"Religio licita?": ROM Und Die Juden 9783110406559, 3110406551

Der Band thematisiert die Frage, inwieweit die Bezeichnung Religio licita für das Judentum zulässig ist, und welche Rele

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German Pages 240 [238] Year 2016

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"Religio licita?": ROM Und Die Juden
 9783110406559, 3110406551

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Religio licita – Rom und die Juden
Rom und die Juden – ein Kategorienfehler?. Zur römischen Sicht auf die Iudaei in später Republik und frühem Prinzipat
Der rechtliche Status der Juden im römischen Reich. Tradition und Wandel in der römischen Judengesetzgebung vom 2. Jahrhundert v.u.Z. bis zum 6. Jahrhundert u.Z. Mit einem Exkurs zur These von Doron Mendels und Arye Edrei über „Zweierlei Diaspora“
Vertragen sich Sonne und Mond?. Überlegungen zum Kalender als politisches Instrumentarium bei Römern und Juden
The Myth of Cicero’s Anti-Judaism
„Kein Stein auf dem anderen“ (Mk 13, 2). Josephus, der Tempel und das historiographische Konzept
Nach der Tempelzerstörung. Die gens Flavia und die Juden
The Fiscus Iudaicus. A Hypothetical Scholarly Construct
Wie zuverlässig ist Euseb, Kirchengeschichte IV, 1–6?
Die Teilnahme von Juden am politischadministrativem Leben der Selbstverwaltungsgemeinden im Westen des römischen Reiches und der Konstantinische Erlass von 321 für die CCAA (= Köln)
Register (Auswahl)
Stellenregister
a) Bibel (jüdisch und christlich, einschließlich Apokryphen)
b) Griechische und lateinische Schriftsteller
c) Rabbinische Schriften
d) Inschriften
e) Corpus Iuris Civilis
Namenregister

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›Religio licita?‹

Studia Judaica

Forschungen zur Wissenschaft des Judentums Begründet von Ernst Ludwig Ehrlich Herausgegeben von Günter Stemberger, Charlotte Fonrobert und Alexander Samely

Band 84

›Religio licita?‹

Rom und die Juden Herausgegeben von Görge K. Hasselhoff und Meret Strothmann

ISBN 978-3-11-040655-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-041005-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-041013-6 ISSN 0585-5306 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Der vorliegende Sammelband geht zurück auf zwei Konferenzen, die im Oktober 2012 bzw. im Juli 2013 im Bochumer Käte-Hamburger-Kolleg „Dynamiken der Religionsgeschichte zwischen Asien und Europa“ stattfanden.¹ Ging es im ersten Workshop um die These von Doron Mendels und Arje Edrei, dass die sprachliche Differenzierung der Sprachräume in Ost und West die Separierung und Etablierung von Judentum und Christentum als eigene Identitäten zur Folge hat,² wurde im zweiten Workshop die Fragestellung um einen neuen Aspekt erweitert: In der römischen Antike wurden die Anhänger einer jüdischen Lebensweise zwar von römischer Seite einerseits mit Privilegien ausgestattet, andererseits aber standen die Juden häufig unter einem Vorbehalt, wie sich aus den von Menahem Stern gesammelten griechischen und lateinischen antijüdischen Schriften ablesen lässt.³ Insbesondere sei hier auf die Bedeutung der Rechtstexte für die Wahrnehmung von Juden verwiesen, mittels derer ihr Status zwar nicht generell eingeschränkt wird, sich aber auch signifikante Ausnahmen finden lassen. Von hier ausgehend wurde nun weiter gefragt, wie einerseits die römische Sicht auf die Juden war und wie andererseits Veränderungen innerhalb des Judentums durch den Einfluss Roms bemerkbar wurden. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage nach einer Füllung von Begriffen wie religio oder superstitio und der in der Sekundärliteratur häufig begegnenden Behauptung, dass das Judentum den Status einer religio licita besaß. So ist fraglich, inwieweit die Bezeichnung für das Judentum zulässig ist, und welche Relevanz sie für die Beschreibung des Verhältnisses von Römischem Staat zum Judentum hatte. Dies betrifft nicht allein das Judentum, sondern auch die Frage nach den Differenzierungsprozessen von Juden- und Christentum, auch, weil der Begriff selbst nur von christlichen Schriftstellern ab der Wende zum 3. Jahrhundert verwendet wird.

 Vgl. auch unsere Konferenzberichte „The Debate between Jews and Christians until the Age of Theodosius. The Process of Differentiation from nd to the th Centuries CE Reconsidered“, . .  – . . , Bochum, in: H-Soz-u-Kult, . . , bzw. „Religio licita? Rom und die Juden von Pompeius bis Konstantin“, in: H-Soz-u-Kult, . . , .  Vgl. Doron Mendels / Arye Edrei, Zweierlei Diaspora. Zur Spaltung der antiken jüdischen Welt; Aus dem Englischen von Michael Dewey, Göttingen,  (Toledot, ).  Menahem Stern (ed.), Greek and Latin Authors on Jews and Judaism,  Bde., Jerusalem  – .

VI

Vorwort

Nicht alle Referentinnen und Referenten wollten oder konnten ihre Beiträge für diesen Band zur Verfügung stellen; wir hoffen jedoch, dass die vorliegende Auswahl einen Eindruck der lebhaften Diskussionen vermittelt.⁴ Eine Publikation wäre nicht möglich gewesen ohne das großzügige Entgegenkommen von verschiedenen Seiten. Insbesondere sei hier dem Bochumer KäteHamburger-Kolleg „Dynamiken der Religionsgeschichte zwischen Asien und Europa“ und seinem Sprecher Volkhard Krech gedankt, das beide Konferenzen finanzierte und beherbergte. Dank geht sodann an den Verlag De Gruyter – insbesondere Sophie Wagenhofer für die editorische Begleitung – und die Herausgeber der Reihe „Studia Judaica“, die von Anfang an großes Interesse an dem Band zeigten und geduldig auf die Fertigstellung des Manuskripts gewartet haben. Görge K. Hasselhoff – Meret Strothmann Bellaterra (Bcn) und Bochum, im April 2016

 Die in diesem Band verwendeten Abkürzungen antiker Autoren und Inschriften folgen in der Regel denen des Neuen Pauly; biblische Texte werden nach der Theologischen Real-Enzyklopädie abgekürzt.

Inhalt Vorwort

V

Religio licita – Rom und die Juden 1 Görge K. Hasselhoff – Meret Strothmann Rom und die Juden – ein Kategorienfehler? Zur römischen Sicht auf die Iudaei in später Republik und frühem 13 Prinzipat Benedikt Eckhardt Der rechtliche Status der Juden im römischen Reich Tradition und Wandel in der römischen Judengesetzgebung vom 2. Jahrhundert v.u.Z. bis zum 6. Jahrhundert u.Z. Mit einem Exkurs zur These von Doron Mendels und Arye Edrei über 55 „Zweierlei Diaspora“ Karl Leo Noethlichs Vertragen sich Sonne und Mond? Überlegungen zum Kalender als politisches Instrumentarium bei Römern und Juden 85 Meret Strothmann The Myth of Cicero’s Anti-Judaism Miriam Ben Zeev

105

„Kein Stein auf dem anderen“ (Mk 13, 2) Josephus, der Tempel und das historiographische Konzept Ernst Baltrusch Nach der Tempelzerstörung Die gens Flavia und die Juden Christopher Weikert The Fiscus Iudaicus A Hypothetical Scholarly Construct Sven Günther

159

175

135

VIII

Inhalt

Wie zuverlässig ist Euseb, Kirchengeschichte IV, 1 – 6? Görge K. Hasselhoff

191

Die Teilnahme von Juden am politisch-administrativem Leben der Selbstverwaltungsgemeinden im Westen des römischen Reiches und der 203 Konstantinische Erlass von 321 für die CCAA (= Köln) Werner Eck Register (Auswahl)

223

Stellenregister 223 a) Bibel (jüdisch und christlich, einschließlich Apokryphen) b) Griechische und lateinische Schriftsteller 223 225 c) Rabbinische Schriften d) Inschriften 225 e) Corpus Iuris Civilis 226 Namenregister

227

223

Religio licita – Rom und die Juden Görge K. Hasselhoff (Dortmund) – Meret Strothmann (Bochum)

I Der Titel dieses Sammelbands vereint drei Größen, die als bekannt vorausgesetzt waren, von denen zwei jedoch in jüngerer Zeit in Frage gestellt wurden, wodurch zugleich auch die Beziehung aller zueinander ins Wanken geriet. Am unstrittigsten ist dabei die antik-mediterrane Ordnungsmacht Rom, deren rasanter Wandel von einer Provinzmacht zur politisch-militärisch-kulturellen Leitkultur nicht in Frage steht.¹ Anders steht es dagegen sowohl um den pseudo-juristischen Terminus „religio licita“ als auch darum, was mit „Juden“ im primären Untersuchungszeitraum dieses Bandes (100 v.u.Z. – 400 u.Z.) gemeint sein könnte – handelt es sich um einen ethnischen Begriff (Einwohner des Landstrichs Juda bzw. deren Angehörige, die im gesamten Römischen Reich zu finden waren) oder um einen religiösen? Es hat den Anschein, dass es sich eher um eine ethnische Größe handelt, die sich im Laufe des 2. Jahrhunderts u.Z. zu einer religiösen transformiert hat bzw. zu einer solchen transformiert wurde.² Zu dieser Schwierigkeit gehört, dass aufgrund einer lange fehlenden Bild- bzw. Symbolsprache das Judentum in seiner Umwelt nach außen hin kaum wahrnehmbar war.³ Als eine religiöse Beschreibungskategorie galt lange, dass das Judentum im Römischen Reich religio licita war. Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern dieser Ausdruck den Sachverhalt trifft. Von der Beantwortung eines derart aufgeworfenen Fragehorizonts hängt jedoch die Bewertung der Darstellung in der Sekundärliteratur ab.

 Zu Rom als imperialer Macht vgl. Carlos F. Noreña, Imperial Ideals in the Roman West. Representation, Circulation, Power, Cambridge .  Verwiesen sei nur auf die jüngere Diskussion, die aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Argumenten von Shaye J. D. Cohen, The Beginnings of Jewishness. Boundaries, Varieties, Uncertainties, Berkeley u. a.  (mehrere Nachdrucke); Daniel Boyarin, „Justin Martyr invents Judaism“, in: Church History. Studies in Christianity and Culture  (),  – ; ders., BorderLines. The Partition of Judaeo-Christianity, Philadelphia ; und Seth Schwartz, Were the Jews a Mediterranean Society? Reciprocity and Solidarity in Ancient Judaism, Princeton, N.J. , angestoßen wurde.  Vgl. den gehaltvollen Katalogband Raphael Gross u. a. (Hgg.), Im Licht der Menora. Jüdisches Leben in der römischen Provinz, Frankfurt/M.; New York , mit seinen sich z.T. widersprechenden Darstellungen! DOI 10.1515/9783110410051-001

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Görge K. Hasselhoff – Meret Strothmann

Das betrifft zum einen die Frage nach dem rechtlichen Status von Juden überhaupt. Grundlegend hat hierzu Karl Leo Noethlichs gearbeitet: Seine fundierte und einschlägige Studie zum Judentum im römischen Staat aus dem Jahr 1996 basiert vornehmlich auf der Rechtsstellung der Juden.⁴ Sie wird im Blick auf die augusteische Zeit durch Monika Schuol sowie zu den Rechten der Juden aus der Sicht des Flavius Josephus durch Miriam Pucci Ben Zeev vervollständigt.⁵ Das Scheitern des Versuchs, Rechtsvorstellungen in Rom zu harmonisieren, konstatiert dagegen Kai Trampedach.⁶ Zur Stellung der Juden innerhalb des römischen Reiches insgesamt liegen zudem Untersuchungen von John Barclay,⁷ Martin Goodman⁸ und Leonard Rutgers⁹ sowie aus jüngerer Zeit Seth Schwartz¹⁰ vor. Die römische Perspektive nimmt Rutgers¹¹, die jüdische Günter Stemberger¹² ein; zum Dialog zwischen den Juden und den herrschenden Mächten Rom und Griechenland sind außerdem Erich Gruen¹³ und Tessa Rajak¹⁴ zu nennen; die Mehrzahl der Quellen sind in der umfassenden und sorgfältigen Sammlung von Menahem Stern¹⁵ verfügbar. Auf das Konfliktpotential der Beziehung zwischen Juden und Römern verweisen besonders Ernst Baltrusch,¹⁶ Martin Goodman¹⁷ und ein Sammelband von Rainer Albertz und Jakob Wöhrle.¹⁸

 Karl Leo Noethlichs, Das Judentum und der römische Staat. Minderheitenpolitik im antiken Rom, Darmstadt .  Vgl. Monika Schuol, Augustus und die Juden. Rechtsstellung und Interessenpolitik der kleinasiatischen Diaspora, Frankfurt/M. ; Miriam Pucci Ben Zeev, Jewish Rights in the Roman World. The Greek and the Roman Documents quoted by Flavius Josephus, Tübingen .  Kai Trampedach, „Schwierigkeiten mit der Theokratie.Warum die römische Herrschaft in Judäa scheiterte“, in: ders. / Andreas Pečar (Hgg.), Theokratie und theokratischer Diskurs. Die Rede von der Gottesherrschaft und ihre politisch-sozialen Auswirkungen im interkulturellen Vergleich, Tübingen ,  – .  John Barclay, Jews in the Mediterranean Diaspora. From Alexander to Trajan ( BCE –  CE), Berkeley u. a. .  Martin Goodman, Judaism in the Roman World. Collected Essays, Leiden .  Leonard Victor Rutgers, The Jews in Late Ancient Rome. Evidence of Cultural Interaction in the Roman Diaspora, Leiden u. a. .  Schwartz, Were the Jews (wie Anm. ); ders., The Ancient Jews from Alexander to Muhammad, Cambridge .  Leonard Victor Rutgers, „Roman Policy towards the Jews: Expulsions from the City of Rome during the first Century C.E.“, in: Classical Antiquity  (),  – .  Günter Stemberger, Die römische Herrschaft im Urteil der Juden, Darmstadt .  Erich S. Gruen, Diaspora. Jews Amidst Greeks and Romans, Cambridge .  Tessa Rajak, The Jewish Dialogue with Greece and Rome. Studies in Cultural and Social Interaction, Leiden; Boston .  Menahem Stern, Greek and Latin Authors on Jews and Judaism,  Bde., Jerusalem  – .  Ernst Baltrusch, Die Juden und das römische Reich. Geschichte einer konfliktreichen Beziehung, Darmstadt .

Religio licita – Rom und die Juden

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Zum anderen wäre zu klären, in welchen Kontexten Römer und Juden überhaupt aufeinander trafen. Auch hier hatte bereits K. L. Noethlichs wichtige Kategorien entwickelt, einerseits das Zusammentreffen im Kriegsfall, andererseits das Interesse an Eigenheiten anderer Völker, das vornehmlich griechische Autoren antrieb.¹⁹ Die Möglichkeiten zur Kommunikation und Interaktion nach der Eroberung bzw. Eingliederung lassen sich im Wesentlichen auf drei Ebenen finden, der rechtlichen, der verwaltungs-organisatorischen und der sakral-kultischen, die natürlich eng ineinander greifen.

II In älterer, aber auch noch in jüngerer Sekundärliteratur findet sich der Hinweis, dass das Judentum seit Caesars Zeiten eine religio licita gewesen sei – mitunter auch in Formulierungen, die dem Christentum des 4. Jahrhunderts den gleichen „althergebrachten“ Status des Judentums zuschreiben.²⁰ Nun ergeben sich hier zwei Schwierigkeiten, zum einen, was eine religio im römischen Reich ausgemacht hat, und zum anderen, seit wann und wo der Begriff überhaupt Verwendung findet. Die politischen Systeme und religiösen Vorstellungen der Juden und Römer sind von sehr unterschiedlichen Voraussetzungen geprägt. Auf der einen Seite stehen die Vertreter eines auserwählten Volkes, die sich um den Tempel in Jerusalem als wichtigstes sakrales Zentrum scharten und ihre Exklusivität immer wieder betonten,²¹ auf der anderen Seite das römische Imperium, das in Folge seiner Fähigkeit auswärtige Stämme und Völker zu integrieren, stetig wuchs, sich jedoch durch neue Impulse und Herausforderungen stets neuen Aufgaben in

 Martin Goodman, Rome and Jerusalem. The Clash of Ancient Civilizations, London .  Rainer Albertz, Jakob Wöhrle (Hg.), Between Cooperation and Hostility. Multiple Identities in Ancient Judaism and the Interaction with Foreign Powers, Göttingen .  Noethlichs, Judentum (wie Anm. ), .  Als Beispiel für die ältere Literatur sei Peter Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike, Stuttgart / Neukirchen-Vluyn, , , für die jüngere Literatur Svend Hansen, „Juden im Römischen Reich: Eine archäologisch-historische Perspektive“, in: Gross u. a. (Hgg.), Im Licht der Menora (wie Anm. ),  – , hier , genannt.  Es muss allerdings betont werden, dass es nahezu unmöglich ist, die religiösen Vorstellungen des Judentums innerhalb des Untersuchungszeitraums dieses Bandes zu harmonisieren, umfasste das „Religionsamalgam“ (Krech) doch so gegensätzliche Gruppierungen wie die aus dem Neuen Testament bekannten Gruppierungen wie die Sadduzäer und Pharisäer, die beginnende rabbinische Bewegung ebenso wie das frühe Christentum, die wohl asketischen Essener ebenso wie die Samaritaner und das hellenistisch geprägte (Diaspora‐)Judentum.

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Görge K. Hasselhoff – Meret Strothmann

seiner Organisation und Durchsetzungsfähigkeit gegenüber sah. Dabei spielte im römischen Reich Religiosität eine entscheidende Rolle. Ihre Funktion und Wirkmacht gilt es ebenso zu untersuchen wie die Frage, wie politische Mechanismen und religiöses Verständnis auf jüdischer wie römischer Seite zusammenwirken. Dabei geht es insbesondere um die zentrale Instanz, in der Religion und Politik zusammenwirken – das Recht und seine Anwendung, denn hier manifestieren sich Ansprüche in Hierarchisierungsprozessen und anpassungsfähigen Deutungsmustern. In der dynamischen Anwendung von Recht zeigt sich die Fähigkeit das Miteinander zu regeln und Räume zu integrieren bzw. zu separieren. Relevant werden die Mittel, an Hand derer die jeweiligen Systeme in ihrer Interaktion beschrieben werden können. In diesem Rahmen erweist sich Religion als trennendes wie einendes Merkmal. Zunächst muss hier kurz der Begriff der „römischen Religion“ charakterisiert werden, um dann auf den Terminus der religio licita zu kommen. Da die individuelle und subjektive Erfahrung konstitutives Moment der Religion ist und bleibt²² – und zwar schon vor dem Eindringen individuell geprägter Religionen wie der Mysterien oder des Christentums – entzieht sich der Begriff nach wie vor einer allgemeingültigen Definition. Obwohl auch der zeitliche Abstand zur antiken Religion noch hinzukommt, gibt es doch eine Reihe von Parametern, die eine annäherungsweise Beschreibung zulassen, um das Phänomen zu umreißen. Was den Unterschied zwischen antiker und heutiger Religion ausmacht, sind vor allem zwei Kriterien: zum einen lebt die Gesellschaft der Antike mit einer Fülle von Göttern und sakralen Mächten, die auch die soziale Ordnung innerhalb der Gesellschaft und der Familie strukturieren – dabei sind die Götter anwesende Mitbürger²³ –, zum anderen ist Religion durch ihre „Selbstverständlichkeit“ (Rüpke²⁴) und ihren unumstrittenen Sitz im Leben in antiken Gesellschaften gekennzeichnet. Religiöse Aktivitäten, an denen alle Schichten in Kultvereinen und Kollegien partizipierten, spiegeln sich in Handlungen und Ritualen. Religiöse Phänomene lassen sich durch Elemente wie sakrale Mächte, Rituale,

 Die individuelle Prägung römischer Religion ist umstritten. Für ein persönliches Moment spricht sich zu Recht Andreas Bendlin, „Looking Beyond the Civic Compromise: Religious Pluralism in Late Republican Rome“, in: Edward Bispham / Christopher Smith (Hgg.), Religion in Archaic an Republican Rome and Italy. Evidence and Experience, Edinburgh ,  – , aus.  Die Götter werden dabei als Mitbürger (dieux citoyens) verstanden, so John Scheid, „Numa et Jupiter ou les dieux citoyens de Rome“, in: Archives des sciences des religions  (),  – ; vgl. Bernhard Linke, Antike Religion, München ,  – , und Jörg Rüpke, Die Religion der Römer, München . überarb. Aufl. . Vgl. auch den Überblick zur Forschungsgeschichte zu antiken Religion bei Linke, ebd.,  – .  Vgl. Rüpke, Die Religion (wie Anm. ), .

Religio licita – Rom und die Juden

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Priester und Heiligtümer determinieren.²⁵ Sakrale Mächte waren im römischen Alltag stets präsent, die Götter waren in allen politischen Entscheidungen gefragt und bis in die Kleinfamilien hinein bestimmend. Die Beziehung zu den Göttern äußerte sich in Ritualen wie dem Opfer, die das Verhältnis zwischen Göttern und Menschen stabilisierten bzw. restaurierten. Für das Verständnis der Götter gehörten folgerichtig die amtierenden Priester nicht einer gesonderten Gruppe an, vielmehr wurden alle priesterlichen Funktionen von aktiven Mitgliedern der Gesellschaft gemäß dem jeweiligen Kontext übernommen. Für staatliche Belange agierten politische Funktionsträger, innerhalb der Familien war der pater familias für priesterliche Aufgaben verantwortlich. Zentral für sakrale Handlungen waren die Orte, an denen sie stattfanden. Der durch Weihung abgetrennte Bezirk, das templum, der dem Ort sakralen Charakter verlieh, spielte eine wichtige Rolle.²⁶ Von hier aus lässt sich auch der Begriff der superstitio deuten. Da allein die Ausgewogenheit der jeweiligen Elemente eine stabile Religion garantierte, war ein „zuviel“ – gleichgültig an welcher Stelle verdächtig und konnte Schäden hervorrufen. So ist der Begriff der superstitio im wörtlichen Sinn zu verstehen²⁷ und auch der Terminus einer religio licita ist so möglicherweise leichter nachvollziehbar. Hierzu bedarf es eines genaueren Blickes in die Quellen.²⁸ Anders als zu erwarten, begegnet der Begriff religio licita erstmals bei einem christlichen Schriftsteller an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert, bei Tertullian im 21. Kapitel seines Apologeticums. Hier heißt es: Sed quoniam edidimus, antiquissimis Iudaeorum instrumentis sectam istam esse suffultam, quam aliquanto nouellam, ut Tiberiani temporis, plerique sciunt profitentibus nobis quoque: fortasse an hoc nomine de statu eius retractetur, quasi sub umbraculo insignissimae religionis, certe licitae, aliquid propriae praesumptionis abscondat; […] Aber da wir angegeben haben, dass diese unsere Gemeinschaft sich auf die uralten Zeugnisse der Juden stützt, obwohl doch die meisten von ihr wissen, dass sie, als der tiberianischen Zeit entstammend, ziemlich jung ist, wie wir auch offen gestehen: Vielleicht mag aus diesem Grund über ihr Wesen gegrübelt werden, weil sie angeblich unter dem Schirm einer überaus bedeutenden Religion, die gewiss erlaubt ist, irgendeine eigene Überzeugung verberge; […]²⁹

 Vgl. die Einteilung in dem Überblickswerk von Linke, Antike Religion (wie Anm. ).  Vgl. hierzu die Überlegungen von Linke, Antike Religion (wie Anm. ),  – .  So Rüpke, Die Religion (wie Anm. ), .  Dietrich-Alex Koch, Geschichte des Urchristentums. Ein Lehrbuch, Göttingen ,  – , hat dem Thema einen hilfreichen, wenngleich unvollständigen Exkurs gewidmet.  Tertullianus, Apologeticum , (Fontes Christiani , Freiburg ,  f; Übersetzung Tobias Georges).

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Görge K. Hasselhoff – Meret Strothmann

Nun stellt sich die Frage, ob die Formulierung religio certe licita eine spontane des Kirchenvaters oder eine feststehende juristische ist. Aus dem oben Dargestellten dürfte schon deutlich geworden sein, dass der Begriff religio nicht institutionell verwendet wurde. Insofern scheint er auch in Verbindung mit dem Partizip licita keine rechtsverbindliche Größe zu sein. Zugelassene Institutionen wären nach allgemeinem Verständnis eher Kulte (cultus) bzw. Vereine (collegia) gewesen, weswegen es den Anschein hat, als habe Tertullian den Begriff ad hoc gebildet. Dafür spricht, dass er auch in der Folgezeit nicht verwendet wird. So wird mitunter das Gelasius-Edikt vom 30. April 311 dafür angeführt, dass es das Christentum aus dem Status einer religio illicita in den einer religio licita erhoben habe. In der lateinischen Fassung des Textes, die bei Laktanz überliefert ist, wird der Terminus jedoch nicht verwendet.³⁰ Wenn es den Begriff nicht gibt, stellt sich dennoch die Frage, ob es der Sache nach so etwas wie eine religio (il)licita gegeben hat. Hier scheint eine negative Freiheit zu bestehen. Solange ein „Kult“ bzw. eine kultähnliche Versammlung nicht explizit verboten war, war er erlaubt. Hier wird es für die Frage danach, ob das Judentum (und in seinem Gefolge das Christentum) zu irgendeiner Zeit derartigen Restriktionen unterworfen war, interessant. Auch in diesem Fall scheint die Antwort negativ zu sein. Zwar gibt es mehr oder weniger ausführliche Polemiken gegen das Judentum – die bekannteste ist hier der „Judenexkurs“ in den Historien des Tacitus³¹ – und sind auch temporäre Ausweisungen aus Rom do-

 Vgl. Lactantius, De mortibus persecutorum  (Fontes Christiani , /): Inter cetera, quae pro rei publicae semper commodis atque utilitate disponimus, nos quidem volueramus antehac iuxta leges veteres et publicam disciplinam Romanorum cuncta corrigere atque id providere, ut etiam Christiani, qui parentum suorum reliquerant sectam, ad bonas mentes redirent, siquidem quadem ratione tanta eosdem Christianos voluntas invasisset et tanta stultitia occupasset, ut non illa veterum instituta sequerentur, quae forsitan primum parentes eorundem constituerant, sed pro arbitrio suo atque ut hisdem erat libitum, ita sibimet leges facerent, quas observarent, et per diversa varios populos congregarent. Denique cum eiusmodi nostra iussio extitisset, ut ad veterum se instituta conferrent, multi periculo subiugati, multi etiam deturbati sunt. Atque cum plurimi in proposito perseverarent ac videremus nec diis eosdem cultum ac religionem debitam exhibere nec Christianorum deum observare, contemplationem mitissimae nostrae clementiae intuentes et consuetudinem sempiternam, qua solemus cunctis hominibus veniam indulgere, promptissimam in his quoque indulgentiam nostram credidimus porrigendam, ut denuo sint Christiani et conventicula sua componant, ita ut ne quid contra disciplinam agant. aliam autem epistolam iudicibus significaturi sumus, quid debent observare. Unde iuxta hanc indulgentiam nostram debebunt deum suum orare pro salute nostra et rei publicae ac sua, ut undique versum res publica perstet[ur] incolumis et securi vivere in sedibus suis possint. – Vgl. Eus. HE VIII, . – Das verkennt z. B. Karin Piepenbrink, Antike und Christentum, Darmstadt ,  f. .  Vgl. Tacitus, hist. V,  – . – Vgl. hierzu auch René S. Bloch, Antike Vorstellungen vom Judentum. Der Judenexkurs des Tacitus im Rahmen der griechisch-römischen Ethnographie, Stuttgart

Religio licita – Rom und die Juden

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kumentiert, jedoch scheint es außer durch das von Kaiser Hadrian verhängte (zeitlich und wohl auch im Geltungsbereich begrenzte) Beschneidungsverbot, das zudem nicht allein gegen Juden gerichtet war, keine Einschränkungen einer jüdischen Kultausübung gegeben zu haben.³² Selbst die zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen (u. a. 66/70; 115/117,³³ 132/5 u.Z.) scheinen keinen Einfluss auf die Religionsausübung gehabt zu haben. Allenfalls wurden Juden temporär durch den fiscus iudaicus finanzielle Beschränkungen auferlegt.³⁴

III Es wäre jedoch zu fragen, ob der Begriff der religio licita eine antike Realität,wie sie auch gegenüber den Juden gegolten hat, widerspiegelt. So war den Ethnien erlaubt, ihre Religiosität im Rahmen der römischen Ordnung weiterhin uneingeschränkt auszuleben und damit ihre Identität zu wahren. Auch die Judäer durften ihren sakralen Vorschriften gemäß leben, ebenso wurden die Regionen, die von Judäern bewohnt waren bzw. in denen Judäer lebten, rechtlich nicht benachteiligt. Im Gegenteil wurden Judäer bzw. Juden³⁵ sogar mit umfassenden Privilegien ausgestattet, die über die Rechte der umliegenden Gebiete weit hinausgingen. Jüngst hat Benedikt Eckhardt den Vorschlag gemacht, eine Passage aus den Antiquitates Judaicae (16, 60) des Flavius Josephus anders zu lesen, als es bisher der Fall war. Hier berichtet uns Josephus über die Bestätigung von Privilegien Agrippas gegenüber den Juden: , v. a.  – .  – . Hermann Lichtenberger, „‚To See Ourselves as Others See Us‘ (Robert Burns) – Juden und Christen unter römischer Herrschaft: Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung“, in: Niclas Förster / J. Cornelis de Vos (Hgg.), Juden und Christen unter römischer Herrschaft. Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung in den ersten beiden Jahrhunderten n. Chr., Göttingen ,  – , hier  – , ist wenig ergiebig.  Im Blick auf das Christentum scheint die Situation anders gewesen zu sein, allerdings bedürfte es einer unvoreingenommenen Untersuchung der Quellen. Beispielsweise ist der Briefwechsel zwischen Plinius d.J. und Trajan keinesfalls ein Beleg für die dauerhafte Entrechtung der Christen, wie es Koch, Geschichte des Urchristentums (wie Anm. ),  – .  – , darstellt, sondern vielmehr eine auf einen eng umgrenzten Raum (die Provinz Pontus und Bithynien) und einen umgrenzten Zeitraum (Kaisertum Trajans) beschränkte Maßnahme, da kaiserliche Präskripte einer Bestätigung des jeweiligen Nachfolgers bedurften.  Vgl. dazu Miriam Pucci ben Zeev, Diaspora Judaism in Turmoil, / CE. Ancient Sources and Modern Insights, Leuven; Dudley/Mass. , und unten den Beitrag von Görge K. Hasselhoff,  – .  Vgl. dazu unten den Beitrag von Sven Günther,  – .  Zur Begriffsdiskussion siehe auch Daniel R. Schwartz, Judeans and Jews. Four Faces of Dichotomy in Ancient Jewish History, Toronto .

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Görge K. Hasselhoff – Meret Strothmann

[…] ἕτοιμος εἶναι πᾶν ὁτιοῦν χαρι´ζεσθαι Ἰουδαι´οις ἅ δὲ ἀξιοῦσιν καὶ καθ̓ αὑτὰ δι´καια δοκεῖν\ ὥστ̓, εἰ μὲν ἐδε´οντο καὶ πλειο´νων, οὐκ ἄν ὀκνῆσαι τα´ γε μὴ λυποῦντα τὴν ῾Ρωμαι´ων ἀρχὴν παρασχεῖν. „[…] er [sc. Agrippa] sei bereit, alle Forderungen der Juden zu erfüllen und als gerecht anzuerkennen. Auch wenn sie noch mehr Bitten vorzubringen hätten, werde die Gewährung keine Schwierigkeiten machen, wofern nur die römische Oberhoheit dadurch nicht benachteiligt werde.“³⁶

Eckhardts Vorschlag³⁷ liest sich in seiner Paraphrase dagegen so: Da aber Agrippa sah, dass ihnen Gewalt angetan worden war, antwortete er wie folgt: Er sei zwar wegen der Loyalität und der Freundschaft des Herodes ihm gegenüber (sowieso) bereit, den Judäern alles zu geben, was sie wollten; das, was sie forderten, scheine ihm aber auch an sich gerecht zu sein. Daher hätte er zwar, wenn sie noch mehr gefordert hätten, nicht gezögert, ihnen zumindest das zu gewährleisten, was der römischen Herrschaft keine Probleme bereite. Da sie aber nur gefordert hätten, dass das, was früher gegolten habe, nicht ungültig werde, bestätigte er ihnen (die Erlaubnis) unbehelligt nach ihren eigenen Sitten zu leben. Diese markante Modifizierung zeigt das politische Vorgehen der Römer gegenüber den Juden auf mehrfache Weise. Zunächst einmal ist es immer das persönliche Verhältnis, das die politische Interaktion zwischen Römern und Juden bestimmte. Auf der Grundlage der traditionellen Formel socius et amicus wurden Privilegien eingerichtet oder erneuert. Zudem wurden bereits gültige Vereinbarungen bestätigt. Das hat den Charakter einer vertraglichen Bindung, die nicht obligatorisch war, sondern immer wieder bestätigt werden musste, und zwar in Form eines individuellen, nicht eines institutionalisierten Kontakts. Den Anlass bot hier eine gewaltsame Aktion gegenüber den Juden, es war also eine konkrete Situation, die Initiative dazu ging von den Abhängigen aus. Wie weit die Privilegien gingen, wird ebenfalls geschildert. Agrippa hätte nicht gezögert, ihnen noch mehr zuzugestehen, und zwar alles, was dem römischen Staat nicht schadete, was sicherlich kein Zeichen einer etwaigen Toleranzpolitik war, sondern den politischen Notwendigkeiten entsprach. Mit Einschränkungen kann man von einer Integrationpolitik sprechen, wie sie die Römer regulär praktizierten. Als eine Form des Austausches wurde in der modernen Forschung der Terminus des Akkulturationsprozesses geprägt, der inzwischen jedoch weitgehend überholt ist, da seine Anwendung nichts zu klären vermag. Vielmehr offenbart er die Ratlosigkeit gegenüber einem Phänomen. Treffender formuliert es K. L. Noethlichs mit der De-

 Ios. ant. Iud. , ; Übersetzung nach Heinrich Clementz (Wiesbaden . Aufl. ).  Benedikt Eckhardt, Ethnos und Herrschaft. Politische Figurationen judäischer Identität von Antiochos III. bis Herodes I., Berlin; Boston ,  Anm. .

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finition der Integration mit dem Zusatz, dass gerade die Andersartigkeit zugesichert wurde.³⁸ Wie umfassend diese Garantie war, beschreibt die vorgeschlagene Übersetzungsvariante. Die Juden sollten „unbehelligt nach ihren eigenen Sitten leben.“³⁹ Mit der aktiven Duldung dieser Andersartigkeit gingen die Römer ein Risiko ein. Das Leben nach eigenen Sitten beförderte den Modus einer stabilen Identität und vor allem barg es die Gefahr von Ausgrenzungsmechanismen allen äußeren Einflüssen gegenüber. Diese Sonderstellung konnte mindestens zu Missverständnissen führen bzw. Ansprüche evozieren, die Konfliktpotential generierten. Es bleibt zu fragen, wie der reale Umgang zwischen Römern und Juden unter diesen Sonderkonditionen aussah und mit welchen Mitteln Politik betrieben wurde. Längst hat sich in der Forschung die These etabliert, dass von einer aktiven Wechselwirkung zwischen Herrschern und Beherrschten auszugehen ist, der Umgang miteinander unterliegt dabei einem ständigen Aushandlungsprozess mit dem Ziel der Stabilisierung der Verhältnisse bzw. Durchsetzung von Suprematie. Unter diesem Aspekt lassen sich die Beiträge des vorliegenden Bandes fassen, denn die Beziehung zwischen Römern und Juden ist ein dankbares Beispiel, da hier auf beiden Seiten Extreme aufeinandertreffen. Spätestens jetzt muss auch der Differenzierungsprozess für die Seite der Juden einsetzen, da zwischen der jüdischen Religion und dem jüdischen Volk streng zu unterscheiden ist. Aus der Perspektive der Römer gehen sie nicht mit den Juden um, sondern mit Angehörigen der jüdischen Religion bzw. des jüdischen Volkes.⁴⁰ Als erster benutzte Theophrast den Begriff der „Iudaioi“ im 4. Jahrhundert v.u.Z.,⁴¹ als weitere wichtige frühe außerjüdische Quelle zur jüdischen Geschichte insgesamt darf sicherlich Diodor gelten.⁴² Weiter interessieren gerade für die Fragestellung der Kommunikation zwischen Juden und Römern die Aussagen Philos von Alexandrien und des Flavius Josephus. Zu Philo hat Maren Niehoff eine eingehende Studie verfasst,⁴³ zur Haltung des Josephus als Jude und Römer sei auf die Ergebnisse von Ernst Baltrusch in diesem Band verwiesen.⁴⁴

 Noethlichs, Judentum (wie Anm. ), .  Noethlichs gibt in seinem Beitrag in diesem Band,  – , einen bündigen Überblick über die Privilegierungsmaßnahmen gegenüber den Judäern seit Alexander dem Großen.  Vgl. Eckhardt, Ethnos (wie Anm. ), sowie ders. in diesem Band,  – .  Theophrast, De pietate (überliefert in Porphyrius, De abstinentia , ) bzw. Theophrast, De legibus (überliefert in Ios. c. Ap. ,  f) zit. bei Stern, Greek and Latin Authors (wie Anm. ), . .  Vgl. Diodor, Buch  passim.  Maren R. Niehoff, Philo on Jewish Identity and Culture, Tübingen .  Baltrusch, in diesem Band,  – ; vgl. auch Arnaldo Momigliano, On Pagans, Jews, and Christians, Middletown, Conn. ,  – .

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Die Beziehung zwischen den Römern und Judäern waren im operativen Bereich wie auf der politischen Ebene durch personelle Bindungen geprägt, wie die folgenden kurzen Bemerkungen zum historischen Hintergrund erläutern sollen. Mit dem Auftreten des Pompeius im Osten⁴⁵ und der Neuordnung der Provinzen trat die Beziehung zwischen Juden und Römern eine neue Phase, die den Auftakt zum Verhältnis in der Kaiserzeit bildete, dem Fokus des vorliegenden Bandes. Als Instrumentarium zum klaren Widerstand gegen die Römer hätte sich für die Judäaer die hartnäckige Verwendung des eigenen Kalenders angeboten, von römischer Seite dagegen hätte der Kalender als Ordnungselement aufoktroyiert werden können. Dieses Potential wurde aber von beiden Seiten nicht genutzt,wie der Blick von Meret Strothmann auf den jüdischen Kalender zeigt.⁴⁶ Die vieldiskutierte, angeblich judenfeindlichen Haltung Ciceros muss neu hinterfragt und diese Forschungsperspektive wohl zurückgewiesen werden, wie Miriam Ben Zeev zeigt.⁴⁷ Auch die Maßnahmen Caesars bieten keine Argumente einer antijüdischen Position. Er verlieh den Juden den Status der socii et amici sowie wichtige Privilegien wie die Befreiung von der Einquartierungspflicht sowie das Bürgerrecht an Einzelne. Unter seinem Nachfolger Augustus verdoppelte sich die Anzahl an Juden im römischen Reich, nachdem in Folge des Sieges über Kleopatra Ägypten römische Provinz wurde. Damit ergaben sich neue Konfliktpotentiale, die unter Caligula zum Tragen kamen.⁴⁸ Caligula, der den – letztlich unerfüllten – Wunsch nach göttlicher Verehrung auch in Jerusalem hegte, pflegte intensive Beziehungen zu Herodes Agrippa I. Durch die Schriften Philos von Alexandria sind wir darüber gut unterrichtet. Die Zeit des frühen Prinzipats war auf der einen Seite von diplomatisch intakten Beziehungen zwischen römischen Herrschern und der politischen Elite Palästinas geprägt, auf der anderen Seite wurde das Verhältnis durch die Aktionen des Tiberius, der Anhänger des Isiskultes und Juden aus Rom vertrieb,⁴⁹ und Caligulas

 Vgl. hierzu die neue Studie von James M. Scott, Bacchius Iudaeus. A Denarius Commemorating Pompey’s Victory Over Judea, Göttingen , sowie, etwas älter, Uwe Baumann, Rom und die Juden. Die römisch-jüdischen Beziehungen von Pompeius bis zum Tode des Herodes ( v. Chr. –  v. Chr.), Frankfurt/M. .  Strothmann, in diesem Band,  – .  Ben Zeev, in diesem Band,  – .  Vgl. Noethlichs, Judentum (wie Anm. ),  Anm. .  Tac. Ann. , , ; Suet. Tib. ,; Cass. Dio , , a. Sueton zufolge hingen die Juden einer superstitio an, Kultgegenstände und Kleider sollten verbrannt werden, die jungen Juden werden sogar zum Militärdienst herangezogen, wobei es wenig glaubhaft erscheint, dass sie vorzugsweise auf die Provinzen mit ungesundem Klima verteilt wurden. Tacitus’ konkreten Aussagen ist hier eher zu folgen: die Juden seien soweit militärtauglich, nach Sardinien verbracht worden, um dem

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Absichten getrübt, die sich 41 u.Z. in Unruhen in der Hauptstadt entluden.⁵⁰ Auch Claudius wies Angehörige der jüdischen Gemeinschaft aus Rom aus.⁵¹ Im Jahr 52 trug er jedoch zur friedlichen Beilegung eines Konfliktes zwischen Juden und Samaritanern bei und ersetzte den Prokurator Cumanus durch Felix. Indem Claudius die Herrschaft Agrippas II. förderte, unterstützte er die aktive Zusammenarbeit zwischen den römischen Behörden und einheimischen Fürsten, eine Politik, die sein Nachfolger Nero weiterführte. Insgesamt lief die Kommunikation in der Epoche der iulisch-claudischen Dynastie über die Prokuratoren sowie über direkte Gesandtschaften in die Hauptstadt. Immer wieder verstanden sich die römischen Imperatoren auf Ausgleich von Konfliktsituationen, die nicht zuletzt durch die römischen Magistrate im Kernland Palästina verursacht worden waren. Die radikalen Unternehmungen des Gessius Florus dürfen wohl als ein zentrales auslösendes Moment im jüdischen Aufstand von 66 u.Z. angesehen werden, der in den letzten Jahren Neros ausbrach und mit der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 endete.⁵² Judaea wurde unter den Flaviern als kaiserliche Provinz einem legatus Augusti pro praetore unterstellt, die Einwohner mit einer Steuer belegt, die unter dem Namen fiscus Iudaicus Eingang in die Forschung gefunden hat. Die Besteuerung erscheint dabei sowohl für die Beziehung zwischen Römern und Juden als auch jeweils für die einzelne Gruppe interessant. Daher problematisiert Sven Günther im vorliegenden Band diesen Begriff, indem er klar zwischen der Judensteuer und dem fiscus Iudaicus differenziert.⁵³ Christopher Weikert fragt,⁵⁴ weshalb Domitian auf zusätzliche Steuereinnahmen verzichtete, indem er Proselyten und judaisiserende Sekten mit dem Tod bedrohte. Viel zu wenig Beachtung in der Forschung fanden lange Zeit die jüdischen Aufstände unter Trajan in Alexandria in der Cyrenaica, in Ägypten und auf Zypern. Görge Hasselhoff argumentiert dafür, den Beitrag Cassius Dios zum Geschehen als Korrektur zum Bericht des Eusebius aufzufassen, der den anfangs sehr erfolg-

dortigen Räuberunwesen Abhilfe zu leisten. Nach den Angaben Dios soll sogar die Mehrheit der gefährlichen Sekte von Tiberius verbrannt worden sein.  Zur Diskussion um das Versammlungsverbot bzw. die Ausweisung aus Rom vgl. Noethlichs, Judentum (wie Anm. ),  Anm. .  Suet. Claud. ,, dazu Noethlichs, Judentum (wie Anm. ),  Anm. .  Vgl. Werner Eck, Rom und Judaea. Fünf Vorträge zur römischen Herrschaft in Palaestina, Tübingen ; ders., „Herrschaft, Widerstand, Kooperation: Rom und das Judentum in Judaea / Palaestina vor dem . Jh. n.Chr.“, in: Ernst Baltrusch / Uwe Puschner (Hgg.), Jüdische Lebenswelten. Von der Antike bis zur Gegenwart, Frankfurt/M. u. a. ,  – , hier  – .  Sven Günther, in diesem Band,  – ; vgl. auch seine dem Beitrag zugrunde liegende Studie „Der fiscus Iudaicus als Forschungskonstrukt“, in: Japan Studies in Classical Antiquity  (),  – .  Weikert, in diesem Band,  – .

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reichen Aufstand aus den Jahren 115 – 117 u.Z. möglicherweise marginalisieren wollte.⁵⁵ Dies könnte Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit einer weiteren Passage Cassius Dios zur Stadtneugründung Jerusalems als Aelia Capitolina vor dem Krieg unter Führung des Bar Kochba haben; Eusebius sah in ihr eine Folge des Krieges. Spätestens ab dem Ende des 2. Jahrhundert sind die Maßnahmen stets unter einem Blickwinkel zu betrachten, der die christliche Perspektive zumindest latent mit berücksichtigt. Mit der constitutio Antoniniana verändern sich die rechtlichen Konstellationen, die Beziehungen werden vielfältiger, wie der Beitrag zur jüdischen Gemeinde in Köln von Werner Eck veranschaulicht.⁵⁶ Die Abgrenzung zwischen christlich-römischer und jüdischer Lebensweise spiegelt sich schließlich in der Gesetzgebung des Codex Theodosianus und des Codex Justinianus, wie der Beitrag im vorliegenden Band von Karl Leo Noethlichs zeigt.⁵⁷

 Hasselhoff, in diesem Band,  – .  Eck, in diesem Band,  – .  Noethlichs, in diesem Band,  – .

Rom und die Juden – ein Kategorienfehler? Zur römischen Sicht auf die Iudaei in später Republik und frühem Prinzipat* Benedikt Eckhardt (Bremen)

1 Einleitung „Rom und die Juden“ ist ein etabliertes Forschungsfeld. Eine Reihe von Standardwerken informiert unter diesem und ähnlichen Titeln umfangreich über einen Themenkomplex, dem spätestens seit Mommsen ein Sonderplatz in Darstellungen der römischen Geschichte eingeräumt wird.¹ Variationen betreffen vor allem den ersten Teil der Formulierung: Statt Rom können etwa „der römische Staat“, „das römische Reich“ oder, stellvertretend für beide, ein römischer Kaiser stehen.² Meine Frage, ob in solchen Titeln ein Kategorienfehler versteckt sei, geht indes davon aus, dass der problematische Teil der Formulierung nicht Rom ist. Gewiss gibt es auch da viel zu diskutieren – über den Staatsbegriff in jedem Fall, nach manchen auch über den Begriff des Reichs.³ Doch dass es Rom, Römer und eine von ihnen beherrschte politische Struktur gab, steht nicht zur Debatte. Gab es aber Juden? Auf diese schlichte und mit Blick auf den gängigen Sprachgebrauch eher kuriose Frage laufen die Debatten hinaus, die in den letzten zwanzig Jahren über

* Für die Lektüre und Hinweise danke ich Daniel Lanzinger (Hamburg).  Theodor Mommsen, Römische Geschichte. Bd. : Die Provinzen von Caesar bis Diocletian, Berlin . Aufl. ,  –  (erstmals ). Zu dieser auch rezeptionsgeschichtlich bedeutenden Darstellung vgl. Christhard Hoffmann, Juden und Judentum im Werk deutscher Althistoriker des . und . Jahrhunderts, Leiden u. a. ,  – ; Jürgen Malitz, „Mommsen, Caesar und die Juden“, in: Hubert Cancik (Hg.), Geschichte – Tradition – Reflexion. Festschrift für Martin Hengel zum . Geburtstag. Bd. : Griechische und römische Religion, Tübingen ,  – .  Uwe Baumann, Rom und die Juden. Die römisch-jüdischen Beziehungen von Pompeius bis zum Tode des Herodes ( v. Chr. –  v. Chr.), Frankfurt/M. ; Karl Leo Noethlichs, Das Judentum und der römische Staat. Minderheitenpolitik im antiken Rom, Darmstadt ; Ernst Baltrusch, Die Juden und das Römische Reich. Geschichte einer konfliktreichen Beziehung, Darmstadt ; Monika Schuol, Augustus und die Juden. Rechtsstellung und Interessenpolitik der kleinasiatischen Diaspora, Frankfurt/M. .  Vgl. etwa Frank Bernstein, „Das Imperium Romanum – ein ‚Reich‘“, in: Gymnasium  (),  – ; Arthur M. Eckstein, „What is an Empire and How do You Know When You Have One? Rome and the Greek States after  BC“, in: Antichthon  (),  – . DOI 10.1515/9783110410051-002

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jüdische Identität in der Antike geführt worden sind. Traditionelle Kategorien und terminologische Gewohnheiten sind dabei mehrfach hinterfragt worden – mit dem Ergebnis, dass die Streitfragen bereits bei der Übersetzung des grundlegenden Begriffs beginnen: Ist ein Ἰουδαῖος / Iudaeus ein „Jude“ oder ein „Judäer“?⁴ Die Kritik an der hergebrachten Terminologie gründet sich auf eine oft wiederholte Annahme: Wenn mit „Jude“ ausschließlich ein Angehöriger einer Religion bezeichnet werde, sei das ein Anachronismus, denn ausdifferenzierte Religion, also nur Religion ohne politische oder ethnische Affiliation, habe es in vorchristlicher Zeit nicht gegeben. Die Ansicht, dass „religion in its modern sense is an invention of Christianity“, findet sich deshalb häufig; nach Daniel Boyarin sind es denn auch die Christen, die das Judentum als Religion konstruieren, durchaus gegen dessen Willen: “The difference between Christianity and Judaism is not so much a difference between two religions as a difference between a religion and an entity that refuses to be one”.⁵

Dann müssten es die Römer zumindest bis zum 2. Jahrhundert u.Z. nicht mit einer Religion zu tun gehabt haben, sondern mit einem Volk – mit Judäern. Steve Mason hat das weiter ausgeführt und darauf hingewiesen, dass die Ioudaioi bis in die Spätantike hinein in allen Quellengattungen als „Ethnos“ bezeichnet werden.⁶ Manche Aspekte dieser Debatte um antike und moderne Terminologie sind durchaus problematisch. So fehlt es ihr gelegentlich selbst an terminologischer Präzision – etwa, wenn Mason den antiken Begriff „Ethnos“ praktisch mit der „Ethnie“ der modernen Nationalismusforschung gleichsetzt.⁷ Man kann auch fragen, ob sich das Grundproblem, das in der amerikanischen Forschung die Debatte erst ausgelöst hat – die vermeintlich rein religiöse Bedeutung von „Jew“ – so überhaupt stellt, und wenn ja, ob es auch auf den deutschen Sprachraum

 Siehe dazu einführend die als Forschungsüberblick konzipierten Überlegungen von David M. Miller, „The Meaning of Ioudaios and its Relationship to Other Group Labels in Ancient ‚Judaism‘“, in: Currents in Biblical Research . (),  – ; ders., „Ethnicity Comes of Age: An Overview of Twentieth-Century Terms for Ioudaios“, in: Currents in Biblical Research . (),  – ; ders., „Ethnicity, Religion and the Meaning of Ioudaios in Ancient ‚Judaism‘“, in: Currents in Biblical Research . (),  – .  Beide Zitate aus Daniel Boyarin, Border Lines. The Partition of Judaeo-Christianity, Philadelphia , . .  Steve Mason, „Jews, Judaeans, Judaizing, Judaism: Problems of Categorization in Ancient History“, in: Journal for the Study of Judaism  (),  – .  Mit Recht kritisiert von Seth Schwartz, „How Many Judaisms Were There? A Critique of Neusner and Smith on Definition and Mason and Boyarin on Categorization“, in: Journal of Ancient Judaism  (),  – , hier  Anm. .

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übertragbar ist. Doch darum soll es hier nicht gehen. Ziel der folgenden Ausführungen ist vielmehr die Erörterung der Frage, welche Konsequenzen die Behauptung, es habe das Judentum als von Volk und Territorium ablösbare Religion in der vorchristlichen Antike nicht gegeben, für die Frage nach einem römischjüdischen Verhältnis in der Zeit der späten Republik und des frühen Prinzipats hat. Jenseits der schroff formulierten Fragestellung, ob bereits die Annahme eines solchen Verhältnisses – mangels Juden – auf einem kategorialen Irrtum beruhe, sind dabei gewisse Aufschlüsse hinsichtlich der von Boyarin und anderen aufgeworfenen historischen Hypothesen zu erwarten. Angesichts der weiterhin verbreiteten Ansicht, die Römer hätten gerade das Judentum als Religion privilegiert, muss man nämlich fragen: Reichten den Römern ihre Kategorien für die Wahrnehmung und Behandlung ethnischer Gruppen aus, wenn sie sich mit Judäern⁸ auseinandersetzten, oder wurden diese Kategorien dabei überfordert? Waren es vielleicht gar nicht die Christen, sondern schon die Römer, die in der Auseinandersetzung mit den Judäern „Religion“ erfanden? Und wenn nicht, wie funktionierte dann die Einordnung der Judäer, die es ja in vielen Städten des römischen Reiches gab, in ethnische Deutungsmuster? Die Genese von „religion in its modern sense“ so erklären zu wollen, wäre freilich vermessen – und das nicht nur, weil bereits über diesen modernen Religionsbegriff keine Einigkeit herrscht. Aus historischer Sicht kann es nicht darum gehen, ob sich individuelle Römer in vorchristlicher Zeit ein rein religiöses Handeln, Denken oder Fühlen vorstellen konnten (wie wollte man den Gegenbeweis

 Ich verwende ab hier durchgehend (abgesehen von Zitaten und Paraphrasen) „Judäer“ für Iudaeus / Ioudaios. Dies geschieht in Kenntnis des oft vorgebrachten Einwands,wonach mit „Jude“ alle relevanten Aspekte (Herkunft, Territorium, Religion) gleichermaßen erfasst würden, während „Judäer“ einseitig territorial definiert sei. Anders als bei der Verwendung von „Jude“ trifft man nach dieser Argumentation mit der Übersetzung „Judäer“ bewusst eine Wahl und schließt alle nichtterritorialen Komponenten von Identität aus. Ich kann dem schon deshalb nicht folgen, weil ich „Judäer“ nicht für eine Übersetzung von Ioudaios halte, sondern für eine Eindeutschung nach den üblichen Regeln (analog zu Syros / Syrer, Aigyptos / Ägypter etc.); m. E. trifft also die Behauptung einer vorweggenommenen Inhaltsentscheidung nur auf die Übersetzung „Jude“ zu. Sieht man den Begriff allein als Transkription an, bereitet es auch kein Problem, etwa von einem „kleinasiatischen Judäer“ zu sprechen, womit ein weiterer, allein aus der modernen Sprachkonvention gewonnener Einwand angesprochen ist: Dass „Judäer“ heute rein territorial verwendet wird, liegt eben daran, dass es „Jude“ als Alternativbegriff gibt; im antiken Gebrauch war der Ioudaios-Begriff vielschichtiger (richtig dazu Mason, „Jews, Judaeans“ [wie Anm. ],  – ). Man muss überdies auch auf der Darstellungsebene berücksichtigen, dass die griechischen und römischen Quellen nur einen Begriff verwenden, also nicht nach Bedarf zwischen „Judäern“ und „Juden“ unterscheiden konnten, wie es jetzt oft empfohlen wird. Eine Behandlung der römischen Sicht auf Iudaei könnte versuchen, derartige Unterscheidungen auf der Sachebene nachzuweisen, sollte sie aber nicht selbst bereits durch die Wahl der modernen Begriffe voraussetzen.

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antreten?).⁹ Zu fragen ist vielmehr, ob sie ausdifferenzierte Religion als Grundlage von Organisationsbildung kannten und deshalb dem „Judentum“ im konkreten Verwaltungshandeln als einer Religion begegneten, oder ob sie dafür andere Kategorien bemühten. Die römische Sicht auf die Judäer spielt zwar implizit bei Boyarin und Mason eine große Rolle, insofern sie als antike Normalperspektive bis zur Erfindung von Religion durch die Christen den Hintergrund der Argumentation bildet. Doch die für das römisch-judäische Verhältnis einschlägigen Quellen sind bisher noch nicht, oder jedenfalls noch nicht erfolgreich, in diese Debatte hineingestellt worden.¹⁰ Eine einseitige Behandlung der römischen Sicht auf die Iudaei und ihre Bräuche ist also gerechtfertigt, wenn auch nicht übersehen werden darf, dass es sich dabei um eine Perspektive von außen handelt, die mit internen Entwicklungen in Judäa oder in Diasporagemeinden nicht viel zu tun haben muss.¹¹

 Kritisch gegen Positionen, die den Römern individuelles religiöses Erleben absprechen, äußert sich v. a. Andreas Bendlin, „Looking Beyond the Civic Compromise: Religious Pluralism in Late Republican Rome“, in: Edward Bispham / Christopher Smith (Hgg.), Religion in Archaic and Republican Rome and Italy. Evidence and Experience, Edinburgh ,  – ; zur Forschungsgeschichte ders., „‚Eine wenig Sinn für Religiosität verratende Betrachtungsweise‘: Emotion und Orient in der römischen Religionsgeschichtsschreibung der Moderne“, in: Archiv für Religionsgeschichte  (),  – .  Die paganen Quellen zu den Iudaei sind gesammelt bei Menahem Stern, Greek and Latin Authors on Jews and Judaism,  Bde., Jerusalem  – .  Mit Blick auf die bei der Bochumer Tagung geführte lebhafte Diskussion muss dieser Punkt besonders hervorgehoben werden. Es geht hier ausschließlich um die Frage, wie römische Autoritäten mit Problemen umgegangen sind, die dadurch entstanden, dass sich bestimmte Personen als Iudaei bezeichneten. Verweise auf biblische oder parabiblische Texte sind in diesem Zusammenhang nicht nützlich, da die Römer von ihnen eine allenfalls rudimentäre Kenntnis hatten. Dieser Zugang darf nicht verwechselt werden mit der Behauptung, es sei uninteressant, irrelevant o. ä., danach zu fragen, „whether the Ioudaioi of whom we are speaking understood themselves more as residents of a country or as adherents of a religion“, wie Daniel R. Schwartz vorschlägt („Judeans, Jews, and their Neighbors. Jewish Identity in the Second Temple Period“, in: Rainer Albertz / Jakob Wöhrle [Hgg.], Between Cooperation and Hostility. Multiple Identities in Ancient Judaism and the Interaction with Foreign Powers, Göttingen ,  – , hier ). Das ist natürlich von großem Interesse; meine Sicht auf interne Diskurse um Identität, Zugehörigkeit und Kategorien habe ich in Benedikt Eckhardt, Ethnos und Herrschaft. Politische Figurationen judäischer Identität von Antiochos III. bis Herodes I., Berlin; Boston , dargelegt. Hier soll es aber einmal um die Fremdwahrnehmung gehen, die ihrerseits – wenn auch begrenzte – Aufschlüsse erlaubt.

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2 Die vorrömischen Voraussetzungen Die römische Expansion im Osten änderte – besonders in den provinzialisierten Gebieten – die administrativen Strukturen oft grundlegend, baute aber zum Teil auch auf bestehenden Arrangements auf. So behielten durch Seleukiden- oder sogar Perserkönige gewährte Privilegien oft ihre Gültigkeit, und die territoriale Sonderstellung etablierter Heiligtümer wurde in der Regel gewahrt. Auch für die Frage nach den Iudaei ist daher eine Diskussion der vorrömischen Voraussetzungen nicht ohne Interesse: gab es eine „Judenpolitik“ in den hellenistischen Reichen, auf die sich die römische Verwaltung später in positiver oder negativer Form hätte beziehen können? Hier hat der Begriff „Ethnos“, mit dem die Quellen zumindest seit seleukidischer Zeit die Judäer durchgängig bezeichnen, in der Forschung eine gewisse Unruhe gestiftet. In einer Darstellung jüdischer Geschichte von Alexander dem Großen bis Antiochos IV. heißt es etwa: “Although the various imperial powers seem to have regarded the Jews as an ethnos, administrative measures with regard to them were usually specific to a particular region rather than applying to Jews as a whole.”¹²

An anderer Stelle liest man, dass bereits im Hellenismus „rights were given to those belonging to an ethnos independently from the place where the individuals lived“ – denn es gehe um ethnische Zugehörigkeit, nicht den Wohnort.¹³ Es ist deutlich, dass der Ethnos-Begriff hier mit moderner Semantik aufgeladen worden ist. Die im ersten Zitat implizit geäußerte und im zweiten gar als erfüllt betrachtete Erwartung einer reichsweit verfolgten Minderheitenpolitik beruht auf einer fehlerhaften Kategorie: Ethnos war in der hellenistischen Verwaltungssprache kein Begriff, der sich vom Territorium einfach loslösen ließ, wie es heute mit der „Ethnizität“ möglich ist.¹⁴ Ein solches Verständnis entspräche weder der Begriffstradition (wenn man an die griechischen Bundesstaaten der spätklassischen und frühhellenistischen Zeit denkt) noch der tatsächlichen Verwendung des Begriffs in hellenistischer Zeit; die Kategorisierung der Judäer als Ethnos ist also als Basis einer reichsweiten Judenpolitik nicht geeignet.

 Lester L. Grabbe, A History of the Jews and Judaism in the Second Temple Period.Vol. :The Early Hellenistic Period ( –  BCE), London; New York , .  Miriam Pucci Ben Zeev, Jewish Rights in the Roman World. The Greek and Roman Documents Quoted by Josephus Flavius, Tübingen , .  Vgl. zum Begriff Benedikt Eckhardt, „Vom Volk zur Stadt? Ethnos und Polis im hellenistischen Orient“, in: Journal for the Study of Judaism  (),  – .

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Benedikt Eckhardt

Ein oft gebrauchtes Gegenargument verweist auf einen Brief des Antiochos III. an den Strategen und Hohepriester der Satrapie Koilesyrien und Phönikien, Ptolemaios. Im Zuge der Eroberung und Privilegierung Jerusalems nach der Eroberung im Jahr 200 v.u.Z. erteilt der König dort die Erlaubnis: „Alle Menschen aus dem Ethnos sollen ihre eigenen Gesetze gebrauchen dürfen“.¹⁵ Der Brief ist nur literarisch überliefert, dürfte also kaum in genau diesem Wortlaut auf einem Stein gestanden haben, was manche ungewöhnliche Formulierung erklären mag. An der grundsätzlichen Authentizität des Briefs und auch dieser Passage muss man aber nicht zweifeln.¹⁶ Unmittelbar zuvor findet sich die Anweisung, Holz solle „aus Judäa selbst, aus den anderen Ethnē und aus dem Libanon“ geliefert werden. Dies und die generelle, durch zahlreiche Parallelen bekannte Logik des Prozesses (Gewährung lokaler Autonomie als Belohnung für lokal erwiesene Loyalität) lassen keine Zweifel daran aufkommen, dass mit „Ethnos“ hier Judäa und nur Judäa bezeichnet wird.¹⁷ Judäa und die „anderen Ethnē“ sind von Antiochos III. beherrschte Gebiete, zu deren Bezeichnung er den Begriff Ethnos verwendet; er bezeichnet ein unterworfenes Territorium und macht deutlich, dass die Geltung der Lokalautonomie nicht auf die Stadt Jerusalem beschränkt ist, wie man angesichts gleichartiger Dekrete für andere Städte meinen könnte, sondern alle Einwohner Judäas so leben dürfen, wie sie wollen. Dass das Auswirkungen auf Judäer etwa in Babylon haben könnte, die dort in ganz anderen Strukturen lebten, wäre Antiochos wohl nicht eingefallen.

 Ios. ant. Iud. , .  Klassisch ist die Behandlung durch Elias Bickerman, „La charte séleucide de Jérusalem“, in: Revue des Études Juives  (),  – ; skeptisch in jüngerer Zeit v. a. Jörg-Dieter Gauger, Authentizität und Methode. Untersuchungen zum historischen Wert des persisch-griechischen Herrscherbriefs in literarischer Tradition, Hamburg ,  – . Nach Gauger fällt der hier zitierte Teil des Briefs in einen interpolierten Abschnitt. Die Argumente sind jedoch nicht ausreichend und lassen sich teilweise auch umkehren. So ist die Nichterwähnung des judäischen Hohepriesters, die zu reichlich Spekulationen eingeladen hat und von Gauger als Hinweis auf eine spätere Fälschung durch antihohepriesterliche Kreise gesehen wird, eher ein Argument für Authentizität. Übersehen wurde in der Debatte, dass der Brief an einen Hohepriester adressiert ist, nämlich an Ptolemaios, den Hohepriester (ἀρχιερεύς) der Satrapie. Sein Titel wird nicht genannt, weil seleukidische Königsbriefe an Funktionäre den Titel nie in der Anrede verwenden; er stand aber unausgesprochen im Raum, was den Verfasser daran gehindert haben dürfte, unter den judäischen „Priestern“ einen „Hohepriester“ auszusondern: Dieser wäre dann der einzige im Brief mit Titel erwähnte Hohepriester gewesen, obwohl doch Ptolemaios der aus seleukidischer Sicht relevante ἀρχιερεύς war. Vgl. dazu (und zu den älteren Erklärungen) Eckhardt, Ethnos (wie Anm. ),  – .  Anders zuletzt wieder Vasile Babota, The Institution of the Hasmonean High Priesthood, Leiden; Boston , .

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Von Antiochos III. ist allerdings, wiederum bei Josephus, ein Brief an Zeuxis überliefert, in dem er – einige Jahre vor der Eroberung Jerusalems – zur Niederschlagung eines Aufstandes in Lydien und Phrygien die Umsiedlung von 2000 judäischen Familien aus Mesopotamien und Babylonien „in die Festungen und dorthin, wo es am notwendigsten ist“, anordnet.¹⁸ Er sei sicher, dass sie sich aufgrund ihrer Frömmigkeit gegenüber Gott (im Singular) als loyale Interessensvertreter der Monarchie erweisen würden, und habe ihnen daher versprochen, „dass sie ihre eigenen Gesetze gebrauchen dürfen“.¹⁹ Zeuxis soll sich „so gut wie möglich um ihr Ethnos kümmern, damit es nicht von irgendwem belästigt wird“. Dieser Brief ist so kaum authentisch; wenn überhaupt ein realer Vorgang zugrunde lag, ist er durch die Überlieferung jedenfalls deutlich stärker entstellt worden als es beim Ptolemaiosbrief der Fall ist.²⁰ Die Sorge um das „Ethnos“ der Judäer gehört zu den Elementen, die so oder ähnlich in keinem anderen Königsbrief nachzuweisen sind, sollte also für eine Rekonstruktion seleukidischer „Judenpolitik“ nicht herangezogen werden.²¹ Etwa zur gleichen Zeit wie im Ptolemaiosbrief erscheint das Ethnos der Judäer auch in ptolemäischen Steuerlisten – neben Griechen, Persern, Imkern und Isispriestern. Ethnos ist dort praktisch gleichbedeutend mit „Kategorie“, bezeichnet also für die Steuererfassung relevante Gruppen.²² Man sieht, dass Ethnos in völlig unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet wird, die aber gemein-

 Ios. ant. Iud. ,  – .  ὑποσχόμενος νόμοις αὐτοὺς χρῆσθαι τοῖς ἰδίοις (). Der Bezug des ὑποσχόμενος ist m. E. nicht zweifelhaft: Der König, nicht Zeuxis hat versprochen. Die Textüberlieferung bietet aber als Variante auch ὑποσχομε´νους: Dann hätten die Judäer selbst versprochen, ihre eigenen Gesetze anzuwenden. Das ist im Kontext nicht absurd: Der Grund für ihre vermeintliche Umsiedlung ist ja ihre Frömmigkeit gegenüber Gott.Vgl. die Diskussion bei Jörg-Dieter Gauger, Beiträge zur jüdischen Apologetik. Untersuchungen zur Authentizität von Urkunden bei Flavius Josephus und im I. Makkabäerbuch, Köln; Bonn ,  – .  Dazu Gauger, Beiträge (wie Anm. ),  – ; ders., „Formalien und Authentizitätsfrage: Noch einmal zum Schreiben Antiochos’ III. an Zeuxis (Jos. Ant. Jud. ,  – ) und zu den Antiochos-Urkunden bei Josephus“, in: Hermes  (),  – . Gauger geht von vollständiger Fälschung des Dokuments aus; vorsichtiger lässt sich formulieren, dass „the text cannot be an unadulterated letter of Antiochos III“ (so John Ma, Antiochos III and the Cities of Western Asia Minor, Oxford , , der aber die Möglichkeit erwägt, dass der Brief von Antiochos dem Sohn in Vertretung seines Vaters geschrieben worden sei, was die formalen Abweichungen erklären könne).  Selbst wenn man die Stelle gegen alle Zweifel als authentisch akzeptieren wollte, wäre der Kontext weiterhin lokal; es geht um eine zahlenmäßig begrenzte Zahl judäischen Familien, die in den Einflussbereich des Zeuxis umgesiedelt werden.  Vgl. zu den Steuerlisten Willy Clarysse / Dorothy J.Thompson, Counting the People in Hellenistic Egypt. Vol. , Cambridge ,  – .

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sam haben, dass in ihnen Herrschaftsverhältnisse zum Ausdruck kommen. Diese sind lokal beschränkt. Das heißt zunächst, dass dem hier jeweils markierten Ethnos alle diejenigen nicht angehören können, die außerhalb des Ptolemäeroder Seleukidenreichs leben. Es heißt aber auch, dass innerhalb dieser Reiche die Voraussetzungen für eine einheitliche Wahrnehmung und rechtliche Behandlung des Judentums als Religion nicht vorlagen. Die Steuerlisten erfassen recht kleinteilig die Bevölkerung einzelner Städte in steuerlich relevanten Gruppen, Ethnē, die wohl vereinsartig organisiert waren.²³ Das Ethnos der Judäer ist also in jeder Stadt ein anderes; das ist gerade das Gegenteil einer reichsweiten Konzeption von Judentum.²⁴ Als Kandidat für eine „Judenpolitik“ bleibt demnach nur das zentrale Ereignis der judäischen Geschichte in hellenistischer Zeit übrig: die sogenannte Religionsverfolgung des Antiochos IV. Epiphanes.²⁵ Der Begriff ist allerdings irreführend. Die Verfolgung bezog sich nur auf Judäa, und sie äußerte sich nicht in einem Glaubenszwang, wie vor allem die ältere Literatur gelegentlich formuliert hat, sondern in einem Tunszwang, nämlich der Verpflichtung der Bevölkerung Judäas und speziell Jerusalems auf die Befolgung bestimmter (gar nicht sehr vieler) Rituale, die in anderen Städten Loyalität demonstrierten, unter Aufgabe spezifisch judäischer Bräuche. Dieser Vorgang war aus Sicht des Königs notwendig geworden, weil die Judäer die Bedingung für die Erlaubnis zum Gebrauch der eigenen Gesetze, nämlich Loyalität, in einem entscheidenden Moment nicht mehr erfüllt hatten: Nach der Demütigung des Antiochos IV. durch den römischen Legaten Popilius Laenas am „Tag von Eleusis“ kam es in Jerusalem zu einem Bürgerkrieg, den der König – vielleicht nicht zu Unrecht – als Abfallbewegung einstufte.²⁶ Zieht  Das ist für die Berufsgruppen jedenfalls belegt; vgl. Clarysse / Thompson, Counting (wie Anm. ),  f.  Ganz konträr, aber ohne Quellenbelege heißt es bei Edouard Will / Claude Orrieux, Ioudaïsmos – Hellènismos. Essai sur le judaïsme judéen à l’époque hellénistique, Nancy , : „Des textes prouvent sans conteste qu’en dépit de sa structure fortement sacerdotalisée, hiérocratique, la Judée était considerée comme le territoire du ‚peuple juif‘ (ethnos tôn Ioudaiôn), auquel se rattachent d’ailleurs tous les Juifs dispersés dans l’empire ptolémaïque – et ailleurs“.  Diskussion der Quellen und sehr unterschiedliche Rekonstruktionen finden sich bei Elias Bickerman, Der Gott der Makkabäer. Untersuchungen über Sinn und Ursprung der makkabäischen Erhebung, Berlin ; Klaus Bringmann, Hellenistische Reform und Religionsverfolgung in Judäa. Eine Untersuchung zur jüdisch-hellenistischen Geschichte ( –  v. Chr.), Göttingen . Für die hier vertretene Sicht vgl. Eckhardt, Ethnos (wie Anm. ),  – .  Makk , . Ein eventueller proptolemäischer Hintergrund der Aktionen Jasons in Jerusalem hätte in dieser Zeit einige Parallelen; vgl. Kay Ehling, „Unruhen, Aufstände und Abfallbewegungen der Bevölkerung in Phönikien, Syrien und Kilikien unter den Seleukiden“, in: Historia  (),  – . Die Makkabäerbücher geben darauf allerdings keine Hinweise, da sie die politische Dimension der Vorgänge insgesamt verschleiern.

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man die Übertreibungen der Makkabäerbücher ab,²⁷ reduziert sich das Geschehen bis zum Aufstand der Makkabäer auf einen vermutlich gar nicht unüblichen Vorgang, denn wie soll man sich den Entzug des Rechts auf den Gebrauch der eigenen Gesetze, der auch anderswo vorgekommen sein muss, anders vorstellen denn als Verbot bestimmter Bräuche und Verpflichtung auf andere? Die Maßnahmen gegen die in Jerusalem und Judäa gepflegten Bräuche entscheiden die Frage also nicht zugunsten einer reichsweiten Behandlung des Ioudaismos als Religion.²⁸ Für die ersten Bündnisschlüsse der Römer mit dem Hasmonäerstaat waren die judäischen Bräuche ohnehin unbedeutend. Als Judas Makkabaios im Jahr 161 v.u.Z. ein (letztlich folgenloses) militärisches Schutzbündnis mit Rom einging, war der ausschlaggebende Faktor Judäas geostrategische Lage zwischen Ptolemäern und Seleukiden.²⁹ Dementsprechend ergaben sich daraus auch in der Folge ausschließlich Regelungen, die auf Judäa selbst zielten. Für Rom war es kein Widerspruch, dem politischen Gemeinwesen in Judäa regelmäßig Schutz zu versprechen, während in Rom selbst ansässige Judäer offenbar im Jahr 139 v.u.Z. der Stadt verwiesen wurden.³⁰ Einem möglichen Einwand muss hier kurz begegnet werden. Flavius Josephus und das Erste Makkabäerbuch überliefern sehr unterschiedliche Versionen eines  Vgl. dazu David Volgger, „ Makk : Der Konflikt zwischen Hellenen und Juden – Die makkabäische Reichspropaganda“, in: Antonianum  (),  – ; Steve Weitzman, „Plotting Antiochus’s Persecution“, Journal of Biblical Literature  (),  – ; Sylvie Honigman, „The Religious Persecution as a Narrative Elaboration of a Military Suppression“, in: MarieFrançoise Baslez / Olivier Munnich (Hgg.), La mémoire des persécutions. Autour des livres des Maccabées, Paris; Leuven ,  – .  Wichtig sind sie dennoch, denn durch den Widerstand, der gegen das Verbot spezifisch judäischer Bräuche geführt wurde, erlangten diese in internen Entwürfen judäischer Identität einen deutlich größeren Stellenwert. In judäischen Texten wird in der Folge das Ethnos der Judäer wesentlich über seine Bräuche definiert, was zu neuen Debatten über Zugehörigkeitsfragen im Hasmonäerstaat und darüber hinaus führt. In dieser Zeit entstand wohl auch eine zumindest in Judäa einigermaßen geregelte und zumindest von einigen Beobachtern anerkannte Möglichkeit des Zugehörigkeitswechsels durch Beschneidung. Man konnte sich also zumindest in Judäa die Ioudaioi unabhängig von der Herkunft wenn nicht als Religions-, so doch als Tunsgemeinschaft vorzustellen. Aber um die judäische Perspektive soll es hier nicht gehen.Vgl. dazu näher Eckhardt, Ethnos (wie Anm. ),  – ;  – .  Der diplomatische Vorgang ist in Makk  belegt. Die umfangreiche Debatte um die Authentizität des Bündnisschlusses kann hier nicht nachgezeichnet werden; ich gehe von einem tatsächlichen Bündnis im Jahr  aus. Zu den Motiven siehe zuletzt Chris Seeman, Rome and Judea in Transition. Hasmonean Relations with the Roman Republic and the Evolution of the High Priesthood, New York et al. ,  – .  Dazu näher unten.Vgl. zu dieser konzeptionellen Trennung auch Sylvia Cappelletti, The Jewish Community of Rome. From the Second Century B.C. to the Third Century C.E., Leiden; Boston , .

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römischen Schutzbriefs aus der Zeit Simons (um 140 v.u.Z.), der laut Josephus an die autonomen Städte und Könige, laut 1. Makkabäer sogar an „alle Länder“ gerichtet ist, die dann exemplifiziert werden durch eine äußerst willkürlich anmutende Liste.³¹ Das Verhältnis der beiden Überlieferungen zueinander ist so umstritten wie die Authentizität; dass die in 1. Makkabäer gebotene Version eine von „Judäozentrismus“ geprägte Abwandlung eines im Kern authentischen Dekrets ist, scheint durchaus plausibel.³² Wo bei Josephus der Schutz des judäischen Gebietes und seiner Häfen eingefordert wird, fordern die Römer nach 1. Makkabäer, „ihnen [den Judäern] nichts anzutun, und nicht Krieg gegen sie, ihre Städte und ihr Land zu führen“; zudem werden die Adressaten aufgefordert, aus Judäa geflohene Verbrecher an den Hohepriester auszuliefern. Selbst in dieser – sicher nicht authentischen – Ausweitung der römischen Regelungsgewalt auf praktisch die gesamte bekannte Welt ist der ursprüngliche Fokus auf Judäa und seine territoriale Integrität noch zu erkennen. Es wäre verfehlt, die Adressatenliste als Hinweis auf judäische Gemeinden in den jeweiligen Städten, Regionen und Reichen (und folglich das Schreiben als Schutzbrief für die Diaspora) zu verstehen.³³ Nach der Eroberung Jerusalems durch Pompeius 63 v.u.Z. und speziell seit der Zeit Caesars wurden römische Autoritäten dagegen mit konkreten judäischen Bräuchen immer wieder inner- und außerhalb Judäas konfrontiert, mussten über ihre Legitimität entscheiden und ihre Durchführbarkeit garantieren. Mit der weitgehenden Vereinigung der von Judäern bewohnten Welt in einem Reich ergaben sich für beide Seiten neue Möglichkeiten und Herausforderungen.

3 Die römischen Privilegien Die wichtigsten Quellen für das Verhältnis Roms zu den Judäern finden sich in den Antiquitates des Josephus. Sie überliefern im 14. und 16. Buch eine Reihe römischer Beschlüsse, mit denen zahlreiche Probleme verbunden sind. Durchgesetzt hat sich die Ansicht, dass diese Beschlüsse in der Regel authentisch sind, auch wenn sie fragmentarisch und fehlerhaft überliefert werden und überdies unklar bleibt,

 Ios. ant. Iud. ,  – ; Makk ,  –  (dort genannt sind die Könige Demetrios, Attalos, Ariarathes und Arsakes sowie die Städte und Gegenden Sampsame, Sparta, Delos, Myndos, Sikyon, Karien, Samos, Pamphylien, Lykien, Halikarnassos, Rhodos, Phaselis, Kos, Side, Arados, Gortyn, Knidos, Zypern, Kyrene).  Vgl. Gauger, Beiträge (wie Anm. ),  – .  Richtig dazu Gauger, Beiträge (wie Anm. ),  f, mit der älteren Diskussion. Anders in neuerer Zeit wieder Pucci Ben Zeev, Jewish Rights (wie Anm. ), .

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woher Josephus sie eigentlich hat.³⁴ Die Dokumente enthalten in erster Linie Privilegien für die Judäer; interessant sind hier zunächst diejenigen, die Diasporagemeinden betreffen. Alle Privilegien werden mit den „traditionellen Sitten“ (πάτρια ἔθη) bzw. den „traditionellen Gesetzen (πάτριοι νόμοι) der Judäer begründet. Es handelt sich um ein aus der hellenistischen Kanzleisprache bestens bekanntes Konzept, das sich nicht ohne Bezug auf einen Herkunftsort, eben eine πατρίς, denken lässt. Judäergruppen in der Fremde lassen sich leicht als ethnische Gruppen mit herkunftsorientierter Rekrutierungsbasis auffassen, wie es ja zum Beispiel auch eine phönizische und eine syrische Diaspora gab, die in den Städten des Mittelmeerraums in Vereinen organisiert waren und Riten „gemäß den traditionellen Bräuchen“ durchführten.³⁵ Die Römer garantierten in ihren Antworten auf lokale Anfragen, dass auch Judäer dies tun konnten. Man muss ihnen dabei kein Interesse an der Art dieser Riten oder gar der judäischen Gottesvorstellung unterstellen. Für die Götter ihrer Untertanen interessierte sich die römische Verwaltung nicht.³⁶ Gelegentlich musste man aus steuerrechtlichen Gründen sicherstellen, dass es sich beim Empfänger der Verehrung auch tatsächlich um einen Gott handelte – paradigmatisch für einen Grenzfall ist die Debatte um den Kult des Amphiaraos in Oropos.³⁷ Wenn das aber feststand, wurde selbstverständlich davon ausgegangen, dass ein Gott auf die für ihn traditionelle Weise zu verehren war; die römische Verwaltung stellte das sicher, ohne sich dafür näher mit der Art des Kultes befassen zu müssen. Auch die Gleichsetzungen zum Beispiel des Judäergottes mit Jupiter, Dionysos oder Sabazios, also das ganze Phänomen der interpretatio Ro Zentral ist die Behandlung durch Pucci Ben Zeev, Jewish Rights (wie Anm. ). Josephus behauptet, die von ihm mitgeteilten Beschlüsse seien „noch jetzt [also um  u.Z.] im Kapitol auf bronzenen Stelen geschrieben“ und dort einsehbar (Ios. ant. Iud. , ); dass er sie selbst dort studiert hat, sagt er nicht. Da das kapitolinische Archiv offenbar  u.Z. einem Brand zum Opfer fiel und nur zum Teil von Vespasian restituiert wurde (Suet.Vesp. , ), ist mit einer tatsächlichen Verfügbarkeit der Texte vor Ort nicht zu rechnen. Plausibler erscheint daher, dass die jeweils betroffenen Diasporagemeinden selbst Kopien der Texte aufbewahrten und untereinander zirkulieren ließen; vgl. dazu Pucci Ben Zeev, ebd.,  – .  Vgl. zu diesem Phänomen Philip A. Harland, Dynamics of Identity in the World of the Early Christians, New York; London ,  – .  Vgl. zum Folgenden besonders Clifford Ando, „Die Riten der Anderen“, in: Mediterraneo Antico  (),  – .  Der Fall wird in IG VII  ( v.u.Z.) geklärt. Die Steuerpächter hatten behauptet, Amphiaraos sei kein Gott, was ihnen die Möglichkeit zur Besteuerung des als heiliger Besitz ausgewiesenen Gebietes eröffnet hätte; der Senat legte dagegen fest, dass Sullas vorgängige Entscheidung Gültigkeit habe, Amphiaraos also ein Gott und sein Besitz von der Besteuerung ausgenommen sei. Der Fall ist außergewöhnlich und noch bei Cic. nat. deor. ,  erwähnt.Vgl. Clifford Ando, The Matter of the Gods. Religion and the Roman Empire, Berkeley et al. ,  – .

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mana, war in Rom selbst eine Sache intellektueller Spekulation; mit dem tatsächlich praktizierten Kult hatte sie nur in den Provinzen zu tun, wo die Gleichsetzung von der Lokalbevölkerung, nicht von der römischen Verwaltung ausging.³⁸ Wenn man korrigierend eingriff, wie beim Bacchanalienskandal 186 v.u.Z. oder auch bei den verschiedenen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Isiskultes in Rom, ging es um die Organisation und die Entpolitisierung von Kult, nicht um Kultverbote.³⁹ Man macht es sich dennoch zu einfach, wenn man im Anschluss an solche Überlegungen die römischen Privilegien für die Judäer als in Form und Inhalt vollkommen gewöhnlich bewertet.⁴⁰ Eine Reihe von Regelungen ist zumindest in ihren Implikationen durchaus unüblich, so etwa die Erlaubnis, am Sabbat nicht vor Gericht erscheinen zu müssen.⁴¹ Die Parallelen, die man dafür angeführt hat, überzeugen nicht. Die Anerkennung eines Feiertags in Ephesos ist nicht vergleichbar mit der Anerkennung des Feiertags einer spezifischen Gruppe innerhalb einer Stadt, und auch die Regelung im Stadtgesetz von Irni, dass an Feiertagen kein Gericht stattfinden solle, weist keine „striking similarity“ zu den Regelungen für die Judäer auf.⁴² Dass an einem offiziellen Feiertag keine Gerichtssitzungen stattfanden, war eine in Rom auch sonst übliche Regelung, kann also auch in der lex Irnitana nicht überraschen; bei den Privilegien für judäische Gemeinden geht es aber ja gerade darum, dass Gerichtssitzungen zwar stattfinden, eine bestimmte Bevölkerungsgruppe aber an bestimmten Terminen – ihren eigenen Feiertagen – nicht gezwungen werden kann, zu erscheinen. Die Gerichte, die hier im Blick sind, sind in diesen konkreten Regelungen wohl ausschließlich römische Gerichte; sie nehmen also nur diejenigen Fälle in den Blick, in denen ein lokaler Rechtsstreit per vadimonium an den Prokonsul überwiesen wurde.⁴³ Bereits dafür gibt es al-

 Zur interpretatio Romana vgl. Ando, The Matter (wie Anm. ),  – . Identifikation des judäischen Gottes mit Jupiter: Varro frg.  Condemi; mit Jupiter Sabazius: Val. Max. , , ; mit Dionysos: Tac. hist. , , ; Plut. Symp. C-B.  Liv. ,  – ; CIL I² . Vgl. John A. North, „Religious Toleration in Republican Rome“, in: Proceedings of the Cambridge Philological Society N.S.  (),  – , hier  f.  So aber Pucci Ben Zeev, Jewish Rights (wie Anm. ),  – .  Ios. ant. Iud. ,  ( v.u.Z.),  ( v.u.Z.).  So aber Pucci Ben Zeev, Jewish Rights (wie Anm. ),  – . Die Texte sind I. Ephesos , Z.  –  und AE ,  § .  So die grundsätzlich überzeugende Erklärung von Anne-Valérie Pont, „‚Ne pas promettre de caution le jour de sabbat‘“ (ἐγγύας μὴ ὁμολογεῖν): Flavius Josèphe, Antiquités juives, XVI  et  à la lumière des sources épigraphiques“, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik  (),  – , die für ἐγγύας μὴ ὁμολογεῖν auf I. Aphrodisias  ., Z.  f verweist (μήτε ἐνγύην ε[ἰς ῾Ρώμην ἐντὸς τ]ῶν ὅρων ἐκείνων τινὰ ὁμολ[ο]γεῖν τινι ἢ [κ]αὶ κελεύειν ὁμολογεῖν).Vgl. aber die folgende Anmerkung.

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lerdings keine Parallele; ein etwas früher belegter Fall legt zudem nahe, dass die Judäer in Einzelfällen auch lokale Gerichtsverfahren unter Hinweis auf den Sabbat zu vermeiden suchten.⁴⁴ Auch das Recht, nicht zum Militärdienst herangezogen zu werden (weil man im Feld Sabbat und Speisegebote nicht einhalten kann),⁴⁵ bezieht sich zwar auf ein altes Problem. Bereits Antiochos VII. soll auf seinem Partherfeldzug, bei dem ihn Hyrkanos I. mit judäischen Truppen unterstützte, zwei Tage lang am Lykos gestanden haben „wegen eines gewissen traditionellen Festes, an dem es den Judäern nicht erlaubt ist, auszuziehen“.⁴⁶ Aber dass deshalb die Judäer in Ephesos, Delos und anderswo keinen Kriegsdienst leisten müssen, ist ein ungewöhnliches Zugeständnis, das sonst nur in wenigen Fällen begegnet. Die dionysischen Techniten erhielten es schon in hellenistischer Zeit von der delphischen Amphiktyonie, später dann auch von römischen Machthabern;⁴⁷ Käufer von Priestertümern im hellenistischen Kos konnten mit einer Befreiung vom Militärdienst außerhalb der koischen Grenzen rechnen;⁴⁸ auch römische Auguren, Pontifices und

 Ios. ant. Iud. , : Zu den Vorwürfen der ionischen Judäer gehört im Jahr  v.u.Z., dass ihre griechischen Nachbarn κἀν ταῖς ἑορταῖς ἄγοντες ἐπὶ δικαστήρια καὶ πραγματείας ἄλλας, οὐ κατὰ χρείαν τῶν συναλλαγμάτων, ἀλλὰ κατ̓ ἐπήρειαν τῆς θρησκείας. Die δικαστήρια sind sicher die städtischen Gerichte. Wenn das Agrippadekret ant. Iud. ,  tatsächlich auf die  v.u.Z. vor Agrippa und Herodes erhobenen Forderungen reagiert (vgl. Pucci Ben Zeev, Jewish Rights [wie Anm. ],  –  und unten Abschnitt ), muss man aufgrund der oben genannten Erklärung von ἐγγύας μὴ ὁμολογεῖν davon ausgehen, dass den judäischen Forderungen (anders als ant. Iud. ,  suggeriert) nur teilweise entsprochen wurde: Das Problem, dass böswillige Griechen die Judäer gezielt am Sabbat vor die Dikasterien laden konnten, wurde durch eine Regel zum vadimonium nicht behoben. Rom regelte die Frage also nur in Bezug auf die eigene Gerichtsbarkeit, ohne in diesem Fall in die Jurisdiktion der Städte einzugreifen.  Ios. ant. Iud. ,  – ,  – , ,  – ,  – . Vgl. die Diskussion bei Schuol, Augustus (wie Anm. ),  – .  Nikolaos von Damaskus, FGrHist II A , F .  CID IV ,  – ; , B ; RDGE , B  – ; , ; vgl. zu ihren Privilegien insgesamt Sophia Aneziri, Die Vereine der dionysischen Techniten im Kontext der hellenistischen Gesellschaft. Untersuchungen zur Geschichte, Organisation und Wirkung der hellenistischen Technitenvereine, Stuttgart ,  – .  IG XII , , Z.  f; , Z. ; , Z. ; vgl. zu den Verkaufsurkunden und den Privilegien für Käufer Hans-Ulrich Wiemer, „Käufliche Priestertümer im hellenistischen Kos“, in: Chiron  (),  – . Abgesehen von den expliziten Belegen ist davon auszugehen, dass in der auf Kos und auch sonst (für Wohltäter) gelegentlich gebrauchten Bezeichnung ἀλειτούργητος auch die Freistellung von militärischen Pflichten enthalten war. Dafür spricht eine Formulierung des Mithridates VI. in einer Inschrift aus Phanagoria (/ v.u.Z.), in der Privilegien für Söldner versprochen werden: ἀλε[ι]τούργητοι παντὸς πράγματος πλὴν πα[νδή]μου στρατείας (SEG ,, Z.  – ).

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andere Kultfunktionäre mussten nicht ins Feld ziehen⁴⁹ – immer geht es um religiöse Praxis, immer aber auch um Gruppen oder Individuen, die im Rahmen städtischer Kulte ihren Aufgaben nachkommen. Sowohl bei den Techniten als auch bei den koischen Priestern ist zudem die ἀστρατεία nur eins von mehreren Privilegien, die eine ehrenhafte Sonderstellung demonstrieren. Bei den Judäern wird sie δεισιδαιμονίας ἕνεκα begründet, „wegen ihrer Gottesfurcht“.⁵⁰ Ethnische Gruppen hatten ihre religiösen Traditionen; diejenigen der Judäer aber erforderten eine tatsächliche Sonderstellung, die sich durch die genannten Parallelen kaum relativieren lässt. Noch ein weiterer Punkt verdient Beachtung, nämlich die reichsweite Wirkung, die römische Dekrete für die Judäer offenbar entfalteten. Es ist seit der grundlegenden Arbeit von Tessa Rajak üblich, in der Erteilung von Privilegien für Judäer lokal und zeitlich begrenzte Vorgänge zu sehen, die überdies nicht sehr effektiv waren, da die Römer in einigen Städten mehrmals eingreifen mussten.⁵¹ Man kann heute sicherlich nicht mehr von einer Magna Charta für die Juden sprechen, oder gar vom Judentum als „Ferment des Kosmopolitismus und der nationalen Decomposition“, das Caesar zur Schaffung eines Einheitsstaates instrumentalisieren wollte und deshalb dauerhaft im ganzen Reich privilegierte.⁵²  Vgl. die Belege bei Jörg Rüpke, Domi militiae. Die religiöse Konstruktion des Krieges in Rom, Stuttgart ,  – .  Wohl nicht: „Wegen ihres Aberglaubens“, obwohl auch dies eine mögliche Übersetzung wäre. Vgl. zum Begriff δεισιδαιμονία bei Josephus Benedikt Eckhardt, „Martyrdom and the Opposition to Herod the Great“, in: Baslez / Munnich (Hgg.), La mémoire (wie Anm. ),  – , hier  mit Anm. . Er wird in Inschriften nur sehr selten verwendet; im Kontext römischer Privilegien begegnet er meines Wissens nur in I. Aphrodisias  ., Z.  (spätere Abschrift eines auf /  v.u.Z. zu datierenden Dokuments). Der Sinn dort ist ein anderer: Das örtliche Heiligtum der Aphrodite soll Asylrecht „mit demselben Recht und derselben δεισιδαιμονία“ erhalten wie das Heiligtum der Artemis in Ephesos; als Übersetzung bietet sich „sanctity“ (so I. Aphr.) durchaus an.  Tessa Rajak, „Was There a Roman Charter for the Jews?“, in: Journal of Roman Studies  (),  – .  Die Bezeichnung als „Magna Charta“ geht zurück auf Benedictus Niese, „Bemerkungen über die Urkunden bei Josephus Archaeol. B XIII. XIV. XVI.“, in: Hermes  (), : „Das Senatsconsult ist offenbar eine Magna Charta Judäas gewesen“. Niese bezog die Formulierung also auf Judäa selbst; in der Rezeption wurde daraus jedoch mehr.Vgl. nur Hermann Vogelstein / Paul Rieger, Geschichte der Juden in Rom. Bd. :  v. Chr. –  n. Chr., Berlin , : Die Dekrete „schufen die staatsrechtliche Grundlage für die Behandlung der Juden, an welcher man bis zum Siege des Christentums kaum jemals gerüttelt hat; man hat sie mit Recht als die Magna Charta der Juden bezeichnet“ (mit Verweis auf Niese, der sie aber so nie bezeichnet hatte); wirkmächtig dann Jean Juster, Les juifs dans l’empire romain. Leur condition juridique, économique et sociale, Bd. , Paris ,  – : „Hyrcan II obtient de César, pour les Juifs de l’Empire, une véritable Magna Charta garantissant leurs privilèges“; vgl. noch Helmut Castritius, „Die Haltung Roms gegenüber den Juden in der ausgehenden Republik und der Prinzipatszeit“, in: Thomas Klein / Volker Lo-

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Aber eine rein lokale Gültigkeit der Dekrete ist nicht der Eindruck, den die Sammlung des Josephus vermittelt. Zum einen kann man daraus, dass die Römer die Privilegierung von Judäern notfalls auch mehrmals und gegen lokalen Widerstand durchsetzten, nicht auf mangelnde Durchsetzungsfähigkeit schließen: Rom garantierte gerade durch wiederholte Intervention, dass die gewährten Rechte nicht angetastet wurden.⁵³ Zum anderen nahmen die Regelungen sehr früh dadurch einen translokalen Charakter an, dass man sich anderswo auf sie als Präzedenzfälle berief und dies auch funktionierte. Die Militärbefreiung für die Judäer von Ephesos gilt in einem anderen Dekret auf einmal für ganz Asia, in wieder einem anderen wird eine entsprechende Regelung für die Judäer auf Delos mit dem Verweis auf den Ephesos-Beschluss getroffen.⁵⁴ Auch die Regelung zum Sabbat findet sich zu oft, als dass man annehmen könnte, jede Judäergemeinde sei von sich aus darauf gekommen, diese doch sehr ungewöhnliche Anfrage zu stellen. Zwar schreibt dann erst Claudius ausdrücklich mit einem Geltungsanspruch für alle Judäer im römischen Reich (allerdings in einem Text, dessen Authentizität unsicher ist).⁵⁵ Doch die translokale Verwendung bereits der spätrepublikanischen Dekrete bleibt als Besonderheit festzuhalten. Ließ sich diese Dynamik, die die Privilegien für die Judäer sicher ungeplant entfalteten, noch in einem ethnischen Rahmen verarbeiten, oder brauchte man bereits Religion als ein davon klar unterschiedenes Bezugsystem? Man muss wohl

semann / Gunther Mai (Hgg.), Judentum und Antisemitismus von der Antike bis zur Gegenwart, Düsseldorf ,  – , hier : „eine Art Charta der Rechte der Juden“. Das Zitat zum „Ferment“ bei Theodor Mommsen, Römische Geschichte. Bd. : Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus, Berlin . Aufl. , ; zur von Mommsen nie intendierten Karriere als antisemitischer Slogan vgl. Hoffmann, Juden (wie Anm. ),  – .  Die Frage der tatsächlichen Durchsetzung etwa der Sabbatruhe lässt sich indes allein mit normativen Texten kaum erhellen. Nur eine größere Anzahl datierter Dokumente aus einer judäischen Gemeinde könnte darüber Aufschluss geben; eine derartige Quellenlage ist für alle hier behandelten Städte utopisch. Sie liegt allerdings vor im ägyptischen Edfu. Anhand von Steuerbelegen aus den Jahren  –  u.Z. lässt sich dort zeigen, dass römische Steuereinnehmer keine Rücksicht auf den Sabbat nahmen (also am Sabbat genauso wie an anderen Wochentagen judäische Steuern einzogen), die Judäer jedoch da, wo sie die Steuereinziehung selbst verwalteten (nämlich bei der von Judäern zu zahlenden Sonderabgabe), den Sabbat einhielten; vgl. die Analyse von Willy Clarysse / Sofie Remijsen / Mark Depauw, „Observing the Sabbath in the Roman Empire: a Case Study“, in: Scripta Classica Israelica  (),  – . Da die Belege sämtlich in eine Zeit fallen, in der die Judäer vom Verbündeten zum unterworfenen Feind der Römer geworden waren, ist der ebd., , vorgenommene Kontrast zur von Philo und Josephus für die republikanische und augusteische Zeit geschilderten Situation allerdings wenig aussagekräftig.  Ios. ant. Iud. , ; , .  Ios. ant. Iud. , .Vgl. Rajak, „Was there“ (wie Anm. ), ; Pucci Ben Zeev, Jewish Rights (wie Anm. ),  – . Der Brief betrifft Ἰουδαίους τοὺς ἐν παντὶ τῷ ὑφ̓ ἡμᾶς κόσμῳ.

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annehmen, dass Judäergruppen das herkömmliche Verständnis von Diasporagruppen vor große Herausforderungen stellten. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie es sprengten. Eher wird man eine schrittweise Ausdehnung und Anpassung bestehender Deutungsmuster postulieren können. Zu einfach erscheint jedenfalls ein übliches Argumentationsschema, das auf die angebliche römische Staatsraison zurückgeht. Die Bewahrung der Religionsfreiheit fordert demnach solche Exemtionen; wenn man sie den Juden gewährt, ist klar, worauf man sich einlässt.⁵⁶ Aber Religionsfreiheit als abstraktes Gut gab es nicht; eher sollte man davon ausgehen, dass die Römer zunächst ein übliches Zugeständnis an ethnische Gruppen machten, ohne zu wissen, was für Probleme sich aus diesen speziellen „traditionellen Gesetzen“ ergeben könnten, und dann auf jede Anfrage hin immer wieder neu abwogen, welcher Schaden größer wäre: Entzug des Rechts auf Gebrauch der eigenen Riten in diesem oder jenem Punkt (bei aller Unsicherheit, die mit einer solchen Änderung kultischer Verhältnisse aus römischer Sicht stets einherging), oder die Freistellung einer letztlich überschaubaren Gruppe von Menschen von einigen bürgerlichen Pflichten.⁵⁷

4 Gab es reichsweite Judenbeauftragte? Einzuschieben ist hier ein Thema, das mit der Privilegierung von Judäern mittelbar zusammenhängt, nämlich die Frage, ob es in spätrepublikanischer und augusteischer Zeit offizielle Beauftragte für das römisch-judäische Verhältnis gegeben hat. Für das Kategorisierungsproblem hat man solchen Figuren zuletzt große Bedeutung beigemessen. So sieht Nadav Sharon in der Erfindung des Titels „Ethnarch der Ioudaioi“, mit dem Caesar 47 v.u.Z. Hyrkanos II. zum Repräsentanten aller Juden im Reich gemacht habe, einen deutlichen Beleg dafür, dass die Römer dieses Ethnos ganz bewusst als Religion wahrgenommen hätten – weshalb man auch „Jude“ übersetzen müsse, nicht „Judäer“.⁵⁸ In ähnlicher Weise hat Ernst Baltrusch aus seiner Rekonstruktion der Stellung des Herodes als Mittler zwischen dem Gesamtjudentum und Rom den Schluss gezogen, dass es – gegen Rajak –

 So Castritius, „Die Haltung“ (wie Anm. ), .  Man darf nicht vergessen, dass die Militärbefreiung die einzige Regelung ist, die konkret römische Interessen betrifft; gerade sie konnte sich aber nur auf Judäer beziehen, die das römische Bürgerrecht erworben hatten.  Nadav Sharon, „The Title Ethnarch in Second Temple Period Judea“, in: Journal for the Study of Judaism  (),  – .

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eben doch eine „Roman Charter for the Jews“ gegeben habe.⁵⁹ Diese Ergebnisse betreffen die hier angestellten Überlegungen unmittelbar; sie sind daher kurz zu überprüfen. Ob zu den Privilegien, die der Hohepriester Hyrkanos II. für seine militärische Hilfeleistung bei Caesars Ägyptenfeldzug erhielt, auch der Ethnarchentitel gehörte, ist nicht ganz klar. Meist wird eine Verleihung bereits durch Pompeius 63 v.u.Z. angenommen; erwähnt wird der Titel aber tatsächlich erst für das Jahr 47.⁶⁰ Gegen Ende des Dekrets heißt es: „Was immer es nach ihren eigenen Gesetzen für hohepriesterliche Privilegien gibt, das sollen nach meinem Befehl Hyrkanos und seine Kinder besitzen. Und wenn unterdessen eine Frage hinsichtlich der Lebensführung der Judäer entsteht, so ist es mir Recht, dass die Entscheidung bei ihnen liegt“.⁶¹

Nadav Sharon postuliert, dass mit „ihnen“ (αὐτοῖς) Hyrkanos und seine Söhne, „the ethnarchs“, gemeint sind. Mit der Formulierung zur judäischen Lebensführung habe Caesar explizit einen nichtterritorialen Autoritätsanspruch der von ihm speziell für diesen Zweck geschaffenen Ethnarchie definiert. Das zeige einen „innovative and new view of the Jewish people – not as a people of a certain country, but rather as a non-territorial entity“.⁶² Diese Entität ist laut Sharon eine Religion. Hyrkanos war demnach Inhaber einer neuen, nicht auf Territorium, sondern auf Religionsangehörige im ganzen Reich bezogenen Form von Autorität, die man aufgrund der besonderen Natur der Juden erfinden musste. Die Rekonstruktion hat jedoch Schwachstellen. Sharon eliminiert alle Belege für vorcaesarische Ethnarchen in Judäa,⁶³ weil es sich um späte Übersetzungen aus dem Hebräischen handle. Er geht aber nicht ernsthaft auf die Frage ein, was im Hebräischen zu Grunde gelegen haben könnte. Tatsächlich spricht jedoch viel dafür, dass ἐθνάρχης τῶν Ἰουδαίων eine genaue Übersetzung von roš ḥeḇer hajjehudim ist, also des Titels, den bereits Hyrkanos I. (135 – 104 v.u.Z.) auf Münzen verwendet hat.⁶⁴ Die Römer führten demnach eine nichtkönigliche Titulatur

 Ernst Baltrusch, „Herodes, Rom und die jüdische Diaspora“, in: Linda-Marie Günther (Hg.), Herodes und Jerusalem, Stuttgart ,  – ; ders., Herodes. König im Heiligen Land, München ,  – .  Vgl. zu den Regelungen Eckhardt, Ethnos (wie Anm. ),  – .  Ios. ant. Iud. , .  Sharon, „The Title“ (wie Anm. ), .  Besonders Simon nach Makk , ; ,  f.  So schon Eberhard Nestle, „‫ = חבר‬ἔθνος“, in: Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft  (),  – . Ein dort genanntes und m. E. zu Unrecht in Vergessenheit geratenes Argument (neben den einschlägigen Passagen in Makk) ist der Hinweis auf Hiob , , wo

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wieder ein, die es in Judäa längst gab. Und auch die Textinterpretation bereitet Probleme. Das αὐτοῖς bezieht sich doch eher auf die Judäer als auf Hyrkanos und seine Söhne; es wird also die innere Autonomie Judäas betont, nicht eine reichsweite religionsrechtliche Kompetenz des Ethnarchen. Unmittelbar auf diesen Satz folgt das Verbot römischer Winterlager in Judäa. Die Idee, Hyrkanos sei von Caesar zum offiziellen Vertreter und obersten Richter aller Judäer im Reich gemacht geworden, ist allerdings verbreitet⁶⁵ und kann sich noch auf einen weiteren Text berufen, nämlich auf das von Josephus anschließend mitgeteilte Senatus Consultum, das anscheinend Caesars Dekret ratifiziert hat.⁶⁶ Es heißt dort, dass Hyrkanos als Hohepriester und Ethnarch Beschützer der „ungerecht Behandelten“ sein solle. In diesen ἀδικούμενοι muss man jedoch keine Diasporajudäer sehen.⁶⁷ Der Kontext spricht von Herrschaft über Judäa, von Landbesitz in Judäa, von einer Gesandtschaft nach Judäa – auch die „ungerecht Behandelten“ dürften sich konkret in Judäa finden. Gewiss hat Hyrkanos in mindestens zwei Fällen bei römischen Beamten zugunsten von kleinasiatischen Diasporagemeinden interzediert. Der erste bekannte Fall betrifft Laodikeia: Rabirius berichtet in seiner Entscheidung für die dort ansässige Judäergemeinde explizit, die Gesandtschaft des Hyrkanos habe ihm Schriftstücke vorgelegt, die sich auf das Ethnos der Judäer bezogen.⁶⁸ Das muss aber nicht mehr bedeuten, als dass man sich auf Präzedenzfälle berief – auf die Caesardekrete oder auf Regelungen für andere Diasporagemeinden. Der ganze Vorgang lässt sich plausibel so rekonstruieren, dass sich die Judäer dieser Gegend an Hyrkanos als einen Zugang zum römischen Netzwerk wandten und dieser dann bei Rabirius auf frühere römische Entscheidungen in vergleichbaren Fällen verwies; man muss nicht annehmen, dass Hyrkanos eine speziell zu diesem Zweck erfundene juristische Stellung innehatte.⁶⁹

„Freunde“ (ḥabarim) in der Übersetzung der Septuaginta zu „Völkern“ (ἔθνη) werden, was eine gewohnheitsmäßige Übersetzung von ḥeḇer mit ἔθνος vorauszusetzen scheint.  Vgl. als Beispiele aus der jüngeren Forschung nur Chiara de Filippis Cappai, IVDAEA. Roma e la Giudea dal II secolo a.C. al II secolo d.C., Alessandria ,  f; Gilbert Labbé, L’Affirmation de la puissance romaine en Judée ( a.C. –  p.C.), Paris , ; Eyal Regev, The Hasmoneans. Ideology, Archaeology, Identity, Göttingen , .  Ios. ant. Iud. ,  – ; vgl. zur Ratifizierung Pucci Ben Zeev, Jewish Rights (wie Anm. ),  f.  Der Satz lautet in , : καὶ ὁ ἀρχιερεὺς αὐτὸς καὶ ἐθνάρχης τῶν ᾽Ιουδαίων προϊστῆται τῶν ἀδικουμένων. Das τῶν ᾽Ιουδαίων könnte man zu ἐθνάρχης ebenso ziehen wie zu ἀδικουμένων.  Ios. ant. Iud. , : γράμματα […] περὶ τοῦ ἔθνους αὐτῶν γεγραμμένα.  Zur Bedeutung von Eliten als Makler von Netzwerkkontakten vgl. Avi Avidov, Not Reckoned Among Nations. The Origin of the So-Called „Jewish Question“ in Roman Antiquity, Tübingen ,  – ,  – .

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Das gilt auch für den späteren (bei Josephus allerdings eher angeführten) Fall der Judäer Asias. Hyrkanos bittet Dolabella um deren Befreiung vom Militärdienst und nennt hier die Judäer seine „Mitbürger“ (πολῖται), was für manche Diskussion gesorgt hat.⁷⁰ Gerade die betont personalisierte Bezeichnung ist m. E. ein Indiz dafür, dass die dortigen Judäer eben nicht schon durch das Caesardekret formal unter die Autorität des Hyrkanos gestellt worden waren. Vielmehr bat er unter Verweis auf seine eigene, privilegierte Position Dolabella darum, Menschen, die ihm nahestanden, zu begünstigen. Die Möglichkeit, für die „eigenen Mitbürger“ bei römischen Machthabern unter Einsatz persönlicher Kontakte Privilegien zu erwirken, stand geehrten Wohltätern generell offen, ohne dass sie sich dafür auf ein verbrieftes Recht berufen konnten. Dolabella beruft sich bei seiner Entscheidung auch nicht auf die Autorität des Hyrkanos, sondern auf die früheren Provinzverwalter, macht also deutlich, dass er lediglich einen früheren Zustand wieder herzustellen gedenkt. Eine formale Kompetenz des Hyrkanos für Diasporaangelegenheiten lässt sich mit diesen Episoden kaum belegen.⁷¹ War das unter Herodes anders? Eine Intervention des Königs für Diasporajudäer ist nur in einem Fall belegt.⁷² Sein Eintreten bei Agrippa 14 v.u.Z. zugunsten der ionischen Judäer wird bei Josephus breit ausgeführt: Auf der gemeinsamen Reise mit Agrippa trat eine Gesandtschaft der Judäer an Herodes heran und berichtete „von der schlechten Behandlung, die sie erlitten hatten, da ihnen nicht erlaubt wurde, die eigenen Gesetze zu gebrauchen, und sie gezwungen wurden, an den heiligen Tagen vor Gericht zu erscheinen“; weitere Beschwerden beziehen sich auf ein Verbot, das Geld für die Tempelsteuer nach Jerusalem zu schicken, und auf die Verpflichtung zur Teilnahme an Militärdienst und bürgerlichen Dienstleistungen (λειτουργίαι). All dies widerspreche dem von den Römern zugesicherten Recht auf Gebrauch der eigenen Gesetze.⁷³ Es folgt die große Rede des Nikolaos von Damaskus, die er im Auftrag des Herodes hält und die Agrippa dazu bewegt, den judäischen Forderungen nachzugeben.⁷⁴

 Ios. ant. Iud. , . Μarcus (LCL) übersetzt „co-religionists“.Vgl. zur Debatte Pucci Ben Zeev, Jewish Rights (wie Anm. ),  f.  Dass Caesars Dekret selbst in einer Kopie an Sidon erhalten ist (Ios. ant. Iud. , ), beweist natürlich nichts, auch wenn man daran immer wieder Theorien über einen jüdischen Konflikt in Sidon geknüpft hat, den Hyrkanos habe lösen sollen. Es handelt sich um den üblichen Vorgang der Aufnahme von Beschlüssen in die Archive größerer Nachbarstädte.  Anders etwa Seth Schwartz, Imperialism and Jewish Society,  B.C.E. –  C.E., Princeton , : „Herod made a practice of intervening with imperial officials on behalf of […] Jewish communities“.  Ios. ant. Iud. ,  f.  Ios. ant. Iud. ,  – .

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Zu allgemeine Schlüsse sollte man aus dieser Episode nicht ziehen. Der ganze Vorgang war wesentlich von der Situation bestimmt, dass eben Herodes mit Agrippa gerade durch Kleinasien reiste und dabei für diverse, auch nichtjudäische Bittsteller bei Agrippa ein gutes Wort einlegte.⁷⁵ Herodes inszenierte sich als Wohltäter in hellenistischer Tradition, der zugleich seine Nähe zu Rom (personifiziert durch Agrippa, den zweiten Mann im Reich) demonstrierte.⁷⁶ Agrippa entscheidet nach Josephus ausdrücklich aufgrund der Freundschaft zu Herodes – diese Begründung galt gewiss in allen Fällen, nicht nur bei den ionischen Judäern. Er stellt auch nicht in Aussicht, dass sich die Judäer künftig immer wieder über Herodes als Mittler an ihn wenden sollen.⁷⁷ Natürlich lag es für die ionischen Judäer nahe, über Herodes Zugang zum römischen Patronagenetzwerk zu erhalten, aber sie kamen offenbar erst darauf, als Herodes ohnehin in der Gegend war. Weitere Interventionen des Herodes für Diasporajudäer sind nicht überliefert. Bei Josephus folgen zwar einige Dekrete aus augusteischer Zeit, die vor allem die Erlaubnis zur Ausführung der Tempelsteuer regeln, aber keines davon nennt Herodes, eines hingegen sogar ausdrücklich die Verdienste des Hyrkanos, der seit fast 20 Jahren tot, nämlich auf Befehl des Herodes hingerichtet worden war.⁷⁸ Herodes und später die Herodianer als „Wissensspeicher“ in Bezug auf judäische Fragen zu bezeichnen, ist sicher angemessen, aber dass Agrippa Herodes zum offiziellen Repräsentanten Roms mit der Funktion einer „politischen Instanz für das Zusammenleben von Juden und Polisbürgern“ machte, lässt sich nicht zeigen.⁷⁹ Die zitierten Positionen Baltruschs und Sharons beruhen letztlich auf der Vorstellung eines Weltjudentums, das sich von allen anderen bekannten Phänomenen der römischen Welt unterscheidet, überall gleich funktioniert und den Römern auch überall dieselben Probleme bereitet. Diese Ausgangslage soll die vermeintliche Einsetzung offizieller „Judenbeauftragter“ wie Hyrkanos oder Herodes erklären. Tatsächlich tauchen in den bei Josephus überlieferten Dokumenten dieselben Streitfragen mehrfach auf. Daraus folgt aber weder die formale

 Ios. ant. Iud. , .  Richtig dazu Erich S. Gruen, „Herod, Rome, and the Diaspora“, in: David M. Jacobson / Nikos Kokkinos (Hgg.), Herod and Augustus, Leiden; Boston ,  – , bes.  – .  So aber Baltrusch, „Herodes“ (wie Anm. ),  mit Hinweis auf Ios. ant. Iud. , . Zur Übersetzung der Stelle vgl. Eckhardt, Ethnos (wie Anm. ),  Anm. .  Ios. ant. Iud. ,  –  (Hyrkanos wird erwähnt in ). Es ist problematisch, einen eindeutigen Bezug der Dekrete zu Herodes allein aus ihrer narrativen Einbettung bei Josephus zu erschließen; so aber Baltrusch, „Herodes“ (wie Anm. ), ; ders., Herodes (wie Anm. ), .  So aber Baltrusch, „Herodes“ (wie Anm. ), ; ders., Herodes (wie Anm. ),  f.Vgl. auch Schuol, Augustus (wie Anm. ),  – .

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Zuständigkeit eines Judäers, noch lässt sich damit die Kategorisierung als Religion und nicht als Volk begründen. Aus römischer Sicht hatte jedes Volk, jedes Gemeinwesen seine eigenen Kultregeln und Rituale. Sua cuique civitati religio, heißt es bei Cicero.⁸⁰ Die religio der Judäer mag öfter als andere Anlass zu Interventionen gegeben haben, doch das ist kein Grund, für sie eine konzeptionelle Ausnahmestellung zu beanspruchen. Judäergruppen traten der römischen Verwaltung als ein ungewöhnlich gut verknüpftes Netzwerk privater Vereinigungen auf ethnischer Grundlage gegenüber, das auf Judäa als Heimat verwies und von dort Unterstützung erfahren konnte.

5 Vereinsrecht und Diasporagemeinden Die Kategorisierung von Diasporagemeinden als Vereine ist in der jüngeren Forschung etwa zur Struktur der frühen Synagoge zu neuer Prominenz gelangt.⁸¹ Mit Blick auf die römische Zeit verbinden sich damit weitergehende Fragen, insbesondere zum römischen Vereinsrecht. Gerade in der Zeit der späten Republik und des frühen Prinzipats war das Vereinswesen strengen Regulierungen unterworfen. Bereits Caesar hatte – in Reaktion auf die politische Instrumentalisierung der collegia insbesondere durch Clodius Pulcher – alle Vereine mit Ausnahme der „von alters her bestehenden“ verboten; Augustus ist ihm darin offenbar gefolgt.⁸² Für die Judäer hat bereits die ältere Forschung einen in den Digesten erhaltenen Satz Marcians in Anspruch genommen, der nach einer verbreiteten Auffassung die Bildung spezifisch religiöser Vereine erlaubt: „Aber um der Götterverehrung wegen zusammenzukommen, ist ihnen nicht verboten, solange nur dadurch nicht gegen den Senatsbeschluss gehandelt wird, mit dem unerlaubte collegia verhindert werden“.⁸³

 Cic. Flacc. .  Peter Richardson, „Early Synagogues as Collegia in the Diaspora and Palestine“, in: John S. Kloppenborg / Stephen G. Wilson (eds.), Voluntary Associations in the Graeco-Roman World, London; New York ,  – ; Philip A. Harland, Associations, Synagogues, and Congregations. Claiming a Place in the Ancient Mediterranean World, Minnearpolis ; John M. G. Barclay, „Money and Meetings: Group Formation among Diaspora Jews and Early Christians“, in: Andreas Gutsfeld / Dietrich-Alex Koch, Vereine, Synagogen und Gemeinden im kaiserzeitlichen Kleinasien, Tübingen ,  – ; Miriam Ben Zeev, „Roman Law and the Jews.  –  BCE“, in: Athenaeum  (),  – , hier  – .  Suet. Iul. ; Suet. Aug. ; vgl. zuvor bereits den Senatsbeschluss von  v.u.Z. und seine Aufhebung durch Clodius  v.u.Z.: Ascon. Pis.  –  (p.  Clark).  Dig. , , , : Sed religionis causa coire non prohibentur, dum tamen per hoc non fiat contra senatus consultum, quo illicita collegia arcentur.

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Die Auslegungsgeschichte dieses Satzes ist zu komplex, um sie hier nachzuzeichnen.⁸⁴ Wichtig sind hier nur zwei Dinge: 1.) Der Text Marcians stammt in dieser Form erst aus dem 3. Jahrhundert u.Z.,⁸⁵ darf also zur Erklärung des „römisch-jüdischen Verhältnisses“ in der späten Republik ebenso wenig herangezogen werden wie das im römischen Recht überhaupt nicht belegte Schlagwort religio licita. ⁸⁶ 2.) Es geht nicht um die Bildung spezifisch religiöser Vereine oder gar um die Garantie allgemeiner Religionsfreiheit.⁸⁷ Die Ausübung eines gemeinsamen Kultes kennzeichnete jede nur denkbare (berufliche, politische, ethnische) Form privater Vergemeinschaftung, war also als Unterscheidungskriterium nicht geeignet; da zudem religio nicht allgemeingültig definiert war, konnte nach wie vor jede be-

 Grundlegend dazu und zur tatsächlichen Bedeutung Andreas Bendlin, „‚Eine Zusammenkunft um der religio willen ist erlaubt …‘? Zu den politischen und rechtlichen Konstruktionen von (religiöser) Vergemeinschaftung in der römischen Kaiserzeit“, in: Hans G. Kippenberg / Gunnar F. Schuppert (Hgg.), Die verrechtlichte Religion. Der Öffentlichkeitsstatus von Religionsgemeinschaften, Tübingen ,  – .  Unnötig erscheint die Annahme, der religionis causa-Satz sei erst im Zuge der justinianischen Redaktion der Digesten ( u.Z.) anstelle eines ursprünglichen funeris causa in den Text gelangt; so aber Francesco M. de Robertis, „Causa funeris – causa religionis: le comunità cristiane tra normativa statale e messaggio evangelico (a proposito di D. ,,)“, in: Studia et documenta historiae et iuris  (),  – . – Zwei Argumente können sogar dazu führen, den Ursprung der religionis causa-Formulierung deutlich früher anzusetzen. Zum einen enthält ein neues Inschriftenfragment aus Ostia Bruchstücke einer Vereinsregelung Hadrians aus dem Jahr  u.Z.; in Z. a  steht [– – – c]ausa stipem menstruam conferre. Man könnte durchaus an [religionis c]ausa denken, zumal der Rest des Satzes eine genaue Parallele in einer Formulierung Marcians findet (Dig. , ,  pr: sed permittitur tenuioribus stipem menstruam conferre). Die Herausgeber der Inschrift haben sich dagegen für [funeris] causa, „des Begräbnisses wegen“, entschieden: Nicolas Laubry / Fausto Zevi, „Inscriptions d’Ostie et phénomène associatif dans l’empire romain: nouveaux documents et nouvelles considérations“, in: Archeologia Classica  (),  – , hier . Zum anderen ist auf die oben genannte Formulierung δεισιδαιμονίας ἕνεκα hinzuweisen. Sie ist zwar insofern suspekt, dass sie epigraphisch nie belegt ist und also ausschließlich in den judäischen Urkunden bei Josephus auftaucht. Es ist aber kaum zu übersehen, dass es sich um eine exakte griechische Wiedergabe des lateinischen religionis causa handelt. Die analogielose griechische Formulierung könnte demnach aus der Übersetzung eines lateinischen terminus technicus resultieren. Das kann zwar nicht die Authentizität beweisen, aber auch eine eventuelle Fälschung würde die Existenz einer religionis causa-Klausel bereits im . Jahrhundert u.Z. voraussetzen.  Der Begriff ist offenbar von Tertullian (Tert. apol. , ) erfunden worden. Vgl. bereits Emil Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi. Bd. : Das Judentum in der Zerstreuung und die jüdische Literatur, Leipzig . Aufl. ,  mit Anm.  (wo zwar das Judentum als religio licita bezeichnet, jedoch auf den Ursprung bei Tertullian hingewiesen wird, während das römische Recht nur collegia licita kennt); Castritius, „Die Haltung“ (wie Anm. ), ; Bendlin, „Eine Zusammenkunft“ (wie Anm. ),  f.  Vgl. Bendlin, „Eine Zusammenkunft“ (wie Anm. ),  – .

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liebige Gruppe verboten werden, indem man ihre religio als superstitio auffasste (wie es Cicero etwa mit der judäischen religio tat).⁸⁸ Für die Frage nach der Behandlung von Diasporagemeinden als Vereine – die davon unabhängig ist, ob sich diese Gruppen selbst in jeder Hinsicht als Vereine griechisch-römischen Typs sahen – sollten daher nicht vermeintlich allgemein gültige Rechtskonzepte, sondern die konkreten römischen Beschlüsse herangezogen werden. Bereits sie geben in zumindest zwei Fällen einige Aufschlüsse. Der erste Fall betrifft die Stadt Sardeis. Der Brief des Lucius Antonius stammt aus dem Jahr 50/49 v.u.Z., ist also älter als das Caesardekret. Die Judäer sind beim Proquaestor und Propraetor vorstellig geworden und haben darauf hingewiesen, dass sie von jeher in der Stadt eine „eigene Vereinigung“ (σύνοδος) nach den väterlichen Gesetzen und einen Ort (τόπος) haben, an dem sie über ihre eigenen Angelegenheiten entscheiden dürfen; dieses Recht wird ihnen von Lucius Antonius bestätigt.⁸⁹ Die Formulierung σύνοδον ἔχειν ist mehrdeutig, da σύνοδος sowohl Vereins- als auch Versammlungsbezeichnung ist. In griechischen Vereinsinschriften ist eine Unterscheidung oft schwer zu treffen; es handelt sich um zwei Aspekte derselben Sache: Der Verein als Körperschaft lebt durch seine Versammlungen. Bei Clementz wird übersetzt, „sie hätten … eigene Zusammenkünfte“; bei Marcus heißt es „to have an association of their own“. Letztere Version lässt sich womöglich durch den Hinweis auf die römische Formulierung collegium habere stützen, die zumindest seit dem 2. Jahrhundert u.Z. als terminus technicus für das „Recht, einen Verein zu haben“ gut belegt ist.⁹⁰ Auch der Hinweis, diese σύνοδος bestehe ἀπ᾽ ἀρχῆς, passt in eine Zeit, in der zumindest in Rom nur von alters her bestehende collegia offiziell zugelassen waren. Es spricht also einiges dafür, dass man in Sardeis den Judäerverein unter Berufung auf ein allgemeines

 Cic. Flacc. . .  Ios. ant. Iud. , .  Etwa Dig. , ,  (Gaius): neque societas neque collegium neque huiusmodi corpus passim omnibus habere conceditur; , , ,  (Marcian): non licet autem amplius quam unum collegium licitum habere. In der griechischen Epigraphik fehlt es noch weitgehend an Parallelen; vgl. aber jetzt den neuen Text ( u.Z.) bei Norbert Ehrhardt / Wolfgang Günther, „Hadrian, Milet und die Korporation der milesischen Schiffseigner. Zu einem neu gefundenen kaiserlichen Schreiben“, in: Chiron  (),  – , hier , Z.  f: Ναυκλήρων οἶκον ἔχειν δίδωμι [sc. Hadrian] ὑμῖν [sc. den Milesiern]. Dass οἶκον ἔχειν δίδωμι dem collegium habere conceditur bei Gaius entspricht, ist ebd.,  Anm.  notiert (wo aber δίδωμι statt συγχωρῶ zu lesen ist). – Der Brief aus Sardeis würde die Formulierung bereits in spätrepublikanischer Zeit belegen. Eine noch deutlich ältere Wendung findet sich im Senatus Consultum de Baccanalibus (CIL I² ;  v.u.Z.), wo Bacanal habere steht; die Übersetzungen verstehen das meist örtlich („ein Bacchusheiligtum haben“), aber da der ganze Beschluss vor allem mit der Verhinderung vereinsartiger Strukturen befasst ist, kann durchaus auch die soziale Organisation gemeint sein.

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Vereinsverbot verbieten zu können glaubte, die örtlichen Judäer aber bei Lucius Antonius ihr Alter nachwiesen und so Anerkennung erlangten. Die Sache wird allerdings dadurch verkompliziert, dass Josephus an späterer Stelle noch einen Beschluss der Stadt selbst mitteilt, der normalerweise auf einen Zeitpunkt nach 47 v.u.Z. datiert wird.⁹¹ Hier bitten „die in unserer Stadt wohnenden judäischen Bürger“ darum, sich nun, da ihnen von den Römern ihre Gesetze und ihre Freiheit zurückgegeben worden seien, nach traditioneller Sitte versammeln und über ihre eigenen Angelegenheiten selbst richten zu dürfen; sie bitten auch um einen Ort (τόπος), an dem sie ihre traditionellen Gebete und Opfer für Gott durchführen können. Was sie dann erhalten, ist eine begrenzte Versammlungserlaubnis (nämlich an festgesetzten Tagen), ein Ort für ihre Versammlungen mit Frauen und Kindern, und die Zusage, dass die Marktaufseher der Stadt für die Einfuhr von geeigneten Speisen sorgen. Dieser Text wirft viele Fragen auf. Zweitrangig ist in unserem Kontext, ob die Judäer in Sardeis tatsächlich Opfer außerhalb des Jerusalemer Tempels durchführten, oder ob „Opfer“ hier einfach für übliches Verhalten stehen, das die sardischen Beamten von privat organisierten Gruppen kannten und daher auf die Judäer übertrugen.⁹² Wichtiger ist die Frage, warum die Judäer von Sardeis hier offenbar um Versammlungserlaubnis und Anweisung eines Ortes bitten, während sie doch wenige Jahre zuvor Lucius Antonius davon überzeugen konnten, dass sie σύνοδος und τόπος längst besaßen, und warum sie sich dabei auf die Wiederherstellung der Freiheit und der Gesetze berufen, die sich doch in dieser Formulierung üblicherweise auf ein erobertes Gebiet bezieht. Meist wird davon ausgegangen, dass die Judäer ursprünglich einen legitimen Status hatten, diesen dann in einem Konflikt mit der Stadt von Rom bestätigen ließen, ihn jedoch bald darauf wieder verloren und erneut beantragen mussten. Dabei hätten sie sich auf die Caesardekrete für Judäa berufen.⁹³ Hier muss indes vieles unsicher bleiben, zumal nicht auszuschließen ist, dass es sich in Wahrheit um eine direkte Reaktion der sardischen Beamten auf den Beschluss des Lucius Antonius handelt, also gar nicht zwei unterschiedliche Streitfälle vorliegen.

 Ios. ant. Iud. ,  – .  Vgl. zur Debatte Pucci Ben Zeev, Jewish Rights (wie Anm. ),  – . Jutta Leonhardt, „Εὐχαὶ καὶ θυσίαι (A :) – Opfer in der Synagoge von Sardes?“, in: Jürgen U. Kalms (Hg.), Internationales Josephus-Kolloquium Amsterdam , Münster ,  – , hier , geht davon aus, dass es sich zwar um den Wortlaut der judäischen Anfrage handelt, diese jedoch als „Versuch, griechische Begriffe für jüdische Inhalte zu gebrauchen“ gelten müsse; tatsächliche Opfer habe es also nicht gegeben.  Pucci Ben Zeev, Jewish Rights (wie Anm. ), . Vgl. zum ganzen Komplex auch Schuol, Augustus (wie Anm. ),  – .

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Der zweite Fall ist ein Brief wohl Octavians an Parion in der Troas oder, was wegen der Erwähnung von Delos näher liegt, die Insel Paros.⁹⁴ Man solle die Judäer nicht von der Bewahrung ihrer Bräuche abhalten und davon, „Geld für ihre Mähler und Riten zu sammeln“, denn das sei ihnen nicht einmal in Rom verboten. Caesar habe dort schließlich alle Vereine (θίασοι) verboten, nur diese nicht. Ebenso verbiete nun er, Octavian, alle anderen θίασοι, nicht aber diese, die weiterhin nach den traditionellen Sitten und Regeln zusammenkommen dürften: ὁμοίως δὲ κἀγὼ τοὺς ἄλλους θιάσους κωλύων, τούτοις μόνοις ἐπιτρέπω κατὰ τὰ πάτρια ἔθη καὶ νόμιμα συνάγεσθαί τε καὶ ἑστιᾶσθαι. Octavian spricht also, wenn es um Organisationsformen geht, nicht vom „Judentum“ oder vom „Volk der Judäer“, sondern von einem Vereinstyp.⁹⁵ Andere Vereine sind verboten, diejenigen der Judäer sind erlaubt.⁹⁶  Ios. ant. Iud. ,  – .  Wie deutlich diese Auffassung in dem Dekret ausgedrückt wird, ist auch eine Frage der Übersetzung. Zumindest im griechischen Text ist zu τούτοις μόνοις eigentlich [θίασοις] als Bezug zu ergänzen: Die anderen θίασοι vs. genau diese θίασοι. Grammatisch besteht zunächst keine Notwendigkeit, mit Clementz „den Juden“ oder mit Marcus „these people“ als Empfänger der Erlaubnis zu ergänzen. Unter Annahme eines lateinischsprachigen Originaldekrets könnte man sich zu dieser Lösung dennoch gezwungen sehen, denn die übliche Formulierung in den Inschriften lautet collegium symphoniacorum / centonariorum / etc., quibus coire licet o. ä. (Beispiele: CIL VI ; ; AE , ). So, also mit einem auf die konkreten Vereinsmitglieder bezogenen Relativpronomen im Plural, wird die Versammlungserlaubnis in der Regel auch in den Rechtstexten beschrieben; vor diesem Hintergrund müsste man auch im Josephustext konstruieren: „diesen Leuten [nicht: Vereinen] allein habe ich erlaubt, sich zu versammeln“. Vgl. aber als Abweichung von der Regel Dig. , , : [corpus] cui licet coire. Für den Josephustext bleiben m. E. beide Optionen offen, zumal auch im Lateinischen Mehrdeutigkeit vorgelegen haben muss, sobald von mehr als einem collegium die Rede war (da quibus sich dann auch auf collegia beziehen konnte – wenn diese Bedeutung nicht intendiert war, hätte man die Iudaei explizit nennen müssen). Der Latinus zur Stelle klärt die Frage durch einen Eingriff in den Text: Et ego quoque alios [Menschen, nicht Vereinen, trotz θίασοι im Griechischen!] prohibens, istis solis praecipio secundum patrios mores et leges convenire.  Den skeptischen Überlegungen von Cappelletti, The Jewish (wie Anm. ),  – , kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden. Die Autorin geht von einer Kategorie collegia sacra aus, für die nicht θίασοι, sondern ἱερωσύνη die adäquate Übersetzung sei; überhaupt sei θίασος im Kontext unverständlich, auch aus jüdischer Tradition heraus nicht erklärbar. Tatsächlich handelt es sich um den am weitesten verbreiteten Vereinsbegriff im hellenistischen Griechenland, während umgekehrt collegia sacra keine Kategorie des römischen Rechts sind (wenn ἱερωσύνη die Übersetzung sein soll, kann es nur um römische Priesterkollegien gehen; dass aber eine Synagoge ein römisches Priesterkollegium sei, hat niemand behauptet). Cappellettis weiterer Einwand beruht auf einem Missverständnis des Textes: statt von einer lex Iulia spreche das Josephusdekret nur von einem – unglaubhaften – διάταγμα Caesars für diese konkrete Stadt (κατὰ πόλιν). Aus dem Kontext geht jedoch klar hervor, dass mit der „Stadt“ nicht Parion, sondern Rom (als Präzedenzfall) gemeint ist; ein Widerspruch zu den bekannten Fakten besteht also nicht.

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Im Folgesatz, der – anders als im Fall von Sardeis – tatsächlich einem Verbot judäischer Vereine in Parion bzw. auf Paros entgegenwirkt, heißen sie dann allerdings „Freunde“ und „Verbündete“. Die Qualitäten, die Judäer in Judäa bewiesen haben, werden also auch den Judäern der Diaspora zugeschrieben – und zwar sicher nicht aufgrund ihrer religiösen Einstellung, sondern weil sie dem Volk zugerechnet werden, dessen Repräsentanten sich für Caesar und Octavian mehr als einmal als hilfreich erwiesen haben. Das weist daraufhin, dass bei der Organisation von Judäern in Vereinen nicht an Kultvereine etwa für Dionysos als Vergleichspunkt zu denken ist, sondern eben an ethnische Gruppen, die ihren Nachwuchs vor Ort rekrutieren mochten – durch Heirat, vielleicht auch durch Einbeziehung in den Kult –, insofern also auch expandieren konnten, aber doch in erster Linie als „Landsmannschaften“ anerkannt waren. Dass stets traditionelle Riten im Zentrum der Auseinandersetzungen stehen, widerspricht dem gerade nicht, denn deren Aufrechterhaltung war ein wesentlicher Grund für das Bestehen solcher Gruppen. Mit dem religionis causa-Satz der Digesten muss man das Phänomen nicht in Verbindung bringen; wenn es so eine Regelung schon gab, mag sie als Legitimation gedient haben, aber sie war kaum der maßgebliche Grund für die Zulassung judäischer Vereinigungen. In der Literatur wird allerdings oft auf eine Gruppe von Vereinen hingewiesen, die oben bereits genannt wurde, weil auch für ihre Mitglieder die Befreiung vom Militärdienst belegt ist. Es handelt sich um die dionysischen Schauspieler (Techniten), die, organisiert in regionalen Verbänden, durch die griechische Welt reisten und bei städtischen Festen und Wettkämpfen auftraten. Als Beleg für eine weitere, aus religiösen Gründen privilegierte, nichtterritorial bestimmte Gruppe von Vereinen gelten die Techniten als wichtige Analogie zu judäischen Gruppen.⁹⁷ Dabei ist aber der besondere Status der dionysischen Techniten in der hellenistischen und römischen Welt zu berücksichtigen. Sie agierten in vieler Hinsicht als ein eigener Staat, was nicht nur terminologische, sondern auch politische Konsequenzen hatte.⁹⁸ In hellenistischer wie römischer Zeit standen sie regelmäßig in direktem diplomatischem Kontakt mit Königen und Kaisern. In Teos, dem Hauptsitz des ionischen Technitenverbandes, prägten sie eigene Münzen.⁹⁹ Der Selbst- und Fremdbeschreibung der Techniten als Staat entsprechend waren die

 Etwa Pucci Ben Zeev, Jewish Rights (wie Anm. ),  f; Bendlin, „Eine Zusammenkunft“ (wie Anm. ), ; Schuol, Augustus (wie Anm. ),  f.  Vgl. Brigitte Le Guen, Les Associations de Technites dionysiaques à l’époque hellénistique.Vol. : Synthèse, Paris ,  – .  Catharine C. Lorber / Oliver D. Hoover, „An Unpublished Tetradrachm Issued by the Artists of Dionysus“, in: Numismatic Chronicle  (),  – .

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Privilegien, die ihnen von einzelnen Städten oder Herrschern verliehen wurden, an die Zugehörigkeit zu diesem Staat gebunden. Ein neu entdeckter Text aus hadrianischer Zeit enthält die Bestimmung, dass „diejenigen, die nach dem Gesetz des Vereins Beiträge leisten, diesen Gesetzen verpflichtet bleiben sollen, selbst dann, wenn sie aufhören zu arbeiten oder römische Bürger werden“.¹⁰⁰ Die Regelung fällt aus dem üblichen Rahmen des antiken Vereinswesens nicht zuletzt dadurch heraus, dass überhaupt mit der Möglichkeit gerechnet wird, dass jemand den Erwerb des römischen Bürgerrechts als Argument gegen die Anwendbarkeit der Vereinssatzungen auf seine Person anführen könnte – erklärbar ist das nur, wenn man umgekehrt die zahlungspflichtige Vereinsmitgliedschaft als Aspekt eines eigenständigen Bürgerrechts im „Staat“ der Techniten auffasste.¹⁰¹ Der Vergleich mit den dionysischen Techniten ist also nicht deshalb interessant, weil er etwa beweisen könnte, dass reichsweit gewährte Privilegien für Kultvereine seit hellenistischer Zeit üblich waren – woraus man schließen müsste, dass „Judentum“ und „dionysisches Technitentum“ zwei analoge, als Religionen anerkannte und auf Vereinsbasis organisierte Phänomene gewesen wären. Das Interesse an dem Vergleich ergibt sich gerade aus gegenteiligen Erwägungen. Um den Techniten die genannten Privilegien gewähren zu können, musste man sie rhetorisch und juristisch aus dem Vereinskontext herausheben und als einen eigenständigen, extraterritorialen Staat mit eigenem Bürgerrecht konstruieren. Dies wiederum tat man nicht, um der religiösen Eigenart einer Gruppe von Menschen gerecht zu werden, sondern um die notwendigen Rahmenbedingungen für einen Berufsstand zu schaffen, der für die je eigenen religiösen und sozialen Events griechischer und römischer Städte – sowie für die Herrschaftslegitimation etwa der Attaliden¹⁰² – unverzichtbar war. Für die Judäergruppen bilden daher nicht die

 SEG ,  (Alexandreia Troas,  u.Z.), Z.  f: οἱ κατὰ τοὺς τῆς συνόδου νόμους συνβάλλοντες, κα[ὶ] ἂν παύσωνται ἀσκοῦντες κἂν ῾Ρωμαῖοι γένωνται, ἐκείνοις τοῖς νόμοις ἐνεχέσθωσαν, καθ᾽ οὕς συμβεβλήκασιν.  Im Hintergrund steht das Recht römischer Bürger, in Rom nach römischen Gesetzen beurteilt zu werden. – Die Bildung eines Vereinsnetzwerks kann als Voraussetzung dafür gesehen werden, dass unter den Bedingungen der hellenistischen und römischen Zeit wichtige Privilegien, die den Schauspielern ihre Arbeit ermöglichten oder erleichterten, reichsweite Gültigkeit erlangten. Freilich sind für Athen lokal begrenzte, womöglich bereits formalisierte Regelungen bereits im . Jahrhundert v.u.Z. belegt; vgl. Aneziri, Die Vereine (wie Anm. ),  f (mit Hinweis auf Demosth. or. , ; , ; [Demosth. or.] , ).  Dazu zuletzt Christoph Michels, „Dionysos Kathegemon und der attalidische Herrscherkult. Überlegungen zur Herrschaftsrepräsentation der Könige von Pergamon“, in: Linda-Marie Günther / Sonja Plischke (Hgg.), Studien zum vorhellenistischen und hellenistischen Herrscherkult, Berlin ,  – , hier  – .

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dionysischen Techniten, sondern Vereine von Syrern und Phöniziern in griechischen Städten den angemessenen Vergleichsrahmen.

6 Fremde Riten Also Volk statt Religion? Die Kategorisierung von Diasporagemeinden als Vereine klärt diese Frage nicht endgültig, gibt aber bereits wichtige Hinweise. Zum einen war zu sehen, dass auch Volksgruppen wesentlich über ihnen eigene religiöse Praktiken definiert wurden; ein reiner Gegensatz, wie ihn die zitierten Positionen etwa Boyarins suggerieren, ist schwer aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig bedeutet dies, dass viele traditionelle Argumente für das Judentum als definierte Religion zumindest die römische Perspektive kaum adäquat erfassen können, denn ein Fokus auf Rituale und ihre Vereinbarkeit mit dem Leben in griechisch-römischen Städten widerspricht einer im Kern ethnischen Kategorisierung der Judäergemeinden gerade nicht. Die bisher zitierten Dokumente belegen vor allem Konflikte zwischen Judäern und Vertretern der jeweiligen Städte. Es fehlt noch der Blick auf Konflikte mit Vertretern der römischen Ordnung. Hier haben vor allem die Ausweisungen der Judäer aus der Stadt Rom Anlass zur Diskussion gegeben. Der erste Fall bleibt weitgehend rätselhaft. Im Jahr 139 v.u.Z. wurden die örtlichen Judäer offenbar durch den praetor peregrinus Cornelius Hispalus der Stadt verwiesen. Die beiden Exzerpte aus Valerius Maximus, die den Vorgang belegen, unterscheiden sich stark voneinander, vor allem, was den Ausweisungsvorgang selbst angeht.¹⁰³ Nach der einen Version mussten die Judäer die Stadt verlassen (urbe exterminavit), zudem seien ihre Altäre auf öffentlichen Plätzen niedergerissen worden, was üblichen Erwartungen an judäische Diasporagemeinden deutlich zuwiderläuft – einen Altar außerhalb Jerusalems kann es nach den deuteronomischen Kultvorschriften nicht geben.¹⁰⁴ Für beide Aussagen ließe sich die Behandlung des Isiskults im 1. Jahrhundert v.u.Z. als Parallele anführen: auch hier wurden Altäre niedergerissen; auch hier wurde der Kult „aus der Stadt“ verbannt, was indes nur hieß, dass er nicht mehr innerhalb des po-

 Val. Max. , ,  in den Epitomai des Januarius Nepotianus und des Julius Paris; leicht zugänglich bei Stern, Greek and Latin Authors (wie Anm. ), Bd. , Nr. a und b. Zur Überlieferungssituation vgl. Cappelletti, The Jewish (wie Anm. ),  f.  Die Nachricht wird daher oft pauschal verworfen, etwa von Cappelletti, The Jewish (wie Anm. ),  f; Ben Zeev, „Roman Law“ (wie Anm. ),  f. Belastbar ist sie sicher nicht; hingewiesen sei aber erneut auf die ganz ähnliche Streitfrage im Fall der judäischen Gemeinde in Sardeis.

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meriums öffentlich auftreten konnte.¹⁰⁵ Nach der anderen Version zwang der Praetor dagegen die Judäer, „nach Hause zurückzukehren“ (repetere domos suas). Nur eine der beiden Versionen kann authentisch sein; aufgrund der Analogie zum Vorgehen gegen den Isiskult könnte man für die erste Version optieren.¹⁰⁶ Übereinstimmung herrscht zwischen den Exzerpten aber darin, dass die Judäer in Rom fremde Riten einführen wollten – ihre eigenen (sacra sua) nach der ersten Version, diejenigen des Jupiter Sabazios nach der zweiten.¹⁰⁷ Zudem wurden nach beiden Version zusammen mit den Judäern die Chaldäer der Stadt (und Italiens) verwiesen, da sie astrologische Weissagungen – eine peregrina scientia – verkauft hätten.¹⁰⁸ Machte man den Judäern ähnliche Vorwürfe? Immerhin gab es seit dem 2. Jahrhundert v.u.Z. innerjudäische Debatten über das Verhältnis Abrahams zu den Chaldäern,¹⁰⁹ und Plinius der Ältere berichtet von einer magischen factio, die sich von Moses, Jannes, Lotapes und den Judäern herleite.¹¹⁰ Letztlich sind aufgrund der schlechten Quellenlage kaum Aussagen möglich.

 Vgl. mit den Belegen Georg Wissowa, Religion und Kultus der Römer, München . Aufl. ,  – ; John Scheid, „Le statut du culte d’Isis à Rome sous le Haut-Empire“, in: Corinne Bonnet / Vinciane Pirenne-Delforge / Danny Praet (Hgg.), Les religions orientales dans le monde grec et romain: cent ans après Cumont ( – ), Brüssel; Rom ,  – , hier  – .  Damit wäre wohlgemerkt nur eine Aussage über die Authentizität der Überlieferung des Valerius Maximus-Texts getroffen, nicht darüber, ob das Berichtete historisch korrekt ist. Zweifel am Vorgang selbst sind allerdings schwer zu begründen, da temporäre Ausweisungen von Fremden aus Rom im . Jahrhundert v.u.Z. auch sonst belegt sind; vgl. Ben Zeev, „Roman Law“ (wie Anm. ),  – .  Dass die Judäer den Sabazioskult verbreitet haben sollen, hat man ganz unterschiedlich erklären wollen (Homophonie Sabazios / Sabbat; Verkürzung einer ursprünglich auf drei Gruppen Bezug nehmenden Überlieferung); vgl. dazu Stern, Greek and Latin Authors (wie Anm. ), Bd. , ; Cappelletti, The Jewish (wie Anm. ),  – .  Marie Theres Fögen, Die Enteignung der Wahrsager. Studien zum kaiserlichen Wissensmonopol in der Spätantike, Frankfurt/M. ,  f,  – , sieht im Verbot einer magischen und / oder astrologischen scientia eine spätantike Neuerung, die ein kaiserliches „Wissensmonopol“ begründe. Valerius Maximus (von ihr nicht berücksichtigt) scheint den Vorgang bereits deutlich früher zu belegen. Man könnte allerdings die peregrina scientia für einen Zusatz des Epitomators halten, der dann die Entwicklung der spätantiken Rechtsterminologie (CTh. ,,) bereits voraussetzen würde.  Nach Ps.-Eupolemos apud Eus. Pr. Ev. ,  hat Abraham „die Astrologie und die chaldäische Kunst erfunden“; spätere Autoren wie Philo grenzen ihn scharf gegen solche ursprünglich in rühmender Absicht entstandene, später jedoch als problematisch empfundenen Legenden ab.Vgl. Reimund Leicht, Astrologumena Judaica. Untersuchungen zur Geschichte der astrologischen Literatur der Juden, Tübingen ,  – .  Plin. nat. , . Zu den Namen vgl. Stern, Greek and Latin Authors (wie Anm. ), Bd. , .

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Besser belegt ist die Ausweisung des Jahres 19 u.Z. Der Vorgang ist oft und mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen untersucht worden.¹¹¹ Gegenstand des Senatsbeschlusses waren offenbar sowohl die ägyptische als auch die judäische Kultpraxis. Tacitus spricht von 4.000 Freigelassenen, die „mit dieser [ägyptischjudäischen] superstitio infiziert waren“ und auf ein Todeskommando nach Sardinien geschickt wurden; „die Übrigen mussten Italien verlassen, sofern sie sich nicht vor einem bestimmten Tag von ihren unheiligen Riten lossagten“.¹¹² Sueton berichtet, Tiberius habe „fremde Rituale“ (externas caerimonias), konkret die ägyptischen und judäischen Bräuche, unterbunden, indem er „allen, die von dieser superstitio besessen waren, befahl, ihre Kultgewänder und Gerätschaften zu verbrennen“.¹¹³ Er habe sodann nur die Judäer, sofern sie wehrfähigen Alters waren, in klimatisch ungünstige Provinzen geschickt; „die Übrigen aus diesem Volk (gens) und solche, die ähnliche Riten befolgten (similia sectantes)“, wurden aus der Stadt (nicht Italien) verbannt. Auch hier bleiben viele Fragen offen. Jedenfalls liegen aber Vergleichsmöglichkeiten vor, da sich die Quellen zwar in der Frage unterscheiden, welche Gruppen verbannt wurden und auf welchen Umkreis sich die Verbannung bezog, jedoch darin übereinstimmen, dass ägyptische und judäische Bräuche zumindest partiell gleich behandelt wurden. Daraus und aus der expliziten Aussage Suetons, dass nicht nur Volksangehörige, sondern auch similia sectantes ausgewiesen wurden, könnte man ein Argument für „Religion“ gewinnen.¹¹⁴ Gerade der Hinweis auf den Isiskult liegt dabei nicht nur wegen seiner problematischen Geschichte in Rom nahe: Er war wie die Judäergruppen im ganzen Mittelmeerraum verbreitet;¹¹⁵ man konnte übergreifend von Isiakoi sprechen und so eine über

 Vgl. zuletzt Leonard V. Rutgers, „Roman Policy towards the Jews: Expulsions from the City of Rome during the First Century C.E.“, in: Classical Antiquity  (),  – ; Helga Botermann, „Die Maßnahmen gegen die stadtrömischen Juden im Jahre  n.Chr.“, in: Historia  (),  – ; Cappelletti, The Jewish (wie Anm. ),  – ; Avidov, Not Reckoned (wie Anm. ),  – ; Heidi Wendt, „Iudaica Romana. A Rereading of Judean Expulsions from Rome“, in: Journal of Ancient Judaism  (),  – , hier  – .  Tac. ann. , , : Ceteri cederent Italia, nisi certam ante diem profanos ritus exuissent.  Suet. Tib. : Externas caerimonias, Aegyptios Iudaicosque ritus compescuit, coactis qui superstitione ea tenebantur religiosas vestes cum instrumento omni comburere.  Hinzu kommt die von Tacitus genannte Frist, innerhalb derer man die Riten aufgeben konnte; vgl. David Noy, Foreigners at Rome. Citizens and Strangers, London , : „The Tiberian expulsion had an explicitly religious orientation, since people could avoid it by giving up the practice of Judaism“.  Dabei spielten neben Isis eine Reihe weiterer ägyptischer Gottheiten und Symbole eine Rolle; vgl. zur Frage der Verbreitung und der Einheit des Phänomens Michel Malaise, „La diffusion des cultes isiaques: un problème de terminologie et de critique“, in: Laurent Bricault / Miguel John

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lokale Vereinsbildung hinausgehende Gemeinschaft konstruieren;¹¹⁶ es gab bestimmte Feste, die die verschiedenen Kultvereine an unterschiedlichen Orten feierten.¹¹⁷ Überraschend ist angesichts dieser Übereinstimmungen, dass jüngere Versuche, den Vorgang des Jahres 19 u.Z. für die Kategorisierungsfrage nutzbar zu machen, gerade die gegenteilige Richtung eingeschlagen haben. Von den Isisanhängern grenzt etwa Helga Botermann die Judäer scharf ab, da sie ein Volk, keine Religionsgemeinschaft seien.¹¹⁸ Zuletzt hat auch Avi Avidov hier einen prinzipiellen Unterschied ausgemacht: “Regardless of whatever blame, imagined or real, was attached to them, all Jews of Rome were to be expelled as Jews. This stands in stark contrast to the treatment meted out to practitioners of the cult of Isis […], or to those of Sabazius, or of Bacchus, or to Chaldaean astrologers, or philosophers, all of whom were identified by their obnoxious practices rather than by ethnic criteria”.¹¹⁹

Diesen Erklärungen ist gemein, dass sie die eigentlich durch alle Quellen nahelegte Analogie zwischen ägyptischen und judäischen sacra, die beide als superstitio gebrandmarkt werden, zugunsten anderer Erklärungen verwerfen: Bei den Isisanhängern mag es um Religion gehen, die Juden aber sind ein Volk. Zu berücksichtigen wäre allerdings, dass der Senatsbeschluss nach den übereinstimmenden Quellenberichten Isis nicht erwähnt hat: Die Riten gelten als ägyptisch (und die Astrologie als chaldäisch); das ist nicht weniger ethnisch formuliert als im Fall der Judäer. Seneca berichtet später, damals seien „fremdartige Riten (alienigena sacra) eingeführt worden“; „die Abstinenz von gewissen Tieren wurde unter die Belege für superstitio gestellt“.¹²⁰ Die zitierten Überlegungen Avidovs enthalten einen Zirkelschluss, da sie von vornherein die Judäer als ethnische Gruppierung von den anderen genannten Gruppen absetzen und dann diese

Versluys / Paul G. P. Meyboom (Hgg.), Nile into Tiber. Egypt in the Roman World, Leiden; Boston ,  – .  I. Prusa ad Ol.  + , Z.  f. Die hier genannten ᾽Ισιακοί sind kaum eine lokal organisierte Gruppe. Vgl. zur Inschrift Richard W. V. Catling / Nikoletta Kanavou, „The Gravestone of Meniketes Son of Menestheus: IPrusa  and “, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik  (),  – , hier  f für eine Datierung ins . Jahrhundert v.u.Z.  Etwa I. Kios : gefeiert wird „an den Isieia, an den anderen Festen der Thiasoten, und bei den normalen Versammlungen“.  Botermann, „Die Maßnahmen“ (wie Anm. ),  f Anm. .  Avidov, Not Reckoned (wie Anm. ), .  Sen. epist. , . Dass in der Stelle von der „Einführung“ und nicht vom „Verbot“ der Riten die Rede ist, scheint mir kein Problem zu sein (auch wenn man entsprechend hat emendieren wollen); die Begründung für das Verbot kann ja nur gewesen sein, dass etwas Neues, Unrömisches eingeführt worden sei, und diese Begründung macht sich Seneca zu eigen.

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Unterscheidung, die doch von außen an die Texte herangetragen worden ist, wiederum als Beleg für die Sonderbehandlung und Marginalisierung der Judäer heranziehen. In Wahrheit ging es auch bei den Judäern um Riten, die – wie die ägyptischen – aufgrund ihrer fremden Herkunft temporär verboten wurden.¹²¹ Dabei war der römischen Verwaltung natürlich klar, dass nicht jeder, der den Isiskult in Rom ausübte, ein Ägypter war, und dass nicht jeder Verkäufer astrologischer Weissagungen aus Babylonien kam. Die im Verwaltungshandeln zur Anwendung gebrachten Kategorien blieben jedoch selbst in diesen Fällen ethnisch bestimmt. Für alle Fälle gilt dabei, dass eine vollständige Ausweisung aller Angehörigen einer ethnischen Gruppe unmöglich und wohl auch nicht angestrebt war. Viel spricht dafür, in der gelegentlichen Ausweisung von Chaldäern, Ägyptern und Judäern eine Reaktion auf die Verbreitung von unkontrolliertem, auf Profit berechnetem Expertenwissen zu sehen, das von Einzelpersonen vermittelt wurde und dessen Plausibilität gerade auf seiner fremden Herkunft, also auf einer „ethnischen Kodierung“ beruhte.¹²² Auch die fragmentarischen Hinweise auf die von Claudius in den 40er Jahren u.Z. erlassenen Restriktionen geben keinen Anlass, diesen Schluss zu revidieren.¹²³

 Weiterhin richtig scheint mir daher die Formulierung bei A. Thomas Kraabel, „The Roman Diaspora: Six Questionable Assumptions“, in: Journal of Jewish Studies  (),  – , hier , zu sein: „[Die römischen Iudaei] were another of those ethnic groups streaming into the capital from the Greek world in what were for many Romans distressingly large numbers. It is for this reason that they are lumped together with the Egyptians frequently, and also with the Syrians, Lydians and other minorities. […] They had strange and sometimes interesting customs and religious practices, but then so did other non-Romans known in Rome“.  So die plausible Deutung von Wendt, „Iudaica Romana“ (wie Anm. ); sie spricht von „ethnically coded forms of religion“ ( u. ö.).   u.Z. soll er ein Versammlungsverbot für Judäergruppen erlassen, jedoch zugleich die Beibehaltung der „traditionellen Lebensweise“ erlaubt haben: Cass. Dio , , . Anlass soll gewesen sein, dass die Judäer so zahlreich geworden waren, dass man sie nicht der Stadt hätte verweisen können – wie sie so zahlreich wurden, sagt Dio hier genauso wenig wie in , , wo es um eine allgemeine Ausweisung der zu zahlreich gewordenen Fremden aus Rom geht (dort ist evident, dass es an der Zuwanderung liegt). Ein Versammlungsverbot lässt sich leicht als Entzug der Erlaubnis des coire convenire auffassen; auch gegen andere Vereinsbildungen (ἑταιρείαι) scheint Claudius vorgegangen zu sein, wie Dio im Kontext berichtet. – Die spätere ( u.Z.?) Ausweisung der Judäer aus Rom wegen der von einem gewissen „Chrestus“ bewirkten Unruhen (Suet. Claud. ) ist speziell mit Blick auf die Implikationen für die frühchristliche Geschichte oft untersucht worden. Unabhängig von der Frage, ob Konflikte um die Bedeutung Jesu im Hintergrund standen, stellte sich die Situation für Rom offenbar als Aufstand einer definierbaren Gruppe von Fremden dar; vgl. Noy, Foreigners (wie Anm. ),  f.

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Zu klären bleibt die Notiz Suetons, die Ausweisung des Jahres 19 u.Z. habe auch similia sectantes betroffen. Die genaue Bedeutung dieser Wendung ist nicht ganz klar. Erkennt man darin Proselyten, nimmt also an, dass die Römer die Möglichkeit der Konversion kannten, erscheint eine Kennzeichnung des Judentums aus römischer Sicht als Religion zwingend. Die Formulierung stammt womöglich von Sueton selbst; für die Zeit des frühen Prinzipats ließe sich dann damit wenig beweisen. Doch so skeptisch muss man gar nicht sein. Der Wortlaut erfordert gerade mit Blick auf die Seneca-Stelle keineswegs die Annahme, es gehe um Konversion zum Judentum. Es geht vielmehr um Leute, die nicht aus dem Volk der Judäer stammen, sich aber in bestimmter Hinsicht ähnlich verhalten.¹²⁴ Sie werden gemeinsam mit den Judäern ausgewiesen, ohne dass damit gesagt würde, dass sie selbst Judäer seien. An anderer Stelle wählt Sueton die Formulierung Iudaicam vitam vivere – was eben nicht dasselbe ist wie Iudaeus esse. ¹²⁵ Avidovs schiefe Unterscheidung zwischen Volk und Praxis kann einen Sonderstatus der Judäer nicht begründen; ebenso falsch wäre aber die Ansicht, die Römer hätten bereits zu dieser Zeit überhaupt nicht mehr unterschieden zwischen Menschen, die sie herkunftsmäßig der gens der Judäer zuordneten, und solchen, die sich ähnlich verhielten. Die Frage der Konversion betrifft das Kategorisierungsproblem in offensichtlicher Weise. Es lohnt daher, darauf hinzuweisen, dass es vor der Verbreitung des Christentums keinen Text gibt, der aus römischer Sicht die Möglichkeit religiöser Konversion in den Blick nimmt.¹²⁶ In einer vieldiskutierten Stelle bei Horaz sagt zwar der Sprecher, er werde gemeinsam mit einer Schar von Dichtern die Form seiner Satire verteidigen, „und wie die Judäer werden wir dich zwingen, unserer Gruppe beizutreten (oder: beizupflichten)“.¹²⁷ Doch hier geht es nicht um Zwangskonversion, sondern um den Vergleich der Dichterschar mit einer anderen, durch Homogenität und Geschlossenheit politisch wirkungsvollen Minderheit in

 Für eine klare Trennung (und Verortung derselben bereits im Senatsbeschluss) argumentiert auch Botermann, „Die Maßnahmen“ (wie Anm. ), . „Proselyten“ erkennt in den similia sectantes etwa Cappelletti, The Jewish (wie Anm. ), . Vgl. dagegen auch Wendt, „Iudaica Romana“ (wie Anm. ), : similia sectantes sind „participants in any of the phenomena against which the author inveighs“.  Suet. Dom. , . Daneben stehen dort diejenigen, die dissimulata origine imposita genti tributa non pependissent.  Auch hier muss noch einmal betont werden, dass damit die Möglichkeit der Konversion aus judäischer Sicht nicht in Abrede gestellt werden soll. Zu ihrer Entstehung im . Jahrhundert v.u.Z. gibt es unterschiedliche Erklärungen; vgl. die Modelle bei Shaye J. D. Cohen, The Beginnings of Jewishness. Boundaries, Varieties, Uncertainties, Berkeley et al. ,  – ; Eckhardt, Ethnos (wie Anm. ),  – .  Hor. sat. , ,  –  (ac veluti te Iudaei cogemus in hanc concedere turbam).

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der Stadt Rom, deren Einfluss bereits Cicero festgestellt hatte.¹²⁸ Man schließt sich ihrer politischen Position an, wird aber deshalb kein Judäer (wie man ja auch nicht dadurch ein Dichter wird, dass man die Form der horazischen Satire akzeptiert). Die Ansteckung durch eine superstitio, die in den Berichten über die Ausweisungen der Judäer als Problem gesehen wird, bezieht sich allgemein auf ungewöhnliche, ägyptische wie judäische Praktiken, die sich verbreiteten, ohne dass deshalb neue Judäer entstanden. Dass etwa die Beschneidung im Rom zumindest des 1. Jahrhunderts u.Z. ein „marker of Jewishness“ war, beweist noch nicht, dass man allgemein annahm, man könne durch Beschneidung Jude werden.¹²⁹ Umso interessanter ist, dass Cassius Dio in deutlich späterer Zeit (um 200 u.Z.) die Ausweisung der Judäer 19 u.Z. damit begründet, dass sie massenhaft nach Rom gekommen seien und dort „viele Einheimische dazu brachten, zu ihren Sitten überzutreten“.¹³⁰ Von den ägyptischen Riten ist hier gar nicht mehr die Rede. Die Stelle legt den Gedanken an eine missionierende jüdische Religion sehr viel näher als die älteren Quellen, stammt aber gerade von demjenigen römischen Schriftsteller, der als erster die Diskrepanz zwischen der ethnisch-geographischen Bezeichnung ᾽Ιουδαῖος / Iudaeus und der tatsächlichen Verbreitung judäischer Sitten explizit thematisiert hat.¹³¹ Für das frühe 1. Jahrhundert beweist sie nichts. Es bleiben die Inschriften. Hier finden sich zumindest ab dem 2. Jahrhundert u.Z. Iudaei, die offensichtlich nicht aus Judäa stammen. Daraus schließt etwa Heikki Solin, dass der Begriff nur in Ausnahmefällen mit Herkunft aus Judäa zu tun hatte, weil alle Menschen in Palästina sowieso Juden waren und folglich die anderen damit nur ihre Religionszugehörigkeit bezeichneten.¹³² Doch dabei ist die Datierung zu beachten. Gerade die für eine solche Deutung maßgeblichen Do Cic. Flacc. . Für diese Erklärung vgl. John Nolland, „Proselytism or Politics in Horace Satires I, ,  – ?“, in: Vigiliae Christianae  (),  – ; Kraabel, „The Roman Diaspora“ (wie Anm. ), ; vorsichtiger, aber im Grundsatz ähnlich William Fitzgerald, „What are the Jews Doing in Horace, Satires Book ?“, in: Gianpaolo Urso (Hg.), Iudaea socia – Iudaea capta, Pisa ,  – , hier . Martin Goodman, Mission and Conversion. Proselytizing in the Religious History of the Roman Empire, Cambridge , , schließt den Beleg ebenfalls aus, meint aber, es handle sich vielleicht um eine Anspielung auf die von den Hasmonäern in Idumäa und Galiläa durchgeführten „Zwangsbeschneidungen“; das ist jedoch wenig wahrscheinlich.  Das Zitat bei Cohen, The Beginnings (wie Anm. ), .  Cass. Dio , , a: καὶ συχνοὺς τῶν ἐπιχωρίων ἐς τὰ σφέτερα ἔθη μεθιστάντων.  Cass. Dio , , . Vgl. zur Stelle Cohen, The Beginnings (wie Anm. ), .  Heikki Solin, „Juden und Syrer im westlichen Teil der römischen Welt. Eine ethnisch-demographische Studie mit besonderer Berücksichtigung der sprachlichen Zustände“, in: Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt II / (),  – , hier  – ; noch entschiedener Margaret H. Williams, „The Meaning and Function of Ioudaios in Graeco-Roman Inscriptions“, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik  (),  – .

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kumente wie etwa die Grabinschrift des Cresces Sinicerius, eines Iudeus proselitus, stammen erst aus der hohen Kaiserzeit oder gar der Spätantike, mithin aus einer Zeit, in der die von Boyarin und anderen behauptete Erfindung des Judentums als Religion bereits stattgefunden haben müsste.¹³³ Die stadtrömischen Inschriften, die Iudaei erwähnen, sind alle deutlich nach dem hier untersuchten Zeitraum verfasst; wo sich ansonsten ältere Erwähnungen finden, ist die geographische Bedeutung in der Regel plausibler.¹³⁴ Was die genannten späteren Grabinschriften, in denen sich Menschen als Iudaei bezeichnen, für die römische Perspektive aussagen können, wäre ohnehin zu fragen. Für die hier zu behandelnde Zeit entspricht die Marginalisierung des territorialen Aspekts jedenfalls nicht der römischen Wahrnehmung. Für diese war es egal, wie viele denkbare Glaubens- oder Tunsformen in Judäa verbreitet waren. Man stellte fest, dass eine Gruppe sich auf (eventuell weit zurückliegende) judäische Herkunft und das Recht zur Anwendung der eigenen Bräuche berief,¹³⁵ dass es also offenbar funktionale Äquivalente zu den Riten von Syrern, Ägyptern, Phöniziern usw. gab, gestattete deren Ausübung und konnte in Kauf nehmen, dass die Attraktivität dieser Bräuche (oder der mit ihnen verbundenen Privilegien) vielleicht eine gewisse Anzahl von Leuten anlockte, die ursprünglich nicht dazugehörten. Sofern diese überhaupt Aufnahme in die Gemeinde fanden, mochten sie dann deren Riten befolgen, aber das löst den Begriff Iudaeus nicht aus seiner ethnischen Verankerung.

 Das Beispiel ist CIJ I  = David Noy, Jewish Inscriptions of Western Europe.Vol. : The City of Rome, Cambridge ,  Nr.  (./. Jh. u.Z.). Solin, „Juden und Syrer“ (wie Anm. ), , stellt diesen Text ohne weitere Differenzierung neben das Zeugnis des Josephus über die Judaisierung der Idumäer / v.u.Z. (Ios. ant. Iud. , ), wo es heißt, dass letztere εἶναι τὸ λοιπὸν ᾽Ιουδαίους. Als Beleg für den Gebrauch von ᾽Ιουδαῖος zur Anzeige von „rein religiöse[r] Zugehörigkeit“ ist die Stelle (die wohl auf hasmonäische Propaganda zurückgeht) kaum geeignet; vgl. die Diskussion bei Eckhardt, Ethnos (wie Anm. ),  – .  So CIJ I  = David Noy, Jewish Inscriptions of Western Europe.Vol. , Cambridge ,  –  Nr.  (. Jh. v.u.Z., aus Aquileia): L(ucius) Aiacius P(ublii) l(ibertus) Dama Iudaeus portor v(ivus) s(ibi) f(ecit) [oder: v(otum) s(olvit) f(eliciter)]. So auch Solin, „Juden und Syrer“ (wie Anm. ), . Williams, „The Meaning“ (wie Anm. ), , will auch diesen Text nicht als Hinweis auf eine geographische Bedeutung anerkennen. Ihr Schluss, dass „we are left with no hard epigraphic examples of Ioudaios meaning ‚person (not necessarily Jewish) from Judaea‘“, ist insofern problematisch, als nicht spezifiziert wird, wie „hard evidence“ auszusehen hätte (wie sonst soll man Herkunft aus Judäa bezeichnen wenn nicht mit Iudaeus / Ioudaios?), und das Argument zudem so formuliert wird, als sei die rein religiöse Bedeutung der zu erwartende Normalfall.  Gegen Solin und Williams ist zu betonen, dass die Zuordnung eines Menschen zu einer judäischen Diasporagemeinde auch dann kein schlagendes Element für „rein religiöse Zugehörigkeit“ ist, wenn besagter Mensch bereits in der Diaspora geboren worden ist und Judäa nie gesehen hat.

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Die Verbindung der judäischen Riten mit judäischer Herkunft ist breit belegt. Ovid nennt den Sabbat des Syrus Iudaeus bzw. des Syrus Palaestinus, einmal heißt es auch einfach peregrina sabbata. ¹³⁶ Wenn Seneca schreibt, die Riten einer sceleratissima gens verbreiteten sich in Rom und „die Besiegten hätten den Siegern die Gesetze gegeben“¹³⁷; wenn in der Diskussion von Riten bei Epiktet Syrer, Ägypter und Judäer nebeneinander stehen;¹³⁸ wenn es bei Erotianus heißt, man müsse den typos eines Kranken kennen, damit man nicht versehentlich einem Judäer Schwein zu essen gibt oder einem Ägypter Schaf oder Ziege¹³⁹ – dann geht es immer um Bräuche und religiöse Tabus, aber nie losgelöst vom Herkunftsbezug. Auch die Josephusdokumente geben deutliche Hinweise. Nach dem Beschluss des Lentulus zugunsten der ephesischen Judäer sollen „diejenigen Judäer, die römische Bürger sind und in Ephesos die judäischen Riten haben und praktizieren (nach einer anderen Version: zu praktizieren gewohnt sind)“, vom Militärdienst ausgenommen werden, „wegen ihrer Gottesfurcht“ (δεισιδαιμονία).¹⁴⁰ Diese doppelte Qualifizierung ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Sie setzt voraus, dass es auch Ioudaioi gibt – seien sie römische Bürger oder nicht –, die an die judäischen Riten nicht (oder nicht mehr) gewöhnt sind; sie können von der Militärdienstbefreiung nicht profitieren. Einerseits wird hier erneut deutlich, dass der Begriff zunächst auf Herkunft bezogen ist – wer sollen schließlich Ioudaioi ohne judäische Riten sein, wenn nicht Leute aus Einwandererfamilien, die sich angepasst haben? Die Regelung wäre sinnlos und sogar gefährlich, wenn „Judäer“ auch römische Bürger sein könnten, die einfach entscheiden, nach judäischer Art zu leben. Andererseits zeigt sich, dass die These einer primär ethnischen Kategorisierung von Judäern durch die römische Verwaltung nicht simplifizierend missverstanden werden darf: Es geht nicht um die Behauptung, dass religiöse Bräuche, eingebettet in die Identität eines Volkes, von diesem gar nicht zu unterscheiden gewesen wären. Lentulus unterscheidet – wie ja auch Cicero – klar zwischen den Judäern und ihren Riten. Herkunft und Riten waren aber konzeptionell so eng aufeinander bezogen, dass sich das Problem einer von Judäa abgelösten jüdischen Religion in dieser Zeit der römischen Verwaltung nicht stellte. Für den Fokus auf Territorium und Herkunft ließen sich noch weitere Belege anführen. So erklärte man sich die ungewöhnlich starke Ausbreitung des judäischen Kultes in Nordafrika und Ägypten nicht mit der infektiösen Wirkung einer superstitio, sondern mit Migration, wie ein bekanntes Beispiel zeigt. Strabon sagt     

Ov. ars ,  f;  f; Ov. rem.  f. Sen. F R. Epikt. apud Arrian. Diss. , ,  f; , , . Erot. Hippocr. coll. F , p. . Ios. ant. Iud. ,  f. .

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über Kyrene, es habe Ägypten darin imitiert, dass es die Ausbreitung judäischer „Abteilungen“ (συντάγματα) gefördert habe, die die „traditionellen Gesetze“ der Judäer verwendeten. Überhaupt finde man die Judäer inzwischen überall; es gebe keinen Ort, der sie nicht aufgenommen habe und in dem sie nicht zu Macht gelangt seien.¹⁴¹ Natürlich ist das übertrieben (und erinnert an antisemitische Vorurteile der Neuzeit), aber was hier interessiert, ist der Ausdruck παραδέδεκται τοῦτο τὸ φῦλον – ein deutlicher Hinweis darauf, dass Strabon diese ganzen Menschen eben mit ihrer Herkunft aus Judäa verbindet. Dafür spricht auch der Schluss der Passage: Das judäische Ethnos sei in Ägypten so stark geworden, weil die Judäer ursprünglich Ägypter seien und sich beim Verlassen des Landes nicht weit entfernt niedergelassen hätten; nach Kyrene kommen sie, weil das Gebiet genau wie Judäa an Ägypten grenzt. Noch 41 u.Z. fordert Claudius die Judäer in Alexandria auf, ihre Gemeinde nicht dadurch zu vergrößern, „dass aus Syrien oder Ägypten noch mehr Judäer herbeigeführt oder dazugeholt werden“.¹⁴² Dass dort in größerer Zahl Alexandriner zu Judäern werden könnten, kommt ihm nicht in den Sinn.

7 Ausblick Die scharfe Dichotomie „Volk oder Religion“ hat einen heuristischen Wert, weil sie Kategorisierungsfragen und Detailuntersuchungen anregen kann. Für die ersten Jahrhunderte des römisch-judäischen Verhältnisses ist sie jedoch insofern unergiebig, als sich die beiden Begriffe kaum sinnvoll voneinander trennen lassen. Das liegt nun nicht daran, dass, wie oft gesagt worden ist, jüdische Identität sich damals wie heute von allen anderen möglichen Identitäten darin unterschied, dass sie immer beides zugleich bedeutete, also Zugehörigkeit zu einem Volk und zu einer Religion. Es liegt vielmehr daran, dass gerade die Annahme einer solchen Kongruenz der Normalbefund für römisches Verwaltungshandeln auch gegenüber Syrern, Ägyptern und anderen Diasporagruppen im Westen ist.¹⁴³

 Strab. FGrHist II A , F  (= Ios. ant. Iud. ,  – ).  CPJ VIII , Z.  f: μηδὲ ἐπάγεσθαι ἢ προσείεσθαι ἀπὸ Συρίας ἢ Αἰγύπου καταπλέοντας ᾽Ιουδαίους.  Ob eine auf ausschließlich religiöser Basis entstandene Organisationsform aus römischer Sicht überhaupt denkbar war, muss dabei nicht abschließend entschieden werden. An den Bacchanalienskandal kann man denken: Nach North, „Religious Toleration“ (wie Anm. ), trafen die römischen Autoritäten hier erstmals auf ausdifferenzierte Religion – die Überlieferung ist aber derart von anderen Diskursen über Recht und Politik bestimmt, dass die These spekulativ bleibt. Zum Isiskult, der anlässlich seines Verbotes in einen ethnischen Kontext gestellt wird, s. o. S. .

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Es fehlt also eine Seite der Unterscheidung, oder besser: sie ist in der anderen enthalten.¹⁴⁴ Wenn man den Befund dennoch auf eindeutige Begriffe bringen möchte, zeichnet sich eine klare Tendenz ab. Die Römer haben die Judäer in der Zeit, die hier zu behandeln war, nicht als Religionsgemeinschaft konstruiert, sondern als das, was sie im ganzen Reich in zahlreichen Konstellationen immer wieder antreffen konnten: Ein Volk mit einer Diaspora. Daraus ergaben sich bekannte, teilweise bereits in den hellenistischen Reichen etablierte Kategorien und Handlungsanweisungen: Das Recht auf Gebrauch der eigenen „traditionellen Gesetze“, wenn diese nicht gerade Aufsässigkeit förderten; die – freilich stets prekäre – Toleranz gegenüber den in diesen Gesetzen enthaltenen religiösen Verordnungen (sua cuique civitati religio); die Anerkennung und Behandlung der Judäergemeinden als Vereine mit ethnischer Rekrutierungsbasis. Die religio gehörte also stets dazu; sie war eine wesentliche Komponente der Identität eines Volkes.¹⁴⁵ Manche Aspekte der judäischen religio waren ungewohnt, manche auch herausfordernd für eine auf Ausgleich der verschiedenen Partikularinteressen zugunsten des Reichsganzen bedachte Politik. Keiner der hier diskutierten Vorgänge erforderte aber eine grundlegende Revision bestehender Wahrnehmungsmuster, also eine völlige Herauslösung der religio aus ihrem ethnischen Kontext. Es ist klar, dass das Erklärungspotential der römischen Sichtweise für die eingangs vorgestellten Metadebatten letztlich begrenzt ist. Wie plausibel etwa die Verbreitung judäischer Gemeinden in Nordafrika und Ägypten allein durch Migration ist, kann man durchaus fragen; der ganze Komplex der Konversion führt, wenn man ihn anhand von judäischen Quellen behandelt, in eine andere Richtung. Von Boyarin ausgehend könnte man die hier präsentierten Ergebnisse eher schlicht zusammenfassen: Caesar und Augustus haben die „Religion im modernen Sinne“ jedenfalls nicht erfunden; die behauptete Rolle christlicher Apologeten bei der Konstruktion des Judentums als Religion steht also weiter im Raum. Wichtig ist die römische Perspektive dennoch, und zwar nicht nur, weil sie von Boyarin und anderen als Normalperspektive stets implizit mitgeführt worden ist, sondern auch, weil es bei dem hier skizzierten Ausgangspunkt des „römisch-jüdischen Verhältnisses“ eben nicht geblieben ist. In der Spätantike ist auch nach römischem Recht klar, dass Juden Angehörige einer Religion sind. Ein Ausblick auf die hier nicht mehr behandelte Zeit ab dem späteren 1. Jahrhundert u.Z. zeigt, dass dafür nicht ausschließlich christliche Intellektuelle verantwortlich sind.

 Das ist auch eine der Grundannahmen von Mason, „Jews, Judaeans“ (wie Anm. ),  – .  Dass es immer auch Leute gab, die die römischen Sitten vollständig übernahmen und ihre eigenen Bräuche aufgaben, widerspricht dem natürlich nicht.

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Bei der Behandlung der Inschriften war zu notieren, dass bereits für das 2. Jahrhundert u.Z. eine Argumentation für „Judentum“ als von Volk und Territorium ablösbare Religion auf weniger Hindernisse stößt. Für das 3. Jahrhundert gibt es dann eindeutige Quellenzeugnisse, die genau diesen Aspekt thematisieren – und als Besonderheit markieren.¹⁴⁶ Zu diesem Wandel haben die von Boyarin und Mason in den Mittelpunkt gerückten christlichen Abgrenzungsstrategien sicherlich beigetragen. Ausschließlich auf sie zu verweisen, dürfte indes zu kurz greifen, denn auch aus der römischen Verwaltungspraxis heraus müssen sich wichtige Impulse ergeben haben. Die Akkumulation von Privilegien, die das übliche Maß durchaus überschritten, und die relativ häufigen Konflikte, die diese Privilegien in den Städten verursachten, haben eine gesonderte Bewertung judäischer Fragen vermutlich schon früh befördert.¹⁴⁷ Mit der Entstehung und Verbreitung des Kaiserkultes, den die Judäer verweigerten, entstand neues Konfliktpotential, das sich bereits unter Caligula – hier noch in Judäa selbst – in aller Deutlichkeit zeigte und auch anderswo zu Spannungen geführt haben muss, die für die spezifische Gottesvorstellung dieses Volkes sensibilisierten.¹⁴⁸ Deutlich wichtiger noch dürften die Konsequenzen des bellum Iudaicum, der Verlust der staatlichen Eigenständigkeit 70 u.Z. und die selektive finanzielle Belastung der Unterlegenen gewesen sein. Mit der Einziehung einer „Judensteuer“ waren weitreichende Kategorisierungsfragen verbunden, die sich an der Frage entzündeten, wer diese Steuer zu zahlen habe: Nur Menschen mit judäischer Herkunft, oder alle, die judäische Bräuche befolgten?¹⁴⁹ Wenn für letztere ebenfalls der fiscus Iudaicus

 Cass. Dio , , ; Orig. Comm. ad Rom. , . Vgl. Cohen, The Beginnings (wie Anm. ), .  Der Grundthese von Avidov, Not Reckoned (wie Anm. ), der zu Folge die „Jewish nation“ im römischen Reich grundsätzlich (und lange vor  u.Z.) marginalisiert gewesen sei, kann ich nicht folgen; richtig ist aber seine Einsicht (ebd.,  – ,  – ), dass gerade die wiederholte Durchsetzung der römischen Privilegien zur Marginalisierung der Judäer in den betroffenen Städten beigetragen hat.  Vgl. den Protest gegen die geplante Aufstellung einer Caligula-Statue im Jerusalemer Tempel: Ios. ant. Iud. , ; ferner die bekannte Debatte zwischen Caligula und der von Philo geschilderten judäischen Gesandtschaft: Phil. leg.  – . Erneut ist allerdings auf die Einseitigkeit der Überlieferung hinzuweisen. Philo und Josephus präsentieren ein Idealbild, aus dem sich ein Grundsatzkonflikt ergibt; es wäre kurzschlüssig, hieraus Normen abzuleiten, die von allen oder auch nur den meisten Diasporajudäern befolgt wurden. Vgl. hierzu jetzt Kimberley Czajkowski, „Jewish Attitudes towards the Imperial Cult“, in: Scripta Classica Israelica  (),  – .  Mögliche Implikationen erörtern Martin Goodman, „Identity and Authority in Ancient Judaism“, in: Judaism  (),  – ; Marius Heemstra, The Fiscus Iudaicus and the Parting of the Ways, Tübingen .

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zuständig war,¹⁵⁰ liegt eine Kategorisierung der Iudaei als Angehörige einer Religion nahe.Verwaltungserfordernisse hätten demnach erstmals zu einer Situation geführt, in der tatsächlich die Juden als religiöse Gemeinschaft dem römischen Staat gegenüberstanden.¹⁵¹ Eine grundsätzlich neue Qualität der römischen Sicht auf die Iudaei ist zwar im Einzelnen schwer nachzuweisen. Die Feststellung der Beschneidung etwa etablierte sich bei der Einziehung der Judensteuer als Testverfahren, wie eine dramatische Geschichte bei Sueton illustriert;¹⁵² ob aber damit Volks- oder Religionszugehörigkeit festgestellt wurde, ist dem Vorgang an sich nicht zu entnehmen. Dennoch muss der Verlust des religiösen und politischen Zentrums, einschließlich der Umbenennungen Jerusalems (in Aelia Capitolina) und Judäas (in Palästina) unter Hadrian, die herkömmliche Sicht der Römer auf die Iudaei verändert haben. Die römischen Quellen zeigen zunächst eine teilweise (nie vollständige) Ersetzung von Iudaea durch Idumaea nach 70.¹⁵³ Dieser Ersatz eines territorialen Begriffs durch einen anderen wird jedoch dadurch konterkariert, dass sich jetzt relativ detaillierte Schilderungen des Übertritts von Römern zur Gemeinschaft der Iudaei finden. So beschreibt Juvenal den über zwei Generationen fortschreitenden Prozess der Abkehr von den römischen und der Übernahme der judäischen Gesetze bis hin zur Beschneidung,¹⁵⁴ und im berüchtigten Judenexkurs des Tacitus sind diejenigen, die „zu ihrer Sitte übergetreten sind“ (transgressi in morem eorum), ebenso erwähnt wie die ersten Lehrinhalte, die solche Proselyten vermeintlich von den Judäern erhalten.¹⁵⁵ Seit der zweiten Hälfte des 2. Jahrhun-

 Gegen den in der Forschung üblichen Sprachgebrauch bezeichnet fiscus Iudaicus nicht die „Judensteuer“ selbst, sondern die mit ihrer Eintreibung befasste Behörde; vgl. Sven Günther, „Der fiscus Iudaicus als Forschungskonstrukt“, in: Japan Studies in Classical Antiquity  (),  – , sowie in diesem Bd., S.  – .  Ein weiterer Aspekt ist womöglich, dass man die Rebellion der Judäer – nicht zu Unrecht – in besonderer Weise mit ihren religiösen Bräuchen erklärte und daher den religiösen Aspekt bei der Besteuerung isolierte. Vgl. für diese Position Gil Gambash, „Foreign Enemies of the Empire: The Great Jewish Revolt and the Roman Perception of the Jews“, in: Scripta Classica Israelica  (),  – , hier  f.  Suet. Dom. , .  Vgl. zu den Belegen Daniel R. Schwartz, „Herodians and Ioudaioi in Flavian Rome“, in: Jonathan Edmondson / Steve Mason / James Rives (Hgg.), Flavius Josephus and Flavian Rome, Oxford ,  – ; kritisch zur Auswertung des Befunds Mason, „Jews, Judaeans“ (wie Anm. ), .  Iuv. ,  – .  Dass sie nämlich die Götter, ihre eigene Heimat (patria) und ihre Familie verachten sollen: Tac. hist. , , . Ganz ohne den ethnisch-territorialen Bezug geht es auch hier nicht: wer zu den Judäern geht, löst sich von seiner patria. Aber das ist nicht zuletzt der antijudäischen Tendenz des Exkurses geschuldet. Erich S. Gruen, „Tacitus and the Defamation of the Jews“, in: Joseph Geiger /

Rom und die Juden – ein Kategorienfehler?

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dert u.Z. – zu einer Zeit, in der das zwischenzeitlich von Hadrian erlassene Beschneidungsverbot von Antoninus Pius zumindest in Bezug auf die Judäer zurückgenommen worden war – lassen sich auch epigraphisch mehr und mehr Iudaei fassen.¹⁵⁶ Hier liegen offensichtlich Ansatzpunkte für eine Verschiebung der Akzente vom Aspekt der Herkunft und des Territoriums zum religiösen Leben, mithin für eine Anerkennung religiös basierter Organisationsformen, die mit den christlichen Apologeten zumindest nicht direkt zu tun hat. Ob man man die hier vermutete Veränderung dadurch sinnfällig machen kann, dass man für die Hohe Kaiserzeit nicht mehr von Judäern spricht, sondern dezidiert „Rom und die Juden“ einander gegenüberstellt, muss wohl das je eigene Sprachgefühl entscheiden. Für die Zeit der späten Republik und des frühen Prinzipats birgt diese Formulierung aber in der Tat die Gefahr eines Kategorienfehlers.

Hannah M. Cotton / Guy D. Stiebel (Hgg.), Israel’s Land. Papers Presented to Israel Shatzman on his Jubilee, Raana , * – *, hat diese Tendenz bestritten und unter Hinweis auf vermeintliche Widersprüche den ganzen Exkurs als ironische Behandlung üblicher Ansichten zu den Judäern interpretiert. Diese Umdeutung kann nicht überzeugen, zumal manche Beobachtungen weit hergeholt sind: Dass etwa ein energischer Proselytismus der von Tacitus ebenfalls behaupteten Faulheit der Judäer widerspreche (* – *), ist schon an sich nicht leicht einzusehen und wird ganz irrelevant, wenn man bedenkt, dass Tacitus keine von Judäern ausgehende Mission, sondern allgemein die Existenz von „Übergetretenen“ beschreibt.  In diesem Kontext kann man auch erwägen, die in einer Inschrift aus hadrianischer Zeit genannten „vormaligen Ioudaioi“ (οἱ πότε ᾽Ιουδαῖοι, I. Smyrna , Z. ) doch – mit der älteren Forschung – als Menschen zu deuten, die sich angesichts von Beschneidungsverbot und Steuererschwernissen demonstrativ von ihrer früheren religiösen Praxis distanzieren, und nicht als solche, die ursprünglich aus Judäa stammen (für erstere Version mit der älteren Forschung Williams, „The Meaning“ [wie Anm. ], ; für letztere Kraabel, „The Roman Diaspora“ [wie Anm. ], ; Harland, Associations [wie Anm. ], ). Für keine Deutung gibt es klare Parallelen, was besonders die Argumentation erschwert, es handle sich schlicht um eine – in Inschriften sonst nie so formulierte – Herkunftsangabe.

Der rechtliche Status der Juden im römischen Reich Tradition und Wandel in der römischen Judengesetzgebung vom 2. Jahrhundert v.u.Z. bis zum 6. Jahrhundert u.Z. Mit einem Exkurs zur These von Doron Mendels und Arye Edrei über „Zweierlei Diaspora“ Karl Leo Noethlichs (Aachen) Als die Juden die ersten Kontakte zu den Römern knüpften, hatten sie bereits eine mehrere Jahrhunderte lange Erfahrung mit Großreichen wie Ägypten, Assyrien, Babylonien, Persien und, seit Alexander dem Großen, mit Griechen hinter sich. Was waren die Erfahrungen aus diesem Leben unter Fremdherrschaft? Es war die Herausbildung eines spezifischen Monotheismus, der sich insbesondere seit dem Babylonischen Exil entwickelte und dann, unter persischer Herrschaft, durch Esra und Nehemia eine verbindliche Form annahm, ausgerichtet am Mosaischen Gesetz. Daraus ergaben sich gewisse Bedingungen für ein Zusammenleben in nichtjüdischer Umgebung, solange man einen befriedigenden oder wenigstens erträglichen modus vivendi anstrebte. Zwar waren bestimmte Kulthandlungen des Judentums wie Beschneidung, Sabbat, Speisevorschriften, Feste und Fastenzeiten keineswegs originell in der antiken Welt, konnten aber in ihrer Kombination und Rigorosität für das Gesamtvolk, einzelne Gruppen und für Einzelpersonen zum Problem werden. Hier ist vor allem auch auf die jüdische Diaspora hinzuweisen, die wohl bei keinem antiken Volk eine solche Rolle gespielt hat wie beim Judentum. Von daher ergab sich als zentrale politische Forderung der Juden in fremder Umgebung, nach ihrer Vätersitte, dem patrios nomos leben zu können, eine Forderung, die schließlich auch unter römischer Herrschaft erhoben wurde. Es gilt also zunächst, kurz die rechtliche Situation der Juden bis zur Römerherrschaft zu skizzieren, dann die Stellung in Republik und Kaiserreich zu schildern und schließlich zu analysieren, was die Christianisierung des Reiches ab Konstantin I. für das Judentum bedeutet hat. Beginnen wir mit den Vorläufern der römischen Judengesetze: Die frühesten Zeugnisse stammen aus dem Perserreich unter Kyros (II.) vom Jahr 538 v.u.Z. Josephus zitiert, nach der Vorlage des biblischen Esra-Buches, im 11. Buch seiner Antiquitates zwei Erlasse des Kyros in griechischer Übersetzung, des Inhalts, den Jerusalemer Tempel wieder her zu stellen und dazu den Juden die Rückkehr nach Judäa zu gestatten. Er sagte ihnen dabei großzügige materielle Unterstützung zu, gab die von Nebukadnezar geraubten heiligen Geräte zurück, DOI 10.1515/9783110410051-003

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ließ die Priester nach den Vorschriften des Mosaischen Gesetzes wieder opfern und versorgte die Juden mit (koscheren) Nahrungsmitteln entsprechend den Rechten ihrer Vorfahren.¹ Damit stellte Kyros die persischen Maßnahmen in einen bereits älteren Traditionszusammenhang, der jüdischerseits auf Moses zurückgeht.² An die judenfreundlichen Maßnahmen des Kyros knüpft Dareios (522– 486 v.u.Z.) an.³ Unter seinen Verfügungen seien hervorgehoben: Steuerfreiheit für die in Jerusalem lebenden Juden, die Wiederaufnahme der alten Opfer, Stellung kultischer, besonders auch musikalischer Geräte⁴ und der Gewänder des Hohenpriesters und der übrigen Priester sowie ein Jahresgehalt für die Wächter der Stadt Jerusalem und des Tempels. Ein Dekret des Artaxerxes (465 – 423 v.u.Z.) bekräftigt die Neubesiedlung Jerusalems, sichert dem Schreiber und Kenner des mosaischen Gesetzes, Esra, der jetzt eine zentrale Stellung bei den Juden einnimmt, großzügige Geldmittel für Kultzwecke zu und gewährt allen Tempeldienern, vom Priester bis zum Türsteher und den Tempelarbeitern,⁵ Steuerfreiheit. Das Mosaische Gesetz regelt ab jetzt – zusammen mit dem Gesetz des Königs – die Rechtsprechung.⁶ Konflikte sind hier offenbar nicht einkalkuliert. Laut Josephus soll Alexander bei seinem (in der Forschung höchst umstrittenen⁷) Besuch in Jerusalem den Juden auf ihre Bitten hin das Leben nach Väterart zugesichert und dasselbe Zugeständnis, quasi im Vorgriff auf die zukünftige Ausbreitung des Reiches (?), für die jüdischen Gemeinden in Babylon und Medien gemacht haben.⁸ Diese Episode ist, von ihrem Wahrheitsgehalt abgesehen, insofern von Bedeutung, als in diesem Zusammenhang die Problematik jüdischen  Esra ,  – ; – ; Ios. ant. Iud. ,  f;  –  mit der plausibleren Chronologie. Herbert Donner, Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen, Göttingen , bes.  –  (Teil VII: Das persische Zeitalter).  Ios. ant. Iud. , .  Ios. ant. Iud. ,  – ; vgl. Esra ,  – .  Bei Esra nicht erwähnt.  Wörtl. „die Gegebenen“, hebr. netinim, griech. nathinaioi. Sie waren angeblich seit Josua um  v.u.Z. in jüdischen Diensten als Holzfäller und Wasserträger: Josua ,  – .  Esra ,  – . Zu Nehemia und Esra s. Donner (wie Anm. ),  – ; Georg Steins, „Die Bücher Esra und Nehemia“, in: Erich Zenger u. a., Einleitung in das Alte Testament, ed. Christian Frevel, Stuttgart ,  – .  S. nur den älteren Forschungsbericht bei Ralph Marcus in der Josephus-Ausgabe der Loeb Classical Library Bd. VI, , ND , App. C, S.  – , und Jakob Seibert, Alexander der Grosse, Darmstadt ,  – ; Ernst Bammel, „Der Zeuge des Judentums“, in:Wolfgang Will, Johannes Heinrichs (Hgg.), Zu Alexander d.Gr., Festschrift G. Wirth,  Bde., Amsterdam , Bd. ,  – .  Ios. ant. Iud. , .

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Militärdienstes in nichtjüdischen Einheiten von Josephus angesprochen wird: Alexander soll mit dem Versprechen, Juden könnten in seiner Armee ihre angestammten Bräuche pflegen, erfolgreich Soldaten angeworben haben.⁹ In der Nachfolge Alexanders des Großen tritt unter Seleukos Nikator (312– 281/0 v.u.Z.) ein zentrales politisches Ziel der Juden wohl erstmals deutlich hervor: Das Bürgerrecht der jeweiligen Griechenstadt, in der sie leben. Es scheint ein Spezifikum der Griechen gewesen zu sein, die Einzelperson als „politisches“, also auf die Polis bezogenes Wesen rechtlich zu definieren. So wird verständlich, warum der Kampf um das jeweilige „Stadtbürgerrecht“ in der Auseinandersetzung Juden – Griechen eine so große Bedeutung hatte, die sich im römischen Reich bis zur Constitutio Antoniniana fortsetzte. Seleukos verlieh, allerdings nur in seinen Neugründungen in Asien und Syrien sowie in der Hauptstadt Antiochia, den Juden die gleiche politische Rechtsstellung wie den Makedonen und Griechen.¹⁰ Damit griff der Kreis der Privilegien erstmals, sofern die Anekdote mit Alexander erfunden sein sollte, über den Bereich des jüdischen Stammlandes hinaus und betraf nun auch einen Teil der jüdischen Diaspora. Antiochus III. (223 – 187 v.u.Z.) setzte die materielle Unterstützung der Tempelrestauration fort, erneuerte die Steuerfreiheit für alle Tempeldiener, bezog in den Kreis der Berechtigten jetzt auch die gerousia mit ein, das jüdische Synhedrion, gewährte den in Judäa lebenden Juden eine dreijährige Steuerfreiheit, und danach eine um ein Drittel reduzierte Abgabe, sowie die Freilassung aller Versklavten samt deren Kindern.¹¹ Nach dem Rückschlag unter Antiochus IV. Epiphanes wiederholte Antiochus V. das von Antiochus III. verliehene Privileg, nach den väterlichen Bräuchen leben zu dürfen, wenn auch unter militärischem Druck und unter Bruch des Eides, Jerusalem zu verschonen.¹² Die Wirren, die die anschließenden Makkabäeraufstände, die der Bau des Onias-Tempels im ägyptischen Leontopolis¹³ und die der Beginn römisch-jüdischer Freundschaftsverträge mit sich brachten, führten bis Pompeius zu einer weitgehenden Selbständigkeit des jüdischen Staates. Ich fasse die wesentlichen Punkte zusammen:

 Ios. ant. Iud. , . Die Probleme der jüdischen Soldaten allerdings, z. B. im Umgang mit heidnischen Tempeln, schildert, nach der Vorlage des Hekataios, Ios. c. Ap. ,  f.  Ios. ant. Iud. ,  – , hier verbunden mit einem besonderen Lob auf Agrippa,Vespasian und Titus, wobei letztere am Fortbestehen dieses Privilegs auch nach dem (.) jüdisch-römischen Krieg festhielten; vgl. Ios. bell. Iud. ,  f.  Ios. ant. Iud. ,  – .  Ios. ant. Iud. ,  – ; Makk. ,  – .  Ios. ant. Iud. ,  f; ,  – .

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Inhalte jüdischer Privilegien in persischer und hellenistischer Zeit waren solche im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels: Geldmittel, besondere Speisen, Steuerbefreiung für alle Tempeldiener, bei Antiochus III. auch des Synhedrions und der Jerusalemer Bevölkerung, die staatliche Anerkennung des Mosaischen Gesetzes als Grundlage der Rechtsprechung – zusammen mit dem Königsrecht – und das Leben nach den „väterlichen Sitten“. Hinzu traten nach dem Vorbild des Seleukos Nikator verstärkt Forderungen nach politischer Gleichstellung der Diasporajuden, die hier erstmals von der Geschichtsschreibung näher in den Blick genommen werden. Was die Motive der jeweiligen Herrscher anlangt, so begründen das Buch Esra und Josephus die Entscheidung des Kyros mit einer Eingebung von JHWH, die eine Prophezeiung des Jeremias erfüllen sollte.¹⁴ In späterer Zeit waren es vor allem militärische Hilfeleistungen, die eine privilegierte Stellung der Juden zur Folge hatten und sie – als Militärsiedler – zu einer sehr geeigneten königstreuen Gruppe zur Überwachung der Bevölkerung machten. Dabei spielt eine Befriedungspolitik, die fremde Volksgruppen geschlossen ansiedelt, ihnen sogar eigene Stadtteile zuweist wie im Falle von Alexandria und ihnen dabei umso leichter ihre Besonderheiten belassen kann, offenbar eine Rolle.¹⁵ Es war ein kluger Schachzug des Judas Makkabäus, als Reaktion auf die gewaltsame religiös-hellenistische Vereinheitlichungspolitik Antiochos’ IV. Epiphanes ein Bündnis mit Rom zu schließen und in die Liste der socii et amici populi Romani aufgenommen zu werden,¹⁶ wenngleich die eigentlichen Gründe dunkel bleiben. Ob der Erfolg des Simon über Nikanor, den Feldherrn Demetrios’ I., ausschlaggebend war, oder die vermeintliche Attraktivität der römischen Verfassung (1Makk 8) und die eindrucksvollen römischen Eroberungen, sei dahingestellt.

 Esra , ; ebenso bei Ios. ant. Iud. , ; im Erlass selbst (ebd. , ) spricht Kyros aber unspezifisch von „Propheten“. Der namentliche prophetische Verweis auf Kyros findet sich bei Jes ,  – , .  Z. B. Ios. bell. Iud. ,  f; Ios. ant. Iud. ,  – ; , ; Ios. c. Ap. , .  Hauptquelle sind das . und . Makkabäerbuch. In Makk ,  gibt es allerdings nur eine kurze undatierte Anspielung auf einen Vertrag mit den Römern, sofern es sich hier nicht um einen späteren Einschub handelt, und die etwas unmotivierte erste Kontaktaufnahme Makk. ,  –  in Form eines römischen Briefes, der das Datum des Jahres  v.u.Z. trägt. Die vertraglichen römisch-jüdischen Beziehungen nach Makk ,  beginnen aber erst mit dem Jahr / unter Demetrios. Das Datum ergibt sich aus der Kombination von Makk ,  ( v.u.Z.) und ,  ( v.u.Z.), vgl. Jean Juster, Les juifs dans l’empire Romain. Leur condition juridique, économique et sociale,  Bde., Paris , I, , Anm. . Jos. ant. ,  –  wiederholt den Bericht des . Makkabäerbuches, steuert aber auch einige eigene Informationen bei; vgl. auch Iust. , .

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Andere Kleinstaaten dieser Gegend kamen offenbar nicht auf denselben Gedanken, wenngleich Rom als neue Schutzmacht spätestens nach der Schlacht von Pydna 168 v.u.Z. im östlichen Mittelmeer eine hegemoniale Rolle spielte. Man griff hier bei Gefahr für die Zukunft eher zur testamentarischen Übereignung des Landes an Rom, wie z. B. Ptolemaios VIII. im Jahr 162 v.u.Z. im Falle der Kyrenaika, Attalos III. im Jahr 133 v.u.Z. im Falle von Pergamon, Ptolemaios Apion im Jahr 96 v.u.Z. im Falle von Kyrene und Nikomedes im Jahr 74 v.u.Z. im Falle von Bithynien.¹⁷ Wenn dieses wohl fünfmal wiederholte Bündnis der Makkabäer mit Rom auch keine konkreten Folgen hatte, so spielt es sicher in der weiteren Geschichte eine Rolle der Art, dass Judäa seitdem für Rom keine Unbekannte mehr gewesen sein dürfte und zumindest ein Teil der politischen Elite römisches Vertrauen genoss. Aus der Zeit zwischen den ersten vertraglichen Kontakten zu Rom und dem direkten römischen Eingreifen in Judäa durch Pompeius im Jahr 66 v.u.Z. haben wir nur ein Ereignis, das etwas zum Rechtsstatus der Juden aus römischer Sicht aussagt: Die Ausweisung von Chaldäern und Juden aus Rom im Jahr 139 v.u.Z. bzw. das Verbot, öffentlich den Kult des Jupiter Sabazios zu lehren. Die römische Moral sollte nicht gefährdet werden.¹⁸ Mit der grundsätzlichen politischen Einschätzung Judäas durch Rom hatte dies offenbar nichts zu tun. Wir sehen hier, wie Kernland und Diaspora durchaus unterschiedlich behandelt wurden. Bei der Neuordnung des Ostens durch Pompeius spielte Judäa eine untergeordnete Rolle. Der römische Feldherr war im Zusammenhang mit dem Mithridatischen Krieg in einen innerjüdischen Konflikt zwischen zwei Thronprätendenten, Hyrkan und Aristobul, hineingezogen worden, hatte militärisch für die Partei des Hyrkan Jerusalem erobert und dabei auch das Allerheiligste des Tempels betreten.¹⁹ Es handelte sich also nicht um einen Sieg Roms über einen auswärtigen Feind, eher um eine Hilfeleistung für einen befreundeten Staat in einem inneren Konflikt. Dieser Fall war allerdings durch das römisch-jüdische Bündnis nicht abgedeckt, soweit es der Vertragstext (1Makk 8, 23 – 32) zeigt. Nach Appian (Mithr. 116) triumphierte Pompeius auch nicht über Judäa. Lediglich bei den 324 Gefangenen, die vor dem Wagen des Pompeius gingen, erwähnt

 Z. B. SEG , ; OGIS ; Liv. per. ; Vell. Pat. , , ; App. Mithr. ; App. civ. , .  Val. Max. , ,  (Menahem Stern, Greek and Latin Authors on Jews and Judaism,  Bde., Jerusalem  – , Nr. ); vgl. auch Servius, Aen. ,  (Stern Nr. ); Eugene N. Lane, „Sabazius and the Jews in Valerius Maximus: A Re-Examination“, in: JRS  (),  – ; zur Frage jüdischer Missionstätigkeit vgl. nur Edouard Will / Claude Orrieux, „Proselytisme juif“? Histoire d’une erreur, Paris .  Die Quellen z. B. bei Karl Leo Noethlichs, Das Judentum und der römische Staat. Minderheitenpolitik im antiken Rom, Darmstadt ,  Anm. .

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Appian den Aristobul, den König der Juden (ebd., 117). Die steuerlichen Maßnahmen des Pompeius und seiner Nachfolger, besonders des A. Gabinius, betrafen den (kollektiven) Rechtsstatus der Juden insofern, als Jerusalem und Judäa tributpflichtig wurden.²⁰ Empfindlich waren auch die Verluste an (vorher eroberten) Städten, die entweder frei oder der Provinz Syrien zugeschlagen wurden.²¹ Die Juden forderten für sich das Recht, jährlich Geld für den Jerusalemer Tempel weltweit einsammeln zu dürfen. Die biblische Legitimität fußt auf der Vorschrift JHWHs in Exodus 30, 11– 14²² und auf der Selbstverpflichtung in Nehemia 10, 33²³. Diese innerjüdische Selbstverpflichtung muss irgendwann auch von den verschiedenen Fremdherrschern für die jüdische Diaspora anerkannt worden sein, und mit Beginn der römischen Herrschaft scheint das auch für Rom zu gelten.Wenn wir auf Cicero und sein prozessuales Eintreten für Flaccus im Jahr 59 v.u.Z. schauen, so fällt auf, dass die Hauptargumentation in diesem Punkt darin besteht, seinen Mandanten vom Vorwurf der Unterschlagung reinzuwaschen. Man hat den Eindruck, dass es zumindest de facto ein solches Zugeständnis des Geldtransportes von hiera chremata der jüdischen Diaspora nach Jerusalem auch bei den Römern gab.²⁴ Es muss also einer bestimmten jüdischen Elite gelungen sein, alte Privilegien, nun unter römischer Oberhoheit, wieder aufleben zu lassen. Bekannt sind die Vorgänge im Bürgerkrieg Caesar – Pompeius und in der Folge die caesarischen Dankesbezeugungen an Hyrkan und Antipater wegen der militärischen Unterstützung. Da die meisten dieser Vergünstigungen den Gesamtstatus des Judentums nicht wirklich betreffen, seien hier nur kurz folgende erwähnt: Hyrkan und seine Kinder werden als Ethnarchen und Hohepriester wieder in die Liste der socii et amici populi Romani aufgenommen. Es gab also eine Fortsetzung des alten Bündnisses.²⁵

 Ios. bell. Iud. , ; Ios. ant. Iud. , ; Cass. Dio , ,  erwähnt eine Abgabe der Juden auf Veranlassung des Gabinius. Entweder war die Steuer des Pompeius zeitlich befristet, oder Gabinius erhob eine weitere. Er wird bei Cassius Dio als geldgierig und korrupt geschildert, so dass wohl eher die zweite Möglichkeit zutreffen dürfte.  Ios. bell. Iud. ,  – ; Ios. ant. Iud. ,  – .  ½ Schekel auf Geheiß JHWHs für Männer ab  Jahren, die der Musterung unterliegen, zur Verwendung des Dienstes am Offenbarungszelt.  Die Selbstverpflichtung besteht in der Abgabe von ⅓ Schekel, wobei die Ausgaben für den Tempel konkret aufgeführt sind. Es folgen ebd.,  – , detaillierte Vorschriften über die Abgaben der Erstlinge und des Zehnten für Priester und Leviten. Genauere Vorschriften für den Kreis der Steuerpflichtigen bleiben hier allerdings offen.  Cic. Flacc.  – .  Ios. ant. Iud. ,  – ;  – ; ; Einzelheiten der Steuerregelungen für Judaea ebd.,  – .

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Antipater und seine Söhne erhielten das römische Bürgerrecht,²⁶ Herodes dann im Jahr 40 v.u.Z. den Königstitel.²⁷ Judäa blieb offensichtlich von besonderen militärischen Auflagen verschont. Ein allgemeines, die Bewohner Judäas betreffendes Zugeständnis war die Erlaubnis, während der Herrschaft Hyrkans und seiner Kinder eventuell ausbrechende Streitereien bezüglich jüdischer Lebensart innerjüdisch entscheiden zu dürfen,²⁸ eine Regelung, die seit Jean Juster als eine Art jüdische „Magna Charta“ bezeichnet wurde,²⁹ bis Tessa Rajak dies erstmals deutlich relativierte.³⁰ Es war römischer Grundsatz, den eroberten Völkern bzw. Städten ihre angestammten Gesetze, ihre patrioi nomoi, wieder zu geben, wie wir es öfters inschriftlich nachweisen können.³¹ Vor allem das Zugeständnis eigener (interner) Rechtsprechung war ein wichtiges Element, Unterworfene bei Laune zu halten (vgl. Cic. Att. 6, 1, 15), so wie es auch Hyrkan zugebilligt wurde. Allein den Juden war es erlaubt, sich als Kultverein zu versammeln und Geld für religiöse Zwecke einzutreiben, und dieses Privileg betraf die gesamte Diaspora, besonders Rom.³² Da mit der Amtszeit bzw. dem Tod eines römischen Politikers auch die Gültigkeit der meisten seiner gesetzlichen Maßnahmen erlosch,³³ gelang es einer Gesandtschaft Hyrkans in Rom, Caesars Maßnahmen für die Juden durch den Senat am 11. April 44 v.u.Z. bestätigen zu lassen.³⁴ Für die Folgezeit überliefert Josephus eine Reihe von gesetzlichen römischen Regelungen zum Sonderstatus der Juden in der frühen Kaiserzeit, die oft Gegenstand der Forschung waren und hier nicht im Einzelnen mit all ihrer Problematik wiederholt werden müssen.³⁵ Sie beziehen sich alle, von Judäa und Alexandria abgesehen, auf kleinasiatische Städte und betreffen ausschließlich civitates liberae bzw. civitates foederatae.

 Ios. bell. Iud. , .  Ios. ant. Iud. , ; Strab. , ; Tac. hist. , ; App. civ. , .  Ios. ant. Iud. , .  Juster (wie Anm. ), I ; vgl. A. M. Rabello, „The Legal Condition of the Jews in the Roman Empire“: in: ANRW II, , ,  – , hier .  Tessa Rajak, „Was There a Roman Charter For the Jews?“, in: JRS  (),  – , ND in: dies., The Jewish Dialogue With Greece and Rome, Boston; Leiden ,  – , hier ; .  ILS ; Robert Kenneth Sherk, Roman Documents from the Greek East, Baltimore  (= RDGE) Nr. . . . ; Miriam Pucci Ben Zeev, Jewish Rights in the Roman World. The Greek and Roman Documents Quoted by Josephus Flavius, Tübingen , bes.  –  (Teil II, Kap.V: Were the Jewish Rights a Privilege in the Roman World?).  Ios. ant. Iud. , .  Vgl. Gai. inst. , .  Ios. ant. Iud. ,  – .  Eine neuere umfassende Untersuchung bildet die Arbeit von Pucci Ben Zeev (wie Anm. ).

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Die hier angesprochenen Konflikte der Juden mit der hellenistischen Umwelt seien im Folgenden kategoriell zusammengefasst: Ein großer Komplex befasst sich mit Hyrkan und seiner Familie, der hier nicht weiter behandelt werden soll.³⁶ Judäa betreffende Maßnahmen bestehen alle in bestimmten Steuerprivilegien, so z. B. in der Befreiung von Einquartierungspflicht und in bestimmten Steuerund Zollregelungen. Ein wichtiges, verstreut über mehrere Dokumente behandeltes Privileg ist das „Leben nach Vätersitte“.³⁷ Im reichsweiten Vergleich handelte es sich formell nicht um ein nur auf das Judentum beschränktes Sonderrecht, sondern war grundsätzlich römische politische Praxis. Allerdings gehörten hierzu jüdische Besonderheiten, die in ihrer Form und in der Kombination miteinander ohne Beispiel waren: die Beschneidung ausnahmslos aller jüdischen Männer, die Sabbatruhe und Steuerfreiheit im Sabbatjahr, die Erlaubnis, reichsweit Tempelgeld einziehen zu dürfen, dessen Behinderung als sacrilegium galt, und der Verzicht auf die Verehrung von Kaiserbildern. Ferner waren Juden bestimmten Speisevorschriften unterworfen, auf die die Umwelt Rücksicht nehmen sollte. Hier kann man von echten Privilegien sprechen, die allerdings, wie z. B. die Dokumente bei Josephus zeigen, schwer durchzusetzen waren. Weniger exklusiv sind der Schutz der hl. Schriften und das Zugeständnis von Kultgebäuden zum Gottesdienst und zu Versammlungen, wobei Synagogen – wie nichtrömische Tempel – nach römischem Sakralrecht weder loca religiosa noch loca sacra waren. Auch die Achtung jüdischer Feiertage, z. B. bei Lebensmittelzuteilungen und bei Gerichtsterminen, war nicht einmalig. So finden sich z. B. in der Lex Irnitana (§ 92) zahlreiche und meist religiös motivierte Bestimmungen, an welchen Tagen keine Prozesse stattfinden sollten. Vom Kaiserkult waren die Juden allerdings nicht befreit. Wenn sie tägliche Opfer im Tempel pro salute Augusti und seiner Familie darbrachten, geschahen diese allerdings aus jüdischer Sicht nicht an den Kaiser, sondern für den Kaiser. Der Unterschied dürfte in der Praxis keine Rolle gespielt haben. Daher waren die Juden, weil sie dieselbe Form von unblutigen und blutigen Opfern pflegten, für die Außenwelt auch weniger problematisch als z. B. die Christen. Nicht nur Juden mit römischem Bürgerrecht waren vom Militärdienst befreit.³⁸ Wir kennen solche Freistellungen z. B. auch von den Dionysischen Techniten oder  Ios. ant. Iud. ,  – .  Ios. ant. Iud. , .  – . .  – ; ,  – . ; ,  – .  – .  Ios. ant. Iud. ,  – .

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anderen Kultfunktionären.³⁹ Originell ist allerdings die Begründung, am Sabbat nicht marschieren und keine Waffen tragen zu dürfen, was zur Folge hatte, dass Juden nur in rein jüdischen Einheiten agieren konnten, anders also als die (angebliche) Propaganda Alexanders des Großen.⁴⁰ Die Befreiung setzt wohl voraus, dass es zu dieser Zeit im Osten nur recht wenige Inhaber des römischen Bürgerrechts gegeben hat, die zum Militärdienst verpflichtet waren. Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass nach den bei Josephus überlieferten Edikten neben dem römischen Bürgerrecht die aktive Befolgung des Mosaischen Gesetzes Voraussetzung für die Militärdienstbefreiung war, wie auch immer diese festgestellt wurde. Es genügte also nicht eine einfache Erklärung!⁴¹ Die zentrale politische Forderung der Juden war die Gleichstellung mit ihren Mitbürgern, der Kampf um das Bürgerrecht oder zumindest um „Isonomie“, was wohl die Anerkennung eines eigenen „Politeuma“ mit autonomer Rechtsprechung und Versammlungsfreiheit sowie einer eigenen Führung, einem Ethnarchen, bedeutete.⁴² Hier haben wir ein traditionelles Element schon aus hellenistischer Zeit vor uns. Umstritten ist in der Forschung, ob die jüdischen Vorrechte überall gegolten haben oder nur regional, weil wir sie nur in letzterer Form kennen. Man wird hier den Vorbehalt der Kenntnis bei allen Gemeinden und der praktischen Durchsetzbarkeit machen müssen, wenngleich diese Privilegien theoretisch-rechtlich für alle Juden und jüdische Gemeinschaften Gültigkeit hatten. Ferner ist zu fragen, wie lange sie galten, erloschen sie doch mit dem Amtsende bzw. Tod des Verleihenden,⁴³ blieben also immer unsicher. Jedenfalls, so Philo (leg. 159), wagte zu Lebzeiten des Augustus niemand an den jüdischen Sonderregelungen zu rühren, „auch wenn man ‚von Natur aus‘ den Juden nicht wohlgesonnen war!“ – eine bemerkenswerte Äußerung Philos! Eine neue Situation ergab sich aus den Folgen des ersten jüdisch-römischen Krieges 66 – 70/3 u.Z., nämlich die Verpflichtung für alle Juden, jährlich in den fiscus Iudaicus eine Doppeldrachme zugunsten des Jupiter-Optimus-MaximusTempels in Rom einzahlen zu müssen. Es handelte sich also um die umgewidmete und erweiterte Tempelsteuer. Denn diese neue Zwangsabgabe unterlag staatlicher Kontrolle und betraf nun einen breiteren Personenkreis, d. h. konkret: Die Zah-

 IG II ; RDGE (wie Anm. ), .  Vgl. o. bei Anm. .  Ios. ant. Iud. ,  – . .  f.  – . Es kam also auf die wirklich praktizierte jüdische Lebensweise an, die dann auch irgendwie überprüft werden musste, wie und von wem auch immer.  Z. B. Ios. ant. Iud. ,  – ; ,  – .  S.o. Anm. .

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lungsverpflichtung wurde nun anhand der Beschneidung bei Männern überprüft.⁴⁴ Fraglich ist, wie man bei Frauen vorging. Denn die bisherige Tempelsteuer, ursprünglich nur für Männer ab 20 Jahre zu zahlen, war jetzt, wie wir aus ägyptischen Papyri wissen, schon mit drei Jahren fällig und betraf auch Frauen.⁴⁵ Es kann sich bei Unmündigen nur um Angaben der Eltern oder bei Erwachsenen um Selbsterklärungen gehandelt haben, so wie wir sie aus den Christenprozessen bezüglich des Glaubens kennen. Der Tempelkult war angesichts des zerstörten Tempels gegenstandslos geworden. Dieser Ort hatte in der Vergangenheit eine zentrale integrative und koordinierende Rolle bei den Aufständischen gespielt. Insofern ist es aus römischer Sicht nur konsequent, dass auch der Onias-Tempel im ägyptischen Leontopolis stillgelegt wurde, als es Nachrichten über dortige Unruhen gab und die Römer auch hier einen „Sammlungseffekt“ befürchteten.⁴⁶ Der verlorene Krieg hatte also direkte Auswirkungen auf die gesamte jüdische Diaspora, nicht in dem Sinne, dass der Status der religio licita betroffen worden wäre, sondern im Sinne einer persönlichen, individuellen Steuerpflicht dem Staat gegenüber. Es gab keine Volksgruppe, die ein ähnliches Schicksal erlitten hätte. Für den Staat bedeutete es vermehrte Steuereinnahmen. Es versteht sich, dass die ursprünglich Hyrkan und Judäa gewährten Privilegien jetzt hinfällig waren. Die Judensteuer scheint allerdings im Laufe der Zeit im Sande verlaufen zu sein, ein bemerkenswertes Schicksal für eine staatliche Steuer! Die letzte Erwähnung dazu findet sich in einem Brief des Origenes an Julius Africanus, § 14, wohl kurz vor Mitte des 3. Jahrhunderts geschrieben.

 Suet. Dom. , ; Stern Nr. ; Margaret H.Williams, The Jews Among the Greeks & Romans. A Diasporan Sourcebook, London , IV, Nr.  und : Münze Nervas: FISCI IUDAICI CALUMNIA SUBLATA.  CPJ II, Nr.  – ; ; vgl. Williams, Sourcebook (wie Anm. ), IV, Nr.  –  (S.  – ). Zur neueren Forschungsdiskussion über den Fiscus Iudaicus, zur davon zu trennenden besonderen „Judensteuer“ und zur Interpretation der Finanzpolitik Nervas vgl. Sven Günther, „Der fiscus Iudaicus als Forschungskonstrukt“, in: Japan Studies in Classical Antiquity  (),  – , sowie in diesem Bd.,  – .  Ios. bell. Iud. ,  f.  – ; Ios. ant. Iud. , .  ff; ,  – . . Die erste Schließung erfolgte durch Lupus, die endgültige durch seinen Nachfolger Paulinus, nachdem der Tempel  Jahre bestanden hatte (so Josephus mit der Berechnung xx); die evtl. apokalytische Zahl wird bezweifelt und ist etwa  Jahre zu hoch, vgl. z. B. die Anm. der Hgg. Michel / Bauernfeind z. St. (Bd. /,  Anm. ; Lidia Capponi, Il tempio di Leontopoli in Egitto. Identità politica e religiosa dei giudei di Onia (c.  a.C. –  d.C.), Pisa .

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Judäa wurde territorial wesentlich erweitert und administrativ eine kaiserliche Provinz mit einem Legatus Augusti pro praetore im Range eines gewesenen Prätors. Die Reihe beginnt mit Sextus Vettulenus Cerialis.⁴⁷ Es ist mehr als erstaunlich, dass auch nach dem zweiten, dem „Bar-Kochba“Krieg 132– 135 u.Z., die Sonderrechte für Juden reichsweit in Geltung blieben. Hadrians Absicht war wohl nur die Bestrafung der politisch-religiösen Zentrale. Dem diente die Umbenennung Jerusalems in „Aelia Capitolina“ und das Verbot, Jerusalem zu betreten. Von einer Erlaubnis am 9. Ab weiß z. B. Eusebius HE 4, 6, 3 noch nichts. Für die in der Umgebung Jerusalems lebenden Juden, aber auch für solche, die früher von weit her angereist kamen, war es ein schwerer Schlag, wie wir einem Bericht des Hieronymus Anfang des 5. Jahrhunderts entnehmen können (Comm. in Sophon. 1, 15 f), wonach den Juden inzwischen der Zugang am 9. Ab gestattet war.⁴⁸ Eine Parallele findet sich schon unter Trajan für Zypern nach dem dortigen jüdischen Aufstand, bei dem unter Führung eines Artemion 240.000 Personen von Juden getötet worden sein sollen (Cass. Dio 68, 32, 3). Selbst vom Sturm nach Zypern verschlagene schiffbrüchige Juden sollten bei Betreten der Insel die Todesstrafe erleiden. Doch wie effektiv war die Überwachung? Die Provinz Judäa wurde in „Syria Palaestina“ umbenannt. Der Provinzstatthalter war schon seit Lusius Quietus, also seit ca. 116 u.Z., wohl infolge der Diasporaaufstände 115 – 117 u.Z., jetzt ein gewesener Konsul mit zwei Legionen. An Sextus (oder Gnaeus) Iulius Severus können wir die Umbenennung der Provinz inschriftlich ablesen: zunächst war er legatus Augusti pro praetore provinciae Iudaeae (CIL 3,2830), dann, wohl Anfang 136, legatus Augusti pro praetore provinciae Syriae Palaestinae (AE 1904, 9).⁴⁹ Unter den Gründen, die zum Ausbruch des 2. jüdisch-römischen Krieges führten, werden in der Überlieferung einmal ein angebliches Beschneidungsverbot Hadrians genannt (SHA, Hadr. 14, 2), oder der Plan des Kaisers, an Stelle des jüdischen Tempels einen Jupitertempel zu errichten (Cass. Dio 69, 12). Es kann m. E. nur das Letztere eine Rolle gespielt haben. Ohne hier die Argumente im

 Gilbert Labbé, L’affirmation de la puissance Romaine en Judée ( a.C. –  p.C.), Paris ,  – .  Deutsche Übersetzung des Hieronymustextes bei Karl Leo Noethlichs, Die Juden im christlichen Imperium Romanum (. – . Jahrhundert), Berlin ,  – . Zu den Spekulationen darüber, wann das Verbot, Jerusalem zu betreten, aufgehoben, ob es wieder erneuert und ab wann es (nur) am . Ab erlaubt war, dazu schon H. Graetz, Geschichte der Juden. Von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, Bd. : Vom Untergang des jüdischen Staates bis zum Abschluß des Talmud, Leipzig, . Aufl. ; ND Darmstadt ,  –  (Note ).  Dazu zuletzt Labbé (wie Anm. ),  – , bes. .

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Einzelnen wiederholen zu wollen, stellt sich die Situation meiner Meinung nach so dar, dass die Erlaubnis, seine Söhne beschneiden zu dürfen, für Juden nie widerrufen, für Nichtjuden die Beschneidung jedoch als Kastration gewertet wurde. In diesem Zusammenhang spielen erstmals in gesetzlichem Zusammenhang Sklaven eine Rolle: Kein Nichtjude darf sich oder seine Sklaven beschneiden lassen, und Juden keine nichtjüdischen Sklaven (Dig. 48, 8, 4, 2; 48, 11, pr.). Während das letztere ohne weiteres einleuchtet, fragt man nach der Motivation im ersteren Fall. Da offenbar kein Übertritt zum Judentum beabsichtigt war, müssen die Gründe andere gewesen sein, vielleicht sexueller oder hygienischer Natur. Das Thema „Sklavenbeschneidung“, eine besondere Form des jüdischen Proselytismus und durch das Mosaische Gesetz gefordert (Gen 17, 9 – 13; Lev 12, 3), zieht sich durch die gesamte folgende Gesetzgebung. Einer Notiz Ulpians entnehmen wir ferner (Dig. 50, 2, 3, 3), dass Juden seit Severischer Zeit honores sowie necessitates übernehmen konnten, wenn nur ihr Glaube dabei nicht verletzt wurde. Ähnlich formuliert es Modestin (Dig. 27, 1, 15, 6) bezüglich „Liturgien“. Konkret ging es um die Übernahme einer Vormundschaft bei Nichtjuden, wenn nur der Kult keinen Schaden nahm.Wer dies allerdings in der Praxis entschied und nach welchen Kriterien, bleibt offen. Unter Septimius Severus soll es nach der Historia Augusta ein Übertrittsverbot zum Judentum (und zum Christentum) gegeben haben (SHA, Sev. 17, 1). Wenn das Verbot denn, im Gegensatz zum Christentum, historisch sein sollte, scheint es nicht das erste gewesen zu sein. Wir haben zwar keine ausdrückliche entsprechende Quelle für die frühere Zeit, aber doch Hinweise auf verschiedene temporäre Verfolgungen, beginnend mit Seian unter Tiberius nach dem Bericht des Philo in seiner legatio, auch Anspielungen bei Eusebius über Domitian. Das Thema des verbotenen Übertritts zum Judentum zieht sich, wie die Sklavenproblematik, bis in die Spätantike. Durch die Constitutio Antoniniana, wohl vom Jahr 212,⁵⁰ wurde auch den Juden die civitas Romana viritan verliehen. Die Formulierungen Ulpians „in orbe Romano qui sunt, ex constitutione imperatoris Antonini cives Romani effecti sunt“ (Dig. 1, 5, 17) und Justinians, das römische Bürgerrecht sei damals allen verliehen worden (Nov. 78, 5), sollten trotz der Bedenken von Theodor Mommsen⁵¹ nicht angezweifelt werden. Davon unberührt ist allerdings die Frage nach dem jüdischen Rechtsstatus innerhalb einer Stadtgemeinde. Nach dem Jahr 212 kennen die Quellen keine  Dazu die immer noch lesenswerte Dissertation von Hartmut Wolff, Die Constitutio Antoniniana und Papyrus Gissensis  I,  Bde., Köln . Zur Problematik der Datierung vgl. ebd.,  – ;  – .  Vgl. Theodor Mommsen, Römisches Strafrecht, Leipzig ,  – .

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Diskussionen über „Isonomie“ mehr. Es gab weiterhin eigene jüdische Gerichtshöfe und eine eigene Gemeindestruktur. Wir haben es also mit einem Nebeneinander von (römischem) Reichsrecht und separaten Lokalrechten zu tun, die, solange es um interne Probleme ging, unabhängig voneinander existierten und funktionierten. Damit kommen wir zur Spätantike. Sie zeichnet sich vor allem durch ein neues Verhältnis der jüdischen Religion zum Staat aus, so wie Religion an sich jetzt eine immer wichtigere politische Rolle spielte und die Kaiser quasi eine neue Form von Religionspolitik erfanden. Insofern es sich beim Judentum und Christentum um eine Mutter-Tochter-Religion handelt und dieses Wissen auch irgendwie zumindest bei Theologen und auch an den Kaiserhöfen lebendig blieb, ist es verständlich, dass dem Judentum, im Gegensatz zu Heiden und Häretikern, eine prinzipielle Existenzberechtigung eingeräumt wurde (CT 16, 8, 9 vom Jahr 393). Es muss dabei betont werden, dass die Juden bei weitem nicht die Hauptrolle innerhalb der Religionspolitik spielten. Allerdings können wir uns dank der erhaltenen Kaisergesetze, die im Codex Theodosianus, in den Constitutiones Sirmondianae, in den posttheodosianischen Novellen, im Codex Iustinianus und den justinianischen Novellen vorliegen, ein anschaulicheres Bild von der Behandlung des Judentums machen, als es für frühere Zeiten möglich ist. Ich möchte im Folgenden die Einzelbestimmungen wiederum kategoriell zusammenfassen, dabei aber zwischen Codex Theodosianus (CT) und Justinianus (CJ) unterscheiden. Abgesehen davon, dass beide Corpora nur Exzerpte aus kaiserlichen Konstitutionen bieten, handelt es sich bei ersterem um eine intentional lückenlose chronologische Erfassung der Gesetzgebung ab Konstantin mit allen ihren Widersprüchen und Wiederholungen. Hier sollten also auch Entwicklungen erfasst werden. Dem gegenüber will der Codex Justinianus eine Momentaufnahme aller zur Zeit der (2.) Veröffentlichung 534 u.Z. gültigen und widerspruchsfreien Gesetze sein. Da der Codex Justinianus für die Zeit bis 438 größtenteils von den Exzerpten des Codex Theodosianus lebt, werden für diese Zeit nur solche Bestimmungen des Codex Justinianus besprochen, die sich nicht im Codex Theodosianus finden. Die weitere Entwicklung ist dann sowohl in den posttheodosianischen und justinianischen Novellen greifbar, die sämtlich komplett erhalten sind, ebenso wie die Constitutiones Sirmondianae. ⁵² Zunächst also die theodosianischen Regelungen im Überblick: An erster Stelle sind hier persönliche positive wie negative Maßnahmen zu nennen, die Juden betreffen:

 Für Einzelheiten verweise ich auf Noethlichs, Juden (wie Anm. ), bes.  – .

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Die Kaisergesetze gewährleisteten körperliche Unversehrtheit, Schutz vor Beraubung und Schutz der Privatwohnung.⁵³ Parallel zur christlichen audientia episcopalis ist auch ein jüdisches Schiedsgericht in Zivilsachen erlaubt bei Einverständnis beider Prozessparteien.⁵⁴ In religiösen Fragen hatten die jüdischen Vorsteher (primates, patriarchae) das alleinige Entscheidungsrecht.⁵⁵ Den Juden verboten waren Ehen mit Christen sowie die Polygamie.⁵⁶ Testamente, deren Erblasser zum Judentum konvertiert war, hatten keine Rechtswirkung und konnten, allerdings nur innerhalb von fünf Jahren, angefochten werden.⁵⁷ Die Religionsausübung betreffende Regelungen bestanden meistens in Privilegien: Judentum war eine religio licita mit Versammlungsfreiheit;⁵⁸ der jüdische Klerus wurde steuerlich wie der christliche behandelt; hier spielte vor allem die Kuriatspflicht eine Rolle: Waren Kleriker anfangs unter Konstantin von Kuriatslasten befreit, mussten sie ab 383 u.Z. vorher ihre Verpflichtungen erfüllt haben, bevor sie Kleriker werden konnten.⁵⁹ Der jüdische Patriarch war vor übler Nachrede geschützt und durfte, mit einer kurzen Unterbrechung im Westen, die „Patriarchensteuer“ einziehen, ähnlich also der alten Tempelsteuer, bis nach Aussterben des Patriarchats das Geld in die Staatskasse floss.⁶⁰ Synagogen genossen staatlichen Schutz und waren frei von Einquartierungen;⁶¹ der Sabbat und andere jüdische Feiertage wurden respektiert.⁶² Dem stehen beschränkende Vorschriften entgegen, die verstärkt nach der Entmachtung des Patriarchen Gamaliel 415 u.Z. auftraten: Apostasie vom Christentum zum Judentum ist verboten und wird z.T. mit Vermögensverlust, z.T. wohl mit Verlust des Testamentsrechts geahndet.⁶³ Andererseits versuchte der Staat, jüdische Scheinübertritte zum Christentum, die aus

 CT , ,  = , ,  v. J. ? , ,  v. J. ; , ,  v. J. ; , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. ; , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. ; , ,  = , ,  v. J.  (Todesstrafe); CJ , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. ; , ,  v. J. ; , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. ; , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. /?; , ,  v. J. ; , ,  v. J. ; , ,  v. J. ; , ,  v. J. ?; , ,  v. J. ; , ,  v. J. ; kein Neubau von Synagogen, aber Bestandssicherung der alten: CT , ,  v. J. ; NTheod. ,  v. J. /.  CT , ,  v. J. ?  CT , ,  v. J. ?; , ,  v. J. /?; , ,  v. J. .

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strafrechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen erfolgten, zu verhindern.⁶⁴ Die schiedsrichterliche Funktion des Patriarchen ist ab 415 u.Z. auf Juden beschränkt.⁶⁵ Die Patriarchensteuer wird beibehalten und jetzt zur staatlichen Steuer.⁶⁶ Der Neubau von Synagogen wird verboten,⁶⁷ und jüdische Feste wie das Purimfest durften nicht in Verspottung des Christentums ausarten.⁶⁸ Andererseits konnten christliche Feste (auch) den Juden Beschränkungen auferlegen, wenn z. B. an Sonn- und hohen kirchlichen Feiertagen der Besuch von Theater- und Zirkusspielen untersagt war.⁶⁹ Bei Konversionen von Juden zum Christentum dürfen sich andere Juden nicht an ihren ehemaligen Glaubensgenossen rächen, sonst droht ihnen und ihren Helfern die Verbrennung.⁷⁰ Orthodoxe Kinder von Juden durften in Testamenten nicht übergangen werden.⁷¹ Unter den wirtschaftlichen Maßnahmen ist der Besitz und die Beschneidung von Sklaven ein zentrales Thema. Jüdische Familien hatten wohl einen Bedarf an nichtjüdischen Sklavinnen und Sklaven, weil die Rekrutierung aus dem eigenen Volk eigentlich nicht stattfinden sollte oder, wenn doch, zeitlich auf sechs Jahre befristet war. Bei Tätigkeiten im Haushalt mussten männliche Sklaven aber beschnitten sein, um am häuslichen Pesachmahl teilnehmen zu können (z. B. Ex 12, 43). Frauen konnten durch ein einfaches Tauchbad, das im Übrigen zusätzlich auch bei Männern vorgeschrieben war, kultisch rein werden.⁷² Der Codex Theodosianus kennt nun verschiedene Verbote in dieser Hinsicht: Beschneidungsverbot an nichtjüdischen Sklaven, eine bereits in vorchristlicher Zeit bestehende Vorschrift; der Sklave wird frei.⁷³ Kauf- und Beschneidungsverbot von nichtjüdischen Sklaven; bei Kauf fällt der Sklave an den Staat, bei zusätzlicher Beschneidung wird der Jude mit Verlust des Sklaven und dem Tode bestraft; beim Kauf von christlichen Sklaven verliert er alle seine christlichen Sklaven.⁷⁴ Kauf oder Beschneidung christlicher Sklaven werden mit Wegnahme des Sklaven und „angemessener“ Bestrafung des Juden geahndet; befinden sich be-

 CT , ,  v. J. ; , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. .  S. Anm. .  S. Anm. .  CT , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. ?; , ,  = Const. Sirm.  v. J. .  CT , ,  v. J. .  Zur vielschichtigen Problematik der Sklavenbeschneidung aus jüdischer Sicht vgl. bJeb bb.  CT , ,  = Const. Sirm.  v. J. .  CT , ,  v. J. .

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reits christliche oder ehemals christliche, weil beschnittene Sklaven im Besitz von Juden, sollen diese gegen einen angemessenen Preis von Christen losgekauft werden.⁷⁵ Kauf- oder Schenkungsverbot christlicher Sklaven an Juden. Der Sklave wird frei, sofern er freiwillig seinen Fall an die Behörden meldet. Sklaven, die sich durch Erbschaft oder Fideikommiss bereits im Besitz von Juden befinden, dürfen beim jüdischen Herrn verbleiben, sofern sie nicht, auch mit ihrem Einverständnis, beschnitten werden; sonst drohten Tod und Vermögensentzug.⁷⁶ Grundsätzlich existierte also ein Besitzrecht an christlichen Sklaven, sofern diese sich zum Zeitpunkt des betreffenden Gesetzes bereits in jüdischem Besitz befanden und ihren Glauben weiterhin ausüben konnten.⁷⁷ Zu den wirtschaftlichen Regelungen gehörte auch die mögliche Heranziehung von einzelnen reichen Juden als navicularii, auch wenn die jüdischen Gemeinden korporativ von dieser Verpflichtung für staatliche Lebensmitteltransporte entbunden waren.⁷⁸ Ferner wird jüdischen Händlern eine unabhängige Preisgestaltung ohne staatliche Kontrolle für den Verkauf ihrer Waren zugestanden.⁷⁹ Zu Beginn des 5. Jahrhunderts beginnt die Reihe der Berufsverbote für Juden im Staatsdienst. Zunächst auf einzelne Berufsfelder wie agentes in rebus, Anwalt oder defensor beschränkt,⁸⁰ führt diese Entwicklung schon 418 u.Z. zu einem allgemeinen Verbot öffentlichen Dienstes sowohl ziviler wie militärischer Natur (militia).⁸¹ Es gilt zu verhindern, dass Juden in irgendeiner Form Gewalt über Christen ausüben können.⁸² Schließlich sei die Kuriatspflicht erwähnt, von der Juden seit Konstantin teilweise befreit waren, wobei jüdischerseits häufiger versucht wurde, sich aus religiösen Gründen davor zu drücken.⁸³

 CT , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. ; Const. Sirm.  v. J. .  CT , ,  v. J. ; NTh ,  v. J. /; CJ , ,  v. J. /. Die Folge war, dass jüdische Militärverbände jetzt in der persischen Armee auftauchen: Zach. Rhet. , ; Bar Hebraeus, Chron. Syr.  (); Mich. Syr. , .  Generell formuliert von Leo I. in CJ , ,  = , ,  v. J. ,vgl. auch Justinian in CJ , , ,  v. J. .  CT , ,  v. J. ; , ,  v. J.; , ,  v. J.; NTh ,  v. J. .

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Bei jüdischen Klerikern läuft die Entwicklung parallel zum christlichen Kle⁸⁴ rus. Aus diesen inhaltlich uneinheitlichen Maßnahmen des Codex Theodosianus für und gegen die Juden hat Justinian eine aktuell gültige Auswahl getroffen, die im einschlägigen Titel des Codex Iustinianus 1, 9 kein einziges Judengesetz von Justinian selbst enthält. Es ist für die Religionspolitik der Zeit bezeichnend, das sich solche Maßnahmen vorwiegend im Zusammenhang mit den übrigen Heterodoxen, also Häretikern und Heiden, finden. Aus dem Codex Theodosianus übernommen wurden folgende Regelungen:

a) Privilegien: Körperliche Unversehrtheit, Schutz der jüdischen Wohnungen, Schutz der Synagogen vor Einquartierung, staatliche Garantie jüdischer Feste, Preisautonomie bei jüdischen Waren, eigene Gerichtsbarkeit bei Zivilprozessen.

b) Beschränkungen: Verbot der Konversion zu Judentum, Kuriatspflicht, Eheverbot mit Christinnen bzw. Christen, Ungültigkeit von Testamenten christlicher Apostaten zum Judentum, Schutz des Christentums vor jüdischem Spott, Erwerbsverbot christlicher Sklaven und Beschneidungsverbot für alle nichtjüdischen Sklaven sowie Besitzverbot christlicher Sklaven; Verbot des öffentlichen Dienstes (militia). Hinzu kommt vielleicht ein Lehrverbot (CJ 1, 5, 18, 4), sofern hier unter „Häretikern“ bei Justinian auch Juden gemeint sind. Zweifel ergeben sich aus dem Synagogengottesdienst, der ja weiterhin erlaubt ist und u. a. in der Belehrung der Gläubigen bestand. Juden (und andere Heterodoxe) können nicht gegen Orthodoxe vor Gericht als Zeugen aussagen, und sie können keine orthodoxen Kinder enterben.⁸⁵ Schließlich bestehen auch unter Justinian u. a. für Juden, aber auch für die Christen selbst, Beschränkungen durch den christlichen Festkalender, der an solchen Tagen den Verzicht auf öffentliche Lustbarkeiten vorschreibt.⁸⁶ Die Justinianischen Novellen bilden hier einerseits noch eine Steigerung, indem sie die Trennung von Belastung und Belohnung vollziehen, will heißen: Finanziell geeignete Juden müssen Kuriale werden, haben aber keinen Anspruch auf  S. Anm. .  CJ , , , pr. v. J.  (Zeugnisverbot gegen Orthodoxe); CJ , , ,  –  v. J. /? (Enterbung orthodoxer Kinder), vgl. CT , ,  o. Anm. .  CJ , , , eine Mischung aus CT , , ,  und , , .

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normaler Weise damit verbundene Privilegien. Dasselbe gilt für die Tätigkeit als cohortalinus bezüglich eventueller Beförderungen (Nov. 45, pr. v. J. 537). Bei Prozessen über Kuriatspflicht dürfen jetzt auch Heterodoxe, also auch Juden, gegen Orthodoxe aussagen (Nov. 45, 1).Was auf den ersten Blick wie eine Erweiterung der Prozessfähigkeit für Nichtorthodoxe aussieht, ist nur der fiskalische Wille, öffentliche Steuerleistungen sicher zu stellen. Hier mussten religiöse Überlegungen auch einmal hinter steuerpolitischen zurücktreten. Heterodoxe können auch keine kirchlichen Immobilien kaufen oder pachten, auf denen Kirchen oder Kapellen stehen (Nov. 131, pr. 1 v. J. 545). Zum Thema „Sklaven“ wird, neben der erneuten Einschärfung, dass Juden keine orthodoxen Sklaven haben dürfen, erstaunlicher Weise der Besitz von Katechumenen gestattet, sofern sie nicht beschnitten werden (Nov. 37, 7). Schließlich mischte sich Justinian mit dem Verbot des Hebräischen in den Synagogengottesdienst ein (Nov. 146).⁸⁷ Was fehlt? Alle Regelungen natürlich, die sich auf den Patriarchen bezogen. Daneben als einziges wichtiges Manko: die Privilegierung des jüdischen Klerus kommt nicht mehr vor! Stattdessen gibt es seit 535 das Verbot u. a. für Juden, keinerlei Kleriker mehr ordinieren zu dürfen (Nov. 37, 5). Kehren wir zur Ausgangsfrage zurück: Was sind nun die Traditionen, was die Veränderungen? Die wichtigste übergreifende Tradition ist die Garantie, nach den väterlichen Bräuchen leben zu dürfen. Das zieht sich durch die gesamte hier behandelte Epoche. Dazu gehört das – allerdings brüchige – Versprechen, eigene Gebetsräume besitzen zu dürfen. Aber gerade dieses Zugeständnis als solches ist nun kein spezifisch jüdisches, wie wir gesehen haben, ähnlich wie bestimmte Speisevorschriften, die es auch bei anderen Völkern gab, vgl. nur Herodot 2, 37; 4, 186. Die „väterlichen Sitten“ beinhalteten ferner die Beschneidung aller Männer ab dem 8. Tag ihres Lebens.⁸⁸ Sie war den Juden, wie ich meine, immer erlaubt, spielt aber nur in den Fällen eine eher negative Rolle, wo sie zur Proselytengewinnung benutzt wurde – so ist z.B in der vorrömischen Zeit und in den bei Josephus zitierten Gesetzen nirgends die Rede davon. Die Maßnahmen Antiochus’ IV. Epiphanes bildeten hier eine Ausnahme. Weiterhin gehörten die regelmäßige Sabbatruhe, das Sabbat- und das Jobeljahr dazu. Eine so getaktete Wochen- und Jahreseinteilung mit den zugehörigen

 Deutsche Übersetzung bei Noethlichs, Juden (wie Anm. ),  – ; s. dazu auch u. S.  ###.  Gen ,  – ; Lev , ; vgl. Hdt. ,  und Ios. c. Ap.  – , wo die Frage nach dem „Erfinder“ dieses Ritus diskutiert wird.

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rituellen Vorschriften und den besonderen jüdischen Festen bildete den traditionellen Kern jüdischer Lebensweise in der Antike. Was sind hingegen die Veränderungen? Bestimmte Themen erledigten sich durch Wegfall quasi von selbst. Dazu gehören alle Probleme im Zusammenhang mit dem Jerusalemer Tempel und dem Tempelkult und mit der Tempel- und Patriarchensteuer. Der Kampf um Isonomie wurde ersetzt durch religiöse Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen christlichen und jüdischen Strömungen. Durch die wachsende Bedeutung der christlichen Religion stellte sich alles neu, aber nicht einheitlich dar. So wie das Judentum verschiedene Strömungen kannte, so blieb auch das Christentum nicht vom Phänomen „Häresie“ verschont, das zunehmend an Bedeutung gewann und sich in der kaiserlichen Politik mal so, mal so niederschlug. In dieser Gemengelage konnte das Judentum zeitweise geschickt die eine Seite gegen die andere ausspielen, aber es blieb gefährlich. Einem prinzipiellen Vertrauen in den römischen Rechtsstaat stand das tägliche Leben gegenüber, das jederzeit Verfolgung und Gewalt bringen konnte. Dies zog auf jüdischer Seite manchmal die entsprechenden Gegenreaktionen nach sich, je nach der konkreten Situation. Es gab Orte friedlichen Zusammenlebens zwischen Juden und Christen, aber auch Städte mit höchst explosiver Atmosphäre, wo der berühmte Funke genügte, das Pulverfass in die Luft zu jagen. Wie mögen sich einzelne Juden, Familien oder Gruppen inmitten einer nichtjüdischen und schließlich christlichen Umwelt in den verschiedenen Teilen des römischen Reiches gefühlt haben? Dazu können die erhaltenen römischen Gesetze, zumal in ihrer gekürzten Form, allenfalls minimale Hinweise liefern. Sie vermögen nur den groben Rechtsrahmen abzustecken, der aber immerhin die Grundlage für die Gestaltung der damaligen Lebensbedingungen bot, wie auch immer die konkrete Praxis dann aussah.

Zur These von Doron Mendels und Arye Edrei: Zweierlei Diaspora⁸⁹ Ausgangspunkt ist die von Doron Mendels und Arye Edrei vertretene These, dass nach 70 u.Z. die Kommunikation zwischen den östlichen und westlichen Judengemeinden mehr und mehr abbrach, und dies vor allem aus sprachlichen Gründen. Während im Osten seitens der Rabbinen die sog. mündliche Lehre entwickelt  Doron Mendels / Arye Edrei, Zweierlei Diaspora. Zur Spaltung der antiken jüdischen Welt. Übers. aus d. Engl. von Michael Dewey, Göttingen  (im Folgenden: Mendels / Edrei).

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wurde (Mischna, Tosefta, die beiden Talmude und die Midraschim), dazu neue Formen der Liturgie, und diese bis ins 4. Jahrhundert bewusst nicht ins Griechische übersetzt wurden, separierte sich der Westen durch griechischsprachige Apokryphen und Pseudepigraphen, die durch Veröffentlichung von Anfang an der griechischsprachigen Bevölkerung zugänglich waren. Das allmähliche Eindringen der östlichen „mündlichen“ Lehre in den Westen in verschrifteter Form machte das Judentum, das sich jetzt nicht mehr nur auf die Tora berief, in den Augen der westlichen Christen bedrohlich und sorgte für das Aufkommen einer antijüdischen Reaktion. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang der Althistoriker stellt, lautet: Gab es Ansätze zu einem Differenzierungsprozess Ost – West aus der Sicht der römischen Gesetzgebung, und wenn ja, hat er möglicher Weise auch irgendwie das Judentum betroffen? Dazu sind zunächst folgende Voraussetzungen zu klären: Eine inhaltliche Differenzierung zwischen Ost und West konnte sich in der Gesetzgebung erst bei mehreren gleichzeitigen Herrschern entwickeln. Zu fragen wäre also, ob es eine eigenständige Politik des Westreiches oder gar ein gestörtes Verhältnis der beiden Reichsteile untereinander gab, und spielten dabei Sprachenprobleme eine Rolle? Speziell das Judentum betreffend gilt es zu untersuchen, ob sich das Verhältnis zwischen Judäa und der Diaspora nach 70 u.Z. aufgrund von Sprachproblemen mehr und mehr verschlechtert hat, so dass zweierlei „Diasporen“ entstanden und damit zwei Kulturen, die bis ins 9. Jahrhundert nicht mehr miteinander kommunizieren konnten, wie es Mendels und Edrei vermuten, und spiegelt sich diese Entwicklung auch irgendwie in der Judengesetzgebung wider? Das römische Reich war spätestens ab Caesar und Augustus offiziell zweisprachig. Die Kaisererlasse wurden bis Justinian für den griechischsprachigen Osten immer auch in Griechisch abgefasst. Allerdings bezog sich die genannte Zweisprachigkeit Griechisch-Latein bis ins 6. Jahrhundert tatsächlich auf das gesamte Reich. Wirkte sich nun diese sprachliche Bilingualität auf religiös geprägte Gruppen aus, die von Hause aus anderssprachig waren? Bestimmte heidnische Volksgruppen und damit Kultverbände etwa im iberischen oder keltisch-germanischen Raum hatten ihre eigene Sprache. Auch gewisse christliche Sekten bzw. Häresien, die an bestimmte geographische Räume gebunden waren, so die Donatisten in Nordafrika, hatten ihren eigenen, z. B. punischen Dialekt, der auch unter der römischen Okkupation bis in die Spätantike weiter bestand.

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Das unterschied sie von den Juden, die nach nichtjüdischen wie jüdischen Quellen die gesamte Ökumene bevölkerten.⁹⁰ Infolge dessen waren sie überall in der Diaspora einem besonders starken Zwang zu Integration ausgesetzt. Die Muttersprache Hebräisch bzw. Aramäisch ging erfahrungsgemäß spätestens in der dritten Generation des Diasporajudentums verloren, wurde höchstens in religiöser Liturgie noch gepflegt, und man orientierte sich an den Hauptsprachen der Gastgeber, an Griechisch oder Latein. Das biblische Gebot, sich nicht mit anderen Völkern zu vermischen (Ex 34, 12– 16; Dtn 7, 1– 5), blieb davon unberührt. Die Hauptquelle für solche Entwicklungen sind die jüdischen Inschriften.⁹¹ Sie zeigen, dass auch im Westen neben Latein das Griechische eine enorme Rolle spielte. Dem kamen die griechischen Übersetzungen der jüdischen Bibel entgegen, die einen festen Zusammenhalt des Diasporajudentums gerade auch im Westen gewährleisteten. Eine Ost-West-Differenzierung Griechisch – Latein lässt sich hier jedenfalls nicht feststellen. Vielmehr ist es eine andere Art der Differenzierung, die auf das Judentum zutrifft, nämlich die zwischen Judäa und der Diaspora. Wir haben es hier seit dem 2. Jahrhundert u.Z. mit einer historisch gewachsenen Abstufung von „Heiligkeit“ zu tun, wie Mendels und Edrei zu Recht betonen (S. 15), die auch eine sprachliche in Hebräisch / Aramäisch und Griechisch ist, aber keine Ost-West-Differenzierung darstellt. Werfen wir einen kurzen Blick auf das Judentum im römischen Reich zur Zeit Vespasians: Bis zum Jahr 70 gab es angeblich häufige Kontakte aufgrund vieler Pilgerreisen aus dem Westen nach Jerusalem, behaupten Mendels und Edrei. Als Beleg könnte die Apostelgeschichte mit dem „Pfingstwunder“ gelten, allerdings werden hier nur die Römer aus dem Westen genannt (Apg 2, 10). Quellen aus dem Westen hierzu fehlen fast völlig. Diese (angeblichen) Kontakte sollen nach 70 abgebrochen sein (Mendels / Edrei 45 f; 52), obwohl doch Jerusalem, abzulesen an der Gebetsrichtung, immer noch eine wichtige Rolle spielte.

 Strabo, FgrHist , F. ; Ios. ant. Iud. ,  – ; Phil. leg.  – .  Dazu die immer noch wertvolle Sammlung von Jean-Baptiste Frey, Corpus Inscriptionum Iudaicarum (CIJ),  Bde., Rom  u. ; Bd. ergänzt von Baruch Lifshitz, New York ; sowie William Horbury / David Noy, Jewish Inscriptions of Graeco Roman Egypt, Cambridge ; D. Noy, Jewish Inscriptions of Western Europe. Bd. : Italy (excluding the City of Rome), Spain and Gaul; Bd. : The City of Rome, Cambridge  – ; Inscriptiones Judaicae Orientis. Bd. : Eastern Europe, ed. D. Noy et al.; Bd. : Kleinasien, ed.Walter Ameling; Bd. : Syria and Cyprus, ed. D. Noy et al., Tübingen .

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Möglicherweise bestand ein rudimentärer Opferkult bis 135 u.Z. weiter, wie m. E. besonders Justin in seinem Dialog mit dem Juden Tryphon zeigt, geschrieben um 155: Die Stellen 22, 11; 34, 7 und 39, 2 sprechen für einen noch bestehenden Opferkult zur Zeit des Bar-Kochba-Aufstandes, der Situation des Dialogs, und insbesondere 40, 2 scheint mir beweiskräftig: „Gott gestattet, dass das Opferlamm einzig und allein an dem Ort geopfert wird, an welchem sein Name angerufen wird; nun aber sollten, wie Gott wusste, nach dem Leiden Christi Tage kommen, da auch der Ort Jerusalem eueren Feinden übergeben werden wird und gar alle Opfer aufhören werden.“⁹²

Jedenfalls nach 135 u.Z. verliert das Judentum endgültig seine topographische Mitte in Form des Tempel- und Opferkultes. Warum spielen dann geographische Grenzen überhaupt noch eine besondere Rolle? Weil nur innerhalb dieser Grenzen bestimmte Kult-Vorschriften gelten. Mitte des 2. Jahrhunderts, also nach dem Bar-Kochba-Aufstand, entwickelt sich in Israel die Auffassung von der „Unreinheit fremden Landes“, d. h. die Diaspora (in Ost und West) wird zweitrangig. Dort bereitet die Befolgung der Tora nur auf die spätere Eingliederung ins heilige Land vor, stellt also keinen Wert an sich mehr dar, so zu Recht Mendels / Edrei 15 f. Wir haben es hier mit dem neuen Einfluss der Rabbinen zu tun, besonders mit den beiden berühmten Schulen des Hillel und Schammaj, und mit der Entwicklung einer mündlichen Lehre als Ergänzung oder Interpretation der Tora, den Halachot.⁹³ Diese neuen Lehren wurden, wie oben schon gesagt, zunächst nicht übersetzt und galten als das eigentliche Kennzeichen des Judentums, wie es besonders nachdrücklich Rabbi Jehuda bar Schalom im 4. Jahrhundert betont hat.⁹⁴ Das allerdings in einer Zeit, wo große Teile der Mischna längst verschriftlicht waren.⁹⁵ Vom Untergang des Tempels in Jerusalem 70 u.Z. war die Diaspora durch die Beitragspflicht zum Fiscus Iudaicus direkt betroffen, dann von den Folgen des Aufstandes 132– 135 u.Z. durch das Verbot, Jerusalem zu betreten. Dabei wurde

 Vgl. auch Hebr; Klem. ; Diognet ; Ios. ant. Iud.  –  und mPesachim , .  Zur Entwicklung der rabbinischen Bewegung in Palästina vgl. jetzt Hayim Lapin, Rabbis as Romans. The Rabbinic Movement in Palestine,  –  CE, Oxford .  Midrasch Tanchuma, Paraschat Ki Tissa , und parallel Pesikta Rabbati , vgl. Mendels / Edrei  f; .  Zur Schriftlichkeit: Chanoch Albeck, Einführung in die Mischna, Berlin u. a. , bes.  – .

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aber nicht zwischen Ost und West unterschieden. Bezüglich der Privilegien (Kultzugeständnisse, Fastenzeiten, Feiern, Militär usw.) und auch bezüglich der Verpflichtung zur Zahlung der Judensteuer machten die Römer also keinerlei Unterschied zwischen bestimmten Provinzen oder Personen. Die Gesetzgebung zum Judentum vor Konstantin ist sehr dürftig dokumentiert. Jedenfalls waren die Juden berechtigt, für den Tempel in Jerusalem und danach für den Patriarchen eine Abgabe reichsweit einzusammeln, was sie auch offenbar in West wie Ost taten. Ansonsten richtete sich die Rechtslage der Juden, von den generellen oben genannten Privilegierungen abgesehen, nach dem jeweiligen städtischen Recht, so wie es z. B. bei Josephus im 14., 19. und 20. Buch der Antiquitates beschrieben wird. Größere geographische Differenzierungen lassen sich hier schon deshalb nicht erkennen, weil es bei Josephus im Wesentlichen um kleinasiatische Städte geht. Für die Spätantike kann man dank der Gesetzessammlung des Codex Theodosianus fragen, ob es hier einen Unterschied, gar Diskrepanzen zwischen Ostund Westreich oder verschiedenen geographischen Regionen gab, sofern das Reich von zwei (oder drei) Kaisern regiert wurde. Theoretisch war dem vorgebeugt durch die gedankliche Einheit des Reiches, gab es doch schon seit dem letzten Drittel des 2. Jahrhundert öfters mehrere Kaiser, wobei in der Praxis der senior Augustus, d. h. der mit der längeren Dienstzeit, den Ton angab. Nun ist der Codex Theodosianus, im Gegensatz zum Codex Justinianus, prinzipiell sehr geeignet, Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen zu dokumentieren, da es die Absicht Theodosius II. war, zunächst einmal die gesamte Entwicklung ab Konstantin zu den unterschiedlichsten Rechtsfragen zu dokumentieren. Dieser Stoff sollte dann als Grundlage für eine aktuelle und widerspruchsfreie Sammlung dienen, wie sie dann, allerdings erst 100 Jahre später, mit dem Codex Justinianus vorliegt. Man kann also fragen, ob sich an bestimmten Erlassen noch der ursprüngliche konkrete Gültigkeitsbereich, z. B. für eine bestimmte Stadt oder eine bestimmte Region oder Landschaft, feststellen lässt, und man daraus vielleicht geographische Differenzierungen ableiten kann, die auch möglicher Weise Rückwirkungen auf die jüdische Diaspora hätten haben können. Nun sind aber die Gesetzestexte auf den juristischen Gehalt hin gekürzt und alles in den Augen des Kaisers Überflüssige weggelassen worden. Zudem hatten die Kompilatoren das Recht, in den Wortlaut der Erlasse einzugreifen, um der brevitas und claritas willen (CT 1, 1, 6, 1). Die Instruktionen an die Redakteure des Theodosianus sind in Codex Theodosianus 1, 1, 5 vom Jahr 429 und 1, 1, 6 vom Jahr 435 beschrieben. Nur die nach Inkraftsetzung des Theodosianus erlassenen Novellen sind komplett erhalten.

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Die Ideologie eines Gesamtreiches setzt voraus, dass Rechtsregeln generell und überall, also im Ost- wie Westreich, gelten. Bei einem amtierenden Kaiser ist das kein Problem, wie Constitutio Sirmondiana 4 (CT 16, 8, 5; 9, 1) mit der Ausstellung in Konstantinopel und der Veröffentlichung in Karthago deutlich macht, übrigens ein die Juden betreffendes Gesetz über christliche Sklaven und Konvertiten vom Judentum zum Christentum. Mehrere gleichzeitig amtierende Kaiser macht im Codex Theodosianus der Absender deutlich, der immer alle (ordentlichen) Kaiser in Ost u. West (nicht aber Usurpatoren) nennt, die zum Zeitpunkt der Gesetzesveröffentlichung im Amt waren. Hier wird es dann schwieriger, einen gemeinsamen Rechtsstaat aufrecht zu erhalten, wenn die in verschiedenen Teilen des Reiches erlassenen Rechtsvorschriften nicht überall bekannt sind. Das war bisher aber offenbar nicht immer der Fall, und dem sollte abgeholfen werden: In den Gesta Senatus Romani De Theodosiano Publicando vom Jahr 438 findet sich zu unserer Frage eine aufschlussreiche Stelle: 4, 33 – 39: „[…] Wenn aber in Zukunft etwas veröffentlicht werden sollte, so wird es (auch) im anderen Teil unseres so eng verbundenen Reiches Gültigkeit haben, damit man sich nicht auf zweifelhaftes Vertrauen und private Behauptung stützt. Sondern aus dem Reichs-Teil, in dem (das Gesetz) beschlossen wurde, soll es mit kaiserlichen Schreiben in den anderen Reichsteil geschickt und von den Büros dort aufgenommen und mit der (üblichen) Feierlichkeit von Edikten veröffentlicht werden. Denn ein so gesandtes Edikt soll angenommen und zweifelsfrei eingehalten (befolgt) werden, wobei die Möglichkeit zur Verbesserung oder des Widerrufs Unserer Milde vorbehalten ist. Diese Gesetze sollen also gegenseitig erklärt und nicht auf andere Weise zugelassen werden […]“

Ähnlich regelt die 1. Novelle des Theodosius in den §§ 5 – 6 vom Jahr 438 die gegenseitige Anerkennung der Gesetze in Form von divinae pragmaticae; und mit der 2. Novelle (§ 1– 3) vom Jahr 447 schickt Theodosius Valentinian III. die Gesetze zu, die er seit 439, dem Jahr der In-Kraft-Setzung des Codex Theodosianus, erlassen, aber noch nicht dem Westreich zur Kenntnis gebracht hatte. Wie war es aber bis 438 u.Z.? Der Codex Theodosianus selbst zeigt, dass bis dahin durchaus nicht alle Gesetze in beiden Reichsteilen bekannt waren, und ferner, dass sie nicht alle gleichermaßen in beiden Reichsteilen akzeptiert wurden. Das schlagende Beispiel dafür sind ausgerechnet zwei Erlasse, die wiederum das Judentum betreffen: Codex Theodosianus 12, 1, 157 (der allgemeinere Erlass) und 158 (wo der konkrete geographische Bezug erhalten ist): Honorius schreibt im Jahr 398 u.Z. an den Prätorianerpräfekten Theodorus (CT 12, 1, 157 [CJ 10, 32, 49]):

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„Alle, die aufgrund irgendeiner Rechtsvorschrift der Kurie verpflichtet sind, sollen, unabhängig von ihrer Glaubensüberzeugung (superstitio), angehalten werden, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.“

Codex Theodosianus 12, 1, 158: „Wir haben erfahren, dass die meisten Stadträte in Apulien und Calabrien verunsichert sind, weil sie sich zum jüdischen Glauben bekennen und meinen aufgrund eines gewissen Gesetzes, das im Osten erlassen wurde, von der Notwendigkeit, die Aufgaben (als Kuriale) zu übernehmen, befreit zu sein. Daher verordnen wir aufgrund unserer Autorität (auctoritas), dass ebendieses Gesetz, wenn es denn existiert, ungültig sein soll, von dem feststeht, dass es für meinen Reichsteil schädlich ist, und dass alle, die aufgrund irgendeiner Rechtsvorschrift der Kurie verpflichtet sind, angehalten werden sollen, unabhängig von ihrer Glaubensüberzeugung die Verpflichtungen ihren Städten gegenüber zu erfüllen.“

Die Existenz einer großen jüdischen Gemeinde in Venusia ist ja hinreichend durch die Inschriften des dortigen jüdischen Friedhofes bekannt.⁹⁶ Ein zweiter Fall ist Codex Theodosianus 16, 8, 14: Honorius verordnet am 11. April 399 an den Prätorianerpräfekten Messala aus Mailand Folgendes: „Es ist der (jüdischen) Glaubensüberzeugung (superstitio) unwürdig, dass Archisynagogen oder Presbyter der Juden oder solche, die sie selbst ‚Apostel‘ nennen, die zur Eintreibung von Gold und Silber vom Patriarchen zu einer bestimmten Zeit ausgesandt werden, die von den einzelnen Synagogen eingetriebene und empfangene (Geld)-Summe ihm (dem Patriarchen) überbringen. Deshalb soll all das,was nach unserer Überzeugung unter Berücksichtigung der Zeit gesammelt wurde, getrost in unsere (westliche) Staatskasse gebracht werden. Im Übrigen aber verordnen wir, dass den Vorgenannten (Patriarchen) nichts mehr geschickt werden soll. Es mögen also alle Juden wissen, dass wir die Praxis solcherart Ausbeutung beseitigt haben. Wenn aber von jenem Ausbeuter der Juden (gemeint ist der Patriarch) Leute zu dieser Aufgabe der Eintreibung in Zukunft ausgesandt werden sollten, sollen sie den Richtern vorgeführt werden, so dass gleichsam eine Verurteilung als Gesetzesbrecher erfolgen soll.“

Für Mendels / Edrei (17 f) liegt hier ein zentrales Argument für die Ost-West-These vor, wobei allerdings außer Acht gelassen wird, dass dieser Erlass widerrufen wurde. Fünf Jahre später wendet sich Honorius mit Codex Theodosianus 16, 8, 17 vom 25. Juli 404 aus Rom an den Prätorianerpräfekten Hadrian mit folgendem Schreiben: „Wir hatten schon länger verordnet, dass das, was den Patriarchen von den Juden dieses (westlichen) Reichsteiles entsprechend der Gewohnheit gewährt wurde, nicht mehr gewährt werden sollte. Jetzt aber setzen wir diese frühere gesetzliche Regelung außer Kraft und

 Frey, CIJ Nr.  – .

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wollen, gemäß den festgelegten Bestimmungen der früheren Kaiser, dass alle Welt weiß, dass den Juden aufgrund unserer Milde (clementia) die Privilegien zugestanden werden, die Menge (des eingesammelten Geldes an den Patriarchen) zu schicken.“

Das beweist doch, dass es sehr wohl Verbindungen zwischen Ost und West gab, auch wenn die Reaktion erst fünf Jahre später sichtbar wird und wir die konkreten Beweggründe nicht kennen, die zum Widerruf geführt haben. Damit wurde jedenfalls ein drohender Sonderweg des Westreiches in Sachen Juden vermieden. Zwei Fälle gibt es im Codex Theodosianus, wo der Ausstellungsort und die Veröffentlichung in unterschiedlichen Reichsteilen bei unterschiedlichen Kaisern stattfanden, sofern die Adressaten und Subskriptionen der Gesetze korrekt überliefert sind: Codex Theodosianus 3, 1, 5 von Theodosius im Jahr 384 u.Z. in Regium erlassen, gerichtet an den Prätorianerpräfekten des Oriens Cynegius. Es war die Zeit, in der Theodosius eine Art Vormundschaft für den jungen Westkaiser Valentinian II. ausübte, der diesen östlichen Erlass auch in seinem Reichsteil veröffentlichte, so die Vermutung von Otto Seeck.⁹⁷ Inhaltlich ist es wiederum ein die Juden betreffendes Gesetz, das ihnen bei nicht näher konkretisierter Strafe verbietet, christliche Sklaven zu kaufen oder zu beschneiden, und den Christen gebietet, christliche bzw. ehemals christliche (weil beschnittene) Sklaven gegen einen angemessenen Preis los zu kaufen. Interessanter für unsere Fragestellung ist Codex Theodosianus 15, 1, 35, wo nach der Überlieferung ein Gesetz vom Jahre 396 an den praefectus praetorio Orientis Caesarius im westlichen Regium veröffentlicht worden sein soll. Inhaltlich geht es hier um öffentliche verfallene Gebäude, die durch die Statthalter wieder in Stand zu setzen sind. Zur möglichen Erklärung schreibt Otto Seeck,⁹⁸ dass ein Zwiespalt zwischen den Reichsteilen 396 u.Z. durch die Ermordung des praefectus Orientis Rufinus gerade beigelegt worden sei.Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass die Restaurierung öffentlicher Gebäude keinen Anlass zu Rivalitäten der Kaiser untereinander bot. Ein weiteres Beispiel für unterschiedliche West-Ost-Regelungen lässt sich für Häresien anführen: Mit Codex Theodosianus 16, 5, 48 vom Jahr 410 u.Z. befiehlt Theodosius II, dass Montanisten und Priscillianisten durchaus Kuriale oder cohortalini werden müssen, sofern sie dazu verpflichtet sind, im Gegensatz zum Westen, wo Honorius ihnen mit Codex Theodosianus 16, 5, 40 jegliche Mitgliedschaft in der menschlichen Gesellschaft abgesprochen hatte.  Otto Seeck, Regesten der Kaiser und Päpste für die Jahre  bis  n. Chr., Stuttgart ,  f.  Ebd., .

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Aufschlussreich in dieser Hinsicht ist auch Codex Theodosianus 7, 16, 1 vom Jahr 408, wo Honorius nach dem Tode Stilichos die Verbindung zum Ostreich wieder herstellt, indem die Bewachung der Küsten und Häfen aufgehoben wurde, die zuvor jeden Handel und damit jegliche Kommunikation unterbrochen hatte. Wir sehen also, dass das West-Ost-Verhältnis vor Erlass des Codex Theodosianus durchaus nicht immer unbelastet war. Es gibt m.W. keine Zeugnisse darüber, ob nach 439 sich das Verhältnis der beiden Reichsteile zueinander gebessert hat. Die spätere Reduzierung des Reiches auf den Osten ab dem letzten Drittel des 5. Jahrhundert erübrigt die Frage nach „zwei Kulturen“ anhand der Gesetzgebung. Der Westen zerfällt in mehrere Kulturen, die sich aber alle in der Nachfolge Westroms sehen, und dabei spielten sicherlich auch Sprachprobleme eine Rolle, auch wenn die allgemeine Verkehrssprache das Lateinische war. Die Ebene der Stammes- bzw. Landessprachen spielt in den offiziellen Dokumenten keine Rolle. Anders die Novelle 146 Justinians vom Jahr 553, die in den jüdischen Gottesdienst eingreift und den Juden die synagogale Schriftlesung in allen Sprachen erlaubt, Lesungen aus der mündlichen Lehre (deuterosis) aber verbietet. Da es sich offenbar um den Synagogengottesdienst handelt, dürften mit deuterosis am ehesten die Midraschim gemeint sein. Hier zeigt sich jedenfalls um die Mitte des 6. Jahrhunderts rabbinischer Einfluss. Mit Recht spielt deshalb bei Mendels / Edrei diese Novelle eine wichtige Rolle (93 – 96). Mir scheint, dass es sich hier eher um eine innerjüdische Angelegenheit in Palästina und Umgebung handelt als um ein West-Ost-Problem, weil man, nach Mendels / Edreis eigener Theorie, im Westen damals noch keine Kenntnis der rabbinischen „mündlichen“ Lehren hatte. Es stellt sich überhaupt die Frage nach jüdischen Aktivitäten im Westen, die ja von Mendels / Edrei bestritten werden. Es könnte aber Anhaltspunkte für eine neue jüdische Sektenbildung in Nordafrika geben in Form der Caelicolae, der „Himmelsverehrer“. Einschlägig sind hier Const. Sirm. 12 (v.J. 407) = CT 16, 5, 43 und 16, 8, 19 (v.J. 409). Const. Sirm. 12 vom Jahr 407 u.Z. (= CT 16, 5, 43) bezeichnet die Caelicolae als eine Häresie, deren Inhalte der Kaiser zwar nicht genau kennt, die aber ausreichen, ihnen ihre Versammlungsräume zu entziehen. Zwei Jahre später, 409, geht allerdings aus Codex Theodosianus 16, 8, 19 deutlich hervor, dass zumindest in den Augen des Kaisers Honorius es sich um eine jüdische Sekte handelt, die schon von den Vorgängern bekämpft wurde. Es sind allerdings keinerlei Spuren davon im Codex Theodosianus erhalten. Caelicolae sollten innerhalb eines Jahres zur katholischen Kirche zurückkehren, ansonsten drohte die Anwendung der Häretikergesetze. Das könnte zeigen, dass sie staatlich wohl doch nicht als wirkliche Juden angesehen wurden, denen ja ein Existenzrecht im römischen Reich eingeräumt war. In den jeweiligen Rubrik-

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überschriften erscheinen sie sowohl im Theodosianus wie im Justinianus immer zusammen mit den Juden, hängen also irgendwie mit ihnen zusammen, werden aber von diesen unterschieden (CT 16, 8: De Iudaeis, Caelicolis et Samaritanis; CJ 1, 9: De Iudaeis et Caelicolis). Aber man sieht doch vielleicht Aktivitäten unter der Flagge des Judentums auch im Westen. Wieweit diese mit Palästina Kontakt hatten oder gar abgestimmt waren, können wir nicht sagen, da die außergesetzlichen Quellen, etwa die Kirchenhistoriker, in diesem Fall schweigen, wohl auch deshalb, weil letztere fast alle aus dem Osten kommen und die Kommunikation mit dem Westen tatsächlich nicht allzu eng war.⁹⁹ Fazit: Die These von Mendels und Edrei lässt sich vom Gesichtspunkt der staatlichen Gesetzgebung weder verifizieren noch falsifizieren, hat aber insgesamt eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich, was die abnehmende Intensität der OstWest-Verbindungen betrifft.Was man seitens der staatlichen Gesetzesmaßnahmen zugeben muss sind z.T. gewisse Konflikte zwischen West- und Ostreich, die normalerweise nicht so in den Blick genommen werden. Diese Unstimmigkeiten oder gar Konflikte beruhten aber nicht auf sprachlich begründeten verschiedenen „Kulturen“, weil sich die sprachlichen Bereiche überlappten bzw. durchdrangen. Eine andere Frage ist allerdings, ob sich eine gewisse Ost-West-Spaltung auf das religiöse Bewusstsein der jüdischen Gemeinden ausgewirkt hat. Dazu wäre zu sagen, dass eine Verbindung zwischen Ost (gemeint ist Judäa) und West bzw. zwischen Kernland und (griechischsprachiger) Diaspora durch die einheitliche Symbolik auf den Grabsteinen der Diaspora immer gegeben war, jenseits aller Sprachprobleme. Daraus können wir doch einen prinzipiellen Zusammenhalt der Gemeinden ablesen, wie „theoretisch“ auch immer dieses Zusammengehörigkeitsgefühl gewesen sein mag. Das geben sogar Mendels / Edrei selbst zu: „Die Symbole stellen einen von allen gebilligten und für alle zugänglichen gemeinsamen Nenner zwischen den jüdischen Gemeinden des Ostens und des Westens dar […] Auch einem Juden, der kein Hebräisch kann, ist es möglich, den Bildsymbolen verbunden zu bleiben“ (44 f).

 Die einzige Erwähnung von Caelicolae außerhalb von Codex Theodosianus und Codex Justinianus als einer (häretischen? jüdischen?) Sekte findet sich bei Augustinus, ep. ,  (): CSEL ,  f. Daraus geht immerhin hervor, dass es bei ihnen eine hierarchische Organisationsform mit einem maior als Führungspersönlichkeit gab. Inhaltlich spricht Augustinus von diesem Vorsteher als einem novi baptismi institutor. Das könnte auf eine Sonderform von Donatismus verweisen, aber sich auch auf neue Formen des jüdischen Tauchbades beziehen. Die Frage nach dem Charakter dieser Sekte muss also offen bleiben. Ansonsten kommt das Wort in der Patristik nur als „Himmelsbewohner“ vor (z. B. bei Paulinus v. Nola, Ennodius, Fulgentius, Commodian u. a.), vgl. auch Isidor, Etym. , , für den ein caelicola eine Form von angelus ist.

Der rechtliche Status der Juden im römischen Reich

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Mendels und Edrei verweisen auf die überwiegende Zahl von östlichen Rabbinen bei der Zusammenstellung von Mischna, Tosefta und Talmud. Dies ist an sich ganz natürlich, dass man auf die Gelehrten der unmittelbaren Umgebung zurückgreift, weil darüber mehr Wissen vorhanden ist. Wenn Mendels / Edrei behaupten, dass westliche Gelehrte nur dann im Talmud erwähnt werden, wenn sie selbst bzw. ihre Familien nach Israel eingewandert waren (25), so stützt das die oben genannte Vermutung. Möglich wäre auch, dass die Kompilatoren eine Selektion vornahmen, bei der westliche Rabbinen vielleicht auch nicht „linientreu“ genug waren und deshalb herausfielen? Ein Beispiel wäre vermutlich der bei Mendels / Edrei (22 f) genannte Todos Isch Romi (Tosefta Betsa 2, 15) mit seinem Paschalamm, das man außerhalb Jerusalems zu sich nehmen konnte? (Todos wird aber nirgends als „Rabbi“ bezeichnet). Es scheint tatsächlich so gewesen zu sein, dass westliche Rabbinen (falls es solche überhaupt gab!) wenig zu Mischna und Talmud beigetragen haben. Insofern ist Mendels / Edrei Recht zu geben. Auch dass sprachliche Gründe eine OstWest-Entfremdung zumindest mit beeinflusst haben, klingt plausibel. Was allerdings nicht einleuchtet ist der von Mendels / Edrei behauptete Zusammenhang einer Entfremdung mit der Zerstörung des Tempels 70 u.Z. Das Rabbinat mit seinen zunächst unpublizierten und nie übersetzten Lehren hätte wohl eine etwas andere Ausprägung genommen, gerade auch in Auseinandersetzung mit den dann weiterhin einflussreichen Sadduzäern, aber für die eigentliche Entwicklung des Ost-West-Verhältnisses spricht – aus althistorischer Sicht – nichts dafür, dass die Entwicklung prinzipiell anders verlaufen wäre, wäre der Tempel nicht zerstört worden.

Vertragen sich Sonne und Mond? Überlegungen zum Kalender als politisches Instrumentarium bei Römern und Juden Meret Strothmann (Bochum)

I Einleitende Bemerkungen I.1 Zur Rolle und Bedeutung von Kalendern Der Kalender¹ ist das Herz der Sozialgeschichte einer Gesellschaft, deren politische, wirtschaftliche und soziale Aktivitäten nicht ohne übergeordnetes Instrumentarium koordiniert werden können. Mit Hilfe von Kalenderaufzeichnungen können Ereignisse hierarchisiert werden, indem ihnen eine bestimmte Bedeutung im Rahmen eines jahreszyklischen Festablaufs zugewiesen wird; es können neue Festanlässe eingefügt werden, was die Flexibilität in der Handhabung des Kalenders garantiert, und er kann der Kontrolle vonseiten der Initiatoren dienen. Kalender und Herrschaft stehen dabei in einem sehr sensiblen Verhältnis zueinander. Großreiche wie die Perser, Assyrer oder Babylonier tendierten öfter dazu, fixe Kalender zu fördern, und unterstreichen damit seine hegemoniale Komponente. Kalender in Griechenland und Rom zeichnen sich dagegen eher durch

 Eine Grundlage bildet die zentralen Studie zum Thema, die vor  Jahren von Jörg Rüpke vorgelegt worden ist (Jörg Rüpke, Kalender und Öffentlichkeit. Die Geschichte der Repräsentation und religiösen Qualifikation von Zeit in Rom, Berlin ), die zusammen mit vielen Folgearbeiten von Rüpke sowohl für den systemtheoretischen Ansatz als auch in ihren Einzelergebnissen für die jeweiligen Kalender maßgeblich ist wie z. B. ders., Zeit und Fest. Eine Kulturgeschichte des Kalenders, München . Zur Gesamtthematik vgl auch Robert Hannah, Greek and Roman Calendars. Construction of Time in the Classical World, London ; ders., Time in Antiquity. Science of Antiquity, London, New York ; Sacha Stern, Calendars in Antiquity. Empires, States and Societies, Oxford . Speziell zu den Kalendern im jüdisch-christlichen Umfeld Roger T. Beckwith, Calendar and Chronology. Jewish and Christian, Leiden , zum ägyptischen Kalender in der Antike Anne-Sophie von Bomhard, The Egyptian Calendar: A Work for Eternity, London , Leo Depuydt, Civil Calendar and Lunar Calendar in Ancient Egypt, Leuven  und Richard A. Parker, Calendars of Ancient Egypt, Chicago ; zum römischen Kalender Pierre Brind’Amour, Le Calendrier romain: recherches chronologiques, Ottawa . Zu den weiteren Zusammenhängen des Kalenders mit dem Klima vgl. Daryn Lehoux, Astronomy, Weather, and Calendars in the Ancient World, Cambridge  und John M. Steele (Hg.), Calendars and Years. Astronomy and Time in the Ancient Near East, Oxford . DOI 10.1515/9783110410051-004

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Flexibilität und regionale Anpassungsfähigkeit aus, wobei zwischen der römischen Republik und der Kaiserzeit scharf zu trennen ist. In Teilen lässt sich für den antiken Kalender durchaus die persönliche Handschrift eines konkreten Regenten oder einer bestimmten Regierung erkennen. So ist der Kalender durchaus – anders als in der Moderne – als Instrumentarium zur Initiation oder Durchsetzung einer Ideologie oder als Herrschaftslegitimation zu verstehen. Dabei reicht die Palette vom Angebot eines neuen Kultes bis zur strikten Anordnung neuer Feste, deren Vollzug wir freilich leider oft nur an einigen Punkten nachvollziehen können. Die Frage nach dem Postulat und der realen Akzeptanz von Herrschaft kann so kaum gelöst werden, es zeigt sich aber sehr wohl die Intention in den Aufzeichnungen der Kalender und bisweilen auch, inwieweit Herrscher in der Lage waren, die Durchsetzbarkeit politischer Ziele abzuschätzen und sich auch regionalen bzw. ethnischen Vorbedingungen anzupassen. Die Kalender der Antike sind zudem stets sakral konnotiert. Der Kontakt zwischen den Personen oder Gruppen, in der Regel mit sakraler Funktion, die den Kalender ordneten bzw. überwachten, und dem jeweiligen Vertreter der Herrschaft oder dem Regenten selbst, spielen eine zentrale Rolle im Aushandlungsprozess um Herrschaft. Kalender sind dazu geeignet, eine Regierung mittelbar zu stützen, zu modifizieren oder gar zu stürzen. Ordnung und Strukturierung von Zeit und Raum sowie die Kommunikation zwischen Herrschern und Beherrschten spielen dabei die zentralen Rollen. Sie können bestehende wechselseitige Verhältnisse bestätigen oder neu definieren und haben das Potential, zum Machtinstrument zu werden, es kann aber auch Widerstand durch sie formuliert werden, z. B. durch die Nicht-Übernahme von verordneten Zusätzen. Interessanterweise spiegeln sie – obwohl sie zumeist auf Dauer angelegt und konzipiert sind – oftmals aktuelle politische Konstellationen und bilden auch Bedürfnisse ab. Kalender können nur Wirkung entfalten, wenn sie auf Öffentlichkeit angelegt und transparent, d. h. verstehbar sind. Gerade der Blick auf das römische Reich zeigt deutlich, in welcher Form und mit welchem Anspruch die Durchsetzung von Interessen erfolgte und mit welchen Mitteln das Zusammenleben unter hierarchischem bzw. gemeinschaftlichem Fokus geregelt werden konnte. Um diesen Prozess zu veranschaulichen bieten sich besonders die unterschiedlichen Ausdrucksweisen von Kommunikation und Interaktion zwischen Gruppen oder Individuen an, die sich in der Rolle und den Funktionsweisen von kalendarischen Aufzeichnungen konkret spiegeln. In jedem Fall werden die Benutzer durch den Kalender in die Lage versetzt, sich zu orientieren und zu jeder Zeit genau zu wissen, wo im Jahr man sich befindet und was an Ereignissen bevorsteht. Fast noch wichtiger ist, dass mithilfe der einheitlichen Benennung von Tag, Monat und Jahr jeder mit anderen unmissverständlich kommunizieren konnte. Termine, die in der üblichen Form angege-

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ben wurden, garantieren für den Organisator und die weiteren Beteiligten z. B. eines Festaktes eine eindeutige Datumszuweisung. Damit erweist sich der Kalender als ein übergeordnetes Element zur eindeutigen Kommunikation und regelt das gesellschaftliche Zusammenleben.

I.2 Zur Konstruktion des Kalenders Grundsätzlich kennen wir aus der Antike das ältere und weit verbreitete Mondjahr und das durch Caesar eingeführte erste „echte“ Sonnenjahr.² Die Einschätzung des eher naturverbundenen Mondkalenders als primitiv ist allerdings überholt, wie Sacha Stern zu Recht hervorhebt.³ Beide Formen der Orientierung sind astronomisch fundiert, wobei der Mondkalender insgesamt flexibler ist. Es ist zwar eine Tendenz zur Fixierung des Kalenders mit einem festen Datennetz zu konstatieren, was aber nicht als „Weiterentwicklung“ missverstanden werden darf,⁴ sondern eher den politischen Umständen geschuldet war, wie sich gerade in dem fixen Sonnenkalender Caesars deutlich zeigt.⁵ Eine ganze Reihe von Kalendern bietet eine Kombination aus solaren und lunaren Elementen, wobei eine Synchronisierung der unterschiedlichen Datensysteme auf verschiedene Weise umgesetzt wurde. Einmal konnten beide schlicht nebeneinander tabellarisch aufgelistet werden, wobei häufig nicht ausgemacht werden kann, welches System den Vorzug erhielt, oder es wurden zuordnungsfähige Daten in das jeweils andere System eingestreut. Manches Mal wurden ganze Kalendersysteme harmonisiert, so wurden unter Alexander dem Großen der makedonische und der babylonische Kalender zusammengelegt.⁶ Das war aber eher die Ausnahme, regional wurden auch zwanglos Kalender nebeneinander benutzt, so vor allem in Griechenland. Die Behauptung, dass neben einem „bürgerlichen“ Mondkalender in Israel ein kultisch ausgerichteter 364-Tage-Sonnenkalender Bestand gehabt haben soll, weist Stern zu Recht zurück.⁷ Die Unterteilung in einen „bürgerlichen“ und einen religiösen Kalender hat in der antiken Denkweise keinen Platz und muss damit als nachantikes Muster abgewiesen werden. Der Eindruck historischer Starrheit und steingewordener und damit unveränderbarer Erinnerung ist ein Trugschluss, auch

 Stern, Calendars (wie Anm. ), . Vgl. zum iulianischen Kalender David Feeney, Caesar’s Calendar. Ancient Time and the Beginning of History, Berkeley .  Stern, Calendars (wie Anm. ), .  So etwa sieht es Elias Bickerman, Chronology of the Ancient World, London . Aufl. , .  Stern, Calendars (wie Anm. ), .  Stern, Calendars (wie Anm. ), .  Stern, Calendars (wie Anm. ),  f.

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Kalender bildeten eine Momentaufnahme und zeigten sich als anpassungsfähiger und dynamischer Bestandteil antiker Gesellschaften. Vergangenheit wurde rekonstruiert und für die Zukunft präpariert, aber nie schlicht abgebildet. Die folgenden Überlegungen sollen auf der Grundlage von Aufzeichnungen zum Ablauf des Jahres einen Beitrag zur politischen Kommunikation zwischen Juden und Römern leisten. Zunächst wird zu fragen sein, inwieweit sich gerade Kalender dazu eignen, Beziehungen aufzuzeigen, Harmonisierungs- bzw. Konfliktpotential transparent zu machen und Identitäten abzubilden oder zu generieren. Im zweiten Schritt wird zu diskutieren sein, wie sich die Begegnungen zwischen Römern und Juden auf dieser Grundlage erfassen lassen und inwieweit Kalenderaufzeichnungen den allgemeinen Umgang der Römer mit diesem Volk bestätigen oder dementieren. Um den Möglichkeiten der Kommunikation, die durch Kalender geboten wurde, näher zu kommen, ist kurz aufzuzeigen, unter welchen Bedingungen und Grundlagen sie bei den Römern bzw. Juden festgehalten bzw.verstanden wurden. Einige grundsätzliche Bemerkungen zur Rolle von Kalendern, die sie spezifisch bei den Juden bzw. den Römern spielten, sollen die verschiedenen Ansätze und Potentiale verdeutlichen. Dabei ist sowohl auf die Aufzeichnungspraxis römischer Kalender wie auf ihre Rezeption einzugehen. Insbesondere ist interessant, inwieweit gerade durch das Erstarken des Christentums römische Identität in der Abgrenzung zum jüdischen Selbstverständnis eine neue Qualität gewann. Auf der anderen Seite steht der fest verankerte traditionsgebundene jüdische Kalender, dessen Gültigkeit und Umsetzung eng mit der Gruppe der amtierenden Priester vernetzt ist. Mit dem Eintritt der Juden in das römische Reich ergaben sich zwangsläufig Divergenzen und Neuorientierungen, die sich auch im Kalender spiegeln mussten. Kalender konnten sich zu einem Bekenntnis zur amtierenden Macht verstehen, sie konnten jedoch auch Widerstandspotential indizieren und verstärken.Weiter ist zu fragen, inwieweit sich hier eine gelungene Integrationspolitik vonseiten der Römer findet oder ob dagegen Kalender immer wieder Konflikte zwischen Juden und Römern schürten und damit eher als ein Instrumentarium der Ablehnung zu verstehen waren.

II Juden und Römer – ein Feindverhältnis? Um das Wirkpotential der Kalender als mögliches Instrument zu untersuchen, muss zunächst auf das Verhältnis zwischen Juden und Römern insgesamt eingegangen werden. Ließe sich aus den Beziehungen von vornherein ein latent

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feindliches Verhältnis ablesen,⁸ so wäre dies auch in den Aufzeichnungen der Kalender – und sei es nur durch Auslassungen o. ä. – zu vermuten. Ein Blick in die Quellen⁹ zeigt, dass sich das Verhältnis zwischen Juden und Römern¹⁰ von einigen konkreten Ereignissen abgesehen kaum als direktes Feindverhältnis bestimmen lässt.¹¹ Solange es die Umstände erlaubten, blieben die Römer den Juden gegenüber indifferent bzw. beließen ihnen ihre Lebensweise,¹² und auch von jüdischer Seite beschränken sich die diplomatischen Bemühungen auf das Notwendige. Die Juden fühlten sich von den Römern auch nicht bedrängt,¹³ so lange bis durch die christliche Durchdringung der römischen Welt der Ton schärfer wurde.¹⁴ Auch Günter Stemberger betont die Privilegierung der Juden u. a. in den Punkten der Tempelsteuer, des Militärdienstes oder der in vielen Punkten gewährten Autonomie und Jurisdiktion.¹⁵ Er formuliert, dass die zeitweilige Aufhebung der  Dazu E. Kettenhofen, „Antijudaismus in der Antike“, in: Edward Dabrowa (Hg.), Donum amicitiae, Krakau ,  – .  Gruen charakterisiert die Intention der antiken Quellen sehr treffend, z. B. zu Iuvenal (Gruen, „Roman Perspectives“,  f.) und Cicero (Gruen, „Roman Perspectives“, ). Erich S. Gruen, „Roman Perspectives on the Jews in the Age of the Great Revolt“, in: Andrea Berlin; J. Andrew Overman (Hgg.), The First Jewish Revolt, London und New York ,  – .  Die Angaben dieses Abschnitts beziehen sich vor allem auf die einschlägige Zusammenstellung der Daten aus dem ereignisgeschichtlichen Überblick von Karl Leo Noethlichs, Das Judentum und der römische Staat. Minderheitenpolitik im antiken Rom, Darmstadt ,  – . Hier werden alle wichtigen Daten der jüdisch-römischen Begegnungen übersichtlich zusammengestellt. Zu den Ereignissen, die in den programmatischen Makkabäerbüchern referiert werden vgl. ebd.,  – .  Abgesehen vom Judenexkurs des Tacitus, der eher auf ein weitgehend unbestimmtes Interesse am jüdischen Teil der Reichsbevölkerung schließen lässt, haben wir keine relevanten Quellen aus römischer Sicht, die das Verhältnis definieren oder aktive Anteilnahme am innerjüdischen Geschehen zeigen. Zum Judenexkurs vgl. Rene Bloch, Antike Vorstellungen vom Judentum. Der Judenexkurs des Tacitus im Rahmen der griechisch-römischen Ethnographie, Stuttgart  und die Bemerkungen von Gruen, „Roman Perspectives“ (wie Anm. ),  – .  Auch Avidov betont die Privilegierung der Juden z. B. durch die Erlaubnis zum Gebrauch der eigenen Rechtsprechung sowie in religiösen Belangen. Avi Avidov, Not Reckoned among Nations, Tübingen ,  (zur Rechtsprechung);  (zu religiösen Belagen).  Martin Goodman, Rome and Jerusalem. The Clash of Ancient Civilizations, London , . Zur Einstellung der Juden gegenüber den Römern aus jüdischer Sicht vgl. Günter Stemberger, Die römische Herrschaft im Urteil der Juden, Darmstadt . Stemberger stellt fest, dass „Kaiser oft Sündenböcke für spätere römische Mißgriffe gegenüber den Juden geworden seien“. Da die Kritik am lebenden Herrscher zu gefährlich war, „rankten sich um sie immer neue Legenden“. (ebd., ).  Goodman, Rome against Jerusalem (wie Anm. ), .  Günter Stemberger, „Die Juden im römischen Reich: Unterdrückung und Privilegierung eine Minderheit“, in: Herbert Frohnhofen (Hg.), Christlicher Antijudaismus und jüdischer Antipaganismus, Hamburg ,  – , hier .

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Privilegien nicht mit einer generellen Schlechterstellung verwechselt werden dürfe.¹⁶ Die Frage nach einer generellen Ablehnung müsste mit dem Blick auf die historischen Überlieferungen neu gestellt werden. Nur in dringenden politischen Zwangslagen ließen sich Römer wie Juden auf direkte Reaktionen ein, wie durch die folgenden Schlaglichter auf die fassbaren und stets persönlich motivierten Konfliktsituationen zwischen Juden und Römern verdeutlicht werden kann. Zeitliche Akzente setzt das Auftreten der Römer im Zuge der Neuordnung des Ostens durch Pompeius im Jahr 63 v.u.Z.¹⁷ Seine Maßnahmen und Motivationen werden von Karl Leo Noethlichs zutreffend beurteilt: es handelte sich nicht um einen Eroberungskrieg, sondern um eine „jüdischerseits erbetene römische Parteinahme für eine innerjüdische Gruppierung“,¹⁸ in den folgenden Jahren wurde Judäa unter dem syrischen Statthalter Aulus Gabinius in fünf Bezirke geteilt.¹⁹ Unter Caesar wurde die Ordnung des Gabinius aufgehoben,²⁰ die Region erhielt Privilegien wie die Freiheit von Einquartierungen und steuerliche Erleichterungen. 40 v.u.Z. beschloss der Senat die Königswürde für Herodes,²¹ der durch die amicitia zum ersten Prinzeps eine neue Ära der Beziehungen zwischen Rom und Judäa einleitete. Die persönliche Verbindung zu Augustus brachten der Region Vorteile, allerdings sorgte der Tumult nach dem Tod des Herodes ca. 4 v.u.Z. für erhebliche Unruhe. Hier zeigten sich dann eher die Gefahren einer mehr personal statt institutionell gestützten Regierung.²² Beruhigung brachte erst die Umwandlung des inzwischen geteilten Gebietes in eine Eparchie, die von Herodes eingeleitete Ebene der personellen Beziehungen wurde unter Agrippa in den Regentschaften des Caligula und des Claudius vertieft und gefestigt,²³ die in den täglichen Opferhandlungen für den Kaiser seit Augustus ihren sichtbaren Nie-

 Stemberger, „Juden im römischen Reich“ (wie Anm. ), .  Die Situation vor der Neuordnung durch Pompeius ist von Ernst Baltrusch aus der Perspektive der Juden wie der Römer dargelegt worden, grundlegend auch Günter Stemberger aus der Sicht der rabbinischen Literatur. Günter Stemberger, „Die Beurteilung Roms in der rabbinischen Literatur“, in: ANRW II ., ,  – . Zum Aufkommen antirömischer Literatur vgl. Mireille HadasLebel, Jerusalem against Rome, Leuven . Zur Definition der kittim Hadas-Lebel, ebd.,  –  und Stemberger, ebd., . Ernst Baltrusch, Die Juden und das römische Reich. Geschichte einer konfliktreichen Beziehung, Darmstadt ,  weist besonders auf die Berührungspunkte zwischen Römern und Diasporajuden in Africa und Kleinasien im . Jahrhundert v.u.Z. hin.  Noethlichs, Judentum (wie Anm. ), .  Ios. bell. Iud. ,  f, Ios. ant. Iud. ,  f. Bei Noethlichs, Judentum (wie Anm. ), .  Noethlichs, Judentum (wie Anm. ), .  Noethlichs, Judentum (wie Anm. ), ; Ios. bell. Iud. , ; Ios. ant. Iud. ,  f.  Zur Haltung des Herodes insgesamt vgl. Linda-Marie Günther, Herodes der Große, Darmstadt ,  – .  Vgl. dazu die Bemerkungen von Noethlichs, Judentum (wie Anm. ), .

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derschlag fanden.²⁴ Die Eskalation im jüdischen Krieg ist weitgehend durch das Verhalten des Gessius Florus erklärbar, dessen wüstes Gebaren Widerstand erzeugen musste, auch hier jedoch lässt sich nirgends eine feindliche Grundhaltung ausmachen, vielmehr geht es um aktuelle Reaktionen auf die sehr ungeschickte Politik des Florus von römischer Seite. Flavius Josephus, dessen Aussagen sich aus dem persönlichen Kontakt zu den Flaviern erklären, erläuterte, dass der Kriegsgrund in der Weigerung der Priester läge, weiterhin die Opfer für den Kaiser zu vollziehen. Das Opfer für den Kaiser war bisher unbestritten und sollte nun auf Grund aktueller Unstimmigkeiten eingestellt werden. Unter Trajan²⁵ traten weitere Konfliktherde auf, hier ist schwer zwischen individueller Motivation und der momentanen allgemeinen Grundstimmung gegen die Römer auf Grund von Steuererhebungen zu trennen. Die Römer differenzierten nun erstmals zwischen Juden und Christen, wie die Korrespondenz des Plinius erweist.²⁶ Die Aufstände in den Jahren 115 – 117 u.Z. sind allerdings in ihrer Schärfe kaum zu überschätzen,²⁷ sie sind grundlegend für die Phänomene der Jahre 132– 135 u.Z., denen Hadrian entgegentrat.²⁸ Mit der Umbenennung des seit Jahrhunderten etablierten jüdischen Zentrums Jerusalem in Aelia Capitolina investierte der römische Kaiser nicht gerade in eine zukunftsorientierte friedliche Basis eines harmonischen Zusammenlebens beider Kulturen. Inwieweit jedoch die Umbenennung Jerusalems in

 Ios. bell. Iud. , ; Philo, Leg. ad Gaium ; . Die Erläuterung des Kriegsgrundes mit der Weigerung der Priester bei Ios. bell. Iud. ,  f. Vgl. dazu die differenzierten Erläuterungen von Noethlichs, Judentum (wie Anm. ),  mit Anm. .  Die Ereignisse sind aus den Quellen zusammengestellt bei Hadas-Lebel, Jerusalem against Rome (wie Anm. ),  – .  Zur Strafwürdigkeit der Christen äußerte sich Liebs. Das gesamte Kapitel zum Christentum als „kriminelle Vereinigung“ bietet einen guten Einblick in die erste juristisch fassbare Auseinandersetzung zwischen Römern und Christen; Detlef Liebs, Vor den Richtern Roms, München , vgl. das Kapitel zur Korrespondenz des Plinius mit Trajan, S.  – .  Dazu William Horbury, „The Uprisings under Trajan and Roman Jewish Relations“, in: Armin Lange u. a. (Hgg.), Judaism and Crisis. Crisis as a Catalyst in Jewish Cultural History, Göttingen ,  – .  Werner Eck hat die Konfliktsituation präzise geschildert und im Licht der Inschriften untersucht. Die Schwere des Aufstandes wird schon an der Betonung des nachfolgenden Friedens deutlich, der wie Eck formulierte, „auf Massengräbern errichtet ist“. Werner Eck, Rom herausfordern. Bar Kochba im Kampf gegen das Imperium Romanum, Rom , . Die Ereignisse sind auch zusammengefasst bei Hadas-Lebel, Jerusalem against Rome (wie Anm. ),  – . Über die Folgen des Aufstands für die jüdische Bevölkerung informiert Stemberger, „Juden im römischen Reich“ (wie Anm. ),  f.: Nach dem Aufstand habe man zu einem modus vivendi gefunden, was unter anderem daran deutlich wird, dass keine weiteren Aufstände mehr ausbrachen. Er geht von einer staatlichen Anerkennung der jüdischen Führung seitens der Römer aus, die sich auch im Recht des Patriarchen Steuern einzutreiben äußerte.

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Aelia Capitolina – immerhin ist der Kaiser namengebender Bestandteil der Stadt und damit der Prinzeps zumindest informell in der Pflicht für das Wohlergehen der Stadt – auch wirtschaftliches Potential für die Stadt bargen, wird in der Forschung durchaus diskutiert.²⁹ Von einer latent feindlichen Haltung, die sich dann in harten Maßnahmen entlud, oder gar einer pauschalen antijüdischen Einstellung von römischer Seite kann aber zu keiner Zeit die Rede sein.³⁰ Gleiches gilt für die jüdische Seite. Eine entschiedene antirömische Haltung ist zwar von Teilen der jüdischen Bevölkerung anzunehmen, aber auch hier ist eine umfassende Ablehnung gegen die Herrschaft der Römer nicht nachweisbar, es lassen sich dagegen Bestrebungen eines politisch motivierten Arrangements erkennen. Auf dieser Basis verwundert wenig, dass sich diese vermittelnde Haltung auch in den Kalendern³¹ widerspiegelt und sich – das kann bereits hier festgehalten werden – Kalender nicht als Widerstandsinstrument gegen Römer bzw. Juden verstehen lassen, sondern als Konstrukt zur Wahrnehmung von gemeinsamer Identität und Ausdruck eher innerjüdischer Parteinahme verwendet werden.

 Peter Schäfer hat sich mit der Frage auseinandergesetzt: Peter Schäfer, The Bar Kokhba War Reconsidered. New Perspectives on the Second Jewish Revolt against Rome, Tübingen . Zu den Geschehnissen in Jerusalem bei Eusebius und Cassius Dio vgl. auch die Ausführungen von Görge Hasselhoff in diesem Band,  – .  Bisweilen wird von einer gewaltbereiten Haltung gegenüber jüdischen Gemeinden gesprochen. Der Begriff der Gewalt ist allerdings für die Antike unter völlig anderen Prämissen zu definieren. Gewalt als legitimes Mittel Macht durchzusetzen und zu demonstrieren, wäre mit modernen Konzepten kaum vereinbar. Das Verhältnis von Recht und Gewalt stellte sich ganz anders dar. Nicht jeder, der körperliche Gewalt anwandte, befand sich gleich im Unrecht. Für die Amtsgewalt zählte in der Antike allerdings auch die Drohkulisse der möglichen Anwendung im Sinne einer Hierarchisierung von Personen und Gruppen. Vis und potestas als Gewalt und Amtsgewalt haben allerdings kaum Berührungspunkte,wie Cicero klar erklärte: Deinceps sunt cum populo actiones, in quibus primum et maximum ‚vis abesto‘. Nihil est enim exitiosius civitatibus, nihil tam contrarium iuri ac legibus, nihil minus civile et inhumanius, quam composita et constituta re publica quicquam agi per vim. (Cic. leg. , ). Ebenso fremd war der römischen Welt das Konzept des Friedens als ideale Harmonie. Es blieb den Christen vorbehalten, die Idee des Friedens als Konzept eines idealen Dauerzustandes in die Gesellschaft zu tragen.Unter Augustus findet sich die Wendung des Friedens, der auf Siegen basierte (parta victoriis pax), das templum Pacis der Flavier trifft eine ähnliche Idee.  Hadas-Lebel diskutiert das Neujahrsfest an den Kalenden des Januar, zu dem auch in der Mishna Stellung bezogen wird (AZ I,), Hadas-Lebel, Jerusalem against Rome (wie Anm. ), . Sie untersucht weitere römische Feste wie die Saturnalien oder den Kaiserkult, die von jüdischer Seite meist indirekt kommentiert wurden.

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III Der Kalender als Ausdrucksmittel politischer Differenzen zwischen antiken Kulturen? III.1 Der Kalender als Spiegel der politischen Ordnung in Rom Im Folgenden wird kurz zu zeigen sein, mit welchen Intentionen und Potentialen des römischen Kalenders die jüdische Gemeinde sich konfrontiert sah. Gerade an solchen Schnittstellen zeigt sich, wieviel Kalender eine soziale Ordnung verkraften kann. Im Blick auf andere Kalender kann die eigene Kalendergestaltung bisweilen in Frage gestellt oder manifestiert werden. Wenn man durch Kalender in der Lage ist, seine Gesellschaft zu fassen und zu strukturieren, dann ist vorausgesetzt, dass ein bestimmtes Selbstverständnis durch Kalender transportiert wird. Durch bewusstes Konstruieren und durch definierte Auslassungen werden Möglichkeiten der Selbstdarstellung genutzt. Der römische Kalender wurde in der Kaiserzeit stets aktualisiert und mit Akzenten versehen, die die jeweilige politische und soziale Ordnung in Rom und in der Region stärken sollten.³² Die Aufnahme des Geburtstages des Kaisers oder seine Erhebung zum pontifex maximus ³³ in die örtlichen Kalender versprach eine Orientierung auf die römische Herrscherdynastie und bot Identifikationspotential, das zum Gradmesser der Akzeptanz römischer Herrschaft genutzt werden konnte. Wie in vielen anderen Bereichen auch galten die Bemühungen von römischer Seite der Integration, nicht der Separation. Jörg Rüpke spricht mit guten Gründen von einem Rahmenkalender, in dem zentrale Daten vorgegeben wurden, die unumstößlich waren, der aber auf der anderen Seite Raum zur lokalen Ausgestaltung ließ.³⁴ In den römischen Jahresablauf eingegliederte Kulte erschienen mit ihren Festen in den Kalenderaufzeichnungen, z. B. das Fest für die im Kontext mit den Katastrophen des 2. Punischen Krieges nach Rom geführte Magna Mater.³⁵ Die Grenzen des Rahmenkalenders zeigen sich allerdings auch hier – trotz ihres Potentials zur Allgöttin erhielt Isis lange keinen Platz im offiziellen Festkalender. Seit ihrem Auftreten in Rom war der Ritus um die

 Vgl. dazu die ausführliche Untersuchung von Peter Herz, Untersuchungen zum Festkalender der römischen Kaiserzeit nach datierten Weih- und Ehreninschriften, Mainz , und ders., „Kaiserfeste der Prinzipatszeit“, in: ANRW II ., ,  – .  Für Augustus am . März, für Tiberius am . März. Georg Wissowa, Religion und Kultus der Römer, München ,  (Anhang).  Rüpke, Kalender (wie Anm. ),  – .  Vgl. hierzu immer noch die Tabelle bei Wissowa, Religion (wie Anm. ),  (Anhang) zum . April.

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ägyptische Göttin sehr attraktiv,³⁶ wurde allerdings unter den Kaisern ambivalent gehandhabt.³⁷ Obwohl offiziell nicht in den Aufzeichnungen geführt und von Augustus sogar unterdrückt, fanden sich Kultattribute im Dekor fast sämtlicher Häuser der römischen Oberschicht, inklusive des Hauses der Augustusgattin Livia auf dem Palatin. Interessant für unseren Kontext ist das hartnäckige Verschweigen eines so lebendigen Kultes, der in Oberschicht wie beim einfachen Volk gleichermaßen beliebt war, das erst im Philokaloskalender³⁸ von 354 u.Z. aufgegeben wurde. Damit erreichen die Aufzeichnungen dieses Kalenders eine Anpassung der gelebten Realität an die schriftlich fixierte Kultordnung. Er bietet in einmaliger Form das Modell einer Synchronisierung der römischen mit christlichen Fest- und Kalenderdaten und ist Ausdruck eines römisch-christlichen Identitätsbewusstseins. Isis hat hier an prominenter Stelle ihren Platz gefunden. Ein Diener der Isis mit Kahlkopf und typischer Gewandung und unmissverständliche Symbole wie das Sistrum schmücken das Vorsatzblatt zum Monat November. Sacha Stern setzte hier an einer interessanten Stelle an. Er verortet den Kalender nicht für das Jahr 354 u.Z. sondern für 355. In der zweiten Spalte des insgesamt siebenspaltigen Kalendariums erscheint die Woche im 7-Tage-Rhythmus. Das könnte auf die jüdische 7-Tage-Woche deuten, was Henri Stern aber verneint. Dafür führt er folgendes Argument ins Feld: die jüdische 7-Tage-Woche konnte nicht gemeint sein, da sie stets mit dem Sonntag startet, hier aber wird von H. Stern der Samstag als erster Wochentag benannt.³⁹ Der 1. Januar ist mit dem Buchstaben A markiert, dies war im Jahr 354 tatsächlich ein Samstag und wurde von H. Stern als Beginn der Planetenwoche im Gegensatz zur jüdischen Woche gedeutet. Das Jahr 355 begann allerdings wirklich mit einem Sonntag als erstem Wochentag. Verlegt man den Kalender in das Jahr 355, so ergibt sich in der Folge der Überlegungen von Sacha Stern ein interessanter und recht weitreichender Schluss: Realiter wäre dann in der zweiten Spalte doch die jüdisch-christliche Zählung berücksichtigt worden und man kann davon ausgehen, dass mit der Nennung der Wochentage der Planetenwoche astrologischen Vorgaben Rechnung getragen worden sei und mit dem Beginn mit Sonntag ein Kontext zur jüdisch-christlichen Zählung bewusst her-

 Zur Verbreitung des Isis-Kultes vgl. Reinhold Merkelbach, Isis Regina – Zeus Serapis, Stuttgart und Leipzig ,  – . Das Werk versteht sich als Präsentation der Quellen zum Kult.  Zur Haltung der einzelnen Kaiser des julisch-claudischen Kaiserhauses gegenüber Isis Merkelbach, Isis Regina (wie Anm. ),  – . Sueton berichtet uns später völlig unbefangen davon, dass Domitian sich als Isispriester getarnt in deren Tempel flüchtete (Suet. Dom. ).  Zum Kalender insgesamt Michelle Renee Salzman, On Roman Times. The Codex Calendar of  and the Rhythms of Urban Life in Late Antiquity, Berkeley .  Henri Stern, Le Calendrier de , Paris ,  – .

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gestellt worden sei.⁴⁰ Dann wäre das Jahr 355 bewusst gewählt worden, was auch zur ausgeprägten Integrationsfähigkeit des Philokaloskalenders stimmen würde. Er kann hier als sinnfälliges Beispiel für einen Kalender fungieren, der eine allgemein gültige Ordnung abbildet und identitätsstiftend wirkt und steht für die spätantike römische Praxis. So zeigt sich für den römischen Bereich bis zum christlichen Einfluss in den Kalenderaufzeichnungen häufig das Bestreben, politische Ordnung zu spiegeln und zu synchronisieren.

III.2 Der jüdische Kalender als Ausdrucksmittel der Parteiungen⁴¹ Im Zusammenspiel verschiedener Kalender ist nach deren regionaler bzw. übergeordneter Perspektive zu fragen, wobei gerade dem jüdischen Kalender eine besondere Funktion zukommt. Er war zwar für einen lokal begrenzten Raum gültig, wurde aber zunehmend Teil der Entwicklung in der Fixierung von Kalendern für den überregionale Belange.⁴² Inwieweit Kalenderaufzeichnungen Regeln für das Zusammenleben positiv oder negativ beeinflussten, hing maßgeblich von der Zusammensetzung der relevanten Personen oder Gruppen ab, die sich um die Erstellung und Verbreitung des Kalenders kümmerten.⁴³ Im Pentateuch sprach Gott selbst mit Mose, der den Israeliten die Festordnungen direkt weitergab, womit der Kalender eine direkt von Gott eingesetzte Ordnung wiedergibt. Das erklärt den außerordentlich strengen Gebrauch des Kalenders, da ihn zu ignorieren oder zu ändern Gotteslästerung ausdrückte.⁴⁴ Aus den Angaben lassen sich für die Kalenderordnung zwei Hauptkriterien herauslesen: neben der Zahl sieben und dem damit vorgegebenen strengen Wochenrhythmus wurden Feste an den einzelnen durchgezählten Tagen

 Stern, Calendars (wie Anm. ), .  Zum jüdischen Kalender Sacha Stern, Calendar and Community. A History of the Jewish Calendar, nd Century BCE – th Century CE, Oxford ; Talmon, S. King, Cult and Calendar in Ancient Israel, Jerusalem .  So Stern, dem der jüdische Kalender als Ausgangspunkt seiner Untersuchungen diente. Er eignete sich besonders dazu, diese Entwicklung exemplarisch nachzuzeichnen; Stern, Calendars (wie Anm. ), .  Zur herrschenden Klasse in Judäa allgemein: Martin Goodman, The Ruling Class of Judaea. The Origins of the Jewish Revolt against Rome A.D.  – , Cambridge . Zur Herrschaftspraxis vgl. David Goldblatt, The Monarchic Principle. Studies in Jewish Self-Government in Antiquity, Tübingen .  Goodman, Rome and Jerusalem (wie Anm. ), .

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im Monat eingerichtet. Dem ersten⁴⁵ und dem 14. bzw. 15. Tag kam dabei häufiger besondere Bedeutung zu. Inhalt waren stets die Ehre und das Gedenken an JHWH und seine Taten für das Volk Israel,verbunden waren die Feste oft mit Ruhephasen von der Arbeit. Zunächst ist hier natürlich vom Sabbat die Rede, der als zentrales strukturierendes Element gesetzt wird,⁴⁶ aber auch die Passawoche, die am 14. Tag des ersten Monats mit einem Opfer eingeleitet wird, wird am ersten, am 15. Tag des ersten Monats und am letzten Tag eine Woche später gerahmt durch Versammlungstage, in denen kein Werk getan wird.⁴⁷ Auch der erste Tag des siebten Monats war ein Feiertag als Ruhetag zum Gedächtnis,⁴⁸ wie der 10. Tag, der Versöhnungstag.⁴⁹ Der 15. Tag des Monats war ebenfalls arbeitsfrei, am 15. begann das einwöchige Laubhüttenfest.⁵⁰ Auch die Jahre werden nach der Siebenzahl geordnet, so gilt jedes siebte Jahr als Sabbatjahr und das 50. Jahr (das Jahr nach dem siebenmal siebten Jahr) als heiliges Erlassjahr,⁵¹ das allerdings nach Goodman kaum korrekt beachtet worden ist.⁵² Die Aufgaben und Funktionen der Priester, nach Lev 9 die Söhne Aarons aus dem Stamm Levi, für alle Festtage waren exakt festgelegt, so dass es an ihnen war, dem Volk durch die Arten des Opfers den Verlauf des Jahres anzuzeigen. Als ausführenden Funktionsträgern kam ihnen eine hohe Bedeutung zu, zudem hatten sie ihren festen Anteil an den Opfern. Aufgrund ihrer Position übernahmen sie eine hohe sakrale Verantwortung, die ihnen andererseits die Möglichkeit für eigene Spielräume bot. Dieses Hierarchisierungspotential innerhalb der Priestergruppe wurde mit Sicherheit stark genutzt. Es überrascht kaum, dass später in den harten Auseinandersetzungen in der

 Zu den Opfern am . des Monats vgl. Num , Brand-, Speise- und Trankopfer sowie ein Sündopfer.  Lev ,  – . Zum Opfer am Sabbat Num ,  f.  Ex ,  – ; Lev ,  – ; Dtn ,  – ; Num ,  – ; Ez ,  – . – Nur in Exodus und Deuteronomium wird der erste Monat des Jahres, in dem das Passa gehalten wurde, Abib genannt, sonst wird er durchgehend numerisch als erster Monat des Jahres vermerkt. Inwieweit die Namengebung auf die Relevanz des Monats verweist oder welche anderen Rückschlüsse sich ziehen lassen, soll hier nicht weiter diskutiert werden.  Lev ,  – ; Num ,  – . In Ezechiel werden die Bestimmungen genauer ausgeführt bzw. ergänzt. Der Priester soll für diejenigen, die aus Versehen Verfehlungen begangen haben, den Tempel durch Blut, das auf die Türpfosten des Tors zum Innenhof aufgetragen wird, entsühnen (Ez ,  f).  Lev ,  – .  Lev ,  – ; Num ,  – ; Dtn ,  – ; Ez , .Weder im . Mose (Numeri) noch in Ezechiel wird das Fest beim Namen genannt. An der Datierung und der Ausrichtung ist es aber klar zu erkennen. Im Buch Ezechiel wird deutlich, dass das Passafest und das Laubhüttenfest mit dem gleichen Ablauf an Opfern gefeiert wurden.  Lev , .  Goodman, Rome and Jerusalem (wie Anm. ), .

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Reichsteilung wieder das sakral fundierte Argument der Feste und des Kalenders zum Tragen kam. Jerobeam, der Sohn Nebats, erwies sich als sehr tüchtig und wurde von Salomo stark gefördert.⁵³ Durch eine Verheißung des Propheten Ahija von Silo ermutigt, der ihm die Herrschaft über zehn der 12 Stämme Israels voraussagte, ließ er sich von den Stämmen – außer dem Stamm Juda, der Rehabeam, dem Sohn Salomos, folgte – zum König machen.⁵⁴ Als das Opfer in Jerusalem anstand, fürchtete er, gemäß der Überlieferung, dass das Volk doch dem leiblichen Sohn Salomos, Rehabeam, anhinge, und richtete einen neuen Kult ein, damit das Volk nicht zum Opfer für JHWH hinaufzöge.⁵⁵ Zur Pflege dieses Kultes berief er natürlich Personen zu Priestern, die nicht dem Stamm Levi entstammten.⁵⁶ Damit wurde eine Priestergruppe ins Leben gerufen, die loyalitätsbedingt amtierte und nicht aus der Familientradition heraus legitimiert war. Die ohnehin schon konkurrierenden Priestergruppen wurden auf diese Weise noch stärker fragmentiert. In seiner Funktion als Priesterkönig nahm Jerobeam zudem Einfluss auf die Gestaltung des Festkalenders, indem er ein neues Fest am 15. Tag des achten Monats einfügte, ganz analog zu den Festen, die Gott selbst eingerichtet hatte. Es stand im Zusammenhang mit der Verehrung von zwei neuen Götterbildern, die er in Bethel und Dan hatte aufstellen lassen. Offenbar installierte er einen ganzen Kult, da er auch ein Höhenheiligtum errichten ließ und zudem selbst neue Priester ernannte, was einen umfassenden Eingriff in das traditionelle Kultgeschehen und seine Abläufe bedeutete. In seiner Funktion als Priester nahm er auch Opfer vor.⁵⁷ Die Maßnahmen sind auf dem Hintergrund der Abgrenzung zur Dynastie Davids zu erklären. Jerobeam zielte auf eine Stabilisierung der eben gewonnenen Herrschaft gegenüber Rehabeam, der in Juda residierte. Jerobeam handelte entsprechend mit der Aufstellung eigener Götterbilder und der Einrichtung eigener Feste im Kalender. Die Episode zeigt den engen Zusammenhang zwischen der Aufsicht über den Kalender und der aktiven Gestaltung der aktuellen politischen Machtverhältnisse, worin sich die Intention der Herrschaftslegitimation manifestierte. Strukturelle Neuorientierungen in den Ordnungen des Kalenders eigneten sich also durchaus als Instrument der Abgrenzung wie das Beispiel Jerobeams ver-

 Kön , .  Kön , .  Kön , .  – .  Kön , .  Kön ,  f. Unter Ezechiel ( zum Propheten berufen) wird der amtierende Fürst angewiesen, Opfer als Tribute entgegenzunehmen und auch die Opfer auszurichten an Festen, Neumonden, Sabbaten und allen Feiertagen für den Herrn. Er soll die Sündopfer, Speis- und Trank- und Dankopfer darbringen, um Sühne zu schaffen. (Ez ,  – ). Das Opfer ist hier eine Aufgabe für den Fürsten geworden.

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deutlicht. Dieser Einsatz des Kalenders in der Königszeit skizziert die Möglichkeit seiner Verwendung als Mittel der innerjüdischen Auseinandersetzung, wobei stets die sakrale Ebene des Kalenders als Faktor jüdischer Identität im Kontext mit dem damit eng verknüpften Abgrenzungspotential für die Nachfolgezeit zu nennen ist.⁵⁸ Später in der Zeit des Exils stand die jüdische Bevölkerung unter dem direkten Einfluss der aktiven politischen Mächte Babyloniens, unter deren Herrschaft sie zwangsläufig mit anderen Kalendersystemen konfrontiert wurden, die z.T. nicht kompatibel waren, nirgends jedoch findet sich ein Hinweis auf die Benutzung des Kalenders als Ausdruck des Widerstands. Dies bleibt der internen Konkurrenzsituation – wie eben geschildert – vorbehalten. Es ist nur folgerichtig, dass dies auch unter der Herrschaft der Römer, mit der die Juden sich auseinanderzusetzen hatten, nicht sichtbar wurde, obwohl hier offensive Konfliktmomente deutlichen Anlass gegeben hätten.⁵⁹ Vielmehr separieren sich hier zunächst innerjüdische Gruppierungen, die später mittels des Kalenders wieder miteinander in Kommunikation traten. In dieser Form mag vielleicht die Kalender-Ordnung der Qumran-Rollen zu verstehen sein.⁶⁰ Die Teile, die explizit mit einem 364-Tage Jahr arbeiten, sind um das 1. Jahrhundert v.u.Z. entstanden,⁶¹ eine Zeit, in dem die Juden Palästinas dem lunaren Kalender folgten. Einige Daten aus dem lunaren Kalender sind eingestreut, es ergibt sich aber kaum das Bild einer lunar-solaren Ausgewogenheit.⁶² Die daraus resultierenden Thesen, denen zufolge die QumranAnhänger sich mit diesem Kalender bewusst von der Orthodoxie absetzen wollten oder dass sie als Sekte betrachtet wurden, weil sie diesen Kalender benutzten, greifen also zu kurz. S. Stern geht in diesem Zusammenhang der Frage nach, ob der solare Kalender tatsächlich praktisch zum Einsatz kam und inwiefern er überhaupt als Medium zur gezielten Abspaltung gelten darf ⁶³ und kommt zu dem Ergebnis, dass der Kalender der Rollen vom Toten Meer mehr ein abstrakt-idea-

 Zur Entwicklung der Religion von Hiskia bis ins . Jahrhundert v.u.Z. Baltrusch, Juden (wie Anm. ),  – .  Stern, Calendars (wie Anm. ), .  Zur Bedeutung des Qumran-Kalenders Véronique Gillet-Didier, „Calendrier lunaire, calendriere solaire, et gardes sacerdotales recherches sur Q“, in: Revue de Qumran  (),  – ; Uwe Glessmer, „Calendars in the Qumran Scrolls“, in: Peter W. Flint / James C. VanderKam (Hgg.), The Dead Scrolls after Fifty Years. A Comprehensive Assessment, Bd. , Leiden ,  – ; zu den astronomischen Elementen in den Kalenderaufzeichnungen von Qumran Jonathan Ben-Dov, Head of All Years. Astronomy and Calendars at Qumran in their Ancient Context, Leiden .  Stern, Calendars (wie Anm. ),  Anm. .  Goodman, Rome and Jerusalem (wie Anm. ), .  Stern, Calendars (wie Anm. ), . Die Forschungsdebatte um die Qumran-Sekte als aktive Abspaltungsbewegung, deren Kalender folgerichtig einem anderen Raster folgt, ebd.,  – .

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listisches Instrumentarium zur Zeiterfassung als einen realen Kalender umschreibt.⁶⁴ Festzuhalten bleibt, dass in den Kalendern unterschiedliche Grade von Adaption durch die Einstreuung von Daten erreicht wurden, dann auch der solare bzw. lunare Kalender nebeneinander benutzt wurden. Die jüdischen Gemeinden in Griechenland, Makedonien und Mösien rechneten mit dem Mondkalender, in Kleinasien, Syrien, Ägypten und Libyen dagegen wurde der julianische Kalender benutzt. Die Alexandriner Juden spielen noch einmal eine Sonderrolle, sie arbeiteten mit einem anderen Kalender.⁶⁵ Insgesamt weist die Benutzung des Lunarkalenders in der Diaspora eine etwas stärker ausgeprägte Identität auf, die indes nicht die Bezeichnung „subversiv“ verdienen würde. Allgemeiner verbindlich war der Mondkalender im Kernland Palästina dadurch, dass er nicht nur für Festtermine, sondern auch für Gerichts- und Versammlungstermine galt.⁶⁶ Im Zuge der Konzilien von Serdica und Catania sind christliche und römische Daten und Berechnungen mit aufgenommen worden, was dem jüdischen Kalender und der jüdischen Kultur einen festen Platz in der christlich-römischen Gesellschaft gab und die Eigenständigkeit der jüdischen Gemeinschaft sogar noch bestätigte.⁶⁷ Das Ergebnis wird in einem lebendigen Beziehungsgeflecht sichtbar: religiöse Aktivität wird häufig nicht in kalendarischer Form gespeichert, sondern durch sie konstituiert.⁶⁸ Von Isolation oder Konkurrenz kann hier nur wieder innerhalb von Gruppierungen bzw. Parteiungen gesprochen werden. Hier lassen sich allerdings sehr wohl Machtansprüche aus der Aufsicht über den Kalender ableiten, wie am Beispiel der Rabbinen abzulesen ist, deren Autorität in der Regulierung des Kalenders kaum überschätzt werden kann.⁶⁹ Wichtige weitere Faktoren für ihre Legitimierung waren der Bezug auf das Erbe des Alten Testaments und die Tradition der Väter als Offenbarung göttlichen Willens, die sich auch in der Aufsicht über

 Stern, Calendars (wie Anm. ),  – .  Philo, Quastiones in Exodum , . Er erläutert die Tag- und Nachtgleiche (Her.  – ). Er zeigt in seiner Person die Sonderrolle der Stadt Alexandria, vgl. dazu Maren Niehoff, Philo on Jewish Identity and Culture, Tübingen . Zum alexandrinischen Kalender vgl. Chris Bennett, Alexandria and the Moon. An Investigation into the Lunar Calendar of Ptolemaic Egypt, Leuven .  Stern, Calendars (wie Anm. ), .  Stern, Calendars (wie Anm. ), .  Stern, Calendars (wie Anm. ), . Zum jüdischen Kalender Arthur Spier, The Comprehensive Hebrew Calendar. Its Structure, History and One Hundred Years of Corresponding Dates, New York .  Martin Goodman, State and Society in Roman Galilee A.D.  – , . Aufl. London ,  Anm.  (mit Lit.).

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den Kalender manifestiert.⁷⁰ Sie wird bei Martin Goodman unter den „controversiae elements of Temple cult“, angegeben, die in ihren unterschiedlichen Ergebnissen Streit evozierten und die wichtige Frage nach der Autorität aufwarfen.⁷¹ Die Bestimmung des Neumondes war ein zentrales Element in der Kontrolle des Kalenders und wurde durch die Rabbinen übernommen.⁷² Er kann nicht von Menschen verändert werden. Dies wirft ein helles Licht auf die Relevanz der Verkündung des Neumondes: es wird deutlich, dass es sich in Konfliktsituationen stets um einen Streit um die wahrheitsgemäße Erkenntnis einer göttlichen Festsetzung und damit die Übereinstimmung mit dem Willen Gottes handelte, nicht um eine Deutung, die einen Interpretationsspielraum zuließ.⁷³ Das macht die Verkündung des Neumondes zum Werkzeug der zuständigen Rabbinen in der Anerkennung von Autorität. Die Rabbinen nutzten dies durchaus zur Demonstration von Macht und Eigenständigkeit,vor allem im Wettstreit untereinander, so dass sehr wohl aktiv die Chance gesehen wurde, Termine im Kalender, hier vor allem den eben benannten Start des neuen Monats, als kompetitives Element zu handhaben. Auf die Gefahren, die mit einer fehlerhaften Lesung des göttlichen Willens verbunden waren, weist Goodman hin.⁷⁴ Ein sehr prominentes Beispiel findet sich in Rabban Gamaliel, der in zentraler Funktion den Kalender kontrollierte, eine Tätigkeit, in der die Autorität eines nasi aufscheint.⁷⁵ Es ist kaum ein religiöses Oberhaupt mit stärkerem Einfluss bekannt, das auch mit der römischen Verwaltung gut vernetzt war. Die Bedeutung des Kalenders wird durch die Überlieferung eines scharfen Konflikts zwischen Rabban Gamaliel und Rabbi Joshua ben Hananiah noch einmal unterstrichen.⁷⁶ Unter die Kontrolle fielen auch die im Kalender verzeichneten jüdischen Rituale, die zu bestimmten Zeiten er-

 Jacob Neusner, „The Formation of Rabbinic Judaism: Yavneh (Jamnia) from A.D.  – “, in: ANRW II ., ,  – , hier .  Martin Goodman, Judaism in the Roman World, Leiden , .  Goodman, Roman Galilee (wie Anm. ),  differenziert in der Bedeutung der Anzeige vor und nach der Zerstörung des Tempels.  Goodman, Judaism (wie Anm. ), .  Goodman, Judaism (wie Anm. ), : the rules about taking evidence from witnesses of the appearance of the new moon, an essential element in the fixing of the calendar, were changed, „since the minim acted perversly“ so that they should not receive evidence except from such as are known.  Goodman, Roman Galilee (wie Anm. ),  f.  Goodman, Judaism (wie Anm. ), : Rabbis could be horrible to each other (as in disputes over the calendar, in which opposition might be publicly crushed by, for instance R. Joshua ben Hananiah made to appear before Rabban Gamliel carrying his stuff and purse on what he (Joshua) believed to be the Day of Antonement. Anhänger der Qumran-Sekte vom Toten Meer verfochten, dass der Hohepriester, der am Tag des Antonement Nahrung zu sich nimmt und trinkt, nicht mehr akzeptabel sei. Goodman, Rome and Jerusalem (wie Anm. ), .

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folgten. Diese Termine wurden durch die Rabbinen bestätigt und konnten entsprechend zu ihrem festgelegten Zeitpunkt durchgeführt werden. Ohne ihre Umsetzung wäre das Volk der Judäer dauerhaft schuldig geblieben, was die Relevanz der Bestätigung unterstreicht.⁷⁷ In den rabbinischen Texten wurde der Kalender insgesamt stark diskutiert, so auch das exakte Datum des Pentecost, um das Sadduzäer auf der einen und Pharisäer sowie Rabbinen auf der anderen Seite rangen.⁷⁸ Später wurde diese Möglichkeit eines innerjüdischen Aushandlungsprozesses eingeschränkt, indem fixe Strukturen eingeführt wurden, wobei das einst so bedeutsame empirische Anzeigen des Neumonds zum Start des neuen Monats in den Hintergrund trat.⁷⁹ Der rabbinische Kalender vom 3. Jahrhundert u.Z. z. B. war wesentlich schematischer aufgebaut und folgte einem strengeren Raster, was wohl darauf zurückgeführt werden kann, dass die rabbinische Kommunikation zwischen Palästina und Babylonien erschwert war.⁸⁰ Er fügt sich in eine Entwicklung, der zu Folge eine ganze Reihe von Kalendern auf allgemeine Gültigkeit konzipiert war.⁸¹ Insgesamt lässt sich mit Sacha Stern konstatieren, dass bei aller Diversität die Intention einer aktiven kompetitiven Haltung in der Kalendergestaltung innerjüdischer Gruppierungen bis zum Auftauchen des „wahren Judentums“ in der Gestalt der Christen⁸² kaum greifbar wird, da der Anspruch auf einen absolut gültigen

 Goodman, Roman Galilee (wie Anm. ), .  Goodmen, Rome and Jerusalem (wie Anm. ), .  Stern, Calendars (wie Anm. ), .  Stern, Calendars (wie Anm. ), .  Stern, Calendars (wie Anm. ),  – , zu den Kalendern Kap.  und  dort.  Das . Jahrhundert sah noch einige Konflikte zwischen Juden und Christen, die sich an Hand kalendarischer Aufzeichnungen manifestieren lassen. Gerade in der Spätantike taugten kalendarische Terminierungen als Mittel religiöse Gruppen voneinander zu scheiden, die jedoch eher auf christliche Initiative zurückgehen. Christlichte Zirkel benutzten Datierungen nun als Distinktionsmerkmal von den Juden. Die Einführung des Sonntags als gesetzlicher Feiertag und die Osterfestberechnung trennten jüdische und christliche Gruppierungen voneinander. Hier betont Jörg Rüpke zu Recht, dass die neue Bedeutung des Sonntags als christlicher Feiertag erst durch seine neue Rolle in der konstantinischen Gesetzgebung im Jahr  einsetzte. Davor wurde er von den Christen als Auferstehungstag neben dem regulären Sabbat gefeiert. Rüpke, Kalender (wie Anm. ),  – . Die Quartodezimaner feierten Ostern und das Passamahl am . Nisan noch zusammen, bis sich Victor von Rom die stadtrömischen Quartodezimaner direkt unterstellte und ihren Einfluss schwächte. Gerade die Judenchristen aber feierten bis weit in das . Jahrhundert Passa und Ostern einträchtig zusammen, obwohl in Folge des Konzils von Nicäa in der Osterfestberechnung die Feier des Passamahls nicht mehr mit Ostern zusammenfiel und die Quartodezimaner gänzlich unterlagen. Zu den christlich-jüdischen Kalendern vor Nicäa vgl. August

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Kalender nicht formuliert wird.⁸³ Erst mit der Etablierung des Christentums wird eine Vereinheitlichung des jüdischen Kalenders nach lunarem Prinzip angestrebt und seine Anwendung beobachtet. Umso bemerkenswerter erscheint es, dass sich die Konkurrenz ausschließlich innerhalb der Gruppe konzentrierte und man nach außen gegenüber den Römern keine Absichten einer identitätsstabilisierenden Abgrenzung verfolgte.

Fazit Der Kalender taugt als ein ideales Mittel auf nicht aggressive Weise Autonomie und Selbstbestimmtheit zu zeigen, indem er trotz eintretender Änderungen in der politischen Großwetterlage, die auch Einfluss auf einzelne Gebiete nehmen konnte, meist seine regionale Gültigkeit behielt, möglicherweise neben einem offiziellen Kalender von behördlicher, d. h. römischer Seite. Auch die römische Seite hatte kein Interesse, Machtansprüche auf diese Weise zu formulieren oder Suprematie einzufordern. So sehr Kalender der inneren Strukturierung und Hierarchisierung der Binnenverhältnisse dienten, so wenig war man daran interessiert, über einen sinnvollen Kommunikationsrahmen hinaus – der durch wirtschaftliche Gesichtspunkte und einige Einstreuungen zur kultischen Verehrung des Kaisers determiniert wurde – einen vereinheitlichten Kalender zu installieren. Es liegt nahe, dass man sich nach einem übergeordneten Kalender richtete, der die kultischen und verwaltungstechnischen Daten zum Steuereinzug und zum Handel koordinierte sowie Kaiserfeste anordnete, dass es jedoch dagegen keinen integrativen Kalender gab, der die jüdische und die römische Ordnung zu harmonisieren und synchronisieren versuchte, anders als dies z. B. später im christlich-römischen Umfeld z. B. beim Philokalos-Kalender zu beobachten ist. Das Potential eines Widerstandsinstrumentariums war auf beiden Seiten verfügbar, es wird aber nicht genutzt, weder von der römischen Zentrale noch von den Juden insgesamt gegenüber den Römern. Es sei hier nur auf die Datierungen auf jüdischen Grabsteinen in Rom hingewiesen. Jörg Rüpke hebt zu Recht hervor, dass sich die Grabsteine,⁸⁴ die durch die Grabanlage ein besonderes Areal ethnischer

Strobel, Ursprung und Geschichte des frühchristlichen Osterkalenders, Münster . Dazu kritisch Rüpke, Kalender (wie Anm. ),  Anm. .  Stern, Calendars (wie Anm. ), .  Corpus Inscriptionum Judaicarum ; ; ; ; ; . Das Gros der Inschriften ist unzweifelhaft nach der Ordnung des iulianischen Kalenders datiert, umso aussagekräftiger erscheinen die einzelnen Beispiele, die sich nicht in das Raster fügen. Sacha Stern hat die wenigen lunar orientierten Inschriften gesammelt, von denen zwei vielleicht aus dem jüdischen Kontext

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Zugehörigkeit evozierten, in dem sie auch räumlich von der Öffentlichkeit getrennt waren, als Identifikationsmerkmale angeboten hätten.⁸⁵ Eine Datierung nach jüdischem Standard ist indes unterblieben, nicht einmal hier legte man demnach Wert auf die Abgrenzung durch eigene Datierungsformen, wie es auch im Kalender praktiziert wurde. Dies ist insofern besonders bemerkenswert als der Kalender im Judentum eine zentrale Stelle als Offenbarung göttlichen Willens einnahm und damit Abgrenzungspotential geboten hätte. Die Möglichkeit zur Demonstration von Autorität auf dem Weg der Aufsicht über den Kalender wird wenig überraschend in einzelnen jüdischen Gruppierungen und von den Priestern wahrgenommen. Dieses Resultat spiegelt den Umgang der Römer mit den Juden insgesamt und bildet einen weiteren Indikator gegen ein „judenfeindlich aufgeladenes“ Verhältnis zwischen einem Reich und einem Volk.

stammen, eine aus Rom vom . April  mit dem Vermerk luna . Ernst Diehl, Inscriptiones Latinae Christianae Veteres (ILCV), Berlin  – , Nr. ; Ioannis Baptista de Rossi, Inscriptiones Christianae Urbis Romae (ICUR), Rom , Nr. . Die andere stammt aus Catania vom Oktober  mit dem Vermerk luna octaba. Corpus Inscriptionum Judaicarum , ; AE , Nr. . Die Diskussion um die jüdische Herkunft der stadtrömischen Inschrift ist bezeichnend, denn sie wurde hauptsächlich auf Grund der lunaren Formel von Ernst Diehl dem jüdischen Bereich zugewiesen, was Stern zu Recht bezweifelt. Stern, Calendars (wie Anm. ),  mit Anm. . Er stellte dagegen fest, dass die Datierung nach lunarem Muster kein Distinktionsmerkmal zwischen jüdischen und christlichen Datierungsformen darstellte. Die vollständige Liste bei Stern, Calendars (wie Anm. ),  f.  Rüpke, Kalender (wie Anm. ),  f

The Myth of Cicero’s Anti-Judaism* Miriam Ben Zeev (Beer Sheva) The notion of Cicero’s anti-Judaism (or anti-Semitism) appears already in the works written by Heinrich Graetz, by Joseph Antoine Hild and by Théodore Reinach in the second half of the nineteenth century. Reinach ascribes it either to circumstances or to the influence of his teachers, Posidonius and Apollonios Molon.¹ The circumstances are well known. Cicero’s account of the Jews – the first to appear in Latin literature – appears in a speech delivered in 59 BCE during the trial against Lucius Valerius Flaccus, ex-governor of Asia, who had been accused of extortion and corruption by the inhabitants of the province. Greeks, Romans and Jews were the witnesses,² Laelius the prosecutor, Cicero and Hortensius the pleaders.³ The accusations revolved around financial appropriations. The Jews accused Flaccus of having confiscated their sacred monies, to be identified with the half shekel tax paid by Judean and diaspora Jews for the Jerusalem Temple. Cicero claims that Flaccus had the right to do so since he had previously issued an edict that prohibited the exportation of gold from the province of Asia.⁴ He may be correct. Flaccus’ ban against the exportation of gold was probably legally binding, since it implemented the same policy followed at Rome one year

* Research was made possible by the Ben Gurion University of the Negev. 1 Heinrich Graetz, History of the Jews, vol. 2, transl. of the 1891 ed. by Bella Löwy, Philadelphia 5717 – 1956, 66 – 70 (first edition, 1853); Joseph Antoine Hild, “Les Juifs à Rome devant l’opinion et dans la littérature”, in: REJ 8 (1884), 20; Théodore Reinach, Textes d’auteurs grecs et romains relatifs au Judaïsme, Paris 1895, 241. The same notion, albeit in more moderate terms, appears also in the work of Abraham Berliner, Geschichte der Juden in Rom: von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart, I, Frankfurt 1893, 11 – 2.  On legal aspects of extortion de repetundis trials at Rome, see Mary Isobel Henderson, “The Process ‘De Repetundis’”, in: Journal of Roman Studies  (),  –  and Adrian Nicholas Sherwin-White, “The Extortion Procedure Again,” in: Journal of Roman Studies  (),  – .  The jury was composed of twenty-five senators, twenty-five equites Romani, and twenty-five tribuni aerarii. See Michael C. Alexander, Trials in the Late Roman Republic,  BC to  BC, Toronto et al. , trial no.  on pp.  –  and note  on p. . On Laelius, see Catherine E. W. Steel, Cicero, Rhetoric, and Empire, Oxford ,  – .  See A. J. Marshall, “Flaccus and the Jews of Asia (Cicero ‘Pro Flacco’ . – )”, in: Phoenix  (), , and Miriam Pucci Ben Zeev, “Roman Law and the Jews,  –  BCE”, in: Athenaeum ,  (),  – . DOI 10.1515/9783110410051-005

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earlier⁵ and, moreover, it may have addressed the difficult financial situation of the province.⁶ As for the confiscations which followed, however, they were legal only if the Jews failed to comply with Flaccus’ ban and tried to send their monies out of the province, as some scholars maintain.⁷ Cicero, however, does not state that this was the case, in spite of the fact that this would have certainly suited the interest of his client. In fact, the issue of the legality of Flaccus’ procedure is not addressed at all, and this may have been no accident. Cicero may have had good reasons for leaving blurred the sequence of events, and it is possible that Flaccus proceeded to confiscate the Jewish monies without waiting for any move from the Jews’ part. Moreover, the confiscated sums mentioned by Cicero are conspicuous. At Apamea, for example, “a little less than a hundred pounds of gold was openly seized and weighed,”⁸ which would imply a huge Jewish population if it was the Jewish tax for only one year. Reinach has already pointed out that this high sum refers either to moneys collected for the Jerusalem Temple in several years, or to additional funds,⁹ so that it is possible that Flaccus proceeded to confiscate the entire treasury of the community,¹⁰ which would have certainly been a questionable measure. Cicero justifies Flaccus’ conduct by the fact that the money was entered into the Roman public treasuries, and accuses the Jews of having launched their accusations against Flaccus out of hatred.¹¹ As for the difficulty possibly or actually raised by the opposition, namely, that Flaccus’ behaviour had been very different from that of Pompey, who did not touch the monies of the Temple when he conquered Jerusalem one year earlier, Cicero points out that Pompey’s policy did not stem from respect from the Jews but rather from his fear of gossip at Rome.¹² The guilty one, he argues, is really not the accused one, Flaccus, but rather the prosecutor, Laelius, who “stir-

 “The senate often earlier and also in my consulship most urgently forbade the export of gold” (Cic. Flacc. ).  Pucci Ben Zeev, “Roman Law” (as note ),  n. .  See for example Marshall, “Flaccus” (as note ),  and Paul R. Trebilco, Jewish Communities in Asia Minor, Cambridge , . Against this possibility, see Hans Johanan Lewy, “Cicero on the Jews in his Speech for the Defense of Flaccus” (Hebrew), in: Zion ,  (/), .  Cic. Flacc. .  Reinach, Textes (as note ), .  See Max Radin, The Jews among the Greeks and Romans, Philadelphia ,  – ; Giorgio Maselli, Cicerone, In difesa di Lucio Flacco (Pro Flacco), Venezia , ; Pucci Ben Zeev, “Roman Law” (as note ), .  See Appendix, no. .  See Appendix, no.  and Jacques-Emmanuel Bernard, “Philosophie politique et antijudaïsme chez Cicéron”, in: Scripta Classica Israelica  (), .

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red up” the Jews present at the trial against the Roman state.¹³ Asian Jews, the witnesses, are not mentioned, which may be taken to mean that Cicero knew nothing about them. Perhaps they did not come themselves to Rome but only sent written claims.¹⁴ Being aware of the bond between Jews living in different geographical places,¹⁵ Cicero shifts the focus and launches accusations against all the Jews. Those of Rome he presents as an “excited crowd” involved in Roman political life, thereby implying that they are to be considered a dangerous element for the Roman Republic.¹⁶ Peter Schäfer aptly points out that here the “crowd of the Jews” and “all the best men” are presented by Cicero as opposed one another, where by the “best men” Cicero means his own political group, the “Optimates,” the conservative senatorial group which stood for the retention of the traditional prerogatives of the aristocracy, as opposed to the “Populares,” the lowest strata, to which the Jews of Rome presumably belonged.¹⁷ Cicero, therefore, insinuates that what is primarily at stake here is a political conflict: a claim to which the jury was especially sensitive.¹⁸ As has been shown elsewhere, this insinuation has nothing to rely upon.¹⁹ Even if at Rome the Jews may have belonged to the lower social strata – a claim also found in later sources²⁰ – the claim of their involvement in Roman internal political struggles is not grounded in source material. As Erich Gruen observes, the notion, widely embraced by scholars, that Jews were egged on and

 See Appendix, no. .  Lintott observes that it is unlikely that Laelius had brought to Rome many witnesses (Andrew Lintott, Cicero as Evidence. A Historian’s Companion, Oxford , ).  This is the first time that awareness appears in Latin literature of the bond between Jews living in different geographical places. See Marina Pucci, “Cosa pensavano i romani degli ebrei?”, in: Athenaeum  (), ; John M.G. Barclay, Jews in the Mediterranean Diaspora from Alexander to Trajan ( BCE –  CE), Edinburgh ,  and , on the links between Diaspora Jews. See also Erich S. Gruen, Diaspora. Jews amidst Greeks and Romans, Cambridge/MA; London ,  – .  See Appendix, no. .  Miriam Pucci Ben Zeev, “Were They Seditious? The Jews of Rome in the Sixties BCE”, in: Italia  –  (),  – .  Peter Schäfer, Judeophobia. Attitudes toward the Jews in the Ancient World, Cambridge/MA; London , . See also Bernard, “Philosophie politique” (as note ),  – . On what he calls “Cicero’s art of vituperation”, see Guy Achard, Pratique rhétorique et idéologie politique dans les discours ‘optimates’ de Cicéron, Leiden ,  – .  Leonard V. Rutgers, “Roman Policy toward the Jews: Expulsion from the City of Rome during the First Century CE”, in: Classical Antiquity  (), ; Barclay, Jews (as note ), ; and Pucci Ben Zeev, “Were They Seditious?” (as note ),  – .  R. Mac Mullen, “The Unromanized in Rome”, in: Shaye J. D. Cohen / Ernest S. Frerichs (eds.), Diasporas in Antiquity, Atlanta ,  –  n.  – ; Barclay, Jews (as note ),  – .

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mobilized by Roman politicians and that they formed a cadre for the populares is pure construct, nowhere buttressed by testimony.²¹ No wonder. Andrew Lintott points out that unfounded insinuations show up in Cicero’s forensic speeches so often that they may be considered “recurrent themes;” he often inserted a relatively brief and unadorned lie into a mass of other narrative or argument which may itself be a misrepresentation of the facts. Equally common was falsehood by implication through tendentious description.²² Then the focus shifts to the Jews of Judea, Here, Cicero is on firmer ground. Both the jury and the public were well aware that Pompey had recently conquered Judea. Only a couple of years earlier his magnificent triumph had been celebrated through the streets of Rome, with Jewish prisoners walking before Pompey’s chariot. Memories were still fresh. It was, therefore, a brilliant move on Cicero’s part to rely on the bond between the Jews living in different geographical places and present the Jews of Asia who had testified against Flaccus, those of Rome and those vanquished in Judea as if they were all enemies of the Roman state.²³ Cicero moves one step forward: since the Jews are both foreigners and enemies, it is possible to apply to them the antinomy between religio and superstitio common in the Roman thought, which finds ample expression in the literature of the time, and to define the Jewish religion is a “barbaric superstition”.²⁴ The question to address is what may hide behind these statements, namely, whether Cicero harboured anti-Jewish views. No consensus is found in scholarly works. At the beginning of last century, Jean Juster defines Cicero as “a wild antiSemite”,²⁵ while Max Radin states that the abuse to be found in his account of the Jews arises from the necessity of the case.²⁶ Similarly, in a seminal article published in the forties, Hans Lewy argues that no enmity is to be found in Cicero’s attitude to the Jews, only a political / rhetorical expedient to undermine the value of their testimony against his client.²⁷ The same conclusion is then reached by scholars such as Jules Isaac, Menahem Stern, Leonard Rutgers,

 Gruen, Diaspora (as note ), .  Lintott, Cicero (as note ),  – .  See Appendix, no. .  Cic. Flacc. . See Bernard, “Philosophie politique” (as note ),  – .  Jean Juster, Les Juifs dans l’empire romain: leur condition juridique, économique et sociale, Paris , vol. ,  n. .  Radin, The Jews (as note ), .  Lewy, “Cicero” (as note ),  – .

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John Barclay, Peter Schäfer and Erich Gruen.²⁸ This, however, is by no means the general opinion of recent scholarship. Cicero’s account of the Jews is still taken seriously as an example of anti-Judaism in the works by Léon Hermann,²⁹ by Joseph Daoust and by Jan Nicolas Sevenster, who argues that “having been taught by Posidonius of Apamea and Apollonius Molon, for Cicero such an attack on the Jews would not merely have been the rhetorical tricks of defense advocate. Cicero’s pronouncements cannot be set aside as merely the tricks of trade of a lawyer which have little validity as evidence of anti-Semitism in ancient days.”³⁰

The same conclusions are reached by Jacques-Emmanuel Bernard, who claims that Cicero puts in place the first milestones of theories concerning the Jews that are later found in the works of Seneca and Tacitus,³¹ by Sten Hidal,³² by Vittorio Dan Segre³³ and by Silvia Cappelletti.³⁴ A link is also suggested by scholars between Cicero’s anti-Jewish views and those of Apollonius, his teacher of rhetoric at Rhodes.³⁵ Zvi Yavetz, for example, observes that  Isaac calls Cicero’s account of the Jews “a piece of rhetoric by a great lawyer who knew and did his job” (Jules Isaac, Genèse de l’antisémitisme. Essai Historique, Paris ,  and ), and Stern points out that “little is left of Cicero’s supposed anti-Semitism”: Menahem Stern, Greek and Latin Authors on Jews and Judaism, vol. I, Jerusalem  (henceforth GLAJJ), . Rutgers, too, points out that Cicero’s statements are to be taken only as “rhetorical devices too stereotypical to be of much evidential value” (id., “Roman Policy” [as note ], ). According to Barclay, “to depict Cicero as a hardened anti-Semite on the basis of this passage would be to misunderstand its character. As a rhetorician of consummate skill, Cicero indulged in ethnic vituperation whenever it served his argumentative purposes” (id., Jews [as note ],  – ). Schäfer, too, points out that the account of Cicero is “a piece of forensic rhetoric which must be used with care as a guide to Cicero’s own views” (id., Judeophobia [as note ],  n. ). See also Gruen, Diaspora (as note ), .  Léon Herrmann, “Cicéron et les Juifs”, in: Atti del I Congresso Internazionale di studi Ciceroniani, Roma ,   Joseph Daoust, “Cicéron et les Juifs”, in: Bible et Terre Sainte  (), , speaks of Cicero’s “persistent anti-Semitism”; Jan Nicolas Sevenster, The Roots of Pagan Anti-Semitism in the Ancient World, Leiden ,  and  – .  Bernard, “Philosophie politique” (as note ),  – ,  – .  Sten Hidal, “The Jews as the Romans Saw Them,” in: Birger Olsson et al. (eds.), The Synagogue of Ancient Ostia and the Jews of Rome. Interdisciplinary Studies, Stockholm , .  Vittorio Dan Segre, “Giudeofobia e antisemitismo”, in: La Rassegna Mensile di Israel  (), .  Silvia Cappelletti, “‘Scis quanta sit manus, quanta concordia’ (Pro Fl. ): la comunità giudaica di Roma tra I sec. a.C. e I sec. d.C.”, in: Rivista Biblica  (), .  Sevenster, The Roots (as note ),  – . Momigliano points out that “Rome had been listening to some of the violent attacks against the Jews which are typified in the book Against the Jews by Apollonius Molon. Molon […] passed on to his pupil Cicero his sentiments and some

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“Cicero must have been influenced by some Jew-haters and Jew-baiters during his travels to Greece and Rhodes […] Apollonius Molon was one of many Jew-haters who must have conveyed his views about the Jews to would-be Roman political and military leaders. When Cicero uttered a sigh of relief that at last the Jewish nation had been conquered and enslaved, he spoke from the heart of his teacher Apollonius Molon, who believed that Moses was a charlatan and an imposter and that the Jews were the most witless of all barbarians – the only people who have contributed no useful invention to civilization. One may plausibly conjecture that Cicero was influenced by Apollonius Molon’s (and his likes’) attitude towards the Jews.”³⁶

The issue certainly deserves further attention. Did Cicero really hate the Jews? Or were the anti-Jewish views of later authors such as Seneca and Tacitus telescoped back in Cicero’s account? The only way to try an answer to these questions is to examine the account of the Jews in context. A survey of the relevant passages of the Pro Flacco (quoted below in the appendix) is therefore necessary in order to compare Cicero’s attitude towards the Jews with that displayed towards the other witnesses who had come to testify against Flaccus. The section devoted to the refutation of the testimony of the witnesses is the largest part of the speech, between the exordium (the introduction, par. 1– 5), and the peroratio (the emotional conclusion, par. 94– 106), both of which present Flaccus’ encomium, meant to win the sympathy of the jury. Flaccus was not only Cicero’s client but a close friend, his right hand a few years before, when, during Cicero’s own consulate in 63 BCE, he had made possible the arrest of the participants in the Catilinarian conspiracy.³⁷ The issue was still being debated at the time of the trial in 59,³⁸ and this well explains why the case is presented by Cicero as involving not only his client, but also the welfare and the future of the entire country.³⁹ The emphasis put by Cicero on Flaccus’ merits plainly implied the necessity of acquitting him, since in the past, too, people ac-

of his arguments” (Arnaldo Momigliano, Alien Wisdom. the Limits of Hellenizaton, London et al. ,  – ). See also John G. Gager, The Origins of Anti-Semitism. Attitudes towards Judaism in Pagan and Christian Antiquity, New York; Oxford , , and Bernard, “Philosophie politique” (as note ),  – .  Zvi Yavetz, “Latin Authors on Jews and Dacians”, in: Historia  (),  – .  See Appendix, no.  and Maselli, Cicerone (as note ), .  Steel, Cicero (as note ), .  See Appendix, no. .

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cused of various offences had been absolved on account of their merits towards the republic.⁴⁰ The first witnesses addressed by Cicero are the Greek ones. Their accusations were serious. In addition to the charge of brutality (having had Athenagoras of Cyme flogged for exporting grain in a famine),⁴¹ Flaccus was accused of having enriched himself through administrative and judicial decisions and having demanded money for oarsmen from the cities in order to mobilize a fleet to combat piracy (which did not have success).⁴² Then specific complaints were brought forward by individual witnesses. Asclepiades of Acmonia claimed that he had given 206,000 drachmas to Flaccus, presumably as a bribe for a favorable decision;⁴³ an embassy from Temnos complained that they had been forced to give 17,000 drachmas openly to Flaccus and a far greater sum in secret towards the rebuilding of a temple,⁴⁴ and the representatives of Tralles complained that Flaccus had deprived them of the money that had been collected to celebrate a festival in honour of his father, the consul of 86.⁴⁵ Evading the issues of corruption and extortion,⁴⁶ Cicero focuses the attention of the jury on the persons of the witnesses, undermining the value of their accusations by insinuating that they relied not on the justice of their cause, but on coercion, political influence, wealth and bribery.⁴⁷ It was the rhetorical device of the improbatio testium: at defaming people in court, Cicero, as Zvi Yavetz aptly observes, was an unbeaten master.⁴⁸

 Cic. Flacc.  plainly stated that “our fathers by their decision delivered Marcus Aquillius, who had been convicted of many charges of avarice, proved by abundant evidence, because he had behaved gallantly in the Servile war.” See Steel, Cicero (as note ), , and Michael C. Alexander, The Case for the Prosecution in the Ciceronian Era, Ann Arbor , .  Cic. Flacc. .  Cic. Flacc.  – .  Cic. Flacc.  – .  Cic. Flacc.  – .  Cic. Flacc.  – .  Clarke points out that the rhetorical schooling of the day taught one the arguments by which to evade a legal issue: Martin Lowther Clarke, “Ciceronian Oratory”, in: Greece & Rome , /  (), .  On Cicero’s persuasive devices, see J. A. Tayo, “Cicero’s Ability to Sway his Jury”, in: Phrontisterion  (),  – .  Zvi Yavetz, “Existimatio, Fama, and the Ides of March”, in: Harvard Studies in Classical Philology  (),  – . On the improbatio testium in Latin literature, see Lewy, “Cicero on the Jews” (as note ),  – .

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In spite of his well-known admiration for Greek culture⁴⁹ – an admiration, though, that was not unconditional⁵⁰ – Cicero attacks their national character, drawing a clear distinction between the achievements of classical and contemporary Greece.⁵¹ An ulterior distinction is then drawn between “true Greeks” – those whose cities date back to antiquity, who dwell in Europe and who (not coincidentally) sent representatives to testify for the defense – and the Greeks of Asia, colonists, later immigrants, infected by eastern practices, who merit contempt.⁵² “Taking flight on the wings of ethnic abuse”, as Michael Alexander points out, Cicero emphasizes their national failings, arguing that they combine the worst characteristic of Greeks, levitas (fickleness), with the worst characteristic of barbarians, crudelitas (cruelty). For each of the four parts of Asia (Phrygia, Mysia, Caria and Lydia), Cicero cites a folk proverb or comic stereotype that shows the low regard in which they are held.⁵³ After having emphasized that Asian Greeks are “impudent, illiterate, worthless persons”,⁵⁴ he offers a list of their faults⁵⁵ and emphasizes that they are “unknown witnesses”,⁵⁶ “utterly insignificant”,⁵⁷ who lack basic qualities such as moderation and therefore have negative impacts on the political life of the Romans themselves.⁵⁸ Then

 The subject has been treated extensively by Mary Alexaidia Trouard, Cicero’s Attitude towards the Greeks, Chicago .  Cicero points out in Cic. de orat. , , “I always considered that a speaker would be more pleasing and acceptable to a nation like ours if he were to show, first, as little trace as possible of any artifice, and secondly, none whatever of things Greek. Whilst it would be subhuman (pecudis esse, non hominis) to ignore Greek letters, a man who wishes to retain any authority amongst his fellow citizens must study them in secret.” Guite observes that Cicero owed an enormous debt to Greek culture and yet he decried it at every opportunity. He was genuinely in love with Greek literature and yet he wished he could manage without it (Harold Guite, “Cicero’s Attitude to the Greeks”, in: Greece & Rome ,  (), . See also see pp.  –  on Cicero’s criticism of Greek culture).  See Appendix, no. .  Cic. Flacc. . See Erich S. Gruen, “Cicero and the Alien”, in: Donald Lateiner et al. (eds.), Roman Literature, Gender and Reception, New York; London , . On the stereotypes contrasting the bravery of the Greeks and the slavish weakness of the Asians, see Ann Vasaly, Representations. Images of the World in Ciceronian Oratory, Berkeley et al. ,  –  and note  on p. . On Cicero’s manipulation of ethnic identities, see Steel, Cicero (as note ),  – .  Cic. Flacc. . See Alexander, The Case (as note ), .  Appendix, no. .  Appendix, no. .  Appendix, no. .  Cic. Flacc. .  Appendix, no. .

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he adds that not only insignificance and inconstancy characterize these Greeks but also covetousness.⁵⁹ Moreover, they are liars who do not have any consideration for truth.⁶⁰ The obvious conclusion follows, that their testimony cannot be accepted as valid: not only because it was brought to the judges “after the legal time,”⁶¹ but because it is “redolent of lust, passion, party spirit, bribery, and perjury”,⁶² and consists in “false accounts” borne out of their “profligate habits and impudent licentiousness.”⁶³ Additional reasons are offered by Cicero, why the testimony of these Greeks cannot be accepted as evidence,⁶⁴ and then comes the apex of Cicero’s counter-accusations. Asian Greek witnesses cannot be believed since they have been bribed: they are too closely associated with the prosecutor to be considered witnesses at all;⁶⁵ they not only rise up from the prosecutor’s benches but stay at his home, where the prosecutor has taught them what to say:⁶⁶ “if they stumble in speech, they will have no place to return to. Can anyone be a witness whom the prosecutor questions without concern and who does not fear that he might respond to him something that he does not want?”⁶⁷

Additional accusations followed concerning Laelius’ dealings with the witnesses.⁶⁸ Alexander observes that the more conscientiously Laelius performed his duty as prosecutor, the more Cicero mocked him as a young man goaded by irrational passion to cause the ruin of a model Roman noble; the more carefully the prosecutors managed the case down to the last detail, the more Cicero implied that the need for such management showed that it was an inherently bad

 Appendix, no. .  Appendix, no. .  Appendix, no. .  Cic. Flacc. .  Cic. Flacc. . See also Appendix no. .  Appendix, no. .  Cic. Flacc. .  Cic. Flacc. . See Alexander, The Case (as note ), .  Cic. Flacc.  – . It was a common pattern adopted by Cicero in his speeches, along with the accusation of being biased moved to the witnesses. In the Pro Murena, Cicero observes that in the trial of Q. Pompeius, the accusers (two Caepiones and two Metelli) were of noble birth, but biased, and therefore rightly failed to convince the jurors of his guilt. A second example follows immediately: Cicero asserts that M. Aemilius Scaurus, the very embodiment of excellence, was suspected of personal animus as witness in the prosecution of C. Flavius Fimbria and C. Memmius, and his testimony was therefore discredited. See J. H. D’Arms, “Pro Murena  and Cicero’s Use of Historical Exempla”, in: Phoenix  (),  – .  Appendix, no. .

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case.⁶⁹ The accusations against Flaccus, Cicero argues, have actually been prompted by hatred of the Romans.⁷⁰ Proof is seen in the past complicity of the Greeks in the slaughter of Romans during the first Mithridatic War and in their resistance to the recapture of Asia by Flaccus’ father, the consul of 86 BCE.⁷¹ At this point, Cicero shifts the attention of the jurors to specific Asian witnesses, launching all kinds of personal accusations.⁷² Then Cicero addresses the Roman witnesses.⁷³ Here his strategy changes. Obviously he cannot denigrate their national character, so he resorts to wit and sarcasm. “Irony as a form of rhetorical expression,” Howard Canter points out, “is the use of language that conveys the direct opposite of what is literally said, with the further aim of indicating disapprobation, censure, contempt or scorn […] In Cicero’s orations irony occurs very frequently in nearly all its varieties, ranging in tone from biting sarcasm and bitter invective to irony that is light, playful, and appealing to sensitive spirits. From its extensive use in the orations one may say that for Cicero indulgence in irony became a confirmed, almost a necessary habit of thought and expression, an instrument of offense and defense that he could use masterfully, now to provoke mirth or ridicule at the expense of his antagonist, now to wound him deeply.”⁷⁴

This applies well to what Cicero has to say, for example, about a Roman citizen, Decianus, and about other Roman witnesses.⁷⁵ In fact, the accusations brought forward by Roman citizens against Flaccus were utterly serious: M. Luro had a serious case about Flaccus’ making a decree in a case in which he himself had an interest.⁷⁶ A further charge was supported by a letter from a certain Falcidius, who had bought the rights to collect the taxes of Tralles for 900,000 sesterces. The auction had happened under the previous

 Alexander, The Case (as note ), .  Appendix, no. .  Appendix, no. . See Vasaly, Representations (as note ),  –  and Alexander, The Case (as note ), .  See Appendix, no. .  Among them there were people from at least two important families, the gentes Sestullia and Aufida. See Maselli, Cicerone (as note ), . On the interests of the Romans in Asia at the time, see also Ernst Badian, Roman Imperialism in the Late Republic, Oxford ,  – .  Howard Vernon Canter, “Irony in the Orations of Cicero”, in: The American Journal of Philology  (),  –  and  –  for examples of irony in Cicero’s works. See also Clarke, “Ciceronian Oratory” (as note ),  – ; Auguste Haury, L’ironie et l’humour chez Cicéron, Leiden , and Anthony Corbeill, Controlling Laughter. Political Humor in the Late Republic, Princeton, N.J. .  See Appendix, no. .  Cic. Flacc.  – .

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praetor Servilius Globulus, but Flacidius claimed that he had paid Flaccus 50 talents, that is about 1,200,000 sesterces, in order to keep the contract.⁷⁷ From Cicero’s presentation itself it clearly appears that the prosecution had evidence of flagrant wrongdoings and questionable behaviour. Andrew Lintott observes: “The strictness of the law left it open to the defense to present the accused as someone who had not done anything really wrong, someone who was fundamentally a good man. This is Cicero’s approach, where he deals with behavior by Flaccus that was questionable, but not incontestably illegal. […] More serious charges […] are countered by denying validity to the testimony, either by impugning the credibility of the individual witnesses or by generic denunciation of Greek assemblies and Asiatic witnesses, where he employs a crude appeal to chauvinistic proverbs.”⁷⁸

The speech ends with the conquestio, the final appeal to the sympathies of the audience. After the pathetic encomium, the young son of the accused, who was present in court, joined in his father’s tears.⁷⁹ Trite as these appeals were, one imagines that with such an artist as Cicero conducting them they had their effect. In the Orator, 130, Cicero stresses that he was a past master in the field of pity: others would leave to him the last of a series of speeches, so that the judges would vote under the sway of his pathetic appeals.⁸⁰ It was in this concluding portion of the peroration, it appears, that Cicero’s art was most effective. As a lawyer who rarely conducted a prosecution, but appeared almost invariably for the defence, Harry Leon observes, he used every device in his power to arouse sympathy for his client. So successful was he in appealing to the emotions of a jury that when, as often happened, more than one lawyer spoke for the defence, Cicero was always selected to make the concluding speech. Here Cicero’s style is seen in its most brilliant form, with its rich, flowing periods, its musical cadences, its crashing climaxes, which held his hearers fascinated, and so overwhelmed them that the arguments of the other side were forgotten  Cic. Flacc.  – .  Lintott, Cicero (as note ),  – .  Cic. Flacc. .  Quintilian notes that the orators could produce tears by actions as well as by words: showing a bloody sword, bones taken from wounds, blood-stained clothes; unbinding wounds. On another occasion, as Cicero records, by holding up the young son of a Roman noble who was on trial, he filled the forum with weeping and lamentation. Once he even took up an infant child in his arms during a peroration. As he said, there was no method by which the feelings of the audience could be aroused or calmed that he had not tried. See Clarke, “Ciceronian Oratory” (as note ),  – , and Michael Winterbottom, “Perorations”, in: Jonathan Powell / Jeremy Paterson (eds.), Cicero the Advocate, Oxford ,  – .

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and their hearts were melted with compassion for the unhappy victim whom they alone could save. It should be noted here that a final appeal of this type was all the more effective with a Roman jury, which cast its ballots immediately upon the conclusion of the case with no opportunity for retiring and coldly deliberating together on the evidence.⁸¹ It clearly appears that the attitude displayed by Cicero towards the Jewish witnesses in this trial was not different from that concerning the other opposing witnesses. Nor was the Pro Flacco a single and exceptional case. The same line of defence had been followed by Cicero in his speech delivered in defence of Marcus Fonteius some years earlier. Fonteius, too, ex-governor of Transalpine Gaul, had been accused of mismanagement of the province.⁸² From the rhetorical point of view, Ann Vasaly points out, the Pro Flacco and the Pro Fonteio are excellent specimens of the topoi to be employed in the defence of a provincial governor – the very arguments concerning the supposed unreliability of provincial witnesses and the bravery of the accused in defending Roman interests.⁸³ As in the Pro Flacco, so in the Pro Fonteio, too, the trial is said to take place in a critical time of the Republic,⁸⁴ and the accusations against Fonteius were

 Harry J. Leon, “The Technique of Emotional Appeal in Cicero’s Judicial Speeches”, in: The Classical Weekly ,  (),  – .  See Guido Clemente, I Romani nella Gallia meridionale (II-I sec. a. C). Politica ed economia nell’età dell’imperialismo, Bologna ,  – .  Ann Vasaly, “Review of Cicerone, In difesa di Lucio Flacco (Pro Flacco), by Giorgio Maselli, Venice: Marsilio Editore, ”, in: International Journal of the Classical Tradition  (), . Fonteius’ services are stressed in defending the province and supporting the war in Spain (Cic. Font.  – ; ;  – ).  Cic. Flacc. ; Cic. Font. . These statements were grounded in reality. The years following Cicero’s consulship were among the most difficult in his life as he saw his achievements and even personal security more and more seriously threatened until finally he was driven into exile in  BCE. His actions as consul had made him a symbol of senatorial government; he had made enemies among ambitious leaders: Pompey, Crassus and Caesar, though they first solicited, unsuccessfully, his support for their private pact called the first triumvirate, were soon ready to sacrifice him to the insistence of Clodius. It is not surprising that Cicero’s speeches in this period take on the quality of defence of himself, whatever the nominal subject. See George Kennedy, The Art of Rhetoric in the Roman World,  B.C. – A.D. , Princeton, N. J. , ; Erich S. Gruen, The Last Generation of the Roman Republic, Berkeley ,  – , and Vasaly, “Review of Cicerone” (as note ), . On the political background of the trial against Flaccus, see also Maselli, Cicerone (as note ),  – , and Cappelletti, “Scis quanta” (as note ),  – . Both the Pro Murena and the Pro Flacco seem to have been defences of a client whom Cicero knew to be guilty. Why did he take such cases? In the case of Flaccus, Cicero’s praetor, this could be justified as self-defence and the defence of a friend. Anyway, the presentation of a trial as taking place in a crucial time seems to have been a recurrent theme in Cicero’s speeches. See the examples discussed by Leon, “The Technique” (as note ), .

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serious. As governor of Transalpine Gaul, he had allowed the Gauls to become deeply indebted to moneylenders, had been corrupt in letting contracts for road-building, and had imposed extortionate taxes on the import of Italian wine into Gaul.⁸⁵ As in the Pro Flacco, here, too, Cicero claims that the allegations cannot be accepted, since they come from untrustworthy Gaulish witnesses,⁸⁶ many of whom had suffered at Fonteius’ hands for their previous disloyalty to Rome.⁸⁷ Gaulish witnesses are accused of being “savage and barbarians,”⁸⁸ and therefore cannot be taken seriously, the more so since they do not know the meaning of giving evidence.⁸⁹ The Gaulish cult, too, like the Jewish superstitio in the Pro Flacco, is presented by Cicero as barbarian.⁹⁰ Expanding on the Gaulish religion, Cicero goes as far as to claim that it is so different from that of the other peoples that it is as if the Gauls “wage war with the immortal gods themselves.”⁹¹

 Cic. Font. ;  – ;  – . On these charges, see Alexander, The Case (as note ),  – .  Cic. Font. ; ;  – .  Cic. Font. ; . There had been a major revolt in its western part (Aquitania) in  BCE and later Gaul had been an important supply base for the armies in Spain fighting Sertorius.  Most people – among them Trojans, Etruscans, Carthaginians, Persians, Parthians, Syrians, Jews, Arabs, Egyptians, Africans, Spanish, Illyrians, Thracians, Germans, Cilicians – are called by Cicero “barbarians.” Barbarity is for Cicero the primitive state of humankind, characterized by disorder, confusion, rudeness of customs and ignorance. It is the realm of instincts, violence, and chaos. The barbarian, who lacks the qualities necessary for human balance and social order, is called by Cicero ferus, immanis, rudis, agrestis, inhumanus, stultus, vanus, crudelis. The term barbarian itself designates the “other”, refused and rejected, and indicates belonging to a humankind that is inferior and not evolved. See Yves Albert Dauge, Le barbare. Recherches sur la conception romaine de la barbarie et de la civilization, Bruxelles ,  – . See also the works cited by Zvi Yavetz, “Judeophobia in Classical Antiquity”, in: JJS  (),  n. , and Sandra Citroni Marchetti, “Lo spazio straniato. Percorsi psicologici e percezione del tribunale nelle orazioni di Cicerone ‘Pro Fonteio’, ‘Pro Q. Roscio comoedo’, ‘Pro Cluentio’”, in: Materiali e discussioni per l’analisi dei testi classici  (),  – .  See Appendix, no. , and Alexander, The Case (as note ), .  See Appendix, no. . On the Gauls’ human sacrifices, see the works of Hubert and De Vries quoted by Clemente, I Romani (as note ), .  See Appendix, no. . On the question whether the Roman opposition to the religion of the Gauls was political or cultural, see Hugh Last, “Rome and the Druids: A Note”, in: The Journal of Roman Studies  (),  – . Citroni observes that in many of Cicero’s works, the religio, as bond, obligation, order and orderliness, and continuous and scrupulous supervision of one’s behavior, was identified as the basis of the superiority of Rome over the other nations: Citroni Marchetti, “Lo spazio straniato” (as note ), . On the religion of the Gauls, see the works of Moreau, De Vries, and Birkhan quoted by Clemente, I Romani (as note ), .

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In the same way in which the Jews are said to be unreliable since they had fought against Pompey,⁹² Gaulish witnesses, too, are said to be unreliable since, having been subdued by Rome, they harbour negative feeling towards the Roman people: grievance over their previous humiliation in defeat and their losses, loss of liberty, loss of land, and loss of centres of civilization. Being as they are hostile to the Roman people, Cicero continues, they are to be considered as enemies of the Republic. In a sudden – but non rare in his speeches – transition from the political to the moral level, Cicero concludes that, since they are strangers, foreigners⁹³ and adversaries, they are also unjust, covetous and impious,⁹⁴ angry and covetous: “the noblest of the Gauls does not rise to the level of the meanest Roman.” It follows that their testimony cannot be trusted,⁹⁵ the more so since in the past they even dared attack Rome: “By these same nations, so pious, so scrupulous in giving their evidence, was the Capitol besieged, and that Jupiter, under the obligations of whose name our ancestors decided that the good faith of all witnesses should be pledged.”⁹⁶

Erich Gruen observes that here Cicero “makes the most of ancient history, reminding the jurors of wars fought by the ferocious Gauls in the past. He reaches all the way back to the Gallic assault on Delphi and the oracle of Pythian Apollo two centuries earlier, an episode that did not involve the Romans at all. And, of course, he recalls the terrifying Celtic attack on the Capitol itself and the temple of Jupiter Capitolinus, fixed in Roman tradition or legend, of more than three centuries before.”⁹⁷

It is from those times, Cicero claims, that the Gauls hate the Romans and harbour a rebellious spirit.⁹⁸ Here, as Michel Rambaud points out, Cicero equates the Gauls of the Transalpine province, who were widely assimilated and eager for peaceful cohabitation, with all the Gauls who, especially in past times, may

 Cic. Flacc. .  On Roman generalized and usually latent prejudice against foreigners see Steel, Cicero (as note ), .  See Appendix, no. . On these passages, see Clemente, I Romani (as note ),  – .  See Appendix, no. .  Cic. Font. . See Clemente, I Romani (as note ),  – . Lintott observes that this almost legendary event seems to have been a standard source of prejudice (id., Cicero [as note ], ).  Gruen, “Cicero and the Alien” (as note ), .  See Appendix, no. .

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have actually been enemies of Rome.⁹⁹ The issue is emphasized to such a point that Cicero claims that these Gaulish people are still dangerous at present and constitute a real threat to the Roman people and to the Roman senate.¹⁰⁰ Not only is their testimony not to be taken as evidence, Cicero argues, but it has rather to be seen as perjury.¹⁰¹ Then personal attacks follow, directed against the persons of the witnesses, and first of all against the chief of the Allobroges, who is presented as a potential leader of a forthcoming revolt.¹⁰² If Fonteius is condemned, Cicero argues, the Gauls will ascribe it not to the honesty of their evidence but rather to Roman fear of the threat they pose. In this case, Cicero goes on, the Romans will need to raise their former commanders from the dead in order to suppress the Gauls. And here Cicero returns to the issue raised at the very beginning of the speech, namely, the contrast to be found between the hostile and ferocious Gauls and the virtuous Fonteius.¹⁰³ It is this contrast itself which was meant to gain forgiveness. As noted above, in past times courts had often forgiven offences against the law by people in virtue of the fact that they had previously defended the res publica. ¹⁰⁴ Cicero himself, it appears, found no problem in defending a guilty person “provided he is not infamously depraved and wicked. For people expect it; custom allows it, common humanity accepts it. It is the duty of a judge in a trial to seek out the truth, but of a patron sometimes to defend the appearances of probability, even if it is less than the absolute truth.”¹⁰⁵

Both Cicero and Quintilian assert that the greatest achievement of the orator came in those cases where the evidence was strongly against the client and where victory was obtained by artistic means beyond logical presentations of

 Michel Rambaud, “Le Pro Fonteio et l’assimilation des Gaulois de la Transalpine”, in: Mélanges de litterature et d’epigraphie latines, d’histoire ancienne et d’archeologie: hommage a la mémoire de Pierre Wuilleumier, Paris ,  – .  See Appendix, no. .  See Appendix, no. .  See Appendix, no. .  See Appendix, no. .  See above, note , and Lintott, Cicero (as note ), .  Roman rhetorical theories (on which see Kennedy, The Art [as note ],  – ) explicitly state that truth is irrelevant to the advocate, so that Cicero could freely say in the Cic. off. ,  that the advocate’s business was to present arguments that “look like the truth” even if they were not true. See W. Leonard Grant, “Cicero on the Moral Character of the Orator”, in: The Classical Journal  (), .

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the evidence.¹⁰⁶ No wonder therefore that falsehood by implication through tendentious description was considered a licit expedient.¹⁰⁷ The same strategy vis-à-vis foreign witnesses found in the Pro Flacco and Pro Fonteio is implemented by Cicero some years later during the extortion trial against Marcus Aemilius Scaurus, propraetor in Sardinia, defended by Cicero in 54 BCE. Relying on the Sardinians’ testimony, the prosecution argued various acts of violence and sexual transgression, which rendered Scaurus’ extortionate activity more heinous. Here, too, as in the Pro Flacco and in the Pro Fonteio, Cicero does not address the charges but rather claims that the witnesses are not worthy of being believed. As Michael Alexander observes, Cicero restricts himself to the kind of arguments recommended by Quintilian to dispose of non-Roman witnesses: attack the credibility of them as a group. Cicero makes three points: one, being consistent and unanimous, the testimony of the Sardinians is a conspiracy against Scaurus;¹⁰⁸ two, the case is based on what one person has said and that person is motivated by financial gain; three, the Sardinians are untrustworthy in view of their Punic and African ancestry and because in past times many of them had been transported to Sardinia as a punishment for their crimes.¹⁰⁹ Moreover, the Sardinian witnesses are presented “as a tribe whose worthlessness is such that the only distinction they recognize between freedom and slavery is that the former gives them unlimited freedom to lie.”¹¹⁰

Greeks witnesses from Alexandria do not get any better treatment. In his speech in defence of C. Rabirius Postumus, who had been accused of having received monies extorted from the local inhabitants by the governor of Syria, Gabinius, Cicero returns to the same points made in the Pro Flacco and in the Pro Fonteio, namely, that it is outrageous that a Roman knight should be prosecuted for extortion, the more so since the witnesses are Greeks from Alexandria. The reason given by Cicero why their testimony is to be discredited is that in comedy (mimi) the Alexandrians are stereotypical tricksters and cheaters,¹¹¹ and, moreover, in

 Lintott points out that allowance must be made for the orator’s preference for persuasiveness over veracity (Lintott, Cicero [as note ], ). On Cicero and the morality of advocacy see Jonathan Powell and Jeremy Paterson, “Introduction”, in: Jonathan Powell / Jeremy Paterson (eds.), Cicero the Advocate, Oxford ,  – .  Examples are found in Lintott, Cicero (as note ),  – . See also pp.  –  on other examples of Cicero’s skill in tendentiousness descriptions.  Cic. Scaur. .  Cic. Scaur.  – . See Alexander, The Case (as note ), . See also note  on p. .  See Appendix, no. .  See Alexander, The Case (as note ),  n. .

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the trial of Gabinius, the Alexandrians had argued against the charge that Gabinius had received a bribe of ten thousand talents, yet now they affirmed the opposite. This, Cicero claims, is only an example of their clumsiness.¹¹² From these examples it clearly emerges that in Cicero’s forensic speeches the opposing witnesses – be they Greeks, Gauls, Jews, Sardinians or Alexandrians – are addressed in one and the same manner, no matter their national identity.¹¹³ In order to undermine the value of their testimony, Cicero gives vent to the current prejudices common in the Roman society of his time,¹¹⁴ addressing them as barbarians,¹¹⁵ superstitious,¹¹⁶ liars, and casting on them all kind of accusations both in the realm of politics and in that of morality. When the same people happened to be on the same side as Cicero, however, it was quite a different matter. In the trial where Cicero acted as prosecutor of Verres, ex-governor of Sicily, the Greeks who testified against Verres are said to have been of a completely different kind, “unlike Greeks as they possibly could be; they are, in fact, almost as good as Romans.”¹¹⁷ Other instructive examples are provided by Erich Gruen. In the Pro Fonteio, the Gallic tribes singled out by for opprobrium as prejudiced witnesses are the Allobroges and the Volcae. Just a few years later, in 63, however, Cicero’s depiction was drastically different. Envoys of the Allobroges had brought damaging and decisive evidence to the consul about the Catilinarian conspirators. In his Fourth Catilinarian Cicero notes with pleasure the reward bestowed upon them by the senate for their testimony. And in another case in 62 BCE, growing out of the Catilinarian uprising, he goes so far as to characterize the Allobroges as the most truthful of witnesses on matters of the highest importance. The harsh censure of their untrustworthiness has conveniently vanished. Twenty years later, in supporting D. Brutus

 Cic. Rab. Post.  – . The legal basis for the prosecution of C. Rabirius Postumus was the quo ea pecunia pervenerit (“into whose hands the money had passed”). See Alexander, The Case (as note ),  – .  On vituperatio in Cicero’s work, see Lewy, “Cicero” (as note ),  – , and Bernard, “Philosophie politique” (as note ), .  See Yavetz, “Judeophobia” (as note ), ; Citroni Marchetti, “Lo spazio straniato” (as note ), ; Bernard, “Philosophie politique” (as note ),  – .  On the meaning that Cicero ascribed to this term see above, note .  See Bernard, “Philosophie politique” (as note ),  – .  Guite observes that “when he prosecuted Verres in , Cicero naturally sought to give his Greek victims the highest character possible: it is the method and not the motive that reveals his mind. The method is to say that these Sicilian Greeks, excepting, of course, those who are testifying on the other side, are as unlike Greeks as they possibly could be; are, in fact, almost as good as Romans, not the degenerate modern Romans but Romans of the old school” (id., “Cicero’s Attitude” [as note ],  – ).

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against M. Antony in the conflict after Caesar’s assassination, Gaul suddenly earned Cicero’s fulsome praise as the land that had always served as Rome’s protector and as guardian of its common liberty. In the Pro Flacco, Cicero pits good Greeks against bad and presents the Greeks of Asia as colonists, later immigrants, infected by eastern practices, who merit contempt. In the de Domo sua, 60, however, he represented the Asian in a glowingly favourable light, as innocent victims of a rapacious Roman governor. Syrians, Babylonians and Persians became the most irreproachable and peace-loving of nations. Obviously, the orator’s fulminations cannot be detached from their frame of reference.¹¹⁸ The same may well apply to Jews. If they had appeared in a trial on the same side of Cicero, we might have found completely different statements in his speech. Radin argues that if Cicero were prosecuting Flaccus, a few eloquent periods would extol the character of the Jews, ancient allies and firm friends of Rome.¹¹⁹ One should therefore be cautious when taking Cicero’s remarks to reflect his own opinions.¹²⁰ In the Pro Cluentio Cicero himself admits that the statements appearing in his forensic speeches cannot be taken to reflect his personal views: “But whoever thinks that he has my positive opinions recorded indelibly in those orations which we have delivered in the courts of justice, is greatly mistaken. For all those speeches are speeches of the cause, and of the occasion, and are not the speeches of the men or of the advocates themselves. For if the causes themselves could speak for themselves, no one would employ an orator. But, as it is, we are employed, in order to say, not things which are to be considered as asserted on our own authority, but things which are derived from the circumstances of the cause itself.”¹²¹

 Gruen, “Cicero and the Alien” (as note ),  – . See also pp.  –  on the reasons underlying Cicero’s denigration of non-Romans, for example, Carthaginians or Egyptians, which appear in his philosophical treatises.  Radin, The Jews (as note ), . Against this view, see Sevenster, The Roots (as note ), .  See for example H. de la Ville de Mirmont, “Ciceron et les Gaulois”, in: Revue celtique  (),  – , and Denis B. Saddington, “Roman Attitudes to the ‘externae gentes’ of the North”, in: Acta Classica  (),  – .  Pro Cluentio, . See Lintott, Cicero (as note ), . On the role of the patronus in Cicero’s Pro Cluentio see also Christopher Burnand, “The Advocate as a Professional: The Role of the Patronus in Cicero’s Pro Cluentio”, in: Cicero the Advocate (as note ),  – . Ironically, these very words of Cicero have been taken as misleading and unreliable in their specific context. Guite points out that “this confession […] is by definition unreliable: it is itself causae ac temporis. A previous utterance of Cicero has been quoted against him and he is driven to the desperate expedient of impugning his own sincerity. He must have been a little uneasy about it, for a moment later he shifts his ground and suggests that there is nothing wrong in having been honestly mistaken. What we must allow for in the other published works as well as in the

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Concerning the Jews, one may well wonder whether Cicero had any consistent view at all. He never mentions them anywhere in his copious literary production, even in the works dealing with philosophy and religion.¹²² Nor should any special significance be attached to Cicero’s witty remark uttered during the trial against Verres, which alludes to a link between Jews and pigs. Verres was the Roman word for a castrated porker, and, when a freedman suspected of Jewish practices wanted to thrust aside the Sicilian accusers and denounce Verres himself, Cicero is reported by Plutarch to have noticed: “What has a Jew to do with a Verres?”¹²³ This, it appears, may well be taken as another of the numerous instances of Cicero’s humour, rather than “a venomous anti-Semitic derision.”¹²⁴ The passage of the De Provinciis Consularibus where Cicero states that the Jews, as the Syrians, were born to be slaves,¹²⁵ too, is not particularly meaningful since these words, as Isaac points out, belong to a cliché derived from the Greek literature which so deeply permeates Cicero’s writings and his attitude of mind: the claim that members of a subject people are born slaves, according to the idea which assigns not just to individuals, but to specific groups of people an inferior place in society on the grounds that they are deficient in various ways and need therefore to be subordinated to their intellectual and moral superiors in a master / slave relationship.¹²⁶ Besides, this passage may also be taken as a reference to factual reality, since numerous Jewish slaves had recently arrived at Rome as war-captives, not only in the immediate aftermath of Pompey’s victory, but also as consequence of continuing fighting in Judaea in the following years.¹²⁷ That Cicero certainly had little sympathy for the infima plebs and for provincials in general has been stated ad nauseam and it is certainly correct.¹²⁸ This, however, does not mean that we may take Cicero’s account of the Jews in the

speeches, and even sometimes in the letters, is the eagerness of an orator to sacrifice precision for the sake of point” (Guite, “Cicero’s Attitude” [as note ], ). But see also Ursula Heibges, “Cicero, a Hypocrite in Religion?”, in: The American Journal of Philology  (), .  See also Yavetz, “Judeophobia” (as note ), .  Plut. Cicero, : = Stern, GLAJJ (as note ), no. .  Sevenster, The Roots (as note ),  – . On the role of irony and wit in Cicero’s speeches, see above, note .  Cic. Prov. Cons. ,  = Stern, GLAJJ (as note ), no. .  Benjamin H. Isaac, “Proto-Racism in Graeco-Roman Antiquity”, in: World Archaeology  (),  – . See also, by the same author, The Invention of Racism in Classical Antiquity, Princeton, N.J. , .  See Stern, GLAJJ (as note ), , and Barclay, Jews (as note ), .  On his philosophical and political conservatism see Bernard, “Philosophie politique” (as note ),  – .

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Pro Flacco to reflect personal conviction. We also notice that the Jews do not appear in a worse light than the other opposing witnesses.¹²⁹ Perhaps this means that the issue of the confiscation of the Jewish monies was a minor issue, less serious than the other accusations dealt with by Cicero during the trial. Finally, the hypothesis may be safely rejected that there may have been a link between Cicero’s views of the Jews and those of Apollonios Molon.¹³⁰ Even if Cicero learnt rhetoric at his school at Rhodes, nothing suggests that the Jews were included in the topics treated. Molon’s work, or, in Eusebius’ words, his “invective” against the Jews,¹³¹ dealt with Jewish atheism, misanthropy, cowardice, recklessness, primitiveness, lack of inventiveness and separatism,¹³² and none of these themes shows up in Cicero’s account. One may well surmise that Cicero would hardly have overlooked the remarks of Apollonius if he had known them.¹³³ Instead, he confines his interest on the issues relevant to Roman society and to the trial of Flaccus. The Jews, it appears, were not much within the orbit of Cicero’s immediate interests,¹³⁴ and this does not come as a surprise, since at this early stage they do not seem to have attracted much attention in Rome¹³⁵ and were in no way singled out.¹³⁶ The myth of Cicero’s anti-Judaism collapses under scrutiny.

 Barclay points out that, although Cicero depicts the Jews’ religion as inferior to the Romans’ and although he cites their resistance to Pompey as proof of their religious incompatibility, there is no suggestion here that the Jewish way of life could undermine Roman customs. Cicero’s remarks encourage the jurors to display an amused disdain of foreign customs, but hardly to fear Judaism as a hostile corrupting influence. His tone is scornful but not venomous (Barclay, Jews [as note ], ).  See above, notes , , .  Eus. Pr. Ev. IX, ,  = Stern, GLAJJ (as note ), no. .  Ios. c. Ap. II,  – , ,  –  = Stern, GLAJJ, I, no. . On the anti-Jewish ethnographic treatise by Apollonius Molon, see Bezalel Bar-Kochva, The Image of the Jews in Greek Literature, Berkeley et al. ,  – .  So Radin, The Jews (as note ), , and Stern, GLAJJ (as note ), . Against this view, Sevenster claims that he would not be surprised if Cicero knew perfectly well that rhetorical restraint is more, and an abundance of material less effective. Accordingly, “Cicero does not report Posidonius’ and Apollonius’ remarks about the Jews, nevertheless they do echo very clearly in Cicero’s extremely original sarcasm” (Sevenster, The Roots [as note ],  – ).  See Stern, GLAJJ (as note ), .  See Gruen, Diaspora (as note ), .  See Pucci Ben Zeev, “Roman Law and the Jews” (as note ),  – .

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Appendix No. 1 “Where, then, is the ground for an accusation against Flaccus, since, indeed, you never make any charge of theft, you approve the edict, you confess that there was judgment, you do not deny that the business was openly proposed and published, and that the facts show that it was administered by excellent men? At Apamea a little less than a hundred pounds of gold was openly seized and weighed before the seat of the praetor in the forum through the agency of Sextius Caesius, a Roman knight, an upright and honourable man; at Laodicea a little more than twenty pounds by Lucius Domitius, the commissioner, at Pergamum a small amount. The accounting for the gold is correct. The gold is in the treasury, no embezzlement is charged, it is just an attempt to fix odium on him” (Cic. Flacc. 68 – 9). No. 2 “But Gnaeus Pompey when Jerusalem was captured laid his victorious hands on nothing in that shrine. In that he was especially wise – as in many other matters. In a state so given to suspicion and calumny he left his critics no opportunity for gossip. But I do not think that illustrious general was hindered by the religious feelings of the Jews and his enemies, but by his sense of honour” (Cic. Flacc. 68). No. 3 “You procured this place and that crowd, Laelius, for this trial. […] So I will speak in a low voice so that only the jurors may hear; for those do not want who would incite them against me and against every respectable man. I shall not help to do this more easily” (Cic. Flacc. 66). No. 4 “You know what a big crowd it is, how they stick together, how influential they are in informal assemblies. So I will speak in a whisper like – this – just loud enough for the jury to hear; for there is no shortage of men to incite this crowd against me and all the best men, but I shall not help them by making it easier for them […] to resist this barbaric superstition was an act of firmness, to defy the crowd of Jews when sometimes in our assemblies they are hot with passion, for the welfare of the state was an act of the greatest seriousness” (Cic. Flacc. 66 – 7). No. 5 “Even when Jerusalem was standing and the Jews were at peace with us, the practice of their sacred rites was at variance with the glory of our empire, the dignity of our name, the customs of our ancestors. But now it is even more so, when that nation by its armed resistance has shown what it thinks of our rule; how dear it was to the immortal gods is shown by the fact that it has been conquered, let out for taxes, made a slave.” (Cic. Flacc. 69). No. 6 “The man has been condemned who slew Catiline when he was bearing his hostile standards against his country. What reason is there why he who drove Catiline from the city should be exempt from fear? That man is demanded for punishment who discovered the

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proofs of the common destruction of all which was then being planned. Why should he feel safe who took care to produce and divulge those proofs?” (Cic. Flacc. 5). No. 7 “O judges, many things have deceived us, both in our own affairs and in those of the republic, those things which must be borne, we bear. This only we ask of you, – that you will consider that the whole strength of the republic, – the whole constitution of the state, – all the memory of past, and the safety of present and the hope of future time, hangs and depends upon your power, upon your votes, upon this single trial. If ever the republic has had need to implore the wisdom, the gravity, the prudence and the foresight of her judges, she implores it now, – she implores it, I say, at this present time” (Cic. Flacc. 3). No. 8 “Therefore, to say no more of this Greece, which has long since been overthrown and crushed through the folly of its own counsels; that ancient country, which once flourished with riches, and rower, and glory, fell owing to that one evil, the immoderate liberty and licentiousness of the popular assemblies. When inexperienced men, ignorant and uninstructed in any description of business whatever, took their seats in the theatre, then they undertook inexpedient wars; then they appointed seditious men to the government of the republic; then they banished from the city the citizens who had deserved best of the state” (Cic. Flacc. 16). No. 9 “And what witnesses are they? In the first place, I will say that they are Greeks, (that is the case of them all.) Not that I, for my own part, would be more inclined than others to refuse credit to that nation […] there are in that body many virtuous, many learned, many modest men, and they have not been brought hither to this trial. There are also many impudent, illiterate, worthless persons and those I see here, impelled by various motives” (Cic. Flacc. 9). No. 10 “Before I say by whom it was given, by what hopes, by what violence, by what means the witnesses were urged on, and what insignificant, needy, treacherous, audacious men they were, I will speak of their whole class, and of the condition in which all of us are placed. In the name of the immortal gods, O judges, will you ask of unknown witnesses in what way the man decided trials in Asia, who the year before had sat as judge at Rome? […] What if it is not all Asia that demands him, nor the best part of it nor even any part without bribery, nor of its own accord, nor rightly, nor in a manner according to custom, nor with truth, nor with any conscientious regard to justice or honesty? If it duly demands him because it has been persuaded, and tampered with, and excited, and compelled to do so, – if it has backed this prosecution with its name impiously, and rashly, and covetously, and with great inconsistency, speaking only by the mouth of the most needy witnesses, and if the province itself has no grounds to complain with truth of any injuries done by him; still, O judges, will these statements, heard with reference to a very brief epoch diminish the credit due to actions which we really know, extending over a long period of time?” (Cic. Flacc. 5 – 6). No. 11 “Shall that villager from near Tmolus, – a man not only a stranger to us, but not even

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known among his own neighbours, – teach you what sort of a man Lucius Flaccus is, whom you yourselves have known to be […] a thoroughly wise and consistent senator, a most upright praetor, and a citizen wholly devoted to the republic […] Will you then listen to others as witnesses on those points, respecting which you yourselves ought rather to bear witness to others?” (Cic. Flacc. 8 – 9). No. 12 “[…] what moderation do you suppose there was in the assemblies in Phrygia and Mysia? It is usually men of those nations who throw our own assemblies into confusion” (Cic. Flacc. 17). No. 13 “Wherefore I beseech you, O you Asiatic witnesses, that, when you wish to recollect with accuracy what amount of authority you bring into a court of justice, you would yourselves describe Asia, and remember, not what foreigners are accustomed to say of you, but what you yourselves affirm of your own races. For, as I think, the Asia that you talk of consists of Phrygia, Mysia, Caria, and Lydia. Is it then a proverb of ours or of yours that a Phrygian is usually made better by beating? What more? Is not this a common saying of you all with respect to the whole of Caria, if you wish to make any experiment accompanied with danger, that you had better try it on a Carian? Moreover what saying is there in Greek conversation more ordinary and well known, than, when any one is spoken of contemptuously, to say that he is the very lowest of the Mysians? For why should I speak of Lydia? What Greek ever wrote a comedy in which the principal slave was not a Lydian? What injury, then, is done to you, if we decide that we are to adhere to the judgment which you have formed of yourselves? In truth, I think that I have said enough and more than enough of the whole race of witnesses from Asia. But still it is your duty, O judges, to weigh in your minds and thoughts everything which can be said against the insignificance, the inconstancy, and the covetousness of the men, even if these points are not sufficiently enlarged upon by me” (Cic. Flacc. 65 – 6). No. 14 “But I say this of the whole race of Greeks; I allow them learning, I allow them a knowledge of many arts; I do not deny them wit in conversation, acuteness of talents, and fluency in speaking; even if they claim praise for other sorts of ability, I will not make any objection; but a scrupulous regard to truth in giving their evidence is not a virtue that that nation has ever cultivated; they are utterly ignorant what is the meaning of that quality, they know nothing of its authority or of its weight.” (Cic. Flacc. 9) […] “For you grant to me, (an admission which this cause especially requires,) that there is no authority, no consistency, no firm wisdom in the Greeks, and, above all, no proper regard to truth in giving their evidence” (Cic. Flacc. 36). No. 15 “But even suppose those documents were not tampered with in their own city, still what authority or what credit can they now have here? The law orders them to be brought to the praetor within three days, and to be sealed up with the seals of the judges; they are scarcely brought within thirty days. In order that the writings may not be easily tampered with, therefore the law orders that after they have been sealed up they shall be kept in a public office; but these are sealed up after they have been tampered with. What difference,

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then, does it make, whether they are brought to the judges so long after the proper time, or whether they are not brought at all?” (Cic. Flacc. 21). No. 16 “I must then be content with complaining and lamenting, as I have been some time doing, the general iniquity of the whole prosecution, and, in the first place, the whole class of witnesses; for that nation is the witness which is the least scrupulous of all in giving evidence. I come nearer; – I say that that is not evidence which you yourself call decrees; but that it is only the grumbling of needy men, and a sort of random movement of a miserable Greek assembly” (Cic. Flacc. 23). No. 17 “Therefore, when they give their evidence, remark with what a countenance, with what confidence they give it; and then you will become aware how scrupulous they are as to what evidence they give. They never reply precisely to a question. They always answer an accuser more than he asks them. They never feel any anxiety to make what they say seem probable to any one; but are solicitous only how to get out what they have got to say” (Cic. Flacc. 10) “[…] men to whom an oath is a joke, evidence a plaything, your opinion of them a shadow, men who place all their credit and profit and reputation, and triumph telling the most impudent lies. But I will not spin out what I have got to say. Indeed, my speech would be interminable if I were to take it into my head to unfold the faithlessness of the whole nation in giving evidence. But I will come nearer home; I will speak of these witnesses whom you have brought forward” (Cic. Flacc. 12). No. 18 (Laelius, the prosecutor) “did this besides: those who did not wish to leave their homes he terrified with a summons to give their evidence; those who could not remain at home, he provided with a large and liberal sum for travelling expenses […] And thus this young man, full of ability, worked on the wealthy by fear, on the poor by bribes, on the stupid by leading them into mistakes; and by these means he extorted those beautiful decrees which have been read to you – decrees which were not passed by any formal vote or regular authority, nor under the sanction of an oath, but carried by holding up the hand, and by the loud shouts of an excited multitude” (Cic. Flacc. 14– 5). […] “They voted by holding up their hands. A decree was passed. Is this evidence? The men of Pergamus, having been lately feasted, having been a little while before glutted with every sort of present, – I mean, all the cobblers and girdle-makers in Pergamus, – cried out whatever Mithridates (who governed that multitude, not by his authority, but by fattening them up) chose. Is this the testimony of that city? […] So that I am not arguing against the reception of evidence; but you are to decide whether these statements are to be considered evidence” (Cic. Flacc. 17– 8). No. 19 “And is it strange that those men who abominate the sight of our faces, who detest our name, who hate our tax on pastures, and our tenths, and our harbour dues, more than death itself, should gladly seize on every opportunity of injuring us that presents itself? […] Remember, therefore, that when you hear decrees you are not hearing evidence; that you are listening to the rashness of the common people; that you are listening to the assertions of all the most worthless men; that you are listening to the murmurs of the ignorant, to the voice of an inflamed assembly of a most worthless nation. Therefore examine closely into the nature and motive of all their accusations, and you will find no reason for them

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except the hopes by which they have been led on, or the terrors and threats by which they have been driven” (Cic. Flacc. 19). No. 20 “And if I were to speak of these matters as they ought to be spoken of, I should, O judges, press more strongly than I have as yet done, the point of how much credit it was reasonable for you to give Asiatic witnesses. I should recall your recollections to the time of the Mithridatic war, to that miserable and inhuman massacre of all the Roman citizens, in so many cities, at one and the same moment. I should remind you of our praetors who were surrendered, of our ambassadors who were thrown into prison, of almost all memory of the Roman name and every trace of its empire effaced, not only from the habitations of the Greeks, but even from their writings. They called Mithridates a god, they called him their father and the preserver of Asia, they called him Evius, Nysius, Bacchus, Liber” (Cic. Flacc. 60). No. 21 Concerning the representative of the city of Aemon, Asclepiades, who had accused Flaccus of having taken money from him, Cicero points out: “[…] a man condemned by decisions involving the greatest infamy in his own city; stigmatized in the public records; of whose disgraceful acts, and adulteries, and licentiousness there are letters of the people of Aemon in existence; which I think it better to pass over, not only on account of their length, but on account of the scandalous obscenity of the language […] Asclepiades by himself affirms, a man needy as to fortune, infamous as to character, condemned by every one’s opinion, relying on his own impudence and audacity” (Cic. Flacc. 34– 5). And then about the representative of the city of Tralles: “And if that city had brought its complaints before you by the month of creditable and respectable men, I should be a little more concerned about it; but now what am I to think? Am I to think that the Trallians entrusted their cause to Maeandrius, a needy, sordid man, without honour, without character, without income? […] I myself lately saw in some trial a Trallian witness of the name of Philodorus, I saw Parrhasius, I saw Archidemus, when this identical man Maeandrius came to me as a sort of attorney, suggesting to me what I might say, if I pleased, against his own fellow-citizens and his own city. For there is nothing more worthless than that fellow, nothing more needy, nothing more infamous. Wherefore, if the Trallians employ him as the relater of their indignation, and the keeper of their letters, and the witness of their injuries, and the utterer of their complaints, let them lower their high tone for the future, let them restrain their high spirit, let them bridle their arrogance, let them confess that the best representative of their city is to be found in the person of Maeandrius. But if they themselves have always thought this man a man to be buffeted and trampled upon at home, let them cease to think that there is any authority in that evidence which there is no respectable person to father” (Cic. Flacc. 52– 3). No. 22 “[…] let us now come to the complaints of the Roman citizens. And let the first be that of Decianus. What injury, then, O Decianus, has been done to you? You are trading in a free city. First of all, allow me to be a little curious. How long shall you continue to live there as a trader, especially since you are born of such a rank as you are? You have now for thirty years been frequenting the forum, – the forum, I mean, of Pergamus. After a very long interval, if at any time is convenient to you to travel, you come to Rome. You bring a new face,

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an old name; Tyrian garments, in which respect I envy you, that with only one cloak you look so smart for such a length of time. However, be it so. You like to practise commerce. Why not at Pergamus? At Smyrna? At Tralles? Where there are many Roman citizens, and where magistrates of our own preside in the courts of justice. You are fond of ease: lawsuits, crowds, and praetors are odious to you. You delight in the freedom of the Greeks. Why, then, do you alone treat the people of Apollonides, the allies who of all others are the most attached to the Roman people and the most faithful, in a more miserable manner than either Mithridates, or than your own father ever treated them? Why do you prevent them from enjoying their own liberty? why do you prevent them from being free? They are of all Asia the most frugal, the most conscientious men, the most remote from the luxury and inconstancy of the Greeks; they are fathers of families, are content with their own, farmers, country-people. They have lands excellent by nature, and improved by diligence and cultivation. In this district you wished to have some farms. I should greatly prefer, (and it would have been more for your interest too, if you wanted some fertile lands,) that you should have got some here somewhere in the district of Crustumii, or in the Capenate country. However, be it so. It is an old saying of Cato’s, – ‘that money is balanced by distance.’ It is a very long way from the Tiber to the Caicus, – a place in which Agamemnon himself would have lost his way, if he had not found Telephus for his guide. However, I give up all that. You took a fancy to the town. The country delighted you. You might have bought it” (Cic. Flacc. 70 – 2). No. 23 “What, then, is the meaning of this accusation, which finds it easier to ascend the Alps than a few steps of the treasury; which defends the treasury of the Ruteni with more anxiety than that of the Roman people; which prefers using unknown witnesses to known ones, foreign witnesses to citizens; which thinks that it is establishing a charge more plainly by the capricious evidence of barbarians than by documents written by our fellow citizens?” (Cic. Font. 3 ) […] “What, if I produce also a still greater number of most honourable men to bear testimony to this man’s virtue and innocence? Will the unanimity of the Gauls still be of more weight than that of men of such great authority?” (Cic. Font. 16) […] “Or will you, in the case of the testimonies of barbarians, hesitate to do what very often within our recollection and that of our fathers, the wisest judges have not thought that they ought to hesitate to do with respect to the most illustrious men of our state?” (Cic. Font. 23) […] “If it is proper to have a regard to the men themselves, (a thing which in truth in the case of witnesses ought to be of the greatest weight,) is any one, the most honourable man in all Gaul to be compared, I will not say with the most honourable men of our city, but even with the meanest of Roman citizens? Does Induciomarus know what the meaning of giving evidence is? Is he affected with that awe which moves every individual among us when he is brought into that box?” (Cic. Font. 27) […] “But the Gauls are attacking Fonteius with hostile standards as it were; they pursue him, and press upon him with the most extreme eagerness, with the most extreme audacity. I see it. But we, O judges, you being our helpers, with many and strong defences, will resist that savage and intolerable band of barbarians” (Cic. Font. 44). No. 24 “Lastly, can anything appear holy or solemn in the eyes of those men, who, if ever they are so much influenced by any fear as to think it necessary to propitiate the immortal gods, defile their altars and temples with human victims? So that they cannot pay proper honour

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to religion itself without first violating it with wickedness. For who is ignorant that, to this very day, they retain that savage and barbarous custom of sacrificing men? What, therefore, do you suppose is the good faith, what the piety of those men, who think that even the immortal gods can be most easily propitiated by the wickedness and murder of men? Will you connect your own religious ideas with these witnesses? Will you think that anything is said holily or moderately by these men?” (Cic. Font. 31). No. 25 “Do you think that those nations are influenced in giving their evidence by the sanctity of an oath, and by the fear of the immortal gods, which are so widely different from other nations in their habits and natural disposition? For other nations undertake wars in defense of their religious feelings; they wage war against the religion of every people; other nations when waging war beg for sanction and pardon from the immortal gods; they have waged war with the immortal gods themselves” (Cic. Font. 30). No. 26 “Marcus Fonteius was governor of the province o Gaul, which consists of those tribes of men and of cities, some of whom (to say nothing of old times) have in the memory of the present generation carried on bitter and protracted wars with the Roman people; some have been lately subdued by our generals, lately conquered in war, lately made remarkable by the triumphs which we have celebrated over them, and the monuments which we have erected, and lately mulcted, by the senate, of their lands and cities: some, too, who have fought in battle against Marcus Fonteius himself, have by his toil and labour been reduced under the power and dominion of the Roman people” (Cic. Font. 12). “[…] those men are our adversaries who were compelled to leave their lands by the command of Cnaeus Pompeius; those men are our adversaries who having escaped from the war, and the slaughter which was made of them, for the first time dare to stand against Marcus Fonteius, now that he is unarmed” (Cic. Font. 14). “[…] are you afraid to disbelieve the evidence of the Volcae and of the Allobroges? […] For of the Gauls, those even who stand on the best ground have been compelled once and again, and sorely against their will, to furnish cavalry, money, and corn; and of the rest, some have been deprived of their land in ancient wars, some have been overwhelmed and subdued in war by this very man” (Cic. Font. 26). […] “Will your minds, pure and upright as they are, bring themselves into such a state that, when all our ambassadors who for the last three years have arrived in Gaul, when all the Roman knights who have been in that province, when all the traders of that province, when, in short, all the allies and friends of the Roman people who are in Gaul, wish Marcus Fonteius to be safe, and extol him on their oaths both in public and in private, you should still prefer to give your decision in unison with the Gauls? Appealing to comply with what? With the wishes of men? Is then the wish of our enemies to have more authority in your eyes than that of our countrymen? With the dignity of the witnesses? Can you then possibly prefer strangers to people whom you know, unjust men to just ones, foreigners to countrymen, covetous men to moderate ones, mercenary men to disinterested ones, impious men to conscientious ones, men who are the greatest enemies to our dominions and to our name, to good and loyal allies and citizens?” (Cic. Font. 32). No. 27 “Will you still urge all these charges against Marcus Fonteius, relying on angry witnesses?” (Cic. Font. 18). […] “For the Gauls say so. We cannot deny it. If you think this is the duty of

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an able and experienced and impartial judge, that he must without the slightest hesitation believe a thing because the witnesses say it; then the Goddess of Safety herself cannot protect the innocence of brave men. But if, in coming to a decision on such matters, the wisdom of the judge has a wide field for its exercise in considering every circumstance, and in weighing each according to its importance, then in truth your part in considering the case is a more important and serious one than mine is in stating it. For I have only to question the witness as to each circumstance once, and that, too, briefly, and often indeed I have not to question him at all; lest I should seem to be giving an angry man an opportunity of making a speech, or to be attributing an undue weight to a covetous man” (Cic. Font. 21– 2). No. 28 “Are you then hesitating, O judges, when all these nations have an innate hatred to and wage incessant war with the name of the Roman people? Do you think that, with their military cloaks and their breeches, they come to us in a lowly and submissive spirit, as these do, who having suffered injuries fly to us as suppliants and inferiors to beg the aid of the judges? Nothing is further from the truth. On the contrary, they are strolling in high spirits and with their heads up, all over the forum, uttering threatening expressions, and terrifying men with barbarous and ferocious language; which, in truth, I should not believe, O judges, if I had not repeatedly heard such things from the mouths of the accusers themselves in your presence, when they warned you to take care, lest, by acquitting this man, you should excite some new Gallic war” (Cic. Font. 33). […] “But now, when no good man says a word against him, but all your citizens and allies extol him; when those men attack him who have repeatedly attacked this city and this empire; and when the enemies of Marcus Fonteius threaten you and the Roman people; when his friends and relations come to you as suppliants, will you hesitate to show not only to your own citizens, who are mainly influenced by glory and praise; but also to foreign tribes and nations, that you, in giving your votes, prefer sparing a citizen to yielding to an enemy?” (Cic. Font. 35). No. 29 “Among other reasons, this, O judges, is a very great reason for his acquittal, to prevent any notable stain and disgrace from falling on our dominion, by news going to Gaul that the senate and knights of the Roman people gave their decisions in a criminal trial just as the Gauls pleased; being influenced not by their evidence, but by their threats. But in that case, if they attempt to make war upon us, we must summon up Caius Marius from the shades below, in order that he may be equal in war to that great man, that threatening and arrogant Induciomarus. Cnaeus Domitius and Quintus Maximus must be raised from the dead, that they may again subdue and crush the nation of the Allobroges and the other tribes by their arms; or, since that indeed is impossible, we must beg my friend Marcus Plaetorius to deter his new clients from making war, and to oppose by his entreaties their angry feelings and formidable violence” (Cic. Font. 36. See also above, Cic. Font. 27, 29). No. 30 “Oh how unequal is thy fortune, O Marcus Fonteius! If you could have chosen, how much would you have preferred perishing by the weapons of the Gauls rather than by their perjuries! For then virtue would have been the companion of your life, glory your comrade in death; but now, what agony is it for you to endure the sufferings caused by their power and victory over you, at their pleasure, who have before now been either conquered by your

The Myth of Cicero’s Anti-Judaism

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arms, or forced to submit against their will to your authority. From this danger, O judges, defend a brave and innocent citizen: take care to be seen to place more confidence in our own witnesses than in foreigners; to have more regard for the: safety of our citizens than for the pleasure of our enemies; to think the entreaties of her who presides over your sacrifices of more importance than the audacity of those men who have waged war against the sacrifices and temples of all nations. Lastly, take care, O judges, (the dignity of the Roman people is especially concerned in this,) to show that the prayers of a vestal virgin have more influence over you than the threats of Gaul” (Cic. Font. 49). No. 31 “I suppose Indutiomarus, when he gave his evidence, had all these fears and all these thoughts; he, who left out of his whole evidence that most considerate word, to which we are all habituated, “I think,” a word which we use even when we are relating on our oath what we know of our own knowledge, what we ourselves have seen; and said that he knew everything he was stating. He feared, forsooth, lest he should lose any of his reputation in your eyes and in those of the Roman people; lest any such report should get abroad that Indutiomarus, a man of such rank, had spoken with such partiality, with such rashness. The truth was, he did not understand that in giving his evidence there was anything which he was bound to display either to his own countrymen or to our accusers, except his voice, his countenance, and his audacity” (Cic. Font. 29). No. 32 “But if they had either had as much courage to tell a lie, or as much ingenuity to invent one, as they feel eagerness to oppress Fonteius, or as they have displayed licence in abusing him; then he would have had no better fortune, as far as relates to not having disgraceful acts alleged against him, than those men whom I have just mentioned. You see then another Thrifty, – a thrifty man, I say, O judges, and a man moderate and temperate in every particular of his life; a man full of modesty, full of a sense of duty, full of religion, depending on your good faith and power, and placed in your power in such a way as to be committed wholly to the protection of your good faith. Consider, therefore, whether it is more just that a most honourable and brave man, that a most virtuous citizen, should be given up to the most hostile and ferocious nations, or restored to his freedom, especially when there are so many circumstances which cooperate in entreating your favourable disposition in aid of this man’s safety. First of all, there is the antiquity of his family […], secondly, there have been continual praetorships in that family, which have been distinguished by every sort of honour, and especially by the credit of unimpeachable innocence; besides that, there is the recent memory of his father, by whose blood, not only the troop of Asculum, by whom he was slain, but the whole of that social war has been stained with the deep dye of wickedness; lastly, there is the man himself, honourable and upright in every particular of his life, and in military affairs not only endued with the greatest wisdom, and the most brilliant courage, but also skilful through personal experience in carrying on war, beyond almost any man of the present age” (Cic. Font. 40 – 1). No. 33 “I come now to the witnesses; and I will not only show that there is no confidence to be placed in, no authority to be attributed to them, but I will prove that there is not even any appearance of or resemblance to evidence in them. In truth, in the first place, the minute agreement between them all destroys their credibility, which was proved by the read-

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ing of the undertaking entered into by the Sardinians, and by the conspiracy which they formed. Secondly, their covetousness, which was excited by the hope and promise of rewards, does so too. Lastly, their national origin does so, for the worthlessness of their nation is such that they think that liberty is only to be distinguished from slavery by the boundless license for telling lies which it gives” (Cic. Scaur. 38).

„Kein Stein auf dem anderen“ (Mk 13, 2) Josephus, der Tempel und das historiographische Konzept Ernst Baltrusch (Berlin) „Kein Stein wird auf dem anderen bleiben, der nicht weggerissen wird“ – so prophezeite es Jesus auf die Bewunderung seiner Jünger hin über die Schönheit des Tempels zu Jerusalem.¹ Und so trat es tatsächlich ein, als Titus 70 u.Z. den Tempel dem Erdboden gleichmachte. Für die weitere Entwicklung im Judentum war dieses Ereignis eine Zäsur apokalyptischen Ausmaßes, denn mit dem Tempel war das Symbol der jüdischen Religion schlechthin nicht mehr da. Eine Vielzahl neuer Fragen stellte sich für alle Juden, die Zeitgenossen des Desasters waren: Wie konnte die religiöse Identität ohne Tempel gewahrt werden? Welchen Status konnten Juden im Imperium Romanum einnehmen, nachdem mit der Tempelzerstörung offenbar die Fundamente der bisherigen religio licita erschüttert waren? Was bedeutete das für die politische Rolle in der Welt, die damals römisch war? Angehörige der jüdischen Religion besaßen bis zu jenem Tag in der Diaspora und in Palästina eine akzeptierte Stellung, aber hatte sich mit dem Aufstand gegen Rom (66 – 70) und mit der Tempelzerstörung nicht die Geschäftsgrundlage verändert? Wir wissen heute, dass die Geschichte der Juden noch nicht beendet war, dass es weiterging und eine religiöse Neuausrichtung begann. Aber dass die gerade formulierten Fragen durchaus reale Bedeutung hatten, lehrt ein Blick auf den christlichen Umgang mit der Tempelzerstörung. Auf dem Höhepunkt christlicher adversus-Iudaeos-Polemik, als Johannes Chrysostomos, Presbyter von Antiochia, in den Jahren 386 – 387 acht Predigten gegen die „judaisierenden“ Mitglieder seiner Gemeinde hielt, da war gerade die Tempelzerstörung ein Kernargument gegen die Berechtigung der jüdischen Religion. In den Predigten 4, 5 und 7 lässt sich der streitbare Kirchenmann Johannes besonders ausführlich über die „neue“ Politeia der Christen aus.² Er belehrt seine christliche Gemeinde, wie eindeutig die Tempelzerstörung durch Titus darauf zielte, ein Zeichen von Gott zu sein, die jüdische Politeia als unzeitgemäß (ein immer wiederkehrender Begriff: ἄκαιρος), die christliche dagegen als gültig zu erweisen. Keine kultische Handlung, kein

 Mk , ; Mt , ; Lk , .  Eine neue deutsche Übersetzung mit Kommentar und Einleitung gibt es von Rudolf Brändle und Verena Jegher-Bucher, Johannes Chrysostomos. Acht Reden gegen Juden, Stuttgart . Vgl. auch den Traktat Adversus Iudaeos et Gentiles Kap. , wo Johannes ebenfalls feststellt: „Gott zerstörte den Tempel, und niemand ist in der Lage, ihn wieder aufzubauen, und das auch nach so langer Zeit nicht.“ DOI 10.1515/9783110410051-006

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Opfer, kein Gebet sei ja mehr möglich, da das mosaische Gesetz den Tempel in Jerusalem als Ort dafür vorschreibe. Da es diesen nicht mehr gebe, alle Wiedererrichtungen zudem gescheitert seien, sei Gottes Wille nicht zu leugnen: Das Judentum dürfe es nicht mehr geben, weil ohne den Tempel das mosaische Gesetz nicht mehr befolgt werden könne. Ist es nicht naheliegend, davon auszugehen, dass 300 Jahre zuvor auch die jüdischen Priester, die Schriftgelehrten, die frommen Juden diese Furcht haben mussten? Dass wir im Jahre 70 u.Z.von einer veritablen Stunde Null des Judentums sprechen müssen? Wie konnte es weitergehen? Unsere Hauptquelle für diese Zeit ist Flavius Josephus, jener Historiker, der schon im Namen sein jüdisch-römisches Doppelgesicht trägt. Er hat uns in dem Vierteljahrhundert nach der Tempelzerstörung, zwischen 70 und 100 u.Z. in vier erhaltenen Werken, die er auf Griechisch verfasst hat, seine Deutung der Situation seines Volkes und seiner Religion mitgeteilt. Seine große persönliche Zäsur war das Jahr 67, in dem er als jüdischer Stratege in Galiläa von den einrückenden Römern unter Vespasian gefangen genommen wurde. Von da an stellte er seine Dienste den neuen Herren zur Verfügung, ohne aber, wie seine Schriften zeigen, sein Judentum aufzugeben oder zu verleugnen, eher im Gegenteil. Die interessante Mischung zwischen römischer und jüdischer „Identität“, oder vielleicht auch: Hybridität, die sich nun bei Josephus entwickelte, durchzieht auch seine Werke. Es war nun nicht von ungefähr die Historiographie, der sich Josephus unter den Römern zuwandte, die ihn nach dem Ende des Krieges freiließen, mit dem Bürgerrecht ausstatteten und mit einem Landgut in Italien versorgten. Warum gerade dieser Literaturgattung? Welcher Art war diese Historiographie? Des Josephus’ Themen drehen sich in allen Schriften um das Judentum, um seine Geschichte, um seine Stellung in der Welt, um den Jüdischen Krieg. Warum wählte er diese Thematik, was war sein Konzept und sein Ziel? Mein Beitrag ist darauf ausgerichtet, Josephus als einen „strategisch“ denkenden Autor zu erweisen, der einen besonderen Umgang mit der Tempelzerstörung pflegte und mit dem Medium der Literatur dem Judentum in der unklaren Situation der ersten Jahrzehnte nach dem Jüdischen Krieg einen gleichberechtigten Status im Imperium Romanum zu sichern versuchte.

Josephus und der Tempel Es ist allgemein bekannt, dass Josephus den römischen Feldherrn und späteren Kaiser Titus von jeder Verantwortung für die Zerstörung des Jerusalemer Tempels

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freispricht.³ Das war er, so die communis opinio, dem flavischen Kaiserhaus schuldig, das ihn freigelassen und versorgt hat. Was aber mehr verwundert, ist gerade seine Darstellung des Tempels, genauer: sein Umgang mit der Tatsache der Zerstörung. In seiner Schrift Gegen Apion z. B., die in den 90er Jahren verfasst wurde – mehr als 20 Jahre nach dem Ende des Jüdischen Krieges – und in der es gegen die Judenfeindschaft in der griechischen Literatur geht, präsentiert er die jüdische Politeia als eine ideale Ordnung – und der Tempel gehört dazu, als ob er immer noch da wäre: Εἷς ναὸς ἑνος θεοῦ φίλον γὰρ ἀεὶ παντὶ τὸ ὅμοιον, κοινὸς ἁπάντων κοινοῦ θεοῦ ἁπάντων. τοῦτον θεραπεύσουσιν μὲν διὰ παντὸς οἱ ἱερεῖς, ἡγήσεται δὲ τούτων ὁ πρῶτος ἀεὶ κατὰ γένος. οὗτος μετὰ τῶν συνιερέων θύσει τῷ θεῷ, φυλάξει τοὺς νόμους, δικάσει περὶ τῶν ἀμφισβητουμένων, κολάσει τοὺς ἐλεγχθέντας. ὁ τούτῳ μὴ πειθόμενος ὑφέξει δίκην ὡς εἰς θεὸν αυτὸν ἀσεβῶν. „Weil auch immer gleiches zu gleichem passt, soll der eine Gott auch nur einen Tempel haben, der das gemeinsame Eigentum aller ist, wie sie alle denselben Gott verehren. Der Gottesdienst wird ohne Unterlass von den Priestern besorgt, an deren Spitze jeweilig der erste seiner Klasse steht. Er soll mit seinen Amtsgenossen Gott dem Herrn opfern, über dem Gesetz wachen, Zwistigkeiten beilegen und die einer rechtswidrigen Handlung Überführten bestrafen. Wer ihm nicht gehorcht, soll genau so büßen, als hätte er sich gegen Gott selbst vergangen.“⁴

Es gibt also immer noch den Hohepriester, der quasi-monarchische Gewalt ausübt, es gibt Priester, die den Dienst im Tempel versehen, und es gibt (immer noch) nur einen einzigen Tempel, nicht wie im mediterranen Kontext viele Götterhäuser. Josephus erklärt auch, warum es nur einen Tempel in der jüdischen Religion geben kann (den Leontopolis-Tempel verschweigt er), mit dem einen Gott und mit einem griechischen Sprichwort („das Gleiche ist dem Gleichen Freund“),⁵ und verleiht damit der Tatsache der Einmaligkeit des Tempels Autorität in den Augen seiner griechisch-römischen Leser. Diese dürften zwar gewusst haben, dass es den Tempel gar nicht mehr gab, aber das ignorierte Josephus bewusst. Die Verwendung des Futur im Text (θεραπεύσουσιν – ἡγήσεται – φυλάξει – δικάσει – κολάσει – ὑφέξει) verweist aber auf den eigentlichen Sinn: Es wird und soll wieder so sein, dass der Tempel existiert. Denn die „Theokratie“ der Juden ist die von Griechen und Römern bislang vergeblich gesuchte ideale Staatsordnung (Politeia), die

 Ios. bell. Iud. ,  – . Titus soll auch gesagt haben (): „Ich werde euch den Tempel bewahren, selbst gegen euren Willen“ (τηρήσω δὲ τὸν ναὸν ὑμῖν καὶ μὴ θέλουσιν).  Ios. c. Ap. ,  f. Übersetzung von Heinrich Clementz.  Dieses Sprichwort ist seit Homer bekannt: Od. , ; vgl. auch Aristot. eth. Nic. , .

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Stabilität und Gerechtigkeit seit langem unter Beweis gestellt hat.⁶ Dazu gehört der Tempel, auf den diese bewährte Politeia nicht verzichten kann – soll der Leser diese Ausführungen als Aufforderung verstehen, dass die Nichtexistenz eines jüdischen Tempels – ja nur eines – nichts als ein Provisorium sein kann? Ähnlich zu lesen sind die ausführlichen Beschreibungen der Schönheit und der Größe einmal des herodianischen Tempels in den Jüdischen Altertümern, zum anderen des von Titus zerstörten Tempels im Jüdischen Krieg.⁷ Steven Weitzman hat vor einigen Jahren die bestechende These vertreten, dass sich kulturelles Überleben von Schwächeren in einer fremdbestimmten Umwelt durch verschiedene Strategien ermöglichen lasse.⁸ Gerade die Machtlosigkeit selbst hat zur Entwicklung neuer Konzepte beigetragen, die man als „arts of the weak“ bezeichnen kann.⁹ Weitzman hat herausgearbeitet, wie Josephus den Leser gleichsam durch die Grandiosität seiner Tempelbeschreibung führt,¹⁰ und diese mit sprachlichen Mitteln an griechisch-römische Vorstellungen angleicht. Für Josephus war die literarische Gestaltung also offenkundig ein Weg, um den Tempel zu einem auch nach griechisch-römischen Maßstäben bewahrenswerten Schatz zu gestalten, bzw., da er ja zerstört war, dem Wiederaufbau nicht nur einen jüdischen, sondern auch römischen Sinn zu verleihen. Mit diesem Trick wäre zunächst auf einer materiellen Ebene ein wesentliches Element des Judentums eingegliedert in die mediterrane Welt. Ein schöner, großer Tempel hat seinen Wert unabhängig von der jeweiligen Religion allein als Bauwerk und aus Gründen der Ästhetik. Dabei blieb Josephus freilich nicht stehen. Sollte – nach dem Debakel des Aufstandes – wirklich nur der Tempel wieder hergestellt werden? War nicht der ganze Ruf des Judentums durch diesen Akt des Wahnsinns beschädigt? Musste man daher nicht noch weiter gehen und das Judentum als Religion und als Volk komplett „gleich“ machen, gleich den dominierenden Kulturen des Mittelmeerraumes, der griechischen und der römischen? Im Falle des Gelingens – und es gab ja schon einen

 Ios. c. Ap. ,  – ;  – .  Ios. ant. Iud. ,  – ; Ios. bell. Iud. ,  – : „alle Vorstellungen übersteigend“, „kostbares Material“, „besonders schöne und große Säulen“, „Gold bedeckt“, „wunderbare Arbeit“ , „alles, was sowohl die Seele als auch das Auge des Beschauers in großes Erstaunen versetzen konnte“ – um nur einige der von Josephus verwendeten sprachlichen Umschreibungen (hier in Übersetzung) aufzuzählen, die gerade auch die ästhetischen Ansprüche eines griechischrömischen Lesepublikums befriedigen mussten.  Steven Weitzman, Surviving Sacrilege. Cultural Persistence in Jewish Antiquity, Cambridge/Mass.; London .  Der Soziologe Michel de Certeau, L’Invention du Quotidien, Vol. . Arts de Faire, Paris , bezeichnet dieses und andere Verfahren als die „Kunst der Schwachen“.  Weitzman (wie Anm. ),  – .

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Präzedenzfall¹¹ – würde der Ruhm des Josephus unsterblich sein. Soviel Zuwendung Josephus auch seit der Antike gefunden hat: Wenn man sich seinen Werken unter dieser Fragestellung annähert, kann man durchaus auch noch Überraschendes entdecken. Die Aufgabe, die sich nun stellt, verlangt eine textnahe Herangehensweise, deshalb sollen einige zentrale Abschnitte aus dem josephischen Werk im Folgenden genauer ins Visier genommen werden. Die Analyse hat drei Schwerpunkte, die zu den oben gestellten Fragen Antworten versuchen sollen: Zum ersten soll es um autobiographische Angaben gehen, die Josephus natürlich bewusst für sein anvisiertes Publikum konstruiert hat. Zum zweiten soll das historiographische Konzept als Ganzes in den Blick genommen werden, ein Konzept, das den Zielen des Josephus angepasst sein muss. Schließlich kann die josephische Methode, um gleichberechtigtes Leben von Juden als Juden im Imperium Romanum zu rechtfertigen, beispielhaft durch Reden, die er seine Protagonisten halten lässt, verdeutlicht werden.

1 Autobiographisches [1] ᾽Εμοὶ δὲ γένος ἐστὶν οὐκ ἄσημον, ἀλλ᾽ ἐξ ἱερέων ἄνωθεν καταβεβηκός. ὥσπερ δ᾽ ἡ παρ᾽ ἑκάστοις ἄλλη τίς ἐστιν εὐγενείας ὑπόθεσις, οὕτως παρ᾽ ἡμῖν ἡ τῆς ἱερωσύνης μετουσία τεκμήριόν ἐστιν γένους λαμπρότητος. [2] ἐμοὶ δ᾽ οὐ μόνον ἐξ ἱερέων ἐστὶν τὸ γένος, ἀλλὰ καὶ ἐκ τῆς πρώτης ἐφημερίδος τῶν εἰκοσιτεσσάρων, πολλὴ δὲ κἀν τούτῳ διαφορά, καὶ τῶν ἐν ταύτῃ δὲ φυλῶν ἐκ τῆς ἀρίστης. ὑπάρχω δὲ καὶ τοῦ βασιλικοῦ γένους ἀπὸ τῆς μητρός: οἱ γὰρ ᾽Ασαμωναίου παῖδες, ὧν ἔγγονος ἐκείνη, τοῦ ἔθνους ἡμῶν ἐπὶ μήκιστον χρόνον ἠρχιεράτευσαν καὶ ἐβασίλευσαν […] [7] ῾Ο πατὴρ δέ μου Ματθίας οὐ διὰ μόνην τὴν εὐγένειαν ἐπίσημος ἦν, ἀλλὰ πλέον διὰ τὴν δικαιοσύνην ἐπῃνεῖτο, γνωριμώτατος ὢν ἐν τῇ μεγίστῃ πόλει τῶν παρ᾽ ἡμῖν τοῖς ῾Ιεροσολυμίταις. [8] ἐγὼ δὲ συμπαιδευόμενος ἀδελφῷ Ματθίᾳ τοὔνομα, γεγόνει γάρ μοι γνήσιος ἐξ ἀμφοῖν τῶν γονέων, εἰς μεγάλην παιδείας προύκοπτον ἐπίδοσιν μνήμῃ τε καὶ συνέσει δοκῶν διαφέρειν.¹² (1) „Ich stamme übrigens aus einer keineswegs unbedeutenden Familie, sondern aus einer, die seit Urzeiten von Priestern herkommt. Wie aber bei den einzelnen (Völkern) die Voraussetzung für Adel jeweils eine andere ist, so ist bei uns die Zugehörigkeit zur Priesterschaft Kennzeichen für die Prominenz einer Familie. (2) Meine Familie stammt jedoch nicht nur von Priestern, sondern sogar von der ersten der vierundzwanzig Priesterklassen – auch darin liegt ein großer Unterschied – und von den Sippen in dieser auch wieder von der vornehmsten. Ich gehöre aber auch zum königlichen Geschlecht von Mutter her, denn die Söhne des Hasamon,

 Die Griechen nämlich, s.u.  So leitet Josephus sein apologetisches Werk über sein Wirken in Galiläa ein: Ios. vita  – .

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deren Nachkomme sie ist,waren über sehr lange Zeit Hohepriester und Könige unseres Volkes […] (7) Mein Vater Matthias war nicht nur seiner vornehmen Abstammung wegen bedeutend; sondern mehr noch wurde er seiner Rechtschaffenheit wegen gelobt, hochangesehen in unserer größten Stadt, Jerusalem. [8] Ich aber, während ich gemeinsam mit meinem Bruder Matja erzogen wurde – er war mein leiblicher Bruder von beiden Eltern her – machte gewaltige Fortschritte in meiner Ausbildung und stand im Ruf überragender Gedächtnis- und Verstandeskraft.“¹³

Diesem Selbstzeugnis über die Herkunft ist bereits Wesentliches auch für die Grundlagen der josephischen Weltsicht zu entnehmen. Das bedeutet: So und nicht anders wollte er gesehen werden. Diese Einleitung in das Werk über sein politisches und militärisches Wirken in Galiläa ist von Stolz über seine Herkunft und Erziehung geprägt; sie ist alles andere als „apologetisch“ im Sinne einer weinerlichen Entschuldigung für seine antirömische Jugend. Seine Sprache ist nicht seine Muttersprache, sondern die Koine, die Weltsprache, also diejenige seiner intendierten Leserschaft, nämlich griechisch. Einem nichtjüdischen Lesepublikum sollte in Begriffen, die allen geläufig waren, ein dezidiert jüdisches Leben verständlich gemacht werden: Ein Leben, das vor 70 (oder 67, als er von Vespasian in Jotapata in Galiläa gefangen genommen wurde) offensichtlich von der Voraussetzung eines polyzentrischen Kulturraumes geprägt, aber das trotzdem (oder gerade deshalb) eindimensional auf die regionale jüdische, vermeintlich selbstbestimmte Ordnung ausgerichtet war. Josephus war, so tut er seinen Lesern bewusst kund, ausschließlich jüdisch-priesterlich sozialisiert und trotzdem war dieser Weg οὐκ ἄσημος (die Negation macht die Wendung zum Superlativ mit dem Nebensinn: es geht nicht besser). Daraus folgte zwangsläufig, dass Josephus ein erklärter Gegner des römischen Machtanspruchs in Palästina war und geradezu zum Krieg bereit sein musste. ¹⁴ Josephus hält gerade mit dem letzten Punkt in seiner Autobiographie aus den 90er Jahren gar nicht hinterm Berg, im Gegenteil; aber er konstruiert die Jugend trotz ihrer dezidiert jüdischen Ausrichtung sprachlich als eine universalgültige, bei allen Völkern der Welt normale Paideia:

 Ios. vita  –  (Übers. Folker Siegert, Heinz Schreckenberg und Manuel Vogel).  Josephus ist, wie gesagt, nicht weinerlich, sondern selbstbewusst; der geneigte Leser versteht seine Intention, weil er sich in seine Lage hineinversetzen kann. Man mag das mit der selbstbewussten judaistischen Forschung am Anfang des . Jahrhunderts vergleichen, als Forscher wie Salo Wittmayer Baron, ein österreich-ungarischer Einwanderer in New York, über die soziale und politische Macht der Juden in der Geschichte und gegen die „lachrymose history of the Jews“ anschrieben: ders., A Social and Religious History of the Jews, New York  –  in der . Auflage; dieser Hinweis bei Steven Fine, Art, History, and the Historiography of Judaism in Roman Antiquity, Leiden; Boston , .

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Seine Herkunft, sein Genos war eben οὐκ ἄσημον, er selbst in einem universal mediterran-griechisch-römischen Sinne von beiden Eltern her „adlig“ (der Begriff dafür ist: Eugeneia), nämlich durch die hohe priesterliche Abkunft väterlicherseits und die gar „königliche“ Abkunft mütterlicherseits, und das in der „größten Polis“, nämlich Jerusalem, das mit dem Begriff der Polis in den griechisch-römischen Stadtraum integriert und damit dem Lesepublikum vertraut gemacht wird. Josephus fährt in seiner Vita fort: [12] καὶ διατρίψας παρ᾽ αὐτῷ ἐνιαυτοὺς τρεῖς καὶ τὴν ἐπιθυμίαν τελειώσας εἰς τὴν πόλιν ὑπέστρεφον. ἐννεακαιδέκατον δ᾽ ἔτος ἔχων ἠρξάμην τε πολιτεύεσθαι τῇ Φαρισαίων αἱρέσει κατακολουθῶν, ἣ παραπλήσιός ἐστι τῇ παρ᾽ ῞Ελλησιν Στωϊκῇ λεγομένῃ. „(12) Und nachdem ich bei ihm [dem Bannus] drei Jahre zugebracht und meine Verlangen gestillt hatte, kehrte ich (vollends wieder) in die Stadt zurück. Im Alter von neunzehn Jahren begann ich, am öffentlichen Leben teilzunehmen, und zwar indem ich mich an der Sondergruppe der Pharisäer orientierte, die etwa derjenigen entspricht, die bei den Griechen ‚die stoische‘ heißt.“¹⁵

Sodann also wurde er von Kindesbeinen an – bei dieser Herkunft zwangsläufig – in der Tora (‫תורה‬, der hebräische Begriff für „Gebot“, „Weisung“, im Folgenden aber für das griechische Lesepublikum mit περὶ τῶν νομίκων, „in der Rechtskunde“, ausgedrückt) erzogen, und als 14-jähriger Knabe war er so fest in den jüdischen Lehren und Traditionen verankert, dass sich um seine Expertise in der Gesetzeskunde sogar Schriftgelehrte und Hohepriester bemühten. Als 16-jähriger habe er – wie jeder andere Jüngling aus besserem Hause in anderen Gesellschaften auch – sich um eine „philosophische“ Ausbildung bemüht, also die damals existierenden jüdischen Schulen der Pharisäer, Sadduzäer und Essener aufgesucht und drei Jahre lang das Einsiedlerleben erprobt (mithin als essenischer Mönch gelebt, und er sei in gewisser Weise sogar ein „Zelot“ geworden); doch schließlich mit 19 habe er sich endgültig den Pharisäern – die ja, so „übersetzt“ er seine Karriere wieder allgemeinverständlich, nichts anderes als weithin geachtete Stoiker seien – zugewandt. Anschließend habe er sich politisch engagiert, und zwar folgerichtig für sein Judentum, auch wenn ihn das gegen Rom geführt haben sollte: Er setzte sich nämlich in seiner ersten politischen Mission für jüdische Priester in Rom ein, die wegen eines angeblich nichtigen Deliktes eingekerkert worden seien. Diese Handlung kann sein Leser mit Sympathie nachvollziehen; er ist also genügend vorbereitet, wenn sich Josephus zu dem bekennt, was gravierend war: Er wurde von den Rebellen zum wichtigen Strategen von Galiläa im nun

 Ios. vita  (Übers. Folker Siegert, Heinz Schreckenberg und Manuel Vogel).

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beginnenden Jüdischen Aufstand gegen Rom eingesetzt – als fast 30-jähriger. So ist auch dieser „Karriereschritt“ eingeordnet, und es bleibt die Erkenntnis, die Josephus vermitteln wollte: Nichts war ungewöhnlich an dieser Jugend eines Jungen aus angesehener jüdischer Familie. Diese autobiographische Darstellung¹⁶ der Jugend ist ein Musterbeispiel zielgerichteter sprachlicher Gestaltung – Josephus verschweigt nicht, ja rechtfertigt nicht einmal entschuldigend seine frühere Anti-Rom-Haltung, auch nicht seine dezidierte Anhängerschaft an die radikalen Frommen, aber er formuliert das in der Sprache und mit dem Habitus der römisch-griechischen Elite,¹⁷ macht sich auf eine gewisse Weise seinem Leser „gleich“. Doch formuliert er diese Gleichheit selbstbewusst und gleichsam „in Übersetzung“, nicht entschuldigend, passt sich gerade nicht der herrschenden Kultur schmeichlerisch an, verändert also auch nicht nachträglich seine Identität, sondern macht sie der griechisch-römischen Denkart kompatibel. Damit hebt er seine eigenen Prägungen in der jüdischen Gesellschaft buchstäblich von einer regionalen, „barbarischen“ Stufe (auf die das Judentum an sich gestellt wurde¹⁸) auf die Ebene der Reichselite empor – ein diskursives Verfahren, um unter dem dominanten griechisch-römischem Dach eine eigene, gleichberechtigte Rolle einnehmen zu können. Dieser Diskurs, der formal innerhalb der griechisch-römischen Regeln gestaltet war und doch geeignet schien, außerhalb zu bleiben und die regionale Identität zu wahren, sollte den Eliten verständlich sein und gleichzeitig das Jüdische stärken helfen, ein Verfahren, das Josephus offenbar gewählt hatte, um als Jude nach der Katastrophe zu überleben. Indem Josephus den „kolonialen Diskurs“ selbstbewusst adaptiert und sich innerhalb dieses Diskurses positioniert, kann er seine strategischen Ziele der griechisch-römischen Elite verständlich machen. Dazu müssen wir uns noch einmal vergegenwärtigen, wer denn die Adressaten seiner Autobiographie und überhaupt seiner Schriften waren – denn an diesen Adressaten musste er seine Ziele ausrichten. Wollte er sich für sein eigenes Handeln nach der Gefangennahme durch die Römer rechtfertigen? Dann können nur Juden als sein Publikum angesehen werden – denn Römern musste er das nicht erklären. Oder wollte er auf diese Weise seinen Werdegang einem mit dem Judentum nicht vertrauten Publikum verständlich machen? Dann wäre der

 Insbesondere der Passus Ios. vita  – .  Vgl. zu dieser Strategie im kolonialen Diskurs besonders Homi Bhabha, „Of Mimicry and Man: The Ambivalence of Colonial Discourse“, in: Frederick Cooper / Ann Laura Stoler (eds.), Tensions of Empire. Colonial Cultures in a Bourgeois World, Berkeley et al. ,  – .  Vgl. nur den „Judenexkurs“ bei Tac. hist. ,  –  und die geistreichen Bemerkungen bei Zvi Yavetz, Judenfeindschaft in der Antike, München ,  – , zum Verhältnis Juden und Barbaren.

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Adressat der Schriften zweifelsfrei nicht-jüdisch. Oder gingen seine Ziele noch darüber hinaus (wie es ja das Thema dieses Aufsatzes ist)? Wollte er also festgefügte elitäre Denkstrukturen erodieren und aufbrechen, Grenzziehungen zwischen Völkern und Religionen verwischen, ohne dabei die eigene Identität herabwürdigen zu müssen, und auf diese Weise zum selbstbewussten Vorbild werden, vielleicht sogar die sonst so Sicheren und Überheblichen (möglicherweise ganz konkret: die Griechen) verunsichern?¹⁹ Dann müsste sicherlich eine allumfassende, in gleicher Weise jüdische und nichtjüdische Leserschaft im ost-, vielleicht auch westmediterranen Raum von Josephus angestrebt gewesen sein, wie es letzten Endes mit der Verwendung der griechischen Sprache auch seine Wahrscheinlichkeit hat. Die literarische Konzeption des Josephus wäre in diesem Fall viel weiter zu fassen, als bloß sich verständlich zu machen oder sich zu rechtfertigen; vielmehr wäre sie als eine literarische Überlebensstrategie eines einzelnen jüdischen Priesters zu werten, als eine jener Strategien, die in einer fremdbestimmten, für Juden immer bedrohlichen, ja feindlichen Umwelt die „cultural persistence“ sichern helfen sollten. Das josephische Verfahren, mittels Geschichtsschreibung und Geschichtsdeutung jüdisches kulturelles Überleben nach einem desaströsen Krieg zu sichern, wäre also unter die Kategorien, die Steven Weitzman in seinem bereits zitierten Buch erarbeitet hat, einzuordnen.²⁰ Damit ist der Grund gelegt, um sich dem historiographischen Konzept als Ganzem zuzuwenden.

2 Historiographisches Das Prooemium des ersten Werkes, des Jüdischen Krieges, soll zunächst untersucht werden, denn es vermag die neue (durch die Tempelzerstörung erzwungene) josephische Perspektive, gleichsam die neue „Verflechtung“ (Symploke, um ein von Polybios herrührendes Konzept des Zusammenwachsens des Mittelmeerraumes

 Das wäre nach Ios. c. Ap.  f naheliegend: Denn an dieser Stelle ist es auch die Aufgabe jüdischer Autoren, gegen die hochmütige Missachtung seitens der gerühmten griechischen Schriftsteller, die alle Autorität auf sich vereinen, anzuschreiben; vgl. dazu John M.G. Barclay, „Judean Historiography in Rome. Josephus and History in Contra Apionem Book “, in: Joseph Sievers / Gaia Lembi (eds.), Josephus and Jewish History in Flavian Rome and Beyond, Leiden; Boston ,  – .  Weitzman (wie Anm. ),  – , der neben den militärischen Strategien (die natürlich für Juden nach  erst einmal nicht in Frage kamen) drei Gruppen nennt: „Appeasement and Symbiosis“, „Resistance“ (gemeint hier aber Diplomatie, Guerilla-Taktik etc.), „Flight, Concealment, Deflection“.

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zu einer Einheit zu gebrauchen) zu verdeutlichen. Es wurde in den frühen 70er Jahren, nicht lange nach dem Ende des Krieges verfasst. Dieses Prooemium gibt Auskunft über das, was den Leser im Buch erwartet, auf zwei verschiedenen miteinander verschränkten „Ebenen“ (der wichtige kursiv gedruckte Abschnitt erhält eine besondere Gewichtung und wird weiter unten besprochen): [1] ᾽Επειδὴ τὸν ᾽Ιουδαίων πρὸς ῾Ρωμαίους πόλεμον συστάντα μέγιστον οὐ μόνον τῶν καθ᾽ ἡμᾶς, σχεδὸν δὲ καὶ ὧν ἀκοῇ παρειλήφαμεν ἢ πόλεων πρὸς πόλεις ἢ ἐθνῶν ἔθνεσι συῤῥαγέντων, οἱ μὲν οὐ παρατυχόντες τοῖς πράγμασιν, ἀλλ᾽ ἀκοῇ συλλέγοντες εἰκαῖα καὶ ἀσύμφωνα διηγήματα σοφιστικῶς ἀναγράφουσιν, [2] οἱ παραγενόμενοι δὲ ἢ κολακείᾳ τῇ πρὸς ῾Ρωμαίους ἢ μίσει τῷ πρὸς ᾽Ιουδαίους καταψεύδονται τῶν πραγμάτων, περιέχει δὲ αὐτοῖς ὅπου μὲν κατηγορίαν ὅπου δὲ ἐγκώμιον τὰ συγγράμματα, τὸ δ᾽ ἀκριβὲς τῆς ἱστορίας οὐδαμοῦ, [3] προυθέμην ἐγὼ τοῖς κατὰ τὴν ῾Ρωμαίων ἡγεμονίαν ῾Ελλάδι γλώσσῃ μεταβαλὼν ἃ τοῖς ἄνω βαρβάροις τῇ πατρίῳ συντάξας ἀνέπεμψα πρότερον ἀφηγήσασθαι ᾽Ιώσηπος Ματθίου παῖς ἐξ ῾Ιεροσολύμων ἱερεύς, αὐτός τε ῾Ρωμαίους πολεμήσας τὰ πρῶτα καὶ τοῖς ὕστερον παρατυχὼν ἐξ ἀνάγκης: [7] Καίτοι γε ἱστορίας αὐτὰς ἐπιγράφειν τολμῶσιν, ἐν αἷς πρὸς τῷ μηδὲν ὑγιὲς δηλοῦν καὶ τοῦ σκοποῦ δοκοῦσιν ἔμοιγε διαμαρτάνειν. βούλονται μὲν γὰρ μεγάλους τοὺς ῾Ρωμαίους ἀποδεικνύειν, καταβάλλουσιν δὲ ἀεὶ τὰ ᾽Ιουδαίων καὶ ταπεινοῦσιν: „Der Krieg der Juden gegen die Römer erweist sich als der größte im Vergleich nicht nur mit den Kriegen unserer Zeit, sondern auch mit all denen, von denen wir Kunde überkommen haben, sei es, daß Städte gegen Städte oder Völker gegen Völker losbrachen. Nun haben Leute, die nicht bei den Ereignissen zugegen sind, sondern sie nur nach dem Hörensagen zusammengestellt haben, diesen Krieg in planlosen und widersprechenden Berichten sophistisch beschrieben. Andere aber, die zwar Augenzeugen waren, haben aus Schmeichelei gegen die Römer oder aus Haß gegen die Juden die Tatsachen verfälscht; deswegen enthalten ihre Bücher einerseits Anklage, andererseits Lob, nirgends aber genaue geschichtliche Darstellung. Aus diesem Grunde habe ich, Josephus, Sohn des Matthias, aus Jerusalem, ein Priester, der ich anfänglich die Römer bekämpft und an den späteren Ereignissen notgedrungen teilgenommen habe, mir vorgenommen, denen, die unter römischer Herrschaft leben, in griechischer Übersetzung das darzulegen, was ich schon früher für die innerasiatischen Nichtgriechen in der Muttersprache zusammengestellt und übersandt habe. Trotzdem wagen sie, über diese den Titel „Geschichtswerke“ zu schreiben, in denen sie mir nichts Vernünftiges darzulegen und obendrein den Zweck zu verfehlen scheinen. Sie wollen nämlich die Römer in ihrer Größe darstellen, setzten aber dabei aber die Sache der Juden herab und verkleinern sie.“ ²¹

1. Die erste offen zutage liegende Ebene ist, wie nicht anders zu erwarten, der Inhalt des Werkes (nämlich der Jüdische Krieg von 66 – 70), die Kompetenz seines Autors (der Augenzeuge war), die Kritik an seinen Vorgängern (das Werk ist also notwendig) und die Wahrhaftigkeit (τὸ ἀκριβὲς τῆς ἱστορίας) als höchster Anspruch (Grundsatz aller Historiker).

 Ios. bell. Iud. ,  –  (Übers. Otto Michel und Otto Bauernfeind).

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2. Es gibt eine weitere, zweite, dem allem zugrundeliegende Ebene. Sie ist eher zwischen den Zeilen verborgen und bildet mit einer komplexen Mischung verschiedener Ansätze (man möchte fast von einem „Methodenmix“ sprechen) und einer Universalität das Fundament des Werkes. Auf dieser Ebene liegen die darstellungsleitenden Kategorien ausgebreitet, die in ihrer Gesamtheit das historiographische Konzept bilden bzw. verdeutlichen: – zunächst die unverkennbare universalhistorische Einordnung: So heißt es: Der jüdische Krieg sei „der größte Krieg aller Zeiten“, es ständen sich „Poleis gegen Poleis“, „Ethnien gegen Ethnien“ gegenüber. Es ist also nicht etwa von einem „Aufstand“ eines unzufriedenen, schlecht behandelten oder besonders rebellischen Ethnos innerhalb des Imperium Romanum die Rede. Josephus ordnet diesen Krieg vielmehr einem ganz anderen, globalen Diskurs zu, den seine Leser (die um ihre historiographischen Traditionen Bescheid wissen) sofort mit Thukydides verbinden können, der mit ähnlichen Formulierungen „seinen“, den Peloponnesischen, Krieg als „Weltkrieg“ charakterisiert hatte.²² Wenn Josephus das gleiche mit dem „Jüdischen Krieg“ unternimmt, so befördert er zum einen den Ruhm der Flavier, die diesen Krieg erfolgreich beendet haben; zum anderen aber begibt er sich auf die Diskursebene seiner griechisch-römischen Leserschaft, (ver‐)gleicht sich mit der historiographischen Tradition der griechisch-römischen Elite, um die Bedeutung der Juden als einer starken Minderheit hervorzuheben und auf diese Weise auch das Interesse aller Nichtjuden an einer Integration „auf Augenhöhe“ zu wecken. – sodann das zugrundeliegende historiographische Konzept ²³ des Josephus: Es ist zunächst und allem Anschein nach ein griechisches Konzept. Es arbeitet mit der Begrifflichkeit und der methodischen Gestaltung, wie sie der griechisch-römische Leser kennt. Das aber bedeutet zwangsläufig, dass sich Josephus als jüdischer Autor von den üblichen jüdischen historiographischen Konzeptionen (wie man sie z. B. aus den Königsbüchern der Bibel oder den Makkabäerbüchern erschließen kann) behutsam löst (erkennbar etwa daran, dass JHWH zwar eine durchaus erkennbare, aber doch geringere Rolle spielt²⁴). Josephus greift vielmehr dezidiert griechische Konzeptionen auf, ja mehr noch: er verinnerlicht sie, indem er alle bisherigen Versuche der Dar-

 Thuk. , : In der Erwartung habe er die Erforschung des Peloponnesischen Krieges begonnen, „er werde bedeutend sein und denkwürdiger als alle vorangegangenen“. Vassiliki Pothou (Kiel) arbeitet zur Zeit an einem größer angelegten Vergleich von Flavius Josephus und Thukydides.  Zur jüdischen Geschichtsschreibung in hellenistischer Zeit vgl. Gregory E. Sterling, „The Jewish Appropriation of Hellenistic Historiography“, in: John Marincola (Hg.), A Companion to Greek and Roman Historiography, Oxford , Bd. ,  – .  Anders Sterling, ebd.

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stellung generell und pauschal („die einen“, „die anderen“) als verfehlt abkanzelt (das wird dann später im Text noch explizit ausgeführt). Er vereinnahmt darüber hinaus den Begriff der „Historia“ (seit Herodot²⁵ „Forschung“ über ein Thema aus der Vergangenheit) ganz in der griechischen Tradition stehend für sich, während die methodische Anlage wiederum nach Thukydides klingt. Bemerkenswert ist dabei, wie Josephus sich geradezu selbstverständlich in die herrschende griechisch-römische „geschichtswissenschaftliche“ Tradition einbringt, d. h. er wählt nicht etwa aus vielfältigen Formen eine für sich heraus, sondern er schreibt, als ob nur so Historiographie möglich ist. Damit transformiert er aber die griechisch-römische Historiographie allein durch ihre Nutzung durch ihn selbst für die jüdische Geschichtsschreibung, so dass er der griechischen Tradition die Deutungshoheit streitig machen kann. Im Grunde geht es ihm darum, ein Konzept zu entwickeln, die griechische kulturelle Tradition von den zeitgenössischen (eher judenfeindlichen) Griechen zu unterscheiden.²⁶ Dieses Vorgehen ist sehr subtil auf eine Gleichstellung der Juden und überhaupt anderer Ethnien in der „mediterranenen“, griechisch-römischen Gesellschaft hin ausgerichtet.²⁷ Aber dann kommt plötzlich, fast unerwartet für den fachkundigen Leser, eine programmatische Wendung: [9] Οὐ μὴν ἐγὼ τοῖς ἐπαίρουσι τὰ ῾Ρωμαίων ἀντιφιλονεικῶν αὔξειν τὰ τῶν ὁμοφύλων διέγνων, ἀλλὰ τὰ μὲν ἔργα μετ᾽ ἀκριβείας ἀμφοτέρων διέξειμι, τοὺς δ᾽ ἐπὶ τοῖς πράγμασι λόγους ἀνατίθημι τῇ διαθέσει καὶ τοῖς ἐμαυτοῦ πάθεσι διδοὺς ἐπολοφύρεσθαι ταῖς τῆς πατρίδος συμφοραῖς. [10] ὅτι γὰρ αὐτὴν στάσις οἰκεία καθεῖλεν, καὶ τὰς ῾Ρωμαίων χεῖρας ἀκούσας καὶ τὸ πῦρ ἐπὶ τὸν ναὸν εἵλκυσαν οἱ ᾽Ιουδαίων τύραννοι, μάρτυς αὐτὸς ὁ πορθήσας Καῖσαρ Τίτος, ἐν παντὶ τῷ πολέμῳ τὸν μὲν δῆμον ἐλεήσας ὑπὸ τῶν στασιαστῶν φρουρούμενον, πολλάκις δὲ ἑκὼν τὴν ἅλωσιν τῆς πόλεως ὑπερτιθέμενος καὶ διδοὺς τῇ πολιορκίᾳ χρόνον εἰς μετάνοιαν τῶν αἰτίων. (9) „Ich habe es nun gewiß nicht darauf abgesehen, im Wetteifer mit den Lobrednern der römischen Sache in das Extrem zu fallen und die Partei meiner Volksgenossen herauszustreichen, vielmehr will ich die Taten beider Parteien genau und vollständig berichten. Mit

 Hdt. Prooem. ἱστορίης ἀπόδεξις, was wörtlich „Darlegung seiner Forschung“ heißt. Der Begriff taucht dann wieder bei Aristoteles in der Poetik (Arist. poet. , ) definitorisch auf: διὸ καὶ φιλοσοφώτερον καὶ σπουδαιότερον ποίησις ἱστορίας ἐστιν· ἡ μὲν γὰρ ποίησις μᾶλλον τὰ καθόλου, ἡ δ᾽ ἱστορία τὰ καθ᾽ ἕκαστον λέγει („Deswegen ist die Poesie auch philosophischer und ernsthafter als die Geschichte. Denn die Poesie stellt mehr das Allgemeine, die Geschichte das Einzelne dar“).  Ähnlich auch Tessa Rajak, „Ethnic Identities in Josephus“, in: dies., The Jewish Dialogue with Greece and Rome. Studies in Cultural and Social Interaction, Leiden et al. ,  – .  Einige dieser Aspekte hat auch J. Barclay in einem sehr gedankenreichen Aufsatz vor wenigen Jahren (wie Anm. ) herausgearbeitet.

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dem aber, was ich zu den Ereignissen zu sagen habe, bringe ich der Lage und meinen Leiden ein Opfer, und ich mache mir das Zugeständnis, über die Schicksalsschläge, die meiner Heimat widerfahren sind, klagen zu dürfen. (10) Denn innere Zwietracht hat sie gestürzt; wer die Hand der Römer gegen deren Willen zum Eingreifen nötigte und das Feuer auf den Tempel fliegen ließ, das waren die Tyrannen der Juden. Zeuge dafür ist der, der das Zerstörungswerk vollbrachte, der Kaiser Titus selbst, der während der ganzen Dauer des Krieges mit dem von den Aufständischen im Bann gehaltenen Volke Mitleid hatte, ja vielmals aus eigenem Antrieb die endgültige Erstürmung der Stadt hinausschob und die Belagerungszeit ausdehnte, damit die Schuldigen ihren Sinn noch ändern könnten.“²⁸

Meine Darstellung, so meint Josephus, kann freilich nicht frei von Gefühlen sein! Was sich wie ein Schlag für jeden Thukydidisten ausnimmt, ist ein geschickter Schachzug: Denn Josephus gelingt es, mit diesem urplötzlichen Dreh – nämlich von einem nur am ἀκριβές, an der erforschten Wahrheit orientierten Historiker zum parteilichen, weil gefühlsmäßig betroffenen Schriftsteller eines Ereignisses, das seinem Volk so viel Leid beschert hat – Sympathie, Mitleid, ja Verständnis für die Besiegten, damit auch für die Aufrührer und nicht zuletzt sich selbst zu gewinnen. Damit liegt hier eine captatio benevolentiae, die die Stimmung beider Lesergruppen, der elitären griechisch-römischen wie der „kolonisierten“, untertänigen, jüdischen, günstig beeinflussen sollte. Diese Mischung zweier eigentlich nicht zusammengehender Methoden, einer akribisch genauen und einer dramatisch-poetischen, macht die Darstellung nicht nur „lesbarer“ (im Vergleich etwa zum Vorbildhistoriker Thukydides, der darauf keinen Wert legte), sondern auch umfassender, weil sie die Darstellung um die Perspektive des persönlich Betroffenen erweitert.²⁹ – damit kommt schließlich, drittens, eine besondere Multiperspektivität der Darstellung hinzu: Das Buch Jüdischer Krieg ist ja als ein allgemeingültiges Werk gedacht, nicht als eine Huldigung an die Herren und Sieger, wie man etwa durch die griechische Sprache vermuten könnte. Damit ist genauer auf die mit dem programmatischen medialen Aorist προυθέμην (wörtl. „stellte ich definitiv vor mich hin“) Periode einzugehen. [3] προυθέμην ἐγὼ τοῖς κατὰ τὴν ῾Ρωμαίων ἡγεμονίαν ῾Ελλάδι γλώσσῃ μεταβαλὼν ἃ τοῖς ἄνω βαρβάροις τῇ πατρίῳ συντάξας ἀνέπεμψα πρότερον ἀφηγήσασθαι ᾽Ιώσηπος Ματθίου παῖς ἐξ ῾Ιεροσολύμων ἱερεύς, αὐτός τε ῾Ρωμαίους πολεμήσας τὰ πρῶτα καὶ τοῖς ὕστερον παρατυχὼν ἐξ ἀνάγκης:

 Ios. bell. Iud. ,  f (Übers. Otto Michel und Otto Bauernfeind).  Vgl. auch Fausto Parente, „The Impotence of Titus, or Flavius Josephus’s Bellum Iudaicum as an Example of „Pathetic“ Historiography“, in: Sievers / Lembi (wie Anm. ),  – .

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„Aus diesem Grunde habe ich, Josephus, Sohn des Matthias, aus Jerusalem, ein Priester, der ich anfänglich die Römer bekämpft und an den späteren Ereignissen notgedrungen teilgenommen habe, mir vorgenommen, denen, die unter römischer Herrschaft leben, in griechischer Übersetzung das darzulegen, was ich schon früher für die innerasiatischen Nichtgriechen in der Muttersprache zusammengestellt und übersandt habe.“³⁰

Eine bemerkenswerte „Hybridität“ verbindet die Geschichtsdarstellung des Krieges mit ihrem Autor, der seinerseits eine komplexe, verschiedenste Einflüsse in sich vereinigende Persönlichkeit ist. Sechs verschiedene Perspektiven werden angeführt, und sie werden eingeleitet mit dem unverrückbaren Statement eines Autors, der nach langer reiflicher Überlegung sein Konzept vorstellt. Es ist nun wichtig, die Formulierungen der Periode in der Reihenfolge des griechischen Textes zu untersuchen, weil sie auch in einer durchkomponierten Reihenfolge auftauchen, die die Übersetzung von Michel / Bauernfeind nicht einhält: – „denen, die im Imperium Romanum leben“ (τοῖς κατὰ τὴν ῾Ρωμαίων ἡγεμονίαν) als eine klare Umschreibung der Adressaten innerhalb des Römischen Reiches als eines mediterranen Raumes (also nicht einer jüdischen Leserschaft in Mesopotamien etwa), aber natürlich ist das Werk an alle im Reich lebenden Menschen, ob Römer, Griechen oder Juden, adressiert. – „in griechischer Übersetzung“ (῾Ελλάδι γλώσσῃ μεταβαλὼν); eine Sprache wird also verwendet, die die Eliten dieses Reiches sprechen oder zumindest verstehen konnten; darüber hinaus ist es die Koine des östlichen Mittelmeerraumes. – „das darzulegen, was ich schon früher für die asiatischen Nichtgriechen in der Muttersprache zusammengestellt und übersandt habe“ (ἃ τοῖς ἄνω βαρβάροις τῇ πατρίῳ συντάξας ἀνέπεμψα). Die Übersetzung von der Muttersprache in das Griechische wird hier bestätigt und hervorgehoben; mit ihr will Josephus den Text ausdrücklich in den Diskurs der Eliten übertragen, einen Text, von dem er aber allen bekannt machen möchte, dass er genauso an die ἄνω βαρβάροι geschickt worden war – gewiss zur Steigerung des Ruhmes (wegen der Mehrsprachigkeit), aber auch um seine auctoritas bei den Lesern in der Auseinandersetzung um die Deutungshoheit des Krieges zu steigern. – „ich Josephus ein Priester aus Jerusalem“ (᾽Ιώσηπος … ἐξ ῾Ιεροσολύμων ἱερεύς). Der Autor präsentiert sich noch einmal als „Priester aus Jerusalem“; es liegt ihm daran, diesen Titel plakativ vor sich her zu tragen, damit jeder Leser seine Identität bei der folgenden geschichtlichen Analyse mitbedenkt. Doch ist die Priesterschaft nur ein, wenn auch gewichtiger Teil seiner Identität:

 Ios. bell. Iud. ,  (Übers. Otto Michel und Otto Bauernfeind).

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„und der ich selbst zuerst gegen die Römer gekämpft habe“ (αὐτός τε ῾Ρωμαίους πολεμήσας τὰ πρῶτα). Zusammen mit dem letzten Punkt steckt in diesem Kolon die Hybridität einer Persönlichkeit und einer Biographie im Imperium Romanum, nämlich die hybride Kombination eines Untertanen und gleichzeitig eines Angehörigen der „Kolonialherren“, konkret: des Juden und des Römers. „und an den späteren Ereignissen aus Zwang teilgenommen habe“ (καὶ τοῖς ὕστερον παρατυχὼν ἐξ ἀνάγκης). Dieser Status zwang ihn teilzunehmen an dem Krieg, nicht freiwillig, sondern ἐξ ἀνάγκης; auch das ist sicher eine captatio benevolentiae. Denn als kriegslüstern will er natürlich nicht gelten.

Mit diesem differenzierten Konzept, bestehend aus einer Mischung regionaler und globaler Elemente, gelingt es Josephus, einen gescheiterten jüdischen Aufstand (der ja formal kein Krieg gegen einen äußeren Feind war) umzuinterpretieren und ihn zu einem das ganze Imperium interessierenden Ereignis zu machen. Er wertet damit die sich in ihrem Handeln in nichts von Aufständischen unterscheidenden Juden auf, und dies ganz unabhängig von den Kriegsursachen. Hilfreich war – das ist nicht zu bestreiten –, für die Verwirklichung und Durchführung dieses historiographischen Konzepts, dass er mit einer derartigen Deutung dem an militärischer Legitimation interessierten Kaiserhaus der Flavier entgegenkam. Angesichts eines eklatanten Mangels an außenpolitischen Erfolgen musste die flavische Dynastie diesen Krieg gegen die Juden zu einer auswärtigen Glanzleistung umdeuten. Josephus half ihnen dabei, denn er macht den Krieg ja zu dem größten aller Kriege. Aber die Strategie des Josephus geht weit darüber hinaus: In dem oben analysierten Satz liegt, wie ich meine, das Gesamtkonzept des Werkes vor uns: Die ersten drei Punkte (nach dem griechischen Text) benennen ein universelles Publikum als Adressat in absteigender Richtung (Römer, Griechen, Barbaren – es gibt also keine speziellen Adressaten), die letzten drei Punkte den „hybriden“, vielfältig verwickelten und verflochtenen Autor (jüdischer Priester, Gegner Roms, Kenner Roms). Dementsprechend ist das Werk selbst auch nicht einseitig, es gibt weder einen Rom-Zentrismus, noch einen Jerusalem-Zentrismus, sondern eine global ausgerichtete Geschichtsschreibung mit regionaler Orientierung, die nach Osten hin (allerdings in einer anderen Sprache, damit auch in anderer Form) schon kommuniziert wurde und jetzt, ins Griechische übertragen (mit diskursiven Veränderungen, so wird man die Partizipialkonstruktion μεταβαλών als eine sinngemäße Übertragung auffassen müssen), auch für den westlichen Mittelmeerraum ihre umfassende Gültigkeit behält. Eine solche Konstruktion mit einer weitgespannten Leserschaft und der Herausstellung der eigenen Kompetenz ist auf Glaubwürdigkeit ausgerichtet. Nicht zu bestreiten ist

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natürlich – um das noch einmal zu betonen –, dass Josephus damit den Interessen des Kaiserhauses der Flavier sehr entgegenkam. Aber warum schrieb Josephus so, wie er schrieb? Was wollte er erreichen? Seine Vorgehensweise ist gewiss ungewöhnlich, aber sie war nicht ganz neu. Auch die griechischen „Untertanen“ hatten nach einer ähnlich dramatischen Zäsur (168 v.u.Z.: Niederlage des makedonischen Königs Perseus gegen die Römer in der Schlacht bei Pydna) unter anderem mit literarischen Strategien³¹ an ihrer neuen, ungewohnten Rolle in einem Imperium Romanum gearbeitet. Am Anfang stand Polybios³², der Geschichtsschreiber aus Megalopolis auf der Peloponnes (ca. 200 – 120 v.u.Z.): Er schrieb eine Römische Geschichte als Weltgeschichte aus der Perspektive eines Untertanen; es handelte sich dabei um eine Geschichte der römischen Expansion des „langen Jahrhunderts“ vom Ersten Punischen Krieg bis zur Zerstörung Korinths und Karthagos (264 – 146 v.u.Z.), und ihm folgten andere. Sie taten das vermutlich auch aus keinem anderen Grunde, als um ihre kulturelle Identität in einem römisch gewordenen Universum zu wahren. Und das blieb nicht ganz ohne Erfolg: Die Griechen wurden in ihrer Besonderheit bekanntlich von Rom und seiner Elite akzeptiert. Den griechischen Autoren war es im Wesentlichen darum gegangen, die Grenzziehungen zwischen den römischen Herren und ihren griechischen Untertanen aufzuheben, wie am deutlichsten bei Plutarch und seinen Parallelbiographien zu ersehen ist – in diesem Werk werden historische griechische Persönlichkeiten unverblümt auf eine gleiche Ebene wie die herrschenden Römer gestellt: Demosthenes und Cicero, Agesilaos und Pompeius oder Alexander der Große und Caesar – so lauten nur die bekanntesten der von Plutarch zusammengefügten Paarungen. Diese Strategie hatte letzten Endes – und das ist ein Ausweis ihres Erfolges – eine bemerkenswerte Rückwirkung auf die römische Zentrale, wie man an hellenophilen Kaisern wie Nero oder Hadrian deutlich erkennen kann. Dass Josephus ebenfalls das Ziel hatte, das „System“ Imperium Romanum so zu verändern, dass es „seinen“ Juden einen darin gesicherten und akzeptierten Platz geben könnte, gewinnt vielleicht gerade durch den oft in seinem Werk durchscheinenden kompetitiven, bisweilen sogar „anti-griechischen“ Charakter an Wahrscheinlichkeit. Bisweilen scheint uns Josephus sagen zu wollen:

 Vielleicht wird dieser Aspekt zu gering von Fergus Millar, „Polybius between Greece and Rome“, in: ders., The Greek World, the Jews, and the East, Chapel Hill ,  – , eingeschätzt, der Polybios dezidiert als Gegner Roms beurteilt; das war er vor der Zäsur / ganz sicher, unter dem Zwang der Verhältnisse wurde er jedoch universalistischer.  Einen interessanten Vergleich zwischen Josephus und Polybios, die sehr ähnliche Ausgangslagen hatten, zieht Erich S. Gruen, „Polybius and Josephus on Rome“, in: Bruce Gibson / Thomas Harrison (Hgg.), Polybius and his World. Essays in Memory of F. W. Walbank, Oxford ,  – .

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„Die Griechen sind doch auch nicht besser als wir: Warum stehen die so gut im römisch beherrschten Mediterraneum?“ Josephus scheint sich geradezu vorgenommen zu haben, es dahin zu bringen, dass „seine“ Juden es mit den Griechen aufnehmen konnten, um eine ähnliche Akzeptanz bei den Römern erreichen zu können. Hieraus erklärt sich die Spannung zwischen seinem bisweilen antigriechischen Wettbewerbskonzept und seiner Hochschätzung griechischer Kultur.

3 Methodisches Diese Konstruktion also, die auf die gleichberechtigte Einbeziehung der jüdischen Gemeinden (denn wenn auch Palästina und Jerusalem im Mittelpunkt stehen, so lässt doch Josephus die Diaspora-Gemeinden nicht aus dem Blick) abzielt, hat eine zentrale Voraussetzung: Sie geht von einer (durch die Zäsur erzwungene) Akzeptanz der aktuellen Verhältnisse aus, ja mehr noch: sie geht von einer Idee der aktiven Integration in diese Ordnung aus. Das Imperium Romanum wird jetzt als unbestreitbare, im Wortsinne: „unbekämpfbare“ Realität angenommen,³³ Josephus selbst kommentiert diese Realität aber nicht, schon gar nicht, wie Tessa Rajak meint, negativ.³⁴ Er lässt allerdings namhafte, politisch handelnde Persönlichkeiten an verschiedenen Stellen in seinem Werk darüber reden, und er nutzt auch in dieser Hinsicht traditionelle Ausdrucksmöglichkeiten der griechischen Historiographie. Und erneut wird man an Thukydides erinnert, für den Reden ein historiographisch bedeutsames Mittel waren, um Authentizität herzustellen, selbst wenn jeder Leser wissen mochte, dass sie so, wie sie aufgeschrieben wurden, nicht gehalten worden sind.³⁵ Eine besonders eindrückliche Rede ist diejenige Agrippas II., des herodianischen Klientelfürsten, mit der er in einer gewaltigen Schau der Machtmittel des Imperium Romanum vom Krieg gegen Rom abrät: Dieser römischen Dominanz, das ist seine Botschaft, kann man nicht entgehen, schon gar nicht als Juden. Neben dieser möchte ich eine weitere, für diesen Zusammenhang wichtige Rede etwas genauer diskutieren. Beide stehen an

 Diesen Aspekt bringt insbesondere die umfängliche, das Imperium minutiös in seinen Machtmitteln beschreibende Rede Agrippas II. bei Ios. bell. Iud. ,  –  zum Ausdruck, auf die gleich einzugehen ist.  Vgl. Rajak (wie Anm. ), darin v. a. Teil II: Josephus,  – .  Thuk. , , : „Wie aber meiner Meinung nach jeder einzelne über den jeweils vorliegenden Fall am ehesten sprechen mußte, so sind die Reden wiedergegeben unter möglichst engem Anschluß an den Gesamtsinn des wirklich Gesagten“. So könnte auch Josephus seinen Umgang mit Reden im Werk kommentiert haben. Das thukydideische Vorbild gab ihm die Rechtfertigung für sein Vorgehen und gleichzeitig sicherte es ihm die Akzeptanz seiner Leser.

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durchaus zentraler Stelle im Werk des Josephus, sind sehr umfangreich (auch darin vergleichbar dem Vorbild Thukydides) und werden in gleicher Weise prorömischen wie projüdischen Männern in den Mund gelegt: Dem schon genannten Herodes-Ur-Ur-Enkel Agrippa II. und dem Universalhistoriker und Herodes-Berater Nikolaus von Damaskus, der die innerjüdischen Verhältnisse in Judäa ebenso gut kannte wie die Strukturen des Kaiserhofs und des Imperium Romanum. Ich möchte allerdings diese Reden nur in Bezug auf die hier im Blick stehende Thematik kurz und schematisch analysieren.³⁶

3.1 Die Rede Agrippas II.³⁷ kurz vor Ausbruch des Jüdischen Krieges Vor dem großen Krieg gegen Rom wurde nach Josephus noch einmal alles mobilisiert, um den als aussichtslos eingeschätzten Aufstand zu verhindern. Agrippa und seine Schwester Berenike, die beiden jüdischen Fürsten, versuchten in Jerusalem das Unmögliche. Agrippa hielt eine lange Rede, um die Kriegsstimmung zu dämpfen, und Josephus hat sie in aller Ausführlichkeit wiedergegeben.³⁸ Denn sie ist eine Beschreibung einer Welt, die ein einheitlicher Organismus ist, deren Teile alle verflochten miteinander und Rom untertan sind.³⁹ Vorangestellt sei die Gliederung der Rede, die man in drei große Blöcke einteilen kann. – Einleitung (345 – 7): Bitte um Gehör in einer aufgewühlten Gesellschaft – Partitio (die Themen, die Agrippa ansprechen will: 348 f.) – I. Widerlegung der Motive der Aufständischen (350 – 360) – die jüdischen Anklagen gegen die römischen Statthalter, der Kampf um die Freiheit, historische Argumentation: Alle Völker haben ihre Freiheit eingebüßt – II. Die Erfolgsaussichten des Krieges sind null und nichtig (361– 395): mit drei Schwerpunkten: a) die Macht der Römer über die ganze Welt, mit Völkerliste in allen drei Erdteilen; b) die nicht vorhandenen jüdischen Bundegenossen; c) Gottes ausbleibende Unterstützung – III. Die gravierenden Konsequenzen eines Krieges (396– 401): a) alle Juden der Welt sind in Gefahr; b) der Tempel wird zerstört; c) die Römer schonen euch nicht

 Gliederungen von Reden können oftmals viel besser die Absichten des Redners offenlegen, als es inhaltliche Zusammenfassungen tun.  Ios. bell. Iud. ,  – .  Die Forschung zu dieser Rede ist umfänglich; vgl. dazu und zum Zusammenhang die luziden Bemerkungen von Julia Wilker, Für Rom und Jerusalem. Die herodianische Dynastie im . Jahrhundert n. Chr., Frankfurt/M. ,  – .  Pol. , ,  und , , .

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Das Kernargument, das sehr gut in die literarische Strategie des Josephus passt, ist, dass Freiheit und Autonomie keine Rolle zu diesem Zeitpunkt (vor dem Krieg – um wieviel stärker muss das nach 70 gelten?) mehr spielen, dass sie überhaupt keine gültigen politischen Kategorien mehr darstellen.⁴⁰ Sie waren es zwar einmal, als die Welt noch vielgestaltig war, jetzt aber sei die Welt zusammengewachsen und gehe es nur noch um eine gerechte und gleiche Behandlung aller. Da lässt Agrippa dann solche Sätze fallen wie: „Nichts lässt die Schläge eher aufhören als geduldiges Tragen“ und „Das Stillehalten der Opfer führt zu einer Wandlung der Peiniger“. Diese Rede ist demnach sicherlich alles andere als eine Werbung für die Vorzüge des Imperium Romanum, denn „Myriaden von Völkern, auch erfüllt mit dem tiefen Verlangen nach Freiheit (Eleutheria verbunden mit „Redefreiheit“, Parrhesia), haben sich gebeugt – und ihr Juden allein wollt es für nicht erträglich halten, denen zu dienen, denen sich die Welt unterworfen hat?“ Und dann folgt eine gewaltige Völkerliste des Universums, des Imperium sine fine,⁴¹ das zu einer Einheit zusammengewachsen sei – ohne, wie Agrippa betont, „den Nachdruck bewaffneter Gewalt“ (χωρὶς ὅπλων), „ohne Besatzung“ (gemeint ist: ohne den Druck durch die römischen Legionen); selbst die viel besser von der Natur geschützten Thraker oder Gallier haben sich der römischen Dominanz gebeugt, nicht aus Feigheit oder Ehrlosigkeit, sondern weil es die Tyche so vorgesehen habe – Agrippa argumentiert nach heutiger Lesart damit, dass man die Realität nicht ignorieren könne, nicht einmal Gott könne das (wie Agrippa § 390 andeutet). Und diese Realität sage auch: Wenn die Juden zu den Waffen greifen wollten, dann stünden sie alleine da, ja alle Welt sei dann gegen sie; letztlich hänge also ihre Rettung wieder von den Römern ab. Dass hinter den Kernaussagen dieser Rede Josephus selbst steht und dass sie auch seine eigene Auffassung, nur noch radikaler, als er das könnte, präsentiert, ergibt sich z. B. aus den späteren Reden im Werk, die er selbst in Jerusalem gehalten hat, um die Aufständischen zur Aufgabe zu bewegen.⁴² Was jedoch als Botschaft auch deutlich wird, ist, dass in dieser vereinheitlichten mediterranen Welt jedes Volk zwar seine politische Autonomie zwangsläufig verlieren muss, aber dabei trotzdem seine jeweiligen Eigenarten erhalten kann, wenn es sich den Realitäten anpasst. Mit dieser Sicht der Dinge kann Josephus erreichen, dass die wohlmeinenden Juden aus dem Debakel gelernt

 Wilker (wie Anm. ), , sieht zu Recht die Forderung nach Freiheit in der Rede nicht als etwas „grundsätzlich Verwerfliches, sondern als unzeitgemäß“.  Dazu jetzt die historische Einordnung dieser Junktur in die Politik der späten Republik und frühen Kaiserzeit bei Christian Wendt, Sine fine. Die Entwicklung der römischen Außenpolitik von der späten Republik bis in den frühen Prinzipat, Berlin .  Ios. bell. Iud. ,  – .

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haben. Einer gleichberechigten Aufnahme in das römische Universum stehe damit nichts im Wege.

3.2 Die Rede von Nikolaus von Damaskus⁴³ zur „Verteidigung“ der ionischen Juden Ein anderer Blick auf das allumfassende Imperium Romanum und die Rolle der Juden in diesem wird in einer Rede des Nikolaus von Damaskus geworfen, die Josephus in die Jüdischen Altertümer eingefügt hat und inhaltlich sicher glaubwürdig ist,⁴⁴ weil sie aus dem Bericht des Nikolaus selbst rekonstruiert ist. Diese, vielleicht nichtjüdische, aber einflussreiche Persönlichkeit war lange Zeit als Berater des Herodes (König in den Jahren 40 – 4 v.u.Z.), danach als Schriftsteller tätig. Im Jahre 15 v.u.Z. befand er sich in der Entourage Agrippas (des Augustus-Freundes und Mit-Princeps) auf dessen Reise in den Osten des Imperiums und vertrat die Interessen der jüdischen Gemeinden in Kleinasien, die sich in ihren Rechten von den griechischen Poleis bedroht fühlten. Diese jüdischen Gemeinden reichten deshalb ihre Klagen offiziell bei Agrippa ein, der den Vorwürfen zusammen mit seinem „Freund“ Herodes nachging.⁴⁵ Das Plädoyer von Nikolaus in einem nun wohl in Ephesus abgehaltenen prozesshaften Verfahren hatte den Tenor, die Juden als vollwertige Untertanen anzuerkennen und ihre Rechte (zur freien Religionsausübung) zu respektieren. Seine Rede ist zweigeteilt: Im ersten Teil (§§ 31– 47) wird der griechische Angriff auf die Juden gleichgesetzt mit einem Angriff auf Rom, im zweiten Teil (§§ 48– 57) behandelt sie die perfekte Einbindung des Herodes in die römische Reichsbildung. Vorangestellt sei wieder die Gliederung der Rede des Nikolaus: I

Der Angriff der Polisbürger auf die Juden ist ein Angriff auf Rom (31– 47) 1. Er ist ungerecht: a) gegen die Juden, b) gegen Rom, c) gegen alle Untertanen. (31– 40) 2. Die jüdische Religion a) steht nicht gegen Rom, b) ist nicht menschenfeindlich, c) ist nicht abgesondert, d) ist geprägt von tiefer Gottesverehrung im alltäglichen Leben, e) ist uralt.

 Ios. ant. Iud. ,  – .  Das ist auch die Auffassung des größten Teils der wissenschaftlichen Forschung; als pars pro toto Abraham Schalit, König Herodes. Der Mann und sein Werk, Berlin , : „Uns scheint es, daß die Grundgedanken des uns vorliegenden Textes teils der Rede des Nikolaos, wie sie wirklich gehalten wurde, teils den Memoiren des Herodes entnommen sind“.  Zu der Reise und der Rolle des Herodes Ernst Baltrusch, Herodes. König im Heiligen Land, München ,  – .

„Kein Stein auf dem anderen“ (Mk 13, 2)

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3.

II

Der griechische Angriff ist a) pure Willkür, b) gegen die römische Ordnung gerichtet. 4. Fazit: Die Forderung der Juden gilt unbedrohter Rechtssicherheit⁴⁶ Die römische Reichspolitik (48 – 57) 1. ist allgemein auf Wahrung der „Menschenrechte“ bedacht („Ihr bewahrt nicht nur unsere, sondern die Rechte – τὰ ὄντα – aller Menschen“: 49) 2. profitiert im Besonderen von der Politik des prorömischen Königs Herodes (50 – 57): a. das Wohlwollen, die Zuverlässigkeit, Loyalität, Hilfsbereitschaft des Herodes; b. seine Akzeptanz bei den Juden c. seine Anerkennung durch Agrippa (Jerusalem-Besuch) d. sein Einsatz für die Rechte der Juden.

Die jüdischen Belange müssen, so die Botschaft des Nikolaus, nicht der Juden wegen, sondern der Römer wegen gewahrt werden. Denn: Die Interessen des Imperium Romanum stehen – daran lässt Nikolaus nie einen Zweifel – über allem. Worauf es aber in diesem Zusammenhang ankommt: Nikolaus betont die Identität von jüdischem und römischem Interesse gegen die Griechen. Wenn also die Griechen die jüdischen Rechte in den Poleis beschneiden, handeln sie antirömisch. Das ist gewiss auch die Auffassung des Josephus, jedenfalls fügt sie sich gut in seine Konzeption ein. Nikolaus argumentiert mit dem römischen Interesse an der Zufriedenheit seiner Untertanen. Er verbindet darin das römische Modell einer „imperialen Mission“ (die in dem Glück der Untertanen bestehen soll) mit Rechtsgründen (die den Juden erteilten Privilegien unter Caesar und Augustus). Nikolaus geht in seiner Angleichung noch weiter als Josephus selbst (wenn man so sagen kann); er setzt Gott sogar in den Plural: Die Juden könnte man aller Dinge berauben, nur nicht ihrer Riten für „die Götter, an die sie glauben“ (τοῖς νομιζομένοις θεοῖς),⁴⁷ und die Römer brächten allen Völkern „Glück“ (Eudaimonia). Aber dieses System funktioniere nur unter zwei Bedingungen: Es müsse unterschiedslos für alle gelten, und jedes Volk müsse seine eigene, von den Vätern übernommene Politeia bewahren dürfen. Die jüdische Ordnung wird von Nikolaus dem römischen Machthaber Agrippa als eine dezidiert gerechte präsentiert, alle noch so unverständlichen und merkwürdigen Einrichtungen seien uralt und dienten zu nichts anderem als dazu, „sich nicht zu verfehlen“ (43); die griechische  Am Rande sei vermerkt, dass die Forderungen der Juden nie auf die Verleihung des Bürgerrechts ausgerichtet waren; es ging immer nur um die Gleichberechtigung der jüdischen Gemeinden mit dem Polisbürgertum.  Ios. ant. Iud. , .

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Verweigerung dagegen sei „unautorisiert“ (αὐτεξούσιον αὐτοῖς ist ein seltenes, zumeist bei Späteren vorkommendes Wort). Auch hier findet man den josephischen Ansatz, die jüdische Religion kompatibel und in gewisser Hinsicht „gleich“ zu machen mit der griechisch-römischen Vorstellungswelt und dabei gleichzeitig die heute lebenden Griechen als entfremdet von ihren eigenen kulturellen Traditionen hinzustellen. Beide Reden, diejenige Agrippas II. und diejenige des Nikolaus, sind nicht als Auffassungen des Josephus zu interpretieren – das wäre so verfehlt, wie wenn man die Leichenrede des Perikles oder den Melierdialog als Abbilder der thukydideischen Vorstellungen interpretierte. Sie stellen aber die Welt als ein Universum dar, in das viele Einzelteile integriert wurden, und (unter den Römern) auch werden mussten und konnten. Vielleicht handelte es sich beim Imperium Romanum um ein „pluriverses“ Universum, aber das Universum, das Nikolaus und Agrippa hier präsentierten, war kein polyzentrisches Universum. Josephus wollte es so, weil er keine andere Möglichkeit sah, wie das Judentum als Judentum im mediterranen Kontext – einen anderen konnte es nicht mehr geben, so hatte es Agrippa II. ausgedrückt – überleben konnte.

Fazit So fügt sich der josephische Umgang mit dem zerstörten Tempel gut in sein historiographisches Konzept ein. Josephus ignorierte bis zu einem gewissen Grad die Zerstörung des jüdischen Tempels und trat damit der drohenden Konsequenz entgegen, dass die Römer mit dem Tempel auch die jüdische Religion beseitigt sehen wollten. Wenn er den Tempel aber als unverzichtbar und lebendig präsentierte, deshalb in seiner Größe, seinen vielfältigen Formen und in seiner alles überstrahlenden Pracht pries, ganz so als ob er noch stände, und dies in einer sprachlichen Gestaltung, die griechisch-römische Leser beeindrucken musste, dann ist dieses Verfahren zu jenen „arts of the weak“ zu rechnen, die kulturelles Überleben sichern sollten: M. E. ist unter diesem Blickwinkel Josephus zu lesen, in seinem Bestreben nämlich, die jüdische Religion und das Judentum im Imperium Romanum nach einer schrecklichen Katastrophe zu bewahren. Jedes seiner vier Werke hatte dabei eine spezifische Funktion in diesem Projekt, das Judentum „gleich“ und kompatibel zu machen, „gleich“, weil es am Krieg keine Schuld trug, weil es uralt (älter jedenfalls als die zu seiner Zeit vorherrschenden mediterranen Kulturen), stabil und zuverlässig war, und weil es die Kardinaltugenden verkörperte, und „kompatibel“, weil es sich in vielerlei Hinsicht nicht von den prägenden Ideen der griechisch-römischen Kultur unterschied und deshalb einen gleichberechtigten Platz in der mediterranen Gesellschaft beanspruchen konnte. Gewis-

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sermaßen eine römisch-jüdische Symploke war es, was Josephus in Analogie zu dem griechisch-römischen Vorbild im Sinne haben musste. Er war durch die Zäsur des Jahres 70 (oder 67) geprägt, hatte die entsprechenden Lehren gezogen und sich die griechische Begrifflichkeit selektiv angeeignet, um das Jüdische in diese regelrecht zu übertragen, zu übersetzen. Dadurch konnte er sich neue Handlungsmöglichkeiten erschließen und damit auch Antworten für die alles beherrschende Frage, wie jetzt jüdisches Leben im römischen Imperium überhaupt vorstellbar sei, geben. Die frühere politische Vielfalt des Mittelmeerraumes war definitiv, das wusste Josephus nach 70, zu einem römisch dominierten Universum geworden, wie Agrippa II. nachdrücklich formuliert. Aber es war ein Universum, das in vielerlei Hinsicht seine Vielfalt bewahrt hatte, und in diesem Universum sollten alle verschiedenen Teile gleich sein, daher auch die jüdischen Gemeinden nicht schlechter gestellt sein als die anderen; das war der Tenor der Nikolaus-Rede. Josephus selbst repräsentierte diese Vielfalt in seiner Person, und diese nutzt er für seine Ziele. Im Mittelpunkt blieb sein Jude- und Priester-Sein, daran rüttelt er nicht; aber er erhöht damit seine Kompetenz und seine Autorität als Historiker, auch weil es ihm gelingt, sich persönlich mit dieser Herkunft und Erziehung auf die Ebene der „kolonialen“ Elite zu heben. Möglicherweise hatte Josephus das von den Griechen selbst und ihren Erfahrungen bei dem erzwungenen Eintritt in das Imperium Romanum seit 168 v.u.Z. gelernt: Denn auch die griechischen Autoren wie Polybios, Dionysios von Halikarnaß oder später Plutarch hatten selbstbewusst mit ihrer „höheren Kultur“, mit dem Alter ihrer Politeia, mit ihrer Geschichte und mit dem Einbringen ihrer Kompetenz argumentiert, und diesem Konzept war ja ein Erfolg beschieden gewesen, ein so großer Erfolg, dass selbst römische Kaiser wie Nero oder Hadrian zu „Philhellenen“ wurden. Vielleicht erstrebte Josephus etwas Vergleichbares. Dass die jüdische Religion und Kultur anders war, bestreitet Josephus nicht, aber sie war nicht völlig wesensfremd, schon gar nicht menschenfeindlich.⁴⁸ Im Gegenteil, er versuchte die Kompatibilität zwischen der mediterranen und der jüdischen Politeia zu vermitteln. Damit hatte Josephus eine Strategie entwickelt, die, wie die folgenden Jahrzehnte zeigten, die Parameter der Realität – denn die Herrschaft der Römer auch über die Juden war ja eine Realität – teilweise aushebelte und auch nicht ganz erfolglos war; bekanntlich lebte ja das Judentum trotz Tempelzerstörung weiter, so sehr sich spätere Eiferer wie Johannes Chrysostomos auch mühten, gerade dieses Datum, die Tempelzerstörung, zum Endpunkt der „alten“, der jüdischen Religion zu machen.  Diesem Nachweis ist die Schrift Gegen Apion in zwei Büchern gewidmet. Darin setzt er sich bezeichnenderweise mit den absurden Vorwürfen der griechischen Judenfeinde auseinander, um dann im Abschluss seine Vision einer perfekten Theokratie als Idealtyp antiker Verfassungsdiskurse zu präsentieren.

Nach der Tempelzerstörung Die gens Flavia und die Juden* Christopher Weikert (Bamberg) Blickt man in das vierte Esrabuch, eine jüdische Apokalypse, die nach einhelliger Meinung um das Jahr 100 u.Z. abgefasst wurde, so findet man dort das Bild von Rom als Feind und Bedrücker Israels. In einer Aktualisierung des berühmten Daniel-Orakels von den vier Weltreichen erscheint das römische Imperium als viertes, letztes und schlimmstes in der Gestalt eines vielflügeligen Adlers mit drei Köpfen. Der Deuteengel erklärt dem Seher das Bild und führt aus, dass die drei Häupter den Frevel des letzten Weltreiches auf den Höhepunkt bringen werden.¹ Die Adlerköpfe stehen für die drei flavischen Kaiser Vespasian, Titus und Domitian; der Höhepunkt aller vorstellbaren Frevel ist die Zerstörung Jerusalems und des Jüdischen Tempels. Dessen Zerstörung hat in einer Vielzahl von antiken jüdischen Schriften zu demselben Urteil geführt – Teile der modernen Wissenschaft haben es übernommen: Die Flavier zeichneten sich durch eine besondere Judenfeindschaft aus oder, um es mit der Sprache des jüdischen Apokalyptikers zu sagen, sie sind diejenigen, die „uns“ – die Juden – hassen.² In diesem Beitrag wird das Verhältnis der gens Flavia zu den Juden untersucht. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere der Aufstieg des flavischen Geschlechts im Vierkaiserjahr, der zeitlich mit dem Krieg in Iudaea zusammenfiel. Diskutiert werden die Selbstdarstellung der flavischen Kaiser über ihren Sieg in Iudaea und ihr Umgang mit den Juden. Da Vespasian und Titus persönlich an den Kampfhandlungen teilnahmen, werden sie gemeinsam behandelt, während Domitian, der diese Provinz nie betrat, gesondert besprochen wird.

* Eingehende Behandlung mit ausführlicher Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur findet das Thema in meiner Dissertation Von Jerusalem zu Aelia Capitolina. Die römische Politik gegenüber den Juden von Vespasian bis Hadrian, Göttingen .  Esra , ; zur Datierung des Werkes Gerbern S. Oegema, Apokalypsen. Einführung zu den Jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Gütersloh , .  Esra , . DOI 10.1515/9783110410051-007

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1 Vespasian und Titus 1.1 Aufstieg und Herrschaftsdarstellung Im Jahr 66 u.Z. brach in Iudaea ein nationaler Aufstand gegen die Besatzungsmacht Rom aus, zu dessen Niederschlagung Kaiser Nero den General T. Flavius Vespasianus als Oberkommandierenden entsandte. Sein gleichnamiger ältester Sohn begleitete ihn als Legionslegat. Sueton zufolge waren neben Vespasians Tüchtigkeit seine niedrige Herkunft und sein unbekannter Name Auswahlkriterien:³ Nero glaubte, sich auf die Loyalität des Aufsteigers aus einfacher Familie verlassen zu können und vertraute ihm deswegen das Kommando über den großen Heeresverbund im Osten des Reiches an. Ab der zweiten Hälfte des Jahres 67 regte sich jedoch zunehmend Widerstand gegen Nero, was zu dessen Flucht und Selbstmord führte. Im Verlauf der folgenden Bürgerkriege herrschten in Rom mit Galba, Otho und Vitellius drei sehr unterschiedliche Kaiser: Während Galba gerade wegen seiner altadeligen Abkunft als geeigneter Nachfolger der mit Nero ausgestorbenen iulisch-claudischen Dynastie galt, gelangte mit Otho ein Mann an die Spitze des Staates, der lediglich ehemaliger Prätor war und kein Konsulat bekleidet hatte. Die römische Gesellschaft erlebte dadurch eine Erosion der Erwartungen an den ersten Mann im Staat. Vespasian machte schließlich als Usurpator gegen Vitellius seine Ansprüche geltend und trug nach einem blutigen Bürgerkrieg den Sieg davon. Nachdem Vespasian die Macht erlangt hatte, musste er diese langfristig sichern und ein positives Bild seiner Person zeichnen. Das Legitimationsdefizit, das Vespasian als homo novus und Usurpator zu Beginn seiner Herrschaft hatte, gießt Sueton in die Formel, dass ihm noch auctoritas und maiestas fehlten.⁴ Da es keinesfalls opportun war, sich als Sieger eines Bürgerkrieges zu gerieren, rückte der Erfolg in Iudaea in den Mittelpunkt der flavischen Selbstdarstellung. Die Maßnahmen sind bekannt und können deswegen in Kürze umrissen werden: Im Jahr 71 feierte Vespasian mit seinem Sohn Titus, der für die letzte Etappe des Krieges in Iudaea verantwortlich zeichnete, einen gemeinsamen Triumphzug. Mit verschiedenen Münzserien wurde des Sieges gedacht, darunter mit der berühmten Iudaea capta-Serie, die in den Jahren 71, 72, 73 und 77– 78 emittiert wurde.⁵ In Rom entstand eine architek-

 Suet. Vesp. , .  Suet. Vesp. , ; Tac. hist. , ,  spricht von der ambigua fama Vespasians.  RIC .,Vesp. Nr. , , , ,  – ,  – ,  – , ,  – ,  f, , , , , , , , ,  f, ,  f,  f, vgl. Ian Carradice, „Flavian Coinage“, in: William E. Metcalf (ed.), The Oxford Handbook of Greek and Roman Coinage, Oxford ,  – , hier . Ein jüngst publizierter Aureus aus frühflavischer Zeit mit der sofort

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tonische Erinnerungslandschaft, die den flavischen Erfolg monumentalisierte: Gebaut wurden Triumphbögen, das aus der Kriegsbeute finanzierte Kolosseum und das templum pacis.⁶ Die neue Dynastie veranschaulichte so ihre Leistung für Rom und kompensierte damit ihren Mangel an Prestige. Die Erinnerung an den Bürgerkrieg wurde durch Nichtthematisierung in den Hintergrund gedrängt, während gleichzeitig in innenpolitischen Diskussionen die Legitimität der neuen Dynastie gegenüber dem letzten Iulio-Claudier Nero abgesichert wurde. Die Bedeutung des judäischen Sieges ist für Titus etwas detaillierter zu skizzieren: Auch wenn die Darstellung seiner Person in den Quellen verzerrt ist, da er als positive Folie für die negative Charakterisierung seines Bruders Domitian dient, ist hinreichend ersichtlich, dass Titus bei seinem Regierungsantritt über keinen besonders guten Ruf verfügte.⁷ Unter den verschiedenen Maßnahmen zu seiner Imageverbesserung nahm die Darstellung seiner in Iudaea erlangten militärischen virtus eine besondere Rolle ein. Mit seinem Regierungsbeginn wurde die Prägung der Iudaea capta-Legende wieder aufgenommen;⁸ im Circus Maximus errichtete man ihm zu Ehren einen Bogen, weil er – nach Ausweis der Inschrift – das bisher noch nie unterworfene jüdische Volk besiegt und Jerusalem zerstört hatte.⁹ Diese unwahre Aussage ist propagandistisch veranlasste Geschichtsklitterung: In gebildeten römischen Kreisen ist mindestens das Wissen um die Einnahme Jerusalems durch Pompeius vorauszusetzen. Das wohl noch zu Lebzeiten Vespasians abgefasste Proömium der Argonautica des Valerius Flaccus verdeutlicht, wie gerade Titus mit dem Feldzug in Iudaea verbunden wurde, nämlich als fackelschleudernder Held vor Jerusalem. Da der Dichter, passend zu seinem nautischen Thema, Vespasian als erfolgreicheren

wieder unterdrückten, weniger drastischen Legende Iudaea recepta verdeutlich die propagandistische Absicht dieser Münzen, vgl. Gil Gambash / Haim Gitler / Hannah Cotton, „Iudaea recepta“, in: Israel Numismatic Research  (),  – . Zur Herausstellung des Titus nach dem Fall Jerusalems im Jahr  vgl. Gunnar Seelentag, „Spes Augusta. Titus und Domitian in der Herrschaftsdarstellung Vespasians“, in: Latomus  (),  – , hier  – .  Fergus Millar, „Last Year in Jerusalem. Monuments of the Jewish War in Rome“, in: Jonathan Edmondson / Steve Mason / James Rives (eds.), Flavius Josephus and Flavian Rome, Oxford ,  – ; Werner Eck, „Rom und das jüdische Volk. Orte der Niederlagen und triumphale Erinnerung“, in: Elke Stein-Hölkeskamp / Karl-Joachim Hölkeskamp (Hgg.), Erinnerungsorte der Antike, München ,  – , hier  – .  Suet. Tit. , .  RIC ., Tit. Nr. , ,  – ,  – , .  CIL .  = ILS : quod […] gentem Iudaeorum domuit et urbem Hierosolymam omnibus ante se ducibus, regibus, gentibus aut frustra petitam aut omnino intemptatam delevit.

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Seefahrer als Iulius Caesar feiert, wird klar, dass sich zwar für diesen, nicht aber für Titus andere panegyrisch verklärbare Taten finden ließen.¹⁰ Hinsichtlich der öffentlichen Darstellung von Vespasian und Titus spielte der Feldzug in Iudaea für beide eine zentrale Rolle und wurde paradigmatisch als erbrachter Erweis der virtus von Vater und Sohn angeführt.

1.2 Maßnahmen gegenüber den Juden Nachdem Jerusalem im Spätsommer des Jahres 70 gefallen war, beschloss Titus, den Winter im Osten des Reiches zu verbringen und erst im nächsten Jahr nach Rom zurückzukehren. Die Zeit verbrachte er mit Siegesfeierlichkeiten und Inspektionsreisen,wobei er sich auch zweimal im syrischen Antiochia aufhielt, einer Stadt mit einer großen jüdischen Gemeinde. Während des judäischen Krieges war es dort zu verschiedenen Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und Juden gekommen. Als Titus das erste Mal in Antiochia Station machte, baten ihn die Bürger, die Juden aus der Stadt zu vertreiben. Nach Josephus hörte sich Titus diese Bitte ohne weitere Reaktion an, sodass die Juden in Angst gerieten und wohl auf das Schlimmste gefasst waren. Bei seinem zweiten Aufenthalt traten die Antiochener abermals mit derselben Bitte an Titus heran, wobei der Caesar diesmal explizit ablehnte. Dadurch noch nicht völlig entmutigt, wagten die Bürger einen neuerlichen Vorstoß; Josephus schreibt: „Sie hielten es nämlich für angemessen, daß er wenigstens die Erztafeln, auf denen die Rechte der Juden eingegraben waren, vernichten lasse. Aber auch dazu gab ihnen Titus freilich keinerlei Genehmigung, sondern beließ für die Juden Antiochiens alles in demselben Stand wie zuvor und brach dann nach Ägypten auf.“¹¹

Der Bericht des Josephus ist aufschlussreich: Konflikte zwischen Diasporajuden und den Bürgern der Städte, in denen sie lebten, sind aus dem griechischen Osten bekannt. Die Vertreter der römischen Ordnungsmacht hatten unter den iulischclaudischen Kaisern in der Regel die jüdischen Privilegien gesichert, die ihnen von

 Val. Fl. ,  – , dazu Paul Dräger, C. Valerius Flaccus: Argonautica / Die Sendung der Argonauten. Lat.-dt., herausgegeben, übersetzt und kommentiert, Frankfurt/M. ,  f.  Ios. bell. Iud. , : τὰς γὰρ χαλκᾶς ἠξίουν δέλτους ἀνελεῖν αὐτὸν, ἐν αἷς γέγραπται τὰ δικαιώματα τῶν ᾽Ιουδαίων. Οὐ μὴν οὐδὲ τοῦτο Τίτος ἐπένευσεν αὐτοῖς, ἀλλ᾽ ἐάσας πάντα κατὰ χώραν τοῖς ἐπ᾽ ᾽Αντιοχείας ᾽Ιουδαίοις ὡς πρότερον εἶχον εἰς Αἴγυπτον ἀπηλλάττετο; Übers.: Otto Michel / Otto Bauernfeind; vgl. Ios. ant. Iud. ,  zum jüdischen Öl-Privileg, das Mucian aufrecht erhielt; John M. G. Barclay, Jews in the Mediterranean Diaspora, Edinburgh ,  – .

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Caesar und Augustus gewährt worden waren. Nach dem judäischen Krieg und vor allem mit dem Beginn der neuen Dynastie herrschte wieder eine offene Situation. Die Antiochener spekulierten darauf, dass sie die Vertreibung der Juden aus ihrer Stadt unter den neuen Herrschern erreichen könnten; auch den Juden schien dies im Bereich des Möglichen zu liegen. Nach dem abschlägigen Bescheid des Titus wurde die Aufhebung der inschriftlich festgehaltenen Rechte der Juden ebenso erfolglos eingefordert. Es ergibt sich daraus, dass sich die Flavier an der augusteischen Politik gegenüber den Juden orientierten und keine neuen Akzente setzten. Natürlich ist Josephus tendenziös und weist, wo er kann, auf den Schutz der Juden durch die römischen Kaiser hin. Trotzdem scheint er nach Auffassung der Forschung die Grundlinien wahrheitsgetreu wiederzugeben.¹² In den antiquitates – also in domitianischer Zeit – greift Josephus abermals die Haltung von Vespasian und Titus zu Forderungen nach dem Entzug jüdischer Privilegien in Antiochia und zusätzlich in Alexandria auf, ohne seine Darstellung aus dem bellum Iudaicum abändern zu müssen.¹³ Trotz der generellen Orientierung von Vespasian und Titus an den Linien der augusteischen Politik gegenüber den Juden darf nicht die wichtigste Ausnahme vergessen werden, die Einführung der Judensteuer. Diese ist zunächst als eine Umleitung der mit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels obsolet gewordenen jüdischen Tempelabgabe in eine römische Kasse zu deuten. Die Übernahme bestehender Steuern durch Rom war üblich. Peter Schäfer schreibt in seiner vielgenutzten Geschichte der Juden in der Antike: „[Die Steuer] bedeutete weniger eine finanzielle Belastung – die Tempelsteuer betrug zwei Drachmen – als vielmehr eine unerhörte und entmutigende Demütigung für die torahtreuen ‚Frommen‘.“¹⁴

Ohne den erniedrigenden Aspekt in Zweifel zu ziehen, gilt es doch, diese Feststellung genauer zu prüfen. Nähere Einsicht in die Praxis der Steuereinziehung geben Quittungen aus dem ägyptischen Apollinopolis Magna, dem heutigen Edfu. Üblicherweise wird dieser lokale Befund aus Ägypten in der Forschung verall-

 Miriam Pucci Ben Zeev, Jewish Rights in the Roman World. The Greek and Roman Documents Quoted by Josephus Flavius, Tübingen ,  und ; vgl. Tessa Rajak, „Document and Rhetoric in Josephus. Revisiting the ‚Charter‘ for the Jews“, in: Shaye Cohen / Joshua Schwartz (eds.), Studies in Josephus and the Varieties of Ancient Judaism, Leiden; Boston ,  – , hier  f.  Ios. ant. Iud. , ; Barclay (wie Anm. ), .  Peter Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike. Die Juden Palä stinas von Alexander dem Großen bis zur arabischen Eroberung, Tübingen . durchges. Aufl.  [], .

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gemeinert und auf das gesamte Reich übertragen, da die Judensteuer eine von der Reichszentrale auferlegte Abgabe war. Aus den Steuerquittungen ergibt sich, dass die Judensteuer ab dem zweiten Regierungsjahr Vespasians veranschlagt wurde und damit ab dem Jahr der Tempelzerstörung fällig war. Die Kontinuität zu ihrer Vorgängerabgabe war so gegeben, auch wenn der Einzug etwas später einsetzte.¹⁵ Hinsichtlich des Steuerbetrages gab es keine wesentliche Veränderung. Er betrug wie die Abgabe an den Jerusalemer Tempel einen Halbschekel beziehungsweise den entsprechenden Betrag in anderen Währungen: zwei attische Drachmen oder zwei römische Denare, in Ägypten acht lokale Drachmen. Kleinere dokumentierte Aufschläge müssen und können an dieser Stelle nicht diskutiert werden; sie ändern nichts an der Erkenntnis, dass sich die Höhe der Judensteuer an der ehemaligen Tempelsteuer orientierte.¹⁶ Die Gruppe der steuerpflichtigen Personen wurde allerdings im Vergleich zur jüdischen Tempelabgabe erheblich erweitert. Den Halbschekel hatten der biblischen Regelung zufolge lediglich Männer im Alter von zwanzig bis fünfzig Jahren nach Jerusalem zu entrichten.¹⁷ Die Quittungen aus Edfu lassen es zwar nicht zu, präzise Altersgrenze der neuen Judensteuer zu fixieren, geben aber beredt über eine massive Vermehrung der Zahlungspflichtigen Auskunft. Es ist klar, dass nun auch Frauen und Kinder zur Steuerzahlung herangezogen wurden und die Abgabe bereits ab einem Alter von drei Jahren geleistet werden musste. Die Altersobergrenze lag sicher über sechzig Jahren, ist jedoch, falls sie existierte, nicht näher zu bestimmen.¹⁸ Gerade für ärmere, kinderreiche Familien stellte sie eine erhebliche zusätzliche Abgabeverpflichtung dar. Die Bemerkung von Schäfer, die Judensteuer habe keine finanzielle Belastung dargestellt, ist nicht aufrecht zu erhalten. Victor Tcherikover, der die Quittungen für die Judensteuer herausgegeben hat, hat eine Prosopographie der zahlenden Personen erstellt. Dabei weist er auf die auffällige Kinderarmut der von ihm erfassten Familien hin und äußert die Vermutung, dass diese auch mit der Judensteuer zusammenhängen könnte.¹⁹ Da der Befund kaum repräsentativ ist, muss das eine Hypothese bleiben. Die finanzielle Mehrbelastung durch die Judensteuer ist jedoch nicht zu unterschätzen. Über Vespasians Gründe für die Umleitung und Modifikation der jüdischen Tempelsteuer kann letztendlich zwar nur spekuliert werden, allerdings drängt sich ein Bezug zu seiner allgemeinen Finanzpolitik auf. Das Motiv seiner Habgier

 Victor Tcherikover / Alexander Fuks, Corpus Papyrorum Judaicarum,  Bde., Cambridge, Mass.  – , Bd. ,  f.  Ebd.,  f.  Ex ,  – , vgl. Phil. spec. leg. , , Mt ,  und Ios. ant. Iud. , .  Silvia Cappelletti, The Jewish Community of Rome, Leiden , .  Tcherikover / Fuks (wie Anm. ), Bd. , .

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ist durch das sprichwörtliche „Geld stinkt nicht“ noch heute präsent.²⁰ Auch wenn keine konkreten Zahlen über die römische Haushaltslage nach dem Vierkaiserjahr vorliegen, kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Bürgerkrieg mit den schnell wechselnden Kaisern die finanziellen Ressourcen des Reiches erheblich dezimiert und vielleicht völlig erschöpft hatte.Vespasian war zu Einsparungen und zu einer Sanierungspolitik gezwungen. Als Beispiel kann auf Alexandria verwiesen werden, wo Vespasian zu Beginn seiner Herrschaft erstmals in einer Weltmetropole als neuer Kaiser gefeiert wurde und wo er der antiken Überlieferung zufolge als Wundertäter wirkte.²¹ Im Serapistempel der Stadt erhielt er ein günstiges Orakel für seine Herrschaft. Cassius Dio berichtet, dass die Alexandriner deswegen auf Belohnung durch Vespasian gehofft hatten; stattdessen jedoch habe der neue Kaiser zusätzliche Abgaben von ihnen erhoben, was ihn in der Stadt verhasst machte. Dio schreibt: „Denn erstens trieb er von ihnen bedeutende Summen auf verschiedene Weise ein, wobei er keine Quelle übersah, mochte sie alltäglicher oder selbst anrüchiger Art sein, vielmehr aus jeder schöpfte, gleichermaßen aus geistlicher wie weltlicher, [wenn sie nur Geld erbrachte]; er erneuerte aber auch zahlreiche Abgaben, die in Vergessenheit geraten waren, erhöhte viele herkömmliche und führte überdies noch weitere ein.“²²

Wenn es ums Geld ging, kannte Vespasian offensichtlich weder Freund noch Feind. In der Regel fanden sein Geiz und seine Habgier kaum Verständnis und wurden ihm von den Zeitgenossen als seine größten Fehler ausgelegt und verspottet. Differenzierter urteilt schließlich Sueton, nachdem er sich zunächst über die Sparsamkeit des Kaisers ereifert hatte: Die Engpässe in den Kassen hätten Vespasian auch zur unlauteren Geldbeschaffung gezwungen; die eingetriebenen Mittel habe er zum Staatswohl eingesetzt.²³ Vor diesem Hintergrund betrachtet scheint die Einführung der Judensteuer in erster Linie unter die vielen Maßnahmen zur Sanierung der römischen Kassen zu gehören. Vespasian schreckte nicht einmal davor zurück, die Privilegien der einflussreichen Bürgerschaft Alexandrias anzutasten; um wie viel leichter war es

 Suet.Vesp. , ; zu Vespasians Finanzpolitik Barbara Levick, Vespasian, London,  – .  Christopher Weikert, „Aufstieg und Legitimation der Flavischen Dynastie in den Jahren  –  n.Chr.“, in: Margit Linder u. a. (Hgg.), Religion und Herrschaft in der Antike, Graz ,  – , hier  – .  Cass. Dio , , : πολλὰ μὲν γὰρ καὶ ἄλλως παρ᾽ αὐτῶν ἐξέλεξε, μηδένα πόρον, μηδὲ τὸν τυχόντα μηδ᾽ εἰ ἐπαίτιός τις ἦν, παραλείπων, ἀλλὰ καὶ ἐκ τῶν ὁσίων πάντων καὶ ἐκ τῶν ἱερῶν ὁμοίως χρηματιζόμενος· πολλὰ δὲ καὶ τέλη τὰ μέν τινα ἐκλελειμμένα ἀ̓νενεώσατο, τὰ δὲ καὶ νομιζόμενα προσεπηύξησε, καινά τε ἕτερα προσκατ-εστήσατο; Übers. Otto Veh; vgl. Suet. Vesp. , .  Suet. Vesp. , .

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dagegen, die Steuerschraube bei dem gerade besiegten Volk der aufständischen Juden anzuziehen. Wegen der verbreiteten jüdischen Diaspora war das Vorgehen zudem lukrativ, da mit erheblichen Einnahmen zu rechnen war. Dass dabei auch viele nicht am Aufstand beteiligte Diasporajuden quasi einer Kollektivstrafe unterworfen wurden, scheint weder Vespasian noch den antiken Autoren Kopfzerbrechen bereitet zu haben.²⁴ Die Tatsache, dass die ehemalige jüdische Tempelabgabe nun von Rom in verschärfter Form eingezogen und wohl zunächst für den Wiederaufbau des Kapitolstempels eingesetzt wurde, wird von den Juden als Demütigung empfunden worden sein. Allein aus flavischer Sicht war dies nicht die Hauptintention. Mit dem Entzug von Privilegien beziehungsweise der Nichtgewährung des kaiserlichen Schutzes zur Ausübung der jüdischen Bräuche hätte man diese schwerer treffen können. Darum ging es aber nicht. Titus’ Vorgehen in Antiochia und Alexandria zeigt, dass sich auch die flavische Dynastie an den seit Caesar und Augustus bestehenden Linien gegenüber den Juden orientierte, allerdings die Chance nutzte, auch zum finanziellen Profiteur der Zerstörung des Jerusalemer Tempels zu werden.

2 Domitian In der Tradition der griechisch-römischen Geschichtsschreibung wird Domitian unter die „schlechten“ Kaiser gerechnet. Die ältere Forschung ist diesem Urteil zum Teil ohne Widerspruch gefolgt. Gegen diese Auffassung hat sich jedoch auch eine Position etabliert, die Domitian rehabilitiert und viele der antiken Vorwürfe relativiert. Deswegen finden sich sehr unterschiedliche Urteile über den letzten Flavier, wenn man die Sekundärliteratur zu ihm betrachtet.²⁵ Beispielhaft sei auf die Diskussion um eine domitianische Christenverfolgung verwiesen. Eusebius von Caesarea zählt in seiner Kirchengeschichte Domitian als zweiten Christenverfolger nach Nero und trägt die ihm zugänglichen Traditionen dazu zusammen. Eusebius bedient sich dabei eines frühen Argumentationsmusters der christlichen Apologetik, das nur den pessimi principes, also den Feinden Roms, ein Vorgehen

 Gil Gambash, „Foreign Enemies of the Empire: The Great Revolt and the Roman Perception of the Jews“, in: Scripta Classica Israelica  (),  – , hier  –  vermutet, dass die Judensteuer „only religious Jews“ auferlegt wurde, also denen, die den Halbshekel an den Tempel bezahlt hatten: Da die jüdischen Priester den Aufstand aktiv unterstützten, hätte Rom die Zahler als Tempelabgabe wegen ihrer fehlenden Loyalität zum römischen Staat bestraft; die Judensteuer sei mit einer Reparationsleistung vergleichbar.  Jens Gering, Domitian, dominus et deus? Herrschafts- und Machtstrukturen im Römischen Reich zur Zeit des letzten Flaviers, Rahden ,  –  bietet einen aktuellen Forschungsüberblick.

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gegen die Christen zuschreibt.²⁶ Wie Jörg Ulrich gezeigt hat, handelt es sich weitgehend um Unterstellungen; Eusebius hatte kaum ausreichend Material, um eine Christenverfolgung unter Domitian schlüssig zu belegen und kann nicht einmal einen einzigen Märtyrer nennen.²⁷ Für Domitians Haltung zu den Juden liegen nicht viele Zeugnisse vor, dafür wurden diese umso kontroverser diskutiert. Allgemein gilt Domitian in der Forschung als judenfeindlich.²⁸ Im Folgenden wird zunächst untersucht, in welchem Ausmaß sich Domitian Bildern mit Bezug auf die Juden oder den judäischen Krieg für seine Außendarstellung bedient hat, und schließlich, welche Maßnahmen er gegen die Juden veranlasste.

2.1 Die Juden in der Selbstdarstellung des letzten Flaviers Bisweilen wird Domitian der Vorwurf gemacht, er habe Darstellungen der besiegten Juden über den Tod seines Vaters und Bruders hinaus übermäßig genutzt und reproduziert und sei so mitverantwortlich für die gründliche Verankerung dieses negativen Bildes im Kopf vieler Römer. Es stellt sich die Frage, warum er sich solcher Darstellungen bedienen sollte, wenn nicht aus eigener Ablehnung des jüdischen Volkes, da er persönlich keinen Anteil am Krieg in Iudaea gehabt hatte. Bis heute überliefert der Titusbogen auf dem Forum Romanum am nachhaltigsten die Erinnerung an den römischen Sieg über die Juden. Sein berühmtestes Relief zeigt den Triumphzug aus dem Jahr 71 und die Präsentation der wichtigsten Beutestücke: den Schaubrottisch, goldene Trompeten und den Siebenarmigen Leuchter. Obwohl seine Datierung nicht immer unumstritten war, hat sich spätestens mit der Publikation von Michael Pfanner der Konsens durchgesetzt, dass das Bauwerk in frühdomitianischer Zeit entstand und anlässlich der Konsekration des Titus dediziert wurde.²⁹ Pfanner weist insbesondere darauf hin, dass Domitian am meisten von der Errichtung des Bogens profitierte: Titus’ Divinisierung – aus  Jörg Ulrich, „Euseb. HistEccl III  –  und die Frage nach der Christenverfolgung unter Domitian“, in: Zeitschrift für Neutestamentliche Wissenschaft  (),  – , hier ; zur Traditionsbildung der Verfolgerkaiser Dieter Timpe, „Domitian als Christenfeind und die Tradition der Verfolgerkaiser“, in: Jörg Frey / Stefan Krauter / Hermann Lichtenberger (Hgg.), Heil und Geschichte, Tübingen ,  – , hier  – .  Ulrich (wie Anm. ), , vgl. Timpe (wie Anm. ), .  E. Mary Smallwood, „Domitian’s Attitude toward the Jews and Judaism“, in: Classical Philology  (),  – , hier  f; Margaret H. Williams, „Domitian, the Jews and ‚Judaizing‘: A Simple Matter of Cupiditas and Maiestas?“, in: Historia  (),  – , hier ; Brian W. Jones, The Emperor Domitian, London , .  Michael Pfanner, Der Titusbogen, Mainz ,  f; vgl. Gering (wie Anm. ), .

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Domitians Sicht ein Akt der pietas – fand eine für alle sichtbare Monumentalisierung im Zentrum Roms. Domitian hatte die Regierung von seinem früh und plötzlich verstorbenen Bruder zwar ohne Widerstände übernehmen können, allerdings war er in dessen Regierungszeit weniger deutlich als Nachfolgekandidat herausgestellt worden als etwa Titus unter der Ägide des Vaters. Anders als Titus hatte Domitian nicht die tribunizische Amtsgewalt innegehabt oder, wie er selbst wünschte, sich durch ein militärisches Kommando auszeichnen können. Es lag für ihn daher zunächst nahe, sich als legitimen Nachfolger der beiden flavischen Kaiser zu inszenieren, die – nach ihrer Darstellung – so viel für Rom geleistet hatten. Auf Domitian, nun divi filius und divi frater, strahlten der Ruhm und das Ansehen seiner gens ab.³⁰ Die Bildwahl für den Titusbogen erklärt sich dadurch, dass der judäische Triumph die größte Leistung im Leben des Titus war. Verwunderung und unterschiedliche Interpretationen hat in der Vergangenheit ein römischer Münztyp mit der Iudaea capta-Legende ausgelöst: Avers erscheint auf der Münze aus dem Jahr 85 die Büste Domitians, revers eine auf dem Boden kauernde Iudaea neben einem Tropaion und einem stehenden römischen Soldaten.³¹ Viele Forscher weisen darauf hin, dass der Triumph über Iudaea einen erstaunlich hohen Stellenwert im flavischen Rom selbst noch unter Domitian genoss.³² Andere haben dagegen den historischen Wert dieses Typs bestritten.³³ Erstaunlich ist die Darstellung der Iudaea capta auf einer domitianischen Münze in jedem Fall, da der jüngste Flavier während der Herrschaft seines Vaters – im Einklang mit der historischen Faktenlage – keinen offiziellen Anteil am Sieg über die Juden zugesprochen bekommen hatte.³⁴ Ein kurzer Blick in die Publikationsgeschichte ist deswegen nötig: Die beiden althistorischen Referenzkataloge, die Roman Imperial Coinage (1. Auflage) und der Katalog des British Museum geben beide Henry Cohens Verzeichnis der römischen Kaisermünzen aus dem

 Plin. paneg. , .  RIC , Dom. Nr.  = BMCRE , Dom. Nr. *.  Martin Goodman, Rome and Jerusalem. The Clash of Ancient Civilizations, London , ; vgl. Cappelletti (wie Anm. ), ; Jerzy Cielcielag, „Anti-Jewish Policy of the Roman Empire from Vespasian until Hadrian, in the Light of Numismatic Sources. Fact or Myth?“, in: Israel Numismatic Research  (),  – , hier ; Edward M. Zarrow, „Imposing Romanisation: Flavian Coins and Jewish Identity“, in: Journal of Jewish Studies  (),  – , hier ; und Gambash (wie Anm. ), .  M. Weisbrem, „Do the Coins of Domitian Minted in Palestine belong to the ‚Judaea Capta‘ Series?“, in: Israel Numismatic Bulletin  (),  f; Yaakov Meshorer, Jewish Coins of the Second Temple Period, Tel-Aviv ,  f; vgl. auch Bernhard Overbeck bei Werner Stenger, „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist …!“. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung zur Besteuerung Palästinas in neutestamentlicher Zeit, Frankfurt/M. ,  Anm. .  Seelentag (wie Anm. ),  f.

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19. Jahrhundert als ihre Quelle an. Cohen selbst übernahm die genannte Münze aus dem Katalog des Museo Numismatico Lavy in Turin, fügte ihr allerdings die Bemerkung bei, dass es sich um eine hybride handeln könnte.³⁵ Dieser Hinweis findet sich jedoch nur in der Publikation des British Museum und nicht in der RIC. Die Problematik dieses Einzelstücks ist also nicht in jedem Fall sofort ersichtlich gewesen. Die Neuauflage der RIC von Ian Carradice und Theodore Buttrey aus dem Jahr 2007 hat mittlerweile für Klarheit gesorgt und verzeichnet den Typ nicht mehr. In der Konkordanz zur Erstauflage findet sich die Bemerkung, dass es sich um eine nie verifizierte Fälschung handelt. Die Diskussion um die römische Iudaea captaPrägung Domitians erübrigt sich damit: Im Jahr 85 stand der Germanensieg des letzten Flaviers thematisch im Mittelpunkt der Münzprägung, ohne dass abermals an den Sieg in Iudaea erinnert worden wäre.³⁶ Weiter soll noch ein Blick auf vier provinziale Münztypen Domitians aus Iudaea geworfen werden, die nach Meinung von David Hendin neben anderen zumindest ein Echo von Iudaea capta geben: Auf ihnen tauchen ohne Iudaea capta-Legende Bilder auf, die auf jener Serie zu finden waren.Vespasian erscheint mit dem Palmzweig, der Judäa symbolisiert, auf einer Gründertypmünze von Caesarea; die Darstellung des Titus in militärischer Kleidung sowie die Prägung von Victoria verweisen auf einen militärischen Sieg.³⁷ Es kann sich hierbei in der Tat nur um Anspielungen auf den flavischen Erfolg über die Juden handeln. Dies gilt auch für eine Münze mit Victoria, da Domitian ohne den Siegerbeinamen Germanicus erscheint: Alle vier Typen sind vor seinem Germanienfeldzug geprägt worden. Obwohl Hendins Beobachtungen richtig sind, ist meines Erachtens ein anderer Aspekt bei der Interpretation der Münzen noch stärker zu betonen als das Aufgreifen der Iudaea capta-Motivik: Im Gegensatz zu den Iudaea capta-Serien, die den Sieg über die Juden feierten, dominiert auf diesen Münzen die dynastische Komponente. Domitian verweist auf die Verdienste und Leistungen seiner gens, durch die seine eigene Position als Herrscher legitimiert wird. Interessant ist übrigens, dass Titus mit dem militärischen Sieg in Iudaea verbunden wird, während Vespasian im zivilen Kontext als Koloniegründer Caesareas erscheint. Den späteren Provinzmünzen Domitians aus Iudaea fehlt diese dynastische Komponente: Das avers in der Titulatur erscheinende divi filius weicht

 Henry Cohen, Description historique des monnaies frappées sous l’empire Romain communèment appelées médailles impériales, Paris . Aufl.  – , Bd. ,  Nr.  = C. Filippo Lavy, Museo Numismatico Lavy. Descrizioni Delle Medaglie Romane, Turin ,  Nr. .  RIC ., ; Carradice (wie Anm. ),  f.  RPC ,  Nr.  –  mit David Hendin, „Echos of ‚Judaea Capta‘. The Nature of Domitian’s Coinage of Judea and Vicinity“, in: Israel Numismatic Research  (),  – ; vgl. auch Zarrow (wie Anm. ),  – . Geprägt wurden die Münzen wohl in Caesarea; alternativ werden sie als Münzen der Kolonie Caesarea gedeutet, vgl. RPC ,  f.

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dem Siegerbeinamen Germanicus und auf den Reversen gedenkt der Kaiser seiner eigenen militärischen Siege. Zusammenfassend kann man feststellen, dass Domitian kurz nach seinem Regierungsantritt durchaus Bilder mit Bezug auf den Triumph über die Juden verwendet hat, nämlich auf dem Titusbogen und auf Provinzmünzen aus Iudaea. Anders aber als bei seinem Vater und Bruder stand dabei nicht der militärische Aspekt im Mittelpunkt, sondern die dynastische Verbindung Domitians als Ausweis seiner eigenen Legitimation. Nach seinem Germanienfeldzug spielten diese Darstellungen keine Rolle mehr und auch im Jahr 85 wurden keine Münzen geprägt, die nochmals an die Niederlage der Juden erinnerten.

2.2 Maßnahmen gegenüber den Juden Im nächsten Punkt ist ein Blick auf Domitians Politik gegenüber den Juden zu werfen. Zunächst ist auf den harten Einzug der Judensteuer einzugehen. Sueton schreibt: „Besonders hart wurde die Judensteuer eingetrieben. Zu ihrer Zahlung wurden diejenigen herangezogen, die entweder wie Juden lebten, ohne sich dazu zu bekennen, oder jene,welche die ihrem Volke auferlegten Zahlungen nicht geleistet hatten, da sie ihre Herkunft verheimlichten. Ich erinnere mich, daß ich als ganz junger Mann dabei war, als von einem Prokurator und seinen zahlreich versammelten Ratgebern bei einem 90jährigen nachgeprüft wurde, ob er beschnitten sei.“³⁸

Die Interpretationen zu dieser Passage sind Legion; ihre Problematik kann hier nur knapp angerissen werden.³⁹ Der harte Einzug der Steuer kann sich nicht auf eine Erhöhung der Abgabe beziehen, weil das durch die ägyptischen Steuerquittungen nicht dokumentiert ist. Da zudem aus Suetons römischer Perspektive die Juden, die ihre Herkunft verbergen, als Steuerbetrüger erscheinen, weil sie ein ihnen auferlegtes tributum nicht bezahlten, kann auch das nicht das Zentrum

 Suet. Dom. ,: Praeter ceteros Iudaicus fiscus acerbissime actus est; ad quem deferebantur, qui vel[ut] inprofessi Iudaicam viverent vitam vel dissimulata origine imposita genti tributa non pependissent. Interfuisse me adulescentulum memini, cum a procuratore frequentissimoque consilio inspiceretur nonagenarius senex, an circumsectus esset; Übers.: Hans Martinet. Der fiscus Iudaicus ist als Kasse von der eigentlichen Judensteuer zu unterscheiden, vgl. zuletzt Sven Günther, „Der fiscus Iudaicus als Forschungskonstrukt“, in: Japan Studies in Classical Antiquity  (),  – , hier  –  [vgl. auch in diesem Bd.,  – ].  Zuletzt Marius Heemstra, The fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, Tübingen ,  – , bes.  mit einem Forschungsüberblick in Tabellenform.

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seiner Kritik sein. Es scheint vielmehr um jene zu gehen, die ein jüdisches Leben führten, ohne Juden zu sein. Grundsätzlich erschwert die Unkenntnis über den Zahlerkreis der Judensteuer unter Vespasian und Titus das Verständnis der Passage. Josephus berichtet, dass alle Juden zahlen mussten, Cassius Dio, dass nur zahlen musste, wer Jude bleiben wollte.⁴⁰ Da Letzterer später schrieb, ist mit der Möglichkeit eines Anachronismus zu rechnen. Folgt man Josephus, der alle Juden als Zahler angibt, wird der Kreis der Steuerpflichtigen nicht zwangsläufig eindeutiger, es sei denn, man argumentiert für die Steuerpflichtigkeit aller ethnischen Juden beziehungsweise präziser Judäer. Das allerdings scheint der historischen Situation nicht gerecht zu werden: Da Vespasian die jüdische Tempelsteuer modifizierte und umleitete, bestand der erste Zahlerkreis wohl aus den Menschen, die regelmäßig die Abgabe an den Jerusalemer Tempel entrichtet hatten. Diese wurde jedoch auch von Proselyten geleistet, die keine Judäer waren, während ethnische Judäer, die sich an ihre griechisch-römische Umwelt assimiliert hatten, sie nicht zahlten. Informationen über die Iudaei, die die Tempelabgabe regelmäßig leisteten, konnten sich die Römer über Synagogen beschaffen, wo das Geld gesammelt wurde.⁴¹ Geht man davon aus, dass nach dem judäischen Krieg einerseits weitere Juden ihre traditionellen Gebräuche aufgaben und sich andere Nichtjudäer für die jüdischen Sitten interessierten, wird die Konfusion über die Steuerpflichtigen verständlich. Für Sueton besteht der Skandal des harten Einzugs der Judensteuer darin, dass Menschen, die er als Nichtjuden identifiziert, zur Steuerzahlung gezwungen wurden oder erst in einem entwürdigenden Prozess erweisen mussten, dass sie gar keine Juden waren. Die aus römischer Sicht Leidtragenden waren wohl römische Bürger, die mit jüdischen Bräuchen sympathisierten oder einen judäischen Familienhintergrund hatten; man denunzierte sie als säumige Zahler der Judensteuer und klagte sie an.⁴² Domitian mag die Politik seiner Behörde toleriert oder gefördert haben, wohl weniger aus Hass gegenüber den Juden, die sowieso seit Vespasian ihre Abgabe leisten mussten, als eher aus Abneigung gegen Römer, die den mos maiorum zugunsten einer fremden superstitio vernachlässigten.⁴³ Dass

 Ios. bell. Iud. , ; Cass. Dio , , .  Cappelletti (wie Anm. ), , und Heemstra (wie Anm. ),  f.  Nerva ließ über die Münzlegende FISCI IUDAICI CALUMNIA SUBLATA die Beendigung des missbräuchlichen Vorgehens der verantwortlichen Behörde verkünden, vgl. RIC , Nerva Nr.  f,  und . Goodman (wie Anm. ),  geht dagegen von der Abschaffung der Judensteuer durch Nerva aus; zu Recht kritisch Günther (wie Anm. ),  Anm. .  Smallwood (wie Anm. ), : „There is no need to assume that Domitian’s policy with regard to the fiscus Judaicus was dictated by hostility toward the Jews and Judaism.“

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Domitian sich als Vorkämpfer der altrömischen Religion gerierte, ist jedenfalls anderweitig gut belegt. Ebenfalls zu betrachten ist die Verurteilung des Flavius Clemens, eines nahen Verwandten Domitians, welcher der leibliche Vater der Adoptivsöhne des Kaisers war. Sueton bemerkt dazu lediglich knapp: „Schließlich ließ er seinen Vetter Flavius Clemens, dessen Gleichgültigkeit äußerst verächtlich war, nur auf einen winzigen Verdacht hin fast noch während seiner Zeit als Konsul aus dem Weg räumen.“⁴⁴

Cassius Dio berichtet ungefähr hundert Jahre später über Clemens und seine Frau Domitilla: „Beiden wurde Atheismus zum Vorwurf gemacht, weshalb auch viele andere, die sich in jüdische Lebensformen hineintreiben ließen, Verurteilung erfuhren.“⁴⁵

Schwierigkeiten bereitet die Stelle bei Dio, weil es in Rom keine Anklagen und Verurteilungen wegen Atheismus gab. Da Sueton keine Gründe für die Todesstrafe angibt, bleibt letztlich unklar, weshalb Clemens umgebracht wurde. Möglicherweise zeigte er Interesse an jüdischen Bräuchen, was ihm in einer Anklage wohl neben anderen Punkten vorgeworfen wurde; juristisch wurde er wahrscheinlich wegen maiestas, wegen Hochverrat beziehungsweise Majestätsbeleidigung, verurteilt. Sicher ist immerhin, dass Sueton, der Flavius Clemens nicht schätzte, das als ungerechtes und schlecht begründetes Urteil ansah. Für das hier behandelte Thema lässt sich höchstens schlussfolgern, dass Domitian die Juden mittelbar verachtete, weil er ihre Traditionen ablehnte. Politische Maßnahmen gegen diese selbst belegen die genannten Quellen nicht. Die Leidtragenden waren, wenn man den Worten von Cassius Dio folgt, noch mehr als im Falle der Judensteuer diejenigen, die mit jüdischen Sitten sympathisierten. Es sind erst spätere Zeugnisse, die Domitian zu einem unzweideutigen Judenfeind machen. Obwohl nicht in jedem Fall eine Abhängigkeit der Quellen nachgewiesen werden kann, haben die verschiedenen Traditionen etwas gemeinsam: Die angedachte Judenverfolgung wird schlussendlich doch nicht durchgeführt: (1) Eusebius von Caesarea berichtet unter Berufung auf Hegesipp von der Verfolgung der Nachkommen Davids und Verwandten Jesu durch Domitian. Da es

 Suet. Dom. , : Denique Flavium Clementem patruelem suum contemptissimae inertiae […] repente ex tenuissima suspicione tantum non in ipso eius consulatu interemit; Übers. Hans Martinet.  Cass. Dio , , : ἐπηνέχθη δὲ ἀμφοῖν ἔγκλημα ἀθεότητος, ὑφ᾽ ἧς καὶ ἄλλοι ἐς τὰ τῶν ᾽Ιουδαίων ἤθη ἐξοκέλλοντες πολλοὶ κατεδικάσθησαν; Übers. Otto Veh.

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sich um Judenchristen in der Provinz Iudaea handelt, kann der Fall hier einbezogen werden. In der legendarischen Geschichte werden zwei Enkel des Herrenbruders Judas vor Domitian zitiert, der jedoch feststellt, dass diese arme Bauern ungefährlich seien; deshalb entlässt er sie in die Freiheit. Bei der Anekdote handelt es sich um christliche Legendenbildung.⁴⁶ (2) Den Plan Domitians zu einer allgemeinen Judenverfolgung kennen die sogenannten „Akten des Johannes in Rom“, ein Text, der mit den apokryphen Johannesakten aus dem zweiten Jahrhundert überliefert ist, aber nicht zum Originalbestand gehört. Er stammt wohl aus dem späten vierten oder aus dem fünften Jahrhundert und setzt die Kenntnis von Eusebius’ Kirchengeschichte voraus: Als Juden von Verfolgungsplänen Domitians erfuhren, schrieben sie Domitian einen Brief, in dem sie die Christen bezichtigten, eine Bedrohung für die römische Gesellschaft zu sein. Deshalb sei es zu einer Christenverfolgung gekommen. Historischen Wert für das erste Jahrhundert hat der Text nicht.⁴⁷ (3) Auch jüdische Quellen aus dem Korpus der rabbinischen Schriften wissen von römischen Verfolgungsplänen, nämlich der Midrasch zum Buch Deuteronomium und der Traktat Avoda Zara aus dem Babylonischen Talmud. Die komplizierte und späte Redaktion dieser beiden Werke verhindert jedoch eine genauere Datierung dieser Tradition.⁴⁸ Ihr zufolge beschloss der Senat per Dekret, alle Juden auf der Welt auszulöschen; ein zum Judentum konvertierter Senator namens Ketia bar Shalom konnte dies jedoch durch seinen Selbstmord verhindern. Die Datierung der Verfolgung auf die Zeit Domitians erfolgt lediglich aufgrund der Nennung von Rabban Gamaliel, der Ende des ersten und Anfang des zweiten Jahrhunderts wirkte. Der Skopus beider Erzählungen ist der hohe Wert der Beschneidung, der aus Sicht der Rabbinen schwerer wiegt als die Rettung des gesamten jüdischen Volkes. Vorbild des Szenarios ist die biblische Ester-Geschichte.⁴⁹ Für die Zeit Domitians sind die beiden rabbinischen Texte nicht nutzbar zu machen. Letztendlich sind alle Zeugnisse, die von Verfolgungsplänen Domitians gegen Juden sprechen, spät und enden ohne die tatsächliche Durchführung der Maßnahmen. Historischen Wert haben sie kaum; sie stehen einerseits in der Tradition des antiken Bildes vom pessimus princeps Domitian und andererseits in der von

 Hegesipp apud Eus. HE ,  – , , vgl. HE , ; Timpe (wie Anm. ), .  AJγ  –  (ed. Eric Junod / Jean-Daniel Kaestli, Bd. ,  – ); Heemstra (wie Anm. ),  f.  Devarim Rabba ,  und bAvoda Zara b; zur Datierung Günter Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, München . vollst. neubearb. Aufl. ,  – . .  Günter Stemberger, Die römische Herrschaft im Urteil der Juden, Darmstadt ,  f; Smallwood (wie Anm. ),  vermutet dagegen einen Zusammenhang mit der Hinrichtung des Flavius Clemens.

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der allgemeinen Feindschaft Roms gegenüber den Juden, wie sie etwa aus dem eingangs zitierten vierten Esrabuch ersichtlich ist.

3 Zusammenfassung und Fazit (1) Vespasian und Titus gab der Krieg in Iudaea die Möglichkeit, ihre virtus wirkmächtig im öffentlichen Raum Roms zu inszenieren und damit ihre geringe Herkunft sowie den im blutigen Bürgerkrieg liegenden Anfang ihrer Herrschaft zu überdecken. Das Wort vom flavischen Actium wird oft bemüht und ist insofern zutreffend, als der judäische Krieg zum Gründungsmythos der flavischen Dynastie wurde. Dies erklärt die vielfachen Bezüge auf die Juden in der flavischen Zeit: Sie rückten eben nicht nur durch den Krieg, sondern vor allem durch die flavische Außendarstellung in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. (2) Generell folgten die flavischen Kaiser den Leitlinien der iulisch-claudischen Dynastie im Umgang mit dem jüdischen Volk: Auch wenn ihre religiöse Praxis den Flaviern als superstitio galt, setzten sie sich für die Einhaltung der den Juden gewährten Freiheiten ein. (3) Die wichtigste Änderung im römischen Verhältnis zu den Juden stellte die Einführung der Judensteuer dar. Für Vespasian war sie eine willkommene und einfach einzurichtende neue Einnahmequelle. In der Regel wird Domitian für den harten Einzug der Steuer kritisiert und sein Vorgehen als Anzeichen für seine Judenfeindschaft gewertet. Auch wenn ihm und seiner verantwortlichen Behörde Missmanagement vorgeworfen werden muss, übersieht das heute weit verbreitete Urteil die Rolle seines Vaters:Vespasian, der die Steuer auf unvorteilhafteste Weise für die Juden modifizierte und wahrscheinlich keine präzisen Veranlagungskriterien definierte, ist gerechterweise ein mindestens ebenso großer Vorwurf zu machen wie Domitian. (4) Beim Urteil über Domitian schwingt in der Antike wie heute häufig sein negatives Image mit, das ihm nicht ganz zu Unrecht anhaftet. Besonders in seinen letzten Jahren ist es zu Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten gekommen. In Bezug auf die Juden lässt sich aber keine besonders feindselige Einstellung Domitians ausmachen. Weder hat er das Bild der besiegten Juden in seiner Regierungszeit weiter kultiviert, noch hat er mehr als sein Vater und Bruder die Juden politisch bedrückt. Eher als die ethnischen Juden haben Sympathisanten jüdischer Traditionen unter Domitian gelitten, vielleicht weil er diejenigen verachtete, die den römischen mos maiorum vernachlässigten.

The Fiscus Iudaicus A Hypothetical Scholarly Construct* Sven Günther (Changchun) There is a kind of double risk in treating questions relating to different fields of research: on the one hand, one could fail to master the methods and contents of the other, foreign disciplines, and draw false conclusions; on the other hand, the pure concentration on the methods and traditions of one’s own discipline could prevent one from considering important results yielded in other academic fields. The state of research regarding the fiscus Iudaicus illustrates this at its best. Although there are only two sources extant, both relating to each other, researchers of Classics, Jewish Studies and Theology have drawn their own, partly farreaching conclusions from these (and other more or less relevant) testimonies on the institution, functions and effects of the fiscus Iudaicus. The following paper aims at showing the weakness of each of these hypothetical constructs, and will provide a new, source-based view on the fiscus Iudaicus.

The fiscus Iudaicus between Classics, Jewish Studies, and Theology It is not surprising that the fiscus Iudaicus has evoked interdisciplinary attention due to the problems that are connected with the theme of Rome and the Jews in the 1st and 2nd century CE. All attempts to interpret it from a political, juristic, economic, religious, ecclesiastical-historic or cultural point of view have one thing in common: they combine the Jewish Tax, introduced by the emperor Vespasian soon after the Roman-Jewish War (66– 70 CE), with the fiscus Iudaicus, and claim that these two institutions reflect the actual relationship between Rome and the Jews. From a classicist’s point of view the fiscus Iudaicus is a cash register for the collection of the Jewish Tax (duo denarii Iudaeorum / “two denars of the Jews”).¹ * This is a slightly updated version of a paper which was first published in German with the title “Der fiscus Iudaicus als Forschungskonstrukt”, in: Japan Studies in Classical Antiquity (JASCA)  (),  – . – All translations are mine unless otherwise noted. – Further research on and translation of this paper was made possible by the Institute for the History of Ancient Civilizations, Northeast Normal University, Changchun, Jilin Province, People’s Republic of China.  The Latin term is developed from the Greek denomination τιμὴ δηναρίων δύο ᾽Ιουδαίων which can be found on ostraca and papyri in Egypt. Cf. note  below. DOI 10.1515/9783110410051-008

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This two denarii-tax was introduced after 69 CE, the year of the four emperors, by Vespasian to cover public expenses or perhaps out of a desire to punish the Jews for their rebellion. Emperor Domitian, the last emperor of the Flavian Dynasty, then intensified the collection. After his assassination, his successor Nerva turned this rigidity of tax-collection off, issuing a coin on this event. Proof for “the exaction of the fiscus Iudaicus […] till the middle of the 3rd century CE”² can possibly be supplied. As this quotation shows, there is often confusion between the terms “fiscus Iudaicus” and “Jewish Tax”, which are sometimes even taken synonymously. Michael Alpers, in his study on the finance system of the Early Principate, in which he especially focuses on the term fiscus, has recently broken down this kind of closed construct.³ He separates strictly the aerarium populi Romani with its provincial sub-registers (fisci) from the imperatial fiscus. Looking at the sources in more detail, he understands the fiscus Iudaicus as a provincial register for the Jews’ revenues which was part of the aerarium populi Romani. According to him, this kind of fiscus had been built up long before the Roman-Jewish War, at the latest when Judaea became a province in 44 CE. Later Vespasian established a branch of the fiscus Iudaicus in Rome to administer the newly imposed Jewish Tax and connected issues.⁴ Thus, Alpers differentiates the fiscus Iudaicus from the Jewish Tax, the latter becoming part of the revenues of the former, but under continuance of the other (provincial) means of income going to that fiscus Iudaicus. In Jewish Studies, the main emphasis lies on the development of the relationship between Rome and Jews. Therefore, scholars have focused on the target groups of the Jewish Tax (the fiscus Iudaicus is usually identified with it), by re-

 Irina Wandrey, s.v. “fiscus Iudaicus”, in: DNP  (),  (with further literature): “Erhebung des f.I. […] bis in die Mitte des . Jh. n.Chr.”  Michael Alpers, Das nachrepublikanische Finanzsystem. Fiscus und Fisci in der frühen Kaiserzeit, Berlin; New York . With his detailed but not undisputed analysis of terms, he rejects older views which identified the terms fiscus and patrimonium both as the private cash register of the emperor. He also negates the assumption that the emperor’s imperium pronconsulare included control over provincial funds, merging in the fiscus Caesaris as a second public cash register in addition to the old aerarium populi Romani. Cf. ibid.,  –  (summary of the different research hypotheses). Based on that study, Reinhard Wolters developed a pattern of the financial administration of the Roman Empire, distinguishing the “public” aerarium populi Romani with its pronvicial fisci, the “imperial-public” fiscus Caesaris and the “imperial-private” patrimonium. Cf. Reinhard Wolters, Nummi signati. Untersuchungen zur römischen Münzprägung und Geldwirtschaft, München ,  – .  Alpers (as note ),  – .

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flecting on Rabbinic sources. Martin Goodman has recently developed some unique views on the reform under Nerva.⁵ In Christian Theological Studies, Marius Heemstra focuses now on the effects of the fiscus Iudaicus and its different handling under Domitian and Nerva, and on the separation of Christians from Jews in the 1st century CE.⁶ He sees a great and essential stimulus in the rigorous administration under Emperor Domitian for the Christians to separate from the Jews (and vice versa), which is reflected in Christian as well as in Rabbinic sources. Moreover, he again examines the target groups of Roman taxation-policy, a topic originally initiated by representatives of Jewish Studies.⁷

Administration of Judaea, the Jewish Tax and the fiscus Iudaicus up to the Reign of Domitian Since the term “fiscus Iudaicus” is for the first time mentioned in the description of actions undertaken by Emperor Domitian⁸ one must certainly ask about its origins.

 E. g., Martin Goodman, “Nerva, the Fiscus Judaicus and Jewish Identity”, in: JRS  (),  – ; id., “The Fiscus Iudaicus and Gentile Attitudes to Judaism in Flavian Rome”, in: Jonathan Edmondson / Steve Mason / James Rives (eds.), Flavius Josephus and Flavian Rome, Oxford ,  – ; id., “The Meaning of ‘Fisci Iudaici Calumnia Sublata’ on the Coinage of Nerva”, in: Shaye J. D. Cohen / Joshua J. Schwartz (eds.), Studies in Josephus and the Varieties of Ancient Judaism. L. H. Feldman Jubilee Volume, Leiden; Boston ,  – ; each with the earlier research literature.  Marius Heemstra, The Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, Tübingen ; cf. also: id., “The Interpretation and Wider Context of Nerva’s Fiscus Judaicus Sestertius”, in: David M. Jacobson / Nikos Kokkinos (eds.), Judaea and Rome in Coins  BCE –  CE. Papers Presented at the International Conference Hosted by Spink, th – th September , London ,  – ; id., “The Fiscus Judaicus: Its Social and Legal Impact and A Possible Relation with Josephus’ Antiquities”, in: Peter J. Tomson / Joshua Schwartz (eds.), Jews and Christians in the First and Second Centuries: How to Write Their History, Leiden ,  – .  See also his useful survey of the suggested victims of the intensification of the tax collection under Domitian in table form, ibid., .  Suet. Dom. . : Praeter ceteros Iudaicus fiscus acerbissime actus est; ad quem deferebantur, qui vel improfessi Iudaicam viverent vitam, vel dissimulata origine imposita genti tributa non pependissent. Interfuisse me adulescentulum memini, cum a procuratore frequentissimoque consilio inspiceretur nonagenarius senex an circumsectus esset. / “The tax on the Jews, in particular, was exacted with the greatest rigour. Those who lived as Jews without being registered as such were indicted, as were those who concealed their origins and did not pay the tax imposed on their race. I remember when I was a youth being present when an old man of ninety was inspected

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Michael Alpers places the beginnings before the Flavian period. According to him, the fiscus Iudaicus was originally a provincial public purse where the revenues of the province were collected and administered. For the reign of Vespasian he identifies the establishment of a branch of that fiscus in Rome due to the need of administering the newly established Jewish Tax across the whole empire. He subsequently points to some documents which are related to a certain fiscus directly or indirectly, but which used to be connected with the fiscus Caesaris and not with the fiscus Iudaicus in earlier scholarship.⁹ Yet, one must be aware of these rather speculative and meagre indications, because they cannot be assigned to the fiscus Iudaicus with certainty. The main point is that it is highly questionable to suppose a provincial cash register before the constitution of Judaea as a province which is clearly to be dated around the year 70 CE.¹⁰ If anything, one could possibly connect the fiscus Iudaicus with the fiscus Alexandrinus and the fiscus Asiaticus, which are also documented during the Flavian period in Rome.¹¹ Although Michael Alpers does not want to exclude the possibility that these fisci were established earlier,¹² it is most likely that they only emerged in the Flavian period. It is also quite unproblematic, from my point of view, to connect their institution with Vespasian’s reforms regarding the financial administration and the revenue system right after the Civil Wars.¹³

by a procurator and a very crowded court, to see whether he was circumcised.” (transl.: Catharine Edwards (tr.), Suetonius: Lives of the Caesars, Oxford ).  Plin. nat. .  – , ; Ios. bell. Iud. . . . ; Ios. ant. Iud. . . . . Cf. in extenso Alpers (as note ),  –  (with the older opposing research positions).  The legal status of Iudaea between  and / CE is not entirely clear, although the influence of the governor of the province Syria is still obvious. Therefore the constitution as a full province has to be ascribed most probably to the Roman-Jewish War. See Werner Eck, “Judäa wird römisch: Der Weg zur eigenständigen Provinz”, in: id., Rom und Judaea. Fünf Vorträge zur römischen Herrschaft in Palästina, Tübingen ,  – .  See the sources mentioned in Otto Hirschfeld, Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian, Berlin ,  (for the fiscus Asiaticus),  –  (for the fiscus Alexandrinus); regarding the fiscus Alexandrinus, new evidence has to be added: AE , : T(itus) Flavius | Aug(usti) lib(ertus) | Delphicus | [t]abularius a rationib(us) | proc(urator) ration(um) | [t]he[s]aur (orum) hereditat(ium) | [f]isci Alexandrini | sibi fecit. / “Titus Flavius Delphicus, freedman of the emperor, tabularius (in the office of the) a rationibus, procurator rationum, thesaurorum, hereditatium, fisci Alexandrini has made it for himself.” Cf. ILS  (= AE ,  = AE , ) concerning T. Flavius Aug. lib. Delphicus.  Alpers (as note ),  – .  For the financial reforms of Vespasian see Sabine Schmall, Patrimonium und Fiscus. Studien zur kaiserlichen Domänen- und Finanzverwaltung von Augustus bis Mitte des . Jahrhunderts n. Chr., Diss. Bonn ,  – ; esp. for the three fisci cf. ibid.,  – . She interprets

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Therefore, we should instead connect the institution of the fiscus Iudaicus in Rome with the constitution of the province Judaea during or shortly after the Roman-Jewish War (66 – 70 CE). Against Michael Alpers’ hypothesis of a clearing register for the provincial tributa, including the new imposed Jewish Tax, in the capital Rome,¹⁴ I claim vice versa that the great amounts of revenue from the Jewish Tax prompted the establishment of the fiscus Iudaicus. From our sources it becomes clear that the former tribute of the Jews to the Temple of Jerusalem was transformed into a Roman tax right after the Temple’s destruction at the end of the war.¹⁵ According to ostraca and papyri from Roman Egypt, one can see that this tax existed continually from the time of Vespasian up to the middle of the second century CE. It was not only imposed on male Jews between 20 and 50 years of age as the Jewish temple tribute did before, but now it also included women, children and even slaves. Additionally, ἀπαρχαί are registered in the tax receipts; that possibly refers to the Jewish temple of Onias. Due

the fiscus Iudaicus as a cash register similar to the two other fisci, but with a different function, i.e. the administration of the Jewish Tax, and thus not concerned with provincial issues.  E. g., Alpers (as note ),  – .  Ios. bell. Iud. . (. .) : φόρον δὲ τοῖς ὁπουδηποτοῦν οὖσιν ᾽Ιουδαίοις ἐπέβαλεν δύο δραχμὰς ἕκαστον κελεύσας ἀνὰ πᾶν ἔτος εἰς τὸ Καπετώλιον φέρειν, ὥσπερ πρότερον εἰς τὸν ἐν ῾Ιεροσολύμοις νεὼν συνετέλουν. καὶ τὰ μὲν ᾽Ιουδαίων τότε τοιαύτην εἶχε κατάστασιν. / “On all Jews, wheresoever resident, he imposed a poll-tax of two drachms, to be paid annually into the Capitol as formerly contributed by them to the temple at Jerusalem. Such was the position of Jewish affairs at this date.” (transl.: Henry Saint John Thackeray (tr.), Josephus with an English Translation in Nine Volumes. Vol. III: The Jewish War, Books IV-VII, Cambridge, MA ). Cass. Dio 65 (66). 7. 2: οὕτω μὲν τὰ ῾Ιεροσόλυμα ἐν αὐτῇ τῇ τοῦ Κρόνου ἡμέρᾳ, ἣν μάλιστα ἔτι καὶ νῦν ᾽Ιουδαῖοι σέβουσιν, ἐξώλετο. καὶ ἀπ᾽ ἐκείνου δίδραχμον ἐτάχθη τοὺς τὰ πάτρια αὺτῶν ἔθη περιστέλλοντας τῷ Καπιτωλίῳ Διὶ κατ᾽ ἔτος ἀποφέρειν. / “Thus was Jerusalem destroyed on the very day of Saturn, the day which even now the Jews reverence most. From that time forth it was ordered that the Jews who continued to observe their ancestral customs should pay an annual tribute of two denarii to Jupiter Capitolinus.” (transl.: Earnest Cary (tr.), Dio’s Roman History with an English Translation in Nine Volumes. Vol. VIII, London; New York 1925). For the discussion on the dating, see Heemstra 2010 (as note 7), 10 – 1 n. 3, 13 n. 11. For the divergent definitions of the persons liable for taxation in Josephus and Cassius Dio see ibid., 67– 84; Marius Heemstra interprets the definition of Cassius Dio (τοὺς τὰ πάτρια αὺτῶν ἔθη περιστέλλοντας) to belong to the period after the reform of Nerva. In his view, this emperor distinguished exactly between Jews liable for taxation and non-Jews respectively no-longer-Jews, e. g. Christians or disbelievers, who were no longer under taxation but also no longer under the secure status of the religio licita.

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to the dense continuity of receipts, one can also demonstrate changes in the denomination and financial accounting of this tax.¹⁶ It is thus quite likely that the fiscus Iudaicus was responsible for a coordinated administration of this tax in the whole empire, especially in the capital, Rome, where many Jews lived. If one considers Michael Alpers’ arguments (which declare the fiscus Iudaicus in Rome to be a provincial cash register) to be rather weak, one could instead think of the fiscus Iudaicus as just a department of the imperial financial administration led by the a rationibus; however, the concrete classification is not entirely clear. It is even possible that the fiscus Iudaicus (and the two other fisci mentioned, the fiscus Alexandrinus and the fiscus Asiaticus) was not established at the same time as the Jewish Tax under Vespasian, but was set up later under Domitian;¹⁷ there is, in fact, only one inscription which could possibly be linked with its establishment, but it cannot be dated more exactly than in the Flavian period.¹⁸ The office of the procurator ad capitularia Iudaeorum is, furthermore, not attested elsewhere and, therefore, we cannot draw from it any conclusion for, or even relation to, the fiscus Iudaicus. ¹⁹

 Cf. CPJ  – , , , and O. Heerlen BL . For the analysis, see Colin J. Hemer, “The Edfu Ostraka and the Jewish Tax”, in: PEQ  (),  – ; Heemstra  (as note ), – .  If one takes the note in Suet. Dom.  seriously, that Domitian controlled financial administration severely and searched intensively for new sources of income, one can imagine an institution of several fisci, including the fiscus Iudaicus, during his reign which were then administrated with strong acerbity, as noted in §  (Praeter ceteros [fiscos] Iudaicus fiscus acerbissime actus est), but this is pure speculation. For the addendum of fiscos after ceteros, see Alpers (as note ), .  Hermann Dessau puts the titulus in the Domitian era in his short commentary in ILS ; C. Ricci, “L’affranchi impérial T. Flavius Euschemon et le Fiscus Iudaicus”, in: REJ  (),  – , in the era of Vespasian or Titus. There is an allusion to tributa required of the Jews in Mart. 7. 55 but it is too vague to conclude something regarding the Jewish Tax or even the fiscus Iudaicus: Nulli munera, Chreste, si remittis, | nec nobis dederis remiserisque: | credam te satis esse liberalem. | Sed si reddis Apicio Lupoque | et Gallo Titioque Caesioque, | linges non mihi | nam proba et pusilla est | sed quae de Solymis uenit perustis | damnatam modo mentulam tributis. / “Chrestus if you return no man’s presents, then don’t give any to me or send any in return to mine; I shall think you sufficiently generous. But if you make return to Apicius and Lucius and Gallus and Titius and Caesius, you will lick a cock, not mine which is well-behaved and diminutive, but one that comes from burned-out Jerusalem, one lately doomed to pay taxes.” (transl.: David Roy Shackleton Bailey (tr.), Martial. Epigrams. Vol. II, Cambridge, MA; London 1993). This is also true for App. Syr. 8. 50 where the φόρος τῶν σωμάτων on the Jews is described as heavier than that on the περιοικία.  ILS  (= CIL VI ): T(ito) Flavio Aug(usti) lib(erto) | Euschemoni | qui fuit ab epistulis | item procurator | ad capitularia | Iudaeorum | fecit | Flavia Aphrodisia | patrono et coniugi | bene merenti. / “For Titus Flavius Euschemon, freedman of the emperor, who has been ab epistulis,

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Into the Spotlight: Domitian and the fiscus Iudaicus In his biography on Domitian (Suet. Dom. 12. 1– 2), Suetonius refers to the increasing financial needs of the emperor due to his great expenditures, which had caused rigorous actions to draw in new revenue: Exhaustus operum ac munerum impensis stipendioque, quod adiecerat, temptavit quidem ad relevandos castrenses sumptus, numerum militum deminuere; sed cum et obnoxium se barbaris per hoc animadverteret neque eo setius in explicandis oneribus haereret, nihil pensi habuit quin praedaretur omni modo. Bona vivorum ac mortuorum usquequaque quolibet et accusatore et crimine corripiebantur. Satis erat obici qualecumque factum dictumve adversus maiestatem principis. (2) Confiscabantur alienissimae hereditates vel uno existente, qui diceret audisse se ex defuncto, cum viveret, heredem sibi Caesarem esse. Praeter ceteros Iudaicus fiscus acerbissime actus est; ad quem deferebantur, qui vel improfessi Iudaicam viverent vitam, vel dissimulata origine imposita genti tributa non pependissent. Interfuisse me adulescentulum memini, cum a procuratore frequentissimoque consilio inspiceretur nonagenarius senex an circumsectus esset. “Having exhausted his funds through expenditure on public works and games, as well as his increases to the soldiers’ pay, he attempted to cut down military expenditure by reducing the number of soldiers. But when he realized that this put him at the mercy of the barbarians while he remained no less beset by financial burdens, he had no hesitation in engaging in all manner of depredations. Everywhere the goods of the living and of the dead were seized, whatever the charge or the accuser. It was enough to allege some kind of deed or word attacking the majesty of the emperor. The estates of complete strangers were seized if one person could be found who claimed to have heard the deceased, when living, say that the emperor was his heir. The tax on the Jews, in particular, was exacted with the greatest rigour. Those who lived as Jews without being registered as such were indicted, as were those who concealed their origins and did not pay the tax imposed on their race. I remember when I was a youth being present when an old man of ninety was inspected by a procurator and a very crowded court, to see whether he was circumcised.”²⁰

also procurator ad capitularia Iudaeorum, (this monument) Flavia Aphrodisia has made, for her patron and well-merited husband.” Alpers (as note 4), 303, interprets the plural capitularia to show the responsibility of the procurator for the Jewish Tax as well as for the provincial revenues. Cf. ibid. the other research positions for that titulus. Cf. Heemstra 2010 (as note 7), 11– 2 with notes 4– 6 (with wrong CIL number [4 instead of VI!]).  Transl.: Edwards (as note ).

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Although the financial policy of Domitian which is here criticised from a senatorial point of view has been judged in various ways by researchers,²¹ the narration of the actions carried out by the emperor seems credible. Suetonius’ autobiographical note that he himself had even taken part in an inspection as a young man corroborates the credibility of this account.²² The two reported elements of an offence to be inspected by the staff of the fiscus Iudaicus (ad quem deferebantur) – the practice of a Jewish life as an improfessus, and the dissimulation of a Jewish origin and, thus, the non-payment of the tributa – have produced much controversy among researchers about the affected groups of these regularizations.²³ Marius Heemstra has argued that the first element affected the Phoboumenoi / Sebomenoi and the so-called pagan Christians, the second all circumcised persons, i. e. Jews, Jewish Christians, non-Jews or proselytes.²⁴ Until now, only few scholars have drawn their attention to the publicity of measures and to that part of society that was mostly affected by these. If one looks closer at Suetonius’ report of the spectacular inspection of a ninety-yearold man by a procurator and a committee it is obvious that it belongs to the sec-

 The financial policy of the emperor Domitian is highly debated in research. Ronald Syme, “The Imperial Finances under Domitian, Nerva and Trajan”, in: id., Roman Papers I, ed. by Ernst Badian, Oxford ,  – , estimates a rather solid financial situation under Domitian, opposing it to the lavish financial policy under Nerva. Perry M. Rogers, “Domitian and the Finances of State”, in: Historia  (),  – , characterises Domitian as a squanderer of public finances; Domitian could only compensate that behaviour with higher and heavier tax burdens. An intermediary position one can find in Carol Humphrey Vivian Sutherland, “The State of the Imperial Treasury at the Death of Domitian”, in: JRS  (),  –. Cf., in summary, Heemstra  (as note ), – , who stresses the rigid tax collection regardless of the necessities. Regarding the often proposed decline of fineness and weight standard of coinage, one can see that there was in fact an improvement in the years 82– 85 CE, i. e. the beginning of Domitian’s reign, in comparison with the reigns of Vespasian and Titus; from 85 CE on, there was indeed a decline under Domitian, but still with higher standards than under Vespasian and Titus. Cf. Ian Carradice, “Flavian Coinage”, in: William E. Metcalf (ed.), The Oxford Handbook of Greek and Roman Coinage, Oxford 2012, 375 – 90, esp. 381– 3.  Research has often taken the self-designation of Suetonius, here as adulescentulus, together with his other self-designation as adulescens (Suet. Nero . ), dated to the year  CE, as a proof to date the actions described before that year. Cf., in summary, Heemstra  (as note ), . E. Mary Smallwood, “Domitian’s Attitude towards the Jews and Judaism”, in: CPh  (),  – , here:  n. , criticises both self-designations as too inaccurate to draw an exact date from them.  Cf. the overview on the suggested victims of the intensification of the tax collection under Domitian in table form in Heemstra  (as note ), .  Cf. Heemstra  (as note ),  – , and the results ibid.,  – .

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ond element of the double offence. In addition, one will clearly see that it relates to an upper-class context. There are also some hints for the chastisement of persons from the upper class that belong to the first element of an offence, even in the emperor’s entourage. For instance, T. Flavius Clemens,²⁵ the younger cousin of Domitian, is said to have adopted a Jewish way of life, for which he was put to death in 95 CE after a joint consulate with Domitian; his wife Flavia Domitilla²⁶ was relegated on the same charge.²⁷ This accusation is reported also for other persons from the upper class, e. g. most prominently for M. Acilius Glabrio; what followed as punishment was death penalty or the confiscation of property.²⁸ It cannot be said ex-

 PIR F .  PIR  F .  Suetonius (Dom. . ) speaks of contemptissima inertia of Flavius Clemens and describes Domitian’s motivation for the execution with tenuissima suspicione: Denique Flavium Clementem patruelem suum, contemptissimae inertiae, cuius filios etiam tum parvulos successores palam destinaverat abolitoque priore nomine alterum Vespasianum appellari iusserat, alterum Domitianum, repente ex tenuissima suspicione tantum non in ipso eius consulatu interemit. Quo maxime facto maturavit sibi exitium. / “Finally, there was Flavius Clemens, his cousin on his father’s side and a man of the most shameful idleness, whose young sons Domitian had only lately named publicly as his heirs, putting aside their former name, and calling one of them Vespasian and the other Domitian. He put Clemens to death all of a sudden, on the slightest grounds and when he had barely come to the end of his consulship. It was this deed in particular which precipitated his assassination.” (transl.: Edwards [as note ]). According to Cassius Dio (67. 14. 1– 2) Flavius Clemens as well as Flavia Domitilla were accused of atheism linked with the drift to a Jewish way of life: (1) […] κἀν τῷ αὐτῷ ἔτει ἄλλους τε πολλοὺς καὶ τὸν Φλάουιον Κλήμεντα ὑπατεύοντα, καίπερ ἀνεψιὸν ὄντα καὶ γυναῖκα καὶ αὐτὴν συγγενῆ ἑαυτοῦ Φλαουίαν Δομιτίλλαν ἔξοντα, κατέσφαξεν ὁ Δομιτιανός. (2) ἐπηνέχθη δὲ ἀμφοῖν ἔγκλημα ἀθεότητος, ὑφ᾽ ἧς καὶ ἄλλοι ἐς τὰ τῶν ᾽Ιουδαίων ἤθη ἐξοκέλλοντες πολλοὶ κατεδικάσθησαν, καὶ οἱ μὲν ἀπέθανον, οἱ δὲ τῶν γοῦν οὐσιῶν ἐστερήθησαν· ἡ δὲ Δομιτίλλα ὑπερωρίσθη μόνον ἐς Πανδατερίαν. / “[…] And the same year Domitian slew, along with many others, Flavius Clemens the consul, although he was a cousin and had to wife Flavia Domitilla, who was also a relative of the emperor’s. (2) The charge brought against them both was that of atheism, a charge on which many others who drifted into Jewish ways were condemned. Some of these were put to death, and the rest were at least deprived of their property. Domitilla was merely banished to Pandateria.” (transl.: Cary [as note 15]). Later on, Christian tradition shaped this episode to an example of Christian martyrdom. Cf., e. g., Friedrich-Wilhelm Bautz, s.v. “Domitilla, Flavia”, in: BBKL 1 (1990), 1359 – 60; Wolfgang Kuhoff, s.v. “Titus Flavius Clemens”, in: BBKL 20 (2002), 503 – 19. Cf. also note 29.  Cf. Cass. Dio . .  (text continued from above, note ): τὸν δὲ δὴ Γλαβρίωνα τὸν μετὰ τοῦ Τραϊανοῦ ἄρξαντα, κατηγορηθέντα τά τε ἄλλα καὶ οἷα οἱ πολλοὶ καὶ ὅτι καὶ θηρίοις ἐμάχετο, ἀπέκτεινεν. ἐφ᾽ ᾧ που καὶ τὰ μάλιστα ὀργὴν αὐτῷ ὑπὸ φθόνου ἔσχεν, ὅτι ὑπατεύοντα αὐτὸν ἐς τὸ ᾽Αλβανὸν ἐπὶ τὰ Νεανισκεύματα ὠνομασμένα καλέσας λέοντα ἀποκτεῖναι μέγαν ἠνάγκασε, καὶ ὃς οὐ μόνον οὐδὲν ἐλυμάνθη ἀλλὰ καὶ εὐστοχώτατα αὐτὸν κατειργάσατο. / “But Glabrio, who

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actly whether these bona damnatorum were, as usual, balanced only at the aerarium populi Romani or, perhaps additionally, at the fiscus Iudaicus. ²⁹ In the public perception, this kind of spectacular confiscation(s) might probably have been related to the rigid fiscus Iudaicus, far away from fiscal reality. Rather than focussing on the tendencies of the condemned person to a Jewish or Christian way of life, one must focus here³⁰ on the effects of these condemnations on the (senatorial) public. Cassius Dio points out the great distrust of Domitian which isolated him visibly from the elite and even his own advisers, and therefore caused, in the end, his demise.³¹ Suetonius even links the condemnation of Flavius Clemens with the palatial complot that Domitian fell victim to on 18 September 96 CE.³²

had been Trajan’s colleague in the consulship, was put to death, having been accused of the same crimes as most of the others, and, in particular, of fighting as a gladiator with wild beasts. Indeed, his prowess in the arena was the chief cause of the emperor’s anger against him, an anger prompted by jealousy. For in Glabrio’s consulship Domitian had summoned him to his Alban estate to attend the festival called the Juvenalia and had imposed on him the task of killing a large lion; and Glabrio not only had escaped all injury but had despatched the lion with most accurate aim.”(transl.: Cary [as note ]). Cf. Suet. Dom. 10. 2: Complures senatores, in iis aliquot consulares, interemit; ex quibus Civicam Cerealem in ipso Asiae proconsulatu, Salvidienum Orfitum, Acilium Glabrionem in exilio, quasi molitores rerum novarum. / “He put to death many senators, including a number of consular rank, among them Civica Cerialis, who was at that very time proconsul of Asia, also Salvidienus Orfitus and Acilius Gladrio, then in exile, on the grounds that they were planning a rebellion, […]” (transl.: Edwards [as note 9]). Cf. also Cass. Dio 68. 1. 2 for the abandonment of these accusations by delatores in the reign of Nerva (text below). For M. Acilius Glabrio see PIR2 A 67.  Cf. Alpers (as note ),  – .  Cf. the discussion in Smallwood (as note ), esp.  – ; Santiago Fernández-Ardanaz / Rafael Gonzáles Fernández, “El fiscus iudaicus y las posiciones políticas le los cristianos de Roma bajo Domiciano”, in: Gerión  (),  – , esp.  – . Further evidence for that might be the inquiry of two descendants of Jesus’ brother Judas by Emperor Domitian which is reported by Eusebius (HE . ). Significant for the inquiry is the fact that the emperor was not mainly interested in their religious beliefs but in their financial patrimony; thus, they were consequently set free when Domitian realised they owned nothing to be confiscated. He only scorned them as common men.  Cass. Dio . . ; . .  – .  Suet. Dom. .  (text above in note ).

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Out of the Spotlight: Nerva’s Reform of the fiscus Iudaicus After Domitian’s death and Nerva’s enthronement, the new emperor had to stabilise the situation at first. While there were great continuities from the Flavian Dynasty to the new reign internally,³³ there was a complete break away from the old regime in the public sphere. This can be seen in the pronouncements of senators such as Pliny the Younger and Tacitus, whose careers had made progress under Domitian, and also in the coinage of the new emperor. In the latter case, there was now a strong emphasis on Libertas Publica and Salus Publica, guaranteed by the Aequitas and Iustitia of the emperor.³⁴ In this case, one coin, a sestertius, is quite interesting (ill. 1): Ill. 1: Sestertius of Emperor Nerva.

Numismatica Ars Classica Auction No. 51 [March 2009], Lot 251. With kind permission of the auction house Numismatica Ars Classica NAC AG, Zürich.

 Cf. the innovative paper of Kenneth H. Waters, “Traianus Domitiani Continuator”, in: AJPh  (),  – , who stresses the continuities from Domitian to Nerva and Trajan.  See, e. g., Heemstra  (as note ),  – ; for the coinage, see David C. A. Shotter, “The Principate of Nerva: Some Observations on the Coin Evidence”, in: Historia  (),  – ; T. Corey Brennan, “Principes and Plebs. Nerva’s Reign as a Turning Point”, in: AJAH  (),  – ; John D. Grainger, Nerva and the Roman Succession Crisis of AD  – , London ,  – .

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The obverse shows the laureate emperor Nerva to the right; the legend reads: IMP(erator) NERVA CAES(ar) AVG(ustus) P(ontifex) M(aximus) TR(ibunicia) P(otestate) II CO(n)S(ul) III P(ater) P(atriae). With it, one can identify the issuing period (including this coin from an auction, there are now four of them belonging to the years 96 and 97 CE).³⁵ The reverse shows a palm tree with nine standing and two shorter hanging leaves which is situated between S(enatus) and C(onsulto), typical for the imperial aes coinage. The legend on the reverse reads: FISCI IVDAICI | CALVMNIA SVBLATA. Corresponding to the different interpretations in literature of the actions carried out by Domitian, there are also different hypotheses about the aims and target groups of Nerva’s coinage, beginning with the removal of the elements of the offence³⁶ respectively the abolishment of accusation up to the complete abolition of the fiscus Iudaicus (understood as a synonym for the Jewish Tax).³⁷ Due to the above-noted observations on the political scandal caused by the rigorous investigations and inspections of public persons one may, I think, get closer to the intended target group of the issued coin, and, thus, to the background of the words calumnia fisci Iudaici sublata (“calumnious accusation regarding the fiscus Iudaicus has been cancelled”). It is not so much propaganda for a socio-political³⁸ or even religiously motivated³⁹ action, but a signal to the upper class that the infamous and degrading inspections of public persons⁴⁰ based on calumnious (and

 RIC II Nerva  (nos.  – ),  (nos. , ) and Numismatica Ars Classica Auction No.  [March ], Lot .  Cf. Suet. Dom. . .  See Heemstra  (as note ),  – , for a summary of the various interpretations. He is of the opinion that with Nerva’s reform people who did not follow Jewish customs anymore, that is to say Christians and also Jews who became non-believers, were no longer subject to the Jewish tax controlled by the fiscus Iudaicus. Alpers (as note 3), 295 note 1029, rightly points to the fact that calumniae could indeed have been effects of the actions undertaken by Emperor Domitian, but that these actions per se were not illegal in their times because they were enacted by the legitimate power. Therefore, a more concrete cause for this political not legal issue is badly needed. Cf. also note 43 below.  Shotter (as note ), , puts the sestertius in the context of coinage concerning the removal of the vehiculatio Italiae and the introduction of alimenta. For the latter cf. Lothar Wierschowski, “Die Alimentarinstitution Nervas und Trajans. Ein Programm für die Armen?”, in: Peter Kneissl / Volker Losemann (eds.), Imperium Romanum. Studien zu Geschichte und Rezeption. FS für Karl Christ zum . Geburtstag, Stuttgart ,  – ; Gunnar Seelentag, “Der Kaiser als Fürsorger – Die italische Alimentarinstitution”, in: Historia  (),  – .  For this see Martin Goodman who postulates a temporary abolishment of the Jewish tax in Nerva’s reign. Cf. note .  Cf. Suet. Dom. . !

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false) accusations by delatores, the calumniae,⁴¹ will now have an end.⁴² In this respect also Cassius Dio reports for Nerva (Cass. Dio 68. 1. 2): καὶ ὁ Νέρουας τούς τε κρινομένους ἐπ᾽ ασεβείᾳ ἀφῆκε καὶ τοὺς φεύγοντας κατήγαγε, τούς τε δούλους καὶ τοὺς ἐξελευθέρους τοὺς τοῖς δεσπόταις σφῶν ἐπιβουλεύσαντας πάντας ἀπέκτεινε. καὶ τοῖς μὲν τοιούτοις οὐδ᾽ ἄλλο τι ἔγκλημα ἐπιφέρειν ἐπὶ τοὺς δεσπότας ἐφῆκε, τοῖς δὲ δὴ ἄλλοις οὔτ᾽ ἀσεβείας οὔτ᾽ ᾽Ιουδαϊκοῦ βίου καταιτιᾶσθαί τινας συνεχώρησε. πολλοὶ δὲ καὶ τῶν συκοφαντησάντων θάνατον κατεδικάσθησαν· […] “Nerva also released all who were on trial for maiestas and restored the exiles; moreover, he put to death all the slaves and the freedmen who had conspired against their masters and allowed that class of persons to lodge no complaint whatever against their masters; and no persons were permitted to accuse anybody of maiestas or of adopting the Jewish mode of life. Many of those who had been informers were condemned to death, […]”⁴³

It is interesting to note that even Domitian made efforts to restrict delatores and calumniae fiscales in the so-called “good stage” of his reign.⁴⁴ Under Nerva and Trajan these efforts became a kind of hallmark for the iustitia and aequitas of the emperor, which was pointed out by Pliny the Younger in his Panegyricus (contrasting it with the policy of Domitian).⁴⁵

 For the legal background of calumnia, see Adolf Berger, Encyclopedic Dictionary of Roman Law, Philadelphia ,  –  (s.v. calumnia); esp. for criminal law see Theodor Mommsen, Römisches Strafrecht, Leipzig ,  – ; now in extenso Anna M. Giomaro, Per lo studio della calumnia. Aspetti di “deontologia” processuale in Roma antica, Torino .  For this interpretation see also Fernández-Ardanaz / Gonzáles Fernández (as note ), esp.  – .  Transl.: Cary (as note ).  Cf. Suet. Dom. . : Fiscales calumnias magna calumniantium poena repressit, ferebaturque vox eius: ‘princeps qui delatores non castigat, irritat.’ / “False accusations which aimed at the confiscation of property he punished, imposing severe penalties on the accusers, and he is said to have remarked: ‘The emperor who does not punish informers goads them on.’” (transl.: Edwards [as note ]). Cass. Dio . . : […] τῇ δ᾽ αὐτῇ ταύτῃ διανοίᾳ καὶ προέγραψέ ποτε ὅτι αὐτοκράτωρ ὅταν μὴ κολάζῃ τοὺς συκοφάντας, αὐτός σφας ποιεῖ τοιούτους. / “It was with this same purpose that he once issued a proclamation to the effect that, when an emperor fails to punish informers, he himself makes them informers.” (transl.: Cary [as note ]). Alpers (as note 3), 293 – 4, interprets the term “fiscalis” as belonging to provincial funds.  For the delatores, see Yann Rivière, Les délateurs sous l’Empire romain, Rome . Complaints about delatores and the abolishment of their malpractice under Nerva and Domitian can be found in Plin. paneg.  – ; cf. Marcel Durry (ed.), Pline Le Jeune: Panégyrique de Trajan, Paris ,  –  (ad loc.); for connections with the inheritance tax, see Sven Günther, Vectigalia nervos esse rei publicae – Die indirekten Steuern in der Römischen Kaiserzeit von Augustus bis Diokletian, Wiesbaden , . For the connections between Pliny the Younger and Domitian concerning delatores, see Adalberto Giovannini, “Pline et les délateurs de Domitien”, in: id.

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With this kind of action, Nerva found his place in an upper class, which was totally confused after the death of Domitian, the damnatio memoriae of the former emperor, and the scission between friends and enemies of the dead emperor. Furthermore, Nerva was able to push this affair aside by showing himself as fighting calumniae, as he did not only in this case.⁴⁶ The effects on the administration and collection of the Jewish Tax,⁴⁷ executed by the fiscus Iudaicus, or cancellations of condemnations and confiscations are hard to measure due to the lack of sources. What can be said with the utmost probability is that neither Domitian nor Nerva could foresee the (side‐) effects their policies caused on the identity formation of Jews and Christians. First of all, the containment of the calumniae fisci Iudaici was not intended to protect normal people in general or Jews in particular. The emperor focused and concentrated, with these (and other) measures, on his important peer groups and multiplicators in the current challenging situation;⁴⁸ in any case, the small coin unit was not exclusively used by the lower classes but speaks clearly for a circulation and use within Rome (and Italy), the main residence of the peer groups.⁴⁹

(ed.), Opposition et résistances à l’empire d’Auguste à Trajan:  exposés suivis de discussions. Vandoeuvres-Genève,  –  août , Genève ,  – ; he shows a close collaboration.  That Nerva assigned a praetor, qui inter fiscum et privatos ius diceret / “a praetor who speaks law between the fiscus and private persons” (Pompon. Dig. . . . ), is another hint that he wanted to eliminate abuses, although this praetor was certainly concerned with the fiscus Caesaris. Cf. Plin. paneg. . ; Grainger (as note ), . Ibid. for the changes in the financial sector; for the changes concerning the inheritance tax, see Günther (as note ),  – .  There are no ostraca or papyri with tax receipts in Roman Egypt for the short reign of Nerva, but from this one cannot conclude e silentio that there was a temporary abolishment of the Jewish tax, as argued by, e. g., Goodman  (as note ). See Heemstra  (as note ),  with note  for the discussion.  If one dates the actions of Domitian described by Suetonius to the beginning of his reign (for the discussion see note  above), the reaction to this long-lasting practice under Nerva would be rather unintelligible. Therefore it is more appropriate to relate the coin type of Nerva to the actions with which Domitian treated the upper class at the end of his reign. Concerning the bronze coinage and the selection of types, we cannot neglect the formal competence of the senatorial money issuers. Cf. Reinhard Wolters, “The Julio-Claudians”, in: Metcalf (ed.) (as note ),  – , esp.  – .  Reinhard Wolters, “Bronze, Silver or Gold? Coin Finds and the Pay of the Roman Army”, in: Zephyrus  –  ( – ),  – , has shown that there has been no correlation of coin units and social stratum regarding the use of money as well as the spread of political propaganda by the emperors. There was rather a regional dispersion, e. g., the quadrantes circulated mainly in Italy. Also sestertii which were produced in Rome are supposed to have circulated first in Rome and Italy. Therefore an interpretation of a wider circulation of the sestertii of Nerva and a

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Conclusion The various models, each based on many assumptions and meant to explain the fiscus Iudaicus, have caused a kind of over-interpretation in recent years, although that institution is only mentioned twice in ancient sources. Each model has been based on main ideas of the different fields of research – analysis of the financial administration of the Roman Empire taken up in Ancient History (Michael Alpers), examination of the relationship between Rome and the Jews in Jewish Studies (Martin Goodman), and research on the division between Christians and Jews in the first three centuries CE in Christian Theological Studies (Marius Heemstra). However, if one focuses on the sources, each of these rather hypothetical reconstructions collapses. Most likely, the fiscus Iudaicus was a department of the imperatorial financial administration led by the a rationibus to coordinate and administrate the Jewish Tax, which was raised by the Roman authority after the Roman-Jewish War (66 – 70 CE) in the whole empire. Therefore, it was probably instituted by the first Flavian emperor, Vespasian. It is a fact that the last of the Flavian emperors, Domitian, exacted the tax collection by the fiscus Iudaicus more rigorously, and that thereby the department came into the public spotlight. This was mainly caused by the treatment of accused persons from the (senatorial) upper class who were exposed to degrading inspections and (false) accusations. These actions were clearly noticed by the public, especially in Rome, although it is not clear whether every reported case in the sources really belonged to the administration of the fiscus Iudaicus or was carried out by other institutions. That “political” issue was the starting point of Domitian’s successor, Nerva, to stop the accusations by delatores, which were (rightly or, at least, politically) declared to be calumniae. The abolishment of those false accusations as a kind of witch-hunting was proclaimed through the minting of coins. Nerva thus tried to present himself as a guarantor of stabilization and peace in a society (mainly the upper class) which was totally torn apart between friends and enemies of the recently assassinated Emperor Domitian. Due to the lack of sources, the history of the fiscus Iudacius as an institution afterwards cannot be written; we can only say that the Jewish Tax still existed for a long time, but how it was administrated, is unclear. Whether the actions carried out by Domitian and Nerva regarding the fiscus Iudaicus had effects on the identity formation of Jews and/or Christians, is another story, which was certainly not in the viewpoint of either emperor. political message for the whole empire seems to be problematic. Cf. also Wolters  (as note ), .

Wie zuverlässig ist Euseb, Kirchengeschichte IV, 1 – 6?* Görge K. Hasselhoff (Dortmund) Zu Beginn des IV. Buchs seiner Kirchengeschichte (im Folgenden: HE) stellt Euseb (ios) (Pamphili) von Caesarea neben anderem zwei Kriege des ersten Drittels des 2. Jahrhunderts zwischen Rom und Juden dar. Dabei stellt sich die Frage nach der Zuverlässigkeit der Euseb’schen Darstellung.

I Darstellung von Euseb, HE IV, 1 – 6¹ 1 Aufbau der Kapitel 1 – 6 Das IV. Buch eröffnet im ersten Kapitel eine knappe Darstellung der um 108 u.Z. ihr Episkopat antretenden Bischöfe von Alexandria (Primus) und Rom (Alexander). Im zweiten Kapitel erfolgt eine Darstellung des Aufstands von Juden in der Cyrenaika und in Alexandria (s. dazu Abschnitt 3), die eingangs historiografisch gewertet wird: Den Christen ergeht es unter Trajan immer besser,² während die Juden in immer größere Not geraten.³

* Um Anmerkungen erweiterter Vortrag vom . Juli . – Die Erarbeitung der Quellen wurde ermöglicht im Rahmen des Projekts „Hieronymus, die Juden und das Alte Testament“ innerhalb des IKGF „Dynamiken der Religionsgeschichte zwischen Asien und Europa“ (Ruhr-Universität Bochum).  Eus. HE im Folgenden zit. n. Eusebius Werke, Bd. : Die Kirchengeschichte, hrsg. von Eduard Schwartz, . Teil: Die Bücher I bis V, Leipzig  (= GCS ,), deutsche Übersetzung von Philipp Haeuser und Hans Armin Gärtner, München bzw. Darmstadt  (zahlreiche ND); vgl. die englische Übersetzung von Kirsopp Lake (The Loeb Classical Library), London / Cambridge, Mass.  (= ), sowie die französische Ausgabe von Gustave Bardy (Sources Chrétiennes ), Paris  (zuerst ).  Es ist bemerkenswert, dass der Briefwechsel zwischen Trajan und Plinius, der nach Ansicht der meisten Darstellungen zur frühchristlichen Geschichte einschneidende Konsequenzen für Christen im gesamten Reich nach sich zog (vgl. z. B. Dietrich-Alex Koch, Geschichte des Urchristentums. Ein Lehrbuch, Göttingen ,  – .  – ), von Euseb überhaupt nicht erwähnt wird, was darauf hindeutet, dass er keine Auswirkungen auf das Leben der Christen in anderen Provinzen hatte.  Zur Rolle von Hebräern und Juden im Werk Eusebs vgl. auch Jörg Ulrich, Euseb von Caesarea und die Juden. Studien zur Rolle der Juden in der Theologie des Eusebius von Caesarea, Berlin; New York , und Sabrina Inowlocki, Eusebius and the Jewish Authors. His Citation Technique in an Apologetical Context, Leiden; Boston , die beide zwar auf die in Frage kommenden Texte DOI 10.1515/9783110410051-009

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Im dritten Kapitel wird Hadrian als der Nachfolger Trajans eingeführt. Zu seiner Zeit scheint es Einschränkungen für Christen gegeben zu haben, indem „einige schlimme Menschen“ (τινες πονηροὶ ἂνδρες) sie belästigten – über das genaue Ausmaß schweigt Euseb –, weswegen Quadratus eine Apologie an den Kaiser gerichtet habe. Das einzige erhaltene Fragment dieser Schrift wird hier von Euseb wiedergegeben.⁴ An das Ende desselben Kapitels setzt Euseb eine Notiz zu einer vergleichbaren Apologie des Aristides, die aber möglicherweise erst später abgefasst wurde.⁵ Das vierte Kapitel besteht wie das erste aus einer kurzen Notiz über die Nachfolger der Bischöfe von Alexandria (Justus) und Rom (Xystus). Die beigefügten Angaben zur Amtsdauer ihrer jeweiligen Vorgänger (zehn bzw. zwölf Jahre) zeigen, dass die Angaben von Euseb („zur gleichen Zeit“) nur relative Verlässlichkeit haben. Das fünfte Kapitel gibt eine Darstellung der Bischöfe von Jerusalem bis zum Bar Kochba-Aufstand. Es waren 15 Bischöfe (in Rom und Alexandria waren es lediglich sieben bzw. sechs Amtsträger), die alle beschnittene Judenchristen waren. Die mehrfache Betonung des Beschnittenseins scheint von Euseb disqualifizierend angeführt zu werden.⁶ Den Abschluss des Kapitels bildet eine erneute Notiz über die Nachfolger der Bischöfe von Alexandria (Eumenes) und Rom (Telesphorus). Im sechsten Kapitel wird – gemessen an der angenommenen Dauer von rund drei Jahren – der Bar Kochba-Aufstand knapp dargestellt (s. dazu Abschnitt 3). Den Abschluss des Kapitels bildet ein Verweis auf das „neue“ Christentum in Jerusalem, das nunmehr keine Verbindung zum Judentum gehabt haben und dessen erster Bischof „Markus“ gewesen sein soll. Ab dem siebten Kapitel werden Begebenheiten anderer Orte und anderer Bewegungen („Gnosis“) dargestellt.

verweisen, aber keine historische Analyse vornehmen. Beide konstatieren jedoch, dass mit der Niederlage der Judäer unter Bar Kochba eine veränderte Wahrnehmung und Darstellung der Juden durch Euseb einsetzt.  Zum Quadratus-Fragment vgl. Michael Fiedrowicz, Apologie im frühen Christentum. Die Kontroverse um den christlichen Wahrheitsanspruch in den ersten Jahrhunderten, Paderborn u. a. . aktual. u. erw. Aufl. ,  f.  Zu Aristides vgl. Fiedrowicz, Apologie (wie Anm. ),  f, der die Schrift auf  –  datiert.  Vgl. auch Rainer Riesner, Essener und Urgemeinde in Jerusalem. Neue Funde und Quellen, Giessen; Basel  (zuerst in: ANRW II, ,,  – ),  f, der die berechtigte Frage aufwirft, ob die Liste nicht auch Mitälteste des Jakobus umfasst.

Wie zuverlässig ist Euseb, Kirchengeschichte IV, 1 – 6?

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2 Quellen des Euseb Bevor wir uns der Darstellung der Ereignisse in beiden dargestellten Aufständen selbst zuwenden, sollen kurz die von Euseb benannten Quellen in den Blick genommen werden. Die Bischofslisten der Kapitel 1, 4, 5 und 6 werden ohne Angaben von Quellen angeführt. Die Apologien von Kapitel 3 sind entweder nur hier überliefert (Quadratus) oder aber in Übersetzung bzw. Zitat aus späterer Zeit bekannt (Aristides). Für die Darstellung des Aufstandes in Nordafrika verweist Euseb auf „griechische Schriftsteller“ (Ελλήνων), die nicht näher identifiziert werden.⁷ Für den Bar Kochba-Aufstand wird in IV, 6, 3 auf Ariston von Pella verwiesen, wobei nicht eindeutig ist, ob er sich auf das Verbot bezieht, Jerusalem zu betreten, oder ob die ganze Darstellung von diesem herrührt.⁸ Die Angaben von IV, 6, 4 zur Umbenennung Jerusalems in Aelia Capitolina erfolgen wiederum ohne Quellenangabe. Dass die Quellen hier nicht benannt werden, ist auffällig, aber nicht ungewöhnlich.⁹

 Miriam Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism in Turmoil, / CE. Ancient Sources and Modern Insights, Leuven; Dudley/Mass. ,  – , listet potentielle Quellen, darunter Bruttius, Appian und den später genannten Ariston von Pella, auf. Das ist möglich, aber nicht zwingend. – Zu Appian als möglicher Quelle vgl. auch William Horbury, „The Beginings of the Jewish Revolt under Trajan“, in: Hubert Cancik et al. (eds.), Geschichte – Tradition – Reflexion, vol. . Judentum, Tübingen ,  – , hier ; ders., „The Uprisings under Trajan and Roman-Jewish Relations“, in: Armin Lange et al. (eds.), Judaism and Crises. Crisis as a Catalyst in Jewish Cultural History, Göttingen ,  – , hier  f. .  Die Schrift Aristons ist nicht überliefert; vgl. Andrew J. Carriker, „Seven Unidentified Sources in Eusebius’ Historia Ecclesiastica“, in: Douglas Kries / Catherine Brown Tkacz (ed.), Nova Doctrina Vetusque. Essays on Early Christianity in honor of Fredric W. Schlatter, New York et al., ,  – , hier  f; Ferdinand Rupert Prostmeier, Art. „Ariston von Pella“, in: Siegmar Döpp u. a. (Hgg.), Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg u. a. . vollst. neu bearb. u. erw. Aufl. , .  Zur Historiografie des Euseb vgl. R. M. Grant, Eusebius as Church Historian, Oxford ; Richard W. Burgess, Studies in Eusebian and Post-Eusebian Chronography, Wiesbaden ; Dieter Timpe, „Was ist Kirchengeschichte? Zum Gattungscharakter der Historia Ecclesiastica des Eusebius“ (), in: Uwe Walter (Hg.), Antike Geschichtsschreibung. Studien zur Historiographie, Darmstadt ,  – .

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3 Chronologie der Ereignisse 3.1 Der Aufstand in Nordafrika Folgt man dem Bericht in Kapitel 2,¹⁰ so erhält man zunächst den Eindruck, bei dem Aufstand habe es sich um ein lokal und zeitlich begrenztes Ereignis während der letzten Regierungsjahre Trajans gehandelt. Im 18. Jahr von dessen Herrschaft (115/6 u.Z.) begann eine Erhebung von Juden gegen Griechen. Diese nahm ihren Ausgang in Alexandria und ergriff sehr bald das übrige Ägypten und die Cyrenaika; Ursache war ein „böser, revolutionärer Geist“ (ὑπὸ πνεύματος δεινοῦ τινος καὶ στασιώδους). Aus den Unruhen entstand im Folgejahr (116 u.Z.) ein „nicht unbedeutender Krieg“ (πόλεμον οὐ σμικρὸν), mit militärischen Siegen der aufständischen Juden über die Griechen.¹¹ Diese ihrerseits flohen nach Alexandria und richteten ein Massaker unter den dort lebenden Juden an. Die Juden der Cyrenaika unter der Führung von Lukuas – später auch als „König“ (βασιλέυς) bezeichnet – fielen nun in Ägypten ein und richteten schwere Verwüstungen an, woraufhin die Römer einschritten. Markios Turbo schlug unter großem militärischen Aufwand (milites, equites, naves) den Aufstand nieder;¹² in einem „langwierigen, mühsamen Krieg“ (οὐκ ὀλίγῳ τε χρόνῳ) wurden zehntausende Juden aus der Cyrenaika und aus Ägypten ermordet. Als Präventionsakt ließ der Kaiser zeitgleich in Mesopotamien durch Lusius Quietus eine – nach heutigen Begriffen – „ethnische Reinigung“ vornehmen und wurde dafür mit der Statthalterschaft von Judaea „belohnt“.¹³

3.2 Der Bar Kochba-Aufstand Wie schon oben angedeutet, wird der Bar Kochba-Aufstand in zwei Kapiteln in unterschiedlicher Weise aufgegriffen. Während in Kapitel 5 nur summarisch auf die Ereignisse eingegangen wird („abermaliger Abfall“ – αὖθις ἀποστάντες; „in bedeu-

 Alle nachfolgenden Belege in der Ed. Schwartz, p.  – .  Ob man hier, wie Ulrich, Euseb von Caesarea (wie Anm. ), , festhalten darf, die Darstellung sei „nicht ohne Sympathie für die rebellierenden Juden“, sei dahingestellt.  Zu M. Turbo vgl. jüngst Ioan Piso, „Zum Judenkrieg des Q. Marcius Turbo“, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik  (),  – , hier  – .  Zu Lusius Quietus und seiner möglicherweise abrupt beendeten „Karriere“ vgl. Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism (wie Anm. ),  – . – Zu einem möglichen militärischen Einsatz von Quietus in Iudaea vgl. ebd.,  – .  f. Bei Euseb wird dieser Feldzug jedoch nicht genannt, weswegen er hier nicht weiter thematisiert sein soll.

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tenden Schlachten unterworfen“ – οὐ μικροῖς πολέμοις ἥλωσαν),¹⁴ werden die Ereignisse in Kapitel 6 detaillierter beschrieben.¹⁵ Hiernach flammten unter dem Statthalter Rufus die Abfallbewegungen erneut (αὖθις) auf. Nachdem der Statthalter Verstärkung erhalten hatte, metzelte er zehntausende Männer, Frauen und Kinder nieder und zog ihren Landbesitz ein.¹⁶ Erst im Anschluss an diese Darstellung wird der Anführer des Aufstands, Bar Kochba, benannt, dessen Name als „Stern“ (ἀστέρα) zum Anlass einer Polemik verwendet wird, indem er zum Objekt einer Verehrung gemacht wird, obgleich er doch eine „Mörder- und Räubernatur“ (φονικὸς καὶ ληστρικὸς) gewesen sei. Der Höhepunkt der Kämpfe sei im 18. Jahr der Herrschaft Hadrians (ca. 134/5 u.Z.) mit der Belagerung und Eroberung Bet-Ters erreicht worden. Danach habe Hadrian allen Juden den Zugang zu Jerusalem und seiner Umgebung verboten. Die Einwohner des nunmehr heidnisch bewohnten Jerusalem hätten der Stadt den neuen Namen „Aelia“ zu Ehren des Kaisers gegeben.

3.3 Zwischenfazit Euseb zufolge scheinen also beide Aufstände zusammenzugehören. Durch die unklaren Zeitangaben, werden beide Aufstände trotz der zugegebenen schweren Kämpfe als vergleichsweise kurz angegeben, der erste wird ausschließlich in die Regierungszeit Trajans datiert, der zweite mit dem ersten verknüpft (authis) und auf ein Massaker an Juden und die Belagerung und Eroberung von Bet-Ter reduziert. Die Umbenennung der Stadt Jerusalem wird aus der Verantwortung Hadrians genommen, dem seinerseits das Verdienst zukommt, dem Judenchristentum ein Ende bereitet zu haben (vgl. Kap. 5!).

 Ed. Schwartz, .  Alle nachfolgenden Belege in der Ed. Schwartz, p.  – .  Ulrich, Euseb von Caesarea (wie Anm. ), , liest hier einen Euseb’schen „Tadel“ an den Römern.

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II Vergleich mit Eusebs Chronik (in der Fassung des Hieronymus) und Cassius Dio Interessant ist es nun, die Ausführungen der Kirchengeschichte mit denen der Euseb’schen Chronik einerseits und der Darstellung bei Cassius Dio andererseits zu vergleichen.¹⁷

1 Euseb, Chronikon CCXXIII Eusebs Chronik ist nur in der lateinischen überarbeiteten Fassung des Hieronymus¹⁸ sowie in einer armenischen Übersetzung¹⁹ erhalten. Für das Folgende stütze ich mich auf die hieronymianische Fassung.²⁰ Nach dieser fand der Aufstand von Nordafrika in den letzten beiden Regierungsjahren Trajans (116 – 117 u.Z.) sowie im ersten Jahr des Hadrian (117/118 u.Z.) statt. Demnach handelt es sich zunächst um einen jüdisch-hellenistischen Krieg in der Cyrenaica, in Ägypten sowie in Alexandria mit Erfolgen der Juden in Cyrene und der Thebaia, während in Alexandria die Heiden (gentiles) die Oberhand behielten. Der Aufstand in Mesopotamien wurde von Lusius Quietus mit unendlich tausenden (infinita milia, d. h. unzählbaren) Opfern beendet. Zur Belohnung wurde Quietus zum Prokurator in Iudaea ernannt. In Salamis auf Zypern wurde die Stadt erobert und die nichtjüdische Bevölkerung getötet. Für das erste Regierungsjahr Hadrians wird lediglich mit-

 Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism (wie Anm. ),  – , hat alle relevanten (und weitere) Quellen zum ersten der beiden Aufstände gesammelt; zum Bar Kochba-Aufstand vgl. Peter Schäfer, The Bar Kokhba War Reconsidered. New Perspectives on the Second Jewish Revolt against Rome, Tübingen ; sowie zusammenfassend Werner Eck, „Herrschaft, Widerstand, Kooperation: Rom und das Judentum in Judaea / Palaestina vor dem . Jh. n.Chr.“, in: Ernst Baltrusch / Uwe Puschner (Hgg.), Jüdische Lebenswelten. Von der Antike bis zur Gegenwart, Frankfurt/M. u. a. ,  – , hier  – .  Die Abschnitte der Chronik finden sich Eusebius Werke, Bd. : Die Chronik des Hieronymus. Hieronymi Chronicon, hrsg. von Rudolf Helm, Berlin ,  f.  f (= GCS ). – Zu den Schwierigkeiten dieser Überarbeitung vgl. Pucci ben Zeev, Diaspora Judaism (wie Anm. ),  – ; zur Chronik allgemein William Adler, „Eusebius’ Chronicle and Its Legacy“, in: Harold Attridge / Gohei Hata (eds.), Eusebius, Christianity, and Judaism, Leiden et al. ,  – .  Vgl. Eusebius Werke, Bd. : Die Chronik aus dem Armenischen übersetzt; mit textkritischem Kommentar von Josef Karst, Leipzig ,  –  (= GCS ).  Die armenische Fassung weicht zum Krieg von / in der generellen Linie nicht von der lateinischen Übertragung ab, in der Darstellung der Ereignisse von / ist sie knapper.

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geteilt, dass der zweite jüdische Aufstand niedergeschlagen wurde, ohne dass ein Ort benannt wird. In dessen 16. Regierungsjahr (= 133 u.Z.) kommt es unter Tinius Rufus zu einem Aufstand in Iudaea. Für das Folgejahr heißt es, der dux Cochebas habe alle Christen getötet, die sich dem Aufstand nicht anschlossen.²¹ Für das 18./19. Regierungsjahr schließlich wird das Ende des Aufstands mitgeteilt und das Zugangsverbot für Jerusalem mitgeteilt. Im Vergleich mit der Darstellung in der Kirchengeschichte fällt bei aller Kürze auf, dass teilweise andere „Fakten“ berichtet werden: Die Thebaia sowie Salamis auf Zypern werden als weitere Orte der Auseinandersetzungen des ersten Aufstands benannt, der Name des „jüdischen“ Anführers entfällt ebenso wie der Einsatz der Römer unter Markios Turbo, die Geschehnisse in Mesopotamien werden ausführlicher als Teil des Aufstands und nicht als Präventionsmaßnahme beschrieben. Die Darstellung des Bar Kochba-Aufstands ist insgesamt viel knapper gehalten und enthält aber als neue Aussage, dass Christen sich dem Aufstand nicht angeschlossen hätten.²²

2 Cassius Dio, Römische Geschichte In der Epitome des 68. Buchs findet sich nach der Überlieferung des Xiphilinos eine Darstellung der letzten beiden Jahre Trajans.²³ Demnach war Trajan nach Arabia gezogen und bei der gescheiterten Belagerung von Hatra²⁴ erkrankt.²⁵ Währenddessen hatten die Juden aus Kyrene einen Andreas zu ihrem Anführer ernannt und begonnen, Römer und Griechen zu töten. Dabei sollen sie als Kannibalen und Wilde vorgegangen sein. Insgesamt hätten sie allein in der Kyrenaika

 Inwieweit hier eine Verbindung zu einer ähnlichen, ansonsten aber zusammenhangslosen Aussage in Iust. Mart. apol. I,  besteht, muss an anderer Stelle untersucht werden.  Hier wäre allerdings zu fragen, ob diese Aussage auf Euseb oder auf Hieronymus zurückgeht, weil sie gut in das historiografische Konstrukt der HE gepasst hätte.  Cassius Dio im Folgenden zit. n. der Ausgabe: Cassii Dionis Cocceiani historiarvm Romanarvm qvae svpersvnt, ed. Ursulus Philippus Boissevain Tom. III, Berlin . Aufl. . – Zu den Schwierigkeiten der Überlieferung vgl. Pucci ben Zeev, Diaspora Judaism (wie Anm. ),  – .  Zu Hatra vgl. jetzt Lucinda Dirven (Hg.), Hatra. Politics, Culture and Religion Between Parthia and Rome, Stuttgart ; hier insbesondere: Benjamin Isaac, „Hatra Against Rome and Persia. From Success to Destruction“,  – ; Michael Sommer, „In the Twilight. Hatra Between Rome and Iran“,  – .  Vgl. Cass. Dio ,  – ,  (ed. Boissevain, ).

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220.000 Menschen getötet.²⁶ Vergleichbare Akte vollzogen sie in Ägypten und Zypern. Für Zypern wird ebenfalls ein Anführer, Artemion, benannt. Der zypriotische Aufstand führte zu 240.000 Toten, mit der Folge, dass Juden die Insel nicht mehr betreten durften.²⁷ Der Bericht über den Krieg lautet schlicht: „Doch Lusius, neben anderen von Trajan entsandt, unterwarf die Juden.“ (ἀλλ᾽ ᾽Ιουδαίου μὲν ἄλλοι τε καὶ Λούσιο ὑπὸ Τραϊανοῦ πεμφθεὶ κατεστρέψαντο.)²⁸ Trajan habe, so die Fortsetzung ohne Bezug zu dem Aufstand, die Vorbereitung für einen Feldzug nach Mesopotamien aus Krankheitsgründen abgesagt und sei nach der Abreise im kilikischen Selinos (auch: Trajanopolis) gestorben. Hadrian dagegen sei mit seinen Truppen in Syrien geblieben, wo er zum neuen Kaiser ausgerufen wurde.²⁹ Im Fortgang der Epitome von Buch 69 wird dann darüber berichtet, dass Hadrian auf den Trümmern Jerusalems eine neue Stadt mit dem Namen Aelia Capitolina anlegen ließ.³⁰ Als Folge der Errichtung eines Jupitertempels an der Stelle des jüdischen Tempels sei es – nach der Chronologie des Berichts im Jahr 132 u.Z. – zu einem langen und schweren Krieg gekommen. Nach dem Abzug des Kaisers aus der syro-palästinischen Gegend kam es zu einem Aufstand,³¹ der jedoch zunächst als ein Partisanenkrieg begann, indem die Aufständischen strategisch wichtige Punkte besetzten und mit unterirdischen Festungsanlagen schützten.³² Ab 132 u.Z. wurden von Hadrian die besten Generäle, darunter der aus Britannien abkommandierte Iulius Severus, gegen die Aufständischen ins Feld geführt.³³ Die römische Kriegsführung passte sich der Strategie der Aufständischen an, es kam zu keiner Feldschlacht, sondern zu einem Aushungern einzelner aufständischer Truppenkörper.³⁴ Die Folgen des Kriegs waren für beide Seiten spürbar, für die Juden wohl verheerend: 50 der wichtigsten Festungen sowie 985 bedeutendere Ansiedlungen wurden zerstört, 580.000 Mann fanden bei den Angriffen und Schlachten den Tod, die Verhungerten, an Krankheiten und Feuer Verstorbenen nicht mitgezählt, so dass fast ganz Iudaea zur Einöde verkam.³⁵ Es

 Diese Zahl hat lange Argwohn erregt, vgl. stellvertretend: E. Mary Smallwood, The Jews und Roman Rule. From Pompey to Diocletian, Leiden , .  Vgl. Cass. Dio ,  (ed. Boissevain, ).  Cass. Dio , ,  (ed. Boissevain, ); Übertragung: Cassius Dio, Römische Geschichte, Bd. V: Epitome der Bücher  – , Übersetzt von Otto Veh, Düsseldorf , .  Cass. Dio ,  –  (ed. Boissevain,  f).  Cass. Dio , ,  (ed. Boissevain, ).  Cass. Dio , ,  (ed. Boissevain, ).  Cass. Dio , ,  – ,  (ed. Boissevain,  f).  Cass. Dio , ,  (ed. Boissevain, ).  Vgl. Cass. Dio , ,  (ed. Boissevain, ).  Vgl. Cass. Dio , ,  –  (ed. Boissevain, ).

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kamen jedoch auch so viele Römer ums Leben, dass Hadrian auf den üblichen Gruß verzichtete. Der siegreiche Severus wurde 134 u.Z. nach Bithynien versetzt.³⁶ Auch die Darstellung von Cassius Dio weicht in vielen Punkten von der aus Eusebs Kirchengeschichte ab. Zunächst handelt es sich um zwei deutlich von einander unterschiedene Kriege. Unter Trajan wurde ein Aufstand in Nordafrika und auf Zypern niedergeschlagen, deren Anführer Andreas und Artemion hießen. Die Zahl der Opfer ist mit zusammen 460.000 Toten sehr hoch veranschlagt. Hadrian spielt in diesem ersten Krieg keine Rolle. Der Bar Kochba-Aufstand wird ohne Nennung eines Anführers dargestellt. Seine Schwere wird sowohl durch die Nennung des Generals (Iulius Severus) als auch durch die Zahl der Opfer hervorgehoben. Ursache ist, anders als bei Euseb, die Neugestaltung Jerusalems als eine römische Stadt ohne jüdische Kultstätte.

III Zusammenfassung und Ausblick Überblicken wir die Darstellungen bei Euseb (und Hieronymus) auf der einen, und bei Cassius Dio auf der anderen Seite, so lassen sich Übereinstimmungen und Unterschiede deutlich aufzeigen. Zunächst einmal gab es anscheinend mindestens zwei regional unterschiedliche und unabhängige Aufstände bzw. Kriege. Fest steht, dass es in den letzten Jahren Trajans ausgehend von der Cyrenaika einen Flächenbrand bis nach Afrika, evtl. sogar bis nach Mesopotamien und Zypern gab, der allem Anschein nach von Lusius Quietus (und anderen) beendet wurde. Das genaue Ausmaß, die Anführerschaft und die Zahl der Toten werden unterschiedlich angegeben. Den wenigen epigrafischen und anderen Zeugnissen zufolge jedoch auch mit für Rom spürbaren Folgen.³⁷ Über die Ursachen schweigen alle Darstellungen; ob hier eine Schwäche Trajans mit einem ins Stocken geratenen Feldzug gegen die Parther ausgemacht wurde oder ob die Ursachen kontigent waren, lässt sich nicht entscheiden.³⁸ Allerdings scheint die Darstellung bei Euseb, dass es sich um einen ethnischen Konflikt in der Cyrenaika, der später auf Ägypten und Alexandria übergegriffen habe, im Großen und Ganzen plausibel. Das Übergreifen nach Zypern und eventuell nach Mesopotamien ist damit jedoch nicht geklärt. Ebenfalls übereinstimmend ist, dass es unter Bar Kochba einen zweiten Krieg gab, der zu einer Verödung des Landes führte. Alles andere im Blick auf diesen  Vgl. Cass. Dio , ,  (ed. Boissevain, ).  Vgl. die bei Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism (wie Anm. ),  – , zusammengestellten Dokumente.  Vgl. dazu T. D. Barnes, „Trajan and the Jews“, in: Journal of Jewish Studies  (),  – .

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Aufstand wird jedoch sehr unterschiedlich dargestellt. Der Neubau von Aelia Capitolina wird von Cassius Dio als Ursache, in der Kirchengeschichte Eusebs als Folge genannt.³⁹ Als Ursache scheint es plausibler, denn eine andere Ursache lässt sich kaum ausmachen. Das mitunter als Ursache angeführte Beschneidungsverbot ist zwar möglich,⁴⁰ wird in den dargestellten Quellen jedoch nicht angeführt und wirkt deswegen als eher unwahrscheinlich.⁴¹ Eine Verbindung zwischen den Aufständen scheint es, anders als Euseb es darstellt, wohl nicht gegeben zu haben. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass Unruhen und Unzufriedenheiten, wie sie durch das Euseb’sche authis angedeutet werden, anhielten, aber es erscheint wenig plausibel.⁴² Das in HE IV, 6 erwähnte Massaker unter Q. Tineius Rufus könnte eine Ursache für, aber auch eine Folge des Aufstands gewesen sein – in jedem Fall fällt auf, dass weder die Chronik noch Cassius Dio darauf verweisen.⁴³ Die Zahl der Opfer des Bar Kochba-Aufstands variiert erheblich, allerdings scheint die Zahl bei Cassius Dio nahe an der tatsächlichen Zahl der Opfer zu liegen.⁴⁴ Es bleiben jedoch auch einige Fragen offen. Mit Blick auf Eusebs Darstellung in der Kirchengeschichte wäre beispielsweise zu fragen, ob die Darstellungen um die Kapitel 2 und 6 herum allesamt glaubhaft sind: Sind z. B. die Angaben zu den judenchristlichen „Bischöfen“ korrekt? Waren

 Vgl. dazu auch Roland Deines, „How Long? God’s Revealed Schedule for Salvation and the Outbreak of the Bar Kokhba Revolt“, in: Lange et al. (eds.), Judaism and Crises (wie Anm. )  – , hier  f.  Vgl. dazu z. B. Alfredo Mordechai Rabello, „Il problema della ‚circumcisio‘ in diritto romano fino ad Antonino Pio“, in: Studi in Onore di Arnaldo Biscardi, Mailand , vol. II,  – , hier v. a.  – ; ders., „The Ban on Circumcision as a Cause of Bar Kokhba’s Rebellion“, in: Israel Law Review  (),  – , v. a.  – .  – ; dazu: Aharon Oppenheimer, „The Ban of Circumcision as a Cause of the Revolt: A Reconsideration“, in: Schäfer (Hg.), The Bar Kokhba War Reconsidered (wie Anm. ),  – .  So auch Peter Schäfer, „The Bar Kokhba Revolt and Circumcision: Historical Evidence and Modern Apologies“, in: Aharon Oppenheimer (Hg.), Jüdische Geschichte in hellenistisch-römischer Zeit. Wege der Forschung: Vom alten zum neuen Schürer, München ,  – ; vgl. Deines, „How Long?“ (wie Anm. ), .  Vgl. auch die Überlegungen bei Pucci Ben Zeev, Diaspora Judaism (wie Anm. ),  – ; sowie Werner Eck, Rom und Judaea. Fünf Vorträge zur römischen Herrschaft in Palaestina, Tübingen , – , zu Unruhen in Palästina im Jahr  u.Z.  Dazu kommt, dass Rufus nur für die Jahre / –  u.Z. belegt ist (vgl. Werner Eck u. a. [Hgg.], Prosopographia Imperii Romani VIII,, Berlin , Nr. T ). Entweder hat also Cassius Dio mit seiner früheren Datierung Recht oder aber Euseb hat hier Namen und Taten verwechselt.  Vgl. zusammenfassend Eck, Rom und Judaea (wie Anm. ),  – ; ders., „Der Bar Kochba-Aufstand der Jahre  –  und seine Folgen für die Provinz Syria Palaestina“ (), in: ders., Judaea – Syria Palästina. Die Auseinandersetzung einer Provinz mit römischer Politik und Kultur, Tübingen ,  – ; ders., „Herrschaft“ (wie Anm. ),  f.

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sie alle auf „Lebenszeit“ berufen oder wurden sie auf Zeit bestellt? Lässt sich wirklich von einem Ende eines Judenchristentums mit dem Scheitern des Bar Kochba-Aufstands sprechen, oder handelt es sich hier um ein historiografisches Wunschdenken des konstantinisch-orthodoxen Bischofs von Caesarea? Sodann bleibt unklar, welchen Zweck die Gründung von Aelia Capitolina hatte. Handelt es sich um ein Herrschaftssymbol Hadrians? Ging es um die Fortsetzung Trajan’scher Politik gegen Juden, wie es beispielsweise Martin Goodman annimmt?⁴⁵ Sollte es das Ende eines judäischen Judentums besiegeln? War die Gründung Ursache oder Folge des letzten Aufstands?⁴⁶ Hinsichtlich des Verhältnisses von Römern und Juden muss weiter gefragt werden: Was sind eigentlich die Ursachen für die Aufstände? Auffällig ist, dass beiden, dem „Trajans-Aufstand“ wie auch dem Bar Kochba-Krieg keine besonders nachhaltige Rolle im Verhältnis von Rom und Judentum zugekommen zu sein scheint. Aber wieso ist das eigentlich so? Waren die mutigen Judäer bzw. Juden geachtete Gegner? Handelte es sich tatsächlich nur um regionale Ereignisse? Und überhaupt: Wo kommen eigentlich alle aufständischen Juden her? War das Judentum zu Beginn des 2. Jahrhunderts eine doch viel bedeutendere Volksgruppe, als es gemeinhin angenommen wird, so dass ein Aufstand in der Provinz im Vergleich dazu eher gering ausfiel? Und schließlich wäre auch zu fragen, welche religionsgeschichtliche Bedeutung den Aufständen im Blick auf die Konstituierung bzw. Neukonstituierung des Judentums und des Christentums zukam. Für das sich herausbildende Judentum scheint nach dem gescheiterten Bar Kochba-Aufstand klar zu sein, dass es auf absehbare Zeit keinen Tempelkult mehr geben würde. Die schon lange anhaltenden Transformationsprozesse zu einer kultlosen Religionsgemeinschaft fanden darin eine unfreiwillige Bestätigung. Für das Christentum sind zwar in der Rückschau, wie sie schon bei Euseb angedeutet wird, die Folgen im Blick auf eine Emanzipation vom Judentum absehbar, andererseits fällt jedoch auf, dass Theologen des 2. Jahrhunderts wie Justin der Märtyrer und Melito von Sardis ihre jeweiligen Konzepte nur mit Bezug auf das Judentum formulieren konnten. Für Justin lässt sich geradezu von einem Wettstreit der Schulen sprechen.⁴⁷ Bei Melito

 Vgl. Martin Goodman, „Trajan and the origins of the Bar Kokhba War“, in: Schäfer (Hg.), The Bar Kokhba War Reconsidered (wie Anm. ),  – .  Yoram Tsafrir, „Numismatics and the Foundation of Aelia Capitolina – A Critical Review“, in: Schäfer (Hg.), The Bar Kokhba War Reconsidered (wie Anm. ),  – , nimmt an, dass Hadrian bereits  den Plan gefasst habe, Jerusalem umzubauen, es aber erst  dazu kam.  Vgl. Enrico Norelli, „Of Books and Bishops. The Second Century as a Key to the Processes that Led to a New Testament Canon“, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft  (),  – , hier v. a.  – .

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am Ende des 2. Jahrhunderts zeigt sich eine anhaltende Tendenz des jungen Christentums, seine Theologiebildung auch in (abgrenzender) Rückbindung an das Judentum durchzuführen (z. B. gleicher, wachsender Schriftkanon!). Aber abgesehen von Nebenbemerkungen spielen die Aufstände in keinem der theologischen Konzepte eine Rolle.⁴⁸

 Katharina Heyden, in ihrer jüngst erschienen Studie Orientierung. Die westliche Christenheit und das heilige Land in der Antike, Münster/W. , übergeht diesen Aspekt fast völlig.

Die Teilnahme von Juden am politischadministrativem Leben der Selbstverwaltungsgemeinden im Westen des römischen Reiches und der Konstantinische Erlass von 321 für die CCAA (= Köln)* Werner Eck (Köln) Das Imperium Romanum lebte durch seine Gemeinden; diese Gemeinden waren Selbstverwaltungseinheiten oder, wie meist formuliert wird, Städte, ein Begriff, der freilich leicht zu Missverständnissen führt, da mit dem Begriff „Stadt“ sehr Unterschiedliches verbunden werden kann. Die Mehrzahl der Menschen im Reich definierte sich jedenfalls durch die Zugehörigkeit zu einer dieser Selbstverwaltungseinheiten oder, anders ausgedrückt, durch seine origo, – dies die juristische Formulierung der Herkunft. Wenn in Inschriften auf die Herkunft von Personen verwiesen wird, erscheint üblicherweise der Name einer Gemeinde oder Stadt, nicht aber die Bezeichnung einer größeren regionalen Einheit, also einer Region oder einer Provinz. Wenn dies gelegentlich dennoch geschieht wie etwa in vielen Militärdiplomen für Prätorianer im 3. Jahrhundert, dann wird zumeist doch stets auch die Gemeinde angeführt, und zwar als das primäre Kriterium. So wird, um ein ganz willkürliches Beispiel zu wählen, für einen Veteranen aus einer Prätorianerkohorte unter Severus Alexander die Herkunft als Nicopoli ex Moesia vico Dizerpera angegeben.¹ Das Primäre ist die Gemeinde Nicopolis, von der dann gesagt wird, sie läge in der Provinz Moesia; die kleinere Ansiedlung auf dem Territorium dieser Stadt, der vicus wird als weitere Präzisierung hinzugefügt. Die Gemeinden waren der Ort, an dem die Menschen lebten. Soweit Bedürfnisse der einzelnen Personen nicht durch sie selbst oder die jeweilige Familie gedeckt werden konnten, mussten diese von den Gemeinden und ihren Organen erfüllt werden. Das betraf z. B. die Lebensmittelversorgung im Falle von unge-

* Der vorliegende Beitrag ruht in manchen Teilen auf einer früheren Arbeit zur jüdischen Gemeinde in Köln: Werner Eck, Spurensuche. Juden im römischen Köln (Schriftenreihe der Gesellschaft zur Förderung eines Hauses und Museums der jüdischen Kultur in Köln /), Köln .  P. Weiß, in: ZPE  (),  ff = AE ,  = RMD V  = Werner Eck / Andreas Pangerl, in: AMN / (/ []),  ff. DOI 10.1515/9783110410051-010

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nügendem Angebot auf dem lokalen Markt, die Versorgung mit Wasser durch den Bau von Aquädukten, den Unterhalt der lokalen und regionalen Straßen innerhalb des Territoriums der Gemeinde, aber auch die Klärung von zivilen Streitfällen und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Dazu gehörte schließlich die Sicherung des Steuereinzugs, der im Auftrag der Reichsadministration zu gewährleisten war. Nicht zu vergessen ist die Sorge um den Kult der Götter, die jeweils mit der Gesamtgemeinde verbunden waren. Denn wie die res publica populi Romani so war auch jede Gemeinde auf die religio gegründet; ohne den Schutz durch die Gottheiten konnte keine Gemeinde existieren. Seit augusteischer Zeit waren auch der Herrscher und seine Familie, vor allem aber die divinisierten Kaiser ein Teil der religiösen Grundlagen der Gemeinde; sie in angemessener Weise durch das Jahr hindurch zu ehren bzw. kultisch zu verehren, gehörte zu den Aufgaben der jeweiligen Selbstverwaltungseinheit. Dass Gemeinden für die dauerhafte Leitung und die Administration spezielle Einrichtungen benötigten, braucht man nicht zu betonen. Die Ratsversammlungen und die Gemeindemagistrate hatten die anfallenden Aufgaben für alle Bewohner, die innerhalb des Zentralorts einer Gemeinde und auf deren Territorium lebten, zu erfüllen. Diese Bewohner konnten cives, Bürger, sein oder auch incolae, also Personen, die ihrer origo nach zwar zu einer bestimmten Gemeinde gehörten, sich aber temporär an einem anderen Ort aufhielten. Für solche incolae gab es die Möglichkeit, Bürger der Gemeinde zu werden, in der sie sich über eine längere Zeit aufgehalten hatten, auch wenn wir über die Art und Weise, wie dieser Statuswechsel erfolgte, nicht näher Bescheid wissen. Dass solche incolae sich fast überall in der römischen Welt finden, liegt wesentlich an der nicht geringen Mobilität zwischen den verschiedenen Regionen des Reiches. Manche Menschen wurden zu dieser Mobilität gezwungen, wie etwa Sklaven, abhängige Freigelassene oder Gladiatoren. Auch Soldaten waren ein Teil dieser erzwungenen Mobilität; doch wenn sie ihren Dienst beendet hatten, als Veteranen, lag es an ihnen, ob sie sich nahe ihrem Einsatzort niederließen oder in ihre Heimat zurückkehrten; faktisch waren sie nach 25 oder mehr Jahren beim Militär in ihrer alten Heimat so etwas wie incolae.Viele andere machten sich aus freien Stücken auf den Weg in die Fremde, speziell Händler und Handwerker, aber auch manche Propheten alter und neuer Religionen; nicht nur Peregrinus Protheus, der sich schließlich bei den Olympischen Spielen des Jahres 165 n.Chr. selbst verbrannte, war ein solcher Wanderprophet.² Nicht wenige von diesen zunächst wandernden Leuten ließen sich auf Zeit oder oft auch permanent an weit entfernten Orten nieder. Um nur ein Beispiel zu nennen: Ein Marcus Exgingius Agricola, der sich cives Trever nennt

 Christopher P. Jones, Culture and Society in Lucian, Cambridge/MA .

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und als Salzhändler tätig war, hatte sich in der CCAA niedergelassen und betrieb von da aus seinen Handel mit den Salzsiedereien an der Nordseeküste; er blieb jedoch Bürger von Trier.³ Zahlreiche solcher Fälle, allerdings vornehmlich von Zivilisten, nicht von Militärs, sind in der Literatur für die gallischen Provinzen zusammengestellt worden.⁴ Dass sich darunter nicht ganz wenige auch aus den östlichen Provinzen finden, ist nicht besonders überraschend. Es sind Leute aus Arabia, aus Syria, aus Cilicia, aus Ägypten, vornehmlich aus Alexandria, aus Asia, Bithynien, Griechenland und Macedonia.⁵ In Gelduba, dem modernen Krefeld, hat man mehrere Fragmente von Sigillata gefunden, auf denen in aramäischer Schrift Namen stehen, die nach onomastischen Kriterien eine Herkunft aus dem nördlichen Syrien erschließen lassen.⁶ Und in der niedergermanischen Provinzhauptstadt, in der CCAA hat ein Alexandriner, der gleichzeitig das athenische Bürgerrecht hatte, einen Flötenbläser aus Mylasa (im Westen der heutigen Türkei) bestattet.⁷ Vielleicht gehören sie einer Theatergruppe an, doch sind andere Gründe, weshalb sie sich in der colonia aufhielten, denkbar. In dieser Vielfalt von Regionen, die in epigraphischen Dokumenten ihren Niederschlag gefunden hat, fehlt eine: die Provinz Iudaea bzw. Syria Palaestina. So ist es auch nicht überraschend, dass in allen germanisch-gallischen Provinzen jedenfalls in den ersten drei Jahrhunderten keine einzige Person jüdischer Herkunft bezeugt ist. Das wiederum ist allerdings kein Charakteristikum der gallisch-germanischen Provinzen. Jüdische Gemeinden und einzelne Personen jüdischer Herkunft sind generell im gesamten Westen des römischen Reiches in den ersten drei Jahrhunderten n.Chr. nur sehr marginal bezeugt. Die einzige Ausnahme ist die Stadt Rom, das politische Zentrum des Reiches. Für diese Stadt haben wir nicht nur relativ zahlreiche schriftliche Quellen, die bereits im 1. Jahrhundert v.Chr. einsetzen. So hat sich etwa Cicero in einigen politischen Kontexten zur Präsenz einer größeren jüdischen Bevölkerungsgruppe in Rom geäußert. Daneben aber gibt

 AE , .  Lothar Wierschowski, Die regionale Mobilität in Gallien nach den Inschriften des . bis . Jahrhunderts n. Chr. Quantitative Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der westlichen Provinzen des Römischen Reiches, Stuttgart .  Wierschowski (wie Anm. )  f; siehe auch ders., Fremde in Gallien – „Gallier“ in der Fremde. Die epigraphisch bezeugte Mobilität in, von und nach Gallien vom . bis . Jh. n. Chr. Texte, Übersetzungen, Kommentare, Stuttgart .  Werner Eck, Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum, Köln ,  f; Andreas Luther, „Osrhoener am Niederrhein. Drei altsyrische Graffiti aus Krefeld-Gellep (und andere frühe altsyrische Schriftzeugnisse)“, in: Marburger Beiträge zur Antiken Handels-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte  (),  – .  CIL XIII  = IKoeln .

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auch nicht ganz wenige epigraphisch-archäologische Zeugnisse; bei David Noy sind im 2. Band der Jewish Inscriptions of Western Europe für Rom insgesamt mehr als 630 Zeugnisse gesammelt, vor allem aus den Katakomben der ewigen Stadt.⁸ Freilich sind viele dieser Zeugnisse zumindest in ihrer Datierung ziemlich umstritten und nicht wenige gehören wohl erst in die Spätantike. Doch Rom ist hinsichtlich der Präsenz von Juden eine Ausnahme; für die anderen Teile des westlichen Reiches, sowohl für Italien als auch für die Provinzen, fehlen uns Quellen dokumentarischer Natur in größerer Zahl fast überall für die ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit. Denn die Masse der Inschriften im ersten Band der Sammlung von Noy von Orten wie Neapel,Venusia, Tarent und einigen Städten auf Sizilien stammt aus der Spätantike.⁹ So ist es nicht verwunderlich, dass im Jahr 2010 in Österreich der Fund zweier fragmentarischer, längere Zeit unpublizierter Grabinschriften zu Sensationsmeldungen in der dortigen Presse und inzwischen auch zu grotesken Interpretationen bei wissenschaftlichen Tagungen geführt hat.¹⁰ In diesen beiden Texten wird jeweils zum Namen von Verstorbenen der Zusatz Iudaeus vermerkt. Der Inhalt der beiden Inschriften wurde, allerdings nicht von Leuten, die sich professionell mit Inschriften befassen, sogleich so verstanden, damit seien zwei Familien von Juden in der römischen Stadt Carnuntum bezeugt. Doch das sagen die zwei Grabinschriften nicht; denn in beiden Fällen heißt es eindeutig: domo Iudaeus / Iudaei. Damit steht in den Inschriften lediglich, dass diejenigen, an deren Grab die Inschriften angebracht waren, aus Judäa stammen, und damit kann im 2. Jahrhundert, in das zumindest der eine Text sicher gehört, nur die römische Provinz Judäa gemeint sein. (Gleichzeitig ist die Aussage auch ein gewichtiges Datierungsindiz, da seit 136, dem Ende des Bar Kochba Krieges, der Name Iudaea fast völlig verschwindet und fast immer durch Syria Palaestina ersetzt wird.) Damit kann man den Texten über die schlichte geographische Herkunft hinaus keinen weiteren Hinweis entnehmen, etwa auf die religiös-ethnische Herkunft; denn dafür müssten die Texte zusätzliche Informationen liefern, was jedoch nicht der Fall ist. Damit sind diese Texte für eine Präsenz von Juden in Pannonien, und damit in einer lateinisch-militärisch geprägten Provinz, bereits im 1. Jahrhundert n.Chr. nicht zu verwenden.

 David Noy, Jewish Inscriptions of Western Europe. Vol. II: The City of Rome, Cambridge .  David Noy, Jewish Inscriptions of Western Europe.Vol. I: Italy (excluding the City of Rome), Spain and Gaul, Cambridge .  Die Texte sind jetzt mit kritischer und vorsichtiger Kommentierung von Franziska Beutler / Gabrielle Kremer, „Domo Iudaeus – Zwei neue Inschriften aus Carnuntum“, in: Tyche  (),  ff publiziert.

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Sieht man aber von solchen insgesamt sehr spärlichen und unsicheren Zeugnissen ab, dann muss man fast für alle westlichen Provinzen bis zur Spätantike, also bis zum 4. und 5. Jahrhundert warten, um auf einige wenige oder überhaupt die ersten Zeugnisse über jeweilige jüdische Gemeinden zu stoßen. Und auch dann sind sie nicht zahlreich, außer für einige wenige Orte wie die schon erwähnten Städte Venosa oder Neapel in Unteritalien und Catania auf Sizilien.¹¹ Insgesamt kennt man für die Zeit vom 1. Jahrhundert v. bis zum späten 7. Jahrhundert n.Chr. nur insgesamt etwas mehr als 200 Inschriften, also einigermaßen aussagefähige Zeugnisse für die Anwesenheit bzw. permanente Ansiedlung von Juden in Italien (ohne Rom), in Spanien und in Gallien. Dass man einen ausführlicheren Bericht hat wie den Brief des Bischofs Severus von Menorca aus dem Jahr 418 über ein Pogrom und die anschließende Bekehrung vieler Juden zur christlichen Religion, ist eine recht seltene Ausnahme.¹² Die eben geschilderte Situation unseres Wissens gilt auch für die niedergermanische Provinz und deren Hauptstadt, die Colonia Claudia Ara Agrippinensium, oder Agrippina, wie die Stadt seit dem späteren 3. Jahrhundert zunehmend genannt wurde.Will man etwas über die Anfänge einer jüdischen Gemeinde in dieser Stadt und der gesamten Region, deren Größe und innere Beschaffenheit erkennen, dann muss man sich auf eine geduldige Spurensuche begeben. Diese kann nur Erfolg haben, wenn man das sehr wenige, was man sicher weiß, in Verbindung bringt mit vergleichbaren Phänomenen in anderen Teilen des Reiches und daraus vorsichtige Schlüsse zieht, die aber in ihrer Logik erkennbar sein müssen und nicht im Widerspruch zu allgemeinen historischen Entwicklungen und Strukturen stehen dürfen.¹³ Dies ist im Kontext des Phänomens, über das hier gesprochen werden soll, nicht immer beachtet worden, gerade auch in Köln. Immerhin kann man auf diese Weise eine zwar beschränkte, aber vielleicht bezeichnende Antwort auf die Frage nach der Beteiligung von Juden an der Leitung von Gemeinden im Imperium Romanum, jedenfalls in den westlichen Provinzen gewinnen. Die niedergermanische Provinz lag von Judäa tausende von Meilen entfernt. Sie wies wesentlich andere Lebensbedingungen auf als das jüdische Kernland. Dass Bewohner von Judäa sich in größerer Zahl ohne besondere Gründe in diese weit nördlich gelegene Provinz begeben hätten, ist nicht gerade das Wahrscheinlichste; zu unterschiedlich waren die Lebensbedingungen. Solch besondere

 Siehe im Band von Noy (wie Anm. ).  Siehe dazu zuletzt David Noy, „Jews in the Western Roman Empire in Late Antiquity: Migration, Integration, Separation“, in: Veleia  (),  ff.  Siehe dazu Eck, Spurensuche (wie Anm. *); ders., „The Jewish Community in Cologne from Roman Time to the Early Middle Age“, in: Benjamin H. Isaac / Yuval Shahar (Hgg.), Judaea-Palaestina, Babylon and Rome. Jews in Antiquity, Tübingen ,  ff.

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Gründe könnten sich wohl erst ergeben haben, als es zwischen Teilen des jüdischen Volkes und Rom zu einem massiven Konflikt gekommen war. Ein großer Exodus von Juden erfolgte im Gefolge der ersten großen Revolte gegen Rom von 66 bis 70 n.Chr., die mit der Zerstörung des Tempels und der Stadt Jerusalem endete. Zumindest in Jerusalem selbst gab es seit dieser Zeit keine jüdische Bevölkerung mehr. Die Bevölkerungsverluste im jüdischen Kernland sind nicht gering gewesen, wozu sicher auch die Flucht nicht weniger Juden beigetragen hat, nicht anders als die Versklavung anderer, die freilich normalerweise in der Überlieferung keine Spuren hinterlassen haben. Manche dieser Versklavten sind jedoch, wie es in der römischen Gesellschaft üblich war, später freigelassen worden und haben die zumindest in Rom schon bestehende jüdische Diaspora verstärkt. Nicht aus Rom, sondern aus Puteoli kennt man durch Zufall eine [Cl]audia Aster [H]ierosolymitana, die als [ca]ptiva, als Kriegsgefangene, d. h. als Sklavin, bezeichnet wird; sie ist von ihrem Besitzer, dem kaiserlichen Freigelassenen Ti(berius)] Claudius [Pro]culus, wohl bald freigelassen worden; denn sie starb schon mit 25 Jahren.¹⁴ Rund 60 Jahre nach der Eroberung Jerusalems folgte erneut eine massive Auswanderungswelle, als der Bar Kochba-Aufstand zwischen 132 und 136 desaströse Folgen für das Judentum in Judäa hatte. Das Kernland des Judentums, das eigentliche Judäa, wurde weithin entvölkert, einerseits durch die massenhaften Verluste während des Krieges und andererseits durch die Flucht nicht weniger Juden, vor allem derjenigen, die sich dem Aufstand nicht angeschlossen hatten. Denn auch dieser zweite Aufstand war wie der erste keine Erhebung des gesamten Volkes, sondern nur von Teilen der in der Provinz lebenden Juden. Die Masse der damals geflohenen Juden ist offensichtlich in die Länder jenseits des Jordan ausgewichen und hat die dortige Diaspora verstärkt; aber die Wahrscheinlichkeit liegt nahe, dass manche auch nach dem Westen gelangt sind. Ob diese Erhebungen Einfluss darauf hatten, dass Juden nach Köln und in die gesamte Region nördlich der Alpen gekommen sind, wird noch kurz zu erörtern sein. Ein direktes Zeugnis gibt es dafür nicht. Ein erstes Zeugnis für Juden in Köln taucht erst rund 200 Jahre später auf. Es ist die wohlbekannte Konstitution vom 11. Dezember des Jahres 321 n.Chr., eine Konstitution von Kaiser Konstantin. Erhalten ist sie im Codex Theodosianus (16, 8, 3), der auf Veranlassung von Kaiser Theodosius II. im Jahr 438 publiziert wurde, um das damals gültige Recht in einer einzigen Sammlung von kaiserlichen Erlassen zusammenzufassen. Das Faksimile dieser Konstitution stammt aus einer Handschrift, die in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt wird. Das achte Kapitel des 16. Buches des Codex Theodosianus steht unter der Überschrift: De

 CIL X  = Dessau .

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Iudaeis, Caelicolis et Samaritanis, also Erlasse über „Juden, Anbeter des Himmels und Samaritaner“. Wichtig ist zu beachten, dass der Codex Theodosianus kein systematisches Gesetzeswerk ist, vielmehr ist es eine Sammlung von einzelnen Erlassen, die jeweils in einer besonderen Situation verfasst wurden und auch zunächst häufig nur für diese Situation gegolten haben. Es sind eher Fallentscheidungen, also das Gegenteil dessen, was wir von einem Gesetz erwarten, nämlich einer generellen Formulierung eines rechtlichen Sachverhalts, ohne individuelle Umstände. Doch diese Fallabhängigkeit ist für die Analyse dieser Gesetze bedeutsam, da auf diese Weise oft der konkrete Anlass, aus dem heraus eine Entscheidung gefällt wurde, erhalten blieb oder zumindest in Ansätzen in den Erlass Eingang gefunden hat. Das gilt gerade auch bei der genannten Konstitution von Kaiser Konstantin. Wäre dies nicht so gewesen, wüssten wir über Juden im römischen Köln und damit insgesamt in den Nordprovinzen für das 4. Jahrhundert n.Chr. NICHTS. Denn in einer allgemeinen rechtlichen Regelung wären alle Details, die für uns so bedeutsam sind weggefallen. So aber blieben sie zumindest in Ansätzen erhalten. Der Text der Konstitution lautet: Idem A(ugustus, sc. Constantinus) decurionibus Agrippinensibus. Cunctis ordinibus generali lege concedimus Iudaeos vocare ad curiam. Verum ut aliquid ipsis ad solacium pristinae observationis relinquatur, binos vel ternos privilegio perpeti patimur nullis nominationibus occupari. Dat(um) III Id(us) Dec(embres) Crispo II et Constantino II Caes(aribus) co(n)s(ulibus). „Derselbe Kaiser (= Constantin) an die Ratsherren von Köln: Mit einem allgemeinen Gesetz erlauben wir allen Stadträten, Juden in den Rat zu berufen. Doch damit ein Rest der früheren Regelung ihnen zum Trost bestehen bleibe, gestehen wir mit einem immerwährenden Privileg je zweien oder dreien von ihnen zu, von keinen Nominierungen in Anspruch genommen zu werden. Gegeben am 11. Dezember als die Caesares Crispus und Constantinus zum zweiten Mal Konsuln waren“ = 321 n.Chr.

Was sagt dieser Text direkt und was lässt er vor allem über die Situation erkennen, aus der heraus die Entscheidung gefallen ist? Zunächst ist bedeutsam, dass der Erlass an decurionibus Agrippinensibus, an die Dekurionen, die Ratsherren von Köln, gerichtet ist, dass aber die Entscheidung nicht allein für Köln gilt, sondern allgemein gültig ist, weil die Entscheidung Konstantins als eine lex generalis formuliert wurde, also ein allgemein gültiges Gesetz. Der Kaiser erlaubt den Dekurionen in Köln und anderswo, Juden in den Rat zu berufen; er erlaubt aber auch, dass auf Grund einer bisherigen anderen Regelung jeweils zwei oder drei Juden von solchen Berufungen ausgenommen werden können. Es wird also ein früherer Rechtszustand noch zu einem kleinen Teil beibehalten, ansonsten aber grundsätzlich verändert.

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Bevor darauf nochmals eingegangen wird, muss versucht werden, die historische Situation zu erklären, aus der heraus diese Konstitution erlassen wurde. Das wird deswegen möglich, weil diese Konstitution noch zum Teil die Umstände hervortreten lässt, die zum Erlass geführt hatten. Einige Zeit vor dem Jahr 321 n.Chr. muss es in der Gemeinde der Agrippinenses zu Problemen bei der Ergänzung des Rates, des ordo decurionum, gekommen sein. Das war im Grunde kein Kölner Problem; denn wir wissen aus zahlreichen anderen Quellen, dass es immer wieder in vielen Teilen des Reiches Schwierigkeiten gab, den jeweiligen Rat der Stadt in voller Stärke zu besetzen. Die Zahl der Ratsmitglieder war für jede Stadt festgelegt, im Fall Kölns durch das Koloniegesetz, das bei der Einrichtung der Colonia Claudia Ara Agrippinensium im Jahr 50 n.Chr. erlassen worden war. Wir kennen zwar dieses Gesetz nicht direkt; aber es war ganz üblich, ja notwendig, ein solches Gesetz, eine lex coloniae, zu erlassen. Vor wenigen Jahren hat man an der unteren Donau Teile eines solchen Stadtgesetzes für das municipium Troesmis gefunden, das in der Spätzeit Marc Aurels zwischen 177 und 180 n.Chr. erlassen und auf Bronzetafeln publiziert worden ist.¹⁵ Solches war früher auch in Köln geschehen. Wie viele Ratsmitglieder dieses Koloniegesetz festgelegt hat, wissen wir nicht; doch Köln war eine überdurchschnittlich große Gemeinde, die von Remagen im Süden bis nach Krefeld im Norden und schließlich im Westen bis nach Aachen reichte. Auch der urbane ummauerte Kern war mit 96 Hektar deutlich größer als bei vielen anderen Zentralorten; so sollte man nicht mit weniger als 100 Mitgliedern im Rat rechnen, eine Zahl, die wir auch aus anderen Städten kennen. Ein relativ kleines und unbedeutendes municipium wie Irni in der Baetica hatte, wie § 31 des dortigen Stadtgesetzes festlegte, immerhin 63 Mitglieder.¹⁶ Die CCAA war deutlich größer. Diese Dekurionen erhielten ihre Stellung im Rat entweder durch Wahl zu den städtischen Ämtern, oder der Rat bzw. die in jedem fünften Jahr auftretenden quinquennales kooptierten unmittelbar aus den Bewohnern der Gemeinde neue Mitglieder, wenn die richtige Zahl nicht mehr erreicht war. Dabei konnte und wollte man nicht einfach irgendwelche Bürger der Stadt wählen; denn anders als heute mussten Stadträte ein bestimmtes Mindestvermögen nachweisen, vielleicht 100.000 Sesterzen, ca. 25.000 Denare, was jedoch nur ein Mindestsatz war. Das war schon allein deswegen nötig, weil die damaligen Stadträte keine monatliche Aufwandsentschädigung bezogen, ganz im Gegenteil: Man lebte nicht von der Politik, sondern für die Politik, jedenfalls idealiter. Wenn Kölner Bürger damals in  Werner Eck, „La loi municipale de Troesmis: données juridiques et politiques d’une inscription récemment découverte“,, in: Revue historique du droit français et étranger  (),  – .  Siehe Joseph Georg Wolf, Die Lex Irnitana. Ein römisches Stadtrecht aus Spanien. Lt.-dt., Darmstadt , § .

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den Rat aufgenommen wurden, hatten sie vermutlich eine bestimmte Summe zu zahlen. Wie viel das war, ist nicht klar, jedenfalls nicht für Köln. Aber einige tausend Denare sollten es schon gewesen sein. Aus dem Briefwechsel des jüngeren Plinius mit Traian wissen wir, dass in Pontus-Bithynia ein oder zwei tausend Denare (was 4000 – 8000 Sesterzen entsprach) von den decuriones supernumerarii, also Dekurionen, die über die Normzahl hinaus aufgenommen wurden, zu zahlen waren.¹⁷ In Cirta in Africa lag die Summe bei 20.000 Sesterzen.¹⁸ Zum Vergleich sei auf den Sold der Legionäre zu Beginn des 2. Jahrhunderts verwiesen: pro Jahr 1200 Sesterzen = 300 Denare; im späteren 3. Jahrhundert war dieser Sold auf rund 1800 Denare = 7200 Sesterzen gestiegen.¹⁹ Und dieser Sold lag deutlich über dem, was einfache Bürger zur Verfügung hatten. Es war also eine durchaus erkleckliche Summe, die von jedem Mitglied des Rates aufzubringen war. Und das galt noch mehr für die Dekurionen, die außer der Ratsmitgliedschaft auch Ämter, Magistraturen, übernahmen. Sie bezahlten ebenfalls eine summa honoraria, eine Summe aus Anlass der Übernahme eines Ehrenamtes, eines honos, die in größeren Städten durchaus deutlich über 10.000 Sesterzen liegen konnte.²⁰ Das heißt sicher, dass zumindest diejenigen, die Ämter übernahmen, deutlich mehr Besitz aufweisen mussten als die vermuteten 100.000 Sesterzen oder 25.000 Denare Mindestvermögen, das die Voraussetzung war, um in den Rat zu kommen. Einen weiteren Hinweis auf die ökonomische Situation der Ratsmitglieder geben die Stadtgesetze dadurch, dass sie bestimmen, jeder decurio müsse im Zentrum der Gemeinde ein Haus besitzen; dabei werden in der lex Tarentina als Bezugsgröße 1500 tegulae angegeben und in der lex Ursonensis 600, was nach Michael Crawford auf eine Hausfläche von rund 440 bzw. 176 qm schließen lässt.²¹ Auch diese Angaben variierten je nach Größe und Bevölkerungszahl der Gemeinde. Für Köln, das eine weit bedeutsamere Gemeinde als etwa das kleine Urso in der Baetica war, heißt das, die domus für die Dekurionen dürften ebenfalls entsprechend ausgedehnter und damit finanziell aufwendiger gewesen sein. Es gab jedoch noch einen wesentlichen weiteren Aspekt, der für die Ratsherren von essentieller Bedeutung war, einen fiskalischen. Und gerade dieser Aspekt ist im Kontext der konstantinischen Konstitution essentiell. Die Stadträte

 Plin. epist. , .  Richard Duncan-Jones, The Economy of the Roman Empire, Cambridge ,  ff.  Michael Alexander Speidel, Heer und Herrschaft im römischen Reich der Hohen Kaiserzeit, Stuttgart ,  ff.  Siehe Duncan-Jones (wie Anm. )  ff.  ff.  Zur lex Tarentina: CIL I  = Dessau ; für Urso: Antonio Caballos Rufino, El nuevo bronce de Osuna y la política colonizadora romana, Sevilla , ,  s. = AE , ; siehe Michael H. Crawford, Roman Statutes, London , I .

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hatten zusammen mit den Magistraten der kaiserlichen Finanzverwaltung gegenüber zu gewährleisten, dass die für die Stadt und deren gesamtes Territorium jeweils pro Jahr fällige Steuersumme auch tatsächlich gezahlt wurde.²² Denn die Bewohner eines Stadtterritoriums hatten ihre Steuern nicht individuell an einen lokalen Finanzagenten abzuliefern; vielmehr erfolgte der Einzug auf der Ebene der Stadt und ihrer Verwaltung, entweder direkt durch die städtischen Magistrate und ihre Helfer oder durch Steuerpächter, die von der Stadt zu bestellen waren. Verantwortlich für die ordnungsgemäße Ablieferung an den staatlichen Finanzfunktionär waren die städtischen Magistrate und, in Mithaftung, alle Dekurionen. Kam die notwendige Summe nicht zusammen, weil manche Leute nicht zahlten, nicht zahlen konnten oder sich vielleicht durch Flucht einer Zahlung entzogen (das Problem der Steuerflucht ist also, wenn auch vielleicht aus anderen Motiven, ein sehr altes), dann musste der Rest der fälligen Steuer von Magistraten und Dekurionen zusammen aufgebracht werden. Dass solche Verpflichtungen, wenn sie öfter als einige Male zu erfüllen waren, die Attraktivität von Magistratur und Dekurionat nicht unbedingt erhöhte, ist durchaus verständlich. Diese Regeln hatten freilich schon immer gegolten, unter normalen oder gar prosperierenden wirtschaftlichen Umständen hatte das der Attraktivität von Dekurionat und Magistraturen nicht geschadet. Da hat man sogar meist darauf geachtet, dass nur Leute in den Rat kamen, die über die finanzielle Solidität hinaus auch den akzeptierten gesellschaftlichen Vorstellungen entsprachen. Jüdische Bewohner einer Stadt gehörten im Allgemeinen nicht dazu, sie wurden nicht selten als Fremdkörper wahrgenommen; bis in den Beginn des 3. Jahrhunderts hinein hätte man sie kaum in solche Stellungen gewählt, selbst wenn diese gewollt hätten.²³ Doch Anfang des 4. Jahrhunderts hatte sich die Gesamtlage deutlich gewandelt. Seit den 30er Jahren des 3. Jahrhunderts war die Sicherheit des Reiches nicht mehr dieselbe wie früher, gerade an der Rheingrenze.²⁴ Regelmäßig war es zu Einfällen kleinerer oder größerer Germanentruppen gekommen, die vor allem das agrarische Umland und die villae rusticae trafen, die die Grundlage der gesamten Kölner Ökonomie bildeten. Von solchen Einfällen berichten auf der einen Seite manche der spätantiken Autoren, so u. a. von zahlreichen Einfällen von Franken zwischen 288 und 315 n.Chr., also in der unmittelbaren Vorzeit der konstantinischen Konstitution von 321. Daneben bezeugen auch viele Münzhorte, die seit den 30er Jahren des 3. Jahrhunderts an zahlreichen Plätzen, so z. B. in Brauweiler nahe Köln,²⁵ vergraben wurden, die Unsicherheit der Zeit; diese    

Neuer Pauly ,  s.v. „Decemprimi“. Ulpian, Libro tertio de officio proconsulis, Dig. , , ,  (u. S. ). Siehe für die Region um das römische Köln Eck, Köln in römischer Zeit (wie Anm. )  ff. Ruprecht Ziegler, Der Schatzfund von Brauweiler, Köln ,  ff.

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Münzschätze sind eine kennzeichnende Erscheinung dieser Jahrzehnte. Für kurze Perioden sind für die linksrheinische Region durch die Archäologie massive Münzhorizonte bekannt geworden.²⁶ Die Archäologie konnte zudem nachweisen, wie sehr die wirtschaftliche Produktionsfläche schon im 3. Jahrhundert zurückging und wie viele der villae rusticae damals zerstört oder zumindest nicht mehr im alten Umfang bewirtschaftet wurden. Es sind vor allem die großflächigen Grabungen im Kontext des Braunkohletagebaus, die dies erkennen lassen. Die Folgen dieses Ausfalls in der landwirtschaftlichen Produktion traf nicht nur die bisher dort arbeitenden Menschen, sondern vor allem auch die Kölner Dekurionen, da deren Vermögen und wirtschaftliche Basis wie üblich für diese Bevölkerungsgruppe in Grundbesitz und dessen Ertrag bestand, im römischen Köln wie auch in den meisten anderen Gemeinden des Reiches. Die unsichere Situation bildete für manche, vermutlich sogar für viele der Dekurionen einen Teufelskreis: Sie hatten wirtschaftliche Einbußen wie auch viele andere, die von der Landwirtschaft lebten, sie mussten aber ihrerseits der Zentralregierung gegenüber die Sicherheit der Steuereinnahmen gewährleisten, notfalls mit dem eigenen Vermögen, obwohl die Steuereinnahmen wohl insgesamt zurückgingen. Und der Druck der staatlichen Administration wurde angesichts der Krise nicht weniger, er verstärkte sich notwendigerweise. Manche Dekurionen verloren so viel, dass sie nicht mehr das nötige Vermögen hatten, um weiterhin im Stadtrat bleiben zu können. Wenn sich aber die Zahl der Dekurionen verminderte, weil Plätze im Rat nicht mehr besetzt werden konnten, dann wurden die Verantwortung der Übrigen und deren Belastung umso stärker, weil alles nun auf weniger Schultern ruhte. Eine so geartete Situation darf man in etwa auch für Köln unmittelbar vor dem Jahr 321 erschließen. Es gab nicht mehr genügend Leute aus den bisher dafür prädestinierten Gruppen der Bevölkerung, die Dekurionen werden wollten oder konnten. Der Rat war somit ganz notwendigerweise personell ausgedünnt. Dass die Dekurionen, die noch Mitglieder waren, sich umsahen, wie sie die Situation für sich selbst verbessern konnten, ist unmittelbar einsichtig. Hier kommt die Kölner jüdische Gemeinde ins Spiel. In caesarischer Zeit, also seit kurz vor 44 v.Chr., hatten jüdische Delegationen erreicht, dass ihre Mitglieder wegen der Vorschriften ihrer Religion in verschiedener Hinsicht privilegiert waren, also Sonderrechte genossen. Dazu gehörte z. B. das Verbot, Juden am Shabbat vor Gericht zu ziehen oder zu einem sonstigen Rechtsgeschäft zu verpflichten; auch die Verpflichtung, militärisch Rom zu un-

 Heinz-Joachim Schulzki, „Der Katastrophenhorizont der zweiten Hälfte des . Jahrhunderts auf dem Territorium der CCAA. Historisches Phänomen und numismatischer Befund“, in: Kölner Jahrbuch  (),  – .

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terstützen, fiel damals, was für die spätere Zeit hieß, dass Juden nicht für die Auxilien, später auch nicht für die Legionen rekrutiert wurden. Zu den Privilegien gehörte generell, dass Juden an nichts teilnehmen mussten, was sie mit den Praktiken anderer Religionen in Berührung brachte.²⁷ Denn viele öffentliche Akte beim Militär, vor allem aber in den griechisch-römischen Gemeinden waren mit religiösen Zeremonien verbunden. Spiele im Circus wurden z. B. mit einem Opfer eröffnet, ebenso eine Volksversammlung, aber auch jede Sitzung des Dekurionenrats, nicht anders als in Rom, wo vor jeder Sitzung des Senats jeder Teilnehmer vor der Göttin Victoria ein Weihrauchopfer darbrachte. Der Streit um den Victoriaaltar im römischen Senat eskalierte schließlich unter Kaiser Gratian in den 80er Jahren des 4. Jahrhunderts. Die Magistrate der Gemeinde waren darüber hinaus auch die Vertreter gegenüber den Göttern, nicht so sehr die munizipalen Priester; die Magistrate hatten deshalb vornehmlich die regelmäßigen und unregelmäßigen Opfer darzubringen, unblutige, aber auch blutige. Das aber hieß für jeden Juden, jedenfalls wenn er seine Religion ernst nahm, dass er an solchen Handlungen nicht teilnehmen konnte. Damit aber war auch die Aufnahme in den Dekurionenrat oder die Wahl zu einer städtischen Magistratur ausgeschlossen, jedenfalls für all diejenigen Juden, die sich an die Vorschriften ihrer Religion hielten. Offensichtlich hatten sich die Dekurionenräte in den Städten des Reiches auch zumeist an diese Privilegien gehalten, ja vermutlich wollte man es weithin auch gar nicht, dass Juden in die Elite der Stadt aufgenommen wurden. Nicht allzu selten war aus der Sonderstellung, die jüdische Gemeinden innerhalb der Städte einnahmen, eine Abneigung entstanden (nicht unähnlich zu der gegenüber den Christen), so dass gar keine Neigung bestand, Juden in die Stadträte berufen, selbst wenn einige Juden das wollten. Doch es gab Juden, die durchaus aktiv am städtischen Leben teilnehmen wollten; wie viele das waren, ist allerdings in keiner Weise abzuschätzen. Dabei muss man sich solche Leute nicht unbedingt als Persönlichkeiten vorstellen wie Ti. Iulius Alexander; er hatte sich als jüdischer Bürger von Alexandria von der väterlichen Religion abgewandt, war Präfekt von Ägypten geworden und schließlich sogar Prätorianerpräfekt unter Vespasian.²⁸ In solchen Stellungen ließ es sich gar nicht vermeiden, an Opfern teilzunehmen, nicht nur passiv, es war aktive Teilnahme nötig. Die Opfer an die Götter Ägyptens zu Beginn der jährlichen Nilschwelle waren z. B. vom Präfekten höchstpersönlich zu vollziehen. Das war nur möglich, da Alexander sich von der väterlichen Religion losgesagt hatte. Doch es gab auch andere Juden, die das eine wollten, ohne

 Miriam Pucci Ben Zeev, Jewish Rights in the Roman World. The Greek and Roman Documents quoted by Josephus Flavius, Tübingen .  Prosopographia Imperii Romani IV J .

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das andere aufzugeben. Das ergibt sich klar aus einem Erlass, den die Kaiser Septimius Severus und Caracalla zwischen 198 und 211 hatten formulieren lassen. Der Erlass ist bei dem Juristen Ulpian im Liber tertius de officio proconsulis zitiert, erhalten in Dig. 50, 2, 3, 3: Eis, qui Iudaicam superstitionem sequuntur, divi Severus et Antoninus honores adipisci permiserunt, sed et necessitates eis imposuerunt, qui superstitionem eorum non laederent. „Denen, die dem jüdischen Glauben folgen, haben die vergöttlichten Severus und Antoninus erlaubt, Ehrenämter zu übernehmen, aber sie haben ihnen damit auch alle notwendigen Aufgaben aufgeladen, die ihren Glauben nicht verletzen.“

Honores ist zwar ein allgemeiner Ausdruck, der auch stadtrömische, nur von Senatoren übernommene Ämter umfasste, aber hier sind zweifellos ausschließlich Ämter in den Gemeinden des Reiches gemeint. Juden konnten also zu städtischen Ämtern zugelassen werden, wenn sie es wollten, sie mussten freilich dann auch alle Pflichten einer solchen Stellung übernehmen; ihre Privilegien, so die Kaiser, seien nur insoweit zu achten, dass sie zu keiner Handlung gezwungen werden konnten, die mit den Vorschriften ihrer Religion nicht vereinbar sei, mit ihrer superstitio, wie die Kaiser formulieren. Das ist nicht unbedingt ein freundliches Wort über die jüdische Religion. Man kann es mit Aberglaube oder auch mit Glauben übersetzen; aber selbst wenn man die letztere Übersetzung wählt, muss man einen negativen Ton mithören. Der Ausdruck wurde von den Kaisern vor Konstantin und den römischen Amtsträgern auch für die christliche Religion verwendet, was nie in freundlicher Absicht geschah. Man braucht nur an den Christenbrief des Plinius aus Pontus-Bithynien zu denken oder an den Judenexkurs im 5. Buch der Historien des Tacitus, wo er u. a. von der gens superstitioni obnoxia, religionibus adversa spricht, einem Volk, das dem Aberglauben verbunden sei, echter Religion aber sich verweigere.²⁹ Dennoch muss man aus dem Erlass von Septimius Severus und Caracalla ableiten, dass es in den griechischrömischen Städten Juden gab, die an dem öffentlichen Leben der Städte in verantwortlicher Position teilnehmen wollten. Dass die Kaiser ihnen dies explizit erlauben mussten, lässt aber auch darauf schließen, dass nicht alle führenden Kreise in den Städten des Reiches solchen Wünschen entgegenkamen, vielmehr Juden aus ihren Reihen fernhalten wollten. Andererseits stimmt ein solches Streben von Juden mit der These von Seth Schwarz überein, dass die Mehrheit der Juden nach dem Bar Kochba Krieg nicht mehr in Konfrontation mit der Mehrheitsbevölkerung in den Städten lebte, sondern sich kulturell und politisch-reli-

 Tac. hist. , .

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giös deutlich anpasste.³⁰ Weshalb also nicht auch aktiv am städtischen Leben der Führungsschichten teilnehmen? Mit der kaiserlichen Konstitution im Rücken konnte man eine Verweigerungshaltung der Eliten, soweit sie weiterhin bestand, überwinden. Allerdings ist aus der Erlaubnis der severischen Kaiser, soweit wir wissen, kein allgemeines Drängen von Juden in die städtischen Ämter entstanden. Es ist schwer für die Zeit vor dem 4. Jahrhundert, aber auch noch nach der konstantinischen Konstitution konkrete Beispiele für die Mitgliedschaft eines Juden in Stadträten zu finden. Eines betrifft die Stadträte von Ascalon und Damascus, also in Syria Palaestina und Syria Coele, – wenn denn der in einer Inschrift aus Ostia genannte Pantomime Marcus Aurelius Marci filius Ter(etina tribu) Pylades Arescius wirklich Jude war und sich auch selbst noch als Jude verstand.³¹ In der Sammlung der Inschriften aus den kleinasiatischen Provinzen von Walter Ameling findet sich kein Text, der einen bouleutes, einen Ratsherren, nennen würde und der sicher noch ins 3. Jahrhundert gehörte.³² Bei einem der Texte könnte dies möglich sein, es ist aber keineswegs sicher (Nr. 186); erst für die Spätantike kennt man dort eine Reihe von Bouleuten vor allem aus Aphrodisias und Sardeis.³³ Auch in den beiden weiteren Bänden zu den jüdischen Inschriften des europäischen Ostens sowie für Syrien und Cypern ist kein entsprechendes Zeugnis zu finden, nicht einmal für die Spätantike.³⁴ Dieser Befund muss allerdings nichts Grundsätzliches besagen. Denn wenn ein epigraphisches Zeugnis nicht etwas Spezifisches enthält, etwa einen sprechenden Namen, sondern nur einen Allerweltsnamen wie z. B. Ti. Iulius Alexander, dann ist die jüdische Herkunft einer Person nicht zu erkennen, es sei denn es gäbe eine Parallelüberlieferung wie eben für Iulius Alexander.³⁵ Somit ist es durchaus möglich, dass in der Folge der Entscheidung von Septimius Severus immer wieder einzelne Juden in die Stadträte kamen, weil sie es wollten. Doch ist es historisch nicht gerade wahrscheinlich, dass sich dies im Laufe des 3. Jahrhunderts fortsetzte; eher hat dieses Drängen abgenommen, als sich die wirtschaftliche Lage verschlechterte; denn unter den sich wandelnden

 Seth Schwartz, Imperialism and Jewish Society:  B.C.E. to  C.E., Princeton .  CIL XIV a = Noy, Jewish Inscriptions (wie Anm. ) I  = AE , .  Walter Ameling, Inscriptiones Iudaicae Orientis II: Kleinasien, Tübingen .  Ameling (wie Anm. ).  David Noy / Alexander Panayotou / Hanswulf Bloedhorn, Inscriptiones Iudaicae Orientis I, Tübingen ; D. Noy / H. Bloedhorn, Inscriptiones Iudaicae Orientis III: Syria and Cyprus, Tübingen .  Zu einem Zeugnis aus traianischer Zeit in Ioppe siehe Corpus Inscriptionum Iudaeae / Palaestinae III, Berlin , Nr. .

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Umständen wurde dieser freiwillige Eintritt auch für Juden immer weniger attraktiv, auch in Köln. Umgekehrt wandelte sich allerdings mit der ökonomischen Krise die Einstellung der städtischen Eliten Außenseitern gegenüber. Jetzt ging es nicht mehr vornehmlich um elitäre Absonderung oder um Ausschluss von Leuten, die man innerlich ablehnte, sondern sehr konkret um das eigene Überleben.³⁶ Das aber hat zu einem Umdenken geführt, zumindest im römischen Köln, aber wohl nicht nur dort. In Köln wollte es jedenfalls zu Beginn des 4. Jahrhunderts den Dekurionen der Stadt nicht mehr einleuchten, dass jüdische Mitbürger sich nicht an den Pflichten gegenüber der politischen Gemeinde beteiligten, sich vielmehr mit Berufung auf die alten Privilegien diesen entzogen. Man meinte, dieser bisher nicht herangezogene Teil der Kölner Bevölkerung könnte bei der Schulterung der Lasten eine Erleichterung bringen. Man hat wohl versucht, einzelne jüdische Mitglieder in den Rat aufzunehmen, was aber ohne Erfolg blieb. Aus dieser Situation heraus hatte sich der Stadtrat als Gremium an Konstantin gewandt und ihn darum gebeten, ihnen das Recht zu geben, auch Juden in den Stadtrat zu kooptieren, was heißt, auch gegen deren Willen. Und genau das erlaubte der Kaiser. Es war also nicht so, obwohl das immer wieder in seriösen und weniger seriösen Publikationen zu der Konstitution behauptet wird, dass Konstantin es den Juden erlaubte, in den Rat der Stadt einzutreten. Nein, er hat vielmehr den Dekurionenräten erlaubt, Juden auch gegen ihren Willen in die Stadträte aufzunehmen. Dass er die Erlaubnis gab, zwei oder drei Juden davon freizustellen, erinnert noch an den bisher gültigen privilegierten Status. Die Frage drängt sich auf, warum Konstantin von der jahrhundertealten Privilegierung jedenfalls in diesem Punkt fast völlig abgerückt ist, allerdings nicht generell von der Privilegierung. M. E. ist die Erklärung einfach. Der entscheidende Grund lag im Wandel der Religionspolitik. Konstantin hatte sich dem Christentum zugewandt, damit waren die paganen Kulte, die bisher die Basis auch für alles öffentliche Handeln gebildet hatten, nicht mehr in ihrer beherrschenden Position. Niemand konnte künftig von Mitgliedern eines Stadtrats, die etwa dem Christentum oder auch dem Judentum angehörten, irgendwelche kultische Handlungen verlangen, die seinem eigenen Glauben widersprachen. Wurde ein Christ in eine Magistratur gewählt, dann brauchte er für die Stadtgottheiten keine Opfer durchzuführen, Gleiches galt für einen jüdischen Magistrat. Das aber heißt, dass das Problem, das noch die Kaiser Septimius Severus und Caracalla mit ihrer

 Das sahen die Kaiser nicht anders. Nach einem Erlass aus diokletianischer Zeit CJ , ,  wurde es nun möglich, dass auch personae infames zumindest als Dekurionen akzeptiert wurden, was früher ausgeschlossen gewesen wäre.

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Entscheidung zu lösen versucht hatten: nämlich Juden seien befreit von Handlungen, die ihren Glauben verletzten, nicht mehr existierte, jedenfalls nicht mehr grundsätzlich. Denn für eine Übergangszeit kam es zu einer Neutralisierung von Religion, wie das vor kurzem Hartmut Leppin genannt hat.³⁷ Die Religionszugehörigkeit war bei öffentlichen Aufgaben nicht mehr von Bedeutung, da mit diesen Aufgaben keine religiösen Handlungen mehr verbunden waren. Das galt für alle, auch für Juden. Damit aber gab es auch keinen Grund mehr, die Teile der alten Privilegien aufrechtzuerhalten, die Juden von der Ausübung von Handlungen, die im Widerspruch mit ihrer Religion standen, befreiten und in der Konsequenz auch die Teilnahme am Dekurionenrat betrafen. In dieser Hinsicht unterstanden von nun an fast alle Juden den gleichen Notwendigkeiten und Zwängen wie alle anderen Bürger, weil sich aus der Übernahme der Ämter keine Verletzung religiöser Vorschriften mehr ergab. Dass sich alle oder die meisten Kölner Juden bis zum Erlass Konstantins auf die alten Privilegien berufen haben, um der Nominierung in den Rat zu entgehen, ist angesichts der Gesamtsituation im Reich mehr als verständlich. Doch dass Konstantin sich der kritischen Lage der Städte bewusst war, zeigt sich sehr deutlich gerade bei der Gewährung von Privilegien in den Städten. Im Jahr 313, kurze Zeit nach der Schlacht an der Milvischen Brücke, die Konstantins Hinwendung zum Christentum endgültig gemacht hatte, gewährte der Kaiser allen christlichen Klerikern die Befreiung von den Pflichten in den Städten, einschließlich der Pflichten im Stadtrat. Doch schon wenige Jahre später, im Jahr 320 und dann nochmals in 326, widerrief er dieses generelle Privileg und beschränkte es auf eine kleine Zahl von Personen und auch für diese galt die Privilegierung nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen.³⁸ Seine Haltung gegenüber Juden und christlichen Klerikern zeigt sich hier weitgehend parallel. Dies, und nicht mehr, ist den Bestimmungen der konstantinischen Konstitution über Juden in den Stadträten des Reiches zu entnehmen. Für Köln selbst aber lässt sich aus dem Erlass doch noch einiges mehr erkennen. Zum einen muss es in Köln eine nicht ganz kleine jüdische Gemeinde gegeben haben. Denn dass nur einige wenige Juden zu Beginn des 4. Jahrhunderts in Köln gelebt hätten, ausgerechnet diese wenigen aber die Censusqualifikation für die Aufnahme in die Kurie erfüllt hätten, ist wenig wahrscheinlich. Vielmehr muss die jüdische Gemeinde eine größere Zahl von Angehörigen umfasst haben, zu denen auch eine ganze Reihe von Familien gehört haben müssen, die die Censusqualifikation für die Zugehörigkeit zum Stadtrat erfüllten. Diese Qualifikation war auch leicht  Hartmut Leppin, „Christianisierungen im Römischen Reich“, in: Zeitschrift für Antikes Christentum  (),  ff.  T. G. Elliott, „The Tax Exemptions granted to Clerics by Constantine and Constantius II“, in: Phoenix  (),  – .

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feststellbar, da alle vier Jahre eine allgemeine Vermögenserhebung (eben ein census) in jeder Gemeinde durchgeführt wurde, um die Leistungsfähigkeit der Bürger festzustellen; oder man konnte auf die Ergebnisse des Reichscensus zurückgreifen, der in einem Zyklus von 14 Jahren durchgeführt wurde. Diese ökonomisch herausragenden jüdischen Familien sollten auch über Grundbesitz verfügt haben, da dies die übliche Form der Absicherung von größeren Geschäften war, auch im Hinblick auf die Verantwortung für die Gemeindefinanzen; nach der lex Irnitana (§ 60) mussten alle Bewerber um ein Amt vor der Wahl der Gemeinde Bürgen stellen oder auch Grundstücke verpfänden, damit die Gemeinde abgesichert sei. All das aber bedeutet, dass die jüdische Gemeinde Leute sehr unterschiedlicher ökonomischer Situation umfasst hat, was man auch kaum anders erwarten kann. Eine solche größere Gemeinde kann kaum in wenigen Jahren entstanden sein, jedenfalls wenn man von der historischen Wahrscheinlichkeit ausgeht, sie sollte vielmehr schon auf ein längeres Alter zurückblicken.Wann die ersten Juden in die niedergermanische Provinz und auch in die CCAA gekommen sind, darüber schweigen die Quellen vollständig. Doch gab es, wie schon kurz angedeutet, zwei große Auswanderungswellen aus Judäa, einmal im Kontext der ersten großen Revolte zwischen 66 und 70 n.Chr., und dann nochmals infolge des Bar Kochba Krieges 132– 136.Viele Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende haben damals die Heimat verlassen, viele gingen nach Mesopotamien und verstärkten damit die dortige Diaspora. Dass dort später der Babylonische Talmud entstand, hat auch mit dieser massenhaften Zuwanderung zu tun. Aber Juden gingen auch in andere Regionen des Reiches. Und unter den Notbedingungen dieser Zeit ist eine Auswanderung in die rheinischen Provinzen am ehesten denkbar. Dass am Rhein Leute aus dem Nahen Osten lebten, ist u. a. durch die schon erwähnten Grafitti aus Krefeld bezeugt, deren Schreiber zwar nicht aus Judäa stammten, sondern aus Nordsyrien, aber von den Lebensbedingungen her ist die Situation vergleichbar.³⁹ Auch einige wenige griechische Inschriften, die in Köln gefunden wurden, weisen in diese Richtung.⁴⁰ Geht man von einer seit vielen Jahrzehnten, eher sogar Jahrhunderten dauernden jüdischen Präsenz in der CCAA aus, dann fragt man sich freilich, warum wir von ihnen sonst absolut nichts in unseren Quellen finden. Dabei ist die Überlieferung vor allem durch Inschriften in Köln wesentlich besser als für viele andere Städte im gallisch-germanischen Bereich. Für das engere Kölner Stadtgebiet finden sich in dem vor kurzem in 2. Auflage erschienenen Corpus der

 Siehe oben Anm. .  IKöln Nr. . . . . . .

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stadtkölnischen Inschriften von Brigitte und Hartmut Galsterer rund 800 solcher Texte,⁴¹ vom gesamten weiten Kölner Territorium aber kennen wir weit mehr als 4000 Inschriften auf Stein, auf Keramik und sonstigen alltäglichen Gegenständen.⁴² Und unter diesen vielen Zeugnissen findet sich nichts, was auf jüdische Präsenz hindeuten würde. Das ist einerseits überraschend, denn gerade Grabinschriften von Juden kennen besondere Merkmale, wodurch sie leicht als solche erkannt werden können: Menorot, Lulav oder Shofar sind dort oft wiedergegeben, ferner finden sich nicht selten hebräische Worte wie Shalom, auch wenn die Texte sonst in Latein oder Griechisch abgefasst sind, wie man das etwa bei stadtrömischen Inschriften sieht.⁴³ Und öfter finden sich auch typisch jüdische Namen, die kaum von anderen getragen wurden. Doch nicht der leiseste solche Hinweis findet sich im reichen Kölner Inschriftenmaterial. Freilich darf man daraus nicht den Schluss ziehen, die Gemeinde sei erst sehr spät entstanden oder sie sei sehr klein gewesen, so dass ein fehlender epigraphischer Niederschlag nicht zu überraschen braucht. Denn einen gleichen Befund haben wir für die frühe christliche Gemeinde. Auch sie ist zum ersten Mal durch ein zufälliges literarisches Zeugnis, einen Bericht aus dem Jahr 313 n.Chr. über eine Synode in Rom im Kontext des Donatistenstreites bezeugt.⁴⁴ Doch auch die christliche Gemeinde in Köln geht nach historischer Wahrscheinlichkeit und einer allgemeinen Nachricht bei Irenaeus von Lyon⁴⁵ mindestens auf das späte 2. Jahrhundert n.Chr. zurück. Doch nichts Direktes, absolut nichts, findet sich sonst in den Quellen zur Geschichte der Christen im römischen Kölns. Ebenso im Fall der jüdischen Gemeinde: Man bedenke nur einmal: Wäre der Erlass Konstantins nicht in den Codex Theodosianus aufgenommen worden, wüssten wir überhaupt nicht, dass eine jüdische Gemeinde im römischen Köln existiert hat. Das Fehlen von Quellen sagt also keineswegs einfachhin, dass ein bestimmtes Phänomen nicht existiert hat. Natürlich erlaubt das nicht, umgekehrt etwas zu postulieren, ohne dafür einen Ausgangspunkt zu haben. Für die hier vorgetragenen Überlegungen bietet die Konstitution Konstantins diesen Ausgangspunkt. Von ihr aus darf man Vermutungen äußern, solange sie nicht im direkten Widerspruch zu der allgemeinen historischen Entwicklung stehen. Das gilt auch für die aktuellen Aus-

 Brigitte und Hartmut Galsterer, Die römischen Steininschriften aus Köln. IKöln, Mainz .  Siehe die Datenbank: http://www.manfredclauss.de/ (zuletzt . Dezember ).  Siehe oben Anm. .  Optatus von Mileve, Liber I p. ; Concilia Galliae, Band I p. .  Iren. c. haer. , , : „Die in den (zwei) Germaniae gegründeten Gemeinden glauben weder anderes noch überliefern sie anderes als die in den (drei) Hispaniae, bei den Kelten, im Orient, in Ägypten, in Libyen und die in der Mitte der Welt gegründeten Gemeinden“; (so der griechische Text, der das Original repräsentiert; die lateinische Übersetzung lautet anders).

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einandersetzungen um den Anfang der Synagoge in Köln. Aber dies ist eine ganz andere Geschichte, die hier nicht von Relevanz ist. Denn für den Beweis einer jüdischen Gemeinde im römischen Köln genügt die Konstitution Konstantins von 321 n.Chr.⁴⁶

 Siehe dazu die Hinweise bei Eck, Spurensuche (wie Anm. *). – Jüngst zur Frage der Präsenz von Juden in Deutschland und speziell in Köln in Antike und frühem Mittelalter: Rudolf Schieffer, Die ältesten Judengemeinden in Deutschland, Paderborn .

Register (Auswahl) Stellenregister a) Bibel (jüdisch und christlich, einschließlich Apokryphen) Genesis

1. Makkabäer

– 17, 9 – 13 66

– – – – – –

Exodus – 12, 43 69 – 30, 11 – 14 60 – 34, 12 – 16 75

Leviticus – 9 96 – 12, 3 66

Numeri – 28 96

Deuteronomium – 7, 1 – 5 75

7, 1 58 8 58 8, 20 58 8, 23 – 32 59 9, 3 58 15, 15 – 24 22

2. Makkabäer – 4, 11 58 – 11, 34 – 38 58

Markus – 13, 2 135

Acta – 2, 10 75

Nehemia – 10, 33 60

b) Griechische und lateinische Schriftsteller Augustinus – ep. 44, 6 (13) 82

– 68, 1, 2 186 f – 68, 32, 3 65 – 69, 12 65

Cassius Dio – – – – – – –

37, 9 44 60, 6, 6 44 65 (66), 7, 2 179 67, 14, 1 f 183 67, 14, 2 172 67, 14, 3 184 68 f 197 – 199

Cicero – Att. – 6, 1, 15 61 – Cluent. – 139 122 – Flacc. – 3 126

224

Stellenregister

– 5 125 f – 5 f 126 – 8 f 126 f – 9 126 – 10 128 – 12 128 – 14 f 128 – 16 126 – 17 127 – 17 f 128 – 19 128 f – 21 127 f – 23 128 – 34 f 129 – 36 127 – 52 f 129 – 60 129 – 65 f 127 – 66 125 – 66 f 125 – 68 46. 125 – 68 f 125 – 69 125 – 70 – 72 129 f – 98 111 – Font. – 3 130 – 12 131 – 14 131 – 16 130 – 18 131 – 21 f 131 f – 23 130 – 26 131 – 27 130. 132 – 29 132. 133 – 30 131 – 31 130 f – 32 131 – 33 132 – 35 132 – 36 132 – 40 f 133 – 44 130 – 49 132 f – Leg. – 3, 42 92

– orat. – 2, 153 112 – Scaur. – 38 133 f

Euseb – Chronikon – ccxxiii 196 f – HE – 3 20 184 – 4, 1 – 6 191 – 195 – 4, 2 200 f – 4, 6 200 f – 4, 6, 3 65 – praep. Ev. – 9, 19, 1 124

Herodot – 2, 37 72 – 4, 186 72

Hieronymus – Comm. in Sophon 1, 15 f 65

Irenäus von Lyon – c. haer. 1, 10, 2 220

Isidor – Etym. 10, 34 82

Josephus – Antiquitates Iud. – 13, 258 47 – 14, 145 – 148 22 – 14, 196 30 – 14, 226 31 – 14, 228 – 240 63 – 16, 31 – 57 154 – 156 – 16, 45 25 – 16, 60 25 – Bellum Iudaicum – 1, 1 – 7 144 – 1, 3 147 f

Stellenregister

– 1, 9 f 146 f – 2, 345 – 402 152 – 154 – 7, 110 162 – contra Apion – 2, 193 f 137 – Vita – 1 – 8 139 f – 12 141

Justin d. Märtyrer – Apologie – I, 31 197 – Dialog – 22, 11 76 – 34, 7 76 – 39, 2 76 – 40, 2 76

Origenes – ep. ad. Iul. Afric. 14 64

Philo Alexandrinus – leg. 159 63

Seneca – ep. 108, 22 43

SHA – Hadrian – 14, 2 65 – Severus – 17, 1 66

Sueton – Claud. – 25 44 – Dom. – 10, 2 184 – 12, 1 f 181 f – 12, 2 170 – 15, 1 172

Tacitus – hist. – 5, 1 – 9 142

Valerius Maximus – 1, 3, 3 40

c) Rabbinische Schriften Mischna

Tosefta

– Avoda Zara 1, 5 92

– Betsa 2, 15 83

d) Inschriften AE 1904, 9 65 AE 1984, 439 103 CIL 3, 2830 65 IG VII 413 23 IG XII 4, 1, 298 Z. 6 f 25

ILS 1518 178 ILS 1519 180 f I Prusa ad Ol. 1028 43 I Prusa ad Ol. 1054 43 SEG 56, 1359 39

225

226

Stellenregister

e) Corpus Iuris Civilis Dig.

Codex Theodosianus

– – – – – – –

– 1, 1, 5 78 – 1, 1, 6 78 – 1, 1, 6, 1 78 – 3, 1, 5 80 – 12, 1, 157 78 f – 12, 1, 158 79 – 15, 1, 35 80 – 16, 5, 40 80 – 16, 5, 43 81 – 16, 5, 48 80 – 16, 8 82 – 16, 8, 3 208 f – 16, 8, 5 78 – 16, 8, 9 67 – 16, 8, 14 79 – 16, 8, 17 79 f – 16, 8, 19 81 – 16, 9, 1 78 Lex Irnitana – § 60 219 – § 92 62

1, 5, 17 66 27, 1, 15, 6 66 34, 5, 20 37 47, 22, 1 33. 34 48, 8, 4, 2 66 48, 11, pr. 66 50, 2, 3, 3 66. 215

Codex Iustinianus – 1, 5, 18, 4 71 – 1, 9 71. 82 – 10, 32, 49 78 f

Nov. – – – – –

37, 5 72 37, 7 72 45 72 131 72 146 72. 81

Gesta Senatus Romani de Theodosiano Publicando – 4, 33 – 39 78

Namenregister Acilius Glabrio, M. 184 Agamemnon 130 Agesilaos 150 Agrippa I. 7 f. 10. 31f. 90. 154 f Agrippa II. 11. 151 – 153. 156. 157 Ahijja von Schilo (Profet) 97 Albertz, Rainer 2 Alexander (Bischof v. Rom) 191 Alexander d. Große 56 f. 63. 87. 150 Alexander, Michael 112 – 114. 120 Alpers, Michael 176 – 180. 186. 188 Ameling, Walter 216 Amphiaraos 23 Antiochus III. 18 f. 57 f Antiochus IV. Epiphanes 20. 57 f. 72 Antiochus V. 57 Antiochus VII. 25 Antipater 60 f Antoninus Pius 53 Antonius, Lucius 35 f Antonius, Marcus 122 Apollonius Molon 105. 109 f. 124 Appian 59 f. 193 Aquillius, Marcus 111 Archidemus 129 Ariarathes (König) 22 Aristides 192. 193 Aristobul (König) 59 f Ariston v. Pella 193 Arsakes (König) 22 Artaxerxes 56 Artemion 65. 198 Asclepiades v. Acmonia 111. 129 Attalos III. 59 Augustinus, Aurelius 82 Augustus (Kaiser) 50. 63. 74. 90. 93. 154. 163. 166; s. a. Octavianus Avidov, Avi 43. 45. 51. 89 Baltrusch, Ernst 2. 9. 28. 32. 90. 135 – 157 Bar Kochba, Simon (auch: B.-K.-Aufstand) 12. 76. 192. 194 f. 197 – 201. 206. 215 Barclay, John 2. 109 Baron, Salo Wittmayer 140

Ben Zeev, Miriam Pucci 2. 10. 105 – 134 Berenike 152 Bernard, Jacques-Emmanuel 109 Botermann, Helga 43 Boyarin, Daniel 14 – 16. 47. 50 Bruttius 193 Brutus, D. 121 Buttrey, Theodore 169 Caesar, Gaius Julius 3. 10. 22. 26. 28– 31. 33. 37f. 50. 60 f. 74. 87. 90. 116. 150. 162. 163. 166 Caesius, Sextius 125 Caligula 10 f. 51. 90 Canter, Howard 114 Cappelletti, Silvia 37. 109 Caracalla 215. 217 f Carradice, Ian 169 Cassius Dio 11 f. 44 f. 60. 92. 165. 171. 179. 183 f. 186. 197 – 200 Catilina 125 Cato d. Ä. 130 Chrestus 44 Chrysostomos, Johannes 135. 157 Cicero 10. 33. 35. 45. 48. 60. 89. 92. 105 – 134. 150. 205 Claudia Aster Hierosolymitana 208 Claudius 11. 27. 44. 49. 90 Claudius Proculus, Tiberius 208 Clodius Pulcher 33. 116 Codex Justinianus 12. 67. 71. 77. 82 Codex Theodosianus 12. 67 – 71. 77 – 82. 208 f. 220 Cohen, Henry 168 f Commodian 82 Constitutiones Sirmondianae 67 Cornelius Hispalus 40 Crassus 116 Crawford, Michael 211 Cresces Sinicerius 47 Cumanus (Prokurator) 11 Cynegius (Prätorianerpräfekt) 80

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Namenregister

Daniel (Profet) 159 Daoust, Joseph 109 Dareios I. 56 Decianus 129 Demetrios I. 58 Demosthenes 150 Dessau, Hermann 180 Diehl, Ernst 103 Dio, Cassius s. Cassius Dio Diodor 9 Dionysos 23. 38 Dionysos v, Halikarnaß 157 Dolabella 31 Domitian (Kaiser) 66. 94. 159. 161. 166 – 174. 176 – 178. 180 – 185. 187 – 189 Domitilla, Flavia 172. 183 Domitius, Gnaeus 132 Domitius, Lucius 125 Eck, Werner 12. 91. 203 – 221 Eckhardt, Benedikt 7 f. 13– 53 Edrei, Arje V. 73 – 83 Ennodius 82 Epiktet 48 Erotianus 48 Esra 55. 58 Ester 173 Eumenes (Bischof von Alexandria) 192 Eusebius Pamphili von Caesarea 11 f. 65. 66. 92. 124. 166 f. 172 f. 184. 191 – 202 Exgingius Agricola, Marcus 204 f Ezechiel (Profet) 96 f Falcidius 114 f Felix (Prokurator) 11 Flaccus, Lucius Valerius 60. 105 f. 108. 110 f. 114 – 116. 122. 125. 127. 129. 161 Flavius Clemens, T. 172 f. 183. 185 Fonteius, Marcus 116. 119. 131 f Fulgentius 82 Gabinius, Aulus 60. 90. 120 f Galba 160 Galsterer, Brigitte 220 Galsterer, Hartmut 220 Gamaliel (Rabban) 68. 100. 173 Gambash, Gil 166

Gauger, Jörg-Dieter 18 Gelasius 6 Gessius Florus 11. 91 Globulus, Servilius 115 Goodman, Martin 2. 100. 177. 189. 201 Grabbe, Lester L. 17 Graetz, Heinrich 105 Gratian 214 Gruen, Erich 2. 89. 107. 109. 118. 121 Günther, Sven 11. 175 – 189 Guite, Harold 121 – 123 Hadas-Lebel, Mireille 92 Hadrian (Kaiser) 7. 52 f. 65. 91. 150. 157. 192. 195 f. 198 f. 200 Hadrian (Prätorianerpräfekt) 79 f Hasamon 139 Hasselhoff, Görge K. 1 – 12. 191 – 202 Heemstra, Marius 177. 183. 186. 189 Hegesipp 172 Hendin, David 169 Hermann, Léon 109 Herodes 8. 10. 28. 31 f. 61. 90. 152 Herodot 72. 146 Hidal, Sten 109 Hieronymus 65. 196 f. 199 Hild, Joseph Antoine 105 Hillel 76 Hiskia (König) 98 Homer 137 Honorius 78 – 81 Horaz 45 Hortensius 105 Hyrkanos I. 25. 29f. 32. 59 – 63 Hyrkanos II. 28f Indutiomarus 133 Irenäus v. Lyon 220 Isaac, Jules 108 f. 123 Isidor v. Sevilla 82 Isis 24. 42. 49. 93 f Iulius Alexander 216 Iulius Alexander, Ti. 214. 216 Iulius Severus, Sextus (Gnaeus?) 65. 198 f Jakobus („Bischof“ v. Jerusalem) 192 Jannes 41

Namenregister

Jehuda bar Schalom (Rabbi) 76 Jerobeam (König) 97 Jesus v. Nazaret 44 Josephus, Flavius 7 f. 9. 19. 21– 23. 27. 30 – 32. 36. 47 f. 51. 55. 56 – 58. 61 – 63. 72. 77. 91. 135 – 157. 162 f. 171. 179 Joshua ben Hananiah (Rabbi) 100 Judas (Herrenbruder) 173. 184 Judas Makkabaios [auch: Makkabäus] 21. 58 Julius Africanus 64 Jupiter 23 Jupiter Sabazios 41 Juster, Jean 61. 108 Justin d. Märtyrer 76. 201 Justinianische Novellen 71 f Justinianus 66. 71 f. 74. 81; s. a. Codex Justinianus; Justinianische Novellen Justus (Bischof v. Alexandria) 192 Juvenal 52. 89 Ketia bar Shalom 173 Kleopatra 10 Konstantin 68. 70. 77. 208 f. 215. 217 f. 220 f Krech, Volkhard 3 Kyros II. 55 f. 58 Laelius 105 f. 113. 125. 128 Laktanz 6 Leon, Harry 115 Lepin, Hartmut 218 Liebs, Detlef 91 Lintott, Andrew 108. 115. 120 Livia 94 Lotapes 41 Lukuas („König“) 194 Luro, M. 114 Lusius Quietus s. Quietus, Lusius Maeandrius 129 Makkabaios [auch: Makkabäus], Judas s. Judas Makkabaios Marc Aurel (Kaiser) 210 Marcian 33 f Marcus Aurelius Marci filius Terentina tribu Pylades Arescius (Schauspieler) 216 Marius, Caius 132 Markus (Bischof v. Jerusalem) 192

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Mason, Steve 14. 16. 51 Matja ben Matthias 140 Matthias 140 Melito v. Sardis 201 f Mendels, Doron V. 73 – 83 Mithridates 128 f Modestin 66 Momigliano, Arnaldo 109 f Mommsen, Theodor 13. 66 Moses (Profet) 42. 56. 110 Nebukadnezar 55 f Nehemia 55 Nero (Kaiser) 11. 150. 157. 160 f. 166 Nerva (Kaiser) 171. 177. 185 – 189 Niehoff, Maren 9 Nikanor 58 Nikolaos v. Damaskus 31. 152. 154 – 156. 157 Nikomedes 59 Noethlichs, Karl Leo 2 f. 8 f.12. 55 – 83. 90 Noy, David 206 Octavian 37 f; s. a. Augustus Origenes 64 Otho 160 Parion 37 Parrhasius 129 Paulinus v. Nola 82 Perikles 156 Perseus 150 Pfanner, Michael 167 Philo v. Alexandrien 9. 10. 41. 51. 63. 66. 99 Philodorus 129 Plaetorius, Marcus 132 Plinius d. J. 7. 91. 185. 187. 191. 211. 215 Plutarch 123. 150. 157 Polybios 143. 150. 157 Pompeius, Gnaeus 10. 22. 29. 57. 59 f. 90. 106. 108. 116. 118. 123. 125. 131. 150. 161 Popilius Laenas 20 Posidonius v. Apamea 105. 109 Primus (Bischof v. Alexandria) 191 Ptolemaios V. Epiphanes 18 Ptolemaios VIII. 59 Ptolemaios Appion 59

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Namenregister

Quadratus (Apologet) 192. 193 Quietus, Lusius 65. 194. 196. 198 f Quintilianus 115. 119 f Quintus Maximus 132 Rabirius Postumus, C. 30. 120 Radin, Max 108. 122 Rajak, Tessa 2. 26. 28. 61. 151 Rambaud, Michel 118 Rehabeam (König) 97 Reinach, Théodore 105 f Rüpke, Jörg 4. 93. 101 – 103 Rufinus (Präfekt) 81 Rufus, Q. Tin(e)ius (Statthalter) 195. 197. 200 Rutgers, Leonard Victor 2. 108 f Schammaj 76 Sabazios 23; s. a. Jupiter Sabazios Salomo (König) 97 Schäfer, Peter 107. 109 Schuol, Monika 2 Schwartz, Seth 2. 215 f Scaurus, Marcus Aemilius 120 Seeck, Otto 80 Segre, Vittorio Dan 109 Seian 66 Seleukos Nikator 57 f Seneca 43. 45. 48. 109 Septimius Severus 66. 215 – 218 Sevenster, Jan Nicolas 109 Severus Alexander 203 Severus v. Menorca 207 Sextus Vettulenus Cerialis 65 Sharon, Nadav 29. 32 Shotter, David C. A. 186 Simon ben Mattathias (Hohepriester) 22. 58 Solin, Heikki 46 Stemberger, Günter 2. 89. 90 Stern, Henri 94 Stern, Menahem 2. 108 f Stern, Sacha 87. 94 f. 98 f. 101 – 103 Stilicho 81 Strabon 48 f Strothmann, Meret 1 – 12. 85 – 103 Sueton 42. 45. 52. 94. 160. 165. 170 – 172. 180 – 183. 185 Sulla 23

Tacitus 6. 42. 52. 89. 109. 185. 215 Tcherikover, Victor 164 Telephus 130 Telesphorus (Bischof v. Rom) 192 Tertullian 5 Theodorus (Prätorianerpräfekt) 78 Theodosius II. 77. 78. 80. 208; s. a. Codex Theodosianus Theophrast 9 Thukydides 145 – 147. 151 f Tiberius 10 f. 42. 66. 93 Titus 136 – 138. 159 – 163. 166. 167 – 169. 171. 174. 182 Todos Isch Romi 83 Trajan 7. 11. 65. 91. 191 f. 194 – 199. 201. 211 Trampedach, Kai 2 Turbo, Markios 194. 197 Tyche 153 Ulpian 66. 215 Ulrich, Jörg 167 Valentinian II. 80 Valentinian III. 78 Valerius Maximus 40. 41 Vasaly, Ann 116 Verres 121. 123 Vespasianus, T. Flavius 75. 136. 140. 159 – 166. 169. 171. 174. 176. 178. 180. 182. 189. 214 Victor v. Rom 101 Victoria 169 Vitelius 160 Weikert, Christopher 11. 159 – 174 Weitzman, Steven 138 Williams, Margaret H. 47 Wöhrle, Jakob 2 Xiphilinos 197 Xystus (Bischof v. Rom) 192 Yavetz, Zvi 109. 111 Zeuxis 19