheit zu einem Reizwort in den öffentlichen Debatten und Presseberichten.496 Vor allem die bevorstehende Auflösung der beliebten Sendergruppe RotWeiß-Rot brachte zahlreiche Demonstrationen und Diskussionen mit sich. Stellvertretend für die Kontroversen um einen einheitlichen Rundfunk, in dem alle bisherigen Sendergruppen eingegliedert werden sollten, standen die De-

491 Henz, Rudolf, Improvisationen, Erfolge und Hindernisse, Typoskript, o. D., S. 3. Nachlass Henz, Dst. 492 Vgl. Ehardt (2003), S. 23. 493 Am 3. Mai 1947 hatte Die russische Frage am Deutschen Theater in Berlin Premiere und führte zu politischen Verstimmungen zwischen den amerikanischen und sowjetischen Besatzungsmächten. Vgl. Stuber, Petra, Spielräume und Grenzen. Studien zum DDRTheater, Berlin: Ch. Links 1998. In Österreich gelangte das Stück erst im Jahr 1948 in der Regie von Günther Haenel mit Karl Paryla und Emil Stöhr am Neuen Theater in der Scala zur Aufführung. Vgl. Köper, Carmen-Renate, Ein unheiliges Experiment. Das Neue Theater in der Scala. Wien: Löcker 1995, zitiert nach Ehardt (2003), S. 23. 494 Rathkolb (1997), S. 45. 495 Vgl. Ehardt (2003), S. 24f. 496 Murschetz (1996), S. 71.

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batten um die Radiosendung »Der Watschenmann«, dessen bevorstehende Absetzung zahlreiche Proteste mit sich brachte.497 Politisch war das Programm von RWR schon seit längerer Zeit ins Visier genommen worden, und zwar nicht nur von der österreichischen Politik, sondern auch auf amerikanischer Seite. Dieser Umstand trieb die Auflösung des Sendernetzes ebenfalls voran. »Das Staatsdepartement ist weiterhin im Prinzip entschlossen, das Sendernetz RotWeiß-Rot der österreichischen Regierung zu übergeben. Die scharfe Kritik, die gewisse Programme, vor allem einige politische Kommentare des Sendernetzes in Österreich hervorgerufen haben, dürfte zur Verstärkung dieser Interessen beigetragen haben.«498

1953 konnte durch die Übertragung eines gemeinsamen Programms über UKW ein wichtiger Schritt hin zur angestrebten Rundfunkfreiheit erreicht werden. Mit diesem »ersten gesamtösterreichischen Programm ohne Sendungen der Besatzungsmächte«499 begann schrittweise das Kontrollvermögen beziehungsweise der Kontrollwille der Alliierten zu schwinden.500 Die Sendergruppe Wien bemühte sich um eine Lösung, die eine möglichst breite Einflusssphäre ihrerseits beinhalten sollte und in wesentlichen Punkten die Struktur der ehemaligen RAVAG wiederherzustellen suchte. Im Sommer 1955 wurde das Programm von RWR zum letzten Mal ausgestrahlt und die größten Erfolge des Radiosenders waren in einer Abschlusssendung noch einmal zu hören. »Am 27. Juli – an dem auch die Russische Stunde in der Argentinierstraße eingestellt wird – ist Sendeschluß für Rot-Weiß-Rot. Um 21 Uhr erklingt zum letzten Mal das Erkennungszeichen des Senders, die ersten Takte von ›Donau, so blau…‹. Dann folgt eine Querschnittsendung aus den Rot-Weiß-Rot-Sendereihen ›Die Befreiten‹, ›Das Brettl vorm Kopf‹, ›Die Bürger von Schmeggs‹, ›Steinbrechers Nachtausgabe‹ und ›Der Watschenmann‹.«501

In seinen Abschlussworten zur Einstellung des Sendeprogramms dankte Bundeskanzler Julius Raab den österreichischen MitarbeiterInnen des Senders für den »guten österreichischen Geist«, der für Raab in den Sendungen von RWR zu finden gewesen war und dem der Sender seine »steigende Beliebtheit« verdankt hatte.

497 Zur Geschichte der Radiosendung »Der Watschenmann« siehe Ehardt (2003). 498 »Sendernetz Rot-Weiß-Rot«, Briefabschrift an das Bundeskanzleramt, Auswärtige Angelegenheiten, verfasst vom amerikanischen Gesandten Kleinwächter. Washington 16. März 1951, Akt 3d-1951, Bundeskanzleramt, ÖStA. 499 Henz (1945), S. 2. 500 Vgl. Ehardt (2003). S. 26. 501 Ergert (1975), Band II, S. 225.

Exkurs: Österreichische HörspielmacherInnen in Bewegung

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»Es ist eine Konsequenz des jetzt in Kraft getretenen Staatsvertrages und der Wiederherstellung der vollen Souveränität Österreichs, daß der bisher von der amerikanischen Besatzungsmacht betriebene Sender Rot-Weiß-Rot seine Tätigkeit mit heutigem Tage einstellt. Sie alle werden als Österreicher verstehen, daß es so kam. Sie werden freilich als Hörer des Senders Rot-Weiß-Rot mit einem gewissen Gefühl der Wehmut von diesen Sendungen Abschied nehmen, die uns allen lieb geworden sind.«502

Es sollte noch bis 1957 dauern, ehe eine Einigung über die Rechtsform des österreichischen Rundfunks geschafft wurde; erst ab diesem Zeitpunkt konnte die öffentliche Verwaltungsform endgültig aufgelöst, alle Sendergruppen eingegliedert werden503 und die Österreichische Rundfunk Ges.m.b.H. offiziell gegründet werden.

Exkurs: Österreichische HörspielmacherInnen in Bewegung »Begonnen hat alles mit der Aktivität literarischer Grenzgänger«, so lautet der Titel eines Aufsatzes des Schriftstellers und Hörspieldramaturgen Franz Hiesel über den Einfluss österreichischer HörspielmacherInnen innerhalb der deutschsprachigen Rundfunklandschaft.504 Viele KünstlerInnen begannen ihr Radioschaffen zunächst außerhalb Österreichs. Reisen und Bewegung zeichnete die grenzüberschreitenden Arbeiten von österreichischen Schriftstellern und Schriftstellerinnen aus, etwa von Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger, Gerhard Fritsch, Milo Dor oder Franz Hiesel, und zog sich als Topos auch durch viele ihrer Radioarbeiten. Im Folgenden soll das Motiv des Reisens als Folie dienen, um sowohl nach thematischen und ästhetischen als auch nach gesellschaftlichen und autobiographischen Bezügen in den Hörspielen österreichischer AutorInnen zu suchen. Beispielhaft sollen dafür vor allem die Arbeiten des Wiener Hörspielmachers Franz Hiesel herangezogen werden. Wie auffällig hoch der Anteil an österreichischen Autoren und Autorinnen am Hörspielrepertoire deutscher Rundfunkanstalten ist, zeigt auch die 1965 veranstaltete Sendereihe »Österreichische Hörspielwochen«, die beim NDR über mehrere Wochen »mit erstaunlichem Erfolg«505 lief und eine lange Liste an SchriftstellerInnen enthielt, die neben den bereits erwähnten AutorInnen, eine illustre Runde an teils bekannten, teils bereits wieder in Vergessenheit geratenen 502 Abschlussworte des Herrn Bundeskanzlers Ing. Julius Raab in der Abschiedssendung des Senders Rot-Weiß-Rot, Typoskript, Akt 14.4.63159-III/A,55, Bundeskanzleramt, ÖStA. 503 Dazu zählten neben der Sendergruppe Wien und Sendergruppe Rot-Weiß-Rot auch die Sendergruppe West und Sendergruppe Alpenland. 504 Hiesel (1985), S. 144. 505 Schwitzke zitiert nach Hiesel (1985), S. 145.

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KünstlerInnen versammelte: Reinhard Federmann, Gertrude Ferra-Mikura, Friedl Hofbauer, Lotte Ingrisch, Jakov Lind, Rudolf Bayr, Milo Dor, Erich Fried, Gerhard Fritsch und Harald Zusanek.506 Diese hohe Anzahl an österreichischen Hörspielbeiträgen innerhalb der deutschen Rundfunklandschaft hatte sowohl sozioökonomische Gründe als auch ästhetische und strukturelle Ursachen. Franz Hiesel führt in seinem Artikel auch eine gewisse Hörspielskepsis der österreichischen AutorInnen an. Gerhard Fritsch, den Franz Hiesel zitiert, meinte dazu: »Die österreichischen Autoren irritiert ihr Misstrauen gegenüber dem Radio, das als Massenverdummungsmittel, als ein Medium des Oberflächlichen, des leicht Machbaren und Banalen äußerst gering geschätzt wird.«507 Dieser Beweggrund muss aber angesichts der Vielzahl an österreichischen AutorInnen in der deutschsprachigen Hörspiellandschaft relativiert werden. Bedeutender waren da schon die »wesentlich höheren Honorarsätze«508 und die rundfunkpolitische Entscheidung der Hörspielverantwortlichen des Österreichischen Rundfunks, der Adaption von literarischen Werken und dem Weiterführen der »Hörspielbühne« den Vorzug über Originalhörspiele zu geben. Otto Stein, der ab 1954 die Hörspielabteilung von Studio Wien übernahm, schrieb dazu: »Das Originalhörspiel gewann im Österreichischen Rundfunk erst Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg breiten Raum«.509 Hörspielpapst Heinz Schwitzke, Leiter der Hörspielabteilung des Nord(west) deutschen Rundfunks, der zahlreiche ÖsterreicherInnen für seine Hörspielabteilung gewinnen konnte, beschrieb das Interesse der Rundfunkverantwortlichen am Originalhörspiel, namentlich jenes von Otto Stein und Hans Nüchtern, als wenig ausgeprägt.510 Vielmehr war die Hörspieldiskussion in Österreich bis in die späten 50er Jahre vor allem von der Frage »Schauspiel oder Hörspiel«511 geprägt. Auch der in der BRD öffentlichkeitswirksam geführte Theoriediskurs und das zentrale Streitthema Neues versus Altes Hörspiel wurde in Österreich nur subkutan wahrgenommen und fand in den Produktionsplänen der österreichischen Hörspielredaktionen kaum einen Niederschlag. Ende der 1960er Jahre strömten deshalb immer noch viele österreichische AutorInnen zu den westdeutschen Rundfunkanstalten, um dort ihre experimentellen Hörspielarbeiten verwirklichen zu können. Einen wesentlichen frühen Impuls zum Theoriediskurs lieferte der aus Graz stammende Friedrich Knilli, dessen Plädoyer »Das Schallspiel. Ein Modell« aus 506 507 508 509 510 511

Hiesel (1985), S. 146. Gerhard Fritsch zitiert nach Hiesel (1985), S. 142. Hiesel (1985), S. 143. Otto Stein zitiert nach Hiesel (1985), S. 141. Vgl. Hiesel (1985), S. 143. Herber, Hans, »Noch einmal ›Schauspiel oder Hörspiel?‹«, in: Die Bühne, Nr. 3, 1956, S. 9.

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dem Jahr 1961 jedoch in der österreichischen Radiolandschaft aufgrund deren damaligen geringen Akzeptanz von praxisorientierten Theoriediskursen keine Beachtung fand. Erst durch Einzelinitiativen der österreichischen Gesellschaft für Literatur, die von der Grazer Autorenversammlung initiierten internationalen Hörspieltagung im Museum des 20. Jahrhunderts von 1975 und Franz Hiesels Hörspielmuseum in der Alten Schmiede in Wien zeichnete sich ein Paradigmenwechsel ab. Diese Aktualisierungsbemühungen wurden allerdings nur von den Landesstudios Burgenland und Vorarlberg aufgegriffen. Im Anschluss daran waren es kleinere AutorInnentreffen, aber auch die vom Österreichischen Rundfunk mitorganisierten Hörspieltagungen in Rust, die den Hörspieldiskurs in Österreich belebten. Wichtige Anregungen kamen dabei vor allem von Ernst Jandl, Friederike Mayröcker, Gerhard Rühm, Elfriede Jelinek, Otto Grünmandl und Jan Rys. Eine genauere Betrachtung zeigt jedoch, dass in den Jahren der Hörspielblüte nach 1945 österreichische SchriftstellerInnen einige ihrer Arbeiten auch im österreichischen Rundfunk unterbringen konnten. Franz Hiesel verfasste zahlreiche seiner kurzen Hörstücke für Radio Wien und wurde bereits 1955 als einer der ersten Autoren mit dem österreichischen Förderpreis für Hörspiel ausgezeichnet.512 Auch Ingeborg Bachmann hat ihre Arbeit fürs Radio 1951 bei der amerikanischen Sendergruppe RWR begonnen. Ihrem Freund und Kollegen Paul Celan schrieb Ingeborg Bachmann über ihre Tätigkeit beim Radiosender : »[…] ich sitze in einem Zimmer mit zwei anderen Männern und zwei Sekretärinnen, mit diesen beiden Männern bearbeite ich Theaterstücke für das Radio, daneben habe ich ab und zu selbst einmal ein eigenes Hörspiel zu schreiben, die wöchentliche Filmkritik zu verfassen, unzählige, fast durchwegs schlechte Manuskripte zu lesen und zu begutachten. Was ich zustande bringe ist nicht immer schlecht, für Österreich ist es sogar ziemlich gewagt, was wir unseren Hörern vorsetzen, von Eliot bis Anouillh, aber wir haben merkwürdigerweise sogar Erfolg damit.«513

Im Nachlass von Jörg Mauthe, einem der beiden von Bachmann beschriebenen Männer, wurden die verschollen geglaubten Manuskripte zur Hörspielserie »Die Radiofamilie«, wiedergefunden. Die erfolgreiche Hörspielserie gilt als ein Spiegelbild der österreichischen Gesellschaft der Nachkriegszeit.514 Einige dieser 512 Vgl. Ehardt, Christine, »Wagenkarte für die Eröffnung des Burgtheaters 1955«, in: Aktenkundig? Literatur, Zeitgeschichte und Archiv, hg. v. Marcel Atze, Thomas Degener, Michael Hansel, Volker Kaukoreit, Wien: Praesens Verlag 2009, S. 447–450. 513 Bachmann, Ingeborg; Celan, Paul, Herzzeit – Ingeborg Bachmann – Paul Celan. Der Briefwechsel, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009, S. 37. 514 Vgl. Bernold, Monika, Die österreichische Fernsehfamilie. Archäologien und Repräsentaionen des frühen Fernsehens in Österreich, Wien: Diss. 1997.

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Folgen waren alleine oder in Zusammenarbeit mit Bachmann verfasst worden. Joseph McVeigh hat in seinem Buch »Die Radiofamilie« diese Manuskripte aus dem Nachlass Mauthes veröffentlicht und mit einem ausführlichen quellenhistorischen Nachwort versehen. McVeigh beschrieb in seinem Nachwort auch die Marginalisierung dieser frühen Arbeiten Bachmanns, die sowohl von ihr selbst kaum erwähnt wurden als auch in der Rezeption kaum Beachtung fanden.515 In den von Bachmann selbst verfassten Hörspielfolgen der Radiofamilie fallen besonders jene Dialoge ins Auge, die wesentlich pointierter und weniger langatmig anmuten als viele der anderen Hörspielfolgen. Ihre genaue Beobachtungsgabe und pointierte Schreibweise zeigt sich auch in ihrem ersten Originalhörspiel »Das Geschäft mit Träumen«, das 1952 unter der Regie von Walter Davy, dem zweiten der von ihr beschriebenen Herren im Skriptdepartment, urgesendet wurde. Darin wird ebenfalls von einer Reise erzählt, und zwar von einer Traumreise des kleinen unscheinbaren Angestellten Laurenz, der sich so seine Wünsche zu verwirklichen hofft.516 Auf berührende Weise bringt die Autorin darin die Sehnsüchte der Nachkriegsgesellschaft nach ein wenig Glück zum Ausdruck. 1953 verließ Bachmann Wien und die Redaktion von RWR, sie fand in Italien eine neue Heimat. Ihre Beobachtungen konnte sie in der Reihe »Reisereportagen« zum Ausdruck bringen, die sie für Radio Bremen verfasste und per Telefon regelmäßig an die deutsche Rundfunkanstalt übermittelte.517 Dem Hörspiel ist Bachmann weiterhin verbunden geblieben. 1959 gewann sie mit ihrem Hörspiel »Der gute Gott von Manhatten« den Hörspielpreis der Kriegsblinden.518 In ihrer vielbeachteten Rede »Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar« anlässlich der Preisverleihung machte Bachmann auf die Verantwortung des/der (Hörspiel-) Autoren bzw. Autorin aufmerksam, darüber zu schreiben, wie »gefühlt und was gedacht und wie gehandelt«519 wird. Eine weitere Reisende in der Hörspiellandschaft der Nachkriegszeit war Ilse Aichinger ; auch in ihrem Erfolgsstück »Knöpfe«, das beinahe zeitgleich zu Bachmanns Radioarbeit »Das Geschäft mit Träumen« entstand und 1953 vom 515 Vgl. McVeigh (2011). 516 Eine ausführliche Analyse des Hörspiels hat Hilde Haider-Pregler vorgenommen: HaiderPregler, Hilde, »… alles mit Worten sagen und mit Worten verschweigen können. Zur Rezeptionsgeschichte von Ingeborg Bachmanns Hörspielen«, in: Maske und Kothurn. Band 43, Nr. 1–3, S. 99–126. 517 Bachmann, Ingeborg, Römische Reportagen. Eine Wiederentdeckung, München: Piper 1998. 518 Das Hörspiel wurde bisher von 6 deutschsprachigen Sendeanstalten inszeniert (zuletzt im Jahr 2000 als Autorenproduktion für DLR Berlin) – ein Unikum in der Hörspielgeschichte. 519 Mitschnitt der Rede Ingeborg Bachmanns zur Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden (1959), http://www.mediathek.at/atom/1571A721-0A5-00013-00000CD4-1571183 6/?em=1 (Zugriff: 18. 03. 2013).

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SDR urgesendet wurde, machen sich die drei Fabrikarbeiterinnen Rosie, Ann und Jean Hoffnungen auf ein besseres Leben. Hilde Haider-Pregler gibt in ihrem Aufsatz »Unsichtbare verschaffen sich Gehör« eine ausführliche Bestandsaufnahme der Radioarbeiten von Frauen im deutschsprachigen Rundfunk, deren Schaffen gerne marginalisiert wird. Aichingers Hörspielschaffen unterteilte Haider-Pregler in zwei konzeptuelle Phasen: Während Knöpfe noch eine lineare Handlung aufgewiesen hatte, waren ihre späteren Radioarbeiten von einer offenen Form geprägt. »In all diesen imaginativen, spielerisch anmutenden Sprachwelten, die sich etwa im Besuch im Pfarrhaus (1962), im Nachmittag in Ostende (1968), den Schwestern Jauet (1969) oder in dem auf Interpunktion verzichtenden Auckland (1970) auftun, tauchen Bilder auf, angstvoll bedrängend die einen, in exotisch-phantastische Räume vordringend die anderen, oft aus einer dem Erwachsenen verschlossenen, naiv-weisen Kindheitsperspektive wahrgenommen, die sich als biographische Erinnerungssplitter entschlüsseln lassen. Kriegs- und Endzeitvisionen, das Meer im Westen als Symbol einer erhofften Freiheit, hermetische Enge, mit Witz, Lust und Schläue herbeigeredete Abenteuer in all diesen kunstvollen, weder räumlich noch zeitlich lokalisierbaren Sprachgeflechten lassen jene Existenzerfahrungen erahnen, die IIse Aichinger als Tochter einer jüdischen Mutter in Wien während der Jahre des Nationalsozialismus widerfahren sind.«520

Neben Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger war Franz Hiesel der bekannteste österreichische Hörspielautor der Nachkriegszeit. Darüber hinaus war Hiesel auch als Hörspieldramaturg tätig und nahm eine zentrale Rolle innerhalb der deutschsprachigen Hörspiellandschaft ein. Hiesel wurde nach seiner Drogistenlehre in Wien 1939 als Soldat eingezogen. Nach mehreren Monaten Kriegsgefangenschaft kehrte er 1945 nach Wien zurück und begann neben seiner Tätigkeit als Straßenbahnschaffner und Kontrolleur zu schreiben. Neben Kurzgeschichten entstanden auch Hörszenen für die damals noch von den Alliierten kontrollierten Rundfunksendeanstalten Rot-Weiß-Rot und RAVAG in Wien. 1951 stellte Franz Hiesel ein Ansuchen um Versetzung von den Verkehrsbetrieben zu den Städtischen Büchereien. Unter der Leitung von Rudolf Müller, der – gleichsam als praktische Literaturförderung – SchriftstellerInnen als BibliothekarInnen beschäftigte,521 konnte Hiesel seine literarischen Arbeiten im 520 Haider-Pregler, Hilde, »Unsichtbare verschaffen sich Gehör – Frauen schreiben fürs Radio«, in: Frauen-Literatur-Geschichte. Schreibende Frauen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. Hiltrud Gnüg, Stuttgart/Weimar : Metzler, 1999, S. 615–631, S. 621. 521 Vgl. Pfoser, Alfred, »Die Wiener Städtischen Büchereien als »Nährmutter« einer Autorengeneration. Vision und Realität, Marketing und Missverständnisse«, in: Im Keller. Der Untergrund des literarischen Aufbruchs nach 1945, hg. v. Evelyn Polt-Heinzl, Daniela Strigl, Wien: Sonderzahl 2006, S. 99–116.

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Rahmen von Lesungen präsentieren. Franz Hiesel zählte in den fünfziger Jahren zu den bekanntesten jungen Wiener Autoren, seine Gedichte und Erzählungen sind in Literaturzeitschriften, Tageszeitungen und Anthologien erschienen. 1954 erhielt Franz Hiesel den erstmals auch für Hörspiele verliehenen, österreichischen Förderungspreis des Unterrichtsministeriums für sein Kriegsheimkehrerstück »Von Hoffnung zu Hoffnung«. Als Preisträger wurde Hiesel gemeinsam mit seiner Frau Adele 1955 zur Wiedereröffnung des Burgtheaters eingeladen.522 Seine Theaterstücke wie »Die enge Gasse« oder »Menschen ohne Himmel« wurden in Wien und Linz aufgeführt, international ist Hiesel aber durch seine Hörspiele bekannt geworden. Sein erfolgreichstes Hörspiel »Auf einem Maulwurfshügel« produzierte sowohl der Norddeutsche Rundfunk in Hamburg als auch das Tschechoslowakische Radio. Das Satirestück rund um einen lebensmüden Industriellensohn erhielt im Jahr 1960 den renommierten Hörspielpreis der Kriegsblinden, der höchsten Auszeichnung für dieses Genre im deutschsprachigen Raum. Diese Anerkennung hat Hiesel dazu ermutigt, seinen Dienst bei den Städtischen Büchereien zu kündigen und sich ganz seiner literarischen Arbeit zu widmen. Heinz Schwitzke, der Leiter der Hörspielabteilung und wichtiger Förderer des literarischen Hörspiels, holte Hiesel 1960 als Hörspieldramaturgen zum NDR nach Hamburg. Zwischen 1960 und 1967 betreute Hiesel zahlreiche Autoren und Autorinnen. Ab 1968 arbeitete er wieder als freier Autor und Dramaturg in München und Wien. Jan Rys (eigentlich Marcel Nerlich), der zum damaligen Zeitpunkt im burgenländischen Unterrabnitz wohnte und dort seit 1971 Autoren- und Hörspieltagungen organisierte, riet Franz Hiesel zum Kauf eines alten Bauernhauses im benachbarten Mannersdorf/Rabnitz. Hier eröffnete Hiesel seinen »Hörspielstützpunkt« und lud HörspielmacherInnen aus Ost- und Westeuropa zum gemeinsamen Ideenaustausch ein. In einer wöchentlichen Hörspielveranstaltung, dem »Hörspielmuseum« im Literarischen Quartier in der Alten Schmiede, brachte Hiesel, der ab 1977 als Leiter der Literaturabteilung von Studio Wien arbeitete, einem breiten Publikum Klassiker der Hörspielgeschichte näher. Die Veranstaltung wurde aufgrund des großen Erfolges als regelmäßige Sendereihe bald auch auf Radio Wien übertragen. Franz Hiesel hat mit zahlreichen österreichischen SchriftstellerInnen zusammengearbeitet, eine seiner ersten Gemeinschaftsproduktionen war die Hörspielreihe »Reise nach Österreich« gemeinsam mit Fritz Habeck und Gerhard Fritsch für den Norddeutschen und den Österreichischen Rundfunk. Noch vor dem Ende der gemeinsamen Arbeit verließ Fritz Habeck aufgrund von unüberwindlichen Differenzen mit Heinz Schwitzke das Autorenteam. Die »Reise nach Österreich«, in der die nationalsozialistische Vergangenheit und ihre 522 Vgl. Ehardt (2009).

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kollektive Verdrängung in der österreichischen Gesellschaft behandelt werden, avancierte zu einem der meistgespielten Hörspiele der 1960er und 1970er Jahre. Während Hiesel selbst ein Reisender in und durch die deutschsprachige Hörspiellandschaft war, sind seine Hörspielfiguren ebenfalls Getriebene in einer neuen – modernen – Welt. »Das unausweichliche Kennzeichen unserer Zeit ist ihr forteilender Schritt. Flutwellen von Verkehr dringen auf uns ein, wuchernde Städte und übersteigernde Bevölkerungszunahmen bedrängen uns. Heftig pulsierende Strömungen – das tägliche Schleusen vom Wohnort zur Arbeit und von der Arbeit zum Wohnort, am Wochenende die Woge von der Stadt aufs Land und vom Land in die Stadt, […] – dieser wandelbare Fluss stößt uns in einen beschleunigenden Rhythmus, den wir kaum noch steuern können. Dahineilende Objekte – Motorräder, Flugzeuge, Interkontinentalraketen, erdumkreisende Kapseln – weben um uns ein schnell wechselndes Netz mit Mustern von spiralartig steigenden Geschwindigkeiten.«523

Motorräder, Flugzeuge und Raketen galten als Sinnbilder für eine immer schnellere und unüberschaubare Welt, die in ständiger Veränderung begriffen ist. Themen wie diese fanden sich in Hiesels Hörspielen der fünfziger und sechziger Jahre immer wieder. Schritte, Bewegung und das geräuschvolle Spiel mit Fortbewegungsmitteln wie Autos, Zügen, Schiffen und Flugzeugen waren starke und immer wiederkehrende Motive. Bereits die Titel von Hiesels Hörspielen, verweisen auf diesen Umstand. So zum Beispiel: »Nachtexpress 3017«, ein leider verschollenes frühes Hörspiel, »Heimkehr aus St. Pölten«, »der Streckengeher«, das Hörspiel »Von den Schwierigkeiten eine äußerst frequentierte Strasse zu überqueren« oder »Die Reise nach Österreich«, die er gemeinsam mit Gerhard Fritsch verfasst hat. Sein frühes Hörspiel »Von Hoffnung zu Hoffnung« aus dem Jahr 1955 bekam bereits vor der Radiorealisation im österreichischen Rundfunk den staatlichen Förderungspreis für Hörspiel. Erst diese Auszeichnung machte – in Zeiten von Radiobühne und Funktheater – wie Hiesel in einem Interview mit Heinz Schwitzke anmerkte, die Realisation im Rundfunk virulent.524 In »Von Hoffnung zu Hoffnung« reist der staatenlose Matrose Josef Antoniak quer durch alle Kontinente – jedoch nicht als Weltenbummler, sondern als Unperson, die ohne Pass keine Einreiseerlaubnis erhält und deshalb als Dauerflieger monatelang sein Dasein fristen muss. Die Geschichte beruht, wie viele Hörspielideen Hiesels, auf einer wahren Begebenheit. 523 Kepes, György, Malerei, Fotographie, Light Images, Wien: Künstlerhaus, Ges. Bildender Künstler Wiens 1976, S. VII. 524 Schwitzke, Heinz, Hörspielstützpunkt Heinz Schwitzke, Typoskript, o. S., Nachlass Hiesel, WbR. Das Hörspiel aus dem Jahr 1955 ist leider nicht auffindbar, doch die Produktion des Bayerischen Rundfunks in Kooperation mit dem Saarländischen Rundfunk aus dem Jahr 1965 ist erhalten geblieben.

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Susanne Hofer zitiert in ihrer Diplomarbeit über das Hörspielschaffen Hiesels einen Zeitungsartikel, der vor Fertigstellung des Hörspiels 1953 im Wiener Kurier erschienen war. Darin wird von einem Matrosen berichtet, der seit neun Monaten als Staatenloser auf einem Schiff festsitzt und von Hafen zu Hafen geschickt wird.525 Das Sujet des Dauerreisens wird auch in der Kulturwissenschaft und Philosophie der Zeit diskutiert; so griff der französische Philosoph und Medienkritiker Paul Virilio eine ähnliche Geschichte in seinem Buch »Fahren, Fahren, Fahren« auf. Auch hier gibt es eine Dauerfliegerin, die, kurz nachdem sie nach Monaten des Fliegens endlich landet, verstirbt.526 »Ihre Flucht in die Schwerelosigkeit während der sie nacheinander 160 Atlantiküberquerungen absolvierte markierte eine Schwelle, die eines Entweichens ins Vagabundentum der Beschleunigung, eines Entfliehens in das Nicht-Gebiet der Schnelligkeit.«527

Josef Antoniak reist ebenso von Zwischenraum zu Zwischenraum, als NichtPerson im Nicht-Ort Flugzeug: »Sie sind ganz einfach nicht da, sie sind niemand«528, lässt Hiesel einen Zollangestellten sagen. Um sich die teuren Flugreisen überhaupt leisten zu können, arbeitet Antoniak als lebendes Werbeschild für die Fluglinie G.A.S. Nicht zufällig wird hier der Fluggast zur Flugware, die von einem Flughafen zum nächsten verschickt wird. »Ich fliege nicht, ich werde geflogen«529, stellt Antoniak an anderer Stelle auch fest. Reisen bedeutet in diesem Zusammenhang nicht individuelle Entfaltung, sondern vielmehr wird damit auf die nie enden wollenden Waren- und Touristenströme verwiesen, die sich Ende der fünfziger Jahre zu formieren begonnen hatten. Während für viele das Reisen zu dieser Zeit aber noch ein Wunschtraum blieb – Flugreisen waren in den fünfziger Jahren für die breite Masse fast unerschwinglich und machten europaweit nur ein Prozent des Urlaubverkehrs aus – ist die Reise Antoniaks wohl eher ein Albtraum. Und als er endlich wieder Boden unter den Füssen hat und einen Pass erhält, bekommt er diesen nur, um als Soldat in den Krieg zu ziehen. Auch Otto Efeu, dem Protagonisten des Hörspiels »Heimkehr aus St. Pölten« aus dem Jahr 1967, wird das Nachhausekommen nicht leicht gemacht: Nach 525 Hofer, Susanne, Der Hörspielautor Franz Hiesel: eine Annäherung an sein Frühwerk, Wien: Dipl. Arb. 2003, S. 34. 526 Virilio, Paul, »Fahrzeug«, in: Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, hg. v. Karlheinz Barck et. al., Leipzig: Reclam 1990, S. 47–72, S. 56. 527 Ebd. 528 Hiesel, Franz, Von Hoffnung zu Hoffnung (Radio Wien 1954, BR 1965), Typoskript, S. 16, Nachlass Hiesel, WbR. 529 Ebd., S. 4.

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einer Dienstreise in St. Pölten kommt er am Westbahnhof an und muss feststellen, dass er sein Wien nach nur drei Tagen Abwesenheit nicht mehr wiedererkennt. Der Stephansdom befindet sich am falschen Platz und in seiner Wohnung logiert eine adrette Dame, die er aber leider nicht kennt. Etymologisch leitet sich der Begriff »Fortgehen« aus dem althochdeutschen fram ab, das zu fremd wird. Fortgehen bzw. Vorwärtsgehen bedeutet, sich von Gewohntem zu entfernen. »Fortgehen heißt also Begegnung mit Fremden«530 schrieb Georg Simmel im Jahr 1908 und meinte weiter : »Der Reisende ist dort wohin er kommt ein Fremder.«531 Otto Efeu möchte aber gar nicht in die Fremde, er sucht verzweifelt nach dem Altbekannten. Doch selbst in seiner Arbeitsstelle ist er niemandem bekannt und als er mit seiner vermeintlichen Wohnungsbesetzerin anbandelt, wird er zu guter Letzt von deren Verlobten im Prater in ein Ringelspiel bugsiert. Mit dem Lied »Leb wohl mein liabs Wien« und Ottos verzweifelten Rufen endet das Hörspiel. Während sich Hiesels Hörspielfiguren also nichts Schöneres vorstellen können als endlich nach Hause zu kommen, waren die Lebensziele der Menschen der späten fünfziger und frühen sechziger Jahre doch anders gestrickt. Mobilität und Motorisierung prägten ab Mitte der fünfziger Jahre das gesellschaftliche Leben großer Teile der Bevölkerung. In Deutschland war Ende der fünfziger Jahre bereits ein Drittel der Bevölkerung auf Urlaub im Ausland unterwegs – vorwiegend mit der Bahn und dem Bus, doch der stetige Anstieg von Personenkraftfahrzeugen machte bald die Autoreise zur beliebtesten Fortbewegungsart für Urlaubsreisen. Karlheinz Wöhler hat in seinem Artikel »Endlich wieder urlauben« über das Reiseverhalten der westdeutschen Bevölkerung aufgezeigt, dass Ende der fünfziger Jahre der Massentourismus auflebte und zum Ausdruck der neu erstarkten Wohlstandsgesellschaft wurde. »Motion (Bewegung) und Emotion (Gefühlsbewegung), das dialektische Strukturmuster der Reise bzw. des Urlaubs, determinieren die Teilhabe des Menschen der 50er Jahre am Projekt der Moderne«532. Für Wöhler verweist dieses Strukturmuster auf den starken Drang zur Individualisierung des Einzelnen. »[Der Mensch] begreift sich beim Verreisen und Urlauben nicht mehr nur in den festen sozialen Bezugspunkten wie der Familie, der Heimat oder vor allem der Nation als

530 Dericum, Christa, »Der ewige Kampf gegen Entfernungen – Vom Urtrieb der Fortbewegung«, in: Am Anfang war das Rad. Eine kleine Geschichte der menschlichen Fortbewegung, hg. v. Peter Kemper, Frankfurt am Main, Leipzig: Insel-Verlag 1997, S. 12–23, S. 12. 531 Georg Simmel 1908, zitiert nach Dericum (1997), S. 22. 532 Wöhler, Karlheinz, »Endlich wieder urlauben. Urlaub in den fünfziger Jahren als ein Phänomen der Moderne«, in: Die Kultur der fünfziger Jahre, hg. v. Werner Faulstich, München: Fink 2007, S. 263–275, S. 264.

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kontrollierenden und überwachenden Staats- und Parteiapparat. Er erfährt nun beim Reisen die Wirklichkeit als zu entfaltenden Gestaltungsraum.«533

Motion und Emotion als Ausdruck von Individualität und Singularität bilden jedenfalls auch wichtige Begriffe der Hörspieltheorie Schwitzkes; sein Postulat der Innerlichkeit orientiert sich dabei an Richard Kolbs These, wonach »Nicht der Mensch in Bewegung, sondern die Bewegung im Menschen«534 in Hörspielen dargestellt werden solle: »Das Hörspiel ist nicht, wie das Theater oder der Film oder bis zum gewissen Grade sogar noch das Fernsehen eine öffentliche Repräsentation. Es wendet sich vielmehr obwohl der Rundfunk ein Masseninstrument ist, immer nur an den Einzelnen in seiner Isolierung, in seinem privaten Kämmerlein. […] Und von daher ist das Hörspiel denn auch als diese intensiv individualistische und als typisch modern empfundene Kunstgattung zu verstehen.«535

Demgegenüber bringt Hiesel seine HörerInnen sowie seine Hörspielfiguren »in Bewegung«, auch wenn diese das oftmals gar nicht zu schätzen wissen und sich in die Statik beschaulicher Vergangenheiten zurücksehnen. Er zeigt seine Figuren als einsame Wanderer auf der Suche nach verlorener Vertrautheit, als unfreiwillig bewegte Menschen in einer modernen, aber fremden Welt. Die Suche nach festen, wieder erkennbaren Bezugspunkten wird dabei aber zur Reise ohne Wiederkehr, denn wie sie selbst ist auch ihre Umwelt in Bewegung. Der Verlust von klaren Strukturen sowie kontrollierbaren Ordnungszusammenhängen wird zwar von Hiesels Hörspielfiguren betrauert; gleichzeitig ist ihnen aber klar, dass eine Rückkehr ausgeschlossen ist. Hiesel reduziert Emotion dabei nicht auf Gefühlsregung und -erschütterung, seine Hörspiele spielen vielmehr mit allen Möglichkeiten, Bewegung hörbar zu machen. »Wenn man mich fragt ob ich mein Publikum lieber zum Lachen bringe oder gerührt und geschüttelt entlasse, wäre meine Antwort zum Lachen bringen: Nicht als Spaßmacher und Possenreisser sondern Lachen nicht ohne Bedingung, Lachen mit dem tiefsten Hintergrund zeitnaher Problematik.«536

Es sind vier Diskurse und Problemfelder der späten Nachkriegszeit, die sich als Themen auch in Hiesels Hörspielen wiederfinden: »Das Umgehen mit der NaziVergangenheit, die exzessive Konsumwut, der Rückzug ins Private und die 533 Ebd. 534 Kolb (1932), S. 41. 535 Schwitzke, Heinz, Hörspiel. Dramaturgie und Geschichte (1963), S. 68, http://mediacultureonline.de/fileadmin/user_upload/Medienbildung_MCO/fileadmin/bibliothek/schwitzke_ hoerspiel/schwitzke_hoerspiel.pdf (Zugriff: 23. 04. 2016). 536 Hiesel, Franz, Am Beispiel des F. H. Anmerkungen zu zwanzig Jahren Hörspielarbeit, Typoskript, o. D., o. S., Nachlass Hiesel, WbR.

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Motorisierungswelle«537. In »Die Reise nach Österreich« ist es die NS-Vergangenheit Österreichs, während im Hörspiel »Auf einem Maulwurfshügel« der Rückzug ins Private bis zur letzten Konsequenz vollzogen wird und im Hörspiel »Von Hoffnung zu Hoffnung« wird der Mensch selbst zur Ware. Im Hörspiel »Von den Schwierigkeiten eine äußerst frequentierte Straße zu überqueren« aus dem Jahr 1973 wird die Motorisierungswelle Ossi Duda zum Verhängnis. Tatsächlich nahm die Motorisierung weiter Kreise der Bevölkerung ab Mitte der fünfziger Jahre stetig zu: Am Anfang noch als Ausdruck von Individualität positiv besetzt, wurden in späteren Jahren der immer stärker werdende Straßenverkehr und die negativen Folgen dieser Entwicklung in den Hörspielen diskutiert. Ossi Duda schafft es zwar, die Straße tatsächlich zu überqueren, aber zurück auf die andere Straßenseite, wo Frau und Kind bereits auf ihn warten, gelangt er nicht. »Dass man als Passant manche Straßen nur schwer und oft nach langer Wartezeit überqueren kann, ist die Folge eines Zustands und ist alltäglich, passiert vielen und immer wieder. In der Überzeichnung wird das Problem das zum Zustand geworden ist wieder erkennbar, konsequent dargestellt führt es ins Absurde.«538

Wie schon bei den zuvor besprochenen Hörspielen wird auch Ossi Duda die Rückkehr in sein altes Leben verunmöglicht und trotz aller Anstrengungen Ossis, die Strasse zu überqueren, muss er nach Jahren der vergeblichen Versuche doch kapitulieren. Seine Bemühungen, auf die andere Straßenseite zu gelangen, haben mit den Jahren an Zahl abgenommen, seine Frau und sein Sohn besuchen ihn nur mehr widerwillig, um ihm ein paar aufmunternde Worte oder die Milchzähne Klein-Ossis zuzuwerfen, und auch Ossi selbst hat bereits ein neues Leben mit einer Mitpassantin begonnen. Trotzdem lässt ihn der Wunsch, zurückzukehren und die Straße zu überqueren, nicht los. Doch erst als Leiche schafft er es endlich auf die gegenüberliegende Straßenseite. Auch im Hörspiel »Der Streckengeher« aus dem Jahr 1969, dessen Titelfigur Helmut Qualtinger spielte, wird dem Helden kein Erfolg bei seiner Suche nach Glück beschieden. »Alois Anwander ist Streckengeher in Krumnussbaum oder dortwo, sein täglicher Weg führt ihn die Gleise entlang aus der Gemeinde bis zu einem Fixpunkt der Umkehr. In der Hierarchie der Ansässigen steht er an unterster Stelle (…) So hat er sich in jahrzehntelanger Übung ein eigenes und eigenartiges Lebensrezept außerhalb jeder Konvention ergangen: er geht nicht wie es Vorschrift ist, den Zügen entgegen, er geht den 537 Vgl. Wöhler (2007), S. 264. 538 Hiesel, Franz, Hörspielmuseum: Von den Schwierigkeiten eine äusserst frequentierte Strasse zu überqueren, Typoskript, o. D., o. S., Nachlass Hiesel, WbR.

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Viel Lärm ums Radio: Rundfunk nach 1945

Zügen voraus, immer den Tod im Rücken und er weiß, daß seine paar Kilometer Gleise um Krumnussbaum an ein gewaltiges Netz angeschlossen sind, das den ganzen Globus umspannt.«539

Alois Anwander ist damit das Gegenbild zu den bereits weiter oben beschriebenen Figuren in Hiesels Hörspielrepertoire: Während seine bisherigen Protagonisten in ihre vertraute Umgebung zurückwollen, wünscht sich Alois Anwander, endlich aus ihr auszubrechen. Hiesel meinte dazu, »er kann wenn er nur will über den Umkehrpunkt hinaus fortgehen in eine andere Welt, in eine andere Gesellschaft, der Anlauf ist oft genug geübt.«540 Alois Anwander bildet die »Antithese« zur beschleunigten Welt der Moderne, indem er zu Fuß von Rayon zu Rayon läuft. Während des gesamten Hörspiels sind seine Schritte fast so gleichmäßig wie das Ticken einer Uhr zu hören. Die moderne Welt immer im Rücken, läuft er der Zeit aber auch nicht entgegen, sondern mit ihr mit, in der Hoffnung, vielleicht doch eines Tages von ihr überrollt zu werden. Allen besprochenen Figuren gemeinsam ist ihre Isolation, sie sind im wahrsten Sinne des Wortes einsame Wanderer, sie sind unfreiwillig Reisende und ihr Streben – obwohl von der Gegenwart längst eingeholt bzw. überholt – geht bis zum Ende der Hörspiele zurück in die Sicherheit vergangener Beschaulichkeit und Ordnungsmuster. »Rasender Stillstand«541 nennt Paul Virilio diese Unmöglichkeit, anzuhalten, und so ist es auch für Hiesels Hörspielfiguren unmöglich, aus der Bewegung auszutreten oder umzukehren; schließlich sind die Schritte in eine neue Welt längst getan und eine Rückkehr ist damit unmöglich. »Die künstlerische Sensibilität des zwanzigsten Jahrhunderts [versucht] die Zeichen zwischen Leben und Nichtleben zu entziffern, zwischen Leben wie es ist und dem Leben wie es sein könnte. Sie versucht dynamische Bilder einer Ordnung zu schaffen, die die wilden sich spiralförmig ausweitenden Kräfte zähmen können.«542

In den Motiven des Reisens und der Bewegung, wie sie in den Hörspielarbeiten österreichischer KünstlerInnen in vielfältiger Form aufgegriffen wurden, erscheinen die ProtagonistInnen als dialektische Figuren, die zwischen Vergangenheit und Gegenwart wandern. Die Hörspielwelt der Nachkriegszeit war in ständiger Bewegung. Hörspielschaffende aus Österreich konnten sich im deutschsprachigen Raum etablieren. 539 Hiesel, Franz, Hörspielmuseum: Der Streckengeher, Typoskript, o. D., o. S., Nachlass Hiesel, WbR. 540 Ebd. 541 Virilio, Paul, Rasender Stillstand. Essay, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1998. 542 Kepes (1976), S. XIII.

Exkurs: Österreichische HörspielmacherInnen in Bewegung

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In ihren Hörspielen griffen sie die Zeichen der Moderne auf und selbst wenn sich die eine oder andere Hörspielfigur den unaufhaltsamen Veränderungen entziehen möchte, bleibt sie, wie etwa bei Hiesels »Streckengeher«, Ingeborg Bachmanns »Der gute Gott von Manhatten« oder im Hörspiel »Die Knöpfe« von Ilse Aichinger, den Mechanismen der modernen Welt unausweichlich ausgeliefert.

d)

Resonanzen IV: Unerhörte Geräusche und unaufhörliche Geräuschkulisse. Radio und Musik

»Man tritt aus dem Hause, die Musik des Lautsprechers tönt noch im Ohre, man ist in ihr – sie ist nirgends. Man macht zehn Schritte und die gleiche Musik tönt aus dem Nachbarhause. Nun, da auch h i e r Musik ist, ist Musik hier und dort, lokalisiert und in den Raum gepflanzt wie zwei Pfähle. Aber es ist ja die gleiche Musik: hier singt X, was er dort begonnen. Man geht weiter – am dritten Hause setzt X fort, vom zweiten X begleitet, vom vorsichtigen X des ersten Hauses leise untermalt. Was chokiert hier?«543

Günther Stern544 beschrieb im Jahr 1930 auf diese Weise eine neue und doch bereits alltägliche Hörsituation. Es war die gespenstische Anwesenheit akusmatischer Klänge, die schockierte und sich tausendfach in den Radioapparaten vervielfältigte. »Spuk im Radio«, so nannte Stern seinen Aufsatz über die besonderen Eigenschaften und Möglichkeiten der Musikübertragung im Radio. Viele zeitgenössische AutorInnen griffen das »phantomhafte«545 Wesen des Rundfunks für ihre Überlegungen über die Wirkungsmacht des Radios auf546 – so auch Adorno in seiner als Fragment verbliebenen und zu seinen Lebzeiten unveröffentlichten Radiostudie »Current of Music. Elements of a Radio Theory« aus dem Jahr 1938.547 Der Text, in dem er vor allem über Musik im Rundfunk spricht, setzt sich mit der Möglichkeit einer Physiognomie des Radios auseinander, also eines rundfunkeigenen Charakters, der nicht nur den Inhalt, sondern das Radio selbst bestimmt. Adorno verknüpft dabei das Motiv des Doppelgängers mit Benjamins 543 Stern, Günther, »Spuk im Radio«, in: Anbruch, Heft 12, 1932, S. 65–66, S. 66. 544 Günther Anders vormals Günther Stern. 545 Vgl. Anders, Günther, Antiquiertheit des Menschen I. Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution, München: Beck 1994, S. 101. 546 Vgl. das Kapitel »Vom Medium der Attraktionen zum Massenmedium. Der Beginn des Rundspruchs in Österreich«. 547 Adorno hatte diese Studie für das Princeton Research Projekt von Paul Lazarsfeld angefertigt. Er war dort von 1938 bis 1941 als Mitarbeiter beschäftigt. Zu Adornos Arbeit im Research Center, vgl. Wolfgang Hagen, Gegenwartsvergessenheit: Lazarsfeld, Adorno, Innis, Luhmann, Berlin: Merve-Verl. 2003.

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Resonanzen IV: Unerhörte Geräusche und unaufhörliche Geräuschkulisse

Begriff der Aura, wie dieser ihn in seinem Kunstwerkaufsatz etabliert hat, wobei er hierzu den Begriff des Abbilds und Echos einführt, um die Körperlosigkeit der übertragenen Töne zu verdeutlichen.548 Das Hier und Jetzt des Kunstwerks, sein »einmaliges Dasein an dem Orte, an dem es sich befindet«549, geht verloren. Dieses einmalige Hier und Jetzt des Originals aber macht zugleich »den Begriff seiner Echtheit aus, welche ihrerseits die Autorität der Sache begründet. Diese Autorität und die Würde der Sache sieht Adorno durch ihre technische Reproduktion«550 in Gefahr. So werde etwa das Hier und Jetzt eines Live-Konzerts durch seine Rundfunkübertragung zerstört. Diese Zerstörung wertet Adorno aber nicht grundsätzlich ab, was ihn, ebenso wie Benjamin, stört, ist der unablässige Versuch des Rundfunks, die Apparatur zum Verschwinden zu bringen und so zu tun, als ob das Radio es selbst wäre, das zu uns spricht anstatt der Abbilder von Stimmen und Klängen.551 Von Stern, Adorno und Benjamin wurde also die Frage nach dem Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit gestellt. Auf Musik im Rundfunk bezogen lautet die Frage, wie Radiomusik aussehen kann, die nicht trotz ihrer Vermittlung durch den Rundfunk, sondern wegen dieser Vermittlung existiert und die Materialität des Radios ausstellt. Damit einher gehen unterschiedliche Vorstellungen über Form und Inhalt des Rundfunks – eine Diskussion, die sich entlang einer breit geführten Kulturdebatte entspinnt und eine Trennlinie zwischen E- und U-Musik heraufbeschwört beziehungsweise diese zu überwinden sucht.552 Damit in Zusammenhang steht ein Diskurs, der sich gegen die Warenförmigkeit der Kunst und ihren Konsumcharakter im 20. Jahrhundert wendet.553 Auf den Rundfunk bezogen, lautet die zentrale Frage dieser kapitalismuskritischen Auseinandersetzung: Unerhörte Musik-Maschine554 oder unaufhörliche Jukebox?

548 Vgl. Ehardt (2014), S. 142. 549 Vgl. Adorno, Theodor W., Current of Music. Elements of a Radio Theory, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006, S. 139. 550 Vgl. Ehardt (2014), S. 142. 551 Ehardt (2014), S. 143. 552 Vgl. Adorno, Theodor W., Horkheimer, Max, Dialektik der Aufklärung, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch 2006 (darin das Kapitel »Kulturindustrie. Aufklärung als Massenbetrug«), Anders (1994). 553 Vgl. Behrens, Roger, »Kann man die Ware hören?«, in: Sound Studies: Traditionen – Methoden – Desiderate. Eine Einführung, hg. v. Holger Schulze, Bielefeld: transcript 2008, S. 167–184. 554 Jelinek, Elfriede, Die tote Musik-Maschine. Epitaph für Wurstl (2008), http://www.elfriedej elinek.com/fwurstl.htm (Zugriff: 20. 3. 2015).

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Unerhörte Geräusche Adorno gibt in seinen Notizen zum Rundfunk555 einige Beispiele, wie eine Radiokunst aussehen müsste, die sich nicht als Echo der Musikindustrie versteht. Wesentlich ist für Adorno die »Selbständigmachung der Rundfunktechnik« sowie die »Emanzipation von der Nachahmung des ›natürlichen‹ Gegenstandes«556. Damit spricht er zwei wesentliche Entwicklungslinien an: Geräuschmusik, deren Material sich aus dokumentarischen Klängen speist und Elektromusik, deren Ursprung synthetische Klänge sind. Viele KünstlerInnen beschäftigten sich in den Anfängen des Radios mit diesen beiden technischen und künstlerischen Möglichkeiten, ihre Arbeiten waren interdisziplinär und etwa von Technik, Literatur, Musik und Bildender Kunst geprägt. Auf diese Weise wurden neue Kunstformen vorangetrieben, die sich zwischen elektronischen und dokumentarischen Klängen formierten und dank technischer Manipulationsverfahren wie Collage und Montage »unerhörte Geräusche«557 zum Erklingen brachten. Einer Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten radiophoner Kunstformen vorangestellt waren die Konzepte früher Tonkunst, wie sie etwa von Ferruccio Busoni oder Luigi Russolo am Beginn des 20. Jahrhunderts formuliert wurden. So forderte Busoni bereits 1906 in seinem Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst die Entwicklung von neuen Klanginstrumenten abseits der traditionellen Musikinstrumente558 und Russolo formulierte noch radikaler : »Das Leben in der Vergangenheit war Stille. Mit der Erfindung der Maschine im 19. Jahrhundert entstand das Geräusch«559. Tatsächlich wurde die Musik im Zeitalter der Elektrizität revolutioniert und der Rundfunk hatte daran wesentlichen Anteil. »Die Entwicklung elektronischer Instrumente wäre ohne den Rundfunk undenkbar«560, so die These des Radiopioniers und Musikers Friedrich Trautwein. Musik mit Wechselstrom- und Röhrengeneratoren hat den Weg für synthetische Klänge gebahnt, die abseits einer auf Notation und Tradition basierenden Musik verliefen.

555 Adorno (2001), S. 90–120. 556 Ebd., S. 113. 557 Weill, Kurt, »Möglichkeiten absoluter Radiokunst«, in: Der deutsche Rundfunk, Nr. 26, 1925, S. 1625–1628. 558 Vgl. Donhauser (2008), S. 35. 559 Luigi Russolo zitiert nach Jütte, Robert, Geschichte der Sinne. Von der Antike bis zum Cyberspace, München: Beck 2000, S. 220. 560 Vgl. Donhauser (2008), S. 31.

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Thaddeus Cahills elektromechanisches Dynamophon oder das von Trautwein und Oskar Sala 1930 präsentierte Trautonium,561 dessen eindringliche Klänge 33 Jahre später den Erfolg von Alfred Hitchcocks »Die Vögel« mitbegründen sollten, wurden vom Radio inspiriert und, wie im Fall des Trautoniums, zunächst als Zusatzgeräte für den Rundfunkapparat angepriesen.562 Es waren unerhörte Geräusche, die experimentell erprobt werden sollten und der Idee einer »absoluten Radiokunst« zugrunde lagen. Auch Kurt Weill suchte nach einer solchen Kunstform fürs Radio, die nicht nur den Unterhaltungswert des Rundfunks befördern, sondern Eigenständigkeit gegenüber anderen Medien erreichen konnte. »Nun können wir uns sehr gut vorstellen, daß zu den Tönen und Rhythmen der Musik neue Klänge hinzutreten würden, Klänge aus anderen Sphären: Rufe menschlicher und tierischer Stimmen, Naturstimmen, Rauschen von Wind, Wasser, Bäumen und dann ein Heer neuer, unerhörter Geräusche, die das Mikrophon auf künstlichem Wege erzeugen könnte […]«563

Klangpioniere wie Walter Ruttmann, dessen Hörspiel »Weekend«564 mittels Lichttonverfahren ganz neue dokumentarische Klänge zu Gehör brachten oder die Arbeiten des jungen Hörfunkintendanten Hans Flesch in Frankfurt erprobten solche unerhörten Geräusche für den Rundfunk. »Der Rundfunk ist ein mechanisches Instrument, und seine arteigenen künstlerischen Wirkungen können infolgedessen nur von der Mechanik herkommen. Glaubt man nicht, daß das möglich ist, so kann man eben an das ganze Rundfunk-Kunstwerk nicht glauben.«565

Für Hans Flesch war der Rundfunk ein Experimentierfeld, das seine Mittel und Möglichkeiten erst erproben musste. Seine ersten Sendungen sollten den HörerInnen die Wirkungsweisen und technischen Verfahrensweisen des Rundfunks näher bringen. So ließ er etwa verschiedene Musikinstrumente in verschiedenen Räumen erklingen, um die klanglichen Unterschiede, die durch die Übertragung entstehen, hörbar zu machen.566 Bei seinem ersten eigenen Hörspiel Zauberei auf dem Sender aus dem Jahr 1924 setzte er elektronische Musik, die von Ernst Schoen komponiert wurde, ein.567 Im Nationalsozialismus wurde die Vielfalt radiophoner Ausdrucksformen radikal zunichte gemacht und ihre WegbereiterInnen wurden ermordet oder zur 561 562 563 564 565 566 567

Vgl. Hagen (2005), S. 98. Vgl. Donhauser (2008), S. 31f. Weill (1925), S. 1627. Vgl. Kapitel »Hörfilm tut not!«. Hans Flesch zitiert nach: Hagen (2005), S. 107. Vgl. Schivelbusch (1985), S. 87. Vgl. Ehardt (2014), S. 145.

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Flucht gezwungen. Erst Ende der 1940er Jahre konnte sich der Bereich der Elektronischen Musik wieder neu formieren. Viele Rundfunkanstalten richteten Studios für elektronische Musik ein,568 wie etwa das Versuchsstudio der Radiodiffusion-T8l8vision Francaise (RTF) oder das Rundfunkstudio für Elektronische Musik des Nordwestdeutschen Rundfunks in Köln. In Wien wurde ein solches Studio, das sich vor allem mit Tonbandmusik beschäftigt, vom Akustiker Karl Wolleitner an der Universität für Musik und darstellende Kunst eröffnet. »[…] so entstand vor allem in neu eingerichteten ›Elektronischen Studios‹, die häufig Rundfunkanstalten angeschlossen waren […] ein neuer Typ Musik: synthetisch generiert und ohne den ›klassischen‹ Interpreten. Generatoren, Filter, Tonbandaufnahmen von Geräuschen, Hallgeräte, Vocoder und vieles mehr erzeugten Klangmischungen, die mit den überkommenen Vorstellungen von ›Musik‹ radikal brachen.«569

In ganz Europa entstanden neue akustische Arbeiten; Pierre Henry, Pierre Schafer, John Cage, Karlheinz Stockhausen, Edgar Varese oder Max Neuhaus heißen einige ihrer bekanntesten Vertreter.570 Neuhaus entwickelte etwa Radioprojekte wie »Radionet« und »Public Supply«, die sich aus den Rückkopplungssignalen von Telefonanrufen der RadiohörerInnen speisten.571 Seine erste radiophone Klanginstallation trug den Titel »drive in music« und wurde von ihm als »private Radioinstallation« gestaltet, dessen Inhalt sich aus Klängen und Tönen, »die von verschiedenen Sendern mit geringer Reichweite abgestrahlt wurden«572, speiste und mittels Autoradio entlang einer Landstraße empfangen werden konnte. Viele dieser Werke regten zur Partizipation an und arbeiteten gegen den vielfach kritisierten passiven Konsumcharakter des Rundfunks an. Ihre Kunst versuchte sich auch an einer Entgrenzung und Enthierachisierung des bestehenden engen Musik- und Kunstbegriffs. Für John Cage war »Musik, […] alles, was hörbar ist, sie umfasst die Klänge und Geräusche innerhalb und außerhalb von Konzertsälen«573. Cages Hörspiele, wie etwa die Hörspielcollage »The city wears a slouch hat« aus dem Jahr 1942 arbeiteten mit unterschiedlichen Klangmaterialien, deren narrative Funktionen, wie schon 1930 bei Ruttmanns »Weekend« erprobt werden. Damit wird die Erzählinstanz der Sprache in Frage gestellt und Stimme und Sprache werden 568 Vgl. Donhauser (2008), S. 33. 569 Donhauser (2008), S. 33. 570 Zu ihren Arbeiten siehe: Schafer, Pierre, Musique ConcrHte. Von den Pariser Anfängen um 1948 bis zur Elektroakustischen Musik heute. Stuttgart: Ernst Klett Verlag 1974. 571 Zu den Radioarbeiten von Max Neuhaus, vgl. Föllmer, Golo, »Klangkunst in öffentlichen Räumen: Vision, Utopie und Pragmatismus«, in: Klangräume der Kunst, hg. v. Peter Kiefer, Heidelberg: Kehrer 2010, S. 147–160. 572 Föllmer (2010), S. 150. 573 John Cage zitiert nach Schafer (2010), S. 38.

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durch Montageverfahren zum Laut- und Klangmaterial, das zerlegt und neu zusammengesetzt beziehungsweise als sprach- und medienkritisches Kunstwerk entlang musikalischer Strukturen geordnet wird. Friedrich Knilli formulierte einen wesentlichen Unterschied zwischen naturalistischen und »denaturierten«, also synthetischen Klängen. »Denaturiert verliert das Geräusch viel von Kopie, Kulisse, Illustration und eröffnet dem Hörspiel neue radiophone Aktionen, […].«574 In Österreich arbeiteten KünstlerInnen wie Ernst Jandl, Friederike Mayröcker und Gerhard Rühm mit Sprache und Musik, deren medienkritisches Potential lustvoll im stereophonen Hörraum arrangiert wurde, wobei Jandl und Mayröcker noch eine klare begriffliche Trennung zwischen Hörspiel und Musik setzten: »Das Hörspiel ist ein akustischer Ablauf, der sich von Musik dadurch unterscheidet, dass sein Material hauptsächlich aus gesprochener Sprache besteht; ohne eine Übereinkunft dieser Art könnte das Wort ›Hörspiel‹ auch dasselbe bedeuten wie das Wort ›Musik‹.«575 Für Gerhard Rühm war diese definitorische Grenze im Neuen Hörspiel bereits im Aufweichen begriffen, »die gleichwertigkeit der schallphänomene annulliert die grenze zwischen musik und literatur«576. Der österreichische Musiker Anestis Logothetis, dessen elektronische Musikwerke und Multimediakompositionen sich zwischen Malerei, Musik, Sprache und Technik bewegten, arbeitete ebenfalls an der Schnittstelle von Sprache und Musik. Hellmuth Gottwald beschreibt seine Werke als Pionierleistungen des »musikalischen Hörspiels«577 der 1960er und 1970er Jahre, die er unter anderem im Elektronischen Studio der Musikhochschule Wien realisierte.578 Logothetis avancierte zum international erfolgreichen Hörspielmacher und seine Radioopern wurden vor allem im deutschsprachigen Raum gefeiert. Sein erstes Hörspiel »Anast#sis« wurde 1969 im österreichischen Rundfunk gesendet; weitere Hörspielproduktionen in deutschen Rundfunkanstalten folgten.579

574 Knilli (1970), S. 47. 575 Jandl, Ernst; Mayröcker, Friederike, »Anmerkungen zum Hörspiel. ›hörspiel‹ ist ein doppelter imperativ«, in: Neues Hörspiel. Essays, Analysen, Gespräche, hg. v. Klaus Schöning, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1970, S. 88–91, S. 88. 576 Rühm, Gerhard, »zu meinen auditiven texten«, in: Schöning (1970), S. 46–57, S. 46. 577 Hellmuth Gottwald zitiert nach Kaufmann, Dieter, »In den Studios der Elektroakustik: Der Bock als Gärtner«, in: Anestis Logithetis. Klangbild und Bildklang, hg. v. Hartmut Krones, Wien: Verlag Lafite 1998, S. 180–187, S. 181. 578 »Fantasmata 60« wurde von Anestis Logithetis gemeinsam mit Hellmuth Gottwald erarbeitet, vgl. Kaufmann (1998), S. 180. 579 Eine große Auswahl seiner Arbeiten findet sich in der Österreichischen Mediathek, hier gibt es auch zahlreiche Interviewaufnahmen und Sendungsmitschnitte seiner Arbeiten und Veranstaltungen. Vgl.: https://www.mediathek.at/ (Zugriff: 21. 03. 2017).

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Der Tonbandkomposition »Fantasmata 60«, »ANASTASUS (Auferstehungen)«, sowie den Hörspielen »Hör!-spiel« und »Im Gespinst – im geh!spinnst?!« als auch dem Kunstkopfhörspiel »Kerbtierparty« liegen Partituren zugrunde, die auf eine traditionelle Notenschrift oder Manuskriptfassung verzichteten und sich stattdessen einer graphischen Notation in Schrift und Bild bedienten. Sprache wird auf diese Weise zu Klang, der als Ausgangsmaterial für Hörcollagen Verwendung findet. Insbesondere Logothetis’ Werke für den Rundfunk zeichnen sich durch dadaistische Sprachspiele, die er zu dichten, musikalischen Kompositionen verwoben hat, aus.580 Die Grenzen zwischen Radiomusik und Radiokunst begannen sich weiter zu verwischen, »das Aufnahmeband löste wirksam die Unterscheidung zwischen Musik, Klang und Geräusch auf«581; dies bedeutete auch für das Hörspiel, wie bereits weiter oben ausgeführt, eine Vielzahl an Neudefinitionen. Der Audiokünstler Mauricio Kagel bezeichnet das Hörspiel als »weder eine literarische noch eine musikalische, sondern lediglich eine akustische Gattung unbestimmten Inhalts.«582 Die Veränderungen des künstlerischen Selbstverständnisses und ihrer ästhetischen Ausprägungen machten sich in den Programmen der deutschsprachigen Radiosender bemerkbar, die neue Sendeformate für Musik und Literatur einrichteten. In Österreich ging am 8. Oktober 1946 die Musikreihe »Moderne Stunde« mit Stücken von Paul Hindemith und Egon Wellesz auf Sendung. Ein Jahr später wurde die Sendereihe vom Sender Wien I auf den Sender Wien II verlegt.583 Bereits der Untertitel macht die Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksformen, die sich nicht mehr auf eine Kunstsparte beschränken ließen, deutlich: »Neue Wege in Dichtung und Musik«.584 Eine steigende interdisziplinäre und intermediale Durchdringung bahnte sich ab den 1960er Jahren verstärkt den Weg ins Radioprogramm.585 Gleichzeitig öffnete sich das Radio für Kulturveranstaltungen außerhalb des Rundfunkhauses, wie etwa dem »Musikprotokoll im steirischen herbst« ab 1968, dem 580 Zu den Hörspielen von Anestis Logothetis siehe die ausführliche Dokumentation seines Schaffens von Hartmut Krones (1998). 581 Cox, Christoph, »Wie wird Musik zu einem organlosen Körper? Gilles Deleuze und die experimentelle Elektronik«, in: Soundcultures. Über elektronische und digitale Musik, hg. v. Marcus S. Kleiner und Achim Szepanski, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003, S. 162–217, S. 181. 582 »Gespräch Mauricio Kagel – Klaus Schöning«, in: Schöning (1970), S. 228–236, S. 228f. 583 Vgl. Scheib, Christian, »Die Stunden der Moderne«, in: Vom Dampfradio zur Klangtapete. Beiträge zu 80 Jahren Hörfunk in Österreich, hg. v. Heimo Godler, Manfred Jochum, Reinhard Schlögl, Alfred Treiber, Wien/Köln/Weimar : Böhlau 2004, S. 107–116, S. 108. 584 Vgl. ebd., S. 107f. 585 Zur Intermedialität des Neuen Hörspiels vgl. Wodianka, Bettina, Radio als Hör-Spiel-Raum. Medienreflexion – Störung – Künstlerische Intervention, Bielefeld: transcript 2018.

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Festival Wien Modern im Jahr 1988 oder der Ars Electronica von 1989. Installative Klangkunst, wie sie bereits Max Neuhaus erprobt hatte, wurde nicht mehr nur im Rundfunkstudio produziert, sondern fand auch im öffentlichen Raum statt. Radiomusik und Radiokunst sind zwar im Rundfunkprogramm mittlerweile etabliert; allerdings werden sie heute zusehends als Nischenformen verstanden. Radiophone Vielfalt findet ihren Platz nur mehr in wenigen Sendeprogrammen, wie etwa der »Kunstradio – Radiokunst«-Sendereihe auf Ö1. Aktuell sind es vor allem Internetarchive und Onlineplattformen, auf denen sich akustische (Radio-) Innovationen finden, wie etwa im amerikanischen Online-Archiv »Ubuweb« oder dem partizipativen Webprojekt »Radio aporee« von Udo Noll.

Unaufhörliche Geräuschkulisse »Radio is sound«586 – auf diesen Grundsatz zusammengefasst, kann Radio sowohl als Kunst der unerhörten Geräusche als auch als ununterbrochene Geräuschkulisse verstanden werden. Der Sound des Radios hat sich Mitte der 1950er Jahre verändert, Radiodiskjockeys und Musiksendungen prägten den Unterhaltungsrundfunk. Simultan mit dem steigenden Musikangebot im Radio ist auch der Massenkonsum von Tonträgern und Unterhaltungsmedien gewachsen. »Kino, Schallplatten und Radio (letzteres heutzutage ein Anhängsel der Musikindustrie)«587, so beschreibt der Medienwissenschafter Neil Postman die Verquickung von Radio, Musik und Wirtschaft. Schon in den 1950er Jahren widmete sich Günter Anders in seinem Werk »Die Antiquiertheit des Menschen« dem Massenkonsum und den Interessen der Massenproduzenten, die durch die »Kulturwasserhähne des Radios« danach trachteten, die »massierte Masse«, in eine »möglichst große Anzahl von Käufern« aufzuteilen.588 Wichtigen Anteil am Musikkonsum hatten die Radiodiskjockeys mit ihren Musikhitparaden-Sendungen, die in den USA bereits in den 1930er Jahren ein beliebtes Programmformat darstellten.589 »Es ist der US-amerikanische Hörfunk, der den DJ erfunden hat, nicht die Klubkultur. Die ersten Diskjockeys erreichten bereits in den 1930er Jahren […] eine beachtliche

586 587 588 589

Gordon Lea (1926) zitiert nach Hagen (2005), S. 328. Postman, Neil, »Das Zeitalter des Showbusiness«, in: Pias (2004), S. 223–233, S. 230. Anders (1994), S. 101. Zur Geschichte der Radiohitparaden und Deejay-Kultur im Radio, vgl. Hagen (2005), Schopp (2014).

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Popularität. Im Zuge der Umstellung des Radioprogramms auf Schallplatten um 1950 eroberten die Djs die gesamte Hörfunklandschaft in den Vereinigten Staaten.«590

In Österreich waren es bis Mitte der 1950er Jahre der Sender Rot-Weiß-Rot und der ebenfalls von den amerikanischen Alliierten installierte englischsprachige Sender »Blue Danube Network«, die ein populäres Musikprogramm nach angloamerikanischem Vorbild sendeten. Ein eigener Musiksender des österreichischen Rundfunks wurde nach der Rundfunkreform591, unter der Generalintendanz von Gerd Bacher ab 1967 eingerichtet. Radio Österreich 3 wurde nach dem Vorbild von Radio Luxemburg gestaltet und der Radiomoderator Frank Elstner für die tägliche Sendereihe »Musicbox« von Radio Luxemburg zu Ö3 geholt.592 »Die interessanteste Sendung war – bis zu ihrer endgültigen Einstellung bzw. Übersiedlung auf FM4 – die ›Music-Box‹. In einem ›Kurier‹-Interview Ende September 1968 erläuterte der Sendungsverantwortliche Hubert Gaisbauer : Die ›Music-Box‹ sei die einzige Sendung auf Ö3 mit Literatur, die zugestandene Narrenfreiheit werde aber nur maßvoll ausgeübt: ›Dafür können wir Platten spielen, die sonst nirgendwo untergebracht werden können, weil sie entweder zu lang oder zu extrem sind‹ […] Der Umschaltreflex, der pünktlich um 15 Uhr – also mit Beginn der ›Box‹ – die meisten österreichischen Büros auf Ö Regional wechseln ließ, war 1968 noch nicht zu beobachten.«593

Der beschriebene Widerstand gegen das neue Sendeformat führte entlang einer Debatte über den richtigen oder falschen Genuss beim Radiohören und war von Skepsis gegenüber angloamerikanischen Unterhaltungsformaten geprägt.594 Ungeachtet dessen, war der Rundfunk aber immer schon wichtiger Teil der Unterhaltungsindustrie gewesen, der durch die technischen Möglichkeiten von Vinyl und Tonband ab Mitte des 20. Jahrhunderts noch weiter an Bedeutung gewann. Im österreichischen Rundfunk entstanden mit Musiksendungen, wie das Wunschkonzert »Ein Gruß an dich«, das unter anderem von Sepp Forcher und 590 Schopp (2014), S. 115. 591 Detaillierte Untersuchungen zum Österreichischen Rundfunk nach 1955 sind nicht mehr Teil dieser Arbeit. Zur Geschichte der österreichischen Rundfunkpolitik in der Zweiten Republik siehe: Ehardt (2003), Fabris, Hans Heinz, »Der österreichische Weg in die Mediengesellschaft«, in: Österreich 1945–1995. Gesellschaft, Politik, Kultur, hg. v. Reinhard Sieder, Heinz Steinert und Emmerich T#los, Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1995, S. 641–654, S. 652. 592 Vgl. zur Programmierung der Musiksender im deutschsprachigen Raum: Rumpf, Wolfgang, Music in the air. AFN, BFBS, Ö3, Radio Luxemburg und die Radiokultur in Deutschland, Berlin: Lit 2007. 593 Ebner, Paulus; Vocelka, Karl, Die zahme Revolution. 68 und was davon blieb, Wien: Ueberreuter 1998, S. 93f. 594 Vgl. das Kapitel »Viel Lärm ums Radio: Rundfunk nach 1945«.

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Louise Martini moderiert wurde, »Schlager für Fortgeschrittene« von Gerhard Bronner, »Autofahrer unterwegs«, die Sendereihe »Music Hall« oder auch die einstündige Sendereihe »Musicbox«, kollektive Erinnerungs(ton)spuren, die sich gleich mehreren Generationen von RadiohörerInnen eingeprägt haben.595 Die am längsten produzierte Radiosendereihe war die täglich ausgestrahlte Musik- und Informationssendung »Autofahrer unterwegs«, die von RadiosprecherInnen und SchauspielerInnen wie Louise Martini, Brigitte Xander und Rosemarie Isopp moderiert wurden. Die Sendereihe umfasst über 15.000 Sendungen und wurde von 1957 bis 1999 österreichweit über die Landesstudios des Österreichischen Rundfunks ausgestrahlt. Die »Music Hall« wurde ab 1968 wöchentlich von Günther Schifter auf Ö3 gestaltet, der als Radiodiskjockey und Musiksammler mit seinem Einstiegsslogan im Countrystil »Howdy«596 im österreichischen Rundfunk populäre Musik von Swing über Jazz bis hin zu Schlagermusik auflegte. Die gespielte Musik stammte aus seinem eigenen Schellackplattenarchiv. »Die Platten ins Funkhaus getragen hat Günter Schifter, wie jede Woche und nächste Woche macht er das wieder. Er bringt dann sogenannte Schellacks mit, wissen Sie? Schellacks und Schellacks und Schellacks und Schellacks und Schellacks…«597

Günther Schifter repräsentierte den klassischen Radiodiskjockey nach Tradition der frühen Radiosendungen im US-Rundfunk. Gemeinsam mit seinen HörerInnen bildete er eine Gemeinschaft, die von ihm in direkter Form angesprochen wurde. Diese Tradition des personalisierten Musikprogramms, geprägt von männlichen »Musikrebellen«, veränderte sich im Formatradioprogramm. Die Musikauswahl wurde nunmehr nach Verkaufszahlen oder anderen Rankings erstellt, der Diskjockeys wurde nur »auf die Rolle von Moderatoren«598 reduziert und spielte standardisierte Musikhitlisten rauf und runter. »Das Vergnügen, einen Hit immer wieder zu hören, resultiert aus diesem doppelten Wiederholungsvergnügen. Denn erstens ist alles im Pop Wiederholung (des gleichen Schemas), die sich dadurch beweist, dass der Song sein Schema und damit das aller 595 So beschreibt etwa Brigitte Schwaiger in ihrem Roman »Der Himmel ist süß« eine Autofahrt, in der das Autoradio läuft und das Wunschkonzert gespielt wird. »In additiver Reihung gibt sie die Höreindrücke von fünf gängigen Schlagern mit Eltern Verherrlichung wieder, von Mamatschi bis O mein Papa.« Zitiert aus: Polt-Heinzl, Evelyn, »Brigitte Schwaiger (1949–2010)«, in: Literatur und Kritik, November 2012, Salzburg: Otto Müller Verlag 2012, S. 97–110, S. 107. 596 Vorbild dafür könnte Dick Biondi sein, der als Bauerntrampel mit einer kleinen Trompete als Howdy Doody auftrat, vgl. Hagen (2005), S. 265. 597 Ausschnittt aus der Music Hall Sendung von 1979, Folge 499, http://www.mediathek.at/vir tuelles-museum/schifter/der-radiomoderator/music-hall/ (Zugriff: 20. 01. 2016). 598 Schopp (2014), S. 116.

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anderen immer wieder aufs Neue befestigt. Dann aber muss auch die Unterscheidung (des einen Hits vom anderen) wiederholt werden, um die Individualisierung des Genusses (durch Wiederholung) zu stärken.«599

Das mehrfach umgestaltete und umbenannte Regionalradioprogramm des ORF, das ebenfalls im Zuge der Rundfunkreform von 1967 entstanden war, brachte bis in die 1990er Jahre nicht nur leichte Musikunterhaltung, sondern auch von den Landesstudios selbst produzierte Hörspiele und Sendereihen in das österreichische Radioangebot mit ein. 1992 erfolgte die Umgestaltung zum »Flächenradio mit genau definiertem Musikformat«600. Wolfgang Hagen definiert die Form von Formatradio als eine »Programmierung von selbstähnlichen Radioprogrammen«601; plurale Strukturen gehen damit sukzessive im Radiosendeangebot verloren. Selbstähnlichkeit meint in diesem Zusammenhang, dass die einzelnen Teile, aus denen sich das Radioprogramm zusammensetzt, »seriell konstruiert [und] nach dem Baumuster des Ganzen«602 gestaltet sind. »Das Gesamtprogramm wird dabei definiert durch ein begrenztes Repertoire von Musikstücken, die untereinander wiederum selbstähnlich sind, d. h. einer bestimmten Machart entsprechen und einem einzigen oder einer homogenen Gruppe von Musikgenres entsprechen.«603

Die Selbstähnlichkeit der Formatradioprogramme, wie sie sowohl vom Österreichischen Rundfunk als auch in den österreichischen Privatradios forciert wurde, ist mittlerweile abgeschlossen. Außer den Freien Radios und dem Kulturund Bildungssender Radio Österreich 1 wird das Radioangebot in Österreich von Formatradios dominiert.604 »Die gebetsmühlenartig wiederholten Kennungen der Sender unterscheiden sich inzwischen mehr als die Programme. Die Megahits der Achtziger, Neunziger und das Beste von heute – wer sendet das nicht?«605

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist der Siegeszug des Musikformatradios aber in die Krise geraten. Gemeinsam mit der fortschreitenden Vereinheitlichung der Formatradios nimmt auch die Bedeutung der Medienkonvergenz zwischen 599 Hagen (2005), S. 311. 600 Rammerstorfer, Kurt, »Viele Regionen – Neun Sender«, in: Godler (2004), S. 77–86, S. 84. 601 Hagen, Wolfgang, Formatradio: Programmierung von Selbstähnlichkeit Referat zur 14. Hamburger Mediendebatte »Vielfalt im Gleichen? Von Format-Radios und Radioformaten«, 20. 5. 1999, o. S., http://www.whagen.de/vortraege/Formatradio/Formradi.htm (Zugriff: 25. 02. 2016). 602 Ebd. 603 Ebd. 604 Vgl. die jährlich veröffentlichten Zahlen des RMS Austria »Radiotest«, www.rms-austria.at/ (Zugriff 12. 01. 2017). 605 Stock, Ulrich, »Rettet das Radio«, in: Die Zeit, Nr. 9, 24. Februar 2005, S. 17.

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Resonanzen IV: Unerhörte Geräusche und unaufhörliche Geräuschkulisse

Radio und Musikindustrie, die ihre Hochphase zwischen den 1970er und 1990er Jahren hatte, kontinuierlich ab. Musikkonsum und Musikdistribution sind in den letzten Jahren durch digitale Angebote revolutioniert worden.606 die Aneinanderreihung verschiedener Musiknummern kann nun, wie beim Radiohören, in unsichtbarer »materieloser«607 Form – aber nicht mehr über Luft, sondern über »öffentliche Clouds«608 – von jedem Hörer und jeder Hörerin selbst gestaltet werden. Diese neuen digitalen Musikübertragungsmöglichkeiten, Trägermedien und Musikonlineplattformen bedrängen das Konzept des Formatradios als unaufhörliche Jukebox vehement und mit noch nicht absehbaren Folgen für dessen Zukunft.

606 Vgl. Stange-Elbe, Joachim, Computer und Musik. Grundlagen, Technologien und Produktionsumgebungen der digitalen Musik, Oldenbourg: De Gruyter 2015, S. 10. 607 Ebd. 608 Ebd.

6.

(Neue) Radioräume »Alexander Kluge: ›Ist Rundfunk nicht wie frische Luft – ein Öffentlichkeitsgut?‹ Helge Schneider : ›Im Auto vielleicht – wenn man neben dem Motorengeräusch noch etwas anderes hören will‹« (aus dem Fernsehmagazin 10 vor 11)

Ob im imaginär-suggestiven Spielraum des Traditionellen Hörspiels und dessen Vorstellung einer »Inneren Bühne« oder als konkretes Klangphänomen im stereofonen Hörraum mit seinem veräußerlichten, d. h. im Bewegungsraum aufgenommenen und wiedergegebenen akustischen Material, ob als »die Massen suchende[r]«609 Radioraum öffentlich-rechtlicher Provenienz, als freier Gestaltungsraum von Gemeinschaften oder als digitaler Rezeptionsraum vor Lautsprecher oder mit Kopfhörer : Ist Radio nur ein Stimmungsraum, der manipulierbar erscheint und oftmals als »Nebenbei-Raum« fungiert oder ein potentieller Denkraum, der aus dem passiven Unterhaltungs- und Informationskonsum herausführen möchte? Welche Wünsche und Vorstellungen auch immer an den Rundfunk herangetragen werden, Radio ist ohne Räume nicht denkbar. Die Flüchtigkeit und Unadressierbarkeit der gesendeten Funkwellen haben den Radiodiskurs und die darin formulierten Raumvorstellungen von Beginn an beflügelt. Ästhetische und politische Diskussionen spiegeln sich darin ebenso wider wie technische und kulturelle Entwicklungen. Heute ist Radio im Wandel begriffen, crossmediale Nutzungsmöglichkeiten und digitale Übertragungswege stellen seine bisherigen Definitionskriterien in Frage. Sowohl auf der Rezeptions- als auch auf der Produktionsseite stellen sich für den Rundfunk im 21. Jahrhundert neue Herausforderungen, welche das Hier und Jetzt des Sendund Empfangbaren zum Thema machen. An dieser Stelle soll anhand von Raumvorstellungen, die sich in aktuellen und historischen Auseinandersetzungen zu Theorie und Praxis des Radios wiederfinden, die Frage nach neuen Hörräumen des Radios gestellt werden.

609 Hagelüken, Andreas, »Horch, was kommt von draußen rein – Hörräume des Radios«, in: Kiefer (2010), S. 315–332, S. 317.

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(Neue) Radioräume

Wunschwelten des Radios Informations- und Kommunikationstechnologien machen die Welt zum globalen Dorf, Raum und Zeit sind nicht erst seit Marshall McLuhan aufgelöst. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts haben sich McLuhans Thesen zum Radio und die mit den elektronischen Medien einhergehende Überwindung von Zeit und Raum als »magisch« dargestellt.610 »Zwei Hauptwirkungen des Radios scheinen mir zeitpsychologisch bedeutsam: Unser natürliches Raumgefühl; auf den Erlebnissen unseres Leibes beruhend, was als Dimensionserlebnis wie als Distanzerlebnis durch die Technik bereits verschoben, ja ins Wanken gebracht [sic]. Das Radio hebt es vollständig auf. Indem das Nicht-Hier von allen Seiten in das Hier einbricht, das heißt, indem der Radio-Empfänger potentiell wenigstens mit dem ganzen Erdball zugleich in Verbindung gebracht ist, im selben Augenblick da und dort ist, ohne sich von der Stelle zu rühren, muss die unterbewusste Erfahrung sowohl das Tiefenerlebnis, wie das Entfernungserlebnis notwendigerweise aufheben.«611

Indem das »Nicht-Hier von allen Seiten in das Hier einbricht«, stellt sich die Frage: Welche Räume besetzt das Radio und welche Räume eröffnet es den Hörern und Hörerinnen? Für Hugh Chignell, der in seinem Buch »Key concepts of radio studies«, die theoretische und methodische Dimension des Radios auslotet, ermöglicht Radio den HörerInnen die räumliche Wahrnehmung von Akustischem.612 Golo Föllmer verweist in seinem Vortrag »Räume des Radios«613 auf die Notwendigkeit, im digitalen Zeitalter neue Fragen ans Radio zu stellen, die er anhand von räumlichen Radiovorstellungen konkretisiert. Seine lose gefassten Kategorien umfassen neben den Produktionsmethoden und -orten – wie etwa Schnitt und Studio – auch die soziale Dimension des Hörens als ein Ort der Öffentlichkeit und Gemeinschaft. Er definiert Hörwahrnehmungen als synchrone, synästhetische und mobile Raumerlebnisse.614 Barbara Schäfer diskutiert anhand der Hörspielgeschichte raumästhetische Merkmale des Akustischen.615 Andreas Hagelüken geht in seiner Auseinandersetzung mit den Hörräumen des Radios 610 611 612 613

Vgl. McLuhan (1992). Karl Wolfskehl (1929) zitiert nach Hagelüken (2010), S. 315. Chignell, Hugh, Key concepts of radio studies, London: SAGE 2009. Föllmer, Golo, »Räume des Radios – Einführung zur Tagung ›Digitale Sinneskulturen des Radios‹«, Vortrag Juni 2013,,Tagungsband als ebook unter : https://www.onlineradiomas ter.de/radiosinne (Zugriff: 11. 11. 2016), S. 14–18. 614 Ebd. S. 14f. 615 Schäfer, Barbara, »Hör-Räume«, in: Hör-Positionen. Beiträge zu einer ästhetischen Theorie des Radios (zusammengestellt von Manfred Mixner), Sprache im technischen Zeitalter, hg. v. Walter Höllerer und Norbert Miller, Literarisches Colloquium Berlin: Berlin 29. Jg., März 1991, S. 28–38.

Radiophone Spielräume des Akustischen

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von ephemeren Topographien aus – Kreativräume, Vorstellungs- und Handlungsräume sowie von konkreten Orte, wie den Studio- und Empfangsräumen und weiteren technisch bedingten Räume aus, zusätzlich bezieht er vielfältige Formen von Radiokunst als Raumkunst mit ein.616 Im Folgenden sollen einige dieser Hör-Orte aufgegriffen werden, um die Räume des Radios zu durchleuchten. Im Besonderen sind es die konkreten und abstrakten Räume des Hörspiels und der Radiokunst, die Senderäume als Orte der Produktion und neue Empfangsräume für eine zunehmend in Hörgemeinschaften zerfallende Radioöffentlichkeit. Die unterschiedlichen Interessen, die bisher an das Medium Radio herangetragen wurden, sollen anhand dieser Raumdiskurse auf ihre technische, politische und ästhetische Dimension hin untersucht werden, um so Fragen nach der Zukunft des Mediums zu formulieren.

Radiophone Spielräume des Akustischen Akustische Phänomene werden vielfach als reine Zeitphänomene definiert; oftmals wird dabei auf Lessings kunstphilosophische Abhandlung »Laokoon oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie« aus dem Jahre 1766 Bezug genommen, in welcher er schrieb: »Ich schließe so. Wenn es wahr ist, daß die Malerei zu ihren Nachahmungen ganz andere Mittel, oder Zeichen gebrauchet, als die Poesie; jene nämlich Figuren und Farben in dem Raume, diese aber artikulierte Töne in der Zeit«617. Viele radioästhetische Schriften verweisen auf diese zeitliche Dimension des Hörens, um damit der Idee einer Inneren Bühne Ausdruck zu verleihen, die Bewegungen im Menschen, aber nicht den Menschen in Bewegung hörbar macht.618 Die Kunstbewegungen der Avantgarde, hier vor allem in der Musik, arbeiteten im 20. Jahrhundert gegen eine solche abstrakte Vorstellung von Ton und Hörwahrnehmung; mittels konkreter Klänge abseits klassischer Notation und Komposition machten sie auf die räumliche Dimension der Tongestaltung aufmerksam. Auch in den Diskursen zu Politik, Kunst und Gesellschaft sind zeitbasierte den raumbasierten Vorstellungen gewichen – ein Paradigmenwechsel, der als »spatial turn« in der Wissenschaft diskutiert wird.619 616 Vgl. Hagelüken (2010). 617 Lessing, Gotthold, Ephraim, Laokoon, Stuttgart: Reclam 1994, http://gutenberg.spiegel.de/ buch/laokoon-1176/19 (Zugriff: 08. 08. 2016). 618 Kolb (1932), S. 41. 619 Vgl. Dünne, Jörg; Günzel, Stephan (Hg.), Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006.

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(Neue) Radioräume

»Vielleicht könnte man sagen, daß manche ideologischen Konflikte in den heutigen Polemiken sich zwischen den anhänglichen Nachfahren der Zeit und den hartnäckigen Bewohnern des Raumes abspielen.«620

Die hitzig geführten Debatten zwischen Traditionellem und Neuem Hörspiel könnten als ein solcher Konflikt gelesen werden.621 Die Auseinandersetzung mit dem Hörraum war aber bereits von Beginn an Gegenstand des Hörspieldiskurses gewesen. »[D]ie Klangexperimente von Flesch und anderen legten die Basis einer in der Rundfunkästhetik verwendbaren akustischen ›Atmosphäre‹, die sich um eine neuerliche radiophone Verbindung von Klang und Ort bemühte.«622 Für Richard Kolb sollte im Hörspiel nur ein »Raumgefühl«623 wiedergegeben werden, darauf aufbauend formulierte Heinz Schwitzke seine Dramaturgie des Hörspiels, die den Raum als »Abstraktum«624 definiert. Im Gegensatz dazu wurden mittels Stereophonie raumakustische Phänomene zum konkreten strukturgebenden Element des (Neuen) Hörspiels. Der Grazer Medientheoretiker Friedrich Knilli legt mit seiner Schrift »Deutsche Lautsprecher« einen wichtigen Grundstein dieser Auseinandersetzung, wenn er formuliert, dass »akustische Raumvorgänge (…) das Schallspiel«625 kennzeichnen; für ihn entpuppt sich der Raum »als Resonanzkörper mit unbegrenzten Klangmöglichkeiten. Man könnte sich kämpfende Raumklänge als Hörspiele denken.«626 Tatsächlich sind diese Raumvorstellungen nicht nur in den Debatten zum Neuen Hörspiel aufzufinden627 – sie zeigen sich auch in den Manuskriptfassungen der HörspielautorInnen selbst, die Ende der 1960er Jahre nicht mehr nur Fließtexte als Ausgangspunkt der Produktion anfertigten, sondern vielfach Zeichnungen, Schemata und graphische Textordnungen bevorzugten.628 In der Auseinandersetzung um hörspielästhetische Konzepte wurden raumakustische Hörspiele, die auf konkreten Klängen basieren beziehungsweise mit stereoakustischen Tonanordnungen arbeiten, den Illusionshörspielen gegen-

620 Foucault, Michel, »Andere Räume«, in: Barck (1990), S. 34–46, S. 34. 621 Theoretische Überlegungen zu beiden Hörspielformen beziehen sich auf unterschiedliche theoretische Konzepte der 1920er Jahre, die wieder aufgegriffen und diskutiert wurden. 622 Gethmann (2005), S. 107. 623 Richard Kolb zitiert nach Schäfer (1991), S. 32. 624 Schwitzke (1963), S. 208. 625 Knilli (1970), S. 46. 626 Ebd., S. 59. 627 Vgl. zu den Debatten ums Traditionelle und Neue Hörspiel und die darin formulierten Raumvorstellungen: Schäfer (1991). Bisher fehlt allerdings eine umfassende Entwicklungsgeschichte der Hörspieltheorien. 628 Vgl. die umfassende Textzusammenstellung zum Neuen Hörspiel von Klaus Schöning, Schöning (1970).

Radiophone Spielräume des Akustischen

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übergestellt, wobei oftmals vergessen wurde, dass jedes Hörspiel »unweigerlich mit Raum«629 spielt: »Auch das Monohörpiel ist nicht raumlos, jedoch beschränkt es sich im technischen auf das reproduzierende Raumzitat (Atmo) und die Position der Handelnden zum Mikrofon oder, in Regieparametern gesprochen auf nah/fern, laut/leise und einige Frequenzfilter, die Kommunikationsräume repräsentieren, wie beispielsweise die Stimme in der Telefonleitung oder im Anrufbeantworter.«630

Im Unterschied zum Monohörspiel wurde »die Bühne des Hörspiels aus der Phantasie des Hörers in das Zimmer des Zuhörers verlegt«631, wodurch neue Hörräume für das Hörspiel erobert werden konnten. »In den künstlerischen Gattungen des Funks, also in Hörspiel, Feature, in der Radiokunst, der elektronischen und elektroakustischen Musik, hat der Raum auch ästhetische und gar konstitutive Qualitäten«.632 Für das Hörspiel bedeuteten die Möglichkeiten der Stereophonie einen »ungehörten Informationszuwachs«633. Durch die Verräumlichung der Klänge mittels Montage und Stereophonie war es möglich, »akustische Schichten«634 zu differenzieren und so die Erzähl- und Zeitebenen in ein Wechselspiel zu bringen. Bestes Beispiel dafür ist Ernst Jandls und Friederike Mayröckers Hörspiel »Fünf Mann Menschen«, in dem Generationen und Geschichten mittels stereophoner Verfahren auf die fünf Hörpositionen aufgeteilt und so in einen dynamischen Kreislauf gebracht werden. »M5: Der Linke hat gewackelt. M2: Meiner fiel als erster hin. M3: Meiner hat so lang gekniet. M4: Der rechts hat dreingeschaut, als ob ihm wer was klaut. M1 (lachend): Wir sind doch die richtigen Nussknacker!«635

Frank Schätzlein betont ihn seiner Analyse zu Wirkung und Bedeutung dieses Hörspiels besonders die raumakustische Wahrnehmungsmöglichkeit, »[d]urch 629 Schäfer (1991), S. 37. 630 Hagelüken (2010), S. 319. 631 Ein Beispiel dafür ist Wolf Vostells interaktives Hörspiel »100 mal Hören und Spielen«, darin gibt er dem Hörer vorm Radioapparat konkrete Handlungsanweisungen: »Lecken Sie beim Hören die Schaltknöpfe Ihres Radios«, vgl. Knilli (1970), S. 15. 632 Hagelüken (2010), S. 316. 633 Ebd. 634 Meyer, Petra Maria, Die Stimme und ihre Schrift. Die Graphophonie der akustischen Kunst, Wien: Passagen 1993, S. 23. 635 Schätzlein, Frank, »Produktionsprozess und Stereophonie im Hörspiel »Fünf Mann Menschen« von Ernst Jandl und Friederike Mayröcker«, 1995, http://www.frank-schaetzlein.de/ texte/fmm.htm#kap7 (Zugriff: 09. 10. 2016).

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(Neue) Radioräume

die fünffache, stereophonische Auffächerung des künstlichen Raumes gelingt es den Autoren, nicht über die Entindividualisierung des Menschen zu sprechen, sondern diese akustisch offenbar werden zu lassen«636. Als erstes stereophones Hörspiel wurde Ernst Jandls und Friederike Mayröckers Werk 1968 mit dem renommierten Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnet. In der Jurybegründung nahm man besonders auf diese neue Technik Bezug, dort hieß es, dass die beiden Autoren zeigen würden, wie »exemplarische Sprach- und Handlungsvorgänge [wirken], in denen der zur Norm programmierte menschliche Lebenslauf nicht abgebildet, sondern evoziert [wird]. Dabei nutzen und meistern sie die Möglichkeiten der Stereophonie«637. Dieser Auszeichnung kam eine »programmatische Bedeutung zu: die offizielle Anerkennung des Neuen Hörspiels, dessen Erscheinungsformen […] zögernd in experimentellen Programmblöcken auftauchten«638, konnte sich Gehör verschaffen, obwohl es zuvor mit viel Widerstand von Seiten der etablierten HörspieldramaturgInnen kämpfen musste.639 Mit »Fünf Mann Menschen« fanden erstmals neue – technisch realisierte – Hörräume eine breitenwirksame Beachtung und das nur 15 Minuten lange Hörspiel wurde von Publikum und Presse gefeiert. Die Hörspielkunst macht Räume hörbar, Außen und Innen sind ähnlich einem Vexierbild untrennbar miteinander verbunden. Eine spezifische Raumakustik wird etwa durch mehr oder weniger Hall hergestellt und der Raum wird so zur Vorstellung gebracht.640 Durch die Vielschichtigkeit der Klänge und Stimmen entsteht ein Hörerlebnis, das differenzierte Wahrnehmungsmöglichkeiten eröffnet und den intimen Genuss des Hörspielhörens ausmacht.641 Das Hörspiel im 21. Jahrhundert arbeitet sowohl auf literarischer Textebene als auch auf technisch-ästhetischer Gestaltungsebene mit Raum;642 bevorzugt wird mit 636 Ebd. 637 Ebd. 638 Haider-Pregler, Hilde, »Zur Entwicklung des österreichischen Hörspiels nach 1945«, in: Die zeitgenössische Literatur Österreichs, hg. v. Hilde Spiel, Zürich: Kindler Verlag 1976, S. 647– 670, S. 647. 639 Heinz Schwitzke formulierte seinen Unmut über die Auszeichnung des, wie es Schwitzke abfällig nannte, »Stammelstückes« in einem Brief an seinen Kollegen und Freund Franz Hiesel, Brief vom 31. 03. 1969, Nachlass Hiesel, WbR. 640 Vgl. Wieser ; Ehardt (2011), S. 147. 641 Ehardt (2014), S. 224. 642 An Bedeutung gewinnen dabei zunehmend die Freien Hörspielproduktionen, die nicht mehr von Sendeanstalten, sondern von HörspielmacherInnen selbst realisiert und produziert werden. Bei der Grazer Autorenversammlung von 1975 an der renommierte HörspielautorInnen, HörspieldramaturgInnen und HörspieltheoretikerInnen vor allem aus Österreich und Deutschland teilnahmen, wurde bereits die Möglichkeit solcher Freier Produktionen diskutiert, aber von den Sendeanstalten in Abrede gestellt, 20 Jahre später waren diese allerdings bereits etabliert.

Sendetopographien

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einem schnellen Wechselspiel aus verschiedenen Klangquellen und Raumvorstellungen gearbeitet und Illusion und Realität werden so zum Spielraum des Akustischen.643

Sendetopographien Während die ausgestrahlten Radiowellen als ein öffentlicher, d. h. frei zugänglicher Raum644, sich potentiell an Alle wenden, sind die Sendemöglichkeiten in Österreich fast von Beginn an staatlich kontrolliert und organisiert worden. Obwohl Dazwischenfunken unerwünscht war, hat es immer Versuche gegeben, gegen diese Reglementierungen und Monopolisierungen Widerstand zu leisten.645 Ebenso zahlreich waren die staatlichen Bemühungen der Kontrolle und Verhinderung »illegaler« Sendestationen; ausgeklügelte Kontrollsysteme sollten einer Vervielfältigung der Senderäume entgegenwirken, wie die zahlreichen Beschlagnahmungen von Radioapparaten bereits von den 1920er Jahren an bis in die frühen 1990er Jahren zeigten646. Neben dem Dazwischenfunken, das nur eine begrenzte lokale Reichweite ermöglichte, wurden viele Senderäume außerhalb des nationalen Sendegebiets errichtet, da der grenzenlose Rundfunk schließlich keine trennscharfe Frequenzverteilung zuließ. Radio UFO (Unbekanntes Funkobjekt) sendete etwa vom italienisch-österreichischen Grenzgebiet aus und auch kommerzielle Radiosender nutzten vor der Auflösung des Rundfunkmonopols in Österreich die Möglichkeit von grenznahen Übertragungswegen. In den 1970er und 1980er Jahren verstärkten sich die kreativen Formen der »Radiopiraterie« – Brechts Forderung folgend, den Rundfunk als Kommunikationsapparat zu nutzen, versuchten verschiedene private und politische Initiativen, Widerstand gegen das staatliche Rundfunkmonopol zu leisten. Bauanleitungen für mobile Radiosendeanlagen wurden verteilt, Aktionen gestartet, 643 Wolfram Lotz Originalhörspiel »Die lächerliche Finsternis« (Regie: Leonhard Koppelmann, Komposition: zeitblom, SWR 2015) kann hier als stellvertretendes Beispiel genannt werden. 644 Was als öffentlicher Raum gilt, ist nicht einheitlich definiert, Golo Föllmer schlägt als Definition eines »öffentliche[n] Begegnungs- und Kommunikationsraum[es]« vor: »Der öffentliche Raum grenzt sich damit zum einen sowohl vom privaten Raum als auch vom Arbeitsraum, zum zweiten auch vom Naturraum, zum dritten […] vom institutionellen Kunstraum ab. Die Definition schließt hingegen schon längst elektronische beziehungsweise virtuelle Medienräume ein, die die Bedingung öffentlicher Zugänglichkeit erfüllen«. Föllmer (2010), S. 147. 645 Vgl. dazu Brunner-Szabo (1989). 646 Vgl. Verein Freies Radio Wien (Hg.), Schallspuren. Rückblicke auf ORANGE 94.0. 15 Jahre Freies Radio in Wien und mehr, Wien 2013, S. 14ff.

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(Neue) Radioräume

Radiointerventionen wie das Überstrahlen von Rundfunkfrequenzen verstärkt.647 »Das erste Mal bei der Sonntagssendung ist die Polizei gekommen. Der Portier hat ihnen gesagt, dass Piratenradio läuft und dass wir jetzt Ö3 stören. Sie sind natürlich auf das Dach hinauf. Einer von uns ist beim Sender gewesen. Wir sind dann zu fünft ebenfalls hinauf gegangen. Der eine Polizist, der unseren Kollegen beim Sender gerade festnehmen wollte, hat seine Pistole gezogen, als wir zu fünft auf ihn zugekommen sind. Dann hat er in sein Funkgerät gerufen, dass er Verstärkung braucht. Zwei von uns haben das aber recht schnell deeskaliert.«648

Heute zählt Österreich zu den letzten Ländern in Europa, in denen das staatliche Sendemonopol aufgehoben wurde.649 Erst 1998 konnten kommerzielle und freie Radiostationen legal im Land senden. Dies wurde mit dem Beschluss des Europäischen Parlaments vom 26. 5. 1989 ermöglicht, das erstmals vorsah, dass »UKW-Frequenzen so zu regeln sind, dass möglichst viele gesellschaftliche Gruppen mit ihren Anliegen zu Wort kommen«650. Es bedurfte jedoch noch mehrerer Anläufe, bis dieses Gesetz tatsächlich in Österreich umgesetzt wurde und nicht nur private Sender zum Zug kamen, sondern auch nichtkommerzielle Radios entkriminalisiert wurden und ihren regelmäßigen Sendebetrieb aufnehmen konnten.651 In Wien ging am 17. August 1998 ORANGE 94.0 on Air, mit dem Ziel und der Vorgabe, ein nichtkommerzielles, antirassistisches, antisexistisches und antifaschistisches Radioprogramm zu machen. Heute verzeichnet der Verband freier Radios in Österreich insgesamt 15 freie Radiostationen, die sich von Vorarlberg bis Wien erstrecken.

Digital, analog oder online? Die meisten der in Österreich betriebenen Sendestationen werden noch immer über UKW empfangen. Bemühungen der Digitalisierung laufen zwar, bisher jedoch mit wenig Erfolg. Die österreichische »Rundfunk und Telekom Regu647 Vgl. Ebd., S. 18f. 648 Annemarie Lammer, ehem. Radiopiratin und Radiomacherin bei ORANGE 94.o, zitiert nach Schallspuren (2013), S. 11. 649 Der ORF betreibt drei nationale und neun regionale Stationen sowie den Auslandsfunk »Radio Österreich« über Kurzwelle. Heute ist der ORF eine Stiftung, »in deren Stiftungsrat 35 Vertreter über die Besetzung der ORF-Spitze, über Gebühren u. ä. entscheiden. Auch wenn aktive PolitikerInnen ausgeschlossen sind, haben doch Regierungen und Parlament in Wien und den Bundesländern hohen Einfluss«, Kleinsteuber, Hans, Radio. Eine Einführung, Wiesbaden VS Verlag für Sozialwissenschaften 2012, S. 174. 650 Brunner-Szabo zitiert nach Schallspuren (2013), S. 11. 651 Zur Geschichte der Freien Radios vgl. Schallspuren (2013).

Digital, analog oder online?

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lierungs-GmbH« (RTR-GmbH) vermeldete im Jahr 2009, dass die digitale Ausstrahlung »praktisch […] unter Ausschluss der Öffentlichkeit«652 verlaufe. Die Sprengung des Mittelwellensenders am Bisamberg im Jahr 2010 hat noch einmal eine breiter geführte Diskussion über das Radio und seine Zukunft im digitalen Zeitalter mit sich gebracht: »TV und Radio: Nur digital?«653 lautete etwa die Frage der Wiener Zeitung über die gescheiterten Digitalisierungsversuche in Deutschland und Österreich. Der ehemalige Generalintendant Teddy Podgorski erinnerte sich in einem Kommentar unter dem Titel »Österreich in der Mittelwelle«654 wehmütig an die gute alte (analoge) Radiozeit und ein Leserbrief kommentierte die Demontage des Bisambergsenders mit dem Ausdruck »tiefer Betroffenheit«655. Die Digitalisierung bleibt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine wenig beliebte Idee, deren Auswirkungen auch mit Ängsten vor dem Verlust alter (Leit-) Medienhoheiten verbunden sind. »Der ORF kann nach der geltenden Rechtslage keine weiteren Rundfunkprogramme veranstalten, DAB+ ist in keinem europäischen Land ein herausragender Erfolg, die Technik hinter DAB+ ist 30 Jahre alt, es gibt 15,5 Millionen UKW-Radiogeräte in Österreich, was den Umstieg schwierig macht, und ein forcierter Technologieumstieg gefährdet die Gattung Radio, fasste Wrabetz die Kernkritik zusammen,[…].«656

»Seit den 80er Jahren gab es große Bemühungen, die terrestrische Radioübertragung zu digitalisieren«657, doch noch sind alle diese Bestrebungen von DAB, RDS oder anderen Digitalsystemen und Digitalisierungsprojekten nicht vollständig umgesetzt, Radio wird aber zunehmend online angeboten und gehört: »Weitgehend im Windschatten einer offiziellen Digitalisierungspolitik wanderte das Radio in das Internet ab.«658 Damit konnte der Sendebereich von Radiostationen ins World Wide Web erweitert werden und auch im Radio sind wir damit mehr denn je in »die Epoche des Raumes« eingetreten. »Wir sind in der Epoche des Simultanen, wir sind in der Epoche der Juxtaposition, in der Epoche des Nahen und des Fernen, des Nebeneinander, des Auseinander.«659 Mit der Entwicklung des Audiostreamings Anfang der 1990er Jahre wurde es möglich, akustische Signale online oder über den Computer zu übertragen. Die 652 653 654 655 656

Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, digitaler-rundfunk.at (Zugriff: 09. 09. 2016). Wiener Zeitung, 12. Februar 2010, S. 20. Der Standard, 27./28. Februar 2010, S. 35. Ebd. »ORF zeigt wenig Interesse am Ausbau von Digitalradio in Österreich«, in: Der Standard, 16. März 2016, S. 31. 657 Kleinsteuber (2012), S. 93. 658 Ebd., S. 101. 659 Foucault (1990), S. 34.

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(Neue) Radioräume

Zahl der über Internet empfangbaren Radioprogramme hat sich seither ständig vergrößert. Eine erste Studie zu diesem Phänomen liefern Martine van Selm, Nicholas W. Jankowski und Bibi Kleijn in ihrer Auseinandersetzung mit dem Niederländischen Webradio »Buzz«660. Internetradios (oder Webradios, wie sie auch genannt werden), unterteilen sie darin in drei Kategorien: Konventionelle Radiostationen, die ihr Programm zusätzlich über das Internet anbieten sowie zusätzlich zu ihren Programmen auch Dienste wie Chatfunktionen, OnlineArchive oder Zusatzinfos anbieten. Zweitens Online-Musikprogramme, die als elektronische »Jukebox« fungieren661 und als dritte Kategorie speziell fürs Internet kreierte Radioprogramme, die meist von Einzelpersonen gegründet werden. Obwohl sich die Zahl weltweit auf Zehntausende belaufen dürfte, ist die Vielfalt der Radioangebote dennoch begrenzt, beschränken sich die meisten der Webradio-Angebote doch auf Musik mit wenig bis keinem Wortanteil. Webradios sind zwar frei zugänglich, die HörerInnen sind jedoch keine anonyme Masse, sondern werden anhand von Klickzahlen und Zugriffsdaten sicht- beziehungsweise messbar ; außerdem bieten viele der im Internet angebotenen Radioprogramme die Möglichkeit einer HörerInnenregistrierung, die das radiogenuine Prinzip einer anonymen »one to many«-Kommunikation außer Kraft zu setzen scheint. Bisher fehlt eine einheitliche Definition der neu entstandenen Internet- oder Webradios ebenso wie weitere ausführliche Untersuchungen dieses neuen Radiophänomens. Hans Jürgen Krug schätzte 2010 die Anzahl der »herkömmliche Radiodefinitionen sprengende« Internetradios auf »mehr als 10000 und über 50000«.662 In Österreich sind die 282 Radiostationen, die von der Internetradiosuchmaschine »www.radio.at« unter dem Schlagwort »Österreich« zu finden sind,663 ebenfalls in die weiter oben beschriebenen drei Kategorien von Internetradios unterteilbar. Hinzu kommen noch lokale Fußballstadionsender der Bundesliga, die ebenfalls online abrufbar sind und nur während eines Fußballspiels Sendungen übertragen. »In the main Internet-only stations tend to target niche audiences of like minded listerners who share the same interest. Because of their size and the enthusiasm of their producers, these specialist stations may be providing genuinely innovative content and are also more authentically interactive than commercially based web radios.«664

660 van Selm, Martine; Jankowski, Nicholas W.; Kleijn, Bibi, Dutch Web Radio as a Medium for Audience Interaction, 2002, www.ibrarian.net (Zugriff 20. 04. 2016). 661 Vgl. ebd. 662 Krug, Hans-Jürgen, Radio, Konstanz: UVK 2010, S. 7. 663 Zugriffsdaten vom 21. April 2016, www.radio.at. 664 Chignell (2009), S. 130.

Digital, analog oder online?

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Webradios bieten viele interaktive Features wie die Möglichkeit eines LoginBereichs für Fans des Senders, die Zugang zum Archiv und zu Chatfunktionen offerieren. Fast alle Webradioprogramme zeigen auf ihrer Website die aktuelle Anzahl der HörerInnen, teilweise auch Fotos ihrer Fans und deren Kommentare. Viele der Radiostationen möchten lokale Musikgruppen oder die eigenen Musikkompositionen veröffentlichen. Das Kreieren einer Webradiostation ist simpel. Mittels spezieller Software kann ein eigenes Radioprogramm gestaltet werden. Die Website »Internetradio.com« etwa bietet die Möglichkeit, lizenzierte und unlizenzierte Webradioprogramme kostenpflichtig zu starten. Dazu sind neben monetären Mitteln lediglich eine Registrierung und ein Sendername notwendig.665 Einen zusätzlichen Raum fürs Radio hat auch die Podcasting-Technologie um die Jahrtausendwende geschaffen: Obwohl nicht radiogenuin entwickelt,666 wird sie mittlerweile vielfältig von Rundfunksendern eingesetzt, um Sendereihen und einzelne Sendungen orts- und zeitunabhängig anzubieten. Ein Streitpunkt in der Podcasting-Forschung ist die Frage, ob derartige digitale Technologien das Radio zerstören oder beleben können. »Does the iPod signal the end of music radio, or as Richard Berry puts it, ›will the iPod kill the radio star‹ (Berry, 2006) Alternatively does MP3 technology offer the potential for a new form of broadcasting, in other words for ›podcasting‹. Which may help radio to reach new audiences?«667

665 Die Online-Radioplattform www.radio.at schreibt dazu: »Ein Webradio zu betreiben, das kann erst einmal jeder. Allerdings werden dafür natürlich ein paar Dinge benötigt. Neben einer stabilen Internetverbindung, benötigt jedes Webradio einen Stream. Dieser sorgt dafür, dass der Sender immer und überall empfangen werden kann und somit die Reichweite des Senders erhöht. Anbieter solcher Streams bzw. der Server sind beispielsweise Streamplus, Shoutcast oder Streamserver24. Der komplizierte Teil liegt darin, dass man nicht ohne Weiteres jede Musik veröffentlichen, also abspielen darf. Dafür werden die erforderlichen Rechte benötigt. Diese kann man bei der GEMA erwerben. Wie teuer dies für den Senderbetreiber ist, hängt damit zusammen, wie viele Hörer der Sender erreicht. Möchte man noch einen Schritt weiter gehen, auch selber tätig werden und zum Beispiel Livesendungen schalten, werden noch weitere Dinge benötigt. Dazu gehören unter anderem ein Mischpult, Mikrofone und ein Aufnahmegerät. Die richtige Technik ist also wichtig. Um mit dem ersten eigenen Webradio live zu gehen, ist dies aber nicht zwingend nötig.« (Zugriff: 12. 12. 2016) 666 Vgl. ebd., S. 40. 667 Ebd., S. 41f.

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(Neue) Radioräume

Neue Räume des Radios Im digitalen Zeitalter kann alles verfügbare Audiomaterial zu einem eigenen Programm zusammengestellt werden, das kollektive Dabeisein wird gegen die Kreation von »intimate, manageabel and aestheticised spaces«668 getauscht. Die Ko-Präsenz, die zwischen Sender und Empfänger beim Radiohören entsteht und »Radiomacher und –hörer in der Zeit verbindet und im Raum trennt«669, scheint nicht mehr evident zu sein. Streaming-Programme machen es möglich, Radio sowohl live670 als auch zeitversetzt zu hören und zu sehen. So ermöglichen etwa Visual Radio-Konzepte, wie sie auch vom ORF forciert werden,671 die Interaktion zwischen Publikum und Sendestation. Mittels Kameras gibt das »Radio zum Sehen« einen Einblick ins Radiostudio. Leiten diese Entwicklungen das Ende des die »Massen suchenden Mediums«672 ein oder formiert sich hier eine neue Öffentlichkeit, die Radio in ihren Informations- und Unterhaltungskonsum – multimedial – einbezieht? Die Formierung von Radioöffentlichkeiten war von Beginn des Rundfunks an ein »besonders umkämpftes Feld«673 quer durch alle Parteien und Ideologien. Die Formen der Radionutzung widersetzten sich jedoch immer schon einer klar definierten Zuordnung und hatten einen stark ausgeprägten autonomen Charakter. Kontrollmöglichkeiten blieben trotz aller Bemühungen beschränkt: Radiohören galt und gilt als ein zerstreutes Vergnügen, die Möglichkeiten des Nebenbeihörens und Weghörens waren dem Medium von Beginn an eingeschrieben. Dass die Versuche, eine domestizierte und disziplinierte Radioöffentlichkeit zu formieren, wenig erfolgreich waren, hat auch Kate Lacey in ihrer Auseinandersetzung um die Konstruktion von Öffentlichkeit im frühen Rundfunkdiskurs herausgearbeitet. Sie bezieht sich in ihrer Untersuchung auf den von Oskar Negt und Alexander Kluge geprägten Begriff der »Gegenöffentlichkeit«, der sich in

668 Ebd., S. 42. 669 zitiert nach Schopp (2014), S. 115. 670 Lorenz Engell beschreibt anhand des Fernsehens das »Prinzip live« als Gleichzeitigkeit der Betrachtung mit dem betrachteten Vorgang, vgl. Engell, Lorenz, »Tasten, Wählen, Denken. Genese und Funktion einer philosophischen Apparatur«, in: Medienphilosophie. Beiträge zur Klärung eines Begriffs, hg. v. Stefan Münker, Alexander Roesler, Mike Sandbothe, Frankfurt am Main: Fischer 2003, S. 53–77, S. 65. 671 Vgl. Berichterstattung zur Neubestellung Alexander Wrabetz 2016, »Ö3 unter Druck: Das planen Wrabetz und Grasl im Radio-Bereich«, http://www.horizont.at/home/news/detail/ oe3-unter-druck-das-planen-wrabetz-und-grasl-im-radio-bereich.html (Zugriff: 10. 11. 2016). 672 Vgl. Hagelüken (2010), S. 317. 673 Lacey (2005), S. 195.

Neue Räume des Radios

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Abgrenzung und Erweiterung zu Habermas’ Definition einer (bürgerlichen) Öffentlichkeit einordnet: »In allen seinen Formen hat das Radio entschieden zur Neustrukturierung von individueller Empfindung und sozialer Realität beigetragen und somit auch den sozialen Horizont der Erfahrung neu organisiert. Es hat dabei etwas erzeugt, was man die spezifische ›Radioöffentlichkeit‹ nennen könnte. Der Rundfunk ist also zu einem Gebiet geworden, das neue Erfahrungen möglich machte, […]. Der Begriff der Gegenöffentlichkeit bezieht sich hingegen auf Fälle, an denen eine alternative Organisation der Erfahrung wahrgenommen werden kann, entweder im Blick auf flüchtige historische Momente oder durch die Identifikation von hegemonialen diskursiven Strategien, die versuchen, das Aufkommen von Gegenöffentlichkeiten zu unterdrücken.«674

Laceys Argumentation weiter folgend, ist die Unterscheidung zwischen aktivem und passivem Radiopublikum nicht zielführend, sondern tradiert vorherrschende und vor allem geschlechtsstereotype Vorstellungen. Vielmehr bildet sich mit dem Radio eine Praktik des Hörens heraus, die selbstbestimmt und aktiv erfolgen kann, auch ohne selbst am Produktionsprozess teilzunehmen. »Es handelt sich daher um die Frage, ob diese vorherrschende Auffassung von einer binären Opposition zwischen dem aktiven und dem passiven Publikum uns für die Möglichkeit alternativer Öffentlichkeiten blind gemacht hat, für Öffentlichkeiten also, die nicht unbedingt entstanden sind, um ein Publikum in die Produktion einer Sendung einzubeziehen.«675

Dabei sind die Ängste, die jede Form des autonomen und bis ins Internetzeitalter hinein anonymen Radiogebrauchs begleiteten vielfältig in die Radiogeschichte eingeschrieben.676 Regeln des richtigen Radiogebrauchs, Disziplinierungs- und Kontrollversuche wie etwa die parteienübergreifenden Initiativen zum Gemeinschaftsempfang und zu Hörstuben, der Radioprojektionsapparat oder die in Zeitschriften lancierten Regeln des richtigen Hörens geben Auskunft über derlei Bestrebungen. Nichtsdestotrotz ist die Geschichte des Radios voll von alternativen Öffentlichkeiten, von Radiowildlingen, Radiomädeln und RadiopiratInnen, die sich den hegemonialen Ideen des Radiohörens entgegensetzen. Brechts Forderung, den Rundfunk von einem Distributions- zu einem Kommunikationsraum umzugestalten, bleibt die gesamte Geschichte des Radios entlang ein unerfüllbares Paradigma des idealen Rundfunks. Sie wurde nicht nur von politischen Initiativen, wie etwa freien Radioinitiativen, sondern auch von der Kunst gefordert. RadiokünstlerInnen versuchen, mittels technischer Verfahren nach Möglichkeiten, die Grenzen zwischen Sende- und Empfangsräumen 674 Ebd., S. 199. 675 Ebd., S. 197. 676 »Die Massen des Massenmediums Hörfunk waren anonym und in ihrem Verhalten autonom« schreibt Krug in seinem Buch »Radio«, Krug (2010), S. 95.

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(Neue) Radioräume

zu überwinden. Max Neuhaus hat mit seinen frühen Audioprojekten das Radio als installativen Hörraum auf die Straße verlegt.677 Generative Radioprojekte, wie sie ebenfalls von Max Neuhaus erprobt wurden, verwenden die Eigenklanglichkeit der Radiowellen als Ausgangmaterial. Auch das Kunstradioprojekt »Horizontal«, das Telefonsignale der HörerInnen zu einem enthierarchisierten Radioraum organisiert, lädt zur Partizipation und Mitgestaltung ein678, wodurch auch digitale Hörräume als Radiokunst-Orte und als kollektive Gestaltungsräume genutzt werden.679 »Horizontal Radio versuchte, das Radio als Inhalt neuerer Medien zu nutzen. Die verschiedenen aus Horizontal Radio hervorgegangenen Projekte experimentieren aber auch mit ästhetischen Formen, die von den gewohnten Strukturen der Radiovermittlung abweichen, und mit den ihnen zugrunde liegenden Produktions-, Distributionsund Interaktionsmethoden.«680

Für Wolfgang Hagen ist Brechts These vom Kommunikationsraum Radio im digitalen Zeitalter fast einlösbar, er verweist dabei auf die Möglichkeiten einer crossmedialen, eigenständigen Nutzung von Audioangeboten, die das Radio zu einem Medium machen, das auf alle Sinne wirkt: »Das Radio als mediale Veranstaltung wird also nicht grosso modo weniger genutzt als früher, aber – und auch da sind sich alle Forscher ziemlich einig – die Art und Weise, wie es genutzt wird, ändert sich grundlegend. Der jüngere Teil der Bevölkerung, also die 10 bis 40 Jährigen, [sind] hier wieder die Vorreiter der Entwicklung, denn sie nutzen das Radio zunehmend crossmedial. Crossmedial heißt ganz konkret: Sie haben Apps auf ihren Smartphones dabei, wenn sie Radio hören, sie klicken auf die Facebook Seiten ihrer Lieblingssender und Lieblingsbands, sie interagieren also mit den Programmmachern, sie kommentieren Musikstücke und Moderatorensprüche mit ihren Like-Buttons und können damit auf allen Kanälen immer noch intensiver das tun, was HörerInnen und Hörer beim Radio von den 1930er Jahren an am liebsten taten, nämlich sich Musikstücke wünschen. Man könnte fast meinen, Brechts Radiotheorie von 1927 sei hier Wirklichkeit geworden.«681 677 Vgl. das Kapitel »Unerhörte Geräusche und unaufhörliche Geräuschkulisse. Radio und Musik«. 678 Grundmann, Heidi, Zu Horizontal Radio, http://kunstradio.at/HORRAD/zuhorrad.html (Zugriff: 10. 09. 2016). Kunstradio – Radiokunst wurde 1987 von Heidi Grundmann gegründet. 679 Zur Bedeutung des Raumes in digitalen Audioprojekten siehe: Breitsameter, Sabine, »Audio-HyperSpace. Akustische Kunst im Internet und Datenräumen«, in: Kiefer (2010), S. 305–314. 680 Bleicher, Joan, »Zur Rolle von Musik, Ton und Sound im Internet«, in: Sound. Zur Technologie und Ästhetik des Akustischen in den Medien, hg. v. Harro Segeberg und Frank Schätzlein, Marburg: Schüren 2005, S. 366–380, S. 378. 681 Hagen, Wolfgang, »Das Radio – Arche Noah im multimedialen Netz«, Vortrag (2013), http:// www.whagen.de/vortraege/2013/20130307AkademieRadio/AkademieRadio.pdf (Zugriff: 10. 11. 2016).

»Der Radioflaneur«

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Die Radionutzung wird ebenfalls (erneut) mobil. »Seit den 1960er Jahren machten technische Neuerungen wie Koffer- oder Transistorradio, Autoradio oder das Handygerät Radiohören auch außerhalb der Wohnung möglich«682 ; bereits davor war der Radioapparat als Freiluftattraktion im Zug, im Boot oder im Park genutzt worden.683 Akustische Signale sind gegenüber visuellen Zeichen im Vorteil, Hören und Gehen, Hören und Laufen etc. schränken den Nutzer bzw. die Nutzerin weniger ein als Schrift- bzw. Bildmedien wie Buch, Fernseher oder Tablet es tun. Im Zeitalter des Supermediums Computer kommt die von Hagen beschriebene crossmediale Nutzungsmöglichkeit hinzu, die ebenfalls früh in der Radiogeschichte erprobt wurde und das Radio nicht auf eine auditive Dimension einschränkt.684

»Der Radioflaneur« Die Zukunft des Radios liegt weiterhin im bzw. in der »zerstreuten«, d. h. nach Zerstreuung suchendem/suchenden HörerIn, der/die sich sein/ihr eigenes Radioprogramm auswählt und selbst zusammenstellt. »Jeder Mensch ist sein Radio«685, das macht nicht erst seit heute »die Radiorealitäten vielfältig und heterogen«686. Was Radio ist, kann nicht auf »die technische Dimension der Verbreitung von Akustischem«687 beschränkt werden – neue Möglichkeiten der Übertragung erweitern die Dimension des Radiophonen. Sende- und Empfangsräume können zu einem computerunterstützten Radioraum verschmelzen, der on Air und online genutzt wird. Audiostreaming-Programme bringen sowohl konventionelle Rundfunkprogramme als auch Internetradioanbieter in einem virtuellen Gesamtraum zusammen. Online-Archive machen Radioangebote zeit- und ortsunabhängig. Die Heterogenität der Übertragungs-, Empfangs- und Produktionswege macht die Frage, was das Radio sein kann, zu einem kontingenten und unabschließbaren Prozess. Radio gestaltet weiterhin Räume des Akustischen und Radio will weiterhin gehört werden. Die Leidenschaft fürs Radio688 ist heute dank seiner vielfältigen 682 Krug (2010), S. 97. 683 Vgl. das Kapitel »Vom Medium der Attraktionen zum Massenmedium. Der Beginn des Rundspruchs in Österreich«. 684 Hagen (2013). 685 Frei nach Beuys zitiert nach Hagelüken (2010), S. 318. 686 Vgl. Krug (2010), S. 7. 687 Chignell (2009), S. 2. 688 Über das Pathetische des Radiohörens, vgl. Hagen, Wolfgang, »Nur So Als Ob und Neben Her. Über den Pathosakt des Radiohörens und seine Kunstwürdigkeit«, in: Relating Radio. Communities, Aesthetics, Access. Beiträge zur Zukunft des Radios, hg. v. Golo Föllmer und Sven Thiermann, Leipzig: Spector books 2008, S. 110–123.

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(Neue) Radioräume

Rezeptionsmöglichkeiten und seiner ständig in Erweiterung begriffenen Sendeund Empfangsräume ungebrochen. Radiohören bleibt ein Ereignis im Hier und Jetzt – ob gespeichert, gestreamt oder live gehört. »Das Radio, das heute zu uns kommt, muss man suchen. Das Radio, das zu allen kam, wird jetzt von jedermann gemäß seinen oder ihren Vorlieben arrangiert. Auch wenn ein Teil der Magie dahin ist, manifestiert sie sich doch auf andere Weise in der Vielfalt der gleichzeitig zur Verfügung stehenden Optionen. Bleiben sie dran.«689

Das Radiohören von heute kann mit dem Flanieren durch die Straßen der Jahrhundertwende verglichen werden: Der/die FlaneurIn durchstreift die Stadt und setzt sich dem Strom der Masse aus, nimmt dabei aber eine distanzierte Haltung ein. Der Flaneur, wie ihn Baudelaire beschrieb und ihn Benjamin für die Auseinandersetzung mit modernen Rezeptionsweisen aufgriff, geht also nicht vollständig in der Masse auf, sondern behält sich eine eigenständige Form der Wahrnehmung vor.690 Ebenso können wir uns die RadiohörerInnen des digitalen Zeitalters als RadioflaneurInnen vorstellen, die (virtuelle) Räume auf der Suche nach altbekannten und neu entdeckten Tonspuren durchstreifen.

689 Frost, Everett C., »Radio Nachklang. Was war das Radio?«, in: Sounds. Radio – Kunst – Neue Musik, hg. v. Mariu Babias und Katrin Klingan, Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2010, S. 35–50, S. 50. 690 Vgl. Ehardt (2014), S. 153.

7.

Conclusio

Technische, politische und ästhetische Diskurse schreiben sich ins Radio ein und verändern es beständig. Form und Gebrauch des Radios folgen dabei keineswegs selbstverständlich der Logik einer linearen Entwicklung. Phänomene, wie das Telephonradio der Jahrhundertwende oder der Radio-Projektionsapparat der 1920er Jahre können als eigenständige Versuche gewertet werden, ein Artefakt zu konstituieren das bestimmten Anforderungen entsprechen sollte. Die Frage, welche Möglichkeiten sich durchsetzen und welche scheitern, erklärt sich nicht durch eine retrospektiv konstruierte Erfolgsgeschichte, sondern vielmehr spiegeln sich darin hegemoniale Bestrebungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wider. In dieser Untersuchung konnten einige diskursive Veränderungsprozesse der Radioentwicklung exemplarisch aufgezeigt werden: – Ausgangspunkt der Untersuchung waren die internationalen Ausstellungen und Messeschauen der Jahrhundertwende, dort wurden technische Erfindungen in Form neuartiger und vielversprechender Apparate präsentiert. Das verstärkte Bedürfnis weiter Bevölkerungskreise nach Unterhaltung und Zerstreuung brachte eine scheinbar unbeschränkte Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten dieser Apparate hervor, die noch keine festgeschriebenen Gebrauchsweisen kannten. Sprechmaschinen, Telegraphie und Telefonie nahmen die Dispositive des Radios vorweg. Eine Vielzahl an internationalen Firmen und WissenschafterInnen konkurrierte um die Erforschung und Etablierung dieser neuen Informations- und Unterhaltungsmedien. – Mit der Etablierung und Institutionalisierung des Rundspruchs nach dem Ersten Weltkrieg bildeten sich in Europa nationale Rundfunkanstalten heraus, die stark von den Interessen der Politik und Wirtschaft geprägt waren. Mit der Gründung der Radioverkehrsaktiengesellschaft von 1924 in Österreich und den Bestrebungen der Elektroindustrie, die technische Errungenschaften rasch ökonomisch verwerten wollte, wurde ein Regulations- und Ausdifferenzierungsprozess in Gang gesetzt. Das Radio verändert sich rasch vom Attraktionsmedium, dessen Unterhaltungs- und Zerstreuungswert vor

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Conclusio

allem im Wie gehört wurde und weniger im Was gehört wurde lag, hin zum Massenmedium. Im Zuge dessen wurde das Radio sowohl auf inhaltlicher wie auf apparativer Ebene vereinheitlicht, verbessert, aber auch eingeschränkt und auf seine akustische Dimension reduziert. – Faschistische Radiokonzepte konzentrierten sich auf eine Überformung des Radioapparates zum Tabernakel der Macht. Darin eingeschrieben finden sich sowohl im Austrofaschismus als auch im Nationalsozialismus Radiokonzepte, die vom Bemühen um regimekonformes Verhalten geprägt sind. Trotz der schwierigen Forschungslage konnte anhand einzelner Sendungsmanuskripte und Korrespondenzen das Bemühen der Wiener Reichssendeleitung um eine herausragende Sichtbarkeit innerhalb des nationalsozialistischen Rundfunks festgemacht werden. – In den Nachkriegsjahren lähmt das Bestreben um Rundfunkeinheit und Rundfunkfreiheit innovative Radiokonzepte. Personell und inhaltlich wird an die Zeit vor 1938 angeknüpft. Die Rundfunkreformen konzentrierten sich auf die Wiedereinführung der Sendestruktur der alten RAVAG. Dies führte während der Besatzungszeit zu einer verschärften Konkurrenzsituation vor allem zwischen Radio Wien und Radio Rot-Weiß-Rot, die weniger vom Erstarken des Kalten Krieges geprägt war, als vielmehr vom Bestreben der österreichischen Regierung und der RAVAG-Verantwortlichen nach einer raschen Wiederherstellung eines zentral geführten Rundfunks. Die Diskussionen um den Radiowildling, als Symbol einer unkontrollierbaren Radionutzung, machen diese Konflikte evident. Für österreichische LiteratInnen bedeutete diese Entwicklung hin zum Österreichischen Rundfunk eine Reduktion ihrer Wirkungsmöglichkeiten. Zahlreiche SchriftstellerInnen fanden im deutschsprachigen Ausland eine vielfältigere Hörspiellandschaft vor. – Mit der Digitalisierung des Radios werden neue Hörräume geschaffen. Sowohl auf der Produktions- als auch auf der Rezeptionsseite führt dies zu einer Neubewertung des Radios und ein Infrage stellen bisheriger Rundfunkstrukturen. Intermediale Verfahren und multimediale Nutzungsmöglichkeiten prägen das Radio am Beginn des 21. Jahrhunderts. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung gerät der Rundfunk weiter in Bedrängnis. Radiogenuine Formen bleiben allerdings weiterhin von Bedeutung und fügen sich in digitale Audioangebote ein. Im Radio als Medium der Resonanz schwingen soziale, politische, technische und ästhetische Fragen mit. Anhand einzelner Elemente des Radios wurden kulturwissenschaftliche und medientheoretische Fragestellungen über alle Zeitabschnitte hinweg erläutert. Dabei zeigte sich, dass viele Konzepte zur Radiogestaltung bereits in den 1920er Jahren erprobt wurden und ab den 1960er Jahren vermehrt wieder aufgegriffen wurden. Neues Hörspiel und Radiokunst

Conclusio

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entwickelten sich parallel zu künstlerischen Avantgarden und als medienkritischer Kommentar an den Massenmedien. Geräusch, Stimme, Stille und Musik prägen das Radio und verweisen gleichzeitig auf seine Materialität und Resonanzgebundenheit.

8.

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Audioaufnahmen, Hörspiele und Radiofeature Aichinger, Ilse, Knöpfe, (Regie: Otto Kurth), SDR/NWDR 1953 Aichinger, Ilse, Knöpfe, (Regie: Fritz Schröder-Jahn), NDR 1962 Aichinger, Ilse, Knöpfe, (Regie: Joseph Scheidegger), DRS 1974 Aichinger, Ilse, Knöpfe, (Regie: Peter Groeger), DDR 1989 Amann, Klaus, Vor dem Hörspiel war das Tongemälde. Rezitationen, Melodramen und Hörbilder der Schallplattenindustrie von 1890–1930, Radiofeature SDR 1982 Bachmann, Ingeborg, Der gute Gott von Manhatten, (Regie: Fritz Schröder-Jahn), BR/ NDR 1958

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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3:

Radiohören im Zug, Neuigkeitsweltblatt, 29. 08. 1926, S. 1 Radiohören im Grünen, Neuigkeitsweltblatt, 09. 05. 1926, S. 1 Karikatur, Radiowelt, Nr. 15, 1925, S. 3

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 4: Abbildung 5:

Werbeplakat Radioskop, Radio Wien, Nr. 18, 1927, S. 913 Werbeplakat Hornyphon, Radio Wien, Nr. 1, 1934, S. 72

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